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Gefördert aus den Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Bundes- ministeriums für Wirtschaft und Arbeit im Rahmen der europäischen Gemeinschaftsinitiative EQUAL. Qualitäts- entwicklung Gender Mainstreaming Band 6 – Wissensmanagement & Vernetzung Wien, Juni 2007 Essl / Fuxjäger

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Gefördert aus den Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Bundes-ministeriums für Wirtschaft und Arbeit im Rahmen der europäischenGemeinschaftsinitiative EQUAL.

Qualitäts-entwicklungGenderMainstreaming

Band 6 – Wissensmanagement & Vernetzung

Wien, Juni 2007

Essl / Fuxjäger

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Impressum:

Herausgeberin: abz*austria im Rahmen der EQUAL-Entwicklungspartnerschaft Qualitäts-entwicklung Gender Mainstreaming

AutorInnen: Günter Essl, Renate Fuxjäger

Für den Inhalt verantwortlich: Die AutorInnen

Redaktion und Lektorat: Roberta Rastl, Neda Motamedi-Shad

Entwurf und Layout: Andrea Klar, www.creation-one.com

Druck: Druckerei F. Berger & Söhne GmbH, Horn

Wien, 2007

Dieses Produkt wurde im Rahmen derEQUAL-Entwicklungspartnerschaft Qualitäts-entwicklung Gender Mainstreaming erstelltund ist aus den Mitteln des EuropäischenSozialfonds und des Bundesministerium fürWirtschaft und Arbeit gefördert

Zitierhinweis:EQUAL-Entwicklungspartnerschaft QE GM(Hg.), Qualitätsentwicklung GenderMainstreaming, Band 6:Wissensmanagement & Vernetzung

6/Juni 2007ISBN: 978-3-9502136-4-5

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Qualitäts-entwicklungGenderMainstreaming

Publikationsreihe der EQUALEntwicklungspartnerschaft QE-GM

Band 6 – Wissensmanagement & Vernetzung

Wien, Juni 2007

AutorInnen:

Günter Essl

Renate Fuxjäger

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Bestellhinweis:[email protected]

Qualitätsentwicklung Gender MainstreamingPublikationsreihe der EQUALEntwicklungspartnerschaft QE-GM

Band 6 – Wissensmanagement & VernetzungJuni 2007

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Inhalt

Qualitätsentwicklung Gender Mainstreaming 5

Vorwort 6

Einleitung 8

Günter Essl: Diskursanalyse zu Gender-Konstruktionen im Rahmen eines „Gender Mainstreaming“-Projektes

11

Renate Fuxjäger: Zur Gleichstellungsorientierung beim Aufbau von NetzwerkenErfahrungen und Perspektiven 37

Kurzporträts der AutorInnen 54

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Die vorliegende Broschüre ist der sechste Band einerBroschürenreihe, die im Rahmen der Entwicklungs-partnerschaft Qualitätsentwicklung Gender Main-streaming: Konzepte, Umsetzung, Evaluation entstan-den ist.

Ziel der Entwicklungspartnerschaft war es einerseits,theoretisch fundierte Qualitätsmerkmale für die Ein-führung und Überprüfung von Gender Mainstreamingund andererseits für die Verhandlung von Geschlech-tergerechtigkeit sowie die Überprüfung der Zielerrei-chung zu entwickeln und zu implementieren.

Folgende Fragestellungen waren für die Arbeit in derEntwicklungspartnerschaft leitend:

� Was sind "intelligente" Qualitätskriterien für die Im-plementierung von Gender Mainstreaming undgleichstellungsorientierten Maßnahmen in Institutio-nen und Organisationen?

� Wie kann bestehende Ungleichheit und der Fort-schritt von Gleichstellung in Institutionen und Orga-nisationen beschreibbar gemacht werden?

� Wie kann Gender Mainstreaming auf hohem quali-tativem Niveau implementiert werden?

AkteurInnen aus öffentlichen Organisationen, der So-zialwirtschaft und Unternehmen leisteten in fünfTeilprojekten Theoriearbeit, konzipierten und setztenPilot- und Fortbildungsprojekte um.

Mittels Überprüfung von gängigen Gender Mainstrea-ming Konzepten sowie deren Umsetzung und derEvaluierung der Zielerreichung wurden Merkmale fürqualitätsvolles und systematisches Vorgehen erarbei-tet, um die Umsetzung von Gender Mainstreamingauf unterschiedlichen Ebenen zu optimieren. Dabei

bestätigte sich durchgehend der der Entwicklungs-partnerschaft zugrunde liegende Ansatz, dass erfolg-reiches und nachhaltiges Gender Mainstreamingsowohl gendertheoretischer als auch systemtheoreti-scher Fundierung bedarf.

Die Arbeitsschwerpunkte in den Teilprojekten waren:

� Die Konkretisierung und Ausdifferenzierung ge-schlechtertheoretischer Perspektiven innerhalb derStrategie Gender Mainstreaming.

� Die Überprüfung, Adaptierung und Verbreitung vonQualitätssystemen und Kennzahlensystemen, diezur Messbarkeit von Gender Mainstreaming undGleichstellung dienen.

� Die Erstellung von Konzepten, welche Gleichstel-lungsorientierung in Prozessen der Beauftragungdurch öffentliche Institutionen ermöglichen und for-cieren.

� Die Weiterentwicklung vorhandener Qualitätsma-nagement-Systeme und Abläufe in der Organisa-tionsentwicklung durch das Einbeziehen der Ka-tegorie Geschlecht und von Gleichstellungszielen.

� Die Ausarbeitung von Lernkonzepten undFortbildungen für die Vermittlung von GenderMainstreaming. Der Fokus richtet sich nicht nur aufdie zu vermittelnden Kompetenzen, sondern auchauf die Gestaltung der Prozesse des Lernens.

� Die Entwicklung von Qualitätsstandards in derGender Mainstreaming Beratung und im GenderTraining gemeinsam mit Gender BeraterInnen undTrainerInnen im Rahmen eines BeraterInnendiskur-ses und Etablierung dieser Qualitätsstandards ineiner geeigneten Vernetzungsstruktur.

Einen zentralen Stellenwert innerhalb der Entwick-lungspartnerschaft nahm die kontinuierliche Rückbin-

Vorwort

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dung der theoretischen Arbeit an die Umsetzungs-praxis von Gender Mainstreaming in Unternehmenund öffentlichen Institutionen ein. Neben einigen Pilot-und Fortbildungsprojekten erfolgte diese Rückbin-dung der theoretischen Arbeit durch die so genanntenPlattformen - vierteljährlich stattfindende EP-interneWorkshops, zu denen VertreterInnen strategischerPartnerorganisationen, die mit der Umsetzung vonGleichstellungsmaßnahmen in ihren Organisationenbetraut waren, eingeladen wurden. Die Plattformenermöglichten einen intensiven Austausch und einebreite Vernetzung mit Gender MainstreamingExpertInnen aus dem In- und Ausland und liefertenden TeilnehmerInnen Unterstützung, Feedback undneue Impulse für ihre Arbeit auf diesem Gebiet.

Im Rahmen einer nationalen Vernetzung wurden inZusammenarbeit mit zwei weiteren österreichischenEntwicklungspartnerschaften (karenz und karriere,Pop Up Gem) Kriterien für die Gleichstellungswirk-samkeit arbeitsmarktpolitischer Förderinstrumenteentwickelt. Zentrale Themen hierbei waren Kinder-betreuungsbeihilfe, Elternteilzeitrecht und Gründe-rInnenprogramme.

In Kooperation mit Partnerorganisationen ausDeutschland, der Slowakei, den Niederlanden, Por-tugal und Polen - in der so genannten TransnationalenKooperation - wurden gemeinsam Maßnahmen undStrategien auf europäischem Niveau entwickelt, mitdem Ziel, die in den Entwicklungspartnerschaften derteilnehmenden Länder erarbeiteten Produkte ameuropäischen Markt zu platzieren. Auf der Abschluss-konferenz der Transnationalen Kooperation, die imApril 2007 in Wien und Bratislava stattfand, wurdendie Ergebnisse dieser Zusammenarbeit, so zumBeispiel ein Online-Wissensmanagement-System zu

Gender Mainstreaming und Diversity Managementsowie ein Leitfaden für Gender Mainstreaming imVergabewesen, präsentiert.

Insgesamt beteiligten sich an der Entwicklungs-partnerschaft Qualitätsentwicklung Gender Main-streaming: Konzepte, Umsetzung, Evaluation über 30nationale und internationale Partnerorganisationen,denen an dieser Stelle herzlich gedankt werden soll.Überflüssig zu erwähnen, dass ohne das großeEngagement und dem unermüdlichen Einsatz deroperativen und strategischen PartnerInnen weder dieEntwicklungspartnerschaft noch die vorliegendeBroschürenreihe realisiert werden hätte können.

Die Entwicklungspartnerschaft war ein 2-jähriges EU-Projekt (01.07.2005 - 30.06.2007) im Rahmen derGemeinschaftsinitiative EQUAL, welches zur Hälfteaus EU-Mitteln und zur Hälfte aus Mitteln des öster-reichischen Bundesministeriums für Wirtschaft undArbeit finanziert wurde. Koordiniert wurde das Projektvom abz*austria - kompetent für frauen und wirt-schaft. Die inhaltliche Verantwortung lag bei denBeratungsunternehmen abzwien.akademie undARCO - Consulting.

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Der vorliegende Band umfasst Beiträge zur Diskurs-entwicklung auf intra- und interorganisationalerEbene. Den strategischen Ordnungsrahmen für diedargestellten Resultate bilden Fragen zur Wissens-und Kompetenzentwicklung im Bereich GenderMainstreaming.

Mit der „Archäologie des Wissens" veröffentlichtFoucault 1969 (deutsch 1973) die theoretische Skizzeseiner Diskurskonzeption. Dabei versteht er unter„Diskurs" bzw. unter „diskursiver Praxis" eine überin-dividuelle Praxis der Wissens(re)produktion, die ineinem sozialen Feld empirisch anzutreffen ist und diesich in einem stabilen, kohärenten Aussagenkorpusniederschlägt. Mit der Foucaultschen Diskurstheoriewird die Wissensordnung von den Einzelindividuenabgelöst: Anstatt sich in den „Köpfen der Subjekte"zu befinden, stellt das Wissen eine Denkordnung ineinem sozialen Feld dar. Es ist nicht die Denktätigkeitvon SprecherInnen, die die Bedeutung und dieOrdnung des Wissens hervorbringt. Es ist die diskur-sive Praxis innerhalb eines Feldes, die für Foucault diesinnerzeugende, überindividuelle Praxis darstellt.

Theoretisch konzentriert sich die sozialwissenschaftli-che Gender-Forschung auf zwei Stränge: Gender alssoziale Konstruktion, d.h. wie „Weiblichkeit“ und„Männlichkeit“ gesellschaftlich hergestellt wird. Wei-ters geht es um gesellschaftstheoretische Aspekte,d.h. wo gibt es gesellschaftliche Grenzziehungen zwi-schen Frauen und Männern, welche strukturellenRahmenbedingungen wirken darauf? Was trägt zurÜberwindung, was zur Aufrechterhaltung gesell-schaftlicher, zwischen den Geschlechtern ungleichgewichteter Machtstrukturen bei? Aufgrund dieserFragestellungen erweist sich die Diskursanalyse gera-de auch für die Gender Studies als bedeutsam.

Die Diskursanalyse reflektiert im Feld der Beratungund Ausbildung die soziokulturellen und machtförmi-gen Konstruktionen immanent, d.h. innerhalb von Or-ganisationen auf der Ebene von Praktiken, Diskursenund Wissen. Als Ziele lassen sich dabei angeben, a)die unerkannten, nicht-reflektierten Anteile derKonstruktionen, d.h. das implizite Wissen und dieRegeln offen zu legen, die Praktiken und Diskursenunterliegen und die eine Organisation so funktionierenlassen, wie sie funktioniert; b) daraus Beratungs- undAusbildungskonzepte im Setting von Re-/De-/Kon-struktion zu entwickeln, die an der Grenze von Re-konstruktion (historische Entwicklung), Dekonstruk-tion (Ausweis des Zusammenhangs von Wissen undMacht), Konstruktion (imaginäre und symbolischeGenerierung von Möglichkeiten) und Intervention(Maßnahmenplanung und -durchführung mit explizi-ten Zielstellungen) angesiedelt sind. Konstruktion undDekonstruktion verweisen hierbei unmittelbar aufein-ander, denn es geht um die organisationalenVeränderungsprozesse, die sich zwischen der De-konstruktion alter Vorstellungen auf Seiten der Orga-nisationsteilnehmerInnen und den Neukonstruktionenrespektive den Veränderungen und Verschiebungenvon Wahrnehmungen und Beobachtungen bewegen.Veränderungen in dieser Weise aktiv anzustoßenbedeutet stets, in ein Feld zu intervenieren und einStück weit auch seine Logik zu dekonstruieren.

Innerhalb von Organisationen werden Zusammenhän-ge zwischen der Partizipation in sozialen Netzwerkenund ungleichen Geschlechterverhältnissen vermutet.Auch in interorganisationalen Netzwerken, die meistder Kompetenzentwicklung und Wettbewerbsfähig-keit dienen, bestehen eigenständige Gestaltungs-spielräume für die Produktion oder den Abbau vonGeschlechter(un)gleichheiten. Inwieweit in Netzwer-

Einleitung

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ken Gleichstellung von Frauen und Männern struktu-rell vorgesehen ist und für die NetzwerkpartnerInnenlebbar gemacht wird, ist eine wichtige Frage inForschung und Praxis der Netzwerkarbeit. Mit einemverstärkten Augenmerk auf Gleichstellungsorien-tierung soll gewährleistet werden, dass alle Part-nerInnen die Potentiale von Netzwerken gleicherma-ßen nutzen können.

Im Rahmen der Equal-Entwicklungspartnerschaft„Qualitätsentwicklung Gender Mainstreaming“ erhobGünter Essl in zwei Geschäftsstellen einer großenösterreichischen Organisation, welche Gender-Kons-truktionen intraorganisationell vorherrschen. Der Un-tersuchungszeitraum von Mai 2006 bis Mai 2007wurde vor der eigentlichen Implementierung einesGender Mainstreaming-Projektes gewählt, das sichinsbesondere auf den Aufbau von Gender Mainstrea-ming-förderlichen Kompetenzen konzentriert. Disk-ursanalytisch wurde die Organisationsdynamik nachfolgenden Frageaspekten gleichstellungsbezogenerschlossen, um sie im Rahmen von Projekten derOrganisations-, Kultur- und Kompetenzentwicklungbegleiten zu können:

� Wodurch bildet sich gleichstellungsorientierteIdentität in einer Organisation aus und worin hat sieMöglichkeiten und Risiken von Handlungsfähig-keiten zu gewärtigen?

� Welchen Einfluss üben die als relevant wahrge-nommenen Umfeldfaktoren auf die Sinnstiftungund Handlungsdynamik einer Organisation aus, diesich um das Konstrukt der „Gleichstellung“bemüht?

� Welche zentralen kognitiven Leitdifferenzen beför-dern bzw. behindern die Wahrnehmungs-, Denk-und Handlungsschemata einer Organisation inRichtung „Gleichstellung“?

� Wie gehen Organisationen mit der eigenen innerenHeterogenität um, wenn unterstellt wird, dassGleichstellungspolitik mehr oder weniger latenteDeutungshoheiten über Gleich- und Ungleichstel-lungen in den unterschiedlichsten Sinnbezirken vonSubsystemen auslöst?

� Welche zentralen Handlungsregeln bestimmen dieNachhaltigkeit einer professionellen Gleichstel-lungskultur, die sich ihrem Ziel der „Gleichstellung“prospektiv niemals sicher sein kann?

� Was garantiert die wechselseitige „Flüssigkeit“ vonStruktur und De-Struktion, um legitimationsdefizitä-ren Machtansprüchen und Stereotypen mit mög-lichst wenig Diskriminierung zu begegnen, ohneandererseits Halt und Sicherheit laufend preiszuge-ben?

Renate Fuxjäger setzt sich in ihrem Beitrag das Ziel,einen theoriegeleiteten, reflexiven Blick auf denAufbauprozess einer interorganisationalen Vernetzungzu werfen und praxisbezogene Anknüpfungspunktefür Gleichstellungsorientierung in weiteren Netzwer-ken zu schaffen. Als Beispiel dient eine Vernetzungösterreichischer GM-BeraterInnen und Gender-Trai-nerInnen, die im Rahmen der EQUAL-Entwicklungs-partnerschaft aufgebaut wurde. Anhand einer Typo-logie für Netzwerke im Bereich Kompetenzentwick-lung wird diese Vernetzung charakterisiert und im Hin-blick auf Kompetenzentwicklung und Gleichstellungs-orientierung analysiert. Auf Basis des Beispiels wer-den Anregungen für einen gleichstellungsorientiertenAufbau von Netzwerken gegeben. Neben derReflexion der Arbeit in Netzwerken im Bereich GenderMainstreaming versteht sich der Beitrag als praxisna-her Einstieg in das weite Forschungsfeld der Ge-schlechtergleichstellung in Netzwerken.

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Diskursanalyse zu Gender-

Konstruktionen im Rahmen eines

„Gender Mainstreaming“-Projektes

Günter Essl

1. Ausgangslage 12

2. Methodologischer Rahmen 12

3. Verhältnis Geschäftsstelle – Umwelt 15

4. Zentrale Differenzschemata 16

5. Das „Beratungsgespräch“ als Umfeldfaktor für Handlungsdynamik 18

6. Systemheterogenität und Kooperationsordnung 20

7. Widersprüche der Bedeutungs- und Sinngenerierung 27

8. Hypothesen 32

9. Literatur 34

11

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12 Qualitätsentwicklung Gender Mainstreaming

1. Ausgangslage

Im Rahmen des Equal – Projektes „Qualitätsentwick-lung Gender Mainstreaming“ wurde in zwei Ge-schäftsstellen einer großen österreichischen Organi-sation erhoben, welche Gender-Konstruktionen vor-herrschen. Fokus war die Auswertung von Gruppen-interviews in den beiden Zielgruppen „Management“und „Operativ Beschäftigte“. Der Untersuchungszeit-raum von Mai 2006 bis Mai 2007 wurde vor der ei-gentlichen Implementierung eines Gender Mainstrea-ming-Projektes gewählt, das sich insbesondere aufden Aufbau von Gender Mainstreaming (im WeiterenGM)-förderlichen Kompetenzen konzentriert.

2. Methodologischer Rahmen

Eine empirische Untersuchung ist darauf angewiesen,systematisch erforschbare Situationen aufzufinden.Um eine plausible Begründung für kontextbezogeneSituationsanalysen zu erhalten, ist sie mit Hilfe einererkenntnistheoretisch ausgewiesenen Methodologiezu legitimieren. Die Grundannahmen der hier ange-führten Diskurstheorie als erkenntnistheoretischer Be-zug können folgendermaßen zusammengefasst wer-den:

1. Ein zentraler erkenntnistheoretischer Bezugpunktist im hier realisierten Forschungsdesign die Kate-gorie „Diskurs“. Eine Kurzdefinition von Diskursbeschreibt diesen als eine symbolische Ord-nung, die darüber bestimmt, was und wie et-was gesagt werden kann. Dieses Sagbarkeits-regime (s. Baberowski, S. 196-197) bedarf im

Rahmen seiner Aufrechterhaltung handlungsrele-vanter und somit öffentlichkeitswirksamer Bedeu-tungen einem Set von latenten Regelmäßigkeiten,die ein Wissensgebiet angeben, was gesagt wer-den kann, darf und soll – und was nicht gesagtwerden kann (s. Frings, Marx, S. 83). Methodischwurde daher das Gruppeninterview eingesetzt, umdie „Aushandlung“ von ausgesagten Deutungenund Be-Deutungen im sprachlichen Handeln dererhobenen AkteurInnen beobachten zu können.

2. Die Diskurstheorie konzentriert sich auf den Er-zeugungsprozess, auf das Wie von interaktivhergestellter Bedeutung, im Weiteren auf dieGenese von sinn-, sozial- und kausalbezogenerKonstrukte durch das sprachliche und nicht-sprachliche Handeln involvierter AkteurInnen. So-mit stellt die hier präsentierte Zusammenfassungeine Typenbildung aus bestimmten Wahrneh-mungsmustern dar. „Muster“ entspricht hierbeidem Merkmal „regelmäßig“. Regelmäßigkeitwiederum wird in diesem Zusammenhang dieEigenschaft „Struktur“ unterstellt. Erst vor diesemHintergrund soll Kontinuität und Dynamik, imWeiteren Diskontinuität und Bruch unterscheidbarsein.

3. Diskursanalysen bemühen sich um die Explizie-rung immanenter Muster im Rahmen des empi-rischen Forschungsprozesses. Somit wird im hierrealisierten Forschungsprojekt nicht Hypothesen-überprüfung sondern Hypothesengenerierungangestrebt. Anfänglich formulierten Forschungs-fragen soll in diesem Rahmen daher nur derStellenwert von ersten, groben Aufmerksamkeits-richtungen zukommen. In Anlehnung an UrsulaRosenbichler und Karl Schörghuber (Band 2,2007) soll folgender Aufmerksamkeitsfokus ge-

Diskursanalyse zu Gender-Konstruktionen

im Rahmen eines „Gender Mainstreaming“-

Günter Essl

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streut werden: Welche Gender-Konstruktionenlassen sich in der hier empirisch erhobenenOrganisation diskursanalytisch auffinden?

4. Damit sich die Eigenstrukturierung von Diskur-sen unter Bedingungen der systematischen Beob-achtung überhaupt entfalten kann, wurde daraufgeachtet, möglichst geringe Interventionen seitensdes Forschenden zu setzen. Die Gruppendiskus-sionen wurden daher stark selbstläufig durchge-führt; Steuerungsmerkmale der Gruppen wurdenals „Interpunktionen“, also als eigen moderierteEntscheidungsweichen interner Gesprächsverläufevermerkt. (s. Bohnsack, S. 105-128).

