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Quarks & Co Evolution - Wie wir wurden, was wir sind Evolution ist die Veränderung der vererbbaren Merkmale einer Population von Lebewesen von Generation zu Generation – so weit das Lexikon. Charles Darwin war der erste, der diese fundamentalen Zusammenhänge zwischen den Lebewesen erforschte. Er ist der Begründer der modernen Evolutionsbiologie. Vor 150 Jahren erschien sein Hauptwerk „Die Entstehung der Arten“. Aber was genau bedeutet Evolution? Quarks & Co erklärt, wie wir wurden, was wir sind, und zeigt, warum der Mensch für viele Evolutions- biologen die Krone aller Irrtümer ist. Charles Darwin und die Entstehung der Arten 4Charles Darwin (Jahrgang 1809) stellte die Theorie auf, dass alle Lebewesen einen gemeinsamen Ursprung haben und die Arten nicht gottgegeben sind, sondern sich ständig verändern. Vor 150 Jahren war seine Evolutionstheorie noch umstritten. Heute ist sie grundlegend für das Verständnis der Entstehung und Entwicklung des Lebens auf der Erde. Quarks & Co stellt Darwin und seine revolutionäre Theorie vor. Die Schnecke, die von Sonnenlicht lebt 4Tiere müssen fressen, Pflanzen leben vom Sonnenlicht. So hält man grob Pflanzen und Tiere auseinander. Eine kleine Meeresschnecke unterläuft dieses Gesetz: Nachdem sie eine große Mahlzeit zu Beginn ihres Erwachsenenlebens verputzt hat, lebt diese Schnecke nur noch von Sonnenlicht. Amerikanische Forscher haben jetzt herausgefunden, wie sie das macht. Quarks & Co stellt die Meeresschnecke Elysia und ihre pflanzlichen Eigenschaften vor. „Fehlschläge“ der Evolution 4Evolution verläuft zufällig und richtungslos. Und Evolution ist alles andere perfekt! Es geht vielmehr darum, möglichst schadlos über Pleiten und Pannen hinwegzukommen, die sich im Laufe der Zeit eingeschlichen haben. Albatrosse sind begnadete Flieger, die sich bei der Landung oft die Glieder brechen. Elefanten verhungern, weil ihnen die Zähne zu früh ausfal- len. Und der Mensch? Er ist für viele Evolutionsbiologen sogar die Krone aller Irrtümer. Quarks & Co geht einigen evolutionären Fehlleistungen auf den Grund. Epigenetik – Der Code hinter dem Code 4In der Evolutionstheorie galt bisher: Erworbene Eigenschaften lassen sich nicht vererben. Unsere Lebensweise beeinflusst zwar unser eigenes Leben, aber nicht das unserer Nachfahren. Doch stimmt dieser Grundsatz wirk- lich? Quarks & Co stellt ein neues Forschungsgebiet vor: die Epigenetik, der Code hinter dem Code. Autoren: Ulf Kneiding, Karsten Linder, Martin Rosenberg, Claudia Ruby, Markus Schall, Lars Westermann Redaktion: Lorenz Beckhardt / Thomas Kamp Quarks & Co | Evolution - Wie wir wurden, was wir sind | Sendung vom 10.02.09 http://www.quarks.de Quarks & Co Quarks & Co

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Quarks & Co Evolution - Wie wir wurden, was wir sind

Evolution ist die Veränderung der vererbbaren Merkmale einer Population von Lebewesen von Generation zu Generation – so weit

das Lexikon. Charles Darwin war der erste, der diese fundamentalen Zusammenhänge zwischen den Lebewesen erforschte. Er ist

der Begründer der modernen Evolutionsbiologie. Vor 150 Jahren erschien sein Hauptwerk „Die Entstehung der Arten“. Aber was

genau bedeutet Evolution? Quarks & Co erklärt, wie wir wurden, was wir sind, und zeigt, warum der Mensch für viele Evolutions -

biologen die Krone aller Irrtümer ist.

Charles Darwin und die Entstehung der Arten 4Charles Darwin (Jahrgang 1809) stellte die Theorie auf, dass alle Lebewesen einen

gemeinsamen Ursprung haben und die Arten nicht gottgegeben sind, sondern sich ständig verändern. Vor 150 Jahren war seine

Evolutionstheorie noch umstritten. Heute ist sie grundlegend für das Verständnis der Entstehung und Entwicklung des Lebens auf der

Erde. Quarks & Co stellt Darwin und seine revolutionäre Theorie vor.

Die Schnecke, die von Sonnenlicht lebt 4Tiere müssen fressen, Pflanzen leben vom Sonnenlicht. So hält man grob Pflanzen und

Tiere auseinander. Eine kleine Meeresschnecke unterläuft dieses Gesetz: Nachdem sie eine große Mahlzeit zu Beginn ihres

Erwachsenen lebens verputzt hat, lebt diese Schnecke nur noch von Sonnenlicht. Amerikanische Forscher haben jetzt herausgefunden,

wie sie das macht. Quarks & Co stellt die Meeresschnecke Elysia und ihre pflanzlichen Eigenschaften vor.

„Fehlschläge“ der Evolution 4Evolution verläuft zufällig und richtungslos. Und Evolution ist alles andere perfekt! Es geht vielmehr

darum, möglichst schadlos über Pleiten und Pannen hinwegzukommen, die sich im Laufe der Zeit eingeschlichen haben. Albatrosse

sind begnadete Flieger, die sich bei der Landung oft die Glieder brechen. Elefanten verhungern, weil ihnen die Zähne zu früh ausfal-

len. Und der Mensch? Er ist für viele Evolutionsbiologen sogar die Krone aller Irrtümer. Quarks & Co geht einigen evolutionären

Fehlleistungen auf den Grund.

Epigenetik – Der Code hinter dem Code 4In der Evolutionstheorie galt bisher: Erworbene Eigenschaften lassen sich nicht vererben.

Unsere Lebensweise beeinflusst zwar unser eigenes Leben, aber nicht das unserer Nachfahren. Doch stimmt dieser Grundsatz wirk-

lich? Quarks & Co stellt ein neues Forschungsgebiet vor: die Epigenetik, der Code hinter dem Code.

Autoren: Ulf Kneiding, Karsten Linder, Martin Rosenberg, Claudia Ruby, Markus Schall, Lars Westermann

Redaktion: Lorenz Beckhardt / Thomas Kamp

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Die Evolution ist nicht perfektWenn Lebewesen die eigenen Fehler überleben müssen

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Albatrosse sind Hochseevögel, die perfekt an das Leben in der Luft angepasst sind. Sie gehören

zu den besten Fliegern der Vogelwelt. Weltweit gibt es 21 verschiedene Arten. Die größte unter

ihnen ist der Wanderalbatros mit einer Spannweite von bis zu 3,30 Meter. Albatrosse nutzen

Aufwinde, die von den Wellen erzeugt werden. So können sie stundenlang segeln, ohne viel

Energie zu verbrauchen. Die meiste Zeit ihres Lebens verbringen sie deshalb fliegend über den

Ozeanen der Erde.

Doch die Perfektion findet ein jähes Ende, sobald die Albatrosse zum Brüten an Land müssen. Die

Landungen laufen oft katastrophal ab: Forscher haben herausgefunden, dass sich die Vögel beim

Landen häufig die Flügel oder die Beine brechen. Weil sie dann nicht mehr starten können, ist das

ein sicheres Todesurteil für die perfekten Flieger. Selbst wenn sie die Landung ohne größeren

Schaden überstehen, ist es ein Kraftakt wieder in die Luft zu kommen. Die über zehn Kilogramm

schweren Vögel brauchen mindestens 12 km/h Gegenwind, um starten zu können. Sonst sind sie

auf den Boden verdammt. Ist Gegenwind da, ist jedes Abheben eine körperliche Höchstleistung:

Albatrosse haben einen Ruhepuls von 80. Jeder Start, und auch jeder Startversuch, treibt den Puls

auf 230 Schläge. Wäre die Evolution wirklich vollkommen, dann würde der Albatros auch am

Boden eine gute Figur machen – und nicht nur in der Luft.

