Quintessenz Tian

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P.b.b. Verlagspostamt 1000 Wien, Vertragsnr. 06Z036711M 03/14 DER V-HYPE An diesen Trends kommt keiner vorbei: Vegetarische und vegane Kochkünste sind gefragter denn je! Ab S. 15 ALLERGISCH! Die kommende EU-Verordnung zu den wichtigsten Allergenen bereitet den Gastronomen Kopfzerbrechen. Zum Status Quo. Ab S. 34 INGE STATT HUGO Neue Sommercocktails braucht das Land. TRINKWERK präsentiert spritzige Ideen für warme Tage. Ab S. 53 EIN CAPTAIN AUF ERFOLGSKURS Als Teamleader schart er die Besten um sich, als Küchenchef haben seine vegetarischen Kreationen geradezu galaktische Qualität. S. 6

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Coverstory C+C Pfeiffer Quintessenz 3/14 mit Paul Ivić, Restaurant TIAN

Transcript of Quintessenz Tian

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DER V-HYPE

An diesen Trends kommt keiner vorbei: Vegetarische und vegane Kochkünste sind gefragter denn je! Ab S. 15

ALLERGISCH!

Die kommende EU-Verordnung zu den wichtigsten Allergenen bereitet den Gastronomen Kopfzerbrechen. Zum Status Quo. Ab S. 34

INGE STATT HUGO

Neue Sommercocktails braucht das Land. TRINKWERK präsentiert spritzige Ideen für warme Tage. Ab S. 53 SAGEN SIE NIEMALS LEBERKÄSE ZU IHM

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Gerade mit geschmackvollen Überraschungen begeistern Sie Ihre Gäste. Neuburger verwandelt so manches traditionelle Rezept in ein neues Genuss Erlebnis.

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C+C Pfeiffer

IMPRESSUM Quintessenz – Das Magazin des Kompetenzzentrums Kulinarik; Herausgeber: C+C Pfeiffer GmbH, 4050 Traun, Egger-Lienz-Str. 15, www.ccpfeiffer.at, Tel.: 007229/605-1534, Fax: DW 51534; Projektleitung: Mag. Eva Thomas, E-Mail: [email protected]; Medieninhaber und Verleger: SPV Printmedien GmbH, 1080 Wien, Florianigasse 7/14; Redaktion und Texte: Angelika Deutsch, Leo Aichinger; E-Mail: [email protected]; Kolumne: Lothar Kolmer, Peter Grander; Fotos: Winfried Flohner, Shutterstock, ÖWM; Grafik und Layout: vorauerfriends communications gmbh, 4609 Thalheim, Traunufer-Arkade 1, Dijana Milic, E-Mail: [email protected]; Druckerei: Pfeiffer Werbung & Druck GmbH, 4050 Traun, Egger-Lienz-Str. 15; Auflage: 25.000, Erscheinungsweise: 4 x jährlich

INHALT

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V-HeldPaul Ivic‘ beweist mit seiner Crew der Besten, dass kreativ und vege-tarisch eine erfolgsträchtige Kombination sein kann.

Allergenmanagementals HerausforderungZum Umgang der Gastronomenmit Intoleranzen und Allergien

Tierfrei?Vegetarische Küche ist längst auf dem Vor-

marsch, nun zeigt auch die vegane ihre Trendfähigkeit.

Leo‘sKulinarik Corner Vegetarische Gerichte mit Säurekickund Texturerlebnis

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Im 57. StockBei Siegfried Kröpfl im DC Tower: eine Küche zwischen mediterran und vegan.

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EIN CAPTAIN AUF ERFOLGSKURS Als Teamleader schart er die Besten um sich, als Küchenchef haben seine

vegetarischen Kreationen geradezu galaktische Qualität. S. 6

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Größter Genuss in seiner kleinsten Form. Kein Wunder, dass alle die köstlichen Naturrein Konfitüren von Darbo mit 55 % Fruchtanteil

lieben. Ideal verpackt und in 6 köstlichen Sorten. In Darbo naturrein kommt nur Natur rein.

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EIN MANN IM TREND Paul Ivic‘ hat mit dem TIAN ein eigenes, hochkreatives Universum der vegetarischen Exzellenz geschaffen. Ein Maßstab!

Liebe Leserin, lieber Leser!

Beim Durchblättern der vorliegenden Ausgabe unserer Quint-essenz wird es Ihnen vielleicht aufgefallen sein: Diesmal dreht sich (fast) alles um das V-Wort. V wie vegetarisch, aber auch V wie ve-gan. Vegan sei das neue Bio, hört man immer wieder angesichts des Booms, der zwar noch bei Nischen-Akzeptanz liegt, aber dennoch enormes Potential zeigt. Vegan liegt definitiv

im Trend und ist mehr als eine Ernährungsform; es inkludiert einen ganzen Lebensstil und wird auch in der Gastronomie

zunehmend gefordert. In unserem Hauptthema gehen wir näher darauf ein; auch Interview-Partner Siegfried Kröpfl als Executive Chef des neuen Meliá Hotels im DC Tower in Wien ist privat bekennender Veganer, eine spannende Kombination!

Vegetarische Küche hingegen hat sich längst etabliert und ist den Kinderschuhen entwachsen. Niemand zeigt das besser als Paul Ivic‘, Küchenchef des vegetarischen Restaurants TIAN, ausgezeichnet mit einem Michelin-stern und, noch kurz vor Redaktionsschluss, mit der Trophée Gourmet für kreative Küche. Wir sind stolz, ihn für unsere Coverstory gewonnen zu haben!

