Radikal leben – Die englischen Künstler Gee Vaucher und ... · DEUTSCHLANDFUNK Sendung:...

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DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Hörspiel/Hintergrund Kultur Dienstag, 01.09.2015 Redaktion: Hermann Theißen 19.15 – 20.00 Uhr Radikal leben – Die englischen Künstler Gee Vaucher und Penny Rimbaud Von Martina Groß URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript -

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DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Hörspiel/Hintergrund Kultur Dienstag, 01.09.2015 Redaktion: Hermann Theißen 19.15 – 20.00 Uhr

Radikal leben –

Die englischen Künstler Gee Vaucher und Penny Rimba ud

Von Martina Groß

URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript -

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Atmo: Auto rattert über die Schotterpiste, Flaschen klappern. Gee: „It must be very

sunny today“

Autorin:

Nach einer kurvenreichen Fahrt über enge Landstraßen durch das frühlingshafte

Essex und am Ende über anderthalb Kilometer Schotterpiste sind wir in Dial House

angekommen.

Musik : Penny Rimbaud: Somewhere Over the Rainbow - in a lullaby

Atmo: Garten - Vögel

Autorin:

Über dem hölzernen Gartentor wehen tibetanische Fahnen. Ein solides

zweistöckiges Haus, dessen rote Klinkerfassade warm im Abendlicht leuchtet. Bis

hoch zum Giebel ranken Rosen. Ein gepflasterter Weg führt zu einem Hintereingang;

die Tür ist aus Bootsplanken gebaut. Ein großer Gemüsegarten. Die ersten

Frühblüher leuchten in den Beeten. Auf der Wiese stehen Narzissen und Krokusse.

Zwei braune Hennen laufen eifrig pickend herum. Tiefer im Garten stehen alte Ulmen

und Eichen, die im Sommer Schatten spenden. Bänke und ein Tisch; verstreut

stehende Stühle. Die Regenbogenfahne im Wind. Skulpturen aus gefundenen

Gegenständen und die steinerne Büste einer Frau im Gras, vielleicht aus einem

Schlosspark. Das Windspiel aus verrosteten Dosen und der weite Blick über Wiesen

und Felder. Es ist gut wieder hier zu sein.

Musik : Penny Rimbaud: Over the Rainbow - Zwischenspiel

Atmo : Garten

Autorin:

Wenn ich Freunden erzähle, ich fahre nach Dial House, vermuten manche, das wäre

eine Art Wellness-Urlaub: im Grünen gärtnern, gesundes vegetarisches Essen, Tai

Chi und viel Zeit zum Ausspannen und Relaxen. Vieles was hier seit Jahrzehnten

gelebt wird, ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

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Atmo : Feuer - Penny: „Hello, I‘ll get more wood.“ - okay.

O-Ton : Gee Vaucher

You can‘t decide to be radical, it‘s the way you approach something, isn‘t it?

Übersetzerin:

Man kann sich nicht entscheiden, radikal zu sein. Es geht darum, wie man an etwas

herangeht.

O-Ton 2 : Penny Rimbaud

I don‘t think this is radical what I do. I mean what‘s radical? … It is sensible.

Übersetzer 1:

Was ich tue ist nicht radikal. Es ist vernünftig.

Ansage :

Radikal leben

Die englischen Künstler Gee Vaucher und Penny Rimbaud

Ein Feature von Martina Groß

Atmo : Am Feuer-Unterhaltung, Vogel zwitschert

G: You know Pen is going to Brandenburg.

Aut: When?

P: In May 24th.

A: What are you talking, going to talk about?

P: Well, he thinks I am gonna talk about how ... you can live surrounded by capitalist

system? Something like that.

Autorin:

Penny hat in einer Eisenschale ein Feuer entzündet. Das erste in diesem Jahr. Er

legt Holz nach. Seit seinem Herzinfarkt im letzten Jahr dampft der schmale Mann mit

den schulterlangen weiß-blonden Haaren elektrische Zigaretten. Gee sitzt sehr

entspannt auf einer Bank, lange Haare, Pony und Lachfalten. „Nächsten Monat fährt

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Penny nach Brandenburg“, erzählt sie. Penny soll berichten, wie man mitten in einem

kapitalistischen System gut leben kann. Die Erwartungen wird er nicht erfüllen,

Penny glaubt, vielen Linken fehle jedes Verständnis für seine Haltung des „Laissez

faire“, sie würden auf politische Lösungen setzen. - Ich tue das auch.

Atmo : Am Feuer -Unterhaltung:

G: You too?

P: I thought we convinced you last time.

G: Bugger. Shall I take you back now? (LACHEN)

Musik: Penny Rimbaud, Oh Magick Kingdom Intro

Autorin:

Zwei Wochen nach dem 11. September 2001 hatte ich in Wolverhampton auf einer

Konferenz über Punk Penny kennengelernt, Dichter, Agent Provocateur, Philosoph

und Schlagzeuger der Anarcho-Punkband Crass.

O-Ton : Penny Rimbaud:

I don‘t really see any differences between any of the various disciplines if you wanna

call it that. And I move from one to the other without really noticing. You know I made

up a haiku the other day, which was, I have to try to remember it. Tides turn, birds

sing and we do the washing up. You know we‘ve got different activities and I really,

there might have been times in my life where I was trying to push something but

certainly in the last ten or fifteen years of my life I've lost any interest in pushing

things. Things will grow of their own accord.

Übersetzer 1:

Ich sehe keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Disziplinen, wenn man sie

so nennen will. Ich bewege mich zwischen ihnen, ohne dass es mir auffällt. Ich habe

gerade einen Haiku geschrieben. Gezeiten wechseln, Vögel singen und wir machen

den Abwasch. Wir haben unterschiedliche Aktivitäten und in meinem Leben gab es

Zeiten, wo ich versucht habe, etwas anzustoßen, aber in den letzten zehn oder

fünfzehn Jahren interessiert mich das nicht mehr. Dinge wachsen von alleine.

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Musik : Magick Kingdom Intro

Autorin:

Penny lud mich damals nach Dial House ein, wo ich auch Gee traf. Eine Frau voller

Energie und Tatendrang, jederzeit bereit eine neue Idee umgehend in die Tat zu

setzen. Seitdem hat sich eine Freundschaft entwickelt und eine permanente

Auseinandersetzung. Darüber wie Veränderungen in der Gesellschaft möglich sind,

über die Verantwortung und Möglichkeiten jedes einzelnen und über die große

Politik, an die sie nicht glauben. Wahlen sind so ein Thema, wo wir diametral

entgegengesetzte Ansichten vertreten.