Der grausame Tod der Elefanten

Dass die Evolution alles andere als perfekt ist, bekommen auch Elefanten auf besonders erbar-

mungslose Art und Weise zu spüren. Die Pflanzenfresser sind bis zu sechs Tonnen schwer. Weil

sie schlechte Futterverwerter sind, müssen sie bis zu 20 Stunden pro Tag fressen: 150 bis 200 Kilo

Gräser, Blätter und Früchte. Tag für Tag. Dieses Marathon-Fressen hat negative Auswirkungen auf

die Zähne. Ein Backenzahn des Elefanten ist zwar mehrere Kilo schwer und über 30 Zentimeter

lang, aber durch das dauernde Fressen nützt auch er sich im Laufe der Jahre ab. Am Ende ist vom

Zahnschmelz nicht mehr viel übrig. Der Elefant kann die Nahrung nicht mehr zerkauen. Er verhun-

gert. Ganz langsam und qualvoll. Meistens ist der Elefant dann zwar schon 50 oder 60 Jahre alt.

Aber er stirbt in vielen Fällen nur, weil seine Zähne nicht mehr funktionieren; alles andere als eine

perfekte Konstruktion der Evolution.

Auch die Photosynthese ist nicht vollkommen

Der niederländische Botaniker Jan Ingenhousz entdeckte 1779, dass Pflanzen nur bei Licht wach-

sen und Sauerstoff abgeben. Ingenhousz verstand damals zwar noch nicht, wie die Photosynthese

genau abläuft, aber die Entdeckung war eine wissenschaftliche Sensation. Mit einem Mal war klar,

dass ohne die Photosynthese kein Leben auf der Erde möglich wäre. Nach und nach erforschten

Wissenschaftler, wie die Photosynthese in der Zelle abläuft. Die Pflanze nimmt Kohlenstoffdioxid

aus der Luft auf und macht daraus – mit Hilfe der Sonnenenergie – Zucker. Bei der Reaktion ent-

steht Sauerstoff, den die Pflanze an die Atmosphäre abgibt. Millionen, Milliarden Kraftwerke in

jeder Pflanze, die perfekt arbeiten. Aber nur scheinbar. Denn heute wissen die Forscher, dass auch

Der Albatros: in der Luft ein Groß -

meister – an Land ein Versager

Rechte: dpa

Die Backenzähne des Elefanten wer den

im Laufe des Lebens zwar regelmäßig

erneuert. Doch trotzdem sind sie nach

50 oder 60 Jahren oftmals die Todes -

ursache

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die Photosynthese längst nicht so perfekt ist, wie man immer dachte. Denn sie ist uneffektiv.

Pflanzen spucken etwa ein Drittel des aufgenommenen Kohlenstoffdioxids wieder aus. Würden sie

das nicht tun, könnten sie weitaus mehr Zucker herstellen und schneller wachsen. Etwa 95 Prozent

der Landpflanzen betreiben diese relativ uneffektive Photosynthese. Man nennt sie 4C3-Photo -

synthese. Nur fünf Prozent der Pflanzen betreiben eine effektivere Photosynthese, die sogenannte

4C4-Photosynthese.

4C3-/C4-Photosynthese

_______________________________________________________________________________________

95 Prozent der Pflanzen leben von einer relativ uneffektiven Photosynthese. Biologen nennen sie C3-Photosynthese

oder auch C3-Zyklus, weil das erste fassbare Photosyntheseprodukt ein C3-Körper ist – also ein Molekül mit drei

Kohlenstoffatomen. Nur etwa fünf Prozent der Pflanzen betreiben eine effektivere Photosynthese, die sogenannte

C4-Photosynthese (erstes fassbares Photosyntheseprodukt ist ein C4-Körper). Das Besondere an den C4-Pflanzen:

Sie haben CO2-Pumpen. Damit schaffen sie es, dass fast das komplette Kohlenstoffdioxid in Biomasse umgebaut

wird. Mais ist zum Beispiel eine C4-Pflanze. Deshalb wächst er so extrem schnell. Unsere meisten anderen

Nutzpflanzen wie Weizen, Gerste, Kartoffeln, Tomaten oder Möhren sind hingegen C3-Pflanzen.

Der Mensch – das höchstentwickelte Wesen?

Der Mensch ist für viele Evolutionsbiologen die Krone aller Irrtümer. Der aufrechte Gang wurde zum

Beispiel nur durch eine sehr enge Beckenstellung möglich. Die Konsequenz ist, dass die mensch-

liche Geburt wohl zu den kompliziertesten im gesamten Tierreich gehört und ohne Hilfe von ande-

ren kaum möglich ist. Durch die Entwicklung des aufrechten Ganges werden auch Wirbelsäule

samt Bandscheiben sowie das Knie in Mitleidenschaft gezogen. Auch das Auge des Menschen ist

alles andere als perfekt: Weil sich die Netzhaut in der Embryonalentwicklung aus dem zentralen

Nervensystem ausstülpt, muss das Licht erst durch Blut und Gefäße hindurch, bevor es auf Rezep -

toren trifft. Am sogenannten blinden Fleck verfügt unser Auge über gar keine Rezeptoren, weil hier

der Sehnerv verläuft.

Die perfekte Evolution? Die gibt es nicht. Mit jedem Tag entdecken Forscher neue Beispiele, die klar

machen: In der Evolution geht es nicht darum, irgendetwas zu perfektionieren. Sondern darum, die

eigenen Fehler möglichst zu überleben.

Autor: Markus Schall

In den Chloroplasten läuft die

Photosynthese ab

Auch der Mensch ist keine perfekte

Konstruktion der Evolution

Rechte: dpa

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Die Darwin-Theorie Wie Darwin zur Evolution kam

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Die Naturforschung war Anfang des 19. Jahrhunderts eingebettet in die sogenannte „Natürliche

Theologie“. Danach schuf Gott Himmel und Erde sowie Pflanzen und alle Lebewesen. Die Vielfalt

des Lebens, die Schönheit der Pflanzen und Tiere und deren perfekte Anpassung an die Natur gal-

ten als Belege für die Macht Gottes. Den Gedanken, dass die Entwicklung des Lebens auf der Erde

von der biblischen Schöpfungsgeschichte abweicht, gab es bereits vor Darwin. Zu den bekannte-

sten Wissenschaftlern, die mit dem Gedanken der Evolution spielten, gehört der französische

Botaniker und Zoologe Jean-Baptiste de Lamarck, der die Umwandlung von Arten in der Vererbung

von Anpassungen sah, die die Eltern an die Folgegeneration weitergaben. Seine Ideen, die er

Anfang des 19. Jahrhunderts veröffentlichte, wurden in England als eine Bedrohung der politischen

und religiösen Ordnung betrachtet und von Wissenschaftlern und Klerikern heftig bekämpft.

Die Liebe zur Natur

Charles Robert Darwin kam mit den modernen Ideen während seines Theologiestudiums in

Cambridge in Berührung. Dort besann er sich seiner Liebe zur Natur und beschäftigte sich mit

Insektenkunde, Botanik und Geologie. Auf Empfehlung des Botanikprofessors John Stevens

Henslow heuerte er 1831 als Naturforscher auf dem Forschungsschiff HMS Beagle an. Die fünf Jahre

dauernde Weltumseglung ist ohne Zweifel die Grundlage für seine weltberühmten Erkenntnisse.

Bei seiner Heimkehr 1836 hatte der damals 33-jährige Darwin Arbeit für sein restliches Leben im

Gepäck: 1.529 Tiere in Spiritus, 3.907 Felle, Knochen und Pflanzen und über 2.500 Seiten mit

Skizzen und Notizen zu Zoologie, Geologie sowie persönlichen Tagebucheintragungen.

Der Weg zur Theorie

Die Möglichkeit, ausführlich zu forschen, hatte sich Darwin selbst erarbeitet: Während der Reise

schickte er eine Reihe von Briefen unter dem Titel „Letter on Geology“ („Geologische Briefe“) an

seinen Mentor John Stevens Henslow. Dieser verlas 1835 Auszüge vor der Cambridge Philosophical

Society und ließ sie auf eigene Kosten als Buch drucken. Auf diese Weise erarbeitete sich Darwin

vor seiner Rückkehr einen wissenschaftlichen Ruf.