Vegetarisch wird es auch in Leos Foodcorner, während die Cook2.0 Köche in mediterranen Rezepten Antworten suchen auf die zunehmende Verbreitung von Nahrungs-

mittelintoleranzen und Allergien. Diese sind auch Thema unserer Management-Seiten, denn im Dezember wird

die EU-Verordnung zur Kennzeichnung der 14 wichtigsten Allergene gültig!

TRINKWERK stellt Gerald Waltner, den Gewinner des VINEUS in der Kategorie Newcomer Winzer vor, gibt Tipps zur Wein-

kartengestaltung und präsentiert neue Sommerdrinks.

Außerdem im Heft: Unsere Kolumnisten Kolmer und Grander, neues Werkzeug für die Patisserie, die neue ÖWM Broschüre zu Österreichischem Wein und Mediterraner Küche und zu guter Letzt die digitale Seite mit veganen Blogs.

Im Namen des Teams wünsche ich Ihnen reichhaltiges Lese-vergnügen!

Angelika Deutsch

Beharrlichkeit, ein Ziel vor Augen und das beste aller Teams um sich: nur so konnte das waghalsige Konzept einer rein vegetarischen Küche zum Erfolg werden. Mehr über den harten Weg dorthin ab S. 6

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Größter Genuss in seiner kleinsten Form. Kein Wunder, dass alle die köstlichen Naturrein Konfitüren von Darbo mit 55 % Fruchtanteil

lieben. Ideal verpackt und in 6 köstlichen Sorten. In Darbo naturrein kommt nur Natur rein.

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EIN MANN IM TREND Paul Ivic‘ hat mit dem TIAN ein eigenes, hochkreatives Universum der vegetarischen Exzellenz geschaffen. Ein Maßstab!

Liebe Leserin, lieber Leser!

Beim Durchblättern der vorliegenden Ausgabe unserer Quint-essenz wird es Ihnen vielleicht aufgefallen sein: Diesmal dreht sich (fast) alles um das V-Wort. V wie vegetarisch, aber auch V wie ve-gan. Vegan sei das neue Bio, hört man immer wieder angesichts des Booms, der zwar noch bei Nischen-Akzeptanz liegt, aber dennoch enormes Potential zeigt. Vegan liegt definitiv

im Trend und ist mehr als eine Ernährungsform; es inkludiert einen ganzen Lebensstil und wird auch in der Gastronomie

zunehmend gefordert. In unserem Hauptthema gehen wir näher darauf ein; auch Interview-Partner Siegfried Kröpfl als Executive Chef des neuen Meliá Hotels im DC Tower in Wien ist privat bekennender Veganer, eine spannende Kombination!

Vegetarische Küche hingegen hat sich längst etabliert und ist den Kinderschuhen entwachsen. Niemand zeigt das besser als Paul Ivic‘, Küchenchef des vegetarischen Restaurants TIAN, ausgezeichnet mit einem Michelin-stern und, noch kurz vor Redaktionsschluss, mit der Trophée Gourmet für kreative Küche. Wir sind stolz, ihn für unsere Coverstory gewonnen zu haben!

Vegetarisch wird es auch in Leos Foodcorner, während die Cook2.0 Köche in mediterranen Rezepten Antworten suchen auf die zunehmende Verbreitung von Nahrungs-

mittelintoleranzen und Allergien. Diese sind auch Thema unserer Management-Seiten, denn im Dezember wird

die EU-Verordnung zur Kennzeichnung der 14 wichtigsten Allergene gültig!

TRINKWERK stellt Gerald Waltner, den Gewinner des VINEUS in der Kategorie Newcomer Winzer vor, gibt Tipps zur Wein-

kartengestaltung und präsentiert neue Sommerdrinks.

Außerdem im Heft: Unsere Kolumnisten Kolmer und Grander, neues Werkzeug für die Patisserie, die neue ÖWM Broschüre zu Österreichischem Wein und Mediterraner Küche und zu guter Letzt die digitale Seite mit veganen Blogs.

Im Namen des Teams wünsche ich Ihnen reichhaltiges Lese-vergnügen!

Angelika Deutsch

Beharrlichkeit, ein Ziel vor Augen und das beste aller Teams um sich: nur so konnte das waghalsige Konzept einer rein vegetarischen Küche zum Erfolg werden. Mehr über den harten Weg dorthin ab S. 6

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EIN RAUMSCHIFF NAMENS TIANWie Paul Ivi ́c das Geschmacksbild der vegetarischen Küche verändert hat und sich mit einem Michelinstern sogar einen Platz in den internationalen Gourmetcharts gesichert hat. Ein Lokalaugenschein.

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Coverstory

Dem kantigen Tiroler, der da in Wien neuerdings für vegetarischen Gourmethype sorgt, geht es nicht primär um Ruhm und Ehre – auch wenn er sich darüber freut. Paul Ivi ́c, gebürtiger Serfauser, ist Überzeugungstäter, ein weitsichtiger Denker mit klaren Zielen vor Augen. Bereits mit 20 Jahren hatte sich in ihm die Idee festgesetzt: „Sollte ich mal selbständig werden, dann mache ich das auf vegetarisch!“

Paul Ivi ́c ist aber kein Moralapostel. Es ist ja nicht so, dass er selbst kein Fleisch mag. Aber die Affi-nität zu Gerichten ohne Fleisch war immer schon da, die stiefmütterliche Behandlung von Vege-tariern ist ihm seit jeher ein Dorn im Auge. Zu-gleich ist für ihn das Kochen mit guten Produkten Selbstverständlichkeit, er ist geradezu besessen von Produktqualität. Weshalb auch jeder Gast ein perfektes Gericht bekommen soll. Als er mit 32 Jahren seine eigenen Ernährungsgewohnheiten ändern musste, wurde das Vegetarische endgül-tig zum Maßstab seiner Küche – ein neuer Weg, der ihn letztendlich nach Wien führte.

