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Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 1 Janus ! Tabelle 1: Quantitativ nach- weisbare Mengen von Radionukliden verschiedener Halbwertszeit t 1/2 bei einer Aktivität von 1 Bq (nach [1]). Offene radioaktive Stoffe 3 H, 14 C, 18 F, 32 P, 33 P, 35 S, 45 Ca, 99m Tc, 125 I, 131 I A. Einleitung Die Möglichkeiten der Anwendung von Radionukliden sind vielfältig. Die Wirkungen ionisierender Strahlung auf den Menschen können jedoch nachweislich schädlich sein. Ein verantwortbarer Umgang muss den Nutzen und das Risiko abwägen. 1. Allgemeine Gesichtspunkte Die Anwendung von Radionukliden und der davon ausgehenden ionisierenden Strahlung hat sich in den Natur- und Lebenswissen- schaften als Routinearbeitsmethode durchgesetzt. Die Bedeutung dieser Arbeitsmethoden beruht auf den folgenden Merkmalen: - Hohe Nachweisempfindlichkeit ionisierender Strahlung - Möglichkeit der Markierung Die Nachweisempfindlichkeit ist für viele hauptsächlich kurzlebige Radionuklide grundsätzlich größer als die vieler anderer analytischer Methoden. Nach Lieser [1] „kann man im Prinzip ein einzelnes radioaktives Atom erkennen, wenn man gerade in dem Augenblick misst, in dem dieses Atom zerfällt. Im der Praxis muss allerdings eine größere Anzahl von Atomen vorhanden sein, damit ein Nachweis des betreffenden Radionuklids möglich ist“. Dabei spielt die Halbwertszeit des Radionuklids eine wichtige Rolle. Aktivität A und Halbwertszeit t 1/2 sind verknüpft nach: A = = λ·N = ·N t 1/2 Zahl der Kerne N mol 1 h 5200 8,64·10 -21 1 d 125000 2,08·10 -19 1 y 4,55·10 7 7,55·10 -17 10 5 y 4,55·10 12 7,55·10 -12 10 9 y 4,55·10 16 7,55·10 -21 2. Offene radioaktive Stoffe Ein weiteres wichtiges Merkmal kernchemischer Methoden ist die Möglichkeit der Markierung. So werden Radionuklide z.B. 3 H, 14 C, 32 P, 33 P, 35 S, 45 Ca, 125 I heute routinemäßig als radioaktiv markierte Verbindungen in der Biochemie, der pharmazeutischen Chemie und der Pharmakologie, der Nuklearmedizin z.B. 18 F, 99m Tc, 131 I der klinischen Chemie (z. B. Radioassays 125 I), der Industrie, der analytischen Chemie (Isotopenverdünnungs-, Neutronenak- tivierungsanalyse) eingesetzt. Sie werden gemäß §3 Strahleschutzverordnung (StrlSchV) als offene radioaktive Stoffe bezeichnet. Ein weiteres Anwendungsgebiet von Radionuklide ist die Altersbestimmung (z.B. durch die Radiokohlenstoff-Methode). Da sich Radionuklide in ihren chemischen und biologischen Verhalten praktisch nicht von ihren stabilen Isotopen unterscheiden und die beim radioaktiven Zerfall emittierte ionisierende Strahlung, in der Regel sehr empfindlich zu detektieren, ist die Anwendung sehr effizient. dN dt ln2 t 1/2

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Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 1

Janus !

Tabelle 1: Quantitativ nach-weisbare Mengen von Radionukliden verschiedener Halbwertszeit t1/2 bei einer Aktivität von 1 Bq (nach [1]).

Offene radioaktive Stoffe

3H, 14C, 18F, 32P, 33P, 35S, 45Ca, 99mTc, 125I, 131I

A. Einleitung Die Möglichkeiten der Anwendung von Radionukliden sind vielfältig. Die Wirkungen ionisierender Strahlung auf den Menschen können jedoch nachweislich schädlich sein. Ein verantwortbarer Umgang muss den Nutzen und das Risiko abwägen. 1. Allgemeine Gesichtspunkte Die Anwendung von Radionukliden und der davon ausgehenden ionisierenden Strahlung hat sich in den Natur- und Lebenswissen-schaften als Routinearbeitsmethode durchgesetzt. Die Bedeutung dieser Arbeitsmethoden beruht auf den folgenden Merkmalen: - Hohe Nachweisempfindlichkeit ionisierender Strahlung - Möglichkeit der Markierung Die Nachweisempfindlichkeit ist für viele hauptsächlich kurzlebige Radionuklide grundsätzlich größer als die vieler anderer analytischer Methoden. Nach Lieser [1] „kann man im Prinzip ein einzelnes radioaktives Atom erkennen, wenn man gerade in dem Augenblick misst, in dem dieses Atom zerfällt. Im der Praxis muss allerdings eine größere Anzahl von Atomen vorhanden sein, damit ein Nachweis des betreffenden Radionuklids möglich ist“. Dabei spielt die Halbwertszeit des Radionuklids eine wichtige Rolle. Aktivität A und Halbwertszeit t1/2 sind verknüpft nach: A = = λ·N = ·N t1/2 Zahl der

Kerne N mol

1 h 5200 8,64·10-21 1 d 125000 2,08·10-19 1 y 4,55·107 7,55·10-17 105 y 4,55·1012 7,55·10-12 109 y 4,55·1016 7,55·10-21 2. Offene radioaktive Stoffe Ein weiteres wichtiges Merkmal kernchemischer Methoden ist die Möglichkeit der Markierung. So werden Radionuklide z.B. 3H, 14C, 32P, 33P, 35S, 45Ca, 125I heute routinemäßig als radioaktiv markierte Verbindungen in der Biochemie, der pharmazeutischen Chemie und der Pharmakologie, der Nuklearmedizin z.B. 18F, 99mTc, 131I der klinischen Chemie (z. B. Radioassays 125I), der Industrie, der analytischen Chemie (Isotopenverdünnungs-, Neutronenak-tivierungsanalyse) eingesetzt. Sie werden gemäß §3 Strahleschutzverordnung (StrlSchV) als offene radioaktive Stoffe bezeichnet. Ein weiteres Anwendungsgebiet von Radionuklide ist die Altersbestimmung (z.B. durch die Radiokohlenstoff-Methode). Da sich Radionuklide in ihren chemischen und biologischen Verhalten praktisch nicht von ihren stabilen Isotopen unterscheiden und die beim radioaktiven Zerfall emittierte ionisierende Strahlung, in der Regel sehr empfindlich zu detektieren, ist die Anwendung sehr effizient.

dN dt

ln2 t1/2

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Definition: Offene radioaktive Stoffe nach §3 StrlSchV Definition: umschlossene radioaktive Stoffe nach §3 StrlSchV Umschlossene radioaktive Stoffe 60Co, 137Cs und 192Ir Neutronen: Forensik (NAA)

Prüfstrahler und andere z.B. 3H, 14C, 63Ni, 90Sr, 133Ba, 226Ra, 241Am

Nach §3 StrlSchV sind „a) Stoffe, offene radioaktive: Alle radioaktiven Stoffe mit Ausnahme der umschlossenen radioaktiven Stoffe; b) Stoffe, umschlossene radioaktive: aa) Radioaktive Stoffe, die ständig von einer allseitig dichten, festen, inaktiven Hülle umschlossen oder in festen inaktiven Stoffen ständig so eingebettet sind, dass bei üblicher betriebsmäßiger Beanspruchung ein Austritt radioaktiver Stoffe mit Sicherheit verhindert wird; eine Abmessung muss mindestens 0,2 cm betragen; bb) Strahlenquellen, hochradioaktive (HRQ): Radioaktive Stoffe nach Doppelbuchstabe aa, deren Aktivität den Werten der Anlage III Tabelle 1 Spalte 3a StrlSchV entspricht oder diese überschreitet, ausgenommen Brennelemente und verfestigte hochradioaktive Spaltproduktlösungen aus der Aufarbeitung von Kernbrennstoffen; ständig dichte und feste Transport- oder Lagerbehälter mit radioaktiven Stoffen sind keine hochradioaktiven Strahlenquellen 3. Umschlossene radioaktive Stoffe

Neben den Anwendungen von Radionukliden in offener Form nutzen umschlossene Strahler die physikalischen Eigenschaften ionisierender Strahlung wie die große Durchdringungsfähigkeit von γ-Strahlung durch Materie, das genau bekannte Schwächungsge-setz, die abtötende Wirkung auf maligne Zelle oder Mikroorganismen sowie die Erzeugung von Ionen in Gasen. Die Anwendungsgebiete sind vielfältig: Perkutane Strahlentherapie, Bestrahlung von chirurgischen Instrumenten und Lebensmittel z.B. Gewürze zum Zwecke der Desinfektion oder die berührungsfreie Messung der Dicke von Glas, Metall oder Kunststoff. Weitere industrielle Anwendungen sind die berührungsfreie Messung der Füllstandshöhe von Behältern von außen sowie die Feuchte von Rohstoffen bei Ihrer Aufarbeitung, die Grobstrukturanalyse von Schweißnähten, die Kontrolle der Restwandstärke von sich abnutzenden Hochofenauskleidungen durch eingebaute Strahler. Üblich werden als Radionuklide 60Co, 137Cs und 192Ir eingesetzt. Um den gewünschten Bestrahlungseffekt bei den eben genannten Anwendungen zu erreichen, müssen die Quellen sehr hohe Aktivitäten enthalten und werden deshalb hoch radioaktive Quellen (HRQ) genannt. Die Vorteile dieser Strahlenquellen sind Kleinheit, Unabhängigkeit der Quelle vom Stromnetz sowie ein definierte Tiefendosisverteilung der Strahlung. Nachteile sind ständig notwendiger Strahlenschutz und Aufsicht sowie Kosten der Entsorgung und Schutz vor Missbrauch. Neben den HRQ kommen auch umschlossene Strahler mit niedrigen Aktivitäten zum Einsatz z.B. als Elektronenquellen in ECD der Gaschromatographen (63Ni), als Prüfstrahler zur Kalibrierung von Kernstrahlungsmessgeräten (z.B. 3H, 14C, 90Sr, 133Ba, 226Ra), in Ionisationsrauchmeldern (241Am), als Anregungsquellen bei der Röntgenflouresenz und als Beimengungen von Leuchtstoffen (3H, 147Pm , 232Th).

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Neutronenakti-vierung und Neutro-nenstreuung

Röntgenstrahlung

Eigenschaften

Ionisation, Schwächung, Fluoreszenz, Beugung, Absorption

4. Neutronen

Neutronen werden bei der Neutronenaktivierungsanalyse (NAA) zur Bestimmung von Elementen im Ultraspurenbereich angewendet. Aufgrund ihres Wellencharakters eignen sie sich auch zu Streuexperimenten an Materialien. Das Spektrum der Anwendung der Neutronenstreuung ist sehr breit. Es reicht von der Strukturaufklärung von z.B. YBaCuO mit Neutronenbeugung (analog zur Röntgenbeugung), über die Verwendung als Sonde zur Untersuchung von magnetischen Strukturen mit polarisierten Neutronen, der Anwendung durch die Methode der Pulverdiffraktion zur Untersuchung kovalenter Effekte von z.B. Oxiden und Flouriden der Übergangsmetalle, der TOF- Spektroskopie zur Untersuchung der Bewegung von Atomen und magnetischer Momente im Festkörper, die Untersuchung der Diffusion von Wasserstoff in Pd durch quasielastische Neutronenstreuung (QENS) bis hin zur Bestimmung der Stressverteilung für Legierungen und Kompositwerkstoffe (neutron strain imaging) und den Biowissenschaften (nicht invasive Untersuchungen).