Die ersten Gedanken zum Artenwandel hatte Darwin in den Jahren nach der Forschungsreise.

Ausschlag gaben unter anderem die heute unter dem Namen Darwin-Finken bekannten Vögel auf

den Galapagos-Inseln. Darwin stellte fest, dass auf jeder Insel miteinander verwandte Vögel leben,

die sich in der Form ihrer Schnäbel unterscheiden. Ähnliches gilt für die Galapagos-Schildkröten.

Sie haben auf jeder Insel unterschiedlich geformte Panzer. Darwin hatte die ersten Beispiele dafür

gefunden, dass sich Tier- und Pflanzenarten je nach Umgebungen unterschiedlich entwickeln kön-

nen – zu sogenannten Varietäten.

Darwin wurde immer klarer, dass die Ergebnisse seiner Forschung der Naturforschung der

Natürlichen Theologie widerspricht. Je klarer seine Erkenntnisse wurden, desto größer wurde seine

Scheu, sie zu veröffentlichen. Deshalb forschte er weiter, um seine Theorie so gut wie möglich zu

untermauern.

Die Funde von der fünfjährigen

Forschungsreise sind die Basis für

Darwins Theorie

Auf den Galapagos-Inseln entdeckt

Darwin die ersten Varietäten einer Art

Darwin erkennt früh, dass seine

Erkenntnisse die Schöpfungsgeschichte

in Frage stellen

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Mut zur Veröffentlichung

Erst im Jahre 1858 wagte er den Schritt an die Öffentlichkeit. Auslöser war ein Brief seines

Kollegen Alfred Russel Wallace, der bei seinen Forschungsreisen zu vergleichbaren Schluss folge -

rungen gelangt war. Der Vortrag am 1. Juli 1858 vor der Linné‘schen Gesellschaft bewirkte zwar

keine große Reaktion, jedoch war der Damm gebrochen. Darwin schrieb seine Erkenntnisse nieder

und brachte 1859 das Werk heraus, welches das Weltbild und Selbstverständnis des Menschen für

immer verändern sollte: „Die Entstehung der Arten“.

Kritiker ebnen den Weg für Darwins zweiten „Paukenschlag“

Wie befürchtet liefen bibeltreue Wissenschaftler und Kirchenmänner Sturm gegen Darwins Evolu -

tionstheorie. Obwohl Darwin in weiser Voraussicht die Abstammung des Menschen darin bewusst

auslässt, entwickelten Kritiker schnell die Formel der „Abstammung vom Affen“. Nach dem vor-

herrschenden Weltbild entsprechend, dass der Mensch die Krone der Schöpfung sei, war das

natürlich undenkbar und sollte Darwins Theorie ad absurdum führen. Darwin forschte unbeirrbar

weiter und veröffentlichte regelmäßig seine Erkenntnisse über die Entwicklung von Orchideen,

Insek ten und Haustieren. Erst 1871 folgt der zweite große Paukenschlag: das Buch „Die Abstam -

mung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl“. Darin erklärt er zum ersten Mal, dass

Mensch und Affe gemeinsame Vorfahren haben.

Grundsätze der Theorie

Ein Kernpunkt der Darwin‘schen Theorie ist die natürliche Selektion. Danach gibt es in einer

Generation viele Individuen mit unterschiedlichen Merkmalen. Die am besten an die Umwelt ange-

passten Exemplare geben ihre Gene an die folgende Generation weiter. Tiere und Pflanzen können

sich so an Veränderungen der Umwelt oder unterschiedliche Bedingungen an verschiedenen Orten

anpassen.

Weitere Kernaussagen der Darwin‘schen Evolutionstheorie sind:

_______________________________________________________________________________________

1. Alles Leben auf der Erde hat einen gemeinsamen Ursprung.

2. Es gibt eine Evolution: das heißt, die Arten sind nicht unveränderlich.

3. Es gilt das Prinzip der natürlichen Auslese / Selektion.

4. Die Evolution verläuft allmählich in ununterbrochener Generationenfolge.

5. Aus der Veränderung folgt eine Vervielfachung von Arten.

Heute werden einzelne Punkte der ursprünglichen Theorie angezweifelt. Ein Beispiel: Es ist nicht

bewiesen, dass die Entwicklung der Arten als kontinuierlicher Prozess stattfindet. Jedoch stellen

Darwins Erkenntnisse nach wie vor die Grundlage der modernen Biologie dar.

Bereits zu seiner Zeit hatte Darwin nicht nur Gegner. Schon zu seinen Lebzeiten setzte sich seine

Theorie bei modernen Wissenschaftlern immer mehr durch. Wachsende Erkenntnisse zur

Vererbung und die aufkommende Genetik führten dazu, dass Darwins Evolutionstheorie heute von

keinem seriösen Wissenschaftler mehr angezweifelt wird.

Autoren: Ulf Kneiding, Carsten Linder

Die Grundlagen der Evolutionstheorie

werden von heutigen Wissenschaftlern

nicht mehr angezweifelt

Erst nach fast vierzig Jahren Forschung

veröffentlicht Darwin seine Theorie,

dass Mensch und Affe gleiche Vorfahren

haben.

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Wie entstanden die Zellen der Pflanzen und Tiere?NRW-Forscher revolutioniert Theorie über die Entstehung der Zellen

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Lange Zeit nach der Entstehung des Lebens war die Erde ein Planet der Bakterien. Relativ ein fache

Mikroorganismen ohne Zellkern und Organellen. Bakterien sind zwar vergleichsweise simpel auf-

gebaut, weisen aber eine enorme Vielseitigkeit auf. Dann tauchen Einzeller auf, die erheblich

größer sind, einen Zellkern haben und sich alle in ihrem Aufbau sehr ähneln. Die Entwicklung von

den Bakterien zu den höheren Zellen ist in den Dimensionen der Evolution ein gewaltiger Schritt

und kaum zu erklären.

Die Endosymbiontentheorie oder die Geschichte „von den zwei Bakterien, die sich sehr lieb

hatten“.

In den 1960er-Jahren kam dann eine Theorie auf, die den Übergang von den Bakterien zu den

höheren Zellen erklären sollte: die Endosymbiontentheorie. Diese Theorie geht davon aus, dass

einige der Mikroorganismen im Laufe der Evolution immer größer wurden und sich von anderen,

kleineren Bakterien ernährten. Irgendwann entwickelten diese Zellen eine Membran, die ihre DNS

vom Rest des Zellinnenraumes abschirmte – der Zellkern war entstanden.

Einige Male nahmen diese größeren Zellen, der Theorie zu Folge, Bakterien auf, ohne diese zu ver-

dauen. Die kleinen Bakterien lebten in der großen Zelle weiter und gaben immer Lebensfunktionen

auf. Dabei wurden sie immer kleiner. Sie wurden zu 4Organellen und verschmolzen mit der

Wirtszelle zu einer neuen Zelle mit neuen Eigenschaften. So sollen die höheren Zellen aus den

Bakterien entstanden sein. Diese Theorie steht noch heute in vielen Schulbüchern, ist aber nicht

vollends schlüssig. Richtig ist allerdings, dass die Zellen der Pflanzen und Tiere aus zwei unter-

schiedlichen Zellen entstanden, die miteinander verschmolzen.

4Organellen

_______________________________________________________________________________________

Organellen sind Bestandteile der Zelle, die bestimmte Funktionen haben; beispielsweise Zellkern, Mitochondrium,

Golgi-Apparat, endoplasmatisches Retikulum u.a.

Die Verschmelzung zweier Bakterien zu etwas Neuem!