O-Ton : Penny

I mean I just bow into despair when people in the big Iraq protest were walking along

with „Not in my name“ posters. Well in whose fucking name was it? That‘s what

people vote for. They vote to be represented and almost inevitably that will involve, if

not military war, certainly economic war, vicious competition, vicious nationalism, all

sorts of absolutely inhumane forms of behavior. And there is no point what so ever in

claiming that it is anything but „in your name“ if you vote. So it‘s morally reprehensible

to vote.

Übersetzer 1:

Es hat mich in blanke Verzweiflung gestürzt, als Menschen gegen den Irak Krieg mit

Postern „Nicht in meinem Namen“ demonstrierten. In wessen verdammten Namen

denn sonst? Das ist es, was die Leute wählen, sie geben ihre Stimme, um

repräsentiert zu werden und dazu gehört unausweichlich, wenn kein militärischer

Krieg, dann sicher ein Wirtschaftskrieg, bösartiger Wettbewerb, bösartiger

Nationalismus, alle Arten absolut unmenschlicher Verhaltensweisen. Es ist Blödsinn

zu sagen, es sei nicht in „deinem Namen“, wenn du wählst. Deswegen ist es

moralisch verwerflich zu wählen.

O-Ton : Gee

I think people can be self governing. I am not talking about going backwards, of

course I do think things were better when they were smaller and there is inter-

communication and interdependence, but the units if you like and I am not talking

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about communism, I am not talking about any of the isms, I do believe in people, but

obviously I believe in the goodness of people, I suppose.

Übersetzerin:

Ich glaube, Menschen können sich selber regieren. Damit will ich die Geschichte

nicht zurückdrehen, obwohl ich denke, es war besser, als alles übersichtlicher war,

es Kommunikation untereinander und gegenseitige Abhängigkeit gab, kleinere

Einheiten. Damit meine ich nicht Kommunismus oder irgendwelche ismen. Ich glaube

an die Menschen, offensichtlich glaube ich an das Gute in den Menschen.

Musik

Autorin:

Als ich zum ersten Mal in Dial House war, war ich erstaunt über das schöne

Anwesen, die geschmackvolle Einrichtung, mit dem, was andere weggeworfen

haben, die Kunst überall, über den idyllischen Garten und das abgewaschene

Geschirr. Berühmt war das Haus schon damals, weil es zwischen 1977 und 1984

Zentrale und Ruhepol der anarcho-pazifistischen Punkband Crass gewesen war, 16

Erwachsene und Kinder lebten hier. Ich hatte mir Punk anders vorgestellt, nicht als

Landkommune. Als ich Penny kennenlernte, recherchierte ich für eine Sendung über

die Sex Pistols, The Clash und andere Punk Größen. Schnell war klar, dass Crass da

nicht wirklich reinpassen, Crass waren anders ….

Musik: Fight Wars Not Wars / Rival GTribal Rebel Revel

Autorin:

Crass hatten ihr eigenes Plattenlabel und sie verkauften ihre Platten preiswert,

immerhin zwei Millionen. Mit den Gewinnen unterstützen sie andere Bands. Der Rest

floss in eine Gemeinschaftskasse. Ihre multimedialen Konzerte organisierten sie

selbst, häufig in Jugendzentren oder libertären Clubs. Am Ende wurde der

Wasserkessel aufgesetzt, Tee gekocht und mit den Fans diskutiert. Flugblätter lagen

aus, Informationen, darüber was in England oder auf der anderen Seite der Welt

passierte und ganz praktisch: wie man sein eigenes Gemüse anbaut, Brot backt, ein

Haus instand besetzt oder im Supermarkt klaut.

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O-Ton : Gee

We were not trying to change the world, we were just trying to share the experiences

that we‘d had about the world. And of course we had a whole range of ages in the

band.

Übersetzerin:

Wir versuchten nicht die Welt zu verändern, sondern wollten die Erfahrung teilen, die

wir in der Welt machten. Natürlich hatten wir Leute unterschiedlichen Alters in der

Band.

Autorin:

Penny und Gee waren zwanzig Jahre älter als der Jüngste in der Band. Sie schufen

eine Plattform für verschiedene Bewegungen: Veganer Front, Tierbefreierinnen,

Hardcore Punk oder Do-It-Yourself-Aktivisten.

Das Aufkommen des Punk und der Aufstieg Margaret Thatchers verliefen fast

zeitgleich. Die Premierministerin war damals auf der Höhe ihrer Macht und der

Umbau Großbritanniens, die Zerschlagung der Gewerkschaften, die Privatisierung

von Staatsunternehmen sowie der Abbau des Sozialstaates in vollem Gange. „Es

gibt keine Gesellschaft … nur einzelne Männer und Frauen und ihre Familien“,

propagierte Thatcher, „es ist unsere Pflicht, für uns selbst zu sorgen und dann für

unsere Nachbarn“.

Einspielung : Stop the City

Crass mischten sich ein, sie unterstützten die Bergarbeiter und sie waren daran

beteiligt, neue Protestformen auszuprobieren, die im März 1984 den Londoner

Finanzdistrikt lahmlegten. Ein politischer Karneval, getragen von kleinen Gruppen,

die unabhängig voneinander agierten. Ihr Protest richtete sich gegen

Kriegsprofiteure, die Banken und die Rüstungsindustrie. Die gewaltfreie, spielerische

Aktion gilt als Blaupause für globalisierungskritische Proteste von Seattle bis zu

Occupy Wallstreet.

Musik :Step Outside

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Musik : Crass - Taking Sides

You must learn to live with your own conscience, your own morality, your own

decision, your own self. You alone can do it. There is no authority but yourself.

O-Ton : Penny

I mean Crass encouraged people to consider their lives, to question their lives, to

question the role that they've been mostly conditioned to accept, etc, etc, to look for a

deeper self.

I mean the slogan „There is no authority but yourself“ is exactly what everything

Crass did was about.

Übersetzer 1:

Crass machte Leuten Mut, ihr Leben zu überdenken, es infrage zu stellen. Ihre Rolle

zu hinterfragen, in die sie eingepasst wurden, Mut, tiefer in sich hineinzuhören. Der

Slogan „Es gibt keine Autorität außer dir selbst“, genau darum ging es bei Crass.

Musik: Crass - Punk is Dead

O-Ton: Gee

You think we were monsters. Did you? (Lachen) Yeah, I suppose so, we were very

serious on stage. I mean we had something to say and we felt it was very important

for us to say it.

Übersetzerin:

Wir waren auf der Bühne sehr ernst. Wir hatten etwas zu sagen und es war uns

wichtig, das auszusprechen.

Autorin:

Ich hatte Crass nie auf der Bühne gesehen, als ich Penny und Gee kennenlernte.

Was mir sofort gefiel: Sie lebten, was sie predigten, und sie missionierten nicht.