Die Bedeutung der Neutronenstreuung für die Chemie umfasst die Bestimmung von leichten Elementen neben schweren, die Lokalisierung von H-Brücken und H-Atomen, die Bestimmung der Position von Elementen ähnlicher Ordnungszahl (∆ Z ≤ 3) und von Isotopen, die Untersuchung von Tensiden, die Bestimmung der Orientierung von H2O-Molekülen in der Hydratationssphäre von gelösten Ionen, die Strukturbestimmung von Biopolymeren, Bestimmung magnetischer Strukturen, Einsicht in Dynamik von Molekülen. 5. Röntgenstrahlung Bei den meisten Anwendungen von Röntgenstrahlung spielt ihre Durchdringungsfähigkeit und einfache Messbarkeit die entscheidende Rolle. Neben den klassischen Anwendungen in Diagnostik und Therapie wird Röntgenstrahlung auch in Forschung und Industrie angewendet. Dabei werden die Eigenschaften der Strahlung zur Ionisation, Schwächung Fluoreszenz, Beugung und Absorption genutzt: bei der diagnostischen Radiologie der medizinischen und technischen Radiographie

(Materialprüfung) der elementspezifischen Fluoreszenz von Röntgenstrahlung bei

Absorption (Röntgenfluoreszenzanalyse in der Chemie) Strukturspezifische Beugung und Interferenz kohärenter

Röntgenstrahlung an Kristallen bei der Röntgenstruktur-analyse in der Kristallographie

Absorption der Röntgenstrahlung bei der Röntgentherapie und Röntgenlithographie in der Mikroelektronik. Röntgenstrahlung und γ-Strahlung sind sich in ihren physikalischen Eigenschaften ähnlich. Vorteile der Nutzung von Röntgenstrahlung sind die einfache Verfügbarkeit und Bedienung von Röntgenquellen und deren unproblematische Entsorgung (keine radioaktiven Abfälle).

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Tabelle 2: Ausge-wählte Bereiche, in denen Radioanaly-tik angewendet wird.

Von Nachteil ist, dass durch die hohe Dosisleistung schnell Grenzwerte überschritten werden können und die Anlagen gegen Missbrauch zu schützen sind. 6. Schwerpunkte und Gliederung Diese Veranstaltung legt den Schwerpunkt auf radiobioanalytische Arbeitsmethoden. Methoden zur Kernstrahlungsmessung und zur Radioanalytik sind dabei unverzichtbares Werkzeug zum Nachweis ionisierender Strahlung und zum Schutz von Mensch und Umwelt vor den schädlichen Auswirkungen (kurz Strahlenschutz).

Bereich Anwendungszweck Fachgebiet

Diagnostik z.B. 99mTc Nuklearmedizin

Therapie, z.B. 131I , 192Ir, 60Co Strahlentherapie

Medizin z.B. Eintritt des Todes (PMI), z.B. Toxikologie, Datierung (Artenschutz) z.B. 14C, 90Sr, 228Th, 232Th , 228Ra

Rechtsmedizin (Forensik)

Arzneimittelkinetik, z.B. 32P, 14C Pharmakologie

Wirkmechanismen, z.B. 3H Pharmazeutische Chemie

Wirkstoffscrenning, z.B. 125I Arzneinmittelentwicklung Pharmazie, Biochemie

Eignung von Knochenersatzstoffen, 125I

Pharmazeutische Technologie

Radioimmunoassay, z.B. 125I Klinische Chemie

Neutronenakivierungsanalyse Analytische Chemie Chemie, Materialwissenschaften

Neutronenstreuung Physikalische Chemie

Einzelnuklidbestimmung in Mensch, Umwelt, Materialien, z.B. 3H, 14C, 41Ca, 55Fe, 63Ni, 60Co,

89Sr,90Sr, ,99Tc, 129I, 131I, 137Cs, Pu, Am, Cm

Umgebungsüberwachung und Rückbau kerntechnischer An-lagen, Inkorporationskontrolle

Strahlenschutz

in Materialien z.B. 60Co, 90Sr137Cs, Pu, Am, Cm

Rückbau kerntechnischer Anlagen

Industrie Sicherer Betrieb, Zusatz von Radionuk-liden, z.B. 14C, Th, 241Am, 147Pm, DU (abgereichertes Uran)

Kernenergienutzung, Leucht-mittel, WIG-Schweißen, Rauch-melder, Dickenmessung, Verschleiß, Flugzeugbau

Sie werden bei den oben genannten Anwendungen zur Erfolgskontrolle ebenso eingesetzt wie zum Nachweis, dass die Grenzwerte der benutzten Strahlenquellen nicht nur für den Anwender, sondern auch für jede Einzelperson der Bevölkerung sowie für den Boden, das Wasser und die Luft eingehalten werden. Dies muss gelten für den Zeitraum der Anwendung aber auch für die Zukunft. Der Gesetzgeber gibt den Anwendern in verbindlichen Strahlenschutzvorschriften Regeln vor wie er mit den beiden Seiten der Radioaktivität wie auch der Neutronen- und der Röntgen-Strahlung verantwortungsvoll umgehen kann. Dabei gelten die international anerkannten Grundregeln des Strahlenschutzes, die sich in drei Begriffe zusammenfassen lassen: „Rechtfertigung, Optimierung und Begrenzung“. Dem entsprechend sind für die verantwortungsvolle Anwendung Radiaktivität und ionisierender Strahlung fundierte Kenntnisse über Arbeitsmethoden, der physikalischen Grundlangen sowie der rechtlichen Regelungen notwendig, die hier vermittelt werden sollen. Natürlich muss eine Auswahl getroffen werden, die sich in folgender Gliederung widerspiegelt:

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A. Einleitung 1. Allgemeine Gesichtspunkte 2. Offene radioaktive Stoffe 3. Umschlossene radioaktive Stoffe 4. Neutronen 5. Röntgenstrahlung 6. Schwerpunkte und Gliederung 7. Literatur zu Abschnitt A. B. Erzeugung von Radionukliden und markierten Verbindungen 1. Produktion in Kernreaktoren 1.1 Neutroneneinfangreaktionen (n, γ) 1.2 Kernspaltung (n,f)-Reaktionen 1.3 Zusammenfassung der Trennungsmethoden 2. Erzeugung in Beschleunigern 3. Radionuklidgeneratoren 4. Markierte Verbindungen 4.1 Markierung durch biochemische Methoden 4.2 Austauschreaktionen 4.3 Spezielle Aspekte der Chemie von Radionukliden 4.4 Radionuklide mit hoher spezifischer Aktivität 4.5 Radiokolloide 4.6 Spurentechniken 4.7 Methoden zur Radionuklidmarkierung von Peptiden und Proteinen 4.8 Radioaktive Nachweissysteme (Blotverfahren) 5. Literatur zu Abschnitt B.

C. Radioaktivität

1. Stabilität des Atomkerns 2. Naturgesetze des radioaktiven Zerfalls 2.1 Zeitgesetz des radioaktiven Zerfalls 2.2 Statistik des radioaktiven Zerfalls 2.3 Aktivität und Masse 2.4 Bezuggrößen der Aktivität 2.5 Zerfallsreihen 3. Zerfallsarten und Kernstrahlung 3.1 α−Strahlung

3.2 β− Strahlung

3.3 γ− Strahlung

3.4 n −Emission 3.5 Zusammenfassung: Eigenschaften von Kernstrahlung

D. Strahlenexposition

1. Wirkungen 2. Dosisbegriffe 3. Die natürliche Strahlenexposition des Menschen

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E. Rechtliche Grundlagen des Strahlenschutzes 1. Die beiden Seiten der Radioaktivität 2. Entstehung der Strahlenschutzverordnung 3. Die Strahlenschutzverordnung im Rechtssystems 4. Die materiellen Grundlagen für die Strahlenschutz-vorschriften 5. Die Grundzüge der Strahlenschutzverordnung 6. Gefahren durch ionisierende Strahlung 7. Inhaltsübersicht über die Strahlenschutzverordnung 8. Schutzvorschriften und Grenzwerte 9. Dosimetrische Größen und Gewebe- und Strahlen-Wichtungsfaktoren 9.1 Messgrößen für äußere Strahlung 9.2 Berechnung der Körperdosis 9.3 Werte des Strahlungs-Wichtungsfaktors wR

9.4 Werte des Gewebewichtungsfaktors wT

9.5 Berechnung der Organ- und der effektiven Folgedosis 10. Begriffsbestimmungen (§3 StrlSchV) 11. Literaturverzeichnis zu Abschnitt E F. Die physikalische Strahlenschutzkontrolle

G. Methoden zur Detektion von Kernstrahlung 1. Einzelnuklidbestimmung 2. Multinuklidbestimmung 3. Physikalischer Wirkungsgrad ηPhys

4. Kalibrierfaktor κ 5. Totzeit tD

6. Methoden der Kernstrahlungsmessung 6.1 Gasgefüllte Detektoren 6.2 Szintillationsdetektoren 6.2.1 Grundlagen 6.2.2 Liquid Scintillation Counting (LSC) 6.2.3 Cerenkov-Counting 6.3 Halbleiterdetektoren 6.4 Auswahl der Detektoren 7. Spektrometrie 8. Detektion von Neutronen 9. Zählunsicherheit 10. Ortsauflösende Detektoren 10.1 Photografische Emulsionen (Autoradiographie) 10.2 Dielektrische Spurdetektoren 11. Isotopenverdünnungsanalyse 11.1 Radioaktiver Ausbeuteträger 11.2 Stabiler Ausbeuteträger

H. Praktischer Teil: Übungen und Praktikum 1. Kontaminationskontrolle und LSC 2. Zerfallsarten und Wechselwirkung mit Materie 3. Sicherer Umgang mit offenen radioaktiven Stoffen

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7. Literatur zu Abschnitt A [1] H. Lieser, Einführung in die Kernchemie, 2. Auflage, Verlag Chemie, Weinheim, Deerfield Beach, Florida, Basel, 1980. [2] H. von Phillipsborn, Radioaktivität und Strahlungsmessung, Hrsg.: Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, 8. überarbeitete Auflage, April 2006. [3] Kiefer, Koelzer, Strahlenschutz, 1988. [4] E. Sauter, Grundlagen des Strahlenschutzes, Thiemig Verlag, August 1982. [5] R. G. Jaeger, Dosimetrie und Strahlenschutz, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1959. [6] H. E. Johns, J. R. Cunningham, The Physics of Radiology, Ed. Charles C Thomas, Springfield, Illinois, USA, 3. ed., 1969. [7] Richtlinie 2003/122/EURATOM, Kontrolle hoch radio-aktiver herrenloser Strahlenquellen, Abl. EU Nr. L. 346 S. 57, [8] Gesetz zur Kontrolle hochradioaktiver Strahlenquellen, BGBl. Jahrgang 2005 Teil I, Nr. 49, ausgegeben zu Bonn am 17. August 2005. [8] Atomgesetz (AtG), BGBl. I, Seite 1565 vom 15. Juli 1985 zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 6. Januar 2004 (BGBl. I S. 2) [9] Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) in der Fassung von BGBl. I, Seite 1714, 2002 I S 1459 vom 20. Juli 2001 zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 18. Juni 2002 (BGBl. I S. 1869) [10] Schiwy, Strahleschutzvorsorgegesetz (StrlSchVG), Verlag R.S. Schulz, aktualisierte Gesetzessammlung. [11] Verordnung über den Schutz durch Röntgenstrahlung (Röntgenverordnung RöV) vom 8. Januar 1987 (BGBl.l 1987, S. 114), Neufassung vom 30. April 2003 (BGBl.l 2003, Nr. 17) [12] Richtlinie für die physikalische Strahlenschutzkontrolle zur ermittlung der Körperdosis (RiPhyKo), Rundschreiben vom 12.01.2007 RS II 3 – 15530/1 (GMBl 2007, S. 623). [13] G. F. Knoll, Radiation Detection and Measurement, 1987. [14] Seelmann-Eggebert, Radioaktivität, 1965.

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Abbildung 1: Überblick über die Umwandlungen von Radionukliden bei Kernreaktionen (schraffiert: Targetkern).