„Die Endosymbiontentheorie beantwortet viele entscheidende Fragen nicht“, sagt der

Düsseldorfer Evolutionsbiologe Bill Martin. „Es müsste Übergangsformen zwischen höheren Zellen

und Bakterien geben, die gibt es aber nicht. Außerdem gibt es heute Zelltypen, deren Entstehen

so nicht erklärt werden kann.“ Bill Martin hat vor einigen Jahren eine neue passendere Theorie

entwickelt, die jetzt nach und nach Eingang in die Lehrbücher findet. Nach seiner Ansicht haben

sich die Bakterien nicht gegenseitig gefressen, sondern sie sind echte stabile Symbiosen mitein-

ander eingegangen. Beispielsweise hat ein Bakterium, das sich von Wasserstoff ernährt, die Nähe

eines anderen Bakteriums gesucht, welches Wasserstoff ausscheidet. Die beiden sind dann eine

enge Verbindung miteinander eingegangen. Das Wasserstoff ausscheidende Bakterium hat einige

Für lange Zeit waren Bakterien die einzi-

gen Lebewesen auf der Erde. Trotz ihrer

Einfachheit sind sie erstaunlich gut

angepasst. Rechte: Cytographics

Die hellen Mitochondrien in der großen

Zelle sind die Nachfahren endosymbion-

tischer Bakterien

Die höheren Zellen entstanden aus der

Verschmelzung bakterienartiger Vorfah ren

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seiner Gene in das andere Bakterium verlagert, das nun einige Lebensfunktionen für dieses über-

nimmt. Später hat dann das Wasserstoff fressende Bakterium das andere ganz in sich aufgenom-

men. Die beiden verschmolzen zu einer neuen Zelle. Die fremden Gene in der DNS der größeren

Zelle führten die Bildung einer Kernmembran herbei. Der kleinere 4Endosymbiont wurde immer

weiter reduziert, bis er schließlich ein 4Mitochondrium war. Mitochondrien kommen nur bei den

höher entwickelten Zellen vor, also bei den Zellen von Pflanzen und Tieren. Sie bilden den ent-

scheidenden Unterschied zwischen Bakterien und höheren Zellen.

4Endosymbiont

_______________________________________________________________________________________

Ein Endosymbiont ist ein Lebewesen, das im Inneren eines anderen Organismus lebt, ohne diesen zu schädigen.

4Mitochondrium

_______________________________________________________________________________________

Mitochondrien sind Organellen in der Zelle. Sie versorgen mit Hilfe chemischer und physikalischer Umwand -

lungsprozesse die Zelle mit Energie. Sie sind die Nachfahren von Bakterien, die als Endosymbiont in einem größe-

ren Bakterium gelebt haben. Im Laufe der Evolution haben sie viele Gene und Lebensprozesse an ihren Wirt abge-

geben, der sie am Leben hält. Mitochondrien und Zellkern sind charakteristisch für die höheren Zellen, aus denen

Pflanzen und Tiere bestehen.

Ein entscheidender Moment in der Evolution!

Die Theorie von Bill Martin klingt unwahrscheinlich. Zu viel muss exakt so funktioniert haben, wie

der Biologe es beschreibt. Dadurch aber fühlt sich der Düsseldorfer Texaner bestätigt. „Unwahr -

schein lich ist es auf jeden Fall, aber das passt zu den Beobachtungen, denn es ist in der Evolution

nur ein einziges Mal passiert. Und wenn es nicht passiert wäre, dann würde es uns heute nicht

geben.“ Die gelungene Verschmelzung zweier Zellen zu einem neuen Lebewesen hat also nur ein

einziges Mal stattgefunden, so wie die Entstehung des Mondes zum Beispiel. Wären diese ein-

maligen Ereignisse nicht eingetreten, wäre unsere Welt heute eine andere.

Autor: Lars Westermann

Der in Düsseldorf forschende und leh-

rende Texaner Professor William Martin

hat eine neue Endosymbiontentheorie

formuliert, die in der Wissenschaft auf

Akzeptanz stößt

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Die Schnecke, die ein bisschen eine Pflanze istEinige Meeresschnecken sind darauf spezialisiert, anderen Tieren Organe zu stehlen

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Es gibt sie in fast allen Farben und Größen. Manche von ihnen fressen Nesseltiere und stehlen die-

sen ihre Nesselkapseln. Diese Abwehrzellen verdauen sie nicht, sondern lagern sie in ihre eigene

Haut ein, um ihrerseits Feinde abzuwehren. Andere fressen Algen, um mit ihrer Hilfe von der

Photosynthese zu leben. Autor: Lars Westermann

Diese Fadenschnecke ernährt sich von kleinen Nesseltieren.

Die Nesselzellen der kleinen Polypen lagert sie in ihren

Anhän gen auf dem Rücken ein: zur eigenen Verteidigung. Sie

bleiben voll funktionsfähig. Wie die Schnecke das macht, ist

noch ein Rätsel

Phyllodesmium briareum ist eine Nacktschnecke, die auf

Korallen lebt. Sie sieht den Korallen zum Verwechseln ähnlich.

Sie verspeist die Polypen der Korallen und lagert die Alge, die

mit der Koralle in Symbiose lebt in ihren Anhängen ein. Die

Algen leben weiter und versorgen die Schnecke bei Helligkeit

durch ihre Photosynthese mit Nährstoffen.

Die Meeresschnecke Placobranchus ocellatus ernährt sich von

Algen. Die Chloroplasten aus den Algen lagert sie ein und

macht damit selber Photosynthese. Hat die Schnecke erst

einmal eine große Algenmalzeit zu sich genommen, braucht

sie fast ihr ganzes Leben nicht mehr zu fressen. Weil die

Chloroplasten bei Lichteinstrahlung weiterhin Photosynthese

beitreiben, wird die Schnecke von ihnen automatisch mit

Nährstoffen versorgt.

Elysia chlorotica lebt ebenfalls von Algen. Amerikanische

Forscher haben jetzt herausgefunden, dass Elysia den Algen

nicht nur die Chloroplasten stiehlt, sondern, dass die

Schnecke über Gene verfügt, die aus den Algen stammen. Es

hat also ein Gentransfer von der Alge auf die Schnecke statt-

gefunden. So etwas war bislang unbekannt. Wahrscheinlich

kann die Schnecke deshalb die Chloroplasten so lange am

Leben erhalten. Rechte: WDR/University of Maine

Elysia ist in der Nutzung der Photosyntheseorgane besonders

effektiv. Die Photosyntheserate sinkt erst, wenn die Lebens -

spanne der Schnecke sowieso zu Ende geht. Ame rikanische

Forscher glauben, dass sie die gestohlenen Chloroplasten in

Zukunft vielleicht sogar an ihre Nachkommen ver erben kann.

Dann gäbe es ein neues Wesen: eine Mischung aus Pflanze

und Tier. Rechte: WDR/University of Maine

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Eine geheimnisvolle Waffe: TetrodotoxinEin tödliches Tiergift gibt Biologen Rätsel auf

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Gifte sind im Tierreich nichts Außergewöhnliches. Verwandte Tiere besitzen meist auch ähnliche

Gifte. Eine Substanz aber stellt Wissenschaftler vor ein Rätsel: Das Nervengift Tetrodotoxin findet

sich bei Arten, die praktisch überhaupt nicht miteinander verwandt sind: Eine Kröte, die dasselbe

Gift enthält wie ein Krake? Ein Fisch, der sich mit derselben Substanz schützt, wie eine Krabbe?

Solch eine Biowaffe gibt es tatsächlich. Sie heißt Tetrodotoxin: ein Gift, das zu einer Lähmung führt.

Vergiftete Menschen ersticken qualvoll, da ihre Atemmuskulatur aussetzt. Zu den Besitzern von

Tetrodotoxin, gehören die unterschiedlichsten Arten. Unsere Galerie zeigt die interessantesten.

Autor: Lars Westermann

Der Kammseestern lebt im Mittelmeer und anderen mäßig

warmen und tropischen Meeren. Forscher rätseln, woher er

das Tetrodotoxin hat. Einige vermuten, dass er es mit seiner

Nahrung aufnimmt, vielleicht mit Bakterien am Meeresgrund.

Rechte: blickwinkel/H.Goetl

Die Steinkrabbe schütz sich außer mit ihrem Panzer auch mit

Tetrodotoxin. Wie sie an das Gift kommt, ist unbekannt. Wie

alle tetrodotoxinhaltigen Tiere ist sie jedoch resistent gegen

das Gift. Ihre Natriumkanäle reagieren nicht auf das Gift.