Obwohl beide überzeugte Vegetarier sind, hielten sie mich nie davon ab, Fleisch zu

essen. Natürlich kannte ich Gees Film „Semi Detached“, in dem die Schlachtung

einer Kuh im Loop läuft. Überhaupt, ich kannte einige ihrer Bilder; einmal gesehen,

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bleiben sie im Gedächtnis haften: Die Freiheitsstatue, mit vor dem Gesicht

zusammengeschlagenen Händen, oder der Soldat in schwarz-weiß, in dessen

müden, abgekämpften Gesicht rote Lippen und ein Zahnpastalächeln leuchten, oder

die verkohlte Hand, die in einen Stacheldraht greift: „Your Country needs you!“ Für

das Cover ihrer Single „Bloody Revolutions“ hat Gee das bekannte Foto der Sex

Pistols als Vorlage genommen: Die Pistols lässig an eine Mauer gelehnt, in Gees

Gouache hat sie die Körper der Musiker mit den Köpfen von Reagan, Thatcher, dem

Papst und der Freiheitsstatue gemalt. Damals collagierte Gee viel, nutzte

Vorgefundenes aus Lifestyle-Magazinen oder Werbeanzeigen, kombinierte es mit

Gemaltem, oft sehr photorealistisch und komplex.

O-Ton : Gee

I think the small things are incredibly important. It’s very easy to do the grand

gesture, but it’s the fine detail that really makes it different.

Übersetzerin:

Die kleinen Dinge sind sehr wichtig. Die große Geste ist einfach, aber es ist das feine

Detail, das den Unterschied macht.

Autorin:

Zwei Jahre lebte Gee in den 70er-Jahren in New York als Illustratorin für die Politik-

Redaktionen des New York Times Magazines und anderer Zeitschriften. Dann wurde

sie aufgefordert, eine Illustration für eine Reportage über den Bruder des damaligen

Präsidenten Carter zu entschärfen.

O-Ton : Gee

They said: we can‘t use this. Laughs. We can‘t use it, could you take this bit out? So I

did. I did take it out, but I felt very unclean afterwards. I thought if that ever happens

again, I am not doing it.

Übersetzerin:

Sie sagten: Das können wir so nicht bringen. Können Sie das hier rausnehmen? Ich

machte es, aber ich fühlte mich danach sehr schmutzig. Nochmal mache ich das

nicht.

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Autorin:

Gee hat seitdem einen eigenwilligen Weg gefunden, die Kontrolle über ihr Werk zu

behalten, von ihrer Kunst zu leben, ohne Kompromisse einzugehen, oder nach den

Gesetzen des Marktes zu spielen.

O-Ton : Gee

I am not interested at all,(laughs), nothing is for sale, (laughs), no, I don‘t put my

things up for sale really. Very, very rarely, I have everything that I've done really. I

kind of like, well, I don‘t like the idea of private collections, when nobody can see

anything. I don‘t like that very much. I like it if I do prints, that‘s a different matter

that‘s fine. Limited edition, a big limited edition, that‘s accessible financially to a lot of

people.

Übersetzerin:

Nur sehr selten biete ich etwas an. Ich besitze wirklich alles, was ich gemacht habe.

Mir gefällt die Idee privater Sammlungen nicht besonders, wenn niemand mehr

Zugang hat. Drucke sind etwas anderes, das ist okay, große limitierte Auflagen, das

können sich viele Leute leisten.

Atmo : Küche: Gee kocht

Autorin:

Während Gee das Abendessen vorbereitet und Brot backt, denke ich an ihre

zahlreichen Ausstellungen in den letzten Jahren. Die große Retrospektive 2012 in

der New Yorker Boo-Hooray Galerie. Einzelausstellungen und Beteiligungen in Los

Angeles, San Francisco, Antwerpen und London mit neuen Werken. Die alten Crass-

Sachen gehören inzwischen zum Kanon von Punk. Ihre Bilder erscheinen auf

Einbänden von Standardwerken und einige Plattencover gehören zum Bestand des

Victoria and Albert Museums. Gee könnte mit ihren Bildern viel Geld verdienen; aber

das interessiert sie nicht.

Atmo : Küche: Gee kocht

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O-Ton : Gee

No, (laughs), in a word „no“. I mean since we started publishing obviously one needs

to try and get some return on the books because this is the only way we get enough

money to print the next project, so and it is kind of why I do the prints, the prints of

the old Crass stuff, because they sell and it sort of compensates for the more radical

stuff if you like or new stuff that doesn't sell so well.

Übersetzerin:

Also seitdem wir Bücher verlegen, müssen wir natürlich etwas Geld durch die Bücher

reinbekommen, es ist die einzige Möglichkeit genügend Geld für das nächste Projekt

zu haben. Deswegen gibt es die Drucke mit den alten Crass-Sachen, die finanzieren

die radikaleren oder neueren Sachen, die sich nicht so gut verkaufen.

Autorin:

Vor ein paar Jahren hat Gee ihren eigenen Verlag reanimiert, die Exitstencil Press,

Ein Wortspiel aus EXIT, Ausgang, einer Fluxus Musiktheatergruppe, zu der sie und

Penny in den frühen 70er-Jahren gehörten, Stencil, der Schablone zum Graffiti

sprayen und Existentialismus. Sie veröffentlicht, was sie für wichtig hält: Bücher,

CDs, Filme und Drucke, eigenes, Pennys Texte und Aufnahmen oder Arbeiten

befreundeter Künstler..

O-Ton : Gee

Doing what you want. (laughs). Yeah, but I mean, yes, but we haven‘t got this far

without mutual support, you know that we have lived with no money, we have lived

with bills coming in, we think, well, where we gonna get it from? And then something

turns up so, something always turns up, cause I am a bit of a Mr. Micawber and I am

a very fortunate person. , I have to say, I don‘t get, I don‘t get fretful about money, I

really don‘t, I can‘t it is not in my nature to get worried about it. It is kind of relax,

some is gonna turn up, isn‘t up, because you wanted to, you needed to. So and it

does and I had been very fortunate,) I have always been fortunate (schiebt Brot in

Ofen)

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Übersetzerin:

Tun, was man möchte. Ja, aber ohne gegenseitige Hilfe wären wir nicht so weit

gekommen. Wir haben ohne Geld gelebt, Rechnungen kamen und wir dachten,

woher sollen wir das nehmen? Und dann ergibt sich etwas, immer. Ich bin wie diese

Dickens-Figur Mister Micawber, ein sehr glücklicher Mensch, ich mache mir keine

Sorgen um Geld, das ist nicht in mir angelegt. Entspann dich, etwas wird auftauchen,

weil du es willst, du es brauchst. Und das passiert. Ich habe immer Glück gehabt.

Atmo : Küche: Gee kocht

Musik

Autorin:

1945 in London geboren, wuchs Gee als Kind einer Arbeiterfamilie in der Ford-Stadt

Dagenham auf. Die Kinder aus Arbeiterfamilien waren als Nachschub für die

Fabriken vorgesehen. Gee wollte Kunst studieren, ohne Schulabschluss.