(n, γγγγ)-Reaktionen

B. Erzeugung von Radionukliden und markierten Verbindungen Radionuklide werden in Kernreaktionen erzeugt. Die allgemeine Gleichung nach der Kernreaktionen formuliert werden: A (x, y) B A ist der Targetkern (Ziel) x ist das Projektil y ist das Teilchen oder Photon, das emittiert wird B ist das produzierte Nuklid.

Abhängig von den Projektilen und der emittierten Teichen – oder Photonenstrahlung unterscheidet man folgende Typen von Kernreaktionen.

1. Produktion in Kernreaktoren Einige Radionuklide werden in Kernreaktoren produziert, da dort hohe Neutronenflussdichten Φ ≈ 1010 bis 1016 cm-2 s-1 vorliegen. Die kann durch Neutroneneinfangreaktionen (n, γ) oder durch Kernspaltung (n,f) geschehen.

1.1 Neutroneneinfangreaktionen (n, γγγγ)

Neutroneneinfangreaktionen (n, γ) mit dem Einfangquerschnitt σ sind Reaktionen des Typs: AZX + n → A+1

ZX* + γ Diese Neutronen wandeln durch Neutroneneinfangreaktionen stabile Kerne in radioaktive Kerne um. Voraussetzung dafür sind ausreichend hohe Neutroneneinfangquerschnitte. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die neutroneninduzierten Reaktionen in Kernreaktoren. Durch diese Reaktionen werden Radionuklide X* gebildet. Die Aktivität A(X*) des Radionuklids X* nimmt zu nach: A(X*) = σσσσ·ΦΦΦΦ·H·m·NA·M-1·(1111− − − − e−λ−λ−λ−λ·t) σ: Neutroneneinfangquerschnitt. Einheit: [σ]= 1 b(arn) = 1·10-24 cm2 Φ: Neutronenflussdichte. Einheit: [Φ] = 1 cm-2·s-1 λ: Zerfallskonstante. Einheit: [λ] = 1 s-1 t: Bestrahlungszeit. Einheit: [t] = 1 s NA: Avogadro-Konstante. NA= 6,022·1023 mol-1 H: Häufigkeit des bestrahlten Isotops X m: Masse des Isotops X M: Atommasse. Einheit: [M] = 1 g·mol-1

α, 2n α, n

p, 2np, n

d, 2n

α, t p, γ d, n

t, n t, p

d, t n, 2n γ, n p,pn

d, p n, γ t, d

t, p

p, α d, αn, d γ, p

n, p d, 2p

n, α

Anzahl der Neutronen N = A-Z

An

zah

l d

er

Pro

ton

en

P =

Z

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Tabelle 3: Übersicht über Neutronen- einfangreaktionen. Beispiel:

Reaktion Zerfallsarten der

Produkte Bemerkungen

(n, γ) hauptsächlich β−, selten β + oder ε

allgemein anwendbar, hohe Aus-beuten mit thermischen Neutronen

(n, 2n) hauptsächlich β +, manchmal β−

stark endoenergetisch; hochener-getische Neutronen (>10 MeV) erforderlich

(n, p) fast immer β− meist endoenergetisch (Ausnahme: Produktion von 14C, 35S), häufig bei kleinen Massenzahlen (A < 40)

(n, α) hauptsächlich β− meist endoenergetisch (Ausnahme: Produktion von 3H, 7Li), hauptsächlich bei kleinen Massenzahlen

(n, f) Thermische Neu-tronen: immer β− Hochenergetische Neutronen: auch β+ oder ε

Nuklide mit Atommassen A >90; Spaltung von 233U, 235U und 239Pu mit thermischen Neutronen

Bestrahlung von 1 g NaCl mit thermischer Neutronen einer Neutronenflußdichte von Φ = und1013 cm-2 s-1

Ziel-

isotope

n, γ n, p n, α

23Na 24Na 23Ne 20F

35Cl 36Cl 35S 32P

37Cl 38Cl 37S 34P

Prozess

Bei der Bestrahlung von 1 g NaCl mit thermischen Neutronen laufen die folgenden Reaktionen ab: 23Na (n, γ) 24Na (σ = 0,53 b; t1/2 = 14,96 h) 35Cl (n, γ) 36Cl (σ = 0,43 b; t1/2 = 3,0·105 y) 35Cl (n, p) 35S (σ = 0,4 b; t1/2 = 87,5 d) 37Cl (n, γ) 3(Cl (σ = 0,43 b; t1/2 = 37,18 min) Bei der Bestrahlungszeit von 24 h erhält man die Aktivitäten: 3,7·1010 Bq 24Na (2,2·1012 Bq/mol) 2,1·104 Bq 36Cl (1,2·106 Bq/mol) 1,1·104 Bq 38Cl (6,4·1010 Bq/mol) 3,0·108 Bq 35S. Die Werte der erhaltenen Aktivität wie der spezifischen Aktivität steigen mit steigender Neutronenflußdichte. Die (n, γ)-Reaktionen führen teilweise zu isomeren (angeregten) Kernzuständen und teilweise zum Grundzustand so dass radioaktive Zwischenkerne und die eigentlichen Zerfallsprodukte gleichzeitig vorliegen.

Beispiele der durch Neutronenreaktionen des Typs (n, γ)

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erzeugten Radionuklide des Elements Jod:

(n, p)- (n, α)-Reaktionen

Beispiele: Einige Radionuklide können durch (n, p)- oder (n, α)-Reaktionen mit thermischen Neutronen erzeugt werden z. B.

Erzeugung und Abtrennung von 3H

Anwendung von Tritium

(n, f)- Reaktionen

IT 1 β−, γ β−, γ 130Te (n, γ) 131mTe ―→ 131Te ―→ 131I ―→ (H = 0,338) 30 h 25 min 8,02 d

IT 1 β−, γ β−, γ 128Te (n, γ) 129mTe ―→ 129Te ―→ 129I ―→ (H = 0,317) 33,6 d 69,6 min 15.700.000 y

IT 1 β− 126Te (n, γ) 127mTe ―→ 127Te ―→ 127I (stabil) (H = 0,189) 109 d 9,35 h

Aus obigem Beispiel folgt, dass eine Wartezeit von mehreren Tagen vor der radiochemischen Trennung günstig ist, um die Ausbeute von 131I zu steigern. 3He (n, p) 3H (σ = 5327 b; t1/2 = 12,323 y) 14N (n, p) 14C (σ = 1,81 b; t1/2 = 5730 y) 6Li (n, α) 3H (σ = 940 b; t1/2 = 12,323 y) 40Ca (n, α) 37Ar (σ = 0,0025 b; t1/2 = 35,0 d) Da die Produktnuklide nicht isotopisch sind, verursacht ihre Abtrennung aus einem Targetnuklid keine Probleme. Erzeugung und Abtrennung von 14C: - Bestrahlungszeit: > 1 Jahr, wegen langer Halbwertszeit von 14C - Hitze- und strahlungsbeständiges Target (Ziel) - Nitride wie AlN oder Be2N2 - Nach der Bestrahlung: Erhitzen im Sauerstoffstrom - 14C wird als 14CO2 freigesetzt und in NaOH-Lösung eingeleitet:

Ba(OH)2 + 14CO2 → Ba14CO3 + H2O - Die spezifische Aktivität erreicht Werte in der Größenordnung

von 2GBq/mmol) - Ba14CO3 und 14CO2 werden verwendet zur Präparation einer

großen Vielfalt von 14C-markierten organischen Verbindungen durch chemische oder biochemische Methoden

- Kurze Synthesewege und hohe Ausbeuten werden bevorzugt, um die Verluste möglichst gering zu halten

Erzeugung und Abtrennung von 3H: - Tritium (T = 3H) wird erzeugt durch die Bestrahlung von Lithium

oder lithiumhaltigen Verbindungen - T ist zu 90% als Gas enthalten und kann zu tritiertem Wasser

T2O oxidiert werden. - 1Ci = 3,7·1010 Bq T wiegt um 0,104 mg und hat als T2-Gas ein

Volumen von 0,38 cm³ unter normalen Druck und Temperatur. - in hohen Aktivitäten zur Kernfusion - in niedrigen Aktivitäten zur Markierung organischer

Verbindungen 1.2 Kernspaltung (n,f)-Reaktionen Durch Kernspaltung entsteht ein Gemisch verschiedener Radionuklide (Spaltprodukte), die durch chemische Reinigungsverfahren abgetrennt werden müssen: 1 IT: Internal Transition, innerer Übergang.

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Radionuklid 85Kr, 133Xe 90Sr 95Zr 99Mo 99Tc 103Ru 131I 137Cs 141Ce, 144Ce 140Ba 147Pm

Reinigungvefahren Austreiben der Edelgase aus siedender Spaltproduktlösung. Adsorption an aktiviertem Kohlestoff. Reinigung durch wiederholte De- und Adsorption. Fällung von Sr und Ba als Nitrate aus HNO3. Abtrennung von Sr und Ba durch Oxalatfällung. (a) Adsorption auf Silicagel. Elution anderer Spaltprodukte mit

H2SO4/HNO3. Elution von Zr mit 0,5 M Oxalsäure. (b) Extraktion mit Thenoyltriflouroaceton (TTA) in Benzol.

Rückextraktion mit 2 M HF und Fällung als BaZrF6. Trennung von Ba als BaSO4.

(a) Adsorption von Mo aus 2 M HNO3 auf Al2O3. Elution mit 1M

NH3. Trennung von I durch Filtration durch frisch gefälltes AgCl. (b) Extration mit Ether aus 6 MHCl. Rückextraktion in Wasser.

Trennung von anderen Spaltprodukten durch Mitfällung an Eisen-(III)-hydroxid.

(c) Extration mit organischen Komplexbildnern, gefolgt von Reinigungsprozedur.

(a) Fällung als Tetraphenylarsenpertechnetat. (b) Extraktion als Tetraphenylarsenpertechnetat in CHCl3 und

Rückextraktion mit 0,2 M HClO4. (a) Oxidation in H2SO4 zu RuO4 und Destillation. (b) Destillation aus HClO4 in Anwesenheit von NaBiO4. (c) Extraktion von RuO4 aus saurer Lösung in CCl4. Fällung von

RuO2 mit Methanol. (a) Reduktion zu I2. Dampfdestillation. Extraktion in CCl4.

Reinigung durch wiederholte Reduktion und Oxidation. (b) Trennung von I- oder I2 auf AgCl. Elution mit hypochloritischer

Lösung pH 9. (a) Extraktion als Cäsiumtetraphenylborat in Amylacetat.

Rückextraktion mit 3 M HCl. (b) Nach Abtrennung er Alkaliionen, Ru und seltenen Erden,

Fällung von Cs als CsAl(SO4)2. (a) Extraktion von Ce(IV) aus HNO3 mit Tributhylphosphat oder

Di(2-ethylhexyl)phosphat. (b) Fällung von Ce(IV) aus CeHIO6. Fällung als BaCl2·H2O mit einer Mischung als conc. HCl und Ether (5:1). Reinigung durch wiederholte Fällung. Trennung der seltenen Erdenfraktion auf einem Kationenaustauscher. Elution mit Milchsäure steigendr Konzentration (0,85 bis 1,0 M) bei pH3 und rund 80°C.