Rechte: picture-alliance

Der blaugeringelte Oktopus lebt an den Küsten Australiens.

Menschen vergiften sich gelegentlich, wenn sie als

Schnorchler den kleinen Tintenfisch aufspüren und mit ihm

spielen. Sein Biss wird meist nicht bemerkt. Einige Zeit nach

dem Biss kommt es zu ersten Vergiftungserscheinungen, wie

Taubheitsgefühl, Schwindel und Lähmungen. Kurz danach

setzt der Atemstillstand ein. Wenn jetzt keine Möglichkeit zur

künstlichen Beatmung vorhanden ist, ist der Tod die Folge.

Rechte: Natural History New Zealand

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Die Harlekinkröte (Atelopus barbotini) lebt im tropischen

Amerika. Ihr Lebensraum ist der Regenwald. Dort lebt sie am

Boden des Waldes in der Nähe von Wasserläufen. Die Harle -

kin kröte hat lange Zeit Rätsel aufgegeben. Ihr Aussehen

erinnert eher an einen Frosch. Eine anatomische Besonderheit,

das Bidder’sche Organ, weist sie aber zweifelsfrei als Kröte

aus. Bei diesem Organ handelt es sich um einen rudimentä-

ren Eierstock, der auch bei männlichen Tieren vorhanden ist.

Manche Experten weichen auch vom Artnamen „barbotini“ ab

und gehen davon aus, dass sie zu einem Artkomplex gehört.

So findet man die Harlekinkröte in der Literatur auch als

Atelopus spumarius. Die nur wenige Zentimeter große Kröte

ist tagaktiv und ernährt sich von Insekten. Die Lebens -

erwartung beträgt zehn Jahre. Wie viele Frösche und Kröten,

ist auch Atelopus bedroht. Zoos in der ganzen Welt bemühen

sich deshalb um die Erhaltung dieser Lurchart. Einer davon ist

der Kölner Zoo, wo wir unsere Aufnahmen gemacht haben.

Auch Kugelfische schützen sich mit Tetrodotoxin. In Japan

werden sie trotzdem gegessen. Besondere „Fugu-Köche“

müssen jahrelang lernen, wie man den Fisch sicher zerlegt,

um das Leben ihrer Kundschaft nicht zu gefährden. Beliebter

als der Geschmack ist bei den Japanern der „Kick“ wenn die

Lippen nach Berührung mit dem Fleisch taub werden und es

in der einen oder anderen Körperregion beginnt zu kribbeln.

Trotz der strengen Ausbildung der Köche kommt es immer

wieder zu lebensgefährlichen Vergiftungen. In Europa ist der

Fugu als Speisefisch deshalb verboten.

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Im Wellness-Salon des Putzerfisches Marktwirtschaft im Korallenriff

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Der Gemeine Putzerlippfisch wartet immer an derselben Stelle im Riff auf Kunden. Im Laufe eines

Tages kommen die unterschiedlichsten Fische vorbei, um gesäubert zu werden. Selbst Hoch see -

fische wie Mantas lassen sich im Salon die Parasiten entfernen. Auch die gefährlichsten Raubfische

verhalten sich an der Putzerstation friedlich. Sie verharren reglos, legen sich auf eine Seite oder

stehen kopfüber im Wasser, um dem Putzer den friedlichen Zweck ihres Besuches zu signalisieren.

Ungerührt schwimmen die nur elf Zentimeter langen Lippfische in das Maul und in die Kiemenhöhle

der Räuber, um überall Parasiten, Pilze und abgestorbene Hautreste zu entfernen. Auch Wunden

reinigen sie bei ihrer Arbeit. Über 1.200 Parasiten sammelt der Putzerfisch im Laufe eines Tages

ein. Wenn sein Kunde weiterziehen möchte, reicht eine kleine Bewegung, und schon verlässt der

Putzer die gefährliche Zone und beendet seine Arbeit.

Der Manager-Fisch

Zwischen den Putzerfischen und ihren Kunden hat sich im Laufe der Evolution eine fein abge-

stimmte Kommunikation entwickelt. Seit langem gilt diese Beziehung als ein Paradebeispiel für

den sogenannten 4Mutualismus – eine Beziehung zwischen zwei Arten zum beiderseitigen

Nutzen. „Nahrung gegen Hygiene“ heißt in diesem Fall der Tauschhandel. Doch die Geschäfts be -

ziehung zwischen dem Salonbesitzer und seinen Kunden ist weitaus komplexer als die Wissen -

schaftler lange glaubten. Verhaltensforscher haben herausgefunden, dass der Putzerfisch gar nicht

besonders wild auf die Parasiten ist, die ihm seine Kunden anbieten. Viel lieber mag er den nahr-

haften Schleim, der die Haut von Barsch & Co umgibt. Im alltäglichen Geschäft ist dieser soge-

nannte Mucus jedoch verbotenes Terrain, denn Fische sind auf eine intakte Schleimschicht ange-

wiesen.

4Mutualismus

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Mutualismus ist eine Form der Symbiose. In der Ökologie wird so eine Wechselbeziehung zwischen Lebewesen

unterschiedlicher Art bezeichnet, aus der beide Partner einen Nutzen ziehen.

Verbotene Früchte schmecken am besten

Der Putzerfisch scheint genau zu wissen, dass der Mucus eine verbotene Frucht ist und beherrscht

sich – meistens zumindest. Ab und zu jedoch wird die Versuchung zu groß, und der Putzer beißt

einmal kräftig zu. Ein Betrug, der weder dem Kunden noch potenziellen Zuschauern verborgen

bleibt, denn der Gebissene zuckt daraufhin kräftig zusammen. Allerdings gehen die Putzerfische

taktisch äußerst geschickt vor: Raubfische zum Beispiel beißt der Putzerfisch nie. Der Betrug

könnte tödlich enden. Die meisten Kunden jedoch sind harmlose Friedfische. Sie können sich nicht

unmittelbar rächen, etwa nach dem Motto „wie du mir, so ich dir“. Eine Möglichkeit jedoch haben

auch sie: Wenn es der Putzerfisch zu doll treibt, suchen sie sich irgendwann einen anderen

„Salon“. Doch der Putzerfisch passt auf, dass es nicht so weit kommt. „Hat er einen Kunden zu oft

gebissen“, erzählt der Verhaltensforscher Redouan Bshary, „versöhnt er ihn anschließend mit

einem besonderen Service.“ Der Geschädigte bekommt zum Beispiel eine Massage gratis. Der

Putzer reitet dann wippend auf dem Rücken seines Kunden. Oder er wird beim nächsten Termin

besonders gründlich und ohne Bisse bedient.

Autorin: Claudia Ruby

Ein gefährliches Geschäft: Der Putzer -

fisch bei der Arbeit Rechte: TV-Ontario

Betrug im Salon der Putzerfische: Der

Hautschleim schmeckt am besten

Der Putzerfisch achtet auf seinen

guten Ruf

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Evolutionsfaktor MenschWie menschliches Handeln die Richtung der Evolution bestimmt

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Vor allem Singvögel fühlen sich von Städten angezogen. Im Sommer kann man fast überall den

Gesang der Vögel hören und im Winter kann man sie an Futterstellen beobachten. Geringer Druck

durch Fressfeinde, ein milderes Mikroklima und ein gutes Nahrungsangebot bilden einen interes-

santen Lebensraum. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn nur einige Vögel haben den Sprung

in die Städte geschafft. Andere, die auf ganz besondere Lebensräume spezialisiert sind, nehmen

dagegen in ihrem Bestand ab. Forscher haben nun nachgewiesen, dass sich die Stadtvögel von

Individuen derselben Art unterscheiden, die ihrem alten Lebensraum treu geblieben sind.

Die Amsel zum Beispiel ist eigentlich ein Waldvogel. In unseren Städten ist sie aber inzwischen

der häufigste Vogel. Die Stadt-Amseln haben sich angepasst. Sie sind stressresistenter und haben

die Angst vor Menschen weitgehend verloren. Inzwischen kann man sie anhand ihres Hormon -

status und ihrer Gene von Waldamseln unterscheiden, denn Stadtamseln haben in ihrem Blut eine

geringere Konzentration an Stresshormonen.