Musik: Benjamin Britten Symphony Op 4

O-Ton : Gee

But, I was very determined …

Übersetzerin:

Ich war sehr entschlossen.

Autorin:

Mit 15 verließ sie die Schule, wurde an einer Kunstakademie angenommen. Sie

eignete sich eine klassische Kunstausbildung an und traf Penny Rimbaud.

O-Ton : Gee

Totally new world. I‘d never met anybody like Penny Rimbaud.

Autorin:

Zwei Jahre älter als Gee war Penny nach dem Rauswurf aus zwei Privatschulen an

die Kunstschule gekommen.

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O-Ton: Gee

I came from a very working class, poor background, he came from a very privileged

background. He was naughty, I was naughty. So, (laughs), not in the sense. You got

into trouble at school when you were questioning and you couldn't sit still and you

already realized that there was a pile of shit going on here and lies and so yes, I

mean that was the basis of that.

Übersetzerin:

Ich kam aus der Arbeiterklasse, wir waren arm, er kam aus einer sehr privilegierten

Familie. Er war ungezogen, ich war ungezogen. Man bekam Ärger in der Schule,

wenn man etwas infrage stellte, man konnte nicht stillsitzen und wusste schon, es

gab hier viel Scheiße und Lügen, das war das Fundament.

Musik : Miles Davis: Now is the Time

Autorin:

In den ausgehenden fünfziger Jahren war die Atmosphäre gleichermaßen geprägt

durch Freude über den Frieden wie durch den Horror, den die Bilder von Auschwitz

und Hiroshima auslösten. Die drängende Frage: Wie konnte es dazu kommen?

O-Ton : Penny

It‘s not the system, it is not the state and it is not the church. It is none of those

things, it is each individual and its fear, peoples‘ utter fear of what they know

intrinsically know, in existentialism calls it responsibility, Zen calls it being. I mean it is

no morality within the non-material world, because it is simply as it is.

Übersetzer 1:

Es ist nicht das System, es ist nicht der Staat und nicht die Kirche, keines davon, es

ist jedes Individuum und seine Angst, sie haben Angst vor ihrer tatsächlichen

Verantwortung, wie die Existentialisten es nennen. Zen nennt es Sein. In der

immateriellen Welt gibt es keine Moral, denn es ist wie es ist.

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Autorin:

Das grundlegende Misstrauen gegenüber autoritären Strukturen wurde angefüttert

durch Einflüsse, die aus den USA kamen: Rock‘n Roll, Pop Art, Beatniks, Hippies:

O-Ton : Gee

What I got from it, it was to be myself, be my own person, be my own healer, be my

own adventurer, everything really. I mean, before that everything seemed to be that

you relied on someone else to do it for you, either your parents or state and the thing

was, you took it on to yourself, to heal yourself, to grow and to do what you wanted to

do really.

Übersetzerin:

Für mich hieß es, ich selbst zu sein, eine selbstbestimmte Persönlichkeit, Heilerin,

Abenteurerin, alles. Davor schien man von anderen abhängig zu sein, dass sie etwas

für einen tun, entweder die Eltern oder der Staat. Es ging darum, es selbst in die

Hand zu nehmen, sich selbst zu heilen, zu wachsen und zu tun, was man wirklich tun

wollte.

Musik: The Inn of the Sixth Happiness - Soundtrack

Autorin:

Ende der 60er-Jahre mietete Penny Dial House. Damals eine Ruine im Nirgendwo

des Londoner Grüngürtels; aber nur fünf Meilen entfernt von der Endstation der Tube

in Epping. Er wollte raus aus dem Bildungssystem der Kunstschule, wo er lehrte. In

seiner Autobiographie „Shibboleth“ beschreibt er, wie er seinen Studenten Freiheit

predigte. Die erklärten ihm, mit der Sicherheit eines gut bezahlten Jobs, sei das eine

schöne Theorie.

O-Ton : Penny Rimbaud

Yeah, I just wanted to live in a different way, I didn't like the way, I didn't like the sort

of order and ownership and, yeah. Well, I didn't really know, it was an experiment, I

took the locks off the doors, metaphorically as much as realistically, I wanted to see

what would happen when I didn't have a job when I didn't have, I wasn't looking for

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anything, I was quite interested to see what would happen. And then people started

turning up from nowhere.

Übersetzer 1:

Ich wollte anders leben. Mir missfiel diese Art Ordnung und Eigentum. Es war ein

Experiment, ich entfernte die Schlösser von den Türen, so metaphorisch wie real. Ich

wollte sehen, was passieren würde, wenn ich keine Arbeit hatte und keine suchte. Ich

suchte gar nichts. Mich interessierte, was passieren würde, und dann tauchten Leute

aus dem Nichts auf.

Atmo : Feuer, mit Unterhaltung

Autorin:

Das Feuer in der Schale wärmt noch. Es ist inzwischen kurz nach elf. Wir trinken

Wein und Gee unterhält sich mit einem Waldkauz, als ein junger Mann mit Rucksack

aus dem Dunklen auftaucht. Dial House zieht nach wie vor Suchende an.

Atmo : Feuer, mit Unterhaltung

G: EWITT ...

M: Hi. Is Penny inside?

G: Hello!

A: Hi

G: Come forward, lets see you. Friend or foe?

M: a friend

G: Take a seat. I can see. Hello. I expected you. You are cold.

M: Yeah. I guess. Hi hello.

G: This is Martina

A: Hi

G: I am Gee.

M: Hi Gee.

G: Are you hungry? Thirsty?

M: A bit I guess

G: Would you like a sandwich of some sort, there is some fresh bread its been

baked.

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Autorin:

Marco kommt aus Slowenien. Er hat den letzten Bus aus Epping verpasst und ist

gelaufen. Das Abendessen hat er auch verpasst, aber es gibt frisches Brot.

O-Ton : Penny

Anyone will get a bed for the night and food. But in the morning, they‘ll be asked,

what‘s your plan? What do you want? I mean generally speaking no one has ever

just turned up and then continued to live here. We have to get to know people before

we are gonna have them as full time residents. Anyway, so I said, well look what do

you want? He really wanted to see how this place works, talk about ideas creating

something similar himself in Slovenia, as his family own a farm.

Übersetzer 1:

Jeder kann über Nacht bleiben und bekommt zu essen. Aber am Morgen werden sie

gefragt, was hast du vor? Was willst du? Bisher ist noch nie jemand einfach

aufgetaucht und geblieben. Wir müssen die Leute besser kennenlernen, bevor wir

sie als Mitbewohner akzeptieren. Auch Marco habe ich gefragt: Was willst du? Er

wollte sehen, wie dieser Ort funktioniert, erzählte von Ideen selbst etwas Ähnliches in

Slowenien aufzubauen, wo seine Eltern einen Hof besitzen.