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 12

Tabelle 5: Erzeugung von Po-sitronenemittern mit Beschleunigern

1.3 Zusammenfassung der Trennungsmethoden 2. Erzeugung in Beschleunigern Teilchenbeschleuniger eröffnen die Möglichkeit einer großen Vielfalt von Projektilen und verschiedenen Energien. Die am häufigsten verwendeten Projektile sind Protonen, Deuteronen und α-Teilchen. Neutronen können indirekt durch Kernreaktionen, γ-Strahlen durch die Bremsstrahlung in Elektronenbeschleunigern und schwere in Schwerionenbe-schleunigern erzeugt werden. Deuteronen werden oft als Projektile bevorzugt, da mit Ihnen relativ hohe Einfanquerschnitte erzielt werden können. Für die Anwendung in der nuklearmedizinischen Diagnostik (PET) können durch Beschleuniger Positronenemitter erzeugt werden: Radionuklid Halbwertszeit Zerfallsart Kernreaktion 11C 20,38 min β− (99,8%)

(0,96 MeV)

14N (p, α) 11C 11B (p, n) 11C 10Be (d, n) 11C

15O 2,03 min β− (100%) (1,19 MeV)

14N (d, n) 15O 16O (p, pn) 15O

18F 109,7 min β− (97%) (0,635MeV)

20Ne (d, α) 18F

18O (p, n) 18F 16O (3He, p) 18F

Tabelle 7: Trennungsmethoden. Trennungsmethode Beispiel Vorteile Nachteile Kristallisation Trennung von 226RaCl2

von BaCl2 hohe Spezifität hohe Ausbeuten hohe Robustheit

sehr langsam sehr aufwändig

Fällung, bzw. Mitfällung

14C als Ba14CO3 Aktinoiden an LaF3

hohe Ausbeuten hohe Robustheit schnell große Probenmenge

geringe Spezifität erniedrigt spez. Aktivität begrenzt einsetzbar

Elektrolyse Po an Cu, Pt, oder Ag Pu, Am, Th an Fe

Dünnschicht-präparation

langsam geringe Spezifität geringe Robustheit geringe Probenmengen begrenzt einsetzbar

Destillation Trennung von 131I von Te Verflüchtigung von Tc als Tc2O7; 32P als PCl5 im Cl2-Strom

hohe Spezifität einfache Technik

begrenzt einsetzbar Ausbeutenverluste

Flüssig-Flüssig-Extraktion z.B. Di(2ethylhexyl)phosphor-säure in Toluol zur Abtrennung des Y von Sr in HCl saurer Lösung

hohe Spezifität große Probenmenge hohe Salzfracht sehr weit einsetzbar

mittlere Robustheit org. Lösungsmittel kann komplex sein

Ionenaustausch Wasserhaltige Oxide z.B. Al2O3·xH2O

hohe Spezifität weit einsetzbar große Robustheit

geringe Proben-menge geringe Salzfracht

Chromatographie Gaschromatographie (GC) HPLC bei Flüssigkeiten

hohe Spezifität große Robustheit

begrenzt einsetzbar teuer

reversed-phase-extraction (RPC)

Organische Extrationsmittel an stationärer Phase zur Aktinoidentrennung

Vorteile von Ionenaustausch und Flüssig-Flüssig-Extraktion

Geringe Probenmenge, geringe Salzfracht, geringe Robustheit

Tabelle 4: Trennungsmethoden

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 13

Tabelle 6: Beispiele Mutter-Tochternuklide, die sich in Radionuklid-generatoren eignen. 99Mo/99mTc Abbildung 2: Zerfallsschema des 99Mo nach ICRP38 [5]

3. Radionuklidgeneratoren Die Anwendung kurzlebiger Radionukliden hat den Vorteil, dass die Aktivität nach relativ kurzer Zeit verschwindet. Dies ist besonders wichtig in der Nuklearmedizin. Kurzlebige Radionuklide können zwar mit Beschleunigern produziert werden, ihr Transport zum Patienten ist jedoch problematisch. Diese Probleme werden durch die Anwendung von Radionuklidgeneratoren vermieden, da sie ein längerlebiges Radionuklid enthalten, von dem ein kurzlebiges Zerfallsprodukt möglichst einfach abgetrennt werden kann. Nach jeder Abtrennung steigt die Aktivität des Zerfallsprodukts wieder an und es kann nach einer Wartezeit wiederholt abgetrennt werden.

Mutternuklid Tochternuklid Nuklid T1/2 Zerfallsart Nuklid T1/2 Zerfallsart 72Zn 46,5 h β−, γ 72Ga 14,1 h β−, γ 68Ge 270,8 d ε 68Ga 67,63 m β+, ε, γ 90Sr 28,64 y β− 90Y 64,1 h β−,(γ) 99Mo 66,0 h β−, γ 99mTc 6,0 h IT Voraussetzung für eine sichere Anwendung ist die hohe Radionuklidreinheit. Der 99Mo/99mTc-Generator ist der am häufigsten verwendete Radionuklidgenerator in der Nuklearmedizin wegen der vorteilhaften Eigenschaften von 99mTc (Halbwertszeit: 6,0 h; IT mit Emission von 141 keV, γ-Quanten). Die Produktion von 99Mo geschieht entweder durch Neutronenbestrahlung des Mo (rel. Niedrige spezifische

Aktivität) oder Spaltung des 235U mit nachfolgender radiochemischer

Reinigung (hohe spezifische Aktivität) In der Regel wird es als MoO4

2- an hydriertem Al2O3 fixiert. Dort ist es stark gebunden, während 99mTcO4

- leicht mit physiologischer Kochsalzlösung eluiert werden kann. β− IT β− 99Mo → 99mTc → 99Tc → 99Ru (stabil) Y(99mTc) = 0,876

66,0 h 6,0 h 2,13·105 y β−

99Tc → 99Ru (stabil) Y(99Tc) = 0,124 2,13·105 y

1/2 0,0

(1/2, 3/2ι 1,1418

3/2 1,0043/2 0,9206

0,6715

(1/2, 3/2ι 0,5091

5/2 0,1811

(1/2) 0,1426

(7/2) 0,1405 9/2 0,0

99Tc (2,13·105 y)

99Mo (66,0 h)

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 14

Abbildung 3a: Aktivität gegen die Zeit. Abbildung 3b: Verhältnis der Massen von 99Tc/99mTc.

Es ergeben sich folgende zeitliche Verläufe der Aktivitäten (Abbildung 3a) und des Verhältnisses der Massen von 99Tc/99mTc(Abbildung 3b). Abbildung a zeigt, dass bereits nach ca. 24 Stunden rund 90% des 99Mo an 99mTc wieder regeneriert ist. Abbildung b zeigt, dass durch den Aufbau des 99Tc die Nutzungszeit des Generators zur 99mTc-Gewinnung begrenzt ist, da 99Tc im Körper ab einer gewissen Konzentration toxisch wirkt. Der 99mTc/99Mo-Generator ist der am häufigsten benutzte Radionuklidgenerator in der Medizin wegen der vorteilhaften Eigenschaften von 99mTc (kurze Halbwertszeit, IT durch Emission von 141 keV γ−Quanten). 4. Markierte Verbindungen Markierte Verbindungen sind von großer Bedeutung in der Nuklearmedizin in Diagnose und Therapie und in der Biochemie zur Untersuchung von Metabolismen. In der Chemie werden markierte Verbindungen angewendet, um Reaktionsmechanismen aufzuklären und um Diffusions- und Transportprozesse zu untersuchen. Weitere Anwendungen sind die Untersuchung von Transportprozessen in der Geosphäre, der Biosphäre und bestimmten Ökosystemen, sowie die Erforschung von Korrosions- und Transportprozessen in Industrieanlagen, in Röhren und Motoren.

99Mo/99mTc-Generator

0

0,2

0,4

0,6

0,8

1

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140

t [h]

Ai /A

01

99mTc

99Mo

99Mo/99mTc-Generator

0

1

2

3

4

5

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140

t [h]

m(9

9T

c)/m

(99

mT

c)

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 15

Organische und anorganische Verbindungen können an verschiedenen Positionen durch unterschiedliche Radionuklide markiert werden. Zu diesem Zweck müssen bestimmte Atome durch isotopische Radionuklide, durch stabile Isotope oder auch durch nichtisotopische Radionuklide substituiert werden. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten. Bei der Präparation müssen folgende Parameter berücksichtigt werden: Art des Nuklids Position der Markierung (bestimmte Position innerhalb eines

Moleküls oder aller Atome eines bestimmten Elements insgesamt)

die spezifische Aktivität (Aktivität pro Masseneinheit eines Elements)

die chemische Reinheit (Anteil der Verbindung in der gewünschten chemischen Form)

die Radionuklidreinheit (Anteil der gesamten Radioaktivität, die in dem das spezifizierte Radionuklid vorliegt)

die radiochemische Reinheit (Anteil des Radionuklids, das in der gewünschten chemischen Form vorliegt und sich in der spezifizierten Position im Molekül befindet)

Die Auswahl der Parameter hängt von der Anwendung der markierten Verbindung ab. Markierte Verbindungen können auf verschiedene Arten präpariert werden: einfache Verbindungen werden gewonnen durch die Auswahl

geeigneter Targets z.B. 11CO und 11CO2 durch Bestrahlung von Stickstoff, der Spuren von Sauerstoff enthält, mit Protonen.

chemische Synthese (wird am häufigsten angewendet) biochemische Methoden, die es ermöglichen, komplexe

organische Verbindungen zu markieren. Austauschreaktionen, die die Möglichkeit eröffnen,

Radionuklide oder stabile Nuklide in inaktive Verbindungen einzufügen.

Rückstoß- und strahlungsinduzierte Markierung Bei der Synthese von markierten Verbindungen sind folgende Aspekte zu beachten: In den meisten Fällen ist die Masse des Radionuklids, die in der

Synthese eingesetzt wird, sehr klein (in der Größenordnung von einigen Milligramm oder weniger), insbesondere wenn hohe spezifische Aktivitäten erforderlich sind.

Entsprechende Methoden müssen gewählt werden, um die Radioaktivität sicher einzuschließen, z.B. Benutzung von kleinen geschlossenen Gefäßen.

Zur Abfallminimierung und aus Kostengründen sind möglichst einfache Reaktionen mit hoher chemischer Ausbeute zu wählen.

Für Routinesynthesen markierter Verbindungen wurden automatisierte Abläufe entwickelt, die eine schnelle, sichere, reproduzierbare und zuverlässige Produktion ermöglichen. Solche Prozeduren haben bei der Synthese von Radiopharmazeutika eine breite Anwendung gefunden. Alle Schritte müssen möglichst effektiv sein. Zu diesem Zweck ist die Targetpositionierung, die Kühlung, die Bestrahlung, die Rückführung der Targets nach der Bestrahlung, die Zugabe der Chemikalien, Temperatur und Reaktionszeit, Reinigung des Produkts und die Verteilung zur Anwendung automatisch unter Einsatz von EDV und Robotik kontrolliert.