Ein anderes Beispiel ist der Spatz oder Haussperling: Er hat sich dem Menschen als Kulturfolger

schon sehr früh angeschlossen. Er profitierte vor allem von der Landwirtschaft und nistete in den

Nischen unserer Gebäude. Aber unsere modernen Häuser bieten kaum noch Nistmöglichkeiten und

so werden die Spatzen immer weniger.

Mensch, warum schrumpfst Du die Fische?

Selbst die weiten Ozeane sind vom evolutionären Einfluss des Menschen betroffen. Der Druck der

Fischerei ist inzwischen so groß geworden, dass er die Richtung der Evolution bestimmt. Denn

gefangen werden vor allem die großen Fische, nur kleinere haben die Möglichkeit zu entkommen

und sich zu vermehren. Es findet eine Entwicklung in Richtung Kleinwüchsigkeit statt. Die Forscher

beunruhigt das, denn wenn die Fische kleiner werden, werden auch die Erträge geringer, vor allem

aber schrumpfen wahrscheinlich auch Eier und Larven. die dann vielleicht Schwierigkeiten beim

Fressen ihrer Nahrung bekommen können. Die frisch geschlüpften Larven sind dann unter Umstän -

den zu klein, ihre Beute zu überwältigen beziehungsweise sie zu fressen.

Wertvolle Lebensräume aus Menschenhand

Selbst da, wo scheinbar Natur pur herrscht, ist der Mensch am Werk gewesen. Natürliche Lebens -

räume gibt es in Mitteleuropa nicht mehr. Als Folge menschlicher Eingriffe entstehen aber nicht

nur Betonwüsten und Monokulturen. Auch die Heide und die offene Landschaft der Rhön sind men-

schengemacht. Sie sind die Folge jahrhundertelanger Weidewirtschaft. Dadurch sind beispiels-

weise Mager-Rasenflächen entstanden, die jetzt Heimat seltener Pflanzen und Insekten sind. Auch

das fast ausgestorbene Birkhuhn hat in der Rhön eines seiner letzten Rückzugsgebiete gefunden.

Die Zeiten der großen Schaf- und Rinderherden sind allerdings vorbei, weswegen nun Natur -

schützer aktiv geworden sind, diese einmaligen Landschaften aus Menschenhand zu erhalten.

Während die offenen Landschaften der Rhön und der Lüneburger Heide stets erhalten blieben, sind

natürliche Habitate, wie zum Beispiel die Auwälder, zerstört worden. Mit ihnen starben extrem

angepasste Arten, wie der Laubfrosch, fast aus. Denn sie sind stark auf ihren jeweiligen Lebens -

raum angewiesen und können sich nicht mehr an andere Lebensumstände anpassen.

Autor: Lars Westermann

Stadt-Amseln haben die Angst vor dem

Menschen weitgehend verloren

Durch den Fischereidruck wird der

Durchschnittsfisch immer kleiner

Auch so beeindruckende Landschaften

wie die Rhön sind ein Werk des

Menschen Rechte: HR

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Der Hund – ein Sonderfall der Evolution? Wie sich der Wolf den Menschen zunutze machte – und darüber zum Hund wurde

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Hunde sind aus unserem Leben kaum noch wegzudenken, egal ob wir nun in der Stadt leben oder

in einer einsamen Gegend auf dem Land. Sie erfüllen zahlreiche Aufgaben als Spür- und Rettungs -

hunde, als Hüte- oder Jagdhunde. Die meisten Hunde aber leben als ganz normale Familienhunde

mit ihren Menschen. Der Hund ist der älteste tierische Begleiter des Menschen. Der wichtigste

Grund dafür ist wahrscheinlich, dass sich Mensch und Hund im Wortsinne gut verstehen. Sie leben

in ähnlichen Sozialstrukturen und sind sehr kommunikativ.

Der Wolf hat sich den Menschen auserwählt

Ganz sicher sind sich die Wissenschaftler nicht, aber vieles spricht dafür, dass der Wolf den ersten

Schritt tat. Als erster Kulturfolger suchte er die Nähe des Menschen. Das gilt allerdings nur für eini-

ge Tiere. Möglicherweise profitierten sie von den Jagdaktivitäten des Menschen. Sicher haben

diese steinzeitlichen Jäger irgendwann die ersten jungen Wölfe mit der Hand aufgezogen. Studien

bei heute noch steinzeitlichen Völkern in Südamerika und Asien legen die Vermutung nahe, dass

das zunächst völlig zweckfrei geschah. Denn auch bei ihnen haben die meisten Hunde keine Auf -

gabe. Aber die Menschen vor 15000 bis 20000 Jahren müssen schnell gemerkt haben, dass man

Wölfen auch etwas beibringen kann. Wolf und Mensch gewöhnten sich aneinander und die Wölfe

veränderten sich. Äußerlich ähnelten sie noch lange ihren wilden Vorfahren, aber sie wurden zah-

mer und fixierten sich mehr auf den Menschen als Begleiter.

Wolf und Hund - verwandt und doch verschieden

Im Wolfsforschungszentrum im österreichischen Grünau versuchen Wissenschaftlerinnen, die

Unter schiede von Wölfen und Hunden zu erforschen. Die Verwandten sind sich ähnlich und doch

unterscheiden sie sich in vielen Punkten. Wölfe sind Wildtiere und angepasst an ein Leben in der

Natur. Sie sind stets misstrauisch, wachsam und sehr an Nahrung interessiert. Der Hund hat den

Menschen als seine ökologische Nische entdeckt. Er versteht es ausgezeichnet, seine Bedürfnisse

mitzuteilen und den Menschen für seine Belange einzuspannen. Sein Sozialpartner ist der Mensch.

Im Forschungszentrum kann man das an einem einfachen Experiment beobachten: Stellt man einen

Teller mit Fleisch in einen Käfig, den Wolf und Hund nicht selbstständig öffnen können, versucht

der Wolf mit Kraft und Gewalt an das Futter zu kommen. Der Hund wendet sich – sobald er die

Aussichtslosigkeit der Lage erahnt – mit Blicken und Lauten an seinen Menschen. Dieser soll die

Türe öffnen. Im übertragenen Sinne machen Hundebesitzer das jeden Tag: Sie öffnen Schränke,

Tüten und Dosen, sie kaufen Futter und tragen es nach Hause. Der Hund bekommt seine Nahrung,

ohne etwas dafür zu tun oder gar etwas riskieren zu müssen und wird er krank, wird er sogar zum

Arzt gebracht. Diese evolutionär erfolgreiche Strategie lässt sich auch in Zahlen ausdrücken. Allein

in Deutschland leben über fünf Millionen Hunde. Wölfe gibt es nur noch einige Tausend weltweit.

Die Anpassung an den Menschen war für die Vorfahren der Hunde also der erfolgreiche Schritt in

der Evolution, der ihnen eine hohe Nachkommenzahl und eine große Formenvielfalt bescherte –

denn das ist evolutionärer Erfolg.

Vor 15.000 bis 20.000 Jahren zogen die

Menschen die ersten Wolfswelpen mit

der Hand auf

Wölfe und Hunde sind in ihrer Kommu -

nikation und ihrem Verhalten sehr

unterschiedlich

Hunde lassen sich in der Regel gut

trainieren und ausbilden, Wölfe arbeiten

nur gegen Futter

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Wolf und Hund – nur eng verwandt oder eine Art?