5. Es wurde bewusst eine hierarchisch vertikaleund horizontale Gruppenzusammensetzungder jeweiligen Interviewrunden vorgeschlagen (Be-gründung s. Punkt 9). Die konkret personale undgeschlechterbezogene Gruppenkonstitution wur-de frei gestellt und vom Forschenden als Akt derdiskursiven Eigenstrukturierung durch das Mana-gement und durch die operativ Beschäftigtengewertet. Auf die Motive, wie es gerade zu dieserGruppenzusammensetzung kam, wurde in der In-terviewsituation eigens eingegangen. Insgesamtwurden acht Gruppensituationen realisiert: DreiGruppensituationen in der Geschäftsstelle 1 mitjeweils NUR Operativ Beschäftigten, NUR Füh-rungskräften und im Rahmen der kommunikativenValidierung mit GEMISCHT Operativ Beschäftigtenund Führungskräften; fünf Gruppensituationen inGeschäftsstelle 2 mit jeweils NUR Operativ Be-schäftigten, NUR Führungskräften und im Rah-men der kommunikativen Validierung mit NUROperativ Beschäftigten, mit GEMEINSAM Opera-tiv Beschäftigten und Geschäftsleiter und mit NURFührungskräften. Die Unterscheidung und variable

Mischung in Operativ Beschäftigte und Füh-rungskräfte wurde aus dem Managementansatzdes Gender Mainstreaming abgeleitet: Als organi-sationspolitische Strategie zur Erreichung vonGleichstellung der als diskursiv erzeugten Ge-schlechter und Geschlechterverhältnisse spielenMacht und hierarchisch vorgegebene Spreche-rInnenpositionen eine vermutlich wichtige Rolle beider Erzeugung von Geschlechterkonstruktionen.

6. Interventionen wurden durch einige wenige Im-pulse gesetzt. Für die Zielgruppe der Führungs-kräfte in den beiden Geschäftsstellen wurde fol-gender Anfangsimpuls gesetzt: „Gender Main-streaming konkret in Ihrer Geschäftsstelle“; für diebeiden jeweiligen Gruppen der Operativ Beschäf-tigten: „Gleichstellung und Ungleichstellung kon-kret in Ihrer Geschäftsstelle“. Im Rahmen der Dis-kurstheorie wird Impulsen und Fragestellungennur der Wert einer ersten Phänomenanregung zu-gewiesen. Danach bestätigen sich in verschiede-nen, in der Literatur angeführten Studien – geradeaus unterschiedlichen Fragenperspektiven zumgemeinsam vorgegebenen Phänomenbereich –die etablierten hegemonialen Muster. Im vorliegen-den Fall wählte der Forschende daher den theore-tisch vom Gender Mainstreaming-Ansatz abgelei-teten Phänomenbereich der strategisch zu erzie-lenden Gleichstellung der diskursiv erzeugtenGeschlechter und Geschlechterverhältnisse. DieFührungskräfte wurden unter anderem daraufhinbeobachtet, inwiefern sie dem Managementbegriff„Gender Mainstreaming“ auch hierarchische As-pekte von Gleichstellung und Ungleichstellungentnahmen; die Operativ Beschäftigten wurdenunter anderem darauf hin beobachtet, ob sie Phä-nomenen der Gleichstellung und UngleichstellungGender-Aspekte entnahmen.

Projektes

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7. Durch systematischen Fallvergleich werden la-tente Unterscheidungsmerkmale im Erhebungs-prozess sichtbar gemacht. Im hier vorgestelltenForschungsdesign wurden zwei Geschäftsstellenvon ein und derselben Organisation ausgewählt.Auf die Auswahl der Geschäftsstellen konnte undsollte seitens der Forschung kein Einfluss genom-men werden. Dieser Selektionsprozess wurde derOrganisation selbst überlassen – in die For-schungsbeobachtung wurde er allerdings mit ein-bezogen. Als interne Vergleichshorizonte wurdendie beiden oben genannten Zielgruppen beigezo-gen (Begründung oben Punkt 5).

8. Aufgrund des semantischen Holismus könntenDiskursen ständig neue Netze von Aussagen,Meinungen und symbolisch angeregten Praktikenzugeordnet werden. Daher stellt sich die Frage derDiskursbegrenzung. Theoretisch wird in dieserStudie von zwei Seiten eine Begrenzungsdefinitionrealisiert: (a) Diskursanalytisch wird die Erzeugungeiner Identität unterstellt, die sich erst auf derBasis eines Sets von Kernüberzeugungen bildet.Nur vor dem Hintergrund gemeinsamer „basic as-sumptions“ werden Differenzen und Konflikteum Deutungshoheiten verständlich. (b) System-theoretisch wird einer Organisation als System ei-ne operative Geschlossenheit unterstellt. LatenteSinnkonstituierung wird hierbei als Steuerungs-und Abgrenzungsinstanz zu einem als „relevant“markierten Umfeld kommunikativ gebildet. Somitist eine Organisation nach ihren Sinn- und Grenz-ziehungsleistungen zu beobachten, um durchdiesen Akt der Reduktion von Handlungsmöglich-keiten überhaupt erst Handlungsfähigkeit ermög-lichen zu können.

9. Die theoretische Verbindung von Sprechen undHandeln ist ein hoch komplexes und in der Wis-senschaft durchaus strittiges Phänomen. Im Sinneder Linguistischen Pragmatik lässt sich sprachli-ches Handeln als Sonderfall allen Handelnsbegreifen (s. Frings, Marx, S. 100). Im Zuge dieserStudie wurde daraus folgende Konsequenz gezo-gen: Soziale Situationen werden in ihrer immanen-ten Logik von Gruppen entschlüsselt und nachmöglichen Handlungsalternativen abgesucht undausgewählt. Im Forschungsdesign wurden daherErhebungs-Situationen geschaffen, die auch ei-

nem realen Handlungserfordernis der erhobenenTeilorganisationen entsprechen: Für die OperativBeschäftigten wie für die Führungskräfte wurdedie abteilungsübergreifende, jeweils horizontaleZusammensetzung gewählt, um die Geschlech-tervorstellungen an den Schnittstellen operativerund strategischer Abhängigkeiten zu konturieren.In der Konstellation der kommunikativen Validie-rungen wurde dagegen die vertikale Beziehungbetont, um die unmittelbaren Berührungs-punkte von Management und Beschäftigte beob-achten zu können.

10. Im hier favorisierten, diskursanalytisch geprägtengeschlechtertheoretischen Zugang wurde nachden Prozessen der Geschlechterunterscheidunggefragt. Unterstellt wird der theoretische Flucht-punkt „multipler Identitäten” deswegen, um derbinären Codierung stereotyper Geschlechter-zuweisungen ein Stück weit kontrolliert reflexivbegegnen zu können.

11. Nach der binären sex-Logik muss dem hier For-schungsverantwortlichen das Prädikat „männlich“verliehen werden. In der Entwicklungspartner-schaft wurden Kolleginnen zur Mitarbeit und Inter-pretation eingeladen, die alle nach der binärensex-Logik als „weiblich“ einzustufen wären. Somitkonnte der theoretischen Reflexion aus unter-schiedlichen Perspektiven Rechnung getragenwerden. Als gedankenexperimenteller Fluchtpunktdient mir persönlich die Konstruktion eines „thirdspace“, von dem wir zwar alle etwas ahnen, aberdennoch nichts wissen. Der Introspektion der/des Forschenden kommt hierbei ein wesentlichesQualitätskriterium im Untersuchungsprozess zu:Durch die Explizierung ihres/seines impliziten Vor-wissens und der prozessualen Erfahrungs- undErlebniswerte ist ihr/ ihm die Erkenntnis immanen-ter Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsmusterder Erforschten erst möglich. Somit wird das For-schungssubjekt selbst nicht aus dem Erfor-schungsprozess abstrahiert; d.h. keine scheinhaf-te Objektivität des Forschungsdesigns, losgelöstvom Forschenden selbst und „unter der Hand“konstruiert.

12. Themen- und Systemanalyse konnten auf der Ba-sis der angeführten Gruppeninterviews realisiert,

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auf eine ressourcenaufwendige Feinstrukturanaly-se konnte nur sehr bescheiden eingegangen wer-den (Ausnahmen S. 25-27). Räumliche Begehun-gen und nichtteilnehmende Beobachtungen ins-besondere von Beratungsgesprächen mit Kun-dInnen wurden durchgeführt und dosiert in dieAuswertungsprozeduren einbezogen.

13. Die Zusammenfassung der Ergebnisse dient demEntwurf erster Hypothesen zum Kompetenzauf-bau im Bereich Gender Mainstreaming in Orga-nisationen. Differenzierungen wurden daher zu-gunsten von Generalisierungen zurückgenommen.

14. Die Textsorte der hier vorliegenden Darstellungbeschränkt sich auf ihre wissenschaftsbasierteVermittlungsfunktion für beruflich am GenderMainstreaming interessierte PraktikerInnen. Imhier vorliegenden Text umfassen die Endungen mitgroßem „I“ beide Geschlechter, die jeweils gram-matikalischen Endungen für weiblich und männ-lich sind für die Geschlechter weiblich und männ-lich zu lesen (gilt für Singular- wie Pluralformen).

Ausgehend von Punkt 8 und 12 möchte ich nun dieAuswertungsergebnisse der Gruppeninterviews fürdie beiden untersuchten Geschäftsstellen (im weiterenGS1 und GS2) zusammengefasst nach folgendensystemanalytischen Ebenen darstellen (s. dazuFroschauer, Lueger, S. 171-172):

1. Verhältnis System – Umwelt2. Zentrale Differenzschemata3. Das „Beratungsgespräch“ als Umfeldfaktor für

Handlungsdynamik4. Systemheterogenität und Kooperationsordnung5. Widersprüche der Bedeutungs- und Sinngenerie-

rung

3. Verhältnis Geschäftsstelle –Umwelt

Hier werden aus den Perspektiven der Systemteilneh-merInnen die Identitätsbilder in Abgrenzung zurAußenwelt ermittelt. Aus der Perspektive der operativBeschäftigten stellt sich nach Meinung eines von sei-

nen Kolleginnen und Kollegen in diese Richtung be-stätigten Mitarbeiters das Typische ihrer Organisationfolgendermaßen dar:

Ich glaube, die Erscheinung in der Öffentlichkeit ist jaso, es geht ja nicht darum, wer wie viel Geld kriegt,oder wie schnell die Anweisung passiert, sondern esgeht darum, wie viel Arbeitslose sind da, wie viele ver-mittelt werden und um das geht es. Also, die Leistungtotal im Hintergrund und im Vordergrund steht dieVermittlungstätigkeit, wie viele Leute bringe ich in Be-schäftigung, wie viele Leute kann ich wie schnellwohin vermitteln, was für eine Berufssparte kann ichausnutzen, was kann ich dort schneller unterbringen.(33:4)

In diesem Zitat werden bereits die komplexen äuße-ren Einflüsse benannt, die auf die Sinnstiftung dieserGeschäftsstellen einwirken: mediale und politischeÖffentlichkeit, StakeholderInnen, Privatunterneh-men. Die von Management wie Beschäftigtengleichermaßen als sehr relevant eingestuften Um-welten werden als heterogen in ihren Ansprüchenauf die eigene Organisation gewertet. Vieles drehtsich in den Diskussionen, im Marketing, ja in der ar-chitektonischen Wirkung nach außen hin um dieAchse Vermittlungstätigkeit der GS und „Stake-holderInnen“. Die Existenzberechtigung wird als einpolitisch-administrativer Auftrag wahrgenommen,ein Auftrag, der sich bis in den Arbeitsprozessen dereigenen Organisation manifestiert. Somit entsprichtdie Identität nach innen hin auch einem streng hier-archischen Ableitungsprozess: politischer Wahlauf-trag - Regierungsprogramm – Arbeitsprogramm derübergeordneten Organisationsebenen – GS-Leitung– Bereichsleitung – operative Zuständigkeit –Dienstleistung als „Service“ an politisch wählendeNKundIn. Die Kontraktstellung der/des Letzteren istfür die Rollenanforderungen der Führungskräfte wiefür die Beschäftigten beider GS eine sehr ambiva-lente: Ist sie oder er tatsächlich „KundIn“ im markt-wirtschaftlichen Sinne, muss sie oder er nicht ohne-hin in der GS erscheinen aufgrund der Gesetzes-lage, ist nicht die eigentliche Kundin die Firma in derjeweiligen Region? Was ist freiwillig, was verhandel-bar, was eindeutiges Muss von oben?

Auf MitarbeiterInnenebene beider GS stellt sich dasGefühl der Abhängigkeit vom taktischen Kalkül politi-

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scher Wahlstrategien ein: vom Wahljahr, vom aktuel-len Regierungsprogramm, von aktuellen „Zuckerln“,die man kurz vor den Wahlen der einen oder anderenwählenden Zielgruppe macht. Stehen etwa in demeinen Halbjahr gut finanzierte Frauenfördergelder fürSchulungen im Bereich Wiedereinsteigerinnen zurVerfügung, so fehlen sie eben ein Jahr später. Die ge-sellschaftspolitische Thematik selbst – etwa die Frau-enförderung – wird somit als Teil einer kalkuliertenInszenierung wahrgenommen, die sich bis in ausge-klügelte Darstellungen von Statistikmodellen wider-spiegle.

Für die Führungskräfte beider GS spielt die Gewich-tung von Aufträgen, somit auch die Gewichtung vonGender Mainstreaming in den Arbeitsprogrammenund Richtlinien übergeordneter Stellen eine wesentli-che Rolle. Anreize, die Aufträge besonders beherztdurchzuführen, dürften „Landesziele“ sein, die es imWettbewerb zu anderen GS besonders gut zu errei-chen gelte. Hoch gewichtet wird auch die Nutzenfra-ge von Gender Mainstreaming – und zwar als Argu-mentationsstrategie sowohl den Arbeitssuchendenals auch den Firmen gegenüber.

4. Zentrale Differenzschemata

Um herauszufinden, wie sich eine Organisation nachinnen wie nach außen hin symbolisch orientiert, kanndie Darstellung solcher „Kompassrichtungen“ mit Hilfeder sogenannten Differenzschemata erfolgen. Eineerste Annäherung ist durch eine sogenannte Themen-analyse erfolgt. Daraus lassen sich folgende Diskurs-schwerpunkte kenntlich machen:

Insgesamt konnten über alle erhobenen Gruppenge-spräche hinweg, die sich im Durchschnitt jeweilsüber 3 Stunden erstreckten, 93 verschiedene The-mencodes eruiert werden. Weiters wurde berück-sichtigt, welche Codes sich im Verlauf der Gesprä-che besonders häufig überschnitten. Die besondershäufig miteinander assoziierten Codepaare sind hier-bei:

� Beratung & KundInnen� Berufsbilder & Geschlechtervorstellungen� Berufsbilder & Rollenbilder� Management & Kooperation

Differenzschemata Operativ Beschäftigte Differenzschemata Management

KundIn ist KönigInwegen Servicegedanke

Koalition aus KundIn u.Führungskraft imBeschwerdefall

Kunde und Kollege siehtin Mann = fachlich

Beraterin traut Kundin innicht-traditionellenBerufen mehr zu

Frauen durch Kundenleichter einzuschüchtern

wenig Respekt unsgegenüber

BeraterInnen ziehen den Kürzeren

Kundin sieht in Frau =Wissen um Betreuung

männliche Berater trau-en Kundin weniger zu

Männer durch Kundenweniger einzuschüch-tern

Vollzeit

Gender Mainstreaminghat hohe Anteile zuFrauenthemen

Gewichtung von GM imArbeitsprogramm

GM ist nicht allein dasgroße „I“

Bewußtseinsarbeit beiden MitarbeiterInnen

Teilzeit

GM ist auch etwasAnderes

GM ist Pionierthema

in erster Linie sindFrauen benachteiligt(Kinder)

alleinige Information

Davon abgeleitet zeigten sich für die beiden Geschäftsstellen folgende kognitive Differenzschemata:

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Im Weiteren möchte ich aus diesen Differenzsche-mata drei Typen für die operativ Beschäftigten undeinen Typus für die Führungskräfte näher darstellen.Dabei sind vor dem Hintergrund der oben angeführ-

ten Codepaare bei den operativ Beschäftigten dieDifferenzschemata zum Themenkreis „Beratungsge-spräch“/ „Vollzeit – Teilzeit“/ „Kooperation“, für dasManagement ebenfalls die Schemata „Beratungs-

Qualitätsentwicklung Gender Mainstreaming 17

Differenzschemata Operativ Beschäftigte Differenzschemata Management

Kundinnen in Teilzeitlösen Beratungsfragenach Kinderbetreuungaus

Vollzeit

Frau in Führungspositionbei Teilzeit unmöglich

Zusatzarbeit überneh-men

mehr Frauen gutmütig -sagen oft ja

wenn Frauen Zusatz-arbeit übernehmen,sagen Frauen von sich,sie seien „gutmütig“

immer dem jeweilsanderen Bereich wirdhöherer Stellenwert ein-geräumt

die Oberen

Vorschrift

Routine

Thematisierung

Frauen trauen MännernHaushaltsarbeit wenigerzu

Kunden in Teilzeit lösenkeine Beratungsfragenach Kinderbetreuungaus

Teilzeit

Männer haben es daleichter

keine Zusatzarbeit über-nehmen

mehr Männer könnenauch nein sagen

wenn MännerZusatzarbeit überneh-men, sagen Männer vonsich, sie seien „Deppen“

eigenem Bereich wirdniedrigerer Stellenwertunterstellt

die Oberen wenigEinsicht in die Basis

Nicht-Vorschrift

Abgelenktheit

Umsetzung

Männer trauen MännernHaushaltsarbeit durch-aus zu

nur anders Handeln beiGM - keine Zusatzarbeitfür MitarbeiterInnen

GM-Beratung bei weib-licher Kundin notwendig

KundInnennutzen mitGM zu verbinden

Hierarchie nach „oben“

Gesetz, Richtlinie

bei FührungsnachfolgeDauer der Erfahrung undRegionszugehörigkeitnicht unwesentlich

Quantitatives messbar

GM istBewußtseinsarbeit

GM-Beratung für männ-lichen Kunden?

Überzeugungsarbeit inRichtung GM nicht ein-fach

was passiert eigentlich„unten“?

Willkür

Qualifikation von Frauund Mann wesentlich

Qualitatives schwermessbar

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gespräch“/ „Vollzeit – Teilzeit“ sowie weiters „Deutungvon Gender Mainstreaming“ von wesentlicher Be-deutung.

5. Das „Beratungsgespräch“ alsUmfeldfaktor für Handlungsdynamik

Sowohl Management als auch Beschäftigte beiderleiGeschlechts schätzen für die operative Arbeitsebenedas Beratungsgespräch mit den externen KundInnenals besonders dynamisches Bindeglied zum Umfeld-faktor „KundInnensystem“ ein. Ein Mitarbeiter unter-streicht diesen Eindruck pointiert:

Man muss auch sagen, wir sind ja abhängig davon.(57:9)

Dabei fällt auf, dass die MitarbeiterInnen der Vermitt-lungsquote eindeutige Präferenz zuweisen – auchwenn dabei mögliche Berufswahlalternativen in nicht-traditionelle Geschlechterarbeitsmärkte ausgeschlos-sen bleiben sollten. Die „rasche Vermittlung“ wirddann oft mit dem Erfordernis verbunden, auf traditio-nell segregierte Jobangebote (z.B. Büro-, Verkaufsbe-rufe) zu setzen, um die Wahrscheinlichkeit der erfol-greichen Arbeitsvermittlung zu erhöhen.

Darüber hinaus zeigt sich, dass die geschlechterneu-trale Ausschreibung als gesetzliche Vorgabe und dietatsächliche Vermittlungsaktivität in Richtung nicht-traditionelle Berufssparten zugunsten des geschlech-terstereotypen Wunsches eines etwa männlichenFirmenrepräsentanten zurückgestellt wird. Dazu eineMitarbeiterin:

Ich meine, im Auftrag drinnen schreibe ich es ja dazu,für meine Kollegen, dass die das wissen. Sagen tu iches dem Dienstgeber sowieso, dass wir das ge-schlechtsneutral ausschreiben müssen und ich sageihm dann einfach, na ja, wenn er halt wirklich keineFrau will, ich meine, in erster Linie schau ich ja sowie-so schon nur mehr auf das, weil offiziell ist es eh rich-tig drinnen, aber wie ich suche, das lasse ich mir janicht vorschreiben. (56:7)

Hierbei verhärtet sich allerdings der Eindruck, dass

den operativ Beschäftigten die Einbringung vonArgumenten für eine nicht-stereotype Stellenbeset-zung fehlen dürfte. Noch dazu zeichneten sich nachdem Eindruck der MitarbeiterInnen die Unternehmerkleinerer und mittelständischer Firmen dadurch aus,gerne „Ausreden“ ins Feld zu führen, wenn sie miteiner angebotenen weiblichen Besetzung unzufriedensind:

Mitarbeiterin: Dann passt sie nicht ins Team, kommtdann als Antwort. (55:11)

Für beide Geschäftsstellen fällt aus Beobachtungenvon Beratungsgesprächen sowie aus durchgeführtenInterviews mit Arbeitssuchenden beiderlei Ge-schlechts auf, dass viele Kundinnen und Kunden dieBeraterinnen und Berater mit ausgeprägt geschlech-terstereotypen Vorstellungen konfrontieren. Dabeiwerden die Entscheidungen der Arbeitssuchendenbereits im Vorfeld der Beratung getroffen, ob sie sichbei ihren aktuellen Bedarfen eher einem männlichenoder eher einer weiblichen Beraterin anvertrauen sol-len:

Mann 1: Zumindest von Kunden zum Berater, Bera-terin, die Kunden teilweise in der Servicezone, diewas schon eher bekannter sind für ihr resolutesAuftreten, gehen eher, wenn sie sehen, da sitzt einMann und zwei Frauen, dann gehen sie eher zur Frauhin, weil wenn er dort eher resoluter auftritt oder was,hat er mehr Chancen bei der Beraterin da durch zukommen mit seiner Sache als wie bei einem Mann. Istdie Meinung von dem Kunden. Ob es tatsachlich soist, weiß ich nicht. (…) Frau 2: Ich glaube nämlichauch, dass es davon abhängt. Das heißt, wenn ichhier etwas will, was weiß ich, von mir aus die FrauenBetreuungspflichten, das die dann eher zu einer Fraugehen, weil die das vielleicht leichter und besser ver-stehen. Wenn ich jetzt aber vielleicht als Mann, keineAhnung, weiß ich nicht, ob das mit einem Kurszusammenhängen kann, dann gehe ich vielleicht zueinem Mann, weil der gibt mir das dann vielleicht eheroder versteht das vielleicht eher. Weiß ich nicht, fälltmir kein Beispiel ein, aber vielleicht trotzdem, je nachdem, was der Kunde auch will, sich der das heraus-zuzelt oder auch von der Rolle oder von seinemVerständnis her sich denkt, dort könnte ich eher daskriegen und da könnte ich vielleicht eher das kriegen.(50:10 – 52:15)

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Wie eng sich allerdings stereotype Geschlechtervor-stellungen der arbeitssuchenden KundInnen mit denstereotypen Geschlechtervorstellungen der BeraterIn-nen verschränken, zeigt der nächste Gesprächsaus-schnitt. Dabei wird deutlich, wie Vorstellungen von„Weiblichkeit“ und „Männlichkeit“ zwischen KollegIn-nen und KollegInnen und zwischen BeraterInnen undKundInnen einander stützen - bis hin zu Fragen derBeratungsempfehlungen an arbeitssuchende Frauenund Männer im Bereich Teilzeit und Kinderbetreu-ungspflichten:

Mann 2: Bei der Beratungssituation vielleicht, (...)dass die Glaubwürdigkeit Mann, Frau, dass da einUnterschied da ist, dass man einem Mann mehrglaubt als wie einer Frau. Frau 3: Von den Kunden her,ist das gemeint. Mann 2: Kunde. Frau 3: Der Kunde,ja, das haben wir schon beobachtet, dass (…) beieiner Frau derjenige war, dass er gesagt hat, das istnur männlich, oder das geht nicht oder wie auchimmer, dass er vielleicht das nächste Mal, ist er zueinem Mann gegangen, hat er (..) schau, was derheute sagt. Mann 1: Dass ist umgekehrt das, was wirgesagt haben. Frau 3: Ich habe es auch unterKollegen bemerkt, also dass ein Kollege in fachlichenDingen einem Mann mehr glaubt als einer Frau, unsKolleginnen. Zum Beispiel haben wir das Gefühl. Dasist so. Das ist ein Gefühl von uns. Und das Gefühlhaben wir, das merke ich so unter Kollegen. Mann 2:Ja, man könnte das umgekehrt auch spinnen. (…)den Eindruck, wenn eine Frau herein kommt, undsagt, kann nur Teilzeit arbeiten gehen, wird gar nichtviel nachgefragt, weil man denkt, dass Betreuungs-pflichten da sind. Wenn ein Mann herein kommt undsagt, er kann nur Teilzeit arbeiten gehen, dann warum.Frau 2: Dann fragt man nach. Das ist eben die Sache.Mann 2: Das ist irgendwie situationsbedingt. Frau 2:Warum einem Mann mehr glauben wie einer Frau?Aber in der Beratungssituation ist es so. (49:1-50:6)

Bemerkenswert daran erscheint der reflexive, selbst-distanzierte Zugang, den die Frauen und Männer imGespräch miteinander zeigen. D.h.: Sie zeigen Bereit-schaft zur Rollendistanz, in dem sie einbekennen,selbst in Kategorien des „Klischees“ - wie etwa Mann= fachlich; Frau = Betreuung - nicht nur zu denkenund zu fühlen sondern auch danach zu handeln.Interessant ist der Schwenk, den in diesem AusschnittFrau 3 vollzieht: Sie wechselt von der Ebene der

KundInnen auf die eigene, interne Ebene derKolleginnen und Kollegen.