Es war ein Interview mit Christian Halper, dem TIAN-Eigentümer, das ihn fasziniert hatte. „Ich habe darin mehr herausgelesen, als er gesagt hat“ meint Paul Ivi ́c. „Mitten in der Bauphase bin ich nach Wien gefahren, um zu sehen, ob dieser Platz überhaupt für mich passen könnte. Denn ich wollte keine Kompromisse mehr machen. Das Gespräch mit Christian war überzeugend, in un-seren Sichtweisen gibt es viel Übereinstimmung über Mitarbeiterführung, Nachhaltigkeit, Quali-tät. Und ich habe meine Freiheiten, die ich benö-tige. Das Gefühl, perfekt hierher zu passen, war von Anfang an da. Die Chemie hat gestimmt – für mich das Allerwichtigste.“ Auch im schlagkräfti-gen Team von heute.

Wenn es um Teambildung geht, so geistern dem Tiroler immer wieder drei Filme im Kopf herum:

„Raumschiff Enterprise“ ist mir der wichtigs-te: In dieser Serie sind verschiedene Charaktere zu etwas Gewinnbringendem zusammengeführt worden, ohne groß Hierarchien zu entwickeln. Je-der wusste, wer der Boss ist, doch auch die Crew konnte das Schiff übernehmen, es war Vertrau-ensbasis da! Mr. Spock ist unser Mathias, der alles analytisch angeht; Captain Kirk trifft die Entschei-dungen aus dem Bauch – das bin ich. Enterpri-se ist für mich pure Psychologie, zudem zu einer Zeit gedreht, wo noch Rassismus und Kalter Krieg herrschten. Auf der Enterprise aber standen Rus-sen und Schwarze nebeneinander, das hat mich fasziniert!

ICH WOLLTE KEINE KOMPROMISSE MEHR MACHEN!

Mathias Walther, Paul Ivi ́c, Thomas Scheiblhofer (v.l.n.r.): Das Team der Besten im TIAN

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Coverstory

In „Ocean‘s Eleven“ sammelt Danny Ocean die Besten um sich. Jeder darf sich auf seinem Kerngebiet entfalten und entwickelt eine extreme Eupho-rie und Freude an der Arbeit. Ich selbst bin kein großer Motivator, aber ich schaue, dass jeder gemäß seiner besonderen Gaben am richtigen Platz ist. Die Philosophie von „300“ habe ich meinen Köchen so erklärt: Ich brauche Kämpfer. Sie wissen, unsere Arbeit ist kein Honigschlecken, aber wir stehen unseren Mann, mit unserer Gruppe können wir alles erreichen. Wie 300 ge-gen Zigtausende. Das ist die Bildsprache.

Die persönlichen Führungsqualitäten des Paul Ivi ́c entspringen diesen drei Erzählweisen über Führungsstil und Miteinander: präzise und mit be-stimmten Vorgaben, doch auch einem jeden seinen Platz lassend. So konn-te auch das großartige Kernteam mit den zwei Unverzichtbaren entstehen: Souschef Mathias Walther, der Tüftler und kreativer Umsetzer von Pauls Ideen. Seine Entscheidung, nach Wien zu kommen, war ganz an der Person Pauls festgemacht, mit dem er schon in Deutschland gearbeitet hatte. „Am Anfang denkt man nur: braucht man vegetarisch? Doch erst im Entwickeln eigener Kreationen und nicht im Versuch, Fleisch zu ersetzen, liegt die wahre Spannung und Herausforderung! Man muss freilich viel mehr suchen, nach der besonderen Karotte etwa.“

Und Patissier Thomas Scheiblhofer, Coburg-erprobt und durch eine frühere gemeinsame Zeit in Lech mit Paul verbunden. „Der ursprüngliche Grundgedanke war es, das Fehlen von Fisch und Fleisch zu kompensieren und die Gäste mit nicht alltäglichen Desserts zu locken. Wenn die vegetari-sche Erfahrung aber ohnehin gut ankommt, dann kann man sie mit einem guten Dessert noch toppen – oder demjenigen, dem etwas fehlte, zuletzt doch noch zufrieden machen.“

Doch nicht nur die Crew in der Küche hat diese eminente Bedeutung. Paul Ivi ́c über seinen Serviceleiter Michael Kajdocsi: „Er ist meine größte Vertrauensperson an den Tischen und der perfekte Gastgeber im Restaurant. Ohne seine tolle Arbeit würde meine Küche nicht diesen Stellenwert errei-chen!“

In der gar nicht großen TIAN-Küche ist an diesem Dienstagvormittag der Duft ein ganz anderer: Sellerie, Gemüse generell, intensiv, aromatisch und kon-zentriert – und doch leichter, irgendwie fliegend. Die Mitarbeiter sind ganz in der stillen Vorbereitungsarbeit für eine neue Woche versunken. „Der Un-terschied zum Kochen mit Fleisch war nur anfangs bemerkbar“ sagt einer, „dann wird es Routine“, und sticht weiter kleine Zylinder aus den Sellerie-knollen. „Aber das ist schon ein ganz anderer Level des Vegetarischen!“

Diesen Level verdankt das TIAN der Beharrlichkeit von Paul Ivi ́c, der es mit einer Vision vor Augen und dem Verständnis des Eigentümers im Hinter-grund zu DEM vegetarischen Hot Spot Wiens gemacht hat. Der lange Atem ist gut eingeübt, das wird im Gespräch mit Paul immer deutlicher.