Ob Wolf und Hund enge Verwandte sind – oder doch eine Art: Darüber sind sich Hundeforscher

nicht ganz einig. Die klassische biologische Art-Definition sagt, dass Individuen dann eine Art sind,

wenn sie zusammen gesunde und fruchtbare Nachkommen zeugen können. Das trifft auf Wolf und

Hund zu. Allerdings gelingt das nur in Gefangenschaft unter Einfluss des Menschen oder aus Man -

gel an anderen Partnern. Lebensweise und ökologische Spezialisierung sind zu unterschiedlich. Ein

Hund, der in der Natur in ein ganzes Wolfsrudel geriete, hätte wahrscheinlich kaum eine Überle-

benschance. Forscher, die mit Hunden und Wölfen arbeiten, sprechen davon, dass diese beiden

am Beginn einer Aufspaltung in getrennte Arten stehen, diese aber wahrscheinlich nie ganz abge-

schlossen wird, da der Mensch immer wieder Wölfe in Hundelinien einkreuzt und verwilderte

Hunde sich mit Wölfen paaren.

Autor: Lars Westermann

Auch die schwarzen Timberwölfe

haben ihre Farbe wahrscheinlich von

einem oder mehreren Hunden, die sich

vor langer Zeit mit Wölfen gepaart

haben. Inzwischen haben rund 30 Pro -

zent der nordamerikanischen Wölfe

ein schwarzes Fell

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Spurensuche im Genom Kann Stress zu vererbbaren Veränderungen führen?

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Am 26. Juni 2000 verkündete Bill Clinton die Entschlüsselung des menschlichen Erbgutes. „Unser

Wissen wird die Medizin revolutionieren“, so der ehemalige US-Präsident. Doch die Euphorie

wurde enttäuscht. Die Entschlüsselung des Erbgutes war nur ein erster Schritt, denn der

Buchstabencode der DNS verrät längst nicht alle Geheimnisse der Vererbung. Die Lebensumstände

unserer Vorfahren scheinen einen viel größeren Einfluss auf Kinder und Enkel zu haben, als die

Forscher lange dachten. An der Universitätsklinik Amsterdam ist Tessa Roseboom dabei, eine bis-

lang unbekannte Verbindung zwischen den Generationen zu entschlüsseln. Sie studiert Unterlagen

aus dem Winter 1944/45. Damals herrschte Krieg, und in den Niederlanden wurde gehungert.

Unter der deutschen Besatzung brach die Nahrungsmittelversorgung komplett zusammen. Ess ba -

res gab es nur gegen Lebensmittelkarten. Die Tagesration lag zeitweise bei unter 400 Kalo -

rien – viel zu wenig. Fast 20.000 Menschen überlebten den letzten Kriegswinter nicht. Frauen, die

während dieser Zeit schwanger waren, brachten untergewichtige Kinder zur Welt. Das kennt man

auch aus anderen Krisengebieten. Das Überraschende jedoch: Die Folgen sind bis heute zu spü-

ren. In den Niederlanden wurde alles genau dokumentiert: Geburten und Sterbefälle, das Gewicht

der Neugeborenen und spätere Krankheiten. Das ermöglicht es den Forschern heute, die Gescheh -

nisse zurückzuverfolgen.

Eine rätselhafte Verbindung zwischen den Generationen

Nach über 50 Jahren ist es den Forschern gelungen, diejenigen Personen ausfindig zu machen, die

im Hungerwinter geboren wurden. Rund 900 Menschen beteiligten sich an der Studie. Als die

Untersuchung begann, waren sie alle um die 50 Jahre alt. „Sie litten doppelt so oft an Herz-

Kreislauf-Erkrankungen wie ihre Altersgenossen“, erzählt Tessa Roseboom. „Sie hatten häufiger

Brustkrebs und Übergewicht.“ Das erstaunlichste Ergebnis jedoch: Die Frauen, die damals mit

geringem Geburtsgewicht zur Welt kamen, brachten später selbst kleinere Kinder zur Welt, obwohl

es natürlich längst wieder genug zu essen gab. Und auch diese Kinder, also die Enkel der

Kriegsgeneration, litten noch unter einem höheren Krankheitsrisiko! Wie kann das sein? Wie ist die

Information über die Lebensbedingungen der Großeltern zu den Enkeln gelangt?

Das Gedächtnis der Gene

Seit Darwin vor 150 Jahren die Evolutionstheorie veröffentlich hat, steht fest: erworbene Eigen -

schaften lassen sich nicht vererben. Die Lebensweise der Großeltern hat keinen direkten Einfluss

auf die Gene der Nachkommen. Muss diese Überzeugung korrigiert werden? Ausführlich beschäf-

tigen sich die Forscher der Uniklinik Amsterdam mit der Enkelgeneration. Sie erheben den genau-

en Gesundheitszustand und untersuchen Blutproben der Betroffenen. Das Erbgut wird sequenziert.

Endgültige Ergebnisse gibt es noch nicht. Fest steht jedoch, dass die Hungersnot keine

Auswirkungen auf den Buchstabencode der DNS hatte. „Die Hungersnot hat vermutlich bei eini-

gen Genen den Schalter umgelegt“, sagt Tessa Roseboom. Extreme Ereignisse können Gene an-

Amsterdam 1944: Hat die Hungersnot

Spuren in den Genen hinterlassen?

Rechte: Netherlands Information Service

Großeltern ...

... und Enkel: Die Verbindung ist enger

als bisher angenommen

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oder ausschalten. Ein wichtiger Regulationsmechanismus: Die Gene selbst sind nur der Text im

Buch des Lebens. Entscheidend ist, was damit gemacht wird. Kleine Schalter – sogenannte Methyl -

gruppen – heften sich an die DNS und schalten so einzelne Gene an oder aus. 4Epigenetik heißt

der neue Forschungszweig, der sich mit der Regulation unseres Erbgutes beschäftigt. Darwin

konnte von all dem nichts wissen. Zu seiner Zeit war selbst die 4DNS noch unbekannt. Umso

erstaunlicher, dass er wichtige Mechanismen der Vererbung sehr zutreffend beschrieben hat. Erst

jetzt entdecken die Wissenschaftler das neue Feld der Epigenetik. Noch steht die Forschung ganz

am Anfang, doch sie hat enorme Konsequenzen: Denn ob wir schlemmen oder hungern, rauchen

oder trinken – all das hat nicht nur Folgen für unsere eigene Gesundheit. Es beeinflusst auch die

Gene unserer Kinder und Enkel.

4 Epigenetik

_______________________________________________________________________________________

Die Epigenetik beschäftigt sich mit den komplexen Mechanismen der Regulation unserer Gene. Bei epigenetischen

Veränderungen bleibt die Sequenz der DNS unverändert. Lediglich die Aktivität einzelner Gene wird verändert.

Ein häufiger Mechanismus ist die sogenannte Methylierung. Dabei heften sich kleine Moleküle an die DNS und

schalten so bestimmte Gene an oder aus.

4 DNS

_______________________________________________________________________________________

In dem Molekül Desoxyribonukleinsäure ist die Erbinformation gespeichert. Mit Ausnahme von einigen speziellen

Viren enthalten alle Lebewesen das Erbmolekül DNS.

Verändern Traumata in frühester Jugend die Gene?

Am Münchener Max-Planck-Institut für Psychiatrie will Florian Holsboer herausfinden, ob auch

Stress und Traumata unsere Gene verändern können. Und weil man bestimmte Versuche mit

Menschen nicht machen kann, arbeiten die Forscher hier mit Mäusen: Mehrere Stunden am Tag

werden Mäusebabys von ihrer Mutter getrennt. Für die Kleinen bedeutet das Lebensgefahr, denn

sie werden noch gesäugt. Wirkt sich der Stress, den sie in den ersten Lebenswochen erleiden, bis

ins Erwachsenenalter aus? Ein Verhaltenstest soll diese Frage klären.

Im Erwachsenenalter werden die Mäuse in eine Art Labyrinth gesetzt. Es gibt geschlossene

dunkle Gänge und offene helle. Die entscheidende Frage: Wagt sich die Maus in die offenen und

hellen Gänge? Das Ergebnis ist eindeutig: Mäuse, die ohne schlechte Erfahrungen aufgewachsen

sind, balancieren mutig im Hellen umher. Ihre traumatisierten Artgenossen dagegen bevorzugen

die Sicherheit im dunklen Gang. Stress in früher Jugend führt also zu einem ängstlichen Verhalten

im späteren Mäuseleben. Im nächsten Schritt durchforsten die Wissenschaftler das Erbmaterial der

Mäuse. Tatsächlich hat der Stress Spuren im Genom hinterlassen: Einige Gene wurden aktiviert,

andere abgeschaltet. Traumata verändern also den genetischen Schaltplan. Die Verhältnisse beim

Menschen sind komplexer. Doch Professor Holsboer ist überzeugt, dass sich die Prinzipien aus dem

Mäuseversuch auch auf den Menschen übertragen lassen. „Die Epigenetik ist lange unterschätzt

Extreme Ereignisse können den gene -

tischen Schaltplan verändern.