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 16

Kurzlebige Radionuklide und die Rolle von Trägern Mikromengen radioaktiver Verbindungen Tabelle 7: Anzahl der Atome und Massen ausgewählter Radio-nuklide mit einer Aktivität von 10 Bq. Definition: Träger

4.1 Markierung durch biochemische Methoden Die meisten biochemischen Methoden basieren auf der Assimilierung von 14CO2 durch Pflanzen und der Zufuhr von markierten Verbindungen zu verschiedenen Arten von Mikroorganismen oder Tieren. Danach werden die Verbindungen isoliert, die in den Pflanzen, Mikroorganismen und Tieren synthetisiert wurden. Auf diese Art werden Glukose, Aminosäuren, Adenosintriphosphat, Proteine, Alkaloide, Antibiotika, Vitamine und Hormone mit 14C, 35S oder 32P markiert. Kulturen verschiedener Mikroorganismen wie Clorella Vulgaris werden angewendet und genutzt als „Radionuklidfarmen“. Die markierten Verbindungen sind im Allgemeinen zufällig, d.h. nicht an einer bestimmten Position markiert. 4.2 Austauschreaktionen Austauschreaktionen haben den Vorteil, dass langen Synthesewege mit Radionukliden oder Radionuklidverbindungen vermieden werden. Dies ist von besonderer Bedeutung, wenn die chemischen ausbeuten der Synthese gering sind. Homogen Austauschreaktionen können angewendet werden zur Markierung von halogenhaltigen Verbindungen z.B. RCl + Li36Cl → R36Cl + LiCl RCl und LiCl werden in polaren organischen Lösungsmitteln gelöst und der Austausch läuft bei erhöhter Temperatur schnell ab. Anstatt des isotopischen Austauschs kann auch nichtisotopischer Austausch angewendet werden z.B. RCl + Li131I → R131I + LiCl 4.3 Spezielle Aspekte der Chemie von Radionukliden Die wichtigsten Aspekte der Chemie kurzlebiger Radionukliden sind die Masse der Radionuklide ist klein und die chemischen Abläufe müssen schnell ablaufen. Die Masse eines Radionuklids ist proportional zu dessen Halbwertszeit: m = A t1/2 Folgende Tabelle zeigt diese Beziehung für ausgewählte Radionuklide der Aktivität 10 Bq. Je kürzer die Halbwertszeit, desto kleiner die Masse. Spuren in der Größenordnung von 10-10 g oder weniger können in der Regel nur durch ihre Radioaktivität detektiert werden und erfordern bei der Handhabung besondere Aufmerksamkeit. Folgende Parameter spielen dabei eine Rolle: • Die Masse des Radionuklids • Die Anwesenheit von isotopischen Trägern • Die Anwesenheit von nicht isotopischen Trägern Radionuklide Halbwertszeit Anzahl

Atome Masse [g] Konzentration

[mol/L]*) 238U 4,468·109 y 2,0·1018 8,0·10-4 3,4·10-4 210Po 138,38 d 1,7·108 6,0·10-14 2,9·10-14 32P 14,26 d 1,8·107 9,5·10-16 3,0·10-15 24Na 14,96 h 7,7·105 3,1·10-17 1,3·10-16 *) falls gelöst in 10 mL Träger sind Elemente oder Verbindungen mit dem Radionuklid identischen oder sehr ähnlichen chemischen Eigenschaften. In Bezug auf die Eignung als Träger ist der chemische Zustand entscheidend. Träger werden häufig hinzugefügt,

M ln2 · NAv

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 17

Beispiel: Mehrere Maßnahmen können die Sorption oder Chemisorption an Radionukliden auf Glasoberflächen unterbinden:

um normales chemisches Verhalten des Radionuklids sicher zu stellen. Zu diesem Zweck müssen die Träger in denselben chemischen Zustand wie das Radionuklid gebracht werden. Im Falle der Radioisotope von stabilen Elementen wie 60Co, 32P und 24Na sind kleine Mengen (Spuren) dieser Elemente aufgrund ihrer ubiquitären Verteilung immer vorhanden. Die Massen sind im Allgemeinen höher als die Massen der kurzlebigen Radionuklide und die allgegenwärtigen Spuren wirken als isotopische Träger der kurzlebigen Radionuklide, vorausgesetzt sich befinden sich im selben chemischen Zustand. Spuren von Elementen oder Verbindungen anderer Elementen mit ähnlichen chemischen Eigenschaften können als nicht isotopische Träger für Radionuklide von stabilen wie instabilen Elementen dienen. Die folgenden Parameter spielen eine Rolle: 4.4 Radionuklide mit hoher spezifischer Aktivität In Abwesenheit von stabilen Isotopen ist die spezifische Aktivität gegeben durch = Sogar für langlebige Radionuklide wie 14C (Halbwertszeit: 5730 y) ist die spezifische Aktivität sehr hoch und die Substanzmasse sehr gering, falls stabile Isotope abwesend sind. 1 GBq 14C (≈ 27mCi) hat eine Masse von nur 6,06 mg 14C und eine spezifische Aktivität von 165 GBq pro g 14C. Wegen der Anwesenheit von stabilem Kohlenstoff werden in der Praxis spezifische Aktivitäten von bis zu 100 GBq 14C pro g Kohlenstoff erhalten. Die Handhabung von Mikromengen (nichtwägbare Mengen <1 µg) an Material, die besonders bei kurzlebigen Radionukliden zu berücksichtigen sind, erfordert spezielle Vorkehrungen, da durch die Abwesenheit messbarer Mengen an Träger das chemische Verhalten von Radionuklide von dem der beobachteten Makrokomponenten abweicht. Diese Aspekte sind von besonderer Wichtigkeit bei Systemen die Flüssigkeiten/Festkörper, Gase/Festkörper oder Flüssigkeit/Flüssigkeit Berührungsflächen enthalten. Der Prozentsatz der sorbierten Radionuklide an den Wänden eines Behälters hängt ab von der chemischen Form (Spezies) des Radionuklids, seiner Konzentration und spezifischen Aktivität sowie den Eigenschaften des Behältermaterials. Bei hohen spezifischen Aktivitäten eines Radionuklids in Lösung bietet die Oberfläche eines Becherglases ein Übermaß an Oberflächen-sorptionsstellen. Hohe Konzentration von H+, um Ionenaustausch und Hydrolyse

zu unterdrücken; • Hoche Konzentration nichtisotopischer Kationen, Anionen oder

andere Substanzen zur Unterdrückung des Ionenaustauschs und der Adsorption Von Radionukliden;

• Hydrophobisation der Glasoberfläche (z.B. durch Behandlung mit Silikonen), um dem Ionenaustausch und der Chemisorption vorzubeugen.

A m

ln2 t1/2

NAv M

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 18

Radiokolloide Spurentechniken Radioimmuno-assay

Die Oberflächen von Plastikmaterial, wie Polyethylen, Polypropylen oder Perspex entfalten keinen Ionenaustausch, aber Adsorption kann hervorgerufen werden durch besondere Adsorption organischer Verbindungen einschließlich organischer Komplexe von Radionukliden. 4.5 Radiokolloide Radiokolliode sind kolloidale Formen von Mikromengen radioaktiver Subtanzen. Radiokolloide können aus wässrigen Lösungen durch Ultrafitration, Zentrifugation und Elektrophorese getrennt werden. Sie können mit hoher Sensitivität durch Autoradiographie detektiert werden. Viele organische Moleküle sind groß genug, um Kolloide zu bilden. Deshalb werden organische Kolloide häufig in den Lebenswissenschaften verwendet. Allgemein werden Radiokolloide auf zwei unterschiedliche Arten gebildet: Das Radionuklide oder die markierte Verbindung kann ein

intrinsisches Kolloid (Eigenkolloid oder wirkliches Kolloid) bilden.

Das Radionuklide oder die markierte Verbindung kann an ein bereits existierendes Kolloid, das als Träger fungiert, angelagert werden (Fremdkolloid oder Pseudokolloid).

4.6 Spurentechniken Spurentechniken umfassen alle Methoden, bei denen Mikromengen (Spuren) von Radionukliden oder markierten Verbindungen zu einem System gegeben werden, um das Verhalten, den Transport oder die chemische Reaktion eine bestimmten Elements oder Verbindung in diesem System zu markieren. Radioaktive Spuren (Tracer) werden bevorzugt genutzt, weil sie in sehr geringen Konzentrationen mit hoher Empfindlichkeit (Sensitivität) detektiert und bestimmt werden können wie Tabelle 12 zeigt. Bei einer Messzeit von 10 Minuten und einem physikalischen Wirkungsgrad von 20% können 10 Bq mit einem statistischen Fehler von 3% bestimmt werden. Die Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit der Tracertechnik ist, dass das verwendete Radionuklid in der chemischen Form eingesetzt werden muss wie die zu untersuchende Spezies. Das gleiche chemische Verhalten kann angenommen werden im Falle von istopischen Tracern, soweit Isotopieeffekte ausgeschlossen werden können. Isotopieeffekte machen sich in der Regel nur bei leichten Elementen bemerkbar besonders bei Wasserstoff für den der kinetische und Gleichgewichtsisotopieeffekt berücksichtigt werden muss bei der Substitution von H durch Deuterium oder Tritium. 4.7 Methoden zur Radionuklidmarkierung von Peptiden und Proteinen In einigen Bereichen der Biochemie, wie für bestimmte Bindungsstudien oder Radioimmunoassays, werden Peptide oder Proteine in vitro radioaktiv markiert und dann quantitativ bestimmt. Der große Vorteil dieser Methode besteht in der hohen Selektivität und Sensitivität. So können mittels LSC noch Konzentrationen bis 10-15 mol/L eines mit 125I markierten Peptids oder Proteins nachgewiesen werden. Für die Markierung kommen vorwiegend Peptide in Betracht.

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 19

Tabelle 8: Übersicht über häufig angewendete Methoden zur radioaktiven Markierung von Proteinen (nach Lottspeich, Zorbas, Bioanalytik [2]) . Sonden zur Nuklein-säureanalytik

Diese Methode ist unter bestimmten Bedingungen ebenso für Proteine geeignet. Einen Überblick über die gängige Markierungsstrategien und Marker gibt die folgende Tabelle. Aminosäurerest Eingeführter

Marker Methode

Histidin, Tyrosin

125I, 131I Cloramn T, Iodo-Beads

Tyrosin 125I, 131I Lactoperoxidase Lysin, N-Terminus

125I, 131I Bolton-Hunter-Reagenz

Lysin, N-Terminus

14C, 3H a) Anhydrid b) Aldehyd, Borhydrid

Cystein 14C, 3H Iodessigsäure Tyrosin 3H Reduktion von 127I jeder Rest 14C, 3H Peptidsythese Zuckerrest 3H Periodat, Borhydrid Die Wahl des Radionuklids hängt davon ab, welche Aminosäurereste modifiziert werden können, welche Halbwertszeiten für die biologischen Untersuchungen gewünscht sind, und welche Methode kompatibel mit der biologischen Aktivität der Peptide oder Proteine ist. Eine häufige Methode ist die Markie-rung mit 125I (t1/2: 60 Tage) oder, wenn eine kürzere Halbwertszeit bei höherer spezifischer Aktivität im Bereich von Ci/mmol ge-wünscht ist, mit 131I (t1/2: 8,02 Tage). Iod ist ein γ-Strahler, was für die Detektion günstig ist. 14C- oder 3H-Markierungen haben im Ver-gleich dazu zwei wichtige Vorteile: Zum einen können andere Aminsäurereste modifiziert werden (Lysin oder Cystein); zum ande-ren können durch de novo-Synthese mit zuvor radioaktiv markierten Aminosäuren chemisch identische Peptide hergestellt werden. Die Halbewertszeiten von 14C (t1/2: 5730 Jahre) und 3H (t1/2: 12,34 Jahre) sind jedoch sehr lang und beide sind β−-Strahler. Im Radioimmunoassay werden bei immunochemischen Reaktionen Radionuklide als Tracer zur Isolation verwendet. Radioimmunoassay wurde erstmals 1959 von Yalow und Berson beschrieben und wird seitdem breit angewendet in klinischer Medizin insbesondere zur Messung von Serumproteinen, Hormonen, Enzymen, Viren, bakterielle Antigene, Drogen und anderen Substanzen im Blut, Körperflüssigkeiten oder Geweben. Nur ein Tropfen Blut ist notwendig. Heute werden jährlich mehr als 10.000.000 Immunoassays allein in den USA durchgeführt. Die wichtigsten Vorteile dieser Methode sind ihre hohe Sensitivität und Spezifität. In günstigen Fällen können Mengen bis zu 10-13 g und Antigenkonzentrationen von 0,5 pg/mL bestimmt werden. 4.8 Bestimmung der Basensequenzen von DNA Die Strategien des sequenzspezifischen Nucleinsäurenachweises über Sequenzierung oder Hybridisierung spielen markierte Nucleinsäuren in Form von Oligonucleotiden oder längeren Nucleinsäuren als Primer oder Hybridisierungssonden eine zentrale Rolle. Dabei werden sowohl radioaktiv wie auch nicht radioaktiv markierte Sonden eingesetzt. Radionuklide haben den Vorteil,

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 20

Markierungs-positionen Abbildung 4: Strukturformel von Cytosin.