Besonders problematisch wird die Kommunikationzwischen jungen Beraterinnen und männlichen Kun-den eingeschätzt:

Frau: Ja, das haben wir damit gemeint, weil, da wirviele junge Kolleginnen auch haben, und dass die vonden Kunden nicht so ernst genommen werden. DerRespekt ist einfach gegenüber einer jüngeren Kolleginoder Kolleginnen von den Kunden gegenüber nichtgegeben. Das ist mir öfters passiert. Von dir lass ichmir das nicht sagen. (42:21)

Interessant ist die Zuschreibung mit aggressiven „Ti-teln“ für jene Kolleginnen, die es doch verstehen, sichvon Kunden und Kollegen (!) ein Stück weit abzugren-zen – wobei dann die Fremdzuschreibung sogar nochverstärkt wird, indem sie zur Selbstzuschreibunggemacht wird:

Frau 1: Das ist schwierig. Das hängt auch irgendwievon dem Charakter von demjenigen ab. Ich meine,wenn ich auch jung bin und ich strahle etwas aus,also, nehmen wir einmal an, ich bin ein bisserl bissi-ger oder wie auch immer, dann würde sich derjenigesich das nicht trauen. Aber wenn man jung ist undvielleicht unsicher auch noch ist, wie auch immer, ichglaube, da geht es hauptsächlich ums Jungsein. Ichkann es jetzt nicht sagen. Es ist jetzt keiner da. Frau2: Da gebe ich mich ganz anders als wie ein anderer.Ich bin vielleicht die Bissige. Na, ich meine, ich habeden Titel gehabt. Das ist mir auch wurscht. Zu demstehe ich auch und ich glaube, dass mir da gegenü-ber eher der Vorteil ist, wenn ich sage, ich bin ein bis-serl die schärfere, die bissigere, passiert mir dasnicht. (43:7)

Im Unterschied dazu erhalten ihre männlichenKollegen etwa den etwas diplomatischer wirkenden„Titel“: kann sich besser abgrenzen, kann auch neinsagen.

Von den Führungskräften nicht unterstützt fühlen sichdie MitarbeiterInnen beiderlei Geschlechts, sobaldArbeitssuchende dann direkt „erfolgreich beim Chef“intervenieren, wenn sie mit den Entscheidungen derBeraterInnen unzufrieden sind. Hierin verlieren die

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Führungskräfte sehr viel an Vertrauen, weil sich dieMitarbeiterInnen in ihrer Entscheidungskompetenzbeschnitten und übergangen fühlen. Das Resultat istdann das Gefühl von „unnütz sein“:

Frau: Ich glaube, so wie wir es empfinden, dass derKunde auch einen gewissen Respekt bringen muss,denn das hat sich mittlerer Weile, glaube ich, etwasgeändert, weil die bekommen mit, ich will den Kursund dieses und jenes und eben, so wie der xy gesagthat, dann wirst du auch noch geschimpft, wenn die-ses und jenes nicht geht, wir haben die Gesetzgebun-gen, da müssen wir uns sowieso daran halten unddas war früher, ich habe gesagt, es geht nicht um eineBittstellung des Kunden, aber auch ein Respekt unsgegenüber und offensichtlich ist das auch ein bisserlin die Köpfe, ebenso Service, und das ist jetzt so deroberste Gedanke und wir müssen eh so, sehr über-spitz sagen, eh das tun, was ich will, so ähnlich. Undwenn ich zum Beispiel sage, den Kurs zahle ich jetztnicht, dann geht man vielleicht zum Chef und dannirgendwie funktioniert es und der geht dann hinausund lacht sich eins, weil den hat er jetzt ausgetrickstund ich brauche eh nur zum Chef gehen oder, waswar das Beispiel mit dem Vorschuss, oder irgendwas.(40:24)

Auffällig ist, dass das Management beider GS wenigbis gar keine Einsicht in die Art der Beratungsge-spräche hat – was sowohl die Führungskräfte selbstals auch die Beschäftigten bestätigen. Dazu Füh-rungskräfte aus GS 2:

Mann 1: Ist klar. Es muss auch zu denken geben, waswir vorher gesprochen haben, wie können wir es fest-stellen, ob ein Beratungsgespräch gut geführt wirdoder nicht. Und da ist mir eigentlich klar geworden,dass wir es eigentlich gar nicht gut feststellen können,sondern dass wir sehr auf Mutmaßungen und Gefühleangewiesen sind. Ja, so der Eindruck, was du so mitden Kollegen sprichst, der eine erzählt dir das und derandere erzählt dir das und da bilden sich dann Bilderim Kopf, was man vom Kollegen hat. Ob das auch sotatsächlich ist, das ist wieder eine andere Frage. Dasheißt also, wir müssen da auch versuchen, das zuprofessionalisieren, um zum Beispiel good practicesherauszuarbeiten, wer von unseren Kollegen machtdas schon gut. Ich habe ein Gespür dafür, ich glaube,du kennst einen und ich kenne einen, der macht es

gut. Nur, ob es tatsächlich so ist, dass müsste manschauen, wie kann man das herausarbeiten, um dannmit solchen besten Beispielen einfach den anderenKollegen zu sagen, schaut´s, das ist Erfolg. So solltees eigentlich sein. So stellen wir uns das vor. (…)Mann 1: Ja, ja, weil wir sind ja nicht beim Beratungs-gespräch dabei. Ok, wir machen manches schongemeinsam, das ist schon richtig, aber ja, vielleichtauch, es sind eher dann Beschwerdefälle oderschwierige Förderfälle. Mann 4: Beschwerden eher,da kriegen wir es eher mit. Mann 1: Da kriegen wir eseher mit. Aber da geht es eher nicht so sehr um denGenderaspekt, denke ich mir. Es müsste eigentlich soim ganz normalen Fall, wo ist dann die Qualität einerguten, gegenderten Beratung. Mann 3: Und auch fürdie Berater eine Vorlage, wie berate ich gegendert.(50:24)

Die Betonung, bisher nur über BeschwerdefälleAspekte von Beratungsgesprächen mitbekommen zuhaben, könnte auch ein Hinweis sein, dass bisher dieRückmeldeschleifen zwischen Management – Kun-dInnen – BeraterInnen vertrauensmindernde Wirkun-gen zeitigten. Die Gegenüberstellung und Darlegungvon „good practices“ wird allerdings vom Zutrauendialogbereiter BeraterInnen abhängig sein – anson-sten könnte darunter die von Offenheit zu tragendeMitarbeit an der Erstellung von „gegenderten“ Bera-tungsfällen leiden. Plausibel erscheint daher der Hin-weis, die „Bilder im Kopf“ zwischen Management undBeraterInnen könnten ganz andere sein. Zentral dürf-te die Entwicklung von Qualitätskriterien sein, um op-timal Beratungen in Richtung Gleichstellung zu erwir-ken. Die Frage, die allerdings im Raum steht – soll eshier um Beratungsdesigns in Richtung Frauen-förderung oder Gleichstellung von Geschlechterver-hältnissen gehen?

6. Systemheterogenität undKooperationsordnung

Auf dieser Ebene kommen Einzelaspekte der struktu-rellen Vielfalt in der Einheit „Organisation“ zurSprache. Hierbei wird die strukturelle Besonderheit„Vollzeit-Teilzeit“ auf ihren kooperativen Einflussgenauer unter die Lupe genommen.

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Vollzeit – TeilzeitStrukturell zeigt sich für die erhobene Organisation fol-gende Auffälligkeit: Das „Schicksal“ der Teilzeitbetrof-fenheit bei den Kundinnen teilt die untersuchte Orga-nisation mit dem Gros ihrer eigenen Mitarbeiterinnen,die wiederum ihren weiblichen Zielgruppen Berufe imVollzeitbereich beratend nahe legen sollte. So bekennteine weibliche Führungskraft aus GS 1 in Bezug aufdie Kundinnen plausibel:

Frau: Ich glaube auch, ganz wichtig ist auch, dassman diesen Frauen sagt, weil wir bei diesem Frauen-thema wieder sind, einfach auch bewusst machen,was diese Ungleichstellung bewirkt. Was bewirkt dasüberhaupt, dass ich als Frau jetzt sage, ich gehe jetztTeilzeit putzen? Was heißt das für meine Zukunft? Dasist ja nicht nur momentan, dass sich das auswirkt,sondern dass wirkt sich ja in meinen Pensionszeitenund überall aus. Das heißt, das muss man den Frauenoder den Betroffenen auch sagen, was diese Un-gleichstellung bewirkt, weil, dann bewirkt man so einUmdenken. Dann sind sie bereit, Maßnahmen zu be-suchen oder die Kinderbetreuung anders zu organi-sieren, weil dann heißt es einmal, ich muss irgendet-was tun, weil ich bin ja sonst für mein Leben gestraft.Das ist ja nicht momentan, dass ich sage, da beiß’ ichmich fünf Jahre durch, sondern diese fünf Jahre habeich auch schlechte Zeiten in der Pension. (21:1)

Interessanterweise wird im weiteren Interviewverlaufdie Teilzeitthematik auf die eigene strukturelle Betrof-fenheit nicht übertragen – anders im Management vonGS 2, in der sich eine intensive Diskussion über dieStellung von Voll- und Teilzeit der MitarbeiterInnen imeigenen Haus entfacht:

Mann 3: Und auch immer wieder, wenn wir einenNeuen einstellen, wo es eigentlich doch in den letztenJahren immer wieder der Fall war, war halt auch oftder Wunsch schon von den Kolleginnen, dass manwieder einmal einen Mann einstellt, aber dann ist esauch eher wieder in die Richtung gegangen, Karenzdann oder Teilzeitwunsch. Nur ist halt das Problemimmer gewesen, dass wir keinen Mann gefunden ha-ben, beziehungsweise weil fast alle Stellen zuerst imTeilzeitbereich zu besetzen waren. (... durcheinandergeredet ...) Mann 1: Weil du nur anbieten kannst,Teilzeit, befristete wären gegangen vielleicht, aberwenn du nur Teilzeit anbieten kannst, dann hast du

ganz, ganz schwer einen männlichen Bewerber, dersagt, zu den Bedingungen würde ich es machen.Mann 3: Vielleicht haben wir auch nicht richtig gefragtund gesagt, der kann das ja gar nicht machen,Teilzeit. Das kann natürlich auch sein. Mann 1: Dasswir unseren eigenen Vorstellungsbildern aufgesessensind, dann frage ich den Mann gar nicht, weil er wahr-scheinlich (...). Mann 3: Richtig. Mann 2: Wenn wireinen Mann, einen ganzen gekriegt haben, haben wirdas verwendet, um einen halben aufzuwerten, derdann wieder ganztätig geworden ist, oder so irgend-wie, aber wenn du einen halben kriegst, gibst denhalben noch dazu, der einen ganztätigen Job habenwill. (...) Aber das ist klar, wenn man von Haus aus nurhalbtägig ausschreibt, dann ist das für mich einSchuhlöffel für Frauen. Auf die Dauer darf das aberauch nicht so sein. Das ist meine Meinung. Mann 1:Das ist ja auch eine positive Diskriminierung für Frauensozusagen, nicht? Mann 2: Aber das ist eine Diskri-minierung für den Mann. Man übertreibt es dannschon, nicht. Da kann ich dann selber innerlich nichtmehr mit dann. Mann 1: Das ist die Frage, gibt es jetztwirklich einen Mann, stimmt die These, die du sagst,wir haben einfach nicht hingeschaut auf den Mann,oder gibt es ihn wirklich nicht. Das müsste man dannprobieren. Ich kann mich nur erinnern, in meiner Zeithabe ich einen Mann eingestellt, der halbtägig gegan-gen ist und der hat aber nebenbei studiert und da hates bei dem aus diesem Grund her gepasst. Mann 2:Aber die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, wenn ichnur halbtätig ausschreibe, dass sich dann nur Frauenmelden. (13:25)

Vermutlich dürften die Vollzeitstellen nur einge-schränkt angeboten werden – d.h.: Die Stellendefini-tionen sind vorwiegend auf Teilzeitarbeiten ausgerich-tet; Frauen werden daher hauptsächlich in Teilzeit an-gestellt, Männer bemühen sich nur in Ausnahme-situationen (Studium) um diese Halbtagstätigkeiten.Auch wenn dann Männer - wie selbstreflexiv von denmännlichen Führungskräften festgestellt wird - mögli-cherweise aufgrund eigener geschlechterstereotyperWahrnehmungen wohl nicht kritisch genug auf Teil-zeitarbeiten hin befragt wurden, wirkt offensichtlichdie geschlechterbezogene Arbeitsmarktsegregationdeswegen voll auf die Rekrutierungssituation der un-tersuchten Organisation ein, weil sie es auch so ha-ben möchte. So stellen nämlich Mitarbeiterinnen der-selben Geschäftstelle fest:

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Frau: Eben, das ist ja eine Dreifachbelastung. Dasdürfen wir nämlich nicht sagen. Und da haben wirnämlich auch etwas angedacht dazu, dass es nichtimmer so ist, dass die Frauen von sich aus Teilzeitwollen, sondern bei mir ist es auch so, ich gingedurchaus ganztags, aber es ist die Planstelle nichtda. Und da gibt es im Haus offensichtlich einigeFälle, wo ich sage, die würden gerne ganztagsgehen, aber da ist einfach der Bedarf oder die Stellenicht da. Also, das haben wir da, danke, wir habenes zwar nicht niedergeschrieben jetzt, aber wirhaben das auch diskutiert. Das ist die umgekehrteSeite. (7:15)

Somit dürfte sich eine paradoxe Ausgangslage min-destens in vierfacher Hinsicht ergeben: (1) Zum einenbesteht das Problem der Glaubwürdigkeit, wenn dieOrganisation aus gesellschaftspolitischen Gründen (a)zu weiblicher Vollzeitarbeit und (b) zu hauseigenemGender Mainstreaming rät, ohne selbst die dafür not-wendige Rekrutierungspolitik einzulösen. (2) Wie be-reits beim Differenzschema „Beratungsgespräch“näher ausgeführt und bei zusätzlichen nicht-teilneh-menden Beobachtungen von Beratungsgesprächenmit KundInnen bestätigt, ist die Verstärkung von Ge-schlechterstereotypen bei einander entsprechendenErwartungshaltungen groß, wenn sich etwa das Inter-aktionsmuster „teilzeitbeschäftigte Frau berät arbeits-suchende und möglicherweise auch nur in Kategoriender Teilzeit denkende Frau“ entfalten kann. Zusätzlichwird dieses Muster verstärkt, wenn Beraterinnen (!)davon sprechen, dass im Unterschied zu den Wieder-einsteigerinnen für die männliche (!) Hauptwerbsgrup-pe zu wenig getan werde – es wird hier dezidiert vonUngleichstellung gesprochen. (3) Die Rekrutierungund der Aufbau weiblicher Führungskräfte könnendann als äußerst ambivalent eingestuft werden, wenneinerseits mit der Anpassung von weiblichen Kandi-datinnen an die Vollerwerbsorganisation die Teilzeitar-beit von Frauen zementiert wird, andererseits aber zubefürchten steht, dass bei einseitiger Forcierung desVollzeitmanagements große Bereiche weiblichen Po-tenzials aufgrund gesellschaftspolitischer Schrägstel-lungen – Frauen tragen zum Hauptteil die Verantwor-tung im Bereich von Kinderbetreuung und Haushalt –nicht zum Einsatz gelangen. (4) Die Auswirkungen aufdie internen Kooperationsverhältnisse der Ge-schlechter sind enorm, wie nun im Folgenden darge-legt wird.

Überprüft man die Verteilung der Abteilungen nachGeschlecht, zeigt sich, dass der Bereich mit den mei-sten teilzeittätigen Frauen aus Sicht der MitarbeiterIn-nen den geringsten Stellenwert aufweist. Erkennbarsei dies, so die Stimmen, an der Zeit, die man inDienstbesprechungen den jeweiligen Bereichsthemenzur Verfügung stellte, an der Menge der Ziele sowie ander Rekrutierung der Führungskräfte aus den jeweili-gen Bereichen. Dazu folgende BeraterInnen aus GS 1:

Mann 2: Image kann man nicht sagen, aber Stellen-wert bei uns, meines Erachtens, das lässt sich jaauch belegen, hat die Beratungszone einen höherenals wie die Servicezone. Das merkt man bei Dienst-besprechungen, wenn sich zwei Drittel der Zeit umdie Beratungssachen handelt oder um die Vermitt-lungssachen und ein Drittel um die Servicezone. Frau4: Ziele. Mann 2: Ja, Ziele, (...) es dreht sich einfachalles um das. Ziele haben wir genauso in der Service-zone, nur ist ein Drittel der Zeit, wo das Erwähnungfindet. Frau 2: Das wird als Selbstverständlichkeitgesehen, also die Leistungsarbeit, also die Anwei-sung von den Anträgen und die Geldberechnung. ImVordergrund steht eigentlich immer nur die Beratungund Vermittlung der Personen. Mann 2: Schulung,Beratung. Frau 2: Ja, genau, die Sachen sindPrioritäten. (30:5)

Dagegen würde jenem Bereich mit dem höchstenFrauenanteil wenig Aufmerksamkeit für seine ihm typi-sche Problemlage zuteil werden. Das deckt sich auchmit Beobachtungen aus den Gruppeninterviews mitden Führungskräften, die zu einem großen Teil dasThema „Beratungsgespräche“, aber kaum den opera-tiv schwierigen Bereich der Servicebereiche registrie-ren konnten. Ein Berater aus GS 2 schildert diese„Arbeitsvoraussetzungen“ der Servicebereiche wiefolgt:

Mann 2: Und die Arbeitsproblematik an und für sich injeder Abteilung ist ja unterschiedlich. In der Servi-cezone muss ich damit fertig werden, dass im Winterhundertzwanzig Leute dort stehen, das habe ichsonst im SFU nicht, weil ihr habt eure Kunden, fährsthin eigentlich zu den Kunden hauptsächlich oder ihrkontaktiert sie mit Terminen, in der Beratungszoneauch. Ich weiß, was auf mich zukommt. Das habe ichin der Servicezone nicht. Da kann ein Angesoffenerkommen, der was dich schimpft, du bist der größte

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Trottel, danach kommt eine Frau mit drei Kindern, diedir die Ohrwascheln voll plärren unter Anführungszei-chen, dass du nicht einmal verstehst, was die Frausagt, hinten reden zwanzig Leute. Das ist eineProblematik, die sich sicher auch jeder durch denKopf durchgehen lässt, was habe ich dort für Voraus-setzungen, Arbeitsvorrausetzungen, was habe ich dagenau in der Abteilung. Das kann natürlich auch mit-spielen, was mach ich. (38:13)

Mit Blick auf die Arbeitsvoraussetzungen verschiebensich die Gewichte der Beurteilungen der einzelnenBereiche – Arbeitsinhalte allein, so die Einschätzun-gen der MitarbeiterInnen, würden dagegen ein ver-zerrtes Bild der operativen Seite ergeben. EineKollegin aus GS 2:

Frau 4: Ich glaube auch kaum, wenn ich das so sage,bei der Beratung, da geht es so ins Eingemachte, damuss man sowieso viel Wissen haben, weil eben dortProblemkunden sind, weil es einfach zeitintensiv ist, inder Servicezone, soweit ich das mitgekriegt habe, ja,Antragsausgabe, natürlich alles, was mit Berechnungzu tun hat, aber im Prinzip die Erstinformation für denKunden. Da sage ich mir, zack, zack, zack, das ist zumachen. Das war es im Prinzip und in der Beratungs-zone wird es da sehr intensiv mit dem Kunden, ichweiß nicht, ob es damit auch zusammenhängen kann.(32:21)

Beim Differenzschema „Vollzeit – Teilzeit“ kristallisier-ten sich Subschemata heraus, insbesondere jene zwi-schen den Bereichen Beratung und Service. Vielesdreht sich hierbei um die Frage der Delegation, alsower übernimmt Zusatzaufgaben:

Mann: Die fressen alles. Die Servicezone, es kommtirgendetwas Neues im Amt daher, wer macht das?Die Servicezone. Es geht irgendwer in Karenz. Werhilft aus? Die Servicezone. In der Beratungszone istirgendwer krank. Wer hilft aus? Die Servicezone, nawer sonst. Es bleibt immer alles an uns hängen. Dasist unglaublich. Das ist eine reine Tatsache. Das sehendie in der Beratungszone natürlich ein bisserl anders,weil, die sind froh, wenn sie irgendwen kriegen undbei uns sind wir nicht froh, dass wieder wer weg ist.Das passiert die ganze Zeit so. Das ist schon, was siegesagt haben, seit wann, seit Menschengedenken.(20:23)

So entsteht der Gesamteindruck, dass für die straffadministrativen und durch einseitige Routinen ge-kennzeichneten „Servicebereiche“ mehrheitlich Frau-en, in den offiziell durch Spezialwissen charakterisier-ten Bereichen „Beratung“ und „Service für Unter-nehmen“ Männermehrheiten vorherrschen. Das Wis-sen um die jeweils anderen Bereiche ist dabei sehrbescheiden – wie auch die Bekundungen am Endedes Gruppengesprächs erwiesen. Vor allem wurdenämlich angemerkt, dieses Zusammensein auch des-wegen genossen zu haben, weil man endlich malauch von den anderen Seiten etwas erfahren habe.GS 1:

Frau 6: Das hätte ich ruckzuck umfassen können,aber das hat sich nicht anders ergeben. Für mich warinteressant, dass eigentlich (…) in der Servicezone re-lativ große Unzufriedenheit herrscht, wie wir da mitge-kriegt haben, eigentlich bei uns in der Beratungszone,dadurch dass ich eine von den Teilzeitkräften bin undso vom Haus her selber nicht viel mitkriege und ja,und da bin ich wieder von mir aus gesehen, wiederfroh, dass ich da in der Beratungszone bin. (65:16)

Die angedeutete Unzufriedenheit macht sich vor allemdurch die emotionell aufgeregten Beiträge der ganz-tags tätigen Männer deutlich Luft – und zwar struktu-rell bedingt aber persönlich fokussiert auf die aus-schließlich weiblichen Teilzeitkräfte. Mann aus demServicebereich GS 2:

Mann 2: Dann sind wir wieder bei dem Thema, wie dieUnstimmigkeiten heraus kommen, wenn ich eine Teil-zeitkraft (…) die Arbeit an die anderen delegiere, dassist gerade das, dass du als Hundertprozentkraft im-mer draufzahlst. Weil du kriegst immer mehr und mehran Arbeit, da stößt dich eh schon, nur weil die ande-ren Leute Teilzeit arbeiten gehen zum Beispiel. Das istnoch in der Richtung (...) delegieren. (24:14)

Und – quasi unisono - Mann aus dem ServicebereichGS 2:

Mann: Schlussdienste, Mittagsdienste etc. Das bleibtim Großen und Ganzen, also auf Servicezone bezo-gen, an uns hängen, auf den Ganztagskräften. Dasheißt, die Teilzeitkräfte sind da, von acht bis zwölf undden Rest macht’s ihr. Das sind einfach einige, die wirda drinnen haben und wenn die Sachen aufgeteilt

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werden würde, dann hätten wir vielleicht wenigerMittagsdienste, weniger Schlussdienste. Schluss-dienst heißt, (….). (19:3)

Offensichtlich baut sich eine angespannte Stimmungim Kooperationsverhältnis Ganz- und Halbtagskräfteauf, realiter wird es aber aus der strukturellen Schief-lage rekrutierter weiblicher Teilzeitbeschäftigte undmännlicher Vollzeitbeschäftigte im meist individualisier-ten Geschlechterverhältnis Mann – Frau ausgetragen.Die teilzeitbeschäftigten Frauen drücken sich mit ihrenÜberlegungen zurückhaltender, aber dennoch be-stimmt in ihren Argumenten, folgendermaßen aus:

Frau 2: Ja, das ist zum Beispiel, wie wir geredethaben, dass wir einfach bei Sachen, wie da heute,oder bei Dienstbesprechungen, wenn wir da teilneh-men, dann ist das im Vergleich zu unserer Gesamt-arbeitszeit doppelt so viel, was wir da aufbringenmüssen, wie die Ganztagskräfte haben. Das heißt,wenn wir an so etwas teilnehmen, dann haben wir (…)Frau 1: Das eine ist Sozialkontakte und das andere isteinfach eben, Dienstbesprechungen oder so, daskostet uns doppelt so viel Zeit von unserer restlichenArbeitszeit, als wenn wir ganztags wären. (59:21)

Wie auch schon oben in (65:16) im Zitat von Frau 6angemerkt, werden die fehlenden Sozialkontakte derFrauen mit den räumlichen Gegebenheiten nochzusätzlich verfestigt, wie auch räumliche Begehungenseitens des Forschenden feststellen konnten. Dieinformelle Kommunikationskultur im Sinne der corpo-rate identity geht an den weiblichen Teilzeitkräftengroßteils komplett an ihnen „vorbei“, im Besonderengeht das Wissen um Feinheiten des operativenProzesses für diese Gruppe verloren. Weibliche Teil-zeitkräfte aus GS 1 meinen dazu:

Frau 5: Ich habe das. Wir sind so beim Überlegendraufgekommen, das es so ist, dass in der Bera-tungszone sehr viele Büros zusammen sind und dannsind zwei Büros extra, wo wir Teilzeitkräfte drinnen sit-zen. Und bei der Vergabe war es dann so, dass esgeheißen hat, damals die xxx, ja, sie macht ja mehrStunden, jetzt gehört sie hinten zur Abteilung dazu,weil natürlich die Kommunikation besser läuft als die,die im Abseits sind und wir, die weniger Stunden ma-chen, sind so ein bisserl nicht beim Team. Sage icheinmal. Frau 3: Das stimmt schon. Frau 5: Ich merke

natürlich auch, dass die anderen einfach auchzwischendurch kommunizieren, wenn sie merken, derandere hat jetzt auch gerade keinen Kunden und ichauch nicht, dann gehe ich rüber und wir reden unswas aus oder so. Ich bin so weit weg, dass ich dasgar nicht merke, wenn die über ein fachliches Problemoder so was reden, ich muss mir das wieder extraerfragen gehen. Also, ich habe schon das Gefühl,dass das für mich mühsamer ist, als wenn ich direktdabei wäre. (38:14)

An anderer Stelle nachgefragt, ob die Männer in die-ser Runde zu Teilzeit bereit wären, wurde dies vonihnen mit einem eindeutigen Ja beantwortet – aller-dings unter den Bedingungen, dass (a) die eigenePartnerin den jeweiligen Verdienstentgang mit ihremEinkommen ausgleichen könne und (b) dass es eineArbeitserleichterung geben müsse – ihnen also nichtdie Leistung einer Vollzeitkraft abverlangt werden dür-fe. Dieser Gleichstellungsaspekt floss aber umgekehrtbei ihrer Kritik an den halbtags tätigen Kolleginnennicht ein – hier wurde angeführt, dass alles bei ihnenals Vollzeitkräfte „hängen bleibt“. Offensichtlich ver-stellen eigene Interessensverfolgungen Umkehr-schlüsse – und lösen trotz ihrer evident argumentati-ven Unschärfe keine Irritationen aus; nämlich sowohlbei den hier argumentierenden Männern (was nochals eventuell taktisches Manöver verständlich wäre)als auch bei ihren von Teilzeit betroffenen Kolleginnen.Trotzdem wurde dieser Erzählstrang an anderer Stellebeim Thema „Haushalt“ wieder aufgegriffen – wobeidie Diskussion sich bei den Frauen intensiv um dieFrage drehte, ob Männern Haushaltsarbeit überhauptzuzutrauen wäre. Obwohl die Kollegen beteuerten,dass die fehlende Haushaltskompetenz der Männermöglicherweise ein Klischee sei, blieb dennochSkepsis bei den Kolleginnen zurück.

In einer emotionell dichten Debatte, in ihrer Einschät-zung aber eindeutigen Bewertung, sehen die Berate-rInnen einen engen Zusammenhang zwischen weib-lich und männlich besetzten Leitungspositionen undden jeweiligen Ressourcenausstattungen in denBereichen von GS 1:

Frau 4: Das kann ich mir schon vorstellen, dass in derVerhandlung zwischen unseren Abteilungsleitern derxxx vielleicht mehr herausholt. Frau 5: Auf alle Fälle.Aber ich sage nicht, dass der mehr und der weniger

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Arbeit hat, das liegt einfach daran, dass. Frau 4: Dassda der Mann-Frau-Unterschied ist. Die haben eineAbteilungsleiterin und wir einen Abteilungsleiter.Könnte sein. (22:18)

Mann: Ja, unsere Abteilungsleiterin ist zu schwachdazu, dass wir unsere eigenen Büros kriegen. (55:29)

Frau 1: Na, das ist wieder dasselbe. Der xxx kann eseinfach besser umsetzen, der richtet es so, dass esder yyy sagt, oh, schön und die zzz, da sagt der yyy,aha die ganze Zeit. Ja, ist so. Frau 3: Ja, aber wo deryyy auch schon so eine vorgefasste Meinung hat, wasso festgefahren ist. Frau 1: Das ist richtig. Das kommtschon von dem, dass er selber Berater war, in derBeratungszone, wird immer das das Bessere sein fürihn. (58:1)

Vergleicht man die Redeanteile von den Männern undder einen Frau aus den Gruppengesprächen desManagements aus GS 1, zeigt sich eine möglicheBestätigung für die oben angeführte Argumentation:Jene der Frau waren deutlich niedriger in Relation zuden Einzelbeiträgen, insbesondere von zwei Kolle-gen.

Eine weitere Brisanz des strukturell vorgegebenenVerhältnisses von Vollzeitkräften und fast ausschließ-lich weiblichen Teilzeitkräften widerspiegelte sich beider Diskussion um die Führungsrekrutierung:

Mann 1: Gut. Dann möchte ich wieder aufgreifen. Undzwar, Beweggrund warum oder Grund, warum sowenig Frauen in Führungspositionen [a1-0] sind, wirdwahrscheinlich [a1-1], kann auch [a1-1] sein, dassFührungspositionen, dass Frauen sehr viel in Teilzeitbeschäftigt sind und Führungspositionen in Teilzeitnicht [a1-0] so [a1-1], oder man glaubt irgendwie [a1-1], ja, wird wahrscheinlich [a1-1] nicht gehen. Frau 3:(...) Wie es von den Kollegen erwartet wird, sagen wirso. [a2-2] Frau 1: Auch [a3-1] wenn du jetzt zum Bei-spiel [a3-1] als Frau ganztags [a3-2 ] arbeiten gehst,meistens haben die Frauen Familien daheim [a3-4],dann zerreißt [a3-4] es dich auch. Jede [a3-5] Füh-rungskraft hat da immer [a3-5] mehr Stunden [a3-4].Also, ich würde das nicht nur auf Teilzeit beziehen,sondern auch als Vollzeitfrau [a3-2]. (…) Mann 1: Also,die xxx könnte nie [a4-1] Teilzeit arbeiten gehen, dakann es immer [a4-1] sein, dass es acht Uhr in der

Nacht wird, dass es neun Uhr in der Nacht [a4-2]wird, wenn eine Verhandlung [a4-3] ist, da kann [a4-1]sie nicht [a4-1] sagen, ich gehe um vier [A6]. Das gehtnicht [a4-1]. In gewissen Positionen [a4-3], denke ichmir, ist das einfach nicht [A5] möglich. Aber das istjetzt wurscht [a4-4], ob dort ein Mann oder eine Frausitzt. Das wäre von der Position [a4-3] her nicht [a4-1]möglich. (17:21)

Mit [a1-0] wird von Mann 1 das Thema „warum sowenig Frauen in Führungspositionen“ eingeführt undeine erste Hypothese – noch – vorsichtig („nicht so“),aber bereits als eingeengte Opposition hinzugesetzt:„Frauen sehr viel in Teilzeit und Führungspositionen inTeilzeit nicht so“. Die BegleiterInnen [a1-1] sind nochvorsichtig formuliert: wahrscheinlich/kann/auch/kannauch/nicht so /oder man glaubt irgendwie. Das„man“ lässt unbestimmt, wer wohl zu dieser Einschät-zung kommen könnte.

Frau 3 bringt mit [a2-2] zwar eine bündige Ge-genthese ein, wird aber nicht ausargumentiert – alsomit geringem Redeanteil im Vergleich zu Mann 1 undFrau 1.

Frau 1 konkretisiert die BegleiterIn [a3-1] des Beitragsvon Mann 1 in Richtung auch/zum Beispiel. [a3-2]weitet gleichzeitig den Gültigkeitsbereich von [a1-0]auf die weiblichen Ganztageskräfte aus: Nun werdenalle Frauen unter Thema und Eingangshypothesesubsumiert. Die DramatisiererInnen [a3-4] erzählenuns eine Geschichte: Die meisten Frauen haben eineFamilie – und das zerreißt „dich“ – weil eine Führungs-kraft immer mehr Stunden in Anspruch nimmt. „Dich“ist ein/e PersonalisiererIn und führt mit hoher emotio-naler Dichte an, dass es „dich“ betrifft – jetzt wissenwir: dass es „dich“ betrifft, Teilzeit- und Vollzeitfrau.Latente Lösungsskizze: Nur-Hausfrauen sind davonnicht betroffen.

Nach den konkretisierenden BegleiterInnen aus Frau1 haben nun die absolut setzenden BegleiterInnen[a4-1] von Mann 1 leichtes Spiel – nun kann alles wer-den zu: nie/ immer/kann nicht /das geht nicht / ist ein-fach nicht möglich. Diese BegleiterInnen fungierennun mit dem Marker der Ausschließlichkeit; d.h.Möglichkeitsformen gibt es jetzt nicht mehr im Gegen-satz zur Eintrittsrede. Die VerstetigerInnen [a4-2] evo-zieren rhythmische Dauer und untermalen die

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AbsoluterInnen: dass es acht Uhr in der Nacht wird,dass es neun Uhr in der Nacht wird. Die Seriösen [a4-3] setzen meist hierarchisch organisatorische Schwel-len – Angstschwellen mit Aussicht auf Sanktionen beiÜbertretung: Verhandlung/ in gewissen Positionen/von der Position her. Interessant ist in unseremZusammenhang der/ die NivelliererInnen, im engerendie/ der FunktionierIn [a4-4]: Geschlecht, sozialeHerkunft etc. werden vernichtet zugunsten einer alsneutral ausgewiesenen Funktion. Jetzt erscheint diePosition als Position, die es halt auszufüllen gilt. Undjede/r hat Chancen, diese zu ergreifen – so scheint eszu sein. Es geht ja nur um den Willen des Einzelnen;paradoxerweise wird über den/ die FunktionierIn diesozial bedingte Strukturfrage ebenfalls vernichtet.Denn Maschinen erscheinen mit Hilfe der Funktionie-rInnen geschlechts-los, sozial-los, macht-los, verant-wortungs-los ... – also nicht im Bereich überprüfbarerIndizes.

Somit wird mittels Interaktion eine soziale Wirklichkeitgeschaffen, die wirklich als wirklich erscheint und an-dere Fragestellungen bzw. Möglichkeiten ausschließt.So könnte etwa das Eingangsthema auch gesetztwerden: Warum so viele Männer in Führungsposi-tionen? Oder auch: Meistens haben Männer Familiendaheim. Oder: Meistens haben Väter Kinder daheim.Oder die einzige, kurz gehaltene Gegenthese wirdausargumentiert: Wer erwartet was; wie können Or-ganisationsprozesse an die Bedarfe von Teilzeitperso-nen angepasst werden etc. Diese Möglichkeiten derDiskurstheorie möchte ich im letzten Kapitel alsHypothesen für ein didaktisches Konzept des diskur-siven Lernens andeuten.

Kooperation mit den FührungskräftenIn beiden GS tauchen mit hoher emotionaler Dichte(durcheinander reden, hohe Lautstärke im Tonfall, ge-genseitiges Unterbrechen, ausladende Gesten, starknegativ besetzte Metaphern) die immer gleichenVorwürfe über die von den MitarbeiterInnen als unge-nügend erlebten Kooperationsbeziehungen mit ihrenFührungskräften auf. Obwohl in völlig unterschied-lichen regionalen Umwelten angesiedelt (agrar-touri-stisch, industriell-städtisch), werden von GS-Berate-rInnen vor allem vier Bereiche genannt, die sie gerne- unabhängig von Gender-Markierungen ihrerseits -als reflexionswürdig in Richtung Gleichstellungbetrachtet sehen würden: (1) „die Kluft zwischen der

Basis und den Oberen“ werde größer und zeige sichdarin, dass die Zahlen „passen“ müssen, wie sichdas aber auswirkt, werde nicht gesehen; (2) dasManagement kenne sich mit den „Basisarbeits-plätzen“ nicht aus, hätte Mängel an „Basiswissen“;(3) es gebe „Sachen“ bzw. „Materien“ (Weisungen,Gesetze), die schon schwer verständlich für alteinge-sessene KollegInnen und erst recht für KundInnenseien und (4) es wird vielfach der Wunsch nachBegegnungen mit den Führungskräften an denArbeitsplätzen selbst laut – um sowohl „an der Basis“Prozesse zu analysieren und zu korrigieren als auchum unausgewogenen Arbeitszuweisungen zwischenden Bereichen, zwischen den KollegInnen entgegen-zuwirken:

Mann 2: Was ich noch hätte, das wäre ein bisserl einanderer Zweig, denke ich mir jetzt, das ist zwar einbisserl weit her geholt mit Gleichbehandlung, denkeich mir, aber gehört auch irgendwie, so Basisarbeits-platzschulung für (…) Höhere, weil die Kluft zwischender Basis und der Oberen, sage ich einmal, wie sollman sagen, immer größer wird. Wo die obere Ebenegar nicht mehr weiß, was herunten überhaupt pas-siert. Frau 5: Ja. Mann 2: Und damit denke ich mir,und da eine Gleichbehandlung oder Gleichstellunghinein zu kriegen, wäre nicht schlecht. Frau 5: Dassdie einfach vor Ort arbeiten und sich einfach dieSituationen anschauen, weil da werden Weisungenund Gesetze und sonstige Dinge herausgegeben, dieteilweise uns nur mehr Arbeit verursachen, teilweisesehr schwer bis kaum umsetzbar sind. Da hat maneinfach das Gefühl, wenn man das liest, die habenkeine Ahnung von irgendwas. Und einfach so, dassman sagt, ok, setzt euch her, schaut euch das an unddann überlegt euch, wie kann man die ganzenGschichterln umsetzen beziehungsweise dann zuPapier bringen, vielleicht, wäre gscheiter. Das istirgendwie so ein. Mann 2: In manchen Bereichen gibtes mehr Spielräume, in anderen Bereichen (...) gibt esnull. Da gibt es nur schwarz oder weiß. Und da sindoft Sachen dabei, wo es einfach für die, die an derBasis arbeiten, total unverständlich ist. Für mich, oderfür einen, der sich auskennt mit der Materie im Prinzipschon unverständlich, und noch unverständlichernachher für die Kunden. Und da denke ich mir auch,dass da die Kluft einfach zu groß ist zwischen eben oftFührungskräfte, die so gewisse Sachen herausgeben,die was einfach nur ein gewisses Spektrum im Kopf

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haben. Das heißt, die Zahlen müssen passen. Dasmuss dem entsprechen, aber wie sich das unten aus-wirkt, und im Endeffekt gar keine Ahnung haben, wiedas dann gemacht wird oder was für Auswirkungendas hat. Denke ich mir. Das ist mein Eindruck. Frau 5:Kaum ein Basiswissen, hast du oft das Gefühl.Unverständnis (….) anders dann. (18:10)

Standardmarker in diesem Textauszug ist „Basis“ – inRelation zu den „Oberen“, zu den unmittelbar Vorge-setzten. Die Beobachtung in den Gruppengesprä-chen des Managements ergänzt diese Einschätzun-gen der BeraterInnen: es zeigen sich darin kaum bisgar keine Eintragungen in den Kategorien Koordina-tionsprozesse, Arbeitsplatzbedingungen o.ä. Dafürnahm tatsächlich in einer Managementrunde derBereich Messung und Controlling einen sehr breitenRaum ein. Für das Wort „Basis“ wurden im Rahmender weiteren Untersuchung keine Diskursanschlüssegefunden; d.h. es kann über die Deutung dieser hierkonzentriert aufgetretenen Metapher nichts Eindeu-tiges gesagt werden. Im Zitat selbst scheint allerdings- semantisch gesehen - die Differenzweite zwischenBasis und Obere schroff vertikal aufgespannt zu sein.Schroff vertikale Korrespondenzen ließen sich even-tuell in den Extrembezeichnungen „Basisarbeitsplatz-schulung für (…) Höhere – keine Ahnung – total unver-ständlich – nur schwarz oder weiß - Unverständnis“nachweisen. Nun werden sogar die hierarchischhöchsten Ebenen zur „Basis“ hin zusätzlich konturiert.Sind nun die höheren und höchsten Führungskräftehauptsächlich männlich besetzt, analogisierte sichdas Verhältnis nicht nur real sondern auch kognitiv imdementsprechend wahrgenommenen Geschlechter-verhältnis.

Semantisch interessant ist im nächsten Zitat die Dop-pelung von Inhalt und Form. Es geht um die Dele-gation der Führungskräfte an die MitarbeiterInnen. Essprechen in diesem kurzen Ausschnitt nur Frauen undzwar viele unterschiedliche Kolleginnen. Dieser hoheEinbindungsgrad deutet eine weit verbreitete, in die-sem Fall sogar gleichförmige Erfahrungsrichtung an.Thematisiert wird die für Führungskräfte leichtere Va-riante der Auftragsvermittlung an Personen, die jasagen. In der Form weist dieser Text im Unterschiedzu allen anderen Textpassagen eine gehäufte Kon,zentration an „Ja-“ Erwiderungen. Szenisch implizitesNachstellen könnte der Grund sein – sicher kann man

davon ausgehen, dass zumindest die emotionaleBetroffenheit für Form-Inhalts-Kohärenz sorgt. D.h.:Die Authentizität der Darstellung ist hoch.