Atmo: Türglocke und Jazz im Wohnzimmer

Autorin:

Marco bleibt für drei Nächte, dann sagt Gee, sie brauche mehr Ruhe. Es gibt

Menschen, die länger in Dial House wohnten, viele Künstler, Freunde oder Fremde,

die Freunde wurden, die Zeit und einen Ort brauchten, um abseits vom Alltag zu

arbeiten oder herauszufinden, wie es weitergehen soll. Bei meinem Besuch wohnt

neben Marco ein Graphikdesigner aus London hier; seit einem Jahr. Aber das Haus

ist kein bequemer Ort, es gibt immer etwas zu tun, und im Winter ist das Leben

ziemlich hart. Dann kommen deutlich weniger Gäste, die über Nacht bleiben. Es

kann bitterkalt in dem alten Haus werden, der Wind zieht durch die Fenster und es ist

immer etwas feucht und kühl. In den Betten liegen Heizdecken, aber das Aufstehen

am Morgen kostet Überwindung. Die gemütliche Bibliothek ist dann das einzige

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Zimmer, in dem es warm wird. Bis weit hinein ins Frühjahr wird der Allesbrenner dort

mit Holz gefüttert, in dem Kessel darauf, das Wasser für den Abwasch erhitzt.

Musik : Ornette Coleman - Summertime

Autorin:

Ganz anders im Sommer, dann stehen die Türen weit offen und Kommende und

Gehende geben sich manchmal die Klinke in die Hand. Es gibt verschiedene

Workshops, einen Filmclub für Kinder und „Toms fantastischen Kunstclub“, den einer

der Nachbarsjungen vom Bauernhof nebenan vor Jahren ins Leben gerufen hat.

Immer hat das Haus kreative Geister und schräge Gäste angezogen, wie Gee

erzählt, nur selten solche, die ernsthafte Probleme bereitet haben.

O-Ton : Gee

It was a very, seufzt, a rare guest in a sense that he was very damaged, alcoholic,

aggressive and he had been, he had been here before.

Übersetzerin:

Ein seltener Gast, sehr kaputt, Alkoholiker, aggressiv. Er war vorher schon mal da.

Autorin:

Eines Abends saß er wieder im Wohnzimmer, erzählt Gee, ein Crass-Fan. Wie allen

boten sie ihm ein Bett für die Nacht an - im Wohnwagen. Schon morgens war er

volltrunken, nachmittags erwartete Gee eine Gruppe Kinder. Der Mann weigerte sich

zu gehen. Sie drohte, die Polizei zu rufen. Crass und die Polizei! Der Fan glaubte es

nicht und verbarrikadierte sich im Wohnwagen, auf den er schrieb: „Ich wohne hier“.

Gee rief die Polizei. Erst kamen zwei junge Polizisten, dann sechs weitere, inklusive

eines Chiefinspectors.

O-Ton : Gee

So by this time, oh, this is being going on, there is eight police (laughs), is getting

worse by the minute and he‘s got has him locked himself in the caravan. So anyway

the police around the caravan. I said, I don‘t want any man handling, I want it very

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soft, gentle. I said, he is somebody who has suffered something, I don‘t know what it

is, but he is sick. So, please, no heavy hands. No. Fine.

Übersetzerin:

Inzwischen waren acht Polizisten da, im Minutentakt wurde es schlimmer, er hatte

sich im Wohnwagen eingeschlossen, die Polizisten standen drumherum. Ich sagte,

ich will nicht, dass er grob behandelt wird, vorsichtig bitte. Er ist jemand, der

beschädigt ist, ich weiß nicht, was er hat, aber er ist krank.

Autorin:

Schließlich brachten die Polizisten den Fan zum Bahnhof. Nicht ohne ein

Sandwichpaket von Gee. Währenddessen outete sich auch der Chiefinspector als

Crass-Fan.

O-Ton : Gee

And it was so odd, the whole situation because here is supposedly the enemy, you

know the filthy pigs and all that, which I had never liked at all, and then there is the

fan in the caravan locked in, you know, sort of creating hell for everybody and I

thought, you just couldn't write this script, people would never believe it. I thought, oh

wow, isn‘t it strange so many Crass people that followed Crass are inside the system.

How inside could you be then that? And I think given the choice I‘d rather have

somebody like that there then not. How are you gonna change this if you don‘t have

somebody who seems to, seems to still be with the same sort of philosophy about life

and moral about life. So may be he‘ll make the change, he is in a very good position

to do so as chief-inspector. So that is kind of like odd, very odd, very memorable

Übersetzerin:

Die ganze Situation war verrückt: hier war der angebliche Feind, die „Bullen“, das

mochte ich sowieso nie, und dann ist da der Fan, der allen das Leben zur Hölle

macht. Das konnte man nicht erfinden, niemand hätte das geglaubt. Es ist seltsam,

so viele Crass-Anhänger sind Teil des Systems. Könnte man tiefer drin sein? Aber

wenn ich die Wahl hätte, hätte ich lieber so jemanden in dieser Position als

niemanden. Wie will man etwas verändern, wenn nicht mit Leuten, die eine ähnliche

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Philosophie vom Leben vertreten und Moral besitzen. Vielleicht verändert er etwas,

als Chiefinspektor ist er in einer guten Position.

Atmo : Penny am Schreibtisch, Musik (Black Man von den Blooody Beetroots)

Autorin:

Im Garten stehen drei selbstgebaute schlichte Holzhütten. In einer wohnt Penny. Ein

übersichtlich eingerichteter Raum. Große Fenster. Auf dem Holzschreibtisch liegen

geöffnete Briefe, eine elektrische Zigarette samt Zubehör und ein kleiner Laptop.

Penny tritt immer noch regelmäßig auf, vor allem mit Jazzmusikerinnen: Free Jazz.

Bei den Konzerten rezitiert er seine Gedichte. Auch eine Oper hat er geschrieben:

The Magick Kingdom. Es gibt immer neue Projekte. 2012 fragte ihn die italienische

Electroband The Bloody Beetroots, ob er nicht Lust hätte einen Song mit ihnen

aufzunehmen.

O-Ton : Penny

I went up on Youtube and watched their gigs and they have some massive gigs in

America on Youtube, sort of a thousands of kids. All sort of waving their, their victory

signs, all white generally speaking .... All with sort of with dental cosmetics, all very

pretty and beautiful and American and I just thought, fucking hell, if I could get that

song, that poem performed in front of those kids, then may be they gonna get some

idea of what is happening in their sort of glorious American dream.

Übersetzer 1:

Ich ging auf Youtube und sah mir ihre Auftritte an, sie haben einige große Konzerte

auf Youtube mit tausenden von Jugendlichen, alle ihre Siegeszeichen zeigend, alle

Weiß, alle mit guten Zähnen, alles sehr hübsch und schön und amerikanisch. Ich

dachte mir, verdammt, wenn ich vor ihnen den Song, das Gedicht vortragen könnte,

dann bekommen sie vielleicht eine Ahnung davon, was in ihrem großartigen

amerikanischen Traum vor sich geht.