die chemische Struktur und somit die Hybridisierungseigenschaften der Sonden bei den in der Nucleinsäureanalytik hauptsächlich verwendeten Isotope 3H, 14C, 32P, 33P, 35S und 125I unverändert bleibt. Die Basensequenz von DNA wird auf folgende Weise bestimmt: Die Zellwände werden aufgebrochen und die doppelsträngige DNA wird denaturiert in Einzelstrangstücke, die durch Zentrifugation konzentriert werden. Durch Anwendung von Enzymen werden die Nukleotidketten weiter in kleinere Stücke zerteilt. Zu diesen werden markierte Verbindungen hinzugefügt die selektiv an die verschiedenen Fragmente binden. Die Verbindungen können markiert werden mit Radionuklid wie 3H, 14C oder 32P. Der ursprüngliche DNA-Strang kann in einem Klonprozess direkt markiert werden, z.B. mit 32P. Die geklonte DNA wird dann aufgeschnitten in Fragmenten mit verschiedenen Restrktionsenzymen. Alle Proben, die man so erhält, werden der Eletrophorese in einem Gel wie Agarose oder Polyakrylamid zugeführt, wobei die Fragmente nach ihrer Migrationsge-schwindigkeit separiert werden. Mittels Autoradiographie kann man charakteristische Bande oder Linien erhalten, die Informationen über das Individuum enthält, von dem die DNA entnommen wurde. Bei radioaktiver Markierung erfolgt der Austausch stabiler natürlicher Isotope durch instabile Isotope - abhängig von der Art des Isotops – an verschiedenen Positionen von Nucleosidtriphophaten. Dies bedeutet, dass die Reaktionsbedingungen für den enzymatischen Einbau markierter Nucleotide in Hybridisierungssonden und die Hybridisierungsbedingungen nicht geändert werden müssen. Im Fall der am häufigsten verwendeten 32P oder 33P-Phosphatmarkierung ist die Austauschposition entweder die α− oder γ−Position der Phosphatreste in 2`-Desoxyribo-, 3`-Desoxyribo(Cordycepin)- oder 2`-Ribonucleotiden. Im Fall von 35S erfolgt der Austausch gegen ein Sauerstoffatom des α-Phosphats.

Die 32P- oder 35S-

markierte α-Position

wird über homogene Sondermar

kierung durch Polymerasen (z.B. random-primed-Markierung, Nick-Translation, Reverse Transkription oder PCR-Amplifikation) erhalten; die markierte γ-Position durch Übertragung des markierten γ-Phosphats von ATP auf freie 5`-OH-Sondenenden (T4-Polynucleo-tidkinase). Die wegen der geringeren Streustrahlung und längeren Lebensdauer vorwiegend für in situ-Applikationen verwendeten 3H-Isotope werden in unterschiedlichen Positionen, der Basenringgerüste eingeführt. Die Markierung mit 125I erfolgt an der C5-Position von Cytosin. 14C-Isotope werden wegen geringer Strahlungsdichte nur nach selten benutzt.

C

N34 5C H

Cytosin C2 1

6C HO N

H

NH2

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 21

Abbildung 5: Austausch-positionen für radioaktive Markierungen. A: Nucleosidtriphosphat. B: Positionen der Basengerüste Tabelle 9: Charakteristische Eigenschaften der Radioisotope zur Sondenmarkierung.

A

−O −O −Oγ β α O

−O − P − O − P − O − P − O − CH2

O O O

H HH H

R2 R1

R1 = H; R2 = OH 2`-DesoxyriboseR1 = OH; R2 = H 3`-DesoxyriboseR1 = R2 = OH Ribose

Purin- oderPyrimidin-

base

B R2

C R3

N34 5C

Pyrimidin C2 1

6C H

R1 N

R2

C N

N34 5C 7

8C H Purin C2 1

6C 9

R1 N N 4.8 Radioaktive Nachweissysteme (Blotverfahren) Für radioaktive Sonden bei Blotverfahren werden meist die beiden β−-Strahler 32P- oder 35S eingesetzt. 3H ist ebenfalls ein β−−Strahler, jedoch mit nochmals zehnfach geringerer Emissions-energie. Wegen der hohen Stabilität und der geringeren Streustrahlung wird dieses Isotop in situ und für Gewebeschnitte eingesetzt. 14C wurde früher für TCA-Fällungen verwendet. In fol-gender Tabelle sind die Kenndaten der zur Sondenmarkierung und Sequenzierung häufig verwendeten Isotope zusammengefasst. Isotop Art der

Strahlung EMax [MeV]

t1/2 Anwendungen Eigenschaften

3H β− 0,0118 12,3 y in situ niedrige Sensitivität hohe Auflösung

35S β− 0,167 87,4 d Filter-Hybridisierung

mittlere Sensitivität gute Auflösung

125I γ

β− 0,035 0,035

60,0 d in situ mittlere Sensitivität hohe Auflösung

32P β− 1,71 14,2 d Filter-Hybridisierung Sequenzierung

höchste Strahlungsenergie höchste Sensitivität mittlere Auflösung (Streustrahlung)

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 22

32P hat die höchste Strahlungsenergie und damit die höchste Dekontaminationsempfindlichkeit. Jedoch limitieren die sehr kurze Halbwertszeit und die hohe Streustrahlung beim Einsatz dieses Radionuklids bei der Sequenzierung und der Analyse komplexer Fargmentemuster, da die Auflösung nahe zusammenliegender Banden begrenzt ist. Auch ist die Lesbarkeit von Sequenzgelen nach oben hin begrenzt. Ist die Sensitivität nicht entscheidend, aber hohe Auflösung gefordert, werden vorteilhaft 33P- oder 35S-Isotope eingesetzt. Beispiele dafür sind die enzymatische Sequenzierung und die Analyse von DNA- oder RNA.-bindenden Proteinen über veränderte Wanderungsgeschwindigkeiten der proteinbeladenden Fragmente in Gelen (gel shift assay). Neben 3H ist die niedrige Strahlungsintensität von 35S für in situ-Anwendungen geeignet, wo die begrenzte β−-Emission entscheidend für die exakte zelluläre Lokalisierung ist. Radioisotope in Form von Nucleotiden, die an den erforderlichen Positionen markiert sind, kommerziell erhältlich. Die wässrigen Lösungen enthalten Stabilisatoren, um die Zerstrahlung der biologisch aktiven Substanzen zu verhindern. Die Isotope werden bei -20°C bzw. -70°C gelagert, um den Zerfall zu verlangsamen. Wegen der fortschreitenden Zerstrahlung und Radikalbildung sollen radioaktive Nucleotide möglichst rasch eingesetzt werden. Die Detektion radioaktiver Nucleinsäuren erfolgt in Blotformaten über Autoradiographie mit Röntgenfilmen, die zur Dokumentation dauerhaft aufbewahrt werden können. Es gibt verschiedene Detektionsmöglichkeiten: • Direkte Autoradiographie: Die strahlende Fläche (Membran,

Gel, Zellrasen oder Gewebsschnitt) wird direkt mit dem Röntgenfilm in Kontakt gebracht. Diese Methode ist für alle Strahler anwendbar; für 3H sind Filme ohne Schutzschichten notwendig, damit die energiearmen Elektronen in die photoaktive Schicht eindringen können.

• Flourographie: Die strahlende Fläche wird mit floureszierenden Chemikalien überschichtet; die die radioaktive Strahlungsenergie in Floureszenz umwandelt; die gebräuchlichsten Flourophore sind 2,5-Diphenyloxazol (PPO) und Natriumsalicylat.

• Indirekte Autoradiographie mit Verstärkungsfolien (intensifyer screens): Hochenergetische β−−-Strahlung wird durch Phosphatreste der Verstärkungsfolie absorbiert und in blaues Licht umgewandelt.

• Flüssige Emulsionen für cytologische oder cytogenetische in situ-Anwendungen: Die niedrig- bis mittelenergetischen 3H- bzw. 35S-Zerfallsprodukte verlangen direkten Kontakt des Detektionsmediums; die feste Emulsion wird bei 45°C verflüssigt und der Objektträger eingetaucht. Nach Trocknen erfolgt die Exposition bei 4 °C unter Lichtausschluss für Tage bis zu mehreren Monaten.

• Vorexponierte Röntgenfilme für direkte Autoradiographie und Fluorographie: Eine kurze Vorexposition aktiviert die Silbersalz-Körner, die dann weniger Photonen zur Signaerzeugung benötigen. Die Voraktivierung kann nur für Fluorographie oder Verstärkungsfolien (Lichtprozesse) angewandt werden.

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 23

5. Literatur zu Abschnitt B [1] Karl Heinrich Lieser, Nuclear and Radiochemistry, 2. Edition, Wiley-VCH, Berlin, 2001 [2] F. Lottspeich, H. Zorbas, Bioanalytik, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, Brlin, 1998. [3] Glenn F. Knoll, Radiation Detektion and Measurement, 2. Edition, John Wiley & Sons, New York, 1989. [4] G. Stöcklin und V. W. Pike, Radiopharmaceuticals for Positron Emission Tomography, Kluwer Academic Publishers, Dordrecht, 1993.

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 24

C. Radioaktivität

1. Stabilität des Atomkerns

Heute sind über einhundert chemische Elemente bekannt. Einen schnellen Überblick über die Vielfältigkeit ihrer Eigenschaften erlaubt das Periodensystem. Das Periodensystem der Elemente wurde im Jahre 1869 von L. Meyer und D. Mendelejeff unabhängig voneinander aufgestellt, um die verwandtschaftlichen Beziehungen der Elemente deutlich zu machen. Daneben entdeckte Henri Becquerel 1896 das Phänomen der Radioaktivität des Elements Uran (entdeckt von Klaproth 1789). Ab 1898 entdecken Pierre und Marie Curie weitere radioaktive Elemente und tragen entscheidend zur Klärung des Phänomens der Radioaktivität bei. Die neu entdeckten Elemente sind nur in unwägbar geringen Mengen vorhanden und lassen sich meist nur durch die von ihnen emittierte ionisierende Strahlung nachweisen. Sie gehören zu den natürlichen Radionukliden. In einer weiteren Periode wurden die Lücken im Periodensystem geschlossen (Z = 43 und Z = 61). Diese fehlenden Elemente konnten künstlich durch Kernreaktionen hergestellt werden. Sie werden als künstliche Radionuklide bezeichnet. Bei der Untersuchung der Zerfallsprodukte des Uran und des Thoriums hatte man 40 verschiedene radioaktive Atomarten mit unterschiedlichen Halbwertszeiten gefunden. Für die 40 Atomarten gibt es jedoch nur 12 Plätze im Periodensystem. Soddy schlug 1913 vor, jeweils mehrere dieser Atomarten auf dem gleichen Platz des Periodensystems unterzubringen. Damit wird der Begriff Isotop, d. h. "auf dem gleichen Platz" eingeführt. Isotope sind Atomarten, die sich nur durch ihre Massenzahlen nicht aber durch ihre chemischen Eigenschaften unterscheiden. Ein weiterer wichtiger Begriff zur Charakterisierung von Atomarten bzgl. Ordnungs- oder Massenzahlen ist der Begriff „Nuklid“. Atomkerne setzen sich aus Neutronen und Protonen, den Nukleonen zusammen. Die Nukleonen werden durch die Kernkräfte zusammengehalten. Nuklide sind verschiedene Atomarten, die sich in ihrer Ordnungszahl Z und ihrer Massenzahl A unterscheiden. Regeln für die Schreibweise nach einer Empfehlung der Internationalen Union für Reine und Angewandte Chemie (IUPAC):

(Symbol) oder (Symbol) oder (Symbol)-A

Radionuklide sind Atomarten mit bestimmten Ordnungs- und Massenzahlen, die instabil sind und sich unter Aussendung von ionisierender Strahlung in andere Nuklide umwandeln. Für eine vollständige Charakterisierung von Radionukliden sind Angaben über die Art, die Energie und der Emissionswahrscheinlichkeit der von dem Radionuklid ausgesandten ionisierenden Strahlung notwendig. Es sind insgesamt 104 verschiedene Elemente mit ca. 1300 Nukliden bekannt. Es gibt 270 stabile Nuklide. Die Stabilität der Nuklide läßt sich durch das Tröpfchenmodell des Atomkerns (Bethe-Weizäcker-Formel) erklären.