Frau 1: Es geht viel darum, dass die Führungskräfteautomatisch gleich zu denen gehen, die immer ja sa-gen und zu den anderen gar nicht mehr hingehen.Frau 4: Ja. Frau: Die, die ein-, zweimal nein gesagthaben, ah, der sagt immer nein, da probier ich es garnicht. Frau 1: Weil es für sie selber leichter ist, wennsie nicht zurück gewiesen werden. Frau 3: Weg-, Zeit-ersparnis, oder, macht’s ihr euch das untereinanderaus. Das geht mir am Nerv. Frau 4: Ja. Frau: Ja, derwill dann, der will das und der will das. (32:29)

Im Zuge dieser Thematisierung kam es dann auch zuder Debatte, ob Frauen oder ob eher Männer die Ja-bzw. Nein-Sager in der Organisation seien. Man einig-te sich auf geschlechterunabhängige Häufungen, d.h.bei Frauen, bei Männern sind Ja- und Nein-Sagergenauso feststellbar.

Bedeutsam für die Frage nach dem Kompetenzauf-bau GM sind somit die feinen und feinsten Veräste-lungen im kooperativen Bereich des organisatori-schen Alltagslebens. Das bedeutet intensive Einbin-dung und Aufmerksamkeit für die operativ tätigenMitarbeiterInnen – an-sonsten bestätigte man die ver-tikale Achse in ihrer schroffsten Ausformung von„Basis und Obere“.

7. Widersprüche der Bedeutungs-und Sinngenerierung

Im Weiteren ist es sinnvoll, längere Sequenzen derManagement-Gruppengespräche aus beiden Ge-schäftsstellen zu zitieren. Hierbei wird nämlich deut-lich, wie intensiv sich die Führungskräfte mit denunterschiedlichsten Facetten zur Einführung vonGender Mainstreaming auseinandersetzen. Erstaun-lich bleibt weiterhin die in weiten Strecken identeParallelität der Diskussionsthemen und -motive derbeiden untersuchten Geschäftsstellen – also, wiebereits festgehalten, sowohl auf der operativen Ebeneder Beschäftigten als auch auf der Ebene derFührung.

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Im folgenden Ausschnitt geht es um Definitionsver-suche von Gender Mainstreaming (aus GS 1):

Mann 2: Und das mit den Frauen, wo Du gesagt hast,warum ist das bei den Frauen gelandet, ein Fakt istallerdings, wenn man sich den Arbeitsmarkt an-schaut, und wir bewegen uns am Arbeitsmarkt, Gen-der Mainstreaming ist ja noch dazu kein Arbeits-marktthema, sondern Gender Mainstreaming betrifftja alles rund herum. Da gibt es ja die tollsten Beispiele,die wir so plakativ wirklich einmal durch das Aha-Erlebnis gebracht haben, dass ich sage, ich kann einBrettl mit der (Fuß?..) anmachen, damit man seinenKaffee abstellt, wenn Frauen traditioneller, oder sehrviele Frauen kleiner sind, sind die dadurch benachtei-ligt, wie das Brett angebracht ist, das sind die Bei-spiele. Aber bei uns am Arbeitsmarkt ist Fakt, wirmüssen Gleichstellung am Arbeitsmarkt erreichenoder soll man fördern. Und Männer sind am Arbeits-markt nicht so benachteiligt, wie es Frauen sind.Wenn man schaut, der Grossteil der Benachteili-gungen passiert bei Frauen. Und daher ist es auto-matisch zu einem Frauenthema geworden. WennFrauen am Arbeitsmarkt von Haus aus gleich behan-delt werden würden wie Männer, dann bin ich mirziemlich sicher, dass wir Gender Mainstreaming alsThema als solches gar nicht so erleben würden, weiles sowieso passiert. Frau: Richtig. Mann 2: Aber Faktist halt, dass wir den Firmen klarmachen müssen, wassie verlieren, wenn sie nicht gegendert sind, wenn sieihr Personal nicht nach Gender Mainstreaming akqui-rieren. Wir müssen unseren Ausbildungsträgern klar-machen, unter welchen Vorraussetzungen sie Ausbil-dungen anbieten müssen, dass Gleichbehandlungpassiert, sagen wir so, Benachteiligung nicht passiertund es geht bei uns immer wieder um Frauen, weilFrauen schlechtere Zugangsmöglichkeiten zu Schu-lungen, zu Ausbildungsmöglichkeiten haben, weilFrauen, weil es gesellschaftlich immer noch so ist,geographisch nicht so mobil sind, zeitlich einge-schränkt sind durch Familien und so weiter, und weileben sehr viele Firmen noch immer der Meinung sind,für bestimmt Bereiche nehme ich keine Frau auf undso weiter. Und da sollen wir wirken. Da sollen wirAufklärungsarbeit leisten und daher ist es unter Anfüh-rungszeichen in der Frauenecke. Ist aber nicht, weil esabgeschoben worden ist, sondern das Problem beider Gleichbehandlung liegt bei den Frauen. Das heißt,die Frauen sind nicht das Problem, sondern die

Frauen haben das Problem. Und wenn wir dort nichtansetzen, wenn wir es auf der Männerseite ansetzen,ist es daneben. Wo ich dir recht gebe, dass es keinausschließliches Thema der Frauenreferentin ist. Frau:Ich beschwere mich ja nicht, dass es in derFrauenecke angesiedelt ist, sondern ich sage nur, eshat durch das einen etwas negativen Beigeschmackbekommen, weil der erste Spruch war immer, schonwieder ein Fraueng’schichtl. So meine ich das. Ichbeschwere mich absolut nicht, weil. Mann 2: Dashabe ich nicht so erlebt. Frau: Hat es schon teilweisegegeben. Also, wenn wir das Thema in Frauenarbeits-kreisen bearbeitet haben, dann sind sehr viele solcheMeldungen gekommen, wo die Frauenreferentinnengesagt haben, das ist das Thema zu Hause, so wirdzu Hause gesprochen. Mann 2: Ja. Frau: Ja, ich sagenur, ist ganz klar, na. Das ist dieser Beigeschmack,den es dann immer gehabt hat. Es war immer, fürmich ist das nicht negativ, weil ich sage, das Themainteressiert mich. Ich bin Frauenreferentin aus Über-zeugung, weil ich finde, das ist alles eine interessanteGeschichte, aber was ich sage, der negative Bei-geschmack ist ja nicht für mich gewesen, weil ichsage, ich tu das gerne, sondern, weil es bei uns ange-siedelt ist, ist eigentlich die Mehrheit gekommen,schon wieder ein Fraueng’schichtl. Mann 2: Ja. Frau:Ich habe das schon so bewusst so auch erlebt. Mann3: Für mich ist Gender Mainstreaming in erster Linieeine Führungsgeschichte, eine Planungsgeschichteund als Führungsgeschichte in der Form, dass wir dasBewusstsein bei unseren Mitarbeitern schüren müs-sen und als SFU natürlich auch, wenn du es schonansetzt, bei den Betrieben draußen und wir bei denMaßnahmen drinnen, bei den KundInnen draußen.Aber das ist keine Frauengeschichte, das sehe ichüberhaupt nicht so. Frau: Absolut. Mann 3: Das istüberhaupt keine Frauengeschichte, aber es ist sinn-voll, dass eben der Kreis der Frauenreferentinnen, derGenderbeauftragten und was es immer da für Funk-tionen gibt, dass es dort thematisiert wird, weil wennes dort nicht thematisiert wird. Frau: Dann gibt es dasnirgends. Mann 3: Dann gibt es das nirgends, richtig.Frau: Richtig. Mann 3: Weil eben, und das hast dugesagt, draußen in den Häusern, in vielen Häusern,auch in unserem Haus und überall auf der Welt, sagtman, schon wieder die Emanzen und so weiter, unddas hat mit Emanzipation nichts zu tun, sondern eshat damit zu tun, Gleichstellung zu erreichen und vorallem Chancen zu eröffnen, die man ohne dem nicht

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hat. Mann 1: Ich denke mir, ich sage, ich glaube, wirkönnen keine Arbeitsplätze schaffen, aber wir könnenanalysieren und wir wissen, woran es scheitert, anden Rahmenbedingungen. Und wenn wir heuteVermittlungsversuche starten und da gebe ich dirrecht, haben Frauen immer noch ein bisserl einenNachteil. Nicht nur ein bisserl, sondern ziemlich einenNachteil, weil eben gewisse Rahmenbedingungen imKinderbetreuungsbereich und wie auch immer nichtso vorhanden sind, wie man es brauchen würde, undda sehe ich auch unseren Job auch, wir sind imBereich des Arbeitsmarktes tätig, dass man sagt, wirlisten die Schwachstellen auf. Also, wenn die Rah-menbedingungen durch und durch besser adaptiertwürden, dann hätten die Frauen noch bessereChancen und dann kommen wir und die legen unsgenau in die Richtung hin, dass wir sagen, ok,Gleichstellung. Frau: Ja. (4:25)

Zentraler Bezugspunkt ist die Frage, ob GM eine„Frauengeschichte“ sei. Die Diskussion pendelt dabeizwischen den Polen, nein, GM ist keine Frauenge-schichte allein - und irgendwie ja, da es doch an denRahmenbedingungen etwa im Bereich Kinderbe-treuung läge, dass Frauen „ziemlich einen Nachteil“ inKauf zu nehmen hätten. Dezidiert stellt Mann 2 fest:Wenn GM auf der Männerseite angesetzt werdenwürde, „ist es daneben“. Und in der Tat: Männer kom-men thematisch überhaupt nicht vor. Die Bewusst-seinsveränderung der Männer wird nicht klar ange-sprochen – am ehesten noch unter dem Wort „Mit-arbeiter“, von dem anzunehmen ist, dass in dieserDiskussion beide Geschlechter mit gemeint sind. Dieklare sprachliche Unterscheidung von Männern undFrauen konnte sowohl bei den operativ Beschäftigtenals auch bei den Führungskräften noch nicht sehrhäufig beobachtet werden. Die Diskussion in GS 2verstärkt diesen Eindruck, Frauen als wesentlicheZielgruppe der „Bewußtseinsveränderung“ anzusehen:

Mann 1: Auch Frauen, die nicht von selber kommen.Die, die kommen und sagen, ich will das, das ist ehnicht das Problem. Da liegt die Forderung eh gleichauf dem Tisch und du setzt dich damit auseinander.Aber auch den anderen, die mit den traditionellenG’schichtln kommen, einfach wenigstens zum Denkengeben. Mann 3: Ja. Mann 1: Denke darüber nach, obnicht andere Möglichkeiten da sind aus diesen tradi-tionellen Geschichten, ob das jetzt die Berufe sind, ob

es im Bereich der Kinderbetreuung ist, ob es im Be-zug auf die Arbeitszeiten ist oder die Dequalifizie-rungsgeschichte, auch Verdienstgeschichten, dassder Berater das aktiv anspricht, um die Frau nach-denklich zu machen. Was dann herauskommt, istdann eh wieder nicht in unsrem Einfluss gelegen. Aberdas macht den Berater aus, dass der Gender vertritt.Frau kommt mit einem Wunsch, der gegenderte Bera-ter spricht die Themen an, versucht sie bewusst zumachen, nicht aufzuzwängen und nicht aufzudrängen,das geht eh nicht, und der andere geht ja gar nichtdarauf ein. Das wäre für mich so ein Unterschied inder Vorgangsweise. (20:10)

Wobei vor einer auferlegten Schutzhaltung Frauengegenüber eindeutig gewarnt wird:

Mann 1: Das kann immer wieder nur mit Bewusst-seinsarbeit und am besten mit konkreten Beispielen,ich meine, das ist das, was am ehesten haften bleibt,als wenn du sagst, geht bitte, seid’s so gut und seid’sab sofort frauenfreundlich, seid’s ab sofort gegendert,dann hat jeder wieder sein eigenes Bild vor sich undich glaube manchmal, da wird man manchmal nurIrritationen oder auch Aversionen auslösen, das glau-be ich, wäre nicht der richtige Weg. (20:30)

Stärkster argumentativer Bezugspunkt ist in der Dis-kussion die arbeitsmarktpolitische Nutzenüberlegung,Frauen auch nicht-traditionelle Berufseinstiege zu er-öffnen. Die Alternative, wie könnten Männer für gleich-stellungsorientierte Möglichkeiten wie etwa derKinderbetreuung oder ebenfalls für nicht-geschlech-terstereotype Berufseinstiege gewonnen werden, wirdnicht angesprochen. Ja, die Frage nach einem „ge-genderten“ Aspekt eines Beratungsgesprächs, derdie Männer stärker herausfordern würde, überraschtdie Diskutanten von GS 2 selbst (es waren nur Män-ner in diesem Gruppeninterview anwesend – die Frau-enreferentin und Bereichsleiterin war aus beruflichenGründen verhindert):

Mann 1: Die Kunden, Pflegehelfer, wenn einer, das istja auch Gender, wenn man einen Mann zu Pflegehel-fer schicken, Frauenberufe. Das ist das Gleiche. Wennes nicht zwanghaft wird. Mann 3: Aber jetzt in einenKurs, aber sonst in der Beratung, weiß ich nicht, wassoll ich hinein geben, Kunden informieren über dieGleichbehandlung. Mann 1: Ja, es gibt Erzieher, erzie-

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hende Väter, Männer. Mann 3: Ja, dass man in dieRichtung geht, aber sonst tun wir eigentlich einenMann gendermäßig beraten? Wie macht man das?Mann 1: Ich denke gerade nach. Das ist viel schwerer.Das ist viel schwerer, da gedanklich etwas zu finden,was das sein könnte. (25:23)

Vermutlich haben die in die Diskussion eingebunde-nen Frauenreferentinnen und Bereichsleiterinnen die-ser beiden Geschäftsstellen ständig mit dem Imagezu kämpfen, dass frauenpolitische Anliegen bisherstark verniedlicht wurden – „Fraueneck“ lässt bei mirals Forschendem die Assoziation „Schmollecke“hochkommen, „Frauengschichterl“ ist ohnehin eineVerkleinerungsform zum – wie man gedanklich fort-setzen könnte - größeren, wichtigeren, eben ordentli-chen Gang der „Geschichte“. Diese Einsicht geht ein-her mit der Analyse von „Witzen“ in GS 2, in der nichtselten versucht werden würde, die dortige Frauenre-ferentin in die Defensivposition zu drängen. Beson-ders einladend für manche KollegInnen, Witze zu lan-cieren, dürfte dabei die Tatsache eine Rolle spielen,dass sich die Frauenreferentin und Bereichsleiterinernsthaft mit dem Anliegen identifiziere – also aufWitze „anspricht“ und diese quasi selbst „ein bisserlherausfordert“:

Mann 3: Das hat schon auch viel mit der xy zu tun,oder hauptsächlich wenn die xy dabei ist, wird das ei-gentlich in diese Richtung gemacht, weil die ja dochsehr stark das alles vertritt, sei es jetzt vom Politischenher, Gleichstellungs- und Frauenreferentin da bei uns,da ist schon sie meistens der Ansprechpartner. Dadenke ich mir eher, dass das an die Adresse von derxy oder was, gerichtet ist. Ja, dass, wenn sie dabeiist, das eher passiert. Weil sie auch darauf anspricht.Mann 2: Du meinst, die fordert es ein bisserl heraus?Mann 3: Ja. Mann 1: Das ist so eine Interpretations-sache. Die xy ist der Pol bei den Interessen derFrauen und jetzt. Mann 3: So in etwa. Das geht natür-lich um die Geschichte, dass die Frauen halt daheimbleiben sollen vom Arbeiten. In die Richtung gehen dieWitze eigentlich. (39:01)

Große Sorge bereitet die Frage der Umsetzung vonGender Mainstreaming im eigenen Haus. Offenbar istden ManagerInnen klar, dass „Zusatzarbeit“, „Sonder-programm“ negative Wirkungen bei den MitarbeiterIn-nen auslösen dürfte:

Mann 3: Das xyz ist überhaupt nicht der Parade-GM-Anwender, sondern das sollte überhaupt passieren.Gender Mainstreaming ist bisher wahrscheinlich auchnicht gelungen, weil, dass hören wir ja selber immerwieder. Es muss aus den Köpfen heraus, dass Gen-der Mainstreaming eine Arbeit ist. Gender Mainstrea-ming ist keine zusätzliche Arbeit. Frau: Richtig. Mann3: Sondern unser Handeln, dass wir sowieso durch-führen, wir müssen ja handeln, soll nur abgestimmtsein und vielleicht in bestimmten Bereichen ein bisserlanders durchgeführt werden, wie das, was wir bishergemacht haben oder das, was auch bisher vieleandere Leute gemacht haben.(…) Da bin ich ziemlichüberzeugt davon, weil deshalb, weil sehr viele Angsthaben, dass da wieder einer daher kommt, das wie-der was daher kommt. Wir haben sowieso alles drauf,und Sonderprogramm und das und das und jetzt sol-len wir das auch noch machen. Wir müssen denLeuten bewusst machen, dass es eigentlich nichtsZusätzliches ist. Wir müssen den Leuten klar machen,dass wir nur anders handeln. (7:13)

Ob dieser unterstellten Ängste vor zusätzlichen Auf-wendungen seitens der Beschäftigten wird nun vor-geschlagen, appellativ von „nur anders handeln“ zusprechen. Angesichts der oben beschriebenen, vonden MitarbeiterInnen - insbesondere eines Bereichs -angeführten Unausgewogenheiten in der Koordina-tion von Zusatzarbeiten mag dieser Vorschlag berech-tigt sein. Setzte man dagegen Koordinationsproblememit Fragen der Gleichstellung in Verbindung – prozes-sual und strukturell – wären damit allerdings Optimie-rungen gewonnen, die die Effektivität, wahrscheinlichsogar die Effizienz dieser Organisation steigern könn-ten. Und zwar dann steigern könnten, wenn voraus-gesetzt wird, dass „Handeln“ immer auch der Klarheitvon Zielen, Strategien, Strukturen und Prozesse be-darf, um genügend Motivationsenergie frei setzen zukönnen. Hinter „nur anders handeln“ steckt nichtallein Bewußtseinsveränderung bzw. etwas mal bloßanders tun wie üblich, sondern der gesamte Kontextvon Handlungsmotiven. Und veränderte Handlungs-motive gehen mit Reflexion in der Gesamtorganisationund Sinnvermittlung durch das Management einher.Diese Dimensionen allerdings spielen in den beidenGruppengesprächen der Führungskräfte kaum eineRolle. Erinnert man sich aber daran, wie die Mitar-beiterInnen die bereichsübergreifenden Gruppenge-spräche begrüßten, weil es mit GM auch um die Fra-

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ge koordinativer Gleichstellungen geht, muss Refle-xion und Arbeitsorganisation prozessualer und struk-turaler Art kein Hindernis in der Motivation für einenChange darstellen. Die Herausforderung wird darinbestehen, jene Reflexionspunkte exakt dort zu setzen,wo eine erhöhte strukturelle und prozessuale Hand-lungsfähigkeit der Organisation notwendiger Irritatio-nen im Sinne von Gender Mainstreaming unbedingtbedarf.

Dass zur Blickrichtung des Managements in die eige-ne Organisation hinein verstärkt angeregt werdenmüsste, widerspiegelt auch die folgende Einschät-zung der Messung von GM-Maßnahmen durch dieFührungsrunde:

Mann 3: Das Ausmaß der Bewusstseinsveränderungist vollständig nicht messbar. Zumindest nicht kurz-oder mittelfristig. Mann 2: Bei den Kunden eher. Beiden Kunden merkt man es am Zugang, vielleicht aneinem verstärkten Zugang zu Maßnahmen, die dortangesprochen werden, sei es (ZAMG?) oder nicht tra-ditionelle Frauenmaßnahmen sind und so weiter, dortkönnte man das vielleicht doch messen. Das Be-wusstsein der Mitarbeiterinnen, ob sich das veränderthat oder nicht, sehr schwer, wenn, dann kannst dudas nur über eine Befragung. Mann 3: Befragung.Mann 2: Von Frauen durchführen, die in Beratunggestanden haben. Mann 3: Umfragen nehmen wir da-zu. Das ist auch wichtig. Mann 2: Dort könntest dudas vielleicht messen, haben sie das Gefühl, dassBeraterinnen ... Im (CMS?) ist es drinnen. Ja, wobeibeim letzten CMS die Frauen keine Benachteiligungsehen, vom Berater aus meine ich jetzt. Bei denFirmen selber, ich erwarte den Erfolg nicht so kurzfri-stig und vor allen nicht in so großen Zahlen, ja, wie vielwerden die damals gehabt haben? Vielleicht dreiFrauen, die man dort dann vermittelt oder nicht. Mann3: Das geht für mich in (...) Erfolg ist. Mann 2: Darumsage ich, das ist. Mann 1: (…) Frühestens 2008.Mann 2: Aber, dort zu controllen, kann ich sagen, ichnehme mir das Projekt vor. Frau: Das ist sehr real, ja.Mann 3: Kurz. Frau: Kurzfristig. Mann 2: Nein, abermessen kann man es nur dort, dass ich wirklich sage,ich plane ein, zwei Veranstaltungen für jeweils fünf-zehn Betriebe, zum Beispiel, die Information wird wei-ter gegeben und wir können dann nur sagen, wie vielsind dann wirklich gekommen. Also nur an dem kannich es wirklich machen. Ob das Bewusstsein dieser

Firmen sich verändert hat oder nicht. Mann 1:Kurzfristig. Mann 2: Das ist nur sehr langfristig zubeobachten. Mann 3: Dann müsste man immer wie-der in Abständen befragen, so wie bei der CMS, obsich das einfließen lässt. So Befragungen, dass manimmer wieder nachfragt, ändert sich eigentlich etwas.Mann 2: Habt ihr (...) drinnen bei der Firma? Mann 3:Der beurteilt gewisse Fragen. Da ist das CMS zuwenig ausführlich, in dem Sinne, dass, da muss manfür das GM selber Befragungen machen zu dem, umdas festzustellen, ob sich da etwas weiterentwickelt,auch über Jahre, meiner Meinung nach. Frau: Ichglaube auch, dass das nicht so kurzfristig ist. Mann 1:Aber da muss dann schon von einer anderen Ebenekommen. Frau: Ja. Mann 3: Na klar, das, mit denUmfragen, Institut. Mann 2: Medienaktion. Frau: Daschicken wir ein Mail. (38:5)

Unabhängig davon, welche Möglichkeiten im Reper-toire methodischer Messungen hier angedacht wer-den, so fällt auf, dass Aspekte gleichstellungsorien-tierter Struktur- und Prozessveränderungen im Sinneder Organisationsentwicklung nicht angesprochenwerden. Noch dazu ist diese Art von Optimierung sehrgut zu erheben; allerdings müsste die Wirkungsana-lyse von solchen Veränderungsvorhaben erweiterteTools des Qualitätsmanagements berücksichtigen.