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worden“, sagt er. „Heute aber wissen wir, dass die 20.000 Gene, die wir auf unserer Erbsubstanz

tragen, nur eine sehr grobe Grundinformation liefern. Die Epigenetik orchestriert die Informationen,

die auf unseren Genen sind. Und sie ist die Relais-Station gegenüber äußeren Umwelteinflüssen.“

Extreme Ereignisse wie Hunger, Stress oder Terror können also den epigenetischen Schaltplan ver-

ändern. Professor Holsboer hat auch das Genom von Personen untersucht, die nach dem Attentat

auf das World Trade Center in New York unter posttraumatischen Belastungsstörungen litten. Und

tatsächlich hat er auch bei ihnen Veränderung im Schaltplan der Gene gefunden. Im nächsten

Schritt wollen die Forscher herausfinden, ob solche Veränderungen an die Nachkommen weiter-

geben werden. Im Mittelpunkt der Forschung werden dann zunächst wieder die Mäuse stehen.

Autorin: Claudia Ruby

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Lesetipps

Tatsache Evolution: Was Darwin nicht wissen konnte

Autor: Ulrich Kutschera

Verlagsangaben: Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 2009,

ISBN: 978-3423247078

Sonstiges: 320 Seiten, broschiert

Preis: 14,90 Euro

Das Buch bietet einen facettenreichen Querschnitt durch unterschiedlichste Bereiche der Evo -

lutionsbiologie. Immer wieder – das spiegelt sich auch im Titel des Buches wider – argumentiert

der Autor leidenschaftlich gegen ein kreationistisches Weltbild. Der Autor ist Professor für

Pflanzenphysiologie und Evolutionsbiologie an der Universität Kassel und Vorsitzender der

Arbeitsgemeinschaft Evolutionsbiologie im Verband Deutscher Biologen.

Gifttiere: Ein Handbuch für Biologen, Toxikologen, Ärzte und Apotheker

Autor: Dietrich Mebs

Verlagsangaben: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 2000

ISBN: 3-8047-1639-3

Sonstiges: 350 Seiten

Preis: 75,70 Euro

Ein schönes, auch für Laien verständliches Buch, mit guter Struktur und vielen beeindruckenden

Fotos. Neben Informationen zu einzelnen Tieren und deren Giften, werden auch Fallbeispiele von

Vergiftungen geschildert und mögliche Gegenmaßnahmen erklärt.

Die Pizza-Hunde: Freilandstudien an verwilderten Haushunden. Verhaltensvergleich mit Wölfen.

Tipps für Hundehalter

Autor: Günther Bloch

Verlagsangaben: Kosmos, Stuttgart, 2007

ISBN: 978-3-440-10482-8

Sonstiges: 248 Seiten

Preis: 19,95 Euro

Der Hundeforscher Günther Bloch hat ein Rudel verwilderter Haushunde in der Toskana beobach-

tet und seine Ergebnisse mit seinen Forschungen an Timberwölfen in Kanada verglichen. Das Buch

zeigt anhand faszinierender Familiengeschichten, wie sich Hunde „natürlicherweise“ verhalten. Das

Buch gibt Einblick in Jagdverhalten, Paarungsverhalten, Jungenaufzucht und Gruppendynamik. Der

Autor gibt auch Tipps für Hundebesitzer, die ihrem besten Freund ein artgerechtes Leben bieten

wollen.

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Evolution MegaLab

http://www.evolutionmegalab.org/de

Ranga Yogeshwars Linktipp: Das Evolution MegaLab. Werden Sie Evolutionsforscher! Beobachten

und zählen Sie alle Arten von Bänderschnecken in Wald und Flur oder auch in Ihrem Garten.

Dabei erleben Sie, wie die Regeln der Evolution in Ihrer direkten Umgebung wirken.

Abenteuer Evolution bei nano

http://3sat.de/nano/diverses/darwin/darwin.html

Der DarwinCode – Charles Darwin, seine Reise, seine Theorie und die Folgen.

Evolutionsforschung bei Planet Wissen

http://www.planet-wissen.de/pw/

Artikel,,,,,,,479C8550BFE84BD8E0440003BA5E08BC,,,,,,,,,,,,,,,.html

Die Idee, dass die Natur nicht unveränderlich ist, sondern sich langsam weiterentwickelt, brauch-

te lange, um sich durchzusetzen. Besonders in den christlich geprägten Ländern der Welt gab es

bis ins Mittelalter kaum Zweifel daran, dass Gott alle Pflanzen- und Tierarten geschaffen hat –

und die Welt vollkommen ist. Die Geschichte der Evolutionsforschung ist dementsprechend

nicht geradlinig, sondern sehr verwickelt verlaufen, da diese traditionelle Vorstellung erst müh-

sam überwunden werden musste.

Die Welt des Mikrokosmos

http://www.cytographics.com

Eine Seite, auf der es faszinierende Einblicke in die Welt der Bakterien und Einzeller gibt.

Die Website des Evolutionsbiologen Bill Martin

http://www.molevol.de/lab/martin.html

Hier erklärt Bill Martin seine Arbeit und Theorien. Darunter eine, wie das Leben überhaupt ent-

stand.

W wie Wissen: Albatrosse – Massensterben in der Antarktis

http://www.daserste.de/wwiewissen/beitrag_dyn~uid,ddvdfhz4ecfsn085~cm.asp

Albatrosse werden häufig Opfer von Fischereiflotten, weil sie von Ködern angelockt werden.

Dabei kann den imposanten Fliegern mit einfachen Mitteln geholfen werden.

Museum Koenig: Bilder von Elefantenzähnen

http://www.zfmk.de/web/Museum/Museumsschule/Arbeitsmaterialien/Sugetierzhne/

Elefant.pdf

Bilder des Gebisses des Afrikanischen Elefanten (Loxodonta africana, PDF, 256 kB)

Universität Hamburg: C3-, C4- und CAM-Photosynthese

http://www.biologie.uni-hamburg.de/b-online/d24/24b.htm

Grafische Darstellung der C3-, C4- und CAM-Photosynthese mit sehr detailreichen

Hintergrundinformationen.

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Linktipps

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Webseite von Redouan Bshary zu den Putzerfischen

http://www2.unine.ch/Jahia/site/ethol/lang/en_GB/pid/5736

Seit Jahren analysiert der Verhaltensforscher Redouan Bshary die Beziehung zwischen

Putzerfischen und ihren Kunden. (englisch)

Das Biosphärenreservat Rhön

http://brrhoen.de/

Bundesamt für Naturschutz

http://www.bfn.de/

Naturschutzbund Deutschland

http://www.nabu.de/

Der Naturschutzbund Deutschland hält viele Informationen zur Situation der Vogelwelt bereit.

Das Wolfsforschungszentrum in Grünau

http://www.wolfscience.at

Die Seite des Wolfsforschungszentrums in Grünau mit vielen interessanten Informationen zu

Wolf und Hund.

Der Hungerwinter in den Niederlanden

http://www.hongerwinter.nl/index.php?lang=english

Ausführliche Informationen über die Studie zum Hungerwinter in den Niederlanden (englisch)

Epigenetik

http://epigenome.eu/de

Informationen und Links rund um das Thema Epigenetik

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Impressum:

Herausgegeben

vom Westdeutschen Rundfunk Köln

Verantwortlich:

Quarks & Co

Claudia Heiss

Redaktion:

Lorenz Beckhardt/Thomas Kamp

Gestaltung:

Designbureau Kremer & Mahler

Bildrechte:

Alle: © WDR

außer: angegeben

© WDR 2009

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