DAS TIAN WAR FÜR MICH EINE „300“ER-AUFGABE!

ICH FEIERE ERFOLGE LIEBER GEMEINSAM ALS ALLEINE!

KLAR WAR, DASS ICH EINE EXTREMGUTE PATISSERIE BRAUCHE.

Angesichts des großen Erfolges – kam das TIAN zum richtigen Zeit-

punkt?

Grundsätzlich ist jeder Zeitpunkt im Le-ben der richtige, es kommt nur darauf an, was man daraus macht. Ich habe immer bestimmte Ziele im Kopf, eine Vorstellung dessen, was in zwei oder drei Jahren sein soll. Hier aber war es definitiv ein schwieriger Start.

Klar war, dass ich eine extrem gute Patisserie brauche. Thomas Scheiblho-fer ist für mich der einzige, der meine Ansprüche so erfüllen kann, dass ich mich trotz großer Affinität nicht allzu sehr mit diesem Thema auseinander-setzen muss. Mit meinem Souschef Ma-thias hatte ich bereits in Deutschland vier Jahre lang zusammengearbeitet; von ihm wusste ich, dass er der einzi-ge Wahnsinnige wäre, der sich auf ein Mitmachen einlässt. Immerhin weiß er, dass ich gerne Projekte übernehme, die sehr speziell sind und Unmögliches möglich machen wollen. Und er weiß, dass man mit mir durchaus halsbrecher- ische Aktionen erleben kann.

Sobald ich beide im Boot hatte, wusste ich: Es kann nicht mehr schief gehen. Das Kernteam ist das Wichtigste, alleine stellt man so ein Projekt nicht auf die Beine. Außerdem feiere ich Erfolge lie-ber gemeinsam als alleine! Deshalb ist da diese Vision aus „Ocean‘s Eleven“ in meinem Kopf: Du musst auf gewis-sen Positionen immer die Besten haben! Dann wird der Job so, wie ich ihn mir vor-stelle: spielerisch. Man bleibt dennoch professionell – aber mit Leichtigkeit. Ich brauche Menschen an meiner Seite, die gleichwertig sind und der Austausch auf gleicher Ebene statt findet.

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Coverstory

Worin lagen die Anfangsschwie-rigkeiten in der Akzeptanz?

Vegetarisch hatte vor fünf Jahren noch einen schlechten Ruf. Die Basis stimm-te nicht, zu viel Tofu, Körner, gar Er-satzprodukte für vegetarische Würste und Schnitzel. Mein Standpunkt aber ist: Entweder ich bin Vegetarier oder Fleischesser oder auch Flexitarier, dann darf ich aber nicht auf solche Pro-dukte zugreifen, die ja nichts anderes als chemische sind! Der Stellenwert der vegetarischen Küche war also dement-sprechend; es glaubte ja keiner, dass man ohne Fisch und Fleisch richtig gut essen kann! Einige meiner Köche-Freunde hatten mir sogar von diesem Projekt abgeraten. Für mich aber war das Ziel immer klar: Nicht einfach nur gute vegetarische Küche zu machen, sondern Topküche auf einem Qualitäts-niveau, wie wir es nunmehr erreicht haben.

Zu Beginn bekamen wir einfach keine guten Mitarbeiter, wir hatten nur Per-sonal, dem unsere Einstellung fehlte. Mit Leuten, die keine Begeisterung zu entwickeln vermögen, kannst du nichts erreichen, das ist unmöglich. Auch die

Gästeschicht war anfangs schwierig: Die Veganer dachten, wir würden die vegane Hochburg, und verstanden un-sere Qualität nicht. Wir verwenden nur hochwertigste Produkte, da ist nichts, das nicht Top wäre. Es fehlte also die Wertschätzung; Männer konnten sich nicht vorstellen, vegetarisch zu essen, Frauen beschränkten sich auf Salat. Doch mit Salat verdient man nicht viel, die Umsätze waren anfangs eine Kata-strophe.

In dieser fünfmonatigen Phase muss-te ich innerhalb des Teams einiges an Überzeugungsarbeit leisten, auch dem Chef gegenüber. Da stellte ich mich schon manchmal selbst in Frage und zweifelte an meiner Entscheidung. Die-ser Anfang aber war von all den vielen zähen Arbeiten in meinem Leben mit Abstand der zäheste. Zudem wollen bei einem neuen Projekt viele Leute mitreden. Die einzige Weisheit für mich aber ist Qualität. Die Qualität am Gast. Und die erziele ich nur durch gute Ser-vicemitarbeiter und durch das, was auf den Teller kommt. Deshalb kam für mich auch nie in Frage, die Fleisches-ser mit falschem Gulasch zu ködern. Kochen bedeutet für mich, mit frischen, exzellenten Produkten zu arbeiten.