Völlig ausgespart bleibt in dieser Reflexion die Fragenach der Professionalität der Rückmeldeschleife – seies an die KundInnen und Firmen, sei es an die Bera-terInnen, die MitarbeiterInnen, ja an die Führungs-kräfte selbst. Dieser Aspekt stellt sich unter organisa-tonalen Veränderungsabsichten als besonders sensi-bel dar, gehen von quantitativen und qualitativen Con-trollingdaten doch auch Signale der Kritik, mitunterauch subjektiv empfundener Gefühlsverletzungenaus. In den Situationen der kommunikativen Validie-rungen zeigte sich zudem, dass das direkte Gesprächzwischen Management und MitarbeiterInnen nochintensiver angeregt werden müsste (lang andauerndeSchweigephasen). Und bedenkt man die Art undWeise, wie persönlich und auch willkürlich mancheHandlungen in dieser Organisation zumindest soempfunden werden, dann wird sich die Einführungvon Gender Mainstreaming wohl auch daran ent-scheiden, mit welcher Art „Gleichstellung“ lernwirksa-mes Feedback funktional und strukturell gegeben,aber auch empfangen wird.

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8. Hypothesen

Zusammenfassend möchte ich daher auf die ein-gangs gestellte Forschungsfrage - Welche Gender-Konstruktionen lassen sich in der hier empirischerhobenen Organisation diskursanalytisch auffin-den? – folgende Hypothesen entwickeln:

1. Wenn keine eindeutige Positionsbestimmung vonGender Mainstreaming und Frauenförderung top-down über die Gesamtorganisation erfolgt, dannwerden die Zuweisungen der Kundinnen undKunden zu Beraterinnen und Beratern sowie diedirekten Beratungen von Kundinnen und Kundenimplizit weiterhin der geschlechterdifferenten Logikfolgen bei starker Ausklammerung männlicherVeränderungszumutungen.

2. Wenn die Führungskräfte Möglichkeiten der Sinn-vermittlung einrichten, dann werden die für die In-fragestellung traditionaler Geschlechterverhältnissenotwendigen reflexiven Unterbrechungen von sinn-nivellierenden Routinearbeiten wahrscheinlicher.

3. Wenn die beiden Geschäftsstellen das hohe En-gagement der Reflexion sowohl auf Führungs- alsauch auf Beschäftigtenseite im Rahmen dieser Pi-lotprojekte beibehalten wollen, dann müssen sieweiterhin auf die konkrete Aufarbeitung alltagsbe-zogener Gleichstellungsaspekte setzen.

4. Wenn die Arbeitsorganisation der untersuchtenGeschäftsstellen die Besonderheiten von Teilzeit-arbeit in den Bereichen der räumlichen Segrega-tion, des informellen Wissenstransfers und derFührungsbeteiligung strukturell weiterhin außerAcht lässt, bleiben die Gestaltungsmöglichkeiten -insbesondere der weiblichen Halbtagskräfte -stark beschnitten.

5. Wenn die Arbeitsorganisation der untersuchtenGeschäftsstellen die Aufgabenverteilung zwischenVollzeit- und Teilzeitarbeit nicht unter dem Aspektder strukturellen Gleichstellung verändert, werdendie weiblichen Halbtageskräfte vermehrt unterdem personalisierten Etikett „problematisch“ vonden Ganztageskräften markiert.

6. Je weniger Vollzeitstellen für weibliche Beschäftig-te eingerichtet werden, umso eher splitten sichprozentuell die Geschlechterverhältnisse einer-seits in weibliche Teilzeitmehrheiten der Service-bereiche und andererseits männliche Vollzeitbe-schäftigte mit Zugang zu Spezialwissen und Füh-rungskompetenzen in die Beratungsbereiche undin die Bereiche der unternehmensnahen Dienst-leistungen.

7. Je arbeitprozessorientierter die Führungskräfteden Aspekt der Gleichstellung auf die Basis derMitarbeiterInnen „runterbrechen“, desto eher wer-den Aufgaben des Gender Mainstreaming als hilf-reiche Handlungsalternativen auf der operativenEbene verstanden und den Eindruck von „Zusatz-arbeit“ zerstreuen.

8. Je geringer die Bereitschaft zur Einrichtung for-mell-systematischer Rückmeldeschleifen besteht,umso eher werden bei der organisationsinternenVerarbeitung von Evaluationsdaten im Zuge einerGM-Implementierung informell unterstellte Willkürund personalisierte Ursachenzuschreibung vor-herrschen.

9. Je mehr die Beraterinnen und Berater die Gleich-stellungsaspekte im Beratungsprozess reflektierenlernen, umso eher werden die sich gegenseitigverstärkenden Erwartungshaltungen geschlech-terstereotyper Verhaltensweisen in der direkten In-teraktion zwischen BeraterInnen und KundInnenirritiert.

10. Wenn die Organisation nicht bereit ist, die Alltags-routine sowohl vertikal als auch horizontal an derbereichsübergreifenden Wertschöpfungskette re-gelmäßig auf Aspekte der Ungleichstellung hin zureflektieren, dann werden sich die Muster infor-meller Ressourcenpolitik zuungunsten der opera-tiven Zonen im nicht-beraterischen Bereich verfe-stigen.

11. Wenn das Controlling zu Aspekten des GenderMainstreaming allein auf quantitative Daten setzensollte, wird das Management verführt, Auswirkun-gen von GM im konkreten Arbeitsprozess zu ver-nachlässigen.

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12. Je besser es unternehmensnahen Dienstleis-tungsabteilungen gelingt, in den Phasen der fir-meninternen Entscheidungsvorbereitung die Hu-man-Resource-Sichtweise von Gleichstellungsas-pekten geltend zu machen, umso eher könnenFrauen und Männer mit der nachhaltigen Ver-mittlung von nicht-traditionellen Stellenangebotenrechnen.

13. Je einseitiger Schulungen zum Kompetenzaufbauoff-the-job sowie nicht in-house-bezogen passie-ren, umso eher wird die operative Einpassung vonGender Mainstreaming in das komplexe Gefügeder Organisation verfehlt und damit der Sätti-

gungseindruck mit off-the-job Inhalten seitens derMitarbeiterInnen zusätzlich bestätigt.

14. Weniger die personalen Geschlechterbilder alsvielmehr die traditionalen Zuweisungen im struk-turalen Geschlechterverhältnis stabilisieren diebinären Diskursvorstellungen von „Weiblichkeit“und „Männlichkeit“. „Geschlechterverhältnisse“sind somit Brennpunkte einer GM-orientiertenVeränderungspolitik in den beiden Teilorganisa-tionen. Als Ergebnis der Analyse möchte ich da-her dem Begriff „Geschlechterverhältnisse“ künf-tig besondere strategische Bedeutung unterle-gen.

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9. Literatur

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Qualitätsentwicklung Gender Mainstreaming 35

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Zur Gleichstellungsorientierung

beim Aufbau von Netzwerken

Erfahrungen und Perspektiven

Renate Fuxjäger

1. Einleitung 38

2. Theoretische Hintergründe zur Charakterisierung von Netzwerken 39

2.1 Charakteristika von Netzwerken 39

2.2 Netzwerke zur Kompetenzentwicklung 39

3. Vernetzung von GM-BeraterInnen und Gender-TrainerInnen 41

3.1 Projektrahmen 41

3.2 Vorläufige Charakterisierung des Beispiels 42

3.3 Bestehende Netzwerke als Umfeld 44

4. Gleichstellungsorientierung im Aufbau von berufsbezogenen Netzwerken 46

4.1 Anknüpfungspunkte für einen gleichstellungsorientierten Aufbau von Netzwerken 47

4.2 Weiterführende Überlegungen 48

5. Literatur 50

Qualitätsentwicklung Gender Mainstreaming 37

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1. Einleitung

Für Kompetenzentwicklung von ExpertInnen undWettbewerbsfähigkeit von Organisationen geltenNetzwerke heute als wesentlicher Erfolgsfaktor. DieKooperation in Netzwerken erfordert eine Balancezwischen Offenheit und Konkurrenz und birgt dahergroße Herausforderungen, aber auch Lernchancen.

In Netzwerken bestehen eigenständige Gestaltungs-spielräume für die Produktion oder den Abbau vonGeschlechter(un)gleichheiten, umso mehr als Netz-werke im Vergleich zu herkömmlichen Organisatio-nen häufig nicht formalisiert sind und rasch auf neueEntwicklungen reagieren können. Inwieweit in Netz-werken Gleichstellung von Frauen und Männernstrukturell vorgesehen ist und für die Mitwirkendenlebbar gemacht werden kann, ist eine wichtige Fragein Forschung und Praxis der Netzwerkarbeit (vgl.Pasero und Priddat 2004). Dabei ist davon auszuge-hen, dass die Absichten und Möglichkeiten, Gleich-stellung in einem Netzwerk anzustreben, sehr starkvon der Art und den Zielsetzungen des Netzwerksabhängig sind.

Die Vernetzung von GM-BeraterInnen und Gender-TrainerInnen, die im Rahmen der EQUAL-Entwick-lungspartnerschaft „Qualitätsentwicklung GenderMainstreaming“ aufgebaut wurde, ist als Beispiel fürdas Thema Gleichstellung in Netzwerken in mehrfa-cher Hinsicht interessant. Sie stellt ein in Österreichneues Netzwerk von AnbieterInnen in einem relativjungen Berufsfeld dar, das von Buchinger und

Gschwandtner (2006) ausführlich analysiert wurde.Hier stellt sich die Frage, wie dieses im Aufbau befind-liche Netzwerk theoriegeleitet charakterisiert und mitbestehenden Netzwerken verglichen werden kann.Weiters gibt es Anlass darüber nachzudenken, wie dieStrategie Gender Mainstreaming im Aufbauprozessumgesetzt wurde. Gerade unter AnbieterInnen, die inihrer Arbeit Gleichstellungsprozesse begleiten, solltein der Zusammenarbeit auf Gleichstellungsorientie-rung geachtet werden. Im Hinblick auf die Etablierungeines BeraterInnensystems, das sich Qualitäts- undKompetenzentwicklung zur Aufgabe stellt, ist auch zufragen, welche Strukturen dafür dienlich sind.

Dieser Beitrag setzt sich das Ziel, einen theoriegelei-teten, reflexiven Blick auf den Aufbauprozess dieserVernetzung zu werfen und praxisbezogene Anknü-pfungspunkte für Gleichstellungsorientierung in weite-ren Netzwerken zu schaffen. Dafür werden eingangsCharakteristika und eine Typologie für Netzwerke imBereich Kompetenzentwicklung als theoretischerKontext vorgestellt (Kap. 2). Die neue Vernetzung vonGM-BeraterInnen und Gender-TrainerInnen wirdanhand dieser Typologie charakterisiert und im Hin-blick auf Gleichstellungsorientierung und Kompetenz-entwicklung beleuchtet. Weitere bestehende Netz-werke im Bereich Gender Mainstreaming und Bera-tung werden exemplarisch vorgestellt und die neu ini-tiierte Vernetzung mit ihnen verglichen (Kap. 3).

Was bedeutet Gleichstellungsorientierung im Aufbauvon Netzwerken? Die Erfahrungen mit der Vernetzungvon GM-BeraterInnen und Gender-TrainerInnen füh-ren dazu, Anknüpfungspunkte für die Umsetzung von

Zur Gleichstellungsorientierung beim Aufbau

Erfahrungen und Perspektiven

Renate Fuxjäger

1 Die Autoren untersuchten über hundert Netzwerktypen und -ty-pologien und entwickelten daraus für Netzwerke, die (auch)

Kompetenzentwicklung zum Ziel haben, eine mehrdimensionaleTypologie. Diese kann zur Analyse und Gestaltung von Netzwerken

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Gender Mainstreaming im Aufbau von Netzwerkenabzuleiten. Abschließend werden weiterführende For-schungsthemen zum Thema Gleichstellungsorientie-rung in Netzwerken formuliert (Kap. 4).

2. Theoretische Hintergründe zurCharakterisierung von Netzwerken

Das Thema Netzwerke wird in der Literatur vielfältigund differenziert diskutiert, weil mehrere Disziplinen anunterschiedlichen Netzwerken Interesse zeigen. DieAspekte reichen von der Analyse sozialer Netzwerkebis zur Umsetzung von Unternehmens-Netzwerken.Für eine Beschreibung und Interpretation des Bei-spiels Vernetzung von GM-BeraterInnen und Gender-TrainerInnen und Netzwerke in näherem Umfeld ist esdaher notwendig, vorab eine theoretische Einordnungherbei zu führen. Für diese Klärung werden Charak-teristika für Netzwerke benannt, wobei ein Modell vonSydow et al. (2003) näher vorgestellt wird, das fürNetzwerke im Bereich Kompetenzentwicklung ent-wickelt wurde.

2.1 Charakteristika von NetzwerkenIm üblichen Sprachgebrauch werden Termini wieNetzwerk, Kooperationsnetzwerk, Networking oderVernetzung zum Teil synonym verwendet. Netzwerkekönnen jedoch sehr unterschiedlich beschrieben unduntereinander differenziert werden. Innerhalb der sozi-alen Netzwerke können „persönliche“ und „berufsbe-zogene“ Netzwerke unterschieden werden.

� In den Sozialwissenschaften wird mit einem Netz-werk die Gesamtheit derjenigen Personen bezeich-net, zu denen ein Individuum Beziehungen unter-hält. Darunter fallen alle persönlichen Netzwerkewie Familie, Nachbarschaftsbeziehungen etc. AuchFormen der Kooperation, durch die Personen be-stimmte Ziele, z.B. Karriereziele, verfolgen, werdendamit beschrieben.

� Die Betriebswirtschaftslehre nützt den Begriff Netz-werk, um zielbezogene Organisationsformen wie in-formelle Zusammenschlüsse, Interessensverbändeund strategische Netzwerke von Personen und Or-ganisationen zu beschreiben, die durch das Netz-werk einen Vorteil erfahren oder sich erhoffen (vgl.Sydow 1992). Berufsbezogenen Netzwerken wer-den eigene Strukturformen zugeschrieben, die we-niger an Macht und Hierarchie orientiert sind als inherkömmlichen Organisationen und daher derenstrukturelle Probleme lösen können. Netzwerke gel-ten daher als eine Organisationsform der Zukunft,die ein hohes Innovationspotenzial aufweist.

2.2 Netzwerke zur KompetenzentwicklungFür berufsbezogene Netzwerke, die ihren Fokus aufKompetenzentwicklung legen, wurde von Sydow etal.1 (2003) eine Typologie entwickelt, die im Folgendennäher ausgeführt wird, weil das Thema Kompetenz-entwicklung für eine Vernetzung von BeraterInnen undTrainerInnen von grundlegender Bedeutung ist. Dievorgestellte Typologie differenziert Netzwerke nachMerkmalen, die auch im Bereich Gender Mainstrea-ming große Aussagekraft haben. Demnach eignensich drei Dimensionen zur Unterscheidung vonNetzwerken:

von Netzwerken

herangezogen werden.

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� explorativ – exploitativ: bezieht sich auf FUNKTION� hierarchisch – heterarchisch: bezieht sich auf PRO-

ZESS� stabil – dynamisch: bezieht sich auf INHALT und

STRUKTUR

Mit obigen Begriffspaaren werden jeweils zwei Poleangegeben, zwischen denen ein bestimmtes Netz-werk verortet werden kann. Es geht nicht darum, obein Netzwerk exakt diesem oder jenem Pol entspricht,sondern welchem es tendenziell zugeordnet werdenkann. Gemeinsam bilden die Unterscheidungen einedreidimensionale Typologie mit insgesamt acht Typen(z.B. explorativ-hierarchisch-stabil; vgl. Sydow et al.2003, S. 96ff.). Netzwerke machen Prozesse durchund können innerhalb ihres Bestehens von einem Typzum anderen wechseln (vgl. Sydow et al. 2003, S.10). Die Typisierung eines Netzwerks gibt in diesemSinne eine momentane Richtungstendenz wieder.

Die Unterscheidungen innerhalb Funktion, Prozessund Inhalt/Struktur werden nun ausgeführt:

Funktion eines NetzwerksBestimmend für die Unterscheidung explorativ –exploitativ ist die Wirkung und der dominante Zweckeines Netzwerks – das „Wozu“. Theoretische Hinter-gründe dieser Unterscheidung liegen in der Theorieorganisationalen Lernens2.

Explorativ bedeutet, dass der Hauptzweck des Netz-werks darin liegt, Neues zu suchen, neue For-schungsfelder zu erschließen und Kompetenzendurch die Beschäftigung mit neuem Wissen zu gene-rieren. Ein Phänotyp ist ein industrielles Forschungs-Netzwerk.

Exploitativ hingegen heißt, dass sich im Netzwerk derVertiefung von bereits bestehendem Wissen zuge-wandt wird. Hier geht es darum, bestehende Kompe-tenzen zu perfektionieren und optimieren und Prozes-se zu standardisieren. Als Beispiel kann ein Berufsver-band genannt werden.

Führung und Steuerung im Netzwerk-ProzessMit dem Begriffspaar hierarchisch – heterarchischwird die Form der Führung und Steuerung einesNetzwerks beschrieben, die für den Prozess derBildung und Weiterführung eines Netzwerks wesent-lich ist – das „Wie“. Die Unterscheidung basiert aufGrundlagen von Steuerungs- und Herrschaftstheo-rien3.

Ein Netzwerk ist dann hierarchisch, wenn über einenklaren Steuerungspunkt Inhalte und Strukturen vorge-geben werden (monozentrisch). Hierarchie bezeichnetdabei sowohl eine formelle Autoritätsstruktur als aucheine faktische Machtstruktur. Ein Beispiel ist ein Fran-chising-System.

In einem heterarchischen Netzwerk hingegen arbeitendie AkteurInnen selbstbestimmt miteinander und ver-einbaren gemeinsam Ziele, Inhalte und Strukturen(polyzentrisch). Ein regionales Netzwerk ist typisch fürdiese Form von Netzwerk.

Inhalt und Struktur eines NetzwerksBei der Unterscheidung stabil – dynamisch stehen In-halt und Strukturen von Netzwerken und die Bezie-hungen zwischen Netzwerk-AkteurInnen im Vorder-grund – das „Was“. Ausschlaggebend ist die Stabilitätder Mitgliedschaft oder der Netzwerkbeziehung. Auchder Zeithorizont, ob ein Netzwerk kurz- oder langfri-stig angelegt wurde, ist hier von Bedeutung.Hintergrund sind nach Miles und Snow (1992) kontin-genztheoretische Konzepte zur Erklärung vonNetzwerk- bzw. Organisationsstrukturen.

In einem stabilen Netzwerk arbeiten eine etwa gleichbleibende Anzahl von Personen und Organisationenmiteinander, es ist auf kontinuierliche Zusammenar-beit und meist langfristig angelegt. Typisch hierfür istein Vertriebsnetzwerk.

Ein dynamisches Netzwerk bezieht seine Stärke unteranderem daraus, dass die KooperationspartnerInneninnerhalb des Netzwerks wechseln können. Als Bei-

2 Diese Unterscheidung wurde von March (1991) entwickelt und von Koza und Lewin (1998) auf Netzwerke übertragen. Siebezieht sich auf die behavioristische Schule, einem Theoriezweigorganisationalen Lernens (vgl. Sydow et al. 2003, S. 75).

3 Theoretische Grundlagen zur Analyse hierarchischer Organisa-tionsformen basieren auf Weber (1921/1980).

4 Dabei wird auf Erfahrungen der Autorin zurück gegriffen, die sieals Modulleiterin während der ersten Monate des Aufbaus der Vernetzung gewonnen hat.

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spiel dient ein Projektnetzwerk, bei dem für einzelneProjekte die zusammen arbeitenden Partnerorganisa-tionen variieren können.

3. Vernetzung von GM-BeraterInnenund Gender-TrainerInnen

Die oben erläuterte Typologie von Sydow et al. (2003)wird nun auf das Beispiel Vernetzung von GM-Bera-terInnen und Gender TrainerInnen angewandt4: Dasich diese Vernetzung noch in Aufbau befindet, kanneine erste Charakterisierung des Netzwerks vorge-nommen und sollen vorläufige Ableitungen zum The-ma Gleichstellungsorientierung und Kompetenzent-wicklung getroffen werden.

Das Thema Kompetenzentwicklung in Netzwerken istfür die Vernetzung von GM-BeraterInnen und Gender-TrainerInnen5 äußerst relevant. Die Entwicklung vonKompetenzen ist zwar stark auf Eigeninitiative ange-wiesen, findet jedoch zunehmend in Netzwerken stattund wird von diesen maßgeblich unterstützt (vgl.Sydow et al. 2003, S. 9). Die Autoren der Typologiebetonen, dass für Kompetenzentwicklung alle Netz-werktypen bestimmte Vor- und Nachteile mit sichbringen. Wesentlicher als eine genaue Typen-Zuord-nung sind in diesem Kontext vielmehr die Fragen, wiegleichstellungsorientiert ein Netzwerk geplant undumgesetzt werden kann und welchen StellenwertKompetenzentwicklung dabei hat.

Eingangs wird zur besseren Verständlichkeit der Pro-jektrahmen für das Beispiel beschrieben. Anhand derUnterscheidungsmerkmale wird dann untersucht,welchem Typ die Vernetzung zugewiesen werdenkann, inwieweit Gleichstellungsorientierung in Funk-tion, Prozess und Struktur eingeflossen ist und wel-che Möglichkeiten für Kompetenzentwicklung ge-schaffen wurden. Anschließend werden zwei weitereausgewählte Netzwerke im Umfeld Gender Main-

streaming und Beratung kurz charakterisiert, waseinen Vergleich und eine Positionierung mit demneuen Netzwerk ermöglicht.

3.1 ProjektrahmenMit der EQUAL-Entwicklungspartnerschaft „Qualitäts-entwicklung Gender Mainstreaming“ wurde der Rah-men für eine Vernetzung von Gender Mainstreaming-BeraterInnen und Gender-TrainerInnen6 in Österreichgeschaffen. Im Teilprojekt Modul 5 „Qualitätssiche-rung in GM Beratung und Gender Training“ 7 wurde inenger Zusammenarbeit mit erfahrenen BeraterInnenund TrainerInnen in einem BeraterInnendiskurs und ei-nem Resonanzteam am Aufbau eines langfristig funk-tionierenden Netzwerks gearbeitet.

In der Vernetzung sollen über die Projekt-Laufzeit (Juli2005 bis Juni 2007) hinaus Qualitätsstandards im Be-reich GM-Beratung und Gender Training getragenund kontinuierlich weiter entwickelt werden. DieseStandards bieten potentiellen AuftraggeberInnen einebessere Vergleichbarkeit von Angeboten. Insgesamtsoll über die mitwirkenden BeraterInnen und TrainerIn-nen die Wirksamkeit der Implementierung von GenderMainstreaming in Organisationen erhöht werden.