Atmo : Penny am Schreibtisch, Musik

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Autorin:

Es ist eine seiner selten gewordenen politischen Äußerungen. „A Black Man in the

White House“ hat Penny unmittelbar nach der Wahl Barack Obamas geschrieben.

Als es die Illusion gab, mit einem schwarzen Präsidenten würde in den USA auch der

Rassismus überwunden sein. Stattdessen führten Maßnahmen wie der „Krieg gegen

Drogen“ zu einer neuen Rassendiskriminierung, der Kriminalisierung und

massenhaften Inhaftierung schwarzer Amerikaner und zu ungezählten Tötungen.

Atmo : Musi Ende Gong - God Bless America

Autorin:

Als ich Penny kennenlernte war er intensiv auf der Suche nach einem großen Verlag

für seine Bücher. Es fand sich keiner. Heute erscheinen sie kongenial gestaltet bei

Bracketpress, einem britischen Kleinstverlag. Die Manuskripte stehen in einem

kleinen Holzregal. Kladden mit schwarzem Buchrücken und aufgeklebten Titeln:

Shibboleth“, Pennys Autobiographie und die Geschichte von Crass, die in mehrere

Sprache übersetzt ist. Gedichte, „The Diamont Signature“, daneben „This Crippled

Flesh“ - „Dieses verkrüppelte Fleisch“, ein Buch über Philosophie und Schmutz. Über

Gewalt und Obszönität. Eine kritische Auseinandersetzung mit Descartes': „Ich

denke, also bin ich“. Pennys Arbeiten wollen irritieren, zunehmend ist sein

Weltverständnis spirituell geprägt, beruft sich auf die Einheit allen Seins.

Atmo : Garten Idler Academy

O-Ton : Tom Hodgkinson

His work is so uncompromising, nobody would ever publish it.

Übersetzer 2:

Sein Werk ist so kompromisslos, niemand wird es jemals veröffentlichen.

Autorin:

London. Notting Hill: Die Idler Academy, eine „Akademie für Müßiggänger“. Eine

Mischung aus Buchladen und privater Volkshochschule. Im Programm: Latein,

Ukulele oder Nähkurse. Gegründet hat die Akademie der Schriftsteller, Journalist und

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Herausgeber des „Idler Magazines“ Tom Hodgkinson. Ein literarisch-philosophisch-

libertäres Magazin. Es erscheint einmal im Jahr. Penny publiziert regelmäßig darin.

Tom war über Crass auf Penny und Gee aufmerksam geworden.

O-Ton : Tom Hodgkinson

That was the good thing about Crass, they've sold millions of records and it was a

very, very effective piece of communication which was deeply liberating for hundreds

thousands, may be millions of people and it let to things like a revolutionary mayor in

Iceland and that is just one part of it. It let to a whole generation of working class

children and young people being exposed to sophisticated, political ideas around

anarchism, Proudhon, Kropotkin, Jean Paul Sartre.

Übersetzer 2:

Das Gute an Crass war, dass sie Millionen Platten verkauft haben, eine sehr

wirksame Kommunikation, die für Hunderte, Tausende, vielleicht Millionen sehr

befreiend wirkte und die zum Beispiel zu einem revolutionären Bürgermeister in

Island geführt hat. Diese Kommunikation ging in einer ganzen Generation

Arbeiterklassekindern und Jugendlichen auf, die mit den komplexen und politischen

Ideen rund um den Anarchismus konfrontiert wurden, mit Proudhon, Kropotkin, Jean

Paul Sartre.

Autorin:

Tom Hodgkinson war Ende der 90er-Jahre nach Dial House gekommen, um eine

Reportage für sein Magazin zu schreiben. Er fand dort Anregungen für eigene

Bücher, die zu Bestsellern wurden.

O-Ton : Tom Hodgkinson

Particularily in my first two books, „How to be Idle“ and „How to be free“ they came

out of conversations that I had with Penny and Gee and but among many other

things, but they recommended certain books for me to read and so through their

conversation and by their example I was inspired to put down some of those ideas in

my own books, yeah.

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Übersetzer 2:

„Anleitung zum Müßiggang“, „Die Kunst frei zu sein: Handbuch für ein schönes

Leben“, entstanden aus Unterhaltungen mit Penny und Gee. Sie empfahlen mir

Bücher zum Lesen und unsere Gespräche und ihr Beispiel inspirierten mich zu

einigen Ideen in meinen eigenen Büchern.

Autorin:

2014 hatte Tom Hodgkinson Penny und Jon Gnarr, den ehemaligen Bürgermeister

von Reijkavik zu einem Gespräch in die Idler Academy eingeladen. Der Komiker und

Anarchist Gnarr wurde nicht müde, den Einfluss von Crass für sein Selbstverständnis

zu betonen: „Sei genau der, der du sein willst solange du niemandem dabei

schadest. Du hast die Wahl“ Ein weiterer Crass Slogan, der ihn begeistert habe,

lautet: „Anarchie ist Freiheit. Aber keine Freiheit ohne Verantwortung. Freiheit ohne

Verantwortung wird Chaos. Und Chaos ist keine Anarchie. Anarchie ohne

Verantwortung ist Chaos.“

Atmo : Am Feuer, mit Unterhaltung

Penny: I am not an anarchist. You are wasting your time on me.

Lachen. Well.

I am a neo-liberal. (Lachen) Starts. Well, they got some much better ideas than most

people on the left have. It is just in practice, I don‘t think they are being as honest to

their principles.

Gee: Are there any of them?

Penny: Yeah, they are very opposed tax, they are very opposed to centralization,

they are very opposed to all sorts of things which are sort of quite anarchistic.

Übersetzer 1:

Ich bin kein Anarchist, du verschwendest deine Zeit. Ich bin ein Neoliberaler, die

haben viel bessere Ideen als die meisten Linken.

Tatsächlich leben sie aber nicht nach ihren Prinzipien. Sie sind gegen Steuern,

gegen Zentralisierung, gegen vieles; was ziemlich anarchistisch ist.

Atmo : Am Feuer, mit Unterhaltung

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Libertarianism is now always perceived particularily in the American form and has

been very rightest, but actually libertarinism is really essentially leftist, well, essential

is nothing at all but it isn‘t the right of the right.

Übersetzer 1:

Libertarismus wird vor allem in der amerikanischen Form als sehr weit rechts

verstanden, aber tatsächlich ist Libertarismus im Wesentlichen eher ziemlich Links.

Nichts ist wesentlich, aber es ist nicht das Recht der Rechten.