Aber der Aufwärtstrend ließ sich nicht aufhalten!

Wenn ein Statement wie das des Herrn Reitbauer kommt, der sich nach einem Essen bei uns begeistert zeigte, dann weißt du zumindest, dass du auf dem richtigen Weg bist. Man braucht auch die richtigen Etappenziele, und ich hat-te immer schon eine große Ausdauer und Beharrlichkeit. Eines meiner Er-folgserlebnisse war eine Amerikane-rin, die ein 8-Gang-Menü bestellt hatte, obwohl wir ein solches gar nicht an-boten. Als ich neugierig an ihren Tisch ging, um zu erfahren, wie ihr die ve-getarische Menüfolge geschmeckt hät-te, war ihre erstaunte Antwort: „ Wie? Vegetarisch?“ Erst da fiel ihr auf, dass sie weder Fisch noch Fleisch gegessen hatte! Für mich hieß das, dass sie ext-rem zufrieden gewesen sein musste. In so einem Augenblick spürst du, dass es aufwärts geht. Und dann kamen lang-sam hervorragende Mitarbeiter zu uns.

Auch wenn es so aussehen mag, wir liegen an keinem guten Platz. Eigent-lich ist es ein toter Punkt, unsere Gäste müssen gezielt zu uns kommen. Das

erreichen wir nur durch Qualität, die unserem bewussten Umgang mit Le-bensmitteln entspringt. Wir sind keine Ernährungswissenschaftler, wir ko-chen nicht „gesund“. Wir versuchen nur, diesen bewussten Umgang zu erreichen. Es kommen nur beste Öle zum Einsatz, aus Kroatien oder von Veronelli, von Gölles oder Gegenbau-er. Wir brauchen diese Produktsicher-heit, auch beim Gemüse. Obwohl es schwierig ist, würden wir uns mehr demeter-Ware wünschen. Wir wollen einfach wissen, woher jedes Produkt kommt, von seinem Ursprung weg. Deshalb verwenden wir kein raffinier-tes Salz, sondern hochwertiges Meer-salz – aufs ganze Jahr gesehen ist das viel Geld.

Das klingt nach hohem Warenein-satz! Sehen Ihre Gäste diese in-

haltliche Arbeit?

Viele können den Aufwand vielleicht nicht nachvollziehen, aber sie sollen einfach nur genießen und dies wert-schätzen, das genügt uns schon. Es gibt aber auch die sehr interessierten Gäste, und unser exzellentes Service-team steht mit Beratung und Auskunft zur Seite.

Wie sieht es mit Ihren persönli-chen Essgewohnheiten aus?

„Hausgemacht“ als Thema stellt sich für mich gar nicht, davon gehe ich ein-fach aus. So wie ich es daheim erlebt habe. Wir hatten auf dem Hof meines Großvaters immer zwei Kühe, und wenn Opa geschlachtet hat, so war da Respekt. Unser Gemüse sah keine Spritzmittel. Aber heute wird es für mich immer schwieriger, auswärts zu essen. Ich stoße auf Fisch aus Aqua-kultur und Fleisch von schlecht behan-delten Tieren … und erinnere mich an den Film „Brust oder Keule“, der so un-gemein visionär war! Früher hat man darüber gelacht, heute sind wir genau dort gelandet, es schaut vielerorts so aus. Aber ich muss aufpassen, selbst nicht zu missionarisch zu werden! Man ist als Koch einfach so vertraut mit al-len Fisch- und Fleischzuständen und tut sich deshalb anderswo schwer.

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Thomas Scheiblhofer, Patissier

Die Patisserie hat innerhalb des TIAN einen hohen Stellenwert. Woher nehmen Sie Ihre

Inspiration, etwa für die Marslandschaft?

Viele Ideen entstehen aus verrückten Spinnerei-en! Paul hatte sich ein ganzes Planetensystem gewünscht, der erste Teller war die Milchstraße. Mein Stellvertreter Lukas kann sich wunderbar auf den kreativen Teil einlassen, ich kümmere mich um die unterschiedlichen Substanzen: das Knusprige, das Weiche. Gemeinsam kamen wir auf diese lässige Vorstellung einer Marslandschaft mit den Ringen und den Spuren des Mars-Rovers. Aber drei grundlegende Komponenten reichen!

Bei uns stimmen Küche und Patisserie überein in ihrem Zugang zwischen Experimentellem und Vertrautem. Auch diesen Nerv berühren wir. Nur wenn man immer wieder ins Vertraute kommt, dann passt das Essen.

Arbeiten Sie auch mit veganen Elementen?

Es gibt eine große Erwartungshaltung! Und wir wollen uns natürlich steigern. Unser veganer Versuch der Topfenknödel mit Bio-Seidentofu ge-lang erstaunlich gut; wir benennen sie natürlich anders, es ist ja kein Topfen drin, und wir geben sie auch nicht als vegan aus. Aber es wurden Su-perknödel mit Rhabarberfülle. Ich stelle auch fest, dass man in puncto Kreativität von Texturen rein vegan ansteht. Auch bei Saucen ist der Körper das Problem, wenn etwa die Butterbindung fehlt. Denn hin und wieder etwas Molligeres, Fülligeres ist wichtig! Es kann nicht nur zarte Texturen geben. Vegetarisches Essen darf man nicht zu zaghaft an-gehen, gerade bei einer Küche voller Spielereien wie der unseren. Mit Satellitentisch oder Pre vor der Suppe verliert man Zeit, Gäste könnten hung-rig bleiben. Sattheit ist eben auch eine Frage der Konsistenz. Man muss den Grundhunger stillen!