Z

A

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 25

Zeitgesetz des radioaktiven Zerfalls

Einheit: [λ] = 1 s-1

Differentielle Form des Zeitgesetzes

Aktivität

Integrale Form des Zeitgesetzes

Mittlere Lebensdauer τ

2. Naturgesetze des radioaktiven Zerfalls

2.1 Zeitgesetz des radioaktiven Zerfalls

Radioaktivität ist die Eigenschaft von Atomkernen, die sich nahezu ohne Einfluß von außen, spontan unter Emission von ionisierender Strahlung in einen niederenergetischen Zustand umwandeln. Man hat ein Radionuklid mit N instabilen Kernen. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Kern in der Zeit zwischen t + ∆t zerfällt, ist im statistischen Mittel λ⋅∆t und unabhängig von t. λ ist die Zerfallskonstante.

Die Zahl der Zerfälle n beträgt im statistischen Mittel N⋅λ⋅∆t, wenn N die Anzahl der in zur Zeit t vorhandenen Kerne ist. - N⋅λ⋅∆t ist zugleich die Abnahme ∆N der Anzahl der instabilen Kerne in der Probe während des Zeitintervalls ∆t. ∆N = - N⋅λ⋅∆t Geht man zu infinitesimal kleine Zeitintervallen über dann ist: dN/dt = A (t) = - N⋅⋅⋅⋅λλλλ mit A(t): Aktivität zum Zeitpunkt t. Die Aktivität gibt die Zahl der Kerne an, die pro Zeiteinheit zerfallen. Einheit: [A]=1 Bq (Becquerel) =1 s-1 Alte Einheit: [A] = 1 Ci (Curie) =3,7⋅1010 Bq. 1 Ci: Aktivität von annähernd 1 g Ra-226 im radioaktiven Gleichgewicht mit allen Zerfallsprodukten.

Die Integration der obigen Gleichung ergibt das Zeitgesetz des radioaktiven Zerfalls:

N(t) = N0⋅⋅⋅⋅e−λ−λ−λ−λ⋅⋅⋅⋅t

oder

A(t) = A0⋅⋅⋅⋅e−λ−λ−λ−λ⋅⋅⋅⋅t

N0:= N(t=0): Anzahl der Kerne zum Zeitpunkt t =0.

A0:=A(t=0): Aktivität der Probe zum Zeitpunkt t=0.

Beziehung zwischen Zerfallskonstante λ und Halbwertszeit T1/2.

T1/2= ln(2)/λλλλ

Die Halbwertszeit T1/2 ist die Zeit, nach der die Hälfte der in der Probe enthaltenen Kerne zerfallen ist. Die Halbwertszeit überdeckt einen sehr weiten Zeitbereich von µs bis > 1021 Jahre (76Ge). Die mittlere Lebensdauer τ ist die Zeit nach der die Aktivität auf 1/e (rund 37%) des Anfangswerts A0 abgefallen ist.

ττττ = 1/λλλλ ≈≈≈≈ 1,443·T1/2

(5)

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 26

Abbildung 6: Relative Abnahme der Aktivität beim mononuklearen Zerfall nach dem radioaktiven Zerfallsgesetz.

Abbildung 7: Häufig- keit von Zerfällen gegen die Anzahl der Zerfälle n bei verschiedenen Mittelwerten ν.

2.2 Statistik des radioaktiven Zerfalls

Die Häufigkeit zn =λ⋅∆t, dass innerhalb eines Zeitintervalls eine Anzahl von n Zerfällen auftritt, ist unabhängig von t und folgt der Poissonverteilung. Bei Z Wiederholungen findet man zn mal die Zerfälle n innerhalb einer bestimmten Zeit t

mit ν: Mittelwert der Anzahl der Zerfälle

Mit Z =100 und ν = 5, 10, 15 und 20 ergibt die Poissonverteilung folgenden Kurven der relative Häufigkeit zn gegen die Anzahl der Zerfälle n.

0

2

4

6

8

10

12

14

16

18

20

0 5 10 15 20 25 30 35

n

zn

5 10 15 20ν =

Die Standardabweichung ∆n der Zerfälle n um den Mittewert ν ist bei der Poissonverteilung: ∆n = √ν

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 27

Abbildung 8: Massen von Radionukliden der Aktivität 1 Bq.

2.3 Aktivität und Masse

Die Aktivität eines Radionuklids ist der Masse der momentan vorhandenen Kerne proportional:

Dabei bedeuten: m: Masse des Radionuklids in der Probe A: Aktivität des Radionuklids in der Probe T1/2: Halbwertszeit des Radionuklids M: Atom- bzw. Molekülmasse der Verbindung, in der das Radionuklid in der Probe vorkommt. NA: Avogadro-Konstante h: relative Häufigkeit des Nuklids Folgende Abbildung zeigt die Massen von Radionukliden mit 1 Bq.

2.4 Bezuggrößen der Aktivität

Masse: spezifische Aktivität = Aktivität pro Masse [Bq/g]

Volumen: Aktivitätskonzentration = Aktivität pro Volumen [Bq/m³]

Fläche: Oberflächenkontamination = Aktivität pro Fläche [Bq/cm²]

Teilchenzahl: Aktivität pro Teilchenzahl [Bq/mol] oder [Ci/mol]

Die Größe der Aktivität bedeutet die Angabe der Menge eines Radionuklids in einer Probe. Der Vergleich mit abgeleiteten Grenzwerten ermöglicht den Nachweis der Einhaltung bestimmter Schutzziele im Strahlenschutz. Der Bezug auf die Teilchenzahl ermöglicht die quantitative Bestimmung biochemischer Reaktionsprodukte.

T1/2·M

m= A

ln2·NA·h

1,E

-19

1,E

-18

1,E

-17

1,E

-16

1,E

-15

1,E

-14

1,E

-13

1,E

-12

1,E

-11

1,E

-10

1,E

-09

1,E

-08

1,E

-07

1,E

-06

1,E

-05

1,E

-04

1,E

-03

Th-232

K-40

Tc-99

Pu-239

Cs-137

H-3

S-35

I-125

P-33

P-32

I-131

Tc-99m

F-18

Masse pro Aktivität [g/Bq]

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 28

Zerfallsreihen Radioaktives

Gleichgewicht Säkulares radioaktives Gleichgewicht

Schreibweise

Transientes radioaktives Gleichgewicht Kein radioaktives Gleichgewicht

2.5 Zerfallsreihen Zwei oder mehrere Radionuklide wandeln sich gemäß dem Zeitgesetz des radioaktiven Zerfalls ineinander um. Als Beispiel sei im Folgenden ein System mit zwei Radionukliden angeführt, wie es z. B. beim Zerfall des 90Sr auftritt: Nuklid 1 →→→→ Nuklid 2 →→→→ Nuklid 3 (stabil)

Es gilt: A2 = λλλλ⋅⋅⋅⋅·N2

N1 bzw. N2: Anzahl der Kerne des Nuklids 1 bzw. 2 A1 bzw. A2: Aktivitäten der Nuklide 1 bzw. 2 λ1 bzw. λ 2: Zerfallskonstanten der Nuklide 1 bzw. 2 T1/2,1 bzw. T1/2, 2: Halbwertszeiten der Nuklide 1 bzw. 2 Bestimmte berechenbare Beziehungen zwischen den Aktivitäten von Mutter- und Tochternuklid werden radioaktives Gleichgewicht genannt: Betrachtet man die Werte der Aktivitäten A1 und A2 zu Zeiten t >> T1/2, 2 dann gelten folgenden Aussagen, je nach Verhältnis der Werte der Halbwertszeiten der Nuklide 1 und 2: T1/2,1 >> T1/2, 2 (7a) A1 (t >>T1/2, 2) ≈≈≈≈ A1(t) (7b) Grundvoraussetzung für die Bestimmung des Kalibierfakors für Oberflächenkontaminationsmessungen durch Anwendung des Flächenkalibrierstrahlers mit 90Sr. 90Sr ist im radioaktiven Gleichgewicht mit 90Y: 90Sr(90Y). Transientes radioaktives Gleichgewicht stellt sich ein, wenn gilt: wenn: T1/2,1 < T1/2, 2 oder T1/2,1 ≈T1/2, 2 Ist T1/2,1 << T1/2, 2, so gilt für t >> T1/2,1 und t >> T1/2, 2: A2/A1 ≈ λ2/λ1 Kein radioaktives Gleichgewicht stellt sich ein, wenn gilt: T1/2,1 < T1/2, 2 Bei mehreren aufeinander folgenden Zerfällen des Typs Nuklid 1 →→→→ Nuklid 2 →→→→ Nuklid 3 →→→→ .... →→→→ Nuklid n (stabil) Bildet sich eine radioaktive Zerfallsreihe aus. Typische Beispiele sind die natürlichen Zerfallsreihen beginnend mit 238U, 235U und 232Th. Es gilt: dNi/dt = λλλλi-1⋅⋅⋅⋅Ni-1 - λλλλi⋅⋅⋅⋅Ni Dieses gekoppelte lineare Differentialgleichungsystem kann durch Summen von Exponentialfunktionen gelöst werden (siehe z.B. Lieser, Kernchemie). Bei gegebenen Voraussetzungen kann sich radioaktives Gleichgewicht einstellen.

N2 = λλλλ1/(λλλλ2-λλλλ1)·N1·[1-e-(λλλλ2-λλλλ1)·t]

ΑΑΑΑ2222 = λ = λ = λ = λ2/(λλλλ2-λλλλ1)·A1·[1-e-(λλλλ2-λλλλ1)·t]

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 29

Abbildung 9a: Die natürlichen Zerfallsreihen: Thorium Abbildung 9ba: Die natürlichen Zerfallsreihen: Uran-Radium Abbildung 9c: Die natürlichen Zer-fallsreihen: Uran-Aktinium

238U α-Zerfall 234Th 238U

β-Zerfall 234Pa

214Pb 218Po 222Rn 226Ra 230Th 234U

214Bi

210Pb 214Po

210Bi

206Pb 210Po

232Th α-Zerfall 228Ra 232Th

β-Zerfall 228Ac

212Pb 216Po 220Rn 224Ra 228Th

208Tl 212Bi

208Pb 212Po

235U α-Zerfall 231Th 235U

β-Zerfall 227Ac 231Pa

211Pb 215Po 219Rn 223Ra 227Th

207Tl 211Bi

207Pb

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 30

Abbildung 10: β−−Strahlung des 147Pm.

3. Zerfallsarten und Kernstrahlung

Beim radioaktiven Zerfall wird ionisierende Strahlung isotrop emittiert. Diese kann aus elektro-magnetischer Strahlung (γ−Strahlung) oder elektrisch geladener (α−, β−Strahlung) oder ungeladener Teilchenstrahlung (z.B. Neutronen n) bestehen. Die Energie dieser Strahlungen ist so hoch, dass sie bei der Wechselwirkung mit Material oder dem Gewebe des menschlichen Körpers Ionen oder Kernreaktionen erzeugen können. Die Energieverteilung der α− und γ− Strahlung ist diskret, die der β− und n- Strahlung ist kontinuierlich. α−, β− und γ− Strahlung kann anhand ihrer charakteristischen Energieverteilung einzelnen Radionukliden zugeordnet werden. Neutronen werden durch Kern-reaktionen oder Kernspaltung erzeugt. 3.1 α−Strahlung

Die Kernreaktion für den α−Zerfall lautet: AZ → A-4(Z -2) + 42He2+. Zusammenhang zwischen der -Energie E und der Halbwertzeit t1/2: log t1/2 ∝ E. Die Energie als Reichweite R in Gasen durch die Geiger-Nutallsche Regel (1911) beschrieben werden logλ = a + B·log R, mit λ: Zerfallskonstanten und A, B: Konstanten. 3.2 β−Strahlung

Beim β−Zerfall wird ein Elektron e− oder ein Positron e+ und das entsprechende Neutrino ν bzw. Antineutrino ν´ durch die Umwandlung von Nukleonen im Kern nach: β−: 10n → 11p + 0-1e + 00ν´ β+: 11p → 10n + 0+1e + 00ν Beim Elektroneneinfang (ec: electron capture) wird aus der Atomschale ein Elektron eingefangen. Diese Reaktion wird beschrieben nach ε: 1

1p + 0-1e → 10n + 00νe

Da sich Energie und Impuls auf drei Reaktionspartner verteilt, werden ist die Energieverteilung des β−Teilchen kontinuierlich (Abbildung). Es ist Emax = Ee- +En Zwischen der Maximalenergie Emax und der Zerfallskonstante λ gilt: log λ= a + b·log Emax Emax ist charakteristisch für einen β−Strahler.