Autorin:

Für mich ist Dial House ein hervorragendes Beispiel dafür, dass freie

Entscheidungen und die Überwindung eigener Begrenzungen im aktiven Handeln hin

zu einer Gemeinschaft möglich sind, getragen von gegenseitiger Hilfe. Das

funktioniert offenbar nur in einem Wertesystem, das nicht von Eigeninteresse und

Profitmaximierung geprägt ist, sondern von moralischer Integrität, die sich im Tun

zeigt. Ohne das passt vieles, was hier an Alternativen gelebt wird, auch zu einem

neoliberalen Umbau der Gesellschaft.

Penny :

You know we are living proof of something or other and mainly it‘s bloody hard work,

and I don‘t know many people who are willing to do bloody hard work for other

people, in that way.

Übersetzer 1:

Wir sind der lebende Beweis für etwas und meistens ist das verdammt schwere

Arbeit. Ich kenne nicht viele Menschen, die so schwer für andere arbeiten wollen.

Autorin:

Selbst unter den Besuchern von Dial House habe ich niemanden getroffen, der das

auf Dauer wollte. Zu wenig Privatheit, die Kälte im Winter, die viele Arbeit, die große

Disziplin die es braucht. Aber es ist ein Vorbild, ein Kompass, in welche Richtung es

gehen könnte.

Atmo : Tai Chi

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What about the hips?

Autorin:

Gee ist nicht gegen jedwede staatliche Einrichtung, das National Health System, zu

dem jeder Brite Zugang hat, hält sie für ein gutes System, nur plädiert sie für den

aktiven Patienten, der sich selbst weiterinformiert. Zweimal in der Woche unterrichtet

sie in den Gemeindezentren von Epping und North Weald Tai Chi - als Form der

Selbstermächtigung.

O-Ton : Gee

I love teaching Tai Chi, I love teaching it to very old people who have been thrown on

the health heap and they could expect these things at their age and I think, na no,

come on we‘ll get you sort of leveled out a bit more. So you can stand up straight,

you don‘t look like a bloody victim. You can walk out in the street. And you often get

them saying: Oh, I went out at night, I haven‘t done that for years, cause they feel

confident. And I think: right, that‘s good, that‘s a good knock on effect, your grand

children will see that, you know it is a ripple effect. If I am gonna keep chipping away

that‘s exactly what I am gonna do, chipping away, undermining, I am not interested in

head on collisions with authority. I don‘t go on marches, because I would have a

head on collision if I saw somebody being brutalized.

Übersetzerin:

Ich unterrichte sehr gerne Tai Chi, gerade sehr alte Menschen, die gesundheitlich

abgeschrieben sind, was sollten sie in ihrem Alter schon erwarten? Von wegen, wir

können ihr Niveau anheben, so dass sie gerade gehen können und nicht wie ein

verdammtes Opfer aussehen. Sie können wieder auf die Straße gehen.“ Oft erzählen

sie: „Ich war zum ersten Mal seit Jahren wieder abends unterwegs“, weil sie sich

sicher fühlen. Das ist toll! Ein Dominoeffekt. Ihre Enkel können das sehen, und es

macht die Runde. Ich meißel an etwas herum, das tue ich, herummeißeln, ich

unterhöhle. Direkten Zusammenstößen mit der Autorität gehe ich aus dem Weg. Ich

bleibe Demonstrationen fern, weil ich sofort eingreifen würde, wenn jemand

misshandelt wird.

Atmo : Garten am Morgen, Hühner

Page 25: Radikal leben – Die englischen Künstler Gee Vaucher und ... · DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Hörspiel/Hintergrund Kultur Dienstag, 01.09.2015 Redaktion: Hermann Theißen 19.15 –

Autorin:

Das Zentrum von Dial House ist der ein Hektar große Garten. Für die Erdung und

Selbstversorgung seiner Bewohner vom späten Frühjahr bis weit in den Winter. Im

Frühjahr muss Obst und Gemüse dazu gekauft werden. Vom Markt in der Stadt, dem

nächsten Biobauernhof oder es wird mit Freunden getauscht, die selbst

Nahrungsmittel herstellen. Vereinzelt gibt es noch Rosenkohl und Broccoli und

Ruccola aus dem Gewächshaus, vor dem selbst gezogene junge Pflanzen in Töpfen

stehen, bereit zum auspflanzen. Die dunkle, schwere fruchtbare Erde muss noch

umgegraben werden.

O-Ton : Gee

Supposedly I am a naturally perma culture person, but quite honestly before the term

was used and somebody came here and said: can we do a perma culture course and

you know, because you do it? I said, do I? I don‘t know. (laughs). I thought that was

really funny. I said: yes, sure, it would be great. Yeah, I mean it‘s just being

imaginative about what you do, making something from nothing, sharing, how you

buy things or not buy things. How save your seeds, how you prolong this, prolong

that. It is everything really, It is sustainable living.

Übersetzerin:

Wahrscheinlich bin ich der geborene Permakulturmensch. Wirklich, bevor der Begriff

benutzt wurde, war jemand hier und fragte, ob wir einen Permakultur Kurs

veranstalten könnten, weil ich das ja praktiziere. Ich fragte: „Tue ich das? Keine

Ahnung.“ Ich fand das sehr komisch und sagte: „Ja, na klar, großartig.“ Es geht

darum, Phantasie zu entwickeln, in dem, was man tut, aus Nichts etwas zu machen,

zu teilen, was kauft man oder was nicht, wie man Samen aufhebt, wie man etwas

verlängert. Es ist alles, es ist ein nachhaltiges Leben.

Atmo : Arbeit im Garten, Penny hämmert, Gee fegt

Autorin:

Ein Freund hat Steine gebracht, mit denen Gee den gepflasterten Weg von Pennys

Hütte zum Haus ausbessert. Während Penny ein neues Teehaus baut. Das alte hat

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der letzte Sturm zerstört. Fundament, Holzstreben, Fenster und ein neues Dach. Das

meiste Material wird wiederverwendet. Das neue Teehaus wird noch schöner als das

alte. Freunde und Nachbarn kommen auf einen Plausch vorbei und begutachten die

Fortschritte. Pete zum Beispiel. Sie kennen sich seit den 80er-Jahren. Damals

organisierte sich die Gemeinde North Weald Bassett zu der auch Dial House gehört

mit rund 6.000 Einwohnern gegen die British Telecom, eines der weltweit größten

Telekommunikationsunternehmen. Das ist fast 40 Jahre her.

Atmo : Pete

P: 37 years.

G: Oh no

P: We were all young and spritely then, do you remember?

G: Yeah.

... I don‘t swear you don‘t need to put any dipps and dopps into it

(Laughter)

Me: We dont have to in Germany.

G. You can swear as much as you like in Germany.

P: In fact you can swear as much as you fucking well like.

G: Yeah.