Generell aber wollen wir auch diesen Bereich ab-decken, doch es ist nicht unser großflächiges Ziel. Aber ein veganes Sechsgang-Menü sollte sich ausgehen!

VEGETARISCHES ESSEN DARF MAN NICHT ZU ZAGHAFT

ANGEHEN!

www.honigmayr .at

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MILCHSCHOKOLADE-MOUSSE50 g Obers0,5 g Agar Agar Etwas Salz130 g Milchschokolade (Bahibe 46% Valrhona)20 g Eigelb (1 Stk.)70 g Eiweiß (ca. 2 Stk.)15 g Zucker

Obers, Salz und Agar Agar gemein-sam kurz erhitzen, zur geschmolze-nen Milchschokolade geben und das Eigelb unterrühren. Eiweiß und Zucker zu Eischnee schlagen und unterheben. Silikon- oder Plastik-formen mit temperierter Kuvertüre sehr dünn ausgießen und erstarren lassen. Die Schokomousse einfüllen und erkalten lassen. Vorsichtig aus der Form geben, hierfür notfalls kurz in den Tiefkühlschrank legen.

EXPEDITION MARS

MIT KALAMANSI, MILCHSCHOKOLADE UND KARAMELL

KALAMANSI SORBET100 g Wasser15 g Glukosesirup65 g Kristallzucker1 g Pektin (Sorbetstabilisator)75 g Kalamansipüree Boiron

Pektin trocken mit dem Zucker mi-schen. Wasser mit Glukose und Zu-cker erhitzen und zum Kalamansi geben, evtl. mit Zitronensaft ab-schmecken. In einer Eismaschine frieren und im Tiefkühlschrank be-reitstellen.

SCHOKOSTEINE60 g Eiweiß (2 Stk.)20 g Zucker75 g Staubzucker25 g Bitterschokolade30 g Dinkel gepoppt40 g Kokosraspel Zitronenabrieb

Staubzucker mit Dinkel, Kokos und fein gehackter Schokolade in der Moulinette fein reiben. Eiweiß und Zucker aufschla-gen und anschließend alle anderen Zu-taten unterheben. Auf ein Backblech mit Backpapier ca. 1 cm dick streichen. Bei 165°C ca. 18 Min. backen. Überkühlt in Würfel schneiden und mit dunkler Kuvertüre überziehen.

KARAMELLSAUCE160 g Zucker 1/2 Vanilleschote250 g Obers25 g Kalamansi25 g Milchschokolade

Zucker mit Vanille karamellisieren und mit dem flüssigen, angewärmten Obers ablöschen. Wenn sich der Zucker aufge-löst hat, die restlichen Zutaten zugeben und gut aufmixen. Marslandschaft an-richten und Karamellsauce warm ser-vieren!

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CRISPY BÄRLAUCHROLLE MIT PUNTARELLA UND WEISSEM SPARGEL

Paul Ivi ́c

BÄRLAUCHTOPFENROLLE1 kg Tropeazwiebeln1 Navette0,7 l Portwein rot1 Kräuterseitling5 g Liebstöckel, in feine Julienne geschnitten2 g Kerbel, in feine Julienne geschnitten5 g Blattpetersilie, in feine Julienne geschnitten1 Scheibe Ingwer25 g Butter40 g Eigelb310 g Topfen, über Nacht in einem Passiertuch abgehangen100 g feine Semmelbrösel50 g Eiweiß30 g Bärlauchpüree (halb roh, halb blanchiert)10 g frisch getrockneter Bärlauch5 g Cornflakes500 g Butterschmalz Meersalz Pfeffer Abrieb von einer Limette

Die Tropeazwiebeln in der Schale im Ofen bei 180°C auf Salz ca. 1,5 Stunden garen. Herausnehmen, halbieren und das Fruchtfleisch herauskratzen. Den Portwein in einem Topf um die Hälfte reduzieren und das Fruchtfleisch der Zwiebeln dazu geben. Bei mittlerer Hit-ze langsam auf eine pastöse Konsistenz einreduzieren. Kräuterseitling und Na-vette in kleine Würfel schneiden. Die Pilze mit Ingwer in einer Pfanne braten. Zwiebelpüree, rohe Navetten, Kräuter-seitlinge und geschnittene Kräuter zu einer Masse vermengen, mit Salz und Pfeffer abschmecken. Masse in Plastik-rohre (ca. 2 cm Ø und 8 cm lang) füllen und einfrieren. Danach die gefrorene Masse herausdrücken und wieder ein-frieren.

Die Butter bei Zimmertemperatur mit 10 g Eigelb schaumig schlagen. Topfen mit 30 g Eigelb und 100 g Semmelbrösel sowie dem Bärlauchpüree verrühren. 50 g Eiweiß steif schlagen. Den Butterab-trieb mit der Bärlauch-Topfenmischung gründlich vermengen und das geschla-gene Eiweiß unterheben. Mit Salz, Pfef-fer und Limettenabrieb abschmecken.

Die Topfen-Bärlauchmasse auf Klar-sichtfolie ca. 10x3 cm dünn ausstreichen, die gefrorene Zwiebelmasse damit auf allen Seiten ummanteln. Folie an den Enden verknoten, in Alufolie einschla-gen und ca. 12 Minuten pochieren. Ge-trockneten Bärlauch und Cornflakes im Mörser grob zerstoßen. Die Bärlauch-rolle darin panieren. In heißem Butter-schmalz hell ausbacken.