Die Vernetzung von GM-BeraterInnen und Gender-TrainerInnen wurde im Rahmen des EQUAL-Moduls infolgenden Phasen initiiert und aufgebaut:

� Ansprache und Auswahl für den BeraterInnendis-kursBeraterInnen und TrainerInnen im Bereich GenderMainstreaming wurden zu Beginn des Projekts zurMitwirkung in einem BeraterInnendiskurs akquiriert.Dabei wurden alle in der Marktanalyse (Buchingerund Gschwandtner 2006) erhobenen österreichi-schen AnbieterInnen zur Mitarbeit aufgefordert.Aus den Rückmeldungen wurden 16 erfahrene Be-raterInnen und TrainerInnen ausgewählt, die konti-nuierlich in sieben Workshops des BeraterInnendis-kurses zu Qualitätsstandards in ihrem Bereich ar-beiteten.

5 Zum Thema Kompetenzen von GM-BeraterInnen und Gender-TrainerInnen vgl. Fuxjäger (2007)

6 Der Aufbauprozess dieser Vernetzung wird von Hahnl (2007) ausführlich dokumentiert.

7 Für den Aufbau einer Vernetzungsstruktur von GM BeraterInnen und Gender TrainerInnen war die modulleitende Organisationabz.austria Chancen für Frauen - Chancen der Wirtschaft ver-antwortlich.

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� BeraterInnendiskurs: Nutzensargumente und Ziel-verhandlungenZeitlich parallel mit dem BeraterInnendiskurs wur-den Vorarbeiten für den Aufbau einer Vernetzungs-struktur für AnbieterInnen geleistet. Innerhalb desBeraterInnendiskurses wurde verhandelt, welcheAufgaben und Ziele sich die Vernetzung setzensollte und welchen Nutzen sie bringen würde.

� Resonanzteam: Klärung von Rollen und Formulie-rung von AufgabenNach fünf Workshops des BeraterInnendiskurswurde von engagierten BeraterInnen aus sechs Or-ganisationen ein Resonanzteam gebildet, das ge-meinsam mit der Modulleitung ein Rahmenkonzeptfür die Weiterarbeit erstellte. Konkrete Vorschlägeund offene Fragen wurden zurück in den Berate-rInnendiskurs getragen und dort weiter diskutiert.

� Weiterarbeit und Fortführung der VernetzungIm letzten Workshop des BeraterInnendiskurseswurde von den BeraterInnen die Absicht zurWeiterarbeit getroffen. Bis Projektende fanden zweiTreffen von interessierten BeraterInnen aus demKreis des BeraterInnendiskurses statt, bei denenAufgabenschwerpunkte und weitere Schritte ver-einbart wurden. Die Modulleiterin begleitete daserste Vernetzungstreffen als Moderatorin und zogsich dann von dieser Funktion zurück.

3.2 Vorläufige Charakterisierung des BeispielsNachfolgend wird die Vernetzung von GM-BeraterIn-nen und Gender-TrainerInnen charakterisiert. ZuFunktion, Inhalt und Prozess dieses Netzwerks wirdjeweils ein Hintergrund beschrieben und eingeschätzt,welches Unterscheidungsmerkmal der Typologie (s.Kap. 2.2) zum Tragen kommt. Darauf folgen Inter-pretationen, wie Kompetenzentwicklung ermöglichtund Gleichstellungsorientierung berücksichtigt wer-den konnte.

3.2.1 Zur Funktion: Austausch nach innen undLobbying nach außenHintergrund zum Beispiel: Im Resonanzteam wurdeüberlegt, welche von den möglichen Aufgaben, die imVorfeld diskutiert wurden oder bei der Marktanalyseerhoben wurden (vgl. Buchinger und Gschwandtner2006), für die Vernetzung bedeutend und realisierbarsind. Aus den Rückmeldungen wurde ein Rankingvorgenommen, in dem Austausch und Vernetzungund in weiterer Folge Lobbying mit großer Priorität

eingestuft wurden. Mittlere Bedeutung hatten die Ver-anstaltung von Weiterbildungen und Informationen zuexternen Veranstaltungen. Als zur Zeit am wenigstenbedeutend oder realistisch wurde eine formale Be-rufsvertretung und eine gemeinsame Erarbeitung vonAusbildungskonzepten gesehen.

� Einschätzung laut Typologie: Da beim Netzwerkvorerst Wissensaustausch und Qualitätsentwick-lung nach „innen“, das heißt innerhalb des mitwir-kenden BeraterInnenkreises, vorgesehen ist, han-delt es sich um ein exploitatives Netzwerk. Vorhan-denes Wissen soll ausgetauscht und Angebotesowie Kompetenzen, die die NetzwerkpartnerInnenmitbringen, sollen zur besseren Vergleichbarkeiteinheitlich beschrieben werden.

� Zur Kompetenzentwicklung: Regelmäßige Treffenund weitere Kommunikationsformen innerhalb desNetzwerk bieten eine gute Möglichkeit, sich unter-einander auszutauschen und voneinander zu ler-nen. Diese sozialen Räume sind zur Kompetenz-entwicklung äußerst wichtig (vgl. Schmidt 2005).Einer vergleichenden Frage „Wie arbeiten die ande-ren?“ mag eine selbstreflexive folgen: „Wie weit binich? Welche Kompetenzen sollte ich weiter ent-wickeln, damit ich in jenem Bereich anbieten odermeine Beratungsqualität verbessern kann?“ Ein exploitatives Netzwerk hat stets auch explorati-ve Komponenten (und umgekehrt; vgl. Sydow etal., 2003), was Voraussetzung dafür ist, dass essich nicht „leer läuft“. Auch in diesem Beispiel wirdKompetenzentwicklung vorerst nicht explizit ange-strebt, jedoch in der Zusammenarbeit „nebenbei“neues Wissen generiert. Neue Wissensquellenkönnten zukünftig gezielt mit gemeinsam veranstal-teten Workshops oder Vortragsreihen genutzt wer-den.

� Zur Gleichstellung: Gleichstellung von Frauen undMännern kann sowohl als eigenes Ziel vereinbartals auch als Querschnitt in allen anderen Zielen be-rücksichtigt werden. In einem exploitativen Netz-werk ist insbesondere auf eine gleichstellungsorien-tierte Bewertung und Berücksichtigung von einge-brachtem Wissen zu achten. So können für dieAufgabe „Austausch und Vernetzung“ folgendeFragen formuliert werden: Welches Wissen wird inder Vernetzung ausgetauscht? Wie wird das Wis-sen unterschiedlicher Personengruppen, z.B. vonGender-TrainerInnen und GM-BeraterInnen, be-

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rücksichtigt? Welche Zusammenhänge bestehendabei zum Geschlechterverhältnis in diesen Grup-pen?

3.2.2 Zum Prozess des Netzwerk-Aufbaus: vomEQUAL-Projekt in die EigenständigkeitHintergrund zum Beispiel: Mit dem EQUAL-Projektwurde der Rahmen für den Aufbau der Vernetzungvorgegeben. Die modulleitende Organisation initiierte„von außen“ die ersten Treffen (vgl. Kap. 3.1) und botden mitwirkenden BeraterInnen an, bis zum Ende derProjektlaufzeit als Knotenpunkt für die Vernetzung zufungieren. Im ersten Workshop des BeraterInnen-diskurses wurde sehr intensiv diskutiert, welche Rah-menbedingungen durch das EQUAL-Projekt für dieArbeit innerhalb der BeraterInnengruppe vorgegebensind. Diese Frage wurde geklärt und in einem Partne-rInnenschaftsvertrag verschriftlicht. Einige Monate vorProjektende fanden die ersten Treffen der BeraterIn-nen ohne VertreterInnen des Moduls statt, bei denendie nächsten Schritte besprochen wurden.

� Einschätzung laut Typologie: Bei der Initiierung desNetzwerks war eine klare Steuerung über dasEQUAL-Modul vorhanden. Das Modul fungierteauch als zentrale Stelle während der ersten Diskus-sionen im Resonanzteam. Insofern können die an-fänglichen Rahmenbedingungen hierarchisch (imSinne der Typologie von Sydow et al. 2003) ge-nannt werden. Geplant war, dass in weiterer Folgedie Steuerung von den mitwirkenden BeraterInnenselbst getragen werden sollte. Von der Idee derWeiterführung ist das Netzwerk daher heterar-chisch, diese Steuerungsform wurde bei den ers-ten selbstständigen Treffen bereits verwirklicht.

� Zur Kompetenzentwicklung: Laut Sydow et al.(2003) lässt sich vermuten, dass ein heterarchi-sches Netzwerk die Selbstbindung der PartnerIn-nen erhöht und mehr Identifikationsmöglichkeitenbietet. Weiters ist mit einer tendenziell größerenVielfalt der zu entwickelnden Kompetenzen zurechnen. Hierarchischen Netzwerken hingegenwird die Kapazität zugesprochen, Komplexitätreduzieren zu können.Die vorgegebenen EQUAL-Strukturen schufen zuBeginn des Projekts einen Rahmen, innerhalb des-sen die BeraterInnen ausführlich zum Thema Kom-petenzen arbeiten konnten. Allerdings war aucheine Erhöhung der Komplexität die Folge, weil die

Einbettung in die EQUAL-Entwicklungspartner-schaft, die selbst ein sehr komplexes Koopera-tionsnetzwerk darstellt, häufig unter den BeraterIn-nen diskutiert wurde. Der Schritt in die Eigenstän-digkeit des Netzwerks könnte nun dazu führen, dieVielfältigkeit von Wissen und die Identifikation mitmöglicherweise neu entwickelten Kompetenzen zuerhöhen.

� Zur Gleichstellung: Wesentlich im Bezug auf dasGeschlechterverhältnis unter NetzwerkpartnerIn-nen war der Prozess des Ausverhandelns: Werwirkt wie in welcher Rolle mit? Wie ist die Steue-rung für das Netzwerk angedacht? Welche ausge-sprochenen und unausgesprochenen Pläne habeneinzelne Organisationen und Personen für dasNetzwerk? Dies offen zu besprechen und in einemPartnerInnenschaftsvertrag zu verschriftlichen, warein wichtiger Schritt auf dem Weg in die Eigenstän-digkeit der Vernetzung. Den Sprung von einer Außen-Initiierung über einengeeigneten Struktur-Aufbau zu einer tragfähigenWeiterführung des Netzwerks zu schaffen war füralle Beteiligten eine große Herausforderung. Im Un-terschied zu anderen Netzwerken, wo die Initiativeeventuell „von den AkteurInnen“ selbst kommt,wurde dieses Netzwerk von einer Entwicklungs-partnerschaft im Rahmen eines Projekts initiiert.Hier war es wichtig, dass sich die Modulver-treterinnen nach Abschluss des letzten Workshopsdes BeraterInnendiskurses zurück zogen unddamit signalisierten, dass das Weiter bestehen derVernetzung von den mitwirkenden BeraterInnenabhing. Die Herausforderung lag insgesamt darin,die Rollen klar zu trennen, da auch innerhalb desProjektteams BeraterInnen operativ tätig waren.

3.2.3 Zu Inhalt und Struktur: ein stabiles, sich öff-nendes NetzwerkHintergrund zum Beispiel: Vom Modul wurde zu Be-ginn des Projekts nach transparent gemachten Kri-terien eine Auswahl für im BeraterInnendiskurs mitwir-kenden BeraterInnen getroffen. Es wurde nach Exper-tise und Tätigkeitsbereich, nach Größe der Organisa-tion und nach der regionalen Verteilung ausgewählt.„Geschlecht“ war kein definiertes Auswahlkriterium,jedoch wurde darauf geachtet, dass das Zahlenver-hältnis von mitwirkenden Frauen zu Männern unge-fähr dem entsprach, wie bei der Akquise rückgemel-det wurde.

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Die Frage nach dem „Ausschluss“ anderer interessier-ter BeraterInnen wurde im BeraterInnendiskurs starkdiskutiert. Geplant wurde, dass eine Öffnung für wei-tere BeraterInnen stattfinden sollte, nachdem in einemengeren Kreis inhaltliche und strukturelle Vorarbeit füreine Vernetzung geleistet worden war.Eine wichtige Unterscheidung zwischen den Teilneh-merInnen im BeraterInnendiskurs war, dass ExpertIn-nen sowohl als Einzelpersonen (Ein-Personen-Unter-nehmen) sowie als VertreterInnen von Organisationenoder Unternehmen (z.B. NGOs oder Beratungsfirmen)mitwirken konnten.

� Einschätzung laut Typologie: Die Vernetzung vonGM-BeraterInnen und Gender-TrainerInnen ist alsNetzwerk zwischen BeraterInnen und TrainerInnenunterschiedlicher Organisationen und Organisa-tionsformen angelegt. Es zielt auf eine langfristigeund kontinuierliche Zusammenarbeit unter den Mit-wirkenden ab. Nach einer anzunehmenden Öff-nung des BeraterInnenkreises wird die Anzahl derNetzwerkpartnerInnen gleich bleiben oder leichtzunehmen. Das Netzwerk ist im Sinne der Typolo-gie daher als stabil zu bezeichnen.

� Zur Kompetenzentwicklung: In einem stabilenNetzwerk ist anzunehmen, dass gemeinsamesInteresse an der Weiterentwicklung von Kompe-tenzen besteht und bewusst Ressourcen zu die-sem Zweck bereit gestellt werden (vgl. Sydow et al.2003, S. 92). Wie personenbezogen werden Kompetenzen be-stimmt und entwickelt? Die Unterscheidung zwi-schen Personen- und Organisationsebene warnicht leicht zu treffen und bedingte bei der Akquiseund beim PartnerInnenschaftsvertrag häufig dieFragestellung: ist die Person/die Expertin oder derExperte mitwirkend im BeraterInnendiskurs oderdie Organisation an sich? Als Lösung wurde ein„sowohl – als auch“ praktiziert (s.o.).

� Zur Gleichstellung8: Die Frage nach Einschluss undnach einem möglichem Ausschluss von BeraterIn-nen aus dem Netzwerk berührte in den Diskussio-nen im BeraterInnendiskurs häufig das ThemaGleichstellung: Wer bringt welche Expertise mit, umGM-BeraterInnen vertreten und die Vernetzung

weiterführen zu können? Wer entscheidet überAuswahlkriterien und wie transparent werden Ent-scheidungen getroffen?

�Kooperation und Konkurrenz unter Netzwerkpart-nerInnen waren ein wichtiges Thema: Dies wurdez.B. deutlich, als die unterschiedlichen Rahmenbe-dingungen verglichen wurden, innerhalb dererBeraterInnen aus NGOs und Beratungsfirmen tätigsind.

Werden die Charakteristika zu Funktion, Prozess undInhalt zusammengefasst, ergibt sich die vorläufigeEinschätzung, dass es sich bei der Vernetzung vonGM-BeraterInnen und Gender-TrainerInnen um einexploitatives, heterarchisches und stabiles Netzwerkhandelt. Das heißt es geht darum, sich nach innenauszutauschen und an Qualitätsentwicklung zu arbei-ten (exploitativ), gemeinsam geeignete Entschei-dungsstrukturen zu entwickeln (heterarchisch) undvon den PartnerInnen her offen aber stabil zu werdenund langfristig zu kooperieren (stabil).

3.3 Bestehende Netzwerke als UmfeldZu Beginn der Modulaktivitäten im Sommer 2005wurde nach bestehenden Netzwerken im BereichGender Mainstreaming und Beratung gesucht, wobeider Schwerpunkt auf Berufsverbände von GM-BeraterInnen und Gender-TrainerInnen im deutsch-sprachigen Raum gelegt wurde.

Als Vergleichssysteme wurden folgende bestehendeNetzwerke herangezogen:

� Netzwerke von AkteurInnen im Bereich GenderMainstreaming in ausgewählten EU-Ländern

� teilweise damit verbunden: ExpertInnenlisten fürGender Mainstreaming

� Berufsverbände von BeraterInnen und TrainerInnen� berufsbezogene geschlechterspezifische Netzwer-

ke

Die Recherche ergab, dass es in Österreich bisherkeine Vernetzung oder Vereinigung von GM-Berate-rInnen und Gender-TrainerInnen gibt. Für viele „Her-kunftsdisziplinen“ von BeraterInnen im Bereich Gen-

8 Ein Aspekt zur Gleichstellung der Regionen: Die Workshops desBeraterInnendiskurses „reisten“ durch die Bundesländer Wien,

OÖ, Salzburg und Steiermark, wodurch die Idee einer österreich-weiten Vernetzung zum Ausdruck kommen und einer

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der Mainstreaming wie Unternehmensberatung oderCoaching bestehen Berufsverbände, die sehr unter-schiedliche Aufgaben, Mitgliedsbestimmungen undNutzensgenerierung haben. Hier könnten Vorbilder fürneue Vernetzungen hinsichtlich Ziele, Aufgaben undStrukturen benannt werden. Die Ergebnisse dieserInternet-Recherche werden exemplarisch wieder ge-geben, mit dem Ziel, das neu entstehende Netzwerkinnerhalb seines Umfelds zu verorten und zu verglei-chen.

3.3.1 Netzwerke von GM-BeraterInnen und Gender-TrainerInnenZur Situation in Österreich und ein Blick zu Nachba-rInnen:In Österreich besteht bisher noch keine Vernetzungs-struktur von GM-BeraterInnen und Gender-TrainerIn-nen. In Deutschland gibt es mehrere AnbieterInnen-gruppen und Initiativen, ein Netzwerk von Anbiete-rInnen befindet sich in der Gründungsphase. ÜberEQUAL wurden viele nationale und transnationaleKooperationen ins Leben gerufen: Zum Beispiel wur-den bei „Pro(e)quality“ – einer Zusammenarbeit zwi-schen EQUAL-Entwicklungspartnerschaften ausPolen, Portugal, Slowakei, Österreich undDeutschland – gemeinsam Qualitätskriterien zuGender-Training formuliert (vgl. Pro(e)quality 2007).Auf EU-Ebene wurden bisher keine übergreifendenNetzwerke von GM-BeraterInnen und GenderTrainerInnen installiert.

Gemeinsam ist diesen Netzwerken, dass sie sich derEntwicklung von Qualitätskriterien und Professionali-sierung von AnbieterInnen im Bereich Gender Main-streaming widmen. Sie arbeiten zu den Fragen, wel-che Kompetenzen GM-BeraterInnen und Gender-TrainerInnen benötigen und was gutes und exzellen-tes Training und Beratung für Gender Mainstreamingausmacht.

Beispiel Netzwerk Gender TrainingDas Netzwerk Gender Training9 ist ein Zusammen-schluss deutscher Gender-Trainerinnen mit einer be-grenzten Anzahl von neun Trainerinnen (Stand 2007),die als qualitätsgesicherte AnbieterInnengruppe auf-

treten. Das Netzwerk entstand 1997 im Rahmeneines Frauenforums von NGOs und Wissenschaft,seine Wurzeln liegen in der feministischen Forschungund internationalen Frauenbewegungen. DieTrainerinnen des Netzwerks tauschen sich regelmäßigüber Inhalte und Methoden von Gender-Trainings ausund führen theoretische Diskurse über aktuelleEntwicklungen in der Frauen- und Geschlech-terforschung. Sie sind auch Herausgeberinnen einesHandbuchs zu Gender-Training (vgl. NetzwerkGender-Training, 2004).

� Einschätzung laut Typologie: Nach den Einschät-zungen, die sich aus den Informationen der Web-site ergeben, handelt sich um ein exploitatives-heterarchisch-stabiles Netzwerk. Das heißt, derAustausch unter den Trainerinnen ist auf Vertiefungbestehenden Wissens ausgerichtet, die Entschei-dungsstrukturen sind flach und die Zusammenar-beit unter den gleich bleibenden Partnerinnen istextrem stabil.

� Vergleich zum Beispiel Vernetzung von GM-BeraterInnen und Gender-TrainerInnen in Öster-reich: Aufgrund der begrenzten Anzahl vonTrainerinnen ist das deutsche Netzwerk GenderTraining von den PartnerInnen her stabiler als dasösterreichische, das vermutlich noch wachsenwird. Die Entstehungsgeschichte lässt annehmen,dass von Beginn an flache Entscheidungs-strukturen innerhalb des deutschen Netzwerksaufgebaut wurden und keine Initiierung durch einProjekt gegeben war. Durch das nunmehr 10Jahre lange Bestehen wurde der Schritt vomAustausch nach innen zu Repräsentanz undVermittlung nach außen beschritten – unter ande-rem mit der Herausgabe von Fachliteratur, wasbeim österreichischen Netzwerk (noch) keinThema ist.

3.3.2 Verbände und Netzwerke von BeraterInnenund TrainerInnenBerufsverbände und Netzwerke für Beratung, Trainingund Coaching können als Vergleichssysteme für dieVernetzung von GM-BeraterInnen und Gender-Trai-nerInnen dienen. Obwohl der Bereich Gender Main-

Benachteiligung aufgrund regionaler Herkunft entgegen gewirktwerden soll.

9 vgl. www.gender-training.de

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streaming als ein Marktsegment unter anderenBeratungsbereichen gesehen werden kann, sind indiesem relativ jungen Bereich Besonderheiten desMarkts wie Heterogenität und unterschiedlicheHerkunftsdisziplinen der AnbieterInnen (vgl. Buchingerund Gschwandtner 2006) zu berücksichtigen.

Gemeinsamkeiten der Verbände und Netzwerke vonBeraterInnen und TrainerInnen: Meist werden Quali-tätsstandards in Form von Leistungsbildern oder Leit-bildern definiert und der Berufsstand wird nach außenhin vertreten.

Beispiel Fachverband Unternehmensberatung undInformationstechnologie10

Dieser Fachverband der Wirtschaftskammer Öster-reich ist die Interessenvertretung von DienstleisterIn-nen im Bereich Informationstechnologie und Telekom-munikation, UnternehmensberaterInnen und Gewerb-lichen BuchhalterInnen innerhalb der BundessparteInformation und Consulting11. Innerhalb des Fachver-bands bestehen Fach- und Berufsgruppen.

Das vom Fachverband heraus gegebene Berufsbildfür UnternehmensberaterInnen (vgl. Harl 2004) gibtAuskunft über den Umfang der Berufsberechtigung.Es bietet AnbieterInnen einen Überblick über die be-rufsrechtlichen Möglichkeiten und den KundInnen ei-ne Orientierung darüber, welche Dienstleistungen siein Anspruch nehmen können. Das Berufsbild wirdvom Fachverband in regelmäßigen Abständen inhalt-lich überprüft und – soweit erforderlich – auf den je-weils aktuellen „Stand der Technik“ gebracht. DieseDarstellung von Kernkompetenzen und Tätigkeitsfel-dern entspricht dem Normenwesen auf technisch-wirtschaftlichem Gebiet. Der Fachverband stellt auchStandesregeln und Berufsgrundsätze auf und gibt ei-nen Kollektivvertrag heraus. Innerhalb des Fachver-bands bestehen ein Berufsgruppenausschuss undverschiedene Expert Groups, die österreichweit tätigsind.