Pe: I don‘t know any words in German …

Autorin:

Im Zuge des neoliberalen Umbaus unter Thatcher wurde 1984 das General Post

Office privatisiert und in Post und Telefon aufgeteilt. Aus der Telefongesellschaft

entstand die British Telecom. Von der Politik, gegen die sie mit Crass protestierten,

waren Penny und Gee nun unmittelbar betroffen. Es gab große Pläne für North

Weald, das im Speckgürtel Londons und gleichzeitig im geschützten Grüngürtel liegt.

O-Ton : Peter Wilkinson

Their plans was to turn the farm and all the farm into an elderly persons village with a

twice a day bus service to the village to go and get their pension and on top on the

hill where the radio station redempt was, they wanted to demolish that and to put an

eleven story hotel on the top on the hill which you be ought to see to the coastline

and then all around of it they wanted to build 900 houses. And with a golf course, two

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golf course, a public course and a private course, the public one was very small and

the private ones that would be very big.

Übersetzer 2:

Ihr Plan war es, die Farmen in ein Dorf für ältere Menschen umzuwandeln, mit einem

Bus, der zweimal am Tag ins Dorf fährt, damit sie ihre Rente abholen können. Auf

der Anhöhe wollten sie die alte Funkstation abreißen und ein elfstöckiges Hotel

bauen, von wo aus man die Küste sehen könnte, drumherum wollten sie 900 Häuser

bauen. Und zwei Golfplätze, einen kleinen öffentlichen und einen sehr großen

privaten.

Autorin:

British Telecom hatte nicht mit dem Widerstand der Bewohner gerechnet. 25

Gruppen -, darunter der Bowling- und Reitverein - organisierten sich zu einer und

sagten „nein“ zu den Plänen. Dial House war die Zentrale, monatlich gaben sie eine

Zeitung heraus, die über den Stand der Dinge informierte.

O-Ton : Gee

We fought hard on that first one to the point where they withdrew from the court case

just before it started. And then they came back about three years later I think it was.

But we had a lot of things in our favor, I mean nobody likes BT in this country and of

course having won forced them to back down, people were feeling pretty strong and

(laughs) confident about the next fight. ... So we won again. (laughs) So we had a

huge party down in the village with a big barn dance and everybody celebrating and

the rest of it, it was very good.

Übersetzerin:

Wir kämpften so hartnäckig, dass sie den ersten Fall, noch bevor er vor Gericht kam,

zurückzogen. Drei Jahre später kamen sie zurück. Aber wir hatten einiges auf

unserer Seite, niemand mag British Telecom hier und natürlich, nachdem wir sie

einmal zurückgeschlagen hatten, fühlten sich die Leute ziemlich stark und

selbstbewusst für den nächsten Kampf. Wir haben wieder gewonnen. Wir hatten eine

große Party unten im Dorf mit Tanz in der Scheune.

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Musik

Autorin:

Der Gewinn gegen British Telecom bedeutete für Gee und Penny nur eine

Atempause.

2002 wurde Dial House auf einer Auktion versteigert. In ihrem Auftrag aber nicht

unter ihrem Namen bot ein Bekannter für sie mit. Der Strohmann wurde

eingeschaltet, weil Penny und Gee befürchteten, dass der Auktionator sonst die

Immobilie zurückgezogen oder den Preis in die Höhe getrieben hätte..

O-Ton : Gee

And he was very good. So it wasn't until we knew all the owners had left, that we

could rejoice. (laughs). We had a fake film company, BBC film company there, who

had recorded it all, because he came in and said it was a documentary on the

auctioneer and how they do auctions and stuff. So he had a BBC poster on the side

of his cameras, all very professional. (laughs) (Regie: bitte stehenlassen unter

Autorinnentext.)

Übersetzerin:

Er war sehr gut. Erst als wir wussten, alle Spekulanten sind gegangen, konnten wir

jubeln. Wir hatten eine gefakte Filmfirma da, BBC Filmfirma, die alles aufgenommen

haben, er kam rein und erzählte, er würde eine Dokumentation über die Arbeit des

Auktionators drehen. Deswegen hatte er einen BBC-Sticker an der Kamera, alles

wirkte sehr professionell.

Autorin:

Knapp 158.000 Pfund kostete das Haus. Utopisch viel Geld für Gee und Penny und

plötzlich waren sie Eigentümer.

O-Ton : Penny

I mean it was the first time I ever have been depressed in my life, and I was

depressed for about a year. I wasn't happy with the idea of owning a place and being

the owner, I didn't actually so much mind owning it, I did mind being the owner, there

is a sort of settle difference in there.

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Übersetzer1:

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich depressiv, ein Jahr lang. Ich war

unglücklich über die Vorstellung, ein Haus zu besitzen und Eigentümer zu sein. Das

Besitzen machte mir nicht so zu schaffen, wie Eigentümer zu sein. Das ist ein feiner

Unterschied.

Autorin:

Ohne ein über viele Jahre gebautes Netzwerk von Freunden innerhalb und

außerhalb Großbritanniens, die ähnliche Werte leben, hätten sie den Coup nicht

landen, das Haus nicht kaufen können.

Für den Hauskauf veranstalteten Freunde, Fans und ehemalige Mitbewohner und

Bandmitglieder Solidaritätsveranstaltungen oder liehen ihnen zinslos Geld.

Inzwischen haben sie alles zurückgezahlt. Heute stellt sich nun die Frage, was aus

dem Haus wird, wenn die beiden nicht mehr da sein werden?

O-Ton : Penny

Actually quite quickly we came up with the idea of putting it into a trust, in other words

giving it charitable status and I mean effectively by handing the house to the state,

which is ironic for someone who has opposed this state and doesn't believe in the

state, but the only way one could guarantee some form of perpetuity to a place like

this and an institution like this is to make it charitable or a trust. It will be something

on the ground of the sort of Center for the radical arts and horty culture meaning

actually permaculture.

Übersetzer 1:

Sehr schnell hatten wir die Idee, es in eine Art Stiftung zu übergeben, mit anderen

Worten, ihm einen allgemeinnützigen Status zu geben, indem wir das Haus dem

Staat übereignen, was etwas paradox ist für jemanden, der gegen den Staat

opponiert hat und nicht an den Staat glaubt. Aber es war die einzige Möglichkeit, den

dauerhaften Bestand dieser Institution zu garantieren, um daraus eine Stiftung zu

machen. Es wird eine Art Zentrum für radikale Künste sein und für Permakultur.

Atmo: Abendessen

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Musik : Penny Rimbaud, Oh Magick Kingdom

Absage:

Radikal leben

Die englischen Künstler Gee Vaucher und Penny Rimbaud

Ein Feature von Martina Groß

Sie hörten eine Produktion des Deutschlandfunks 2015.

Es sprachen: Claudia Mischke, Christiane Bruhn, Josef Tratnik und Thomas Balou

Martin

Ton und Technik: Hendrik Manook und Anna Dhein

Regie: Anna Panknin

Redaktion: Hermann Theißen