P.X. JUS1,5 kg Knollensellerie, geschält und in Würfel geschnitten500 g Schalotten, geschält und in Julienne geschnitten500 g Shiitake Pilze in Würfel geschnitten1 EL Tomatenmark7 Stk. Pfefferkörner4 l Gemüsefond1 l roter Portwein auf 0,25 l reduziert100 ml Edelsaurer P.X. Noble Sour von Gegenbauer Olivenöl Butter zum Montieren

Den Knollensellerie im Ofen bei 180°C bräunen. Schalotten und Shiitake Pilze im Topf mit Olivenöl anschwitzen, To-matenmark, Pfefferkörner zugeben und kurz mitschwitzen. Selleriewürfel zu-geben und mit Gemüsefond auffüllen. Alles langsam um die Hälfte reduzieren lassen, passieren und erneut um die Hälfte reduzieren lassen. Mit reduzier-tem roten Portwein auffüllen und ca. 1 Stunde leicht köcheln lassen. Mit Edel-saurer P.X. abschmecken und mit Butter montieren.

PUNTARELLA1 Puntarella2 l Wasser2,5 g Ascorbinsäure25 g Meersalz15 g Zucker5 Stk. Pimentkörner2 Stk. Lorbeer4 Zweige Zitronenthymian

Puntarella von den äußeren Blättern be-freien, die Köpfe voneinander trennen und waschen. Wasser mit Ascorbinsäu-

re, Salz, Zucker sowie Piment, Lorbeer und Zitronenthymian aufkochen. Die Puntarella darin ca. 2 Min. garen.

LINSEN0,25 l Gemüsefond80 g Belugalinsen1 Stk. Schalotte2 Stk. Pimentkörner1 Stk. Lorbeerblatt10 g Blattpetersilie, in feine Julienne geschnitten Meersalz Zucker Assam Langpfeffer Edelsaurer P.X. Noble Sour von Gegenbauer

Gemüsefond mit der ganzen Schalotte, den Pimentkörnern, dem Lorbeerblatt aufkochen und darin die Linsen für ca. 30 Minuten garen. Verbleibende Flüs-sigkeit bei großer Hitze wegkochen. Mit Salz, Zucker, Langpfeffer und Edelsau-rer P.X. abschmecken. Zum Schluss die geschnittene Petersilie dazu geben.

ERBSEN8 Erbsenschoten

Erbsen aus der Schote ausbrechen und blanchieren. Danach die einzelnen Erb-sen aus ihrer Schale drücken.

PORTWEIN-ZWIEBELGEL100 ml roter Portwein auf 50 ml reduziert200 g Tropeazwiebel4 g Zucker4 g Gellazoon Edelsaurer P.X. Noble Sour von Gegenbauer

200 g Tropeazwiebeln schälen und in Ju-lienne schneiden. Mit dem Zucker ver-mengen und über Nacht stehen lassen. Am nächsten Tag entsaften. Zwiebelsaft mit reduziertem Portwein und Gellazo-on aufkochen. Dabei mit Edelsaurer P.X. abschmecken und fest werden lassen. Wenn das Gelee fest geworden ist, fein pürieren und in Spritzflasche abfüllen.

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WEISSER SPARGEL4 Stangen geschälter weißer Spargel50 g Butter1/2 Zitrone0,5 l Wasser

Das Wasser mit Butter, Zitrone, Salz und Zucker aufkochen und den Spargel darin bissfest garen.

Die Spargelköpfe etwa 3 cm lang ab-schneiden und die unteren Enden fein würfeln.

Aus dem Essig, dem Olivenöl und der Vanille eine Marinade herstellen und mit Salz und Honig abschmecken. Die gewürfelten Spargelenden damit mari-nieren.

ROH MARINIERTE NAVETTEN2 Mini Navetten1/2 TL Chardonnay Essig (Weißweinessig), alternativ Saft einer Limette1 TL Olivenöl 1 Msp. Bourbon Vanille Honig Meersalz Zucker

Die Navetten ca. 1 mm dick aufschnei-den. Mit dem Essig, dem Olivenöl und der Vanille eine Marinade herstellen und mit Honig und Salz abschmecken. Navetten marinieren und mit Meersalz würzen.

ANRICHTEN

Die erwärmte Puntarella in die obere Hälfte des Tellers stellen. Daneben eini-ge Punkte mit dem Portwein-Zwiebelgel setzen. Einen weißen Spargelkopf davor legen und die marinierten Spargelwür-fel daran anlegen. Die Linsen und die in Butterschmalz ausgebackene Bärlauch-rolle davor anrichten. Mit roh marinier-ten Mini Navetten, geschälten Erbsen und diversen Kräutern garnieren.

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TIANHimmelpfortgasse 231010 Wienwww.tian-vienna.com

Coverstory

Es ist schade, dass man mit Qualität nur hart oder gar nicht Geld verdient. Etwas Vernünftiges und Gutes zu machen kos-tet Zeit, Geld und Aufwand, der nicht

abgegolten wird. Aber Essen ist das Wichtigste, und ich kann einfach nicht begreifen, dass hier alle sparen. Klar, mit 20 denkt man noch nicht so daran. Aber mit 30, 40 wird langsam spürbar, was man verabsäumt hat. Dann aber wird die Umstellung schwierig. Dabei nimmt sie doch nichts an Genuss! Der eingelernte Geschmack jedoch ist hart-näckig. Deshalb bedarf es der Emotion: der gemeinsame Tisch bringt so eine Kommunikation zustande.