� Einschätzung nach Typologie: Es handelt sich umein exploitatives-hierarchisches-stabiles Netzwerk.Der dominante Zweck des Netzwerks ist die Stan-

dardisierung von Tätigkeiten und Kompetenzen so-wie eine Vertretung nach außen. Die Entschei-dungsstrukturen sind hierarchisch in dem Sinn,dass die Steuerung von einem klaren, fix bleiben-den Punkt ausgeht. Die Anzahl der PartnerInnen iststabil und – da es sich um eine Pflichtmitgliedschafthandelt – abhängig von der tatsächlichen Anzahlvon UnternehmensberaterInnen.

� Vergleich zum Beispiel Vernetzung von GM-Bera-terInnen und Gender-TrainerInnen: Die Interessens-vertretung UnternehmensberaterInnen hat ein kla-res Leistungsbild entwickelt, wodurch sie sich ge-genüber anderen Branchen abgrenzt. Dieses Leis-tungsbild ist im Bereich Gender Mainstreamingschwieriger zu setzen, da es sich bei GM-Bera-tungen häufig um Querschnittsaufgaben zwischenmehreren Disziplinen handelt. Trotzdem sollte einderartiges Leitbild als Voraussetzung für eine Inte-ressensvertretung gesehen werden. Die Erstellungder Qualitätsstandards erfolgt in der neuen Ver-netzung durch die mitwirkenden GM-BeraterInnenund Gender-TrainerInnen und nicht durch eineübergeordnete Stelle.

4. Gleichstellungsorientierung imAufbau von berufsbezogenenNetzwerken

Aus den Erfahrungen des Beispiels der Vernetzungs-struktur von GM-BeraterInnen und Gender-TrainerIn-nen wird in diesem Kapitel abgeleitet, was Gleich-stellungsorientierung beim Aufbau und Bestehen vonNetzwerken zwischen Personen und Organisationenbedeuten kann. Es wird davon ausgegangen, dassNetzwerke gute Möglichkeiten bieten, Gleichstellungals Ziel zu verfolgen, in den Prozess einzubringen undals Inhalt zu verankern. Gender Mainstreaming zu be-rücksichtigen heißt, dass alle Arbeitsschritte und dieZusammenarbeit gleichstellungsorientiert erfolgenund darauf überprüft werden. Gender Mainstreamingwird als Querschnitt in Funktion, Prozess und Struk-turen eingebracht.

10 vgl. www.ubit.at11 Mitgliederstatistik der UnternehmensberaterInnen per 31.03.2007:

gesamt 12.102 (davon 9.645 aktiv und 2.457 ruhend) (Quelle: www.ubit.at)

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Zuerst werden Augenmerke benannt, wie Netzwerkegleichstellungsorientiert aufgebaut und weiter geführtwerden können. Abschließend wird überlegt, welcheempirischen Forschungen die Umsetzung von GenderMainstreaming beim Aufbau von Vernetzungen unter-stützen würden.

4.1 Anknüpfungspunkte für einen gleichstel-lungsorientierten Aufbau von NetzwerkenWelche Möglichkeiten des Abbaus von unsymmetri-schen Geschlechterverhältnissen bestehen in Netz-werken und welche Perspektiven ergeben sich darausfür den Aufbau und die Funktionsfähigkeit einergleichstellungsorientierten Vernetzung? Dieser Frage-stellung soll anhand von Anknüpfungspunkten nach-gegangen werden, wobei der Aufbau den Analysekri-terien Funktion, Prozess und Inhalt der in Kap. 2beschriebenen Typologie (Sydow et al., 2003) folgt.

4.1.1 Zur Funktion: Gleichstellung in Aufgaben undZielen des Netzwerks

klare Aufgaben und Ziele des NetzwerksThema, Aufgaben und Ziele des Netzwerkes solltennach innen und außen klar und nachvollziehbar sein.Nach innen dienen klare Ziele der Identitätsstiftungunter den PartnerInnen, nach außen dem Lobbyingund der Öffentlichkeitsarbeit: z.B. über die Sichtbar-machung von Leistungen und Potentiale der Berate-rInnen. Gleichstellung von Frauen und Männern sollteals wesentliches Ziel ausgewiesen und Maßnahmenzur Zielerreichung näher konkretisiert werden. Weiterssollten die anderen Ziele und Aufgaben auf ihreAuswirkungen und Potentiale im Hinblick auf Gleich-stellungsorientierung überprüft werden.

Die Ziele sollten zu Beginn – solange die Verhandlun-gen unter den NetzwerkpartnerInnen noch in Bewe-gung sind – vereinbart werden und in ein Leitbild odereine derartige schriftliche Vereinbarung einfließen. Inweiterer Folge sollten sie kontinuierlich überprüft undbei Bedarf angepasst werden.

klarer Nutzen des Netzwerks für PartnerInnenNetzwerkpartnerInnen sollten aus der Arbeit im

Netzwerk einen Nutzen für sich erkennen. Diese Ar-beit folgt dem Prinzip des Gebens und Nehmens,wobei alle vom Erfahrungsschatz aller profitierenkönnen. Nutzen und Nutzensargumente werdenunter den NetzwerkpartnerInnen verhandelt undregelmäßig auf Erfolg der Nutzensgenerierung über-prüft.

Möglicher Nutzen eines berufsbezogenen Netzwerks(vgl. Messner und Gruber 2005):

� Zuwachs beruflichen Fachwissens und Informa-tionszugang

� Privater und beruflicher Kontaktzuwachs� Erweiterung individueller und gesellschaftspoliti-

scher Handlungskompetenz� Verwirklichung von Werten� Vorantreiben von Geschlechter-Theorien und der

Strategie Gender Mainstreaming

Der Nutzen, den Gleichstellungsorientierung für dasNetzwerk und die einzelnen PartnerInnen mit sichbringt, sollte vorab definiert und kontinuierlich reflek-tiert werden.

Exploitative Netzwerke mit ihren Kompetenzbezügennach innen sollten die Unterschiedlichkeit ihrer Mit-wirkenden beachten und möglichst gut für internenWissenstransfer nutzen. In explorativen Netzwerkenhingegen ist besonderes Augenmerk auf Gleichstel-lung bei der Generierung von neuem Wissen zulegen.

4.1.2 Zum Prozess: transparente Einbeziehung derAkteurInnen

klare Bedingungen für PartnerInnen desNetzwerksBerufsbezogene Netzwerke charakterisieren sichdurch einen Zugang für PartnerInnen, der prinzipielloffen ist aber auch bestimmten Einschränkungen wiez.B. der Ausübung einer bestimmten Tätigkeit unter-liegt. Zugangsbedingungen müssen verhandelt wer-den (wer will und kann dabei sein?) und in weitererFolge transparent für weitere interessierte PartnerIn-

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nen gehalten werden. Gleichstellungsorientierung inAnsprache, Rekruiting und Zusammenarbeit der Ak-teurInnen verlangt transparente Verhandlung undAbsprache von Entscheidungsmechanismen.

Je weniger transparent Entscheidungen in Organisa-tionen getroffen werden, umso höher ist die Wahr-scheinlichkeit, dass sie Geschlechterungleichheit ver-stärken. Schwächer ausgeprägte Formalisierung (wiebei Personalentscheidungen) als auch erhöhte Wahl-möglichkeiten von Interaktionsbeziehungen in Netz-werken können denselben Effekt mit sich bringen (vgl.Scheidegger und Osterloh, S. 218ff.). Zum Beispielbringen informale Interaktionsregeln für Frauen nega-tive Konsequenzen für den Aufstieg in Organisationenmit sich. Weiters wird ein Zusammenhang zwischensozialen Netzwerken in Unternehmen mit ungerech-ten Geschlechterverhältnissen, wie der gläsernenDecke für Frauen, vermutet (vgl. Scheidegger undOsterloh12 2004, S. 201).

Die Netzwerkperspektive hingegen bietet eine Offen-legung informaler Prozesse und verborgener Struk-turen. Gerade heterarchische Netzwerke benötigenwegen ihrer flachen Entscheidungs- und Führungs-strukturen besondere Transparenz und genügendRaum für Verhandlung und Reflexion innerhalb ihrerPartnerInnen. Dabei kann mit einer hohen Identifika-tion mit den vereinbarten Gleichstellungszielen ge-rechnet werden (ähnlich der Identifikation mit Ergeb-nissen der Kompetenzentwicklung laut Sydow et al.2003). Bei hierarchischen Netzwerken könnte dieVermutung nahe liegen, dass sich Gender Mainstrea-ming im Sinne einer Top-Down-Strategie relativ zügigumsetzen lässt. Dabei ist zu beachten, dass die mo-nozentrische Steuerung zwar den Prozess zur For-mulierung von Zielen und Maßnahmen zur Gleich-stellung, nicht aber die Inhalte vorgibt. Eine gleich-stellungsorientierte Zusammenarbeit aller Netzwerk-partnerInnen erfordert in heterarchischen Netzwer-ken zwar mehr Verhandlungen als in hierarchischen,wird aber aus diesem Grund langfristig erfolgreichersein.

4.1.3 Zu Inhalt und Struktur: klare Aufgabenverteilung

klare AufgabenverteilungDie Aufgaben des Netzwerks sollten klar bestimmtsein, sich aber verändernden Ressourcen und Zielenanpassen. Die Zuständigkeit über die Aufgaben istdabei wesentlich. Die Treffen sollten strukturiert undeffizient sein, so dass zum Beispiel einzelne PartnerIn-nen Treffen inhaltlich vorbereiten und dann Diskussionund Einigungsprozess darüber im Netzwerk erfolgenkönnen. Bei der Aufgabenverteilung ist darauf zu ach-ten, dass die Mitwirkenden entsprechend ihrerRessourcen und ihres Engagements Arbeit leistenund dabei keine ungleichen (Geschlechter-)Verhältnisse aufgebaut werden. Auch bei derEinbeziehung neuer PartnerInnen sollte größtmögli-che Transparenz gezeigt werden, wobei es sinnvoll ist,die Kriterien zur Aufnahme und Mitwirkung vorhergemeinsam zu verhandeln.

kontinuierlicher KnotenpunktFür berufsbezogene Netzwerke dienlich ist ein Kno-tenpunkt, der kontinuierlich steuert. Dieser sollte prä-sent und zuverlässig sein und z.B. Einladungen undInformationen regelmäßig aussenden, Protokolleschreiben und versenden, über eine fixe Email-Adres-se internen und externen Personen direkt oder perMail antworten und kommunizieren. Der Knotenpunktsollte nicht in Konkurrenz zu anderen PartnerInnennstehen, sondern eine neutrale, vermittelnde Haltungeinnehmen.

Im Hinblick auf ressourcenschonende Planung undAufgabenverteilung kann dieser Knotenpunkt sowieandere Aufgaben nacheinander bzw. reihum vonunterschiedlichen Organisationen wahrgenommenwerden. Gerade in stabilen Netzwerken ist auf daslangfristige und ressourcenschonende Funktionierendes Netzwerks große Aufmerksamkeit zu legen.

4.2 Weiterführende ÜberlegungenDie in diesem Beitrag vorgestellte und adaptierte Ty-pologie von Sydow et al. (2003) schafft analog zur

12 Z.B. spielen für den Prozess der Karriereentwicklung in Organisa-tionen informale Netzwerke und Netzwerkbeziehungen am Ar-beitsplatz eine zentrale Rolle (vgl. Scheidegger und Osterloh,2004, S. 204).

13 vgl. Definition des Europarats 199814 vgl. dazu insbesondere Scheidegger und Osterloh 2004, S. 201.

Zum Begriff „soziale Netzwerke“ siehe oben (Kap. 2).

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Strategie Gender Mainstreaming, die auf allen Ebe-nen, in allen Prozessen und Strukturen einer Organi-sation einzuführen ist13, eine strukturierte Möglichkeit,Gleichstellungsorientierung in Aufgaben, Prozessenund Strukturen von Netzwerken zu analysieren. In die-sem Beitrag wurden erste Hinweise gegeben, wie dieTypologie im Bereich Gender Mainstreaming für denAufbau von und die Arbeit in Netzwerken produktiveingesetzt werden kann. Als Anschauungsbeispieldiente die Charakterisierung des bisherigen Aufbau-prozesses der Vernetzung von GM-BeraterInnen undGender-TrainerInnen. Anregungen für einen gleichstel-lungsorientierten Aufbau und Steuerung von Netzwer-ken konnten auf Basis dieses Beispiels gegeben wer-den.

Der Beitrag versteht sich über die Reflexion derArbeit in Netzwerken im Bereich Gender Mainstrea-ming hinaus als praxisnaher Einstieg in das weite For-schungsfeld der Geschlechtergleichstellung inNetzwerken. Die Erforschung von Gender-Aspektenin sozialen Netzwerken ist sehr bedeutend14, da Zu-sammenhänge zwischen der Partizipation in Netz-werken und ungleichen Geschlechterverhältnissen inOrganisationen vermutet werden. Diese Vermutung

gilt ebenso für berufsbezogene Netzwerke, die derKompetenzentwicklung und Wettbewerbsfähigkeitdienen. Auch hier ist in der Umsetzung und For-schung verstärktes Augenmerk auf Gleichstellungs-orientierung zu legen, damit alle Mitwirkenden diePotentiale von Netzwerken gleichermaßen nutzenkönnen. Für weiterführende empirische Forschungensteht beispielsweise die Klärung folgender Fragestel-lungen noch aus:

� Welche Möglichkeiten bestehen in Netzwerkenunsymmetrische Geschlechterverhältnisse abzu-bauen? Was sollte im Aufbauprozess und in derWeiterführung von Netzwerken besonders beach-tet werden, um symmetrische Geschlechterverhält-nisse zu ermöglichen?

� Welche Netzwerke und Netzwerktypen sind fürMaßnahmen zur Gleichstellung besonders gut ge-eignet? Unter welchen Voraussetzungen sind zumBeispiel berufsbezogene Netzwerke gleichstel-lungsorientierter als Vereine oder Unternehmen?

� Wie werden Geschlechterverhältnisse in Netzwerk-theorien benannt bzw. diskutiert? Wie könnte eineNetzwerktypologie15 im Hinblick auf Gleich-stellungsorientierung aussehen?

15 vgl. Typologie zum Thema Kompetenzentwicklung, Sydow et al.2003.

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Harl, Alfred (2004): Berufsbild des Unternehmens-beraters. Hrsg.: Fachverband Unternehmensberatungund Informationstechnologie der WirtschaftskammerÖsterreich. Download unter http://www.ubit.at

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Messner, Brigitte; Gruber, Sabine (2005): Frauen-Netzwerke im beruflichen Bereich. Recherche undStrukturdatenerhebung des Netzwerks österreichi-

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Miles, Raymond E.; Snow, Charles C. (1992): Cau-ses of failure in network organizations. In: CaliforniaManagement Review 34/1992. S. 53-72.

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Weber, Max (1921/1980). Wirtschaft und Gesell-schaft: Grundriss der verstehenden Soziologie. 5. Auf-lage. Verlag Mohr Siebeck: Tübingen.

Elektronische Quellen:www.gender-netzwerk.de, Zugriff am 2.8.2005 und5.5.2007www.ubit.at, Zugriff am 2.8.2005 und 5.5.2007

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Günter Essl

promovierter Berufs- und Betriebspädagoge mitden Schwerpunkten Kompetenz-/Wissensma-nagement und Organisationskultur; Forschungs-expertisen (u.a. Marie-Curie-Fellowship als postdoc) im Bereich geschäftsprozessorientierte Kom-petenzentwicklung – Lernkultur – Diskursanalyse;seit 2005 im Rahmen der Equal-Entwicklungs-partnerschaft „Qualitätsentwicklung Gender Main-streaming“ empirische Diskursanalyse zum Kom-petenzaufbau für Gender Mainstreaming in einerGroßorganisation

www.essl-consulting.com

Renate Fuxjäger

Landschaftsplanerin und Organisationsberaterin,seit 2002 Modulleiterin beim abz*austria inEQUAL-Entwicklungspartnerschaften im BereichGender Mainstreaming, Univ.-Lektorin an der Uni-versität für Bodenkultur Wien. Arbeitsschwer-punkte: Gender Mainstreaming in Organisationenund (Planungs-)Prozessen, Gemeindeplanung,Regionalentwicklung.

www.abzaustria.at

Kurzportraits der AutorInnen

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AK-Wienhttp://wien.arbeiterkammer.at/

AMS Steiermark http://www.ams.or.at

Amt der Kärntner Landesregierung,Referat für Frauen und Gleichbe-handlungsangelegenheitenwww.frauen.ktn.gv.at

Amt der VorarlbergerLandesregierung, Frauenreferat www.vorarlberg.at

Arbeitsgemeinschaft fürEntwicklungshilfe e.V (Deutschland)http://www.ageh.de/

BMWA-Arbeitsinspektion www.arbeitsinspektion.gv.at

Bundesjugendvertretunghttp://www.jugendvertretung.at/

Bundeskanzleramt, Sektion Sporthttp://www.sport.austria.gv.at/

Bundesministerium für Unterricht,Kunst und Kultur http://www.bmukk.gv.at/

Bundessozialamt Österreich und dieLandesstellen Wien und Steiermarkhttp://www.basb.bmsg.gv.at

Büro für Frauenfragen &Chancengleichheit; Land Salzburgwww.salzburg.gv.at/frauenCaritas Wienhttp://www.caritas-wien.at

Diakonisches Werk der Evang. KircheDeutschland, Stuttgarthttp://www.diakonie.de

Donauuniversität Krems, Inter-nationales Journalismus Zentrumhttp://www.donau-uni.ac.at

Equal Büro Österreichwww.equal-esf.at

Evaluierung und Qualitätsmana-gement (EQM) Misereor http://www.misereor.de/

Evangelischer Entwicklungsdienst http://www.eed.de/

FH Campus Wienhttp://www.fh-campuswien.ac.at/

FH Joanneum GesmbH, Grazhttp://www.fh-joanneum.at

FH - Fachhochschule St. Pöltenhttp://www.fh-stpoelten.ac.at/

GeM-Koordinationsstelle für GenderMainstreaming im ESF, L&RSozialforschungwww.gem.or.at/

GPA - Gewerkschaft derPrivatangestelltenhttp://www.gpa-djp.at

IMAG- interministerielle ArbeitsgruppeGender Mainstreaminghttp://www.imag-gendermainstrea-ming.at/

Institut für Landschaftsplanung,Department Raum, Landschaft undInfrastruktur an der BOKU Universitätfür Bodenkultur Wienhttp://www.rali.boku.ac.at/130.html

Institut für Soziologie - Universität Wienhttp://www.soz.univie.ac.at/

Kompetenzzentrum für GenderMainstreaming im LAD-Frauenbüro,Land Burgenlandhttp://www.burgenland.at/

Koordinationsstelle für Frauen-förderung und Gender Studies an der Donau-Universität Kremshttp://www.donau-uni.ac.at

Magistratsdirektion der Stadt Wien -Geschäftsbereich Organisationhttp://www.wien.gv.at/menschen/gendermainstreaming/

Muslimische Jugend Österreichshttp://www.mjoe.at/

Niederösterreichische Dorf- undStadterneuerunghttp://www.dorf-stadterneuerung.at/

ÖGB Chancen-Nutzen Bürohttp://www.oegb.at/

ÖGB Steiermarkhttp://www.oegb.at/

Ökosservice GmbH Grazhttp://www.oekoservice.at/

Pädagogische Akademie des Bundeshttp://www1.pabw.at/de/home

Stadt Wien, MA57 - Frauenabteilunghttp://www.wien.gv.at/ma57/

Telekom Austria http://www.telekom.at

Wirtschaftskammer Österreichhttp://portal.wko.at

Wohnungslosenhilfe der Caritashttp://www.caritas-wien.at

Weitere Plattform-PartnerInnen

Page 56: Qualitäts- entwicklung Gender Mainstreaming€¦ · Gefördert aus den Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Bundes-ministeriums für Wirtschaft und Arbeit im Rahmen der

Gesamtkoordination:

Projektmanagement:abz*austria - kompetent für frauen und wirtschaftwww.abzaustria.at

Evaluation:Institut für höhere Studienwww.ihs.ac.at

Finanzverantwortung:waff Programm Management GmbH www.waff.at

Inhaltliche Leitung:

[email protected]

ARCO – the art of consultingwww.arco-consulting.at

Operative PartnerInnen mit Modulverantwortung:

abz*austria - kompetent für frauen und wirtschaftwww.abzaustria.at(Modul 5, Aktion 3)

[email protected] (Modul 1)

ARCO – the art of consultingwww.arco-consulting.at(Modul 3)

PRISMA – Zentrum fürAusbildungsmanagementwww.prisma-zam.at(Modul 4)

SozialökonomischeForschungsstellewww.sfs-research.at (Modul 2)

Modulmitarbeitende PartnerInnen:

Atelier:UnternehmensberatungHutyra & Schermann OEGwww.ihratelier.at

ESSL CONSULTINGOrganisationskultur &Kompetenzmanagement KGwww.essl-consulting.com

frey Akademiewww.freyakademie.org

Institut für Höhere Studien www.ihs.ac.at

Nowa - Netzwerk fürBerufsausbildungwww.nowa.at

Solution – Sozialforschung &Entwicklung, Buchinger undGschwandtner OEGwww.solution.co.at

Wiener ArbeitnehmerInnenFörderungsfondswww.waff.at

Wirtschaftsuniversität WienAbteilung Gender and Diversity in Organisationshttp://www.wu-wien.ac.at/gender

Strategische PartnerInnen:

Amt der BurgenländischenLandesregierung Landesamtsdirektion, Frauenbürowww.burgenland.at

Arbeitsmarktservice Österreich,Bundesgeschäftsstelle http://www.ams.or.at

ArbeitsmarktserviceNiederösterreich,Landesgeschäfstellehttp://www.ams.or.at

Arbeitsmarktservice Wienhttp://www.ams.or.at

Bundesarbeiterkammerwww.arbeiterkammer.at

Bundesministerin für Frauen,Medien und Öffentlichen Diensthttp://www.frauen.bka.gv.at/

ÖsterreichischerGewerkschaftsbundwww.oegb.at

Beteiligte Organisationen der Entwicklungspartnerschaft

Gefördert aus den Mitteln des Europäischen Sozialfonds unddes Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit im Rahmender europäischen Gemeinschaftsinitiative EQUAL.

ISBN: 978-3-9502136-4-5