Auch bei uns im Restaurant: Die Gäste konzentrieren sich auf die Teller, auf die Präsentation. „Ah schon wieder etwas Neues!“ Sie reden miteinander darüber, stellen viele Fragen und geben auch Feedback. Unsere Servicemitarbeiter sind perfekt gebrieft und verstehen zu beraten. Ihr Interesse dazu ist allerdings aus persönlichem Antrieb da!

Wie lange brauchen Sie für die Entwicklung eines der so spekta-

kulär auftretenden Gerichte?

Viele Ideen resultieren aus meiner ge-sammelten Erfahrung, ich bringe meine Mitarbeiter manchmal zur Verzweif-lung damit! Es sind gewagte Ideen, und Mathias ist der Tüftler, der sie um-setzen muss. Ich bin ja „nur“ der Den-ker. Aber wir schaffen es immer. Ideen entstehen etwa, wenn unser Bauer mit dem Gemüse kommt und ich sehe, was er mitbringt. Da wir mittlerweile hohes Niveau in der Umsetzung erreicht ha-ben, dauert es allerdings, bis etwas auf die Karte kommt. Manche Teller kom-men auch nie zu Tisch! Nehmen wir die Vorspeise „Waldrand“: Ich habe einen bestimmten Geschmack im Kopf, kann

Ist Essen für Sie politisch?

Das würde ich so nicht sagen. Vegeta-risch macht mir einfach Freude. Politisch effizient sind ja nicht die lauten Auf-tritte gegen Massentierhaltung, denn sie kommen nicht dort an, wo es not-wendig wäre. Politisch ist vielmehr, mit Sorgfalt einzukaufen! Zum Beispiel Fleisch von jemandem zu beziehen, der die Tiere als seine Mitarbeiter bezeich-net. Oder geangelten Fisch zu kaufen. Auf die Barrikaden zu gehen hilft weni-ger als dorthin zu gehen, wo Tiere mit Liebe behandelt werden.

War das für Sie immer so umsetz-bar?

Ich habe Glück gehabt, bei guten Kö-chen gelernt zu haben: Meine Lehre im Hotel Löwen in Serfaus, wo mir der Küchenchef wichtige Tugenden wie ei-serne Disziplin und den Willen, immer das Beste zu geben, eingeimpft hat. Zwei Jahre unter Günter Drauch im Ho-tel Post in Lech, wo ich mittels Perfekti-on und Qualität erstmals die Liebe zum Beruf entdeckte. Bei Martin Sieberer im Trofana Royal sah ich, wie sich das Aus-strahlen von Ruhe positiv auf die Arbeit auswirkt; seine Mitarbeiterführung war für die damalige Zeit sehr weitsichtig. Und meine erste Küchenchef-Station im Seehof Goldegg bei Sepp Schellhorn ließ mich lernen, was Gastlichkeit wirk-lich heißt.

In einem luxuriösen Resort an der Havel, wo ich für 2 Restaurants und 3 Bankettsäle, für Tagungsgäste und hochrangige Veranstaltungen verant-wortlich war, lag ich aber mit meiner Arbeitsweise für 150 Business-Gäste bei 18 EUR pro Mittagessen – gegen-über 10 EUR Standard. An dem Punkt hörst du auf zu diskutieren, veränderst den Einkauf. Aber du gehst selbst fast zugrunde, weil du gegen deine per-sönliche Ethik arbeitest. Immerhin ha-ben wir auf Convenience verzichtet, die gab es im A-la-carte-Bereich nicht. Ich verstehe deshalb einige Kollegen, man steht unter Druck und muss eini-ges ausblenden. Resignation aber ist der Egoismus der Schwachen; selbst wenn du nur 10% steigerst im Einsatz bestimmter Waren, hast du schon et-was bewirkt.

ihn aber nicht erklären. Da ich meine Vorstellungen gegenüber den Mitar-beitern nicht so exakt ausdrücken kann, müssen sie Geduld mit mir haben. Doch

sie haben selbst beim Tüfteln Freude, die richtig groß wird, wenn ein Gericht fertig ist. Und in drei Wochen Entwick-lungszeit sind wir immer weit gekom-men. Herausforderungen machen das Leben eben spannend.

Wein ist ein zweites großes Thema des TIAN. Wie ist da die Abstim-

mung mit der Küche?

Wir führen zwei Mal in der Woche Wein-training mit dem Team durch, ich ver-koste auch mit unserem Sommelier Ale-xander Adlgasser, was zu den neuen Gerichten passen könnte. „Man muss die Nuancen des Gemüses herauskos-ten,“ sagte er, und so ist die Abstim-mung immer ein schwieriger Schritt. Wein ist eben eine extrem große Welt. Aber ich vertraue „The Grape“. Ganz persönlich fühle ich mich allerdings mit einer Flasche Wein entspannter als mit einer ausgesuchten Weinbegleitung. Essen darf mich nicht stressen!

MAN IST ALS KOCH EINFACH SO VERTRAUT MIT ALLEN FISCH- UND FLEISCHZUSTÄNDEN UND

TUT SICH DESHALB ANDERSWO SCHWER.

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