0

50

100

150

200

0 50 100 150 200 250

Energie [keV]

rela

tive

An

zah

l d

er

ββ ββ-T

eil

chen

EMax = 227 keV

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 31

Tabelle 10: Eigenschaften von Kernstrahlung

3.3 γ −Strahlung Im Kern ändert ein Nukleon sein Energieniveau, indem es von einem höher angeregten in eine nied- riger angeregten oder dem Grundzustand übergeht. Dabei werden elektromagnetische Wellen mit dis- kreter Energie als Photonen (-Quanten) emittiert. Die Emissionswahrscheinlichkeiten können zwischen 10-5 % und nahezu 100% liegen. 3.4 n −Emission Neutronen entstehen aus Kernreaktionen. Eine Möglichkeit der Produktion von Neutronen ist die induzierte oder die spontane Kernspaltung (spontaneous fission: sf). Spontane Spaltung ist eine weitere Art des radioaktiven Zerfalls, die nur bei hohen Massenzahlen A auftritt. Für 238U ist das Verhältnis der Wahr-scheinlichkeit der spontanen Spaltung zu der des α−Zerfalls rund 1:106. Spontane Spaltung kann beschreiben werden nach: AZ → A´Z´ + A-A´-1(Z – Z´) + νn + ∆E; ν (2 – 4) ist die Anzahl der Neutronen und ∆E ist die bei der Spaltung freiwerdende Energie. Die Energie weist eine kontinuierliche Verteilung auf. Die freien Neutronen sind β−− Strahler mit einer Halbwertzeit von 10,6 Minuten und einer Maximalenergie von 0,78 MeV. Die für die Neutronen-aktivierungsanalyse verwendbaren Neutronen müssen auf sehr niedrige Energien abgebremst werden. Man unterscheidet Neutronen nach ihren Energien (Tabelle 10). 3.5 Zusammenfassung: Eigenschaften von Kernstrahlung Strah- lung

Art der Strahlung

La-dung

Energie- bereich [MeV]

Reichweite in Luft

Abschirmung durch z.B.

Bemerkung

α 42He

2 + 2 – 11 einige cm Blatt

Papier < 70 µm

β e− Elektron 1 -

häufig γ−Strahlung

β+ e+ Positron 1 +

0,005 – 3 bis mehrere m

einige cm Plexiglas e+e-: 511

keV ec e−,

Röntgen-Strahlung

1-, 0 0,003 – 0,1 bis einige dm unendlich

wenige cm Plexiglas, Blei

Röntgen- Strahlung

γ Photon 0 0,005 – 3 unendlich mehrere cm Blei

Schwäch-ung

n 1n Neutron thermisch epi-thermisch schnell ultraschnell

0

0 – 0,1 (0,025·10-6) 0,1·10-6– 0,1 (1·10-6) 0,1 – 10 (0,1) >10 (14)

Reichweite*

23 km

146 km

46.300 km

550.000 km

Kombination - Moderator - Reflektor - n-Absorber - γ−Absorber

z.B. C, H2O Be Cd,Gd,Eu Pb, Bioschild (2 m Beton)

*) Reichweite innerhalb der Halbwertszeit (10,6 Minuten) eines freien Neutrons.

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 32

Definition nach §3 StrlSchV: Ganzkörperexposition ist die Einwirkung ionisierender Strahlung auf den ganzen Körper, Teilkörperexposition ist die Einwirkung ionisierender Strahlung auf einzelne Organe, Gewebe oder Körperteile. Äußere Strahlenexposition ist die Einwirkung durch Strahlungsquellen außerhalb des Körpers, innere Strahlenexposition ist die Einwirkung durch Strahlungsquellen innerhalb des Körpers

Abbildung 11: Schematische Dar-stellung der schädlichen Auswirkungen ionisierender Strahlung auf den Menschen

Wirkungen

Kennzeichen stochastische Strahlenwirkung

R ≈ 0,054 Sv-1

Kennzeichen deterministischer Strahlenwirkung

LD50/30 ≈ 4 Gy

D. Strahlenexposition

1. Wirkungen Die Einwirkung ionisierender Strahlung auf den menschlichen Körper nennt man Strahlenexposition. Befindet sich die Quelle ionisierender Strahlung im Körper, so spricht man von innerer Strahlenexposition, befindet sie sich außerhalb spricht man von äußerer oder externer Strahlenexposition. γ−Strahler können innere und äußere Strahlenexposition verursachen. Ionisierende Strahlung ist so energiereich, dass sie, wenn sie Materie trifft, aus den Atomen oder Molekülen, Elektronen aus dem Atom- bzw. Molekülverband entfernt und dadurch chemische Veränderungen erzeugen kann. Die schädliche Wirkung ionisierender Strahlung verläuft nach folgendem Schema: Die Wirkungen der Exposition von ionisierender Strahlung auf den Menschen unterscheidet man, je nachdem, ob die Eintrittswahr-scheinlichkeit oder die Schwere des Schadens durch die Strahlen-exposition von der Strahlendosis abhängig ist, zwischen stochastischer und deterministischer Strahlenwirkung. Die stochastische Strahlenwirkung ist gekennzeichnet durch: Keine Dosisschwelle der Eintrittswahrscheinlichkeit Die Eintrittswahrscheinlichkeit steigt mit steigender (linear)

Dosis an Die Höhe des Schadens (letale Tumorerkrankung durch die

Strahlenexposition und genetische Schäden bei den Nachkommen der exponierten Person) ist nicht dosisabhängig

Dosiseinheit ist das Sievert (Sv) Risikokoeffizient R ≈ 0,054 Sv-1

Die deterministische Strahlenwirkung ist gekennzeichnet durch: Dosisschwelle der Eintrittswahrscheinlichkeit (rund 0,4 Sv) Die Eintrittswahrscheinlichkeit oberhalb der Dosisschwelle ist

unabhängig von der Dosis Die Höhe des Schadens (Blutbildveränderung, Petechien,

Linsentrübung, Übelkeit, Erbreichen, Gaastroinestinales Syndrom, Haarausfall, Immunschwäche, Lähmung des zentralen Nervensystems) ist dosisabhängig

Dosiseinheit ist das Gray (1 Gy) Die letale Dosis, bei der 50% der exponierten Personen

innerhalb von 30 Tagen sterben: LD50/30 ≈ 4 Gy.

Tod des Menschenbei großer Dosis:

≥≥≥≥ einige Sv

Krebs, Mißbildungen

keine Auswirkungen

Reparatur durch körpereigene Mechanismen

Übertragung der Strahlungsenergie auf Atome und Moleküle

Bildung von chemischen Verbindungen im Körper (z. B. Radikale, Zellgifte)

Veränderung von Biomolekülen

Veränderung des Zellstoffwechsels (Schädigung der Zelle)

Zelltod

Keine feststellba-ren Auswirkungen

bei ≤≤≤≤ 0,4 Sv

fehlerhaft fehlerfrei

Tod des Menschen

⇓⇓⇓⇓

⇓⇓⇓⇓

⇓⇓⇓⇓

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 33

Tabelle 11: Die Arten der Strahlen-exposition. Bewertung der Wirkung der Strah-lenexposition: Dosisbegriffe (Einheiten) R ≈ 0,054 Sv-1 Inkorporation und Dosiskoeffizient Ermittlung der Dosis nach Inkorporation Die Einheit der Dosiskoeffzienten ist: [δ] =1 Sv⋅Bq-1

Unterschiedliche Begriffe der Dosis für Messung und Schutzziel

2. Dosisbegriffe

Viele Dosisbegriffe sind gebräuchlich. Die Begriffe unterscheiden sich prinzipiell nach dem Zweck der Anwendung: Messung oder Schutzziel. Für die quantitative und einheitliche Beschreibung der Wirkung von ionisierender Strahlung zur Gewährleistung eines ausreichenden Schutzes der Einzelperson vor den schädlichen Auswirkungen ionisierender Strahlung verwendet man die Begriffe effektive Dosis und die Organ- bzw. Gewebedosis. Die Strahlenschutzverordnung gibt Grenzwerte für diese Größen an. Der Begriff „Dosis“ beschreibt das Risiko R, an einer strahleninduzierten Tumorerkrankung zu sterben und genetische Schäden bei den Nachkommen zu verursachen (stochastische Strahlenwirkungen). Die Einheit der Äquivalentdosis ist das mSv (milliSievert). Man nimmt heute an, dass durch 1 Sv effektiver Äquivalentdosis ca. 540 tödlich verlaufende Tumorerkrankungen verursacht werden können, wenn 10000 Personen 1 Sv erhalten. Bei der Organ- bzw. Gewebedosis wird die Menge der auf das Gewebe übertragenen Energie (Energiedosis) ebenso berücksichtigt, wie die Wirkung verschiedener Arten ionisierender Strahlung und die unterschiedliche biologische Wirksamkeit auf ein Organ bzw. Gewebe. Man berücksichtigt 24 Organe bzw. Gewebe. Bei der Ermittlung der effektiven Dosis werden die Strahlenem-pfindlichkeiten der Einzelorgane gewichtet. Die Zufuhr von Radionukliden in den menschlichen Körper wird Inkorporation genannt. Je nach der Art, wie die Zufuhr zustande kommt unterscheidet man: Inhalation: Zufuhr erfolgt mit der Atemluft Ingestion: Zufuhr mit Nahrung bzw. Trinkwasser Wundkontamination: Aufnahme durch eine Wunde oder durch

die nicht mehr intakte Haut. Die für jedes Radionuklid individuell berechneten und tabellierten Dosiskoeffizienten δ geben für alle Inkorporationspfade an, welche effektive Äquivalentdosis (bei Erwachsenen für 50 Jahre und bei Kindern (für 70 Jahre) durch die einmalige Zufuhr eines Radionuklids der Aktivität 1 Bq verursacht wird. Die effektive Äquivalentdosis DE bzw. die Organdosis DO ist bei einmaliger Zufuhr der Aj des Radionuklids j durch den Zufuhrpfad k wie folgt zu ermitteln: DE = δEjk⋅ Aj bzw. DO = δOjk⋅ Aj

Quelle (Q)

Abstand Q zu Körperoberfläche Radionuklid Strahlenexposition

kritisches Organ/Gewebe

> 0,1 m α-Strahler3H32P Hautγ-Strahler Haut, Ganzkörperβ-Strahler β-Submersion Hautγ-Strahler γ-Submersion Haut, Ganzkörperα-Strahler keine3H gering Haut32P Hautγ-Strahler Haut, Ganzkörper

Zufuhrpfad

InhalationIngestionWundkontamination

*) Kontamination der Handschuhe

abhängig vom Nuklidim Körper

αβγ-Strahler

keine

extern

extern

innere

außerhalb Körper

< 10 m

homogen in Luft

ca. 0,001 m*)

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 34

Tabelle 12: Dosis-koeffizienten (auswahl)

Beispiel 1:

Beispiel 2:

In der folgenden Tabelle sind einige Dosiskoeffizienten aufgelistet.

Eine Person inkorporiert einmalig 1000 Bq 3H durch Inhalation. Welche effektive Dosis erhält die Person? Lösung: DE(3H) = 4,1⋅10-11 Sv/Bq⋅1000 Bq 3H = 4,1⋅ 10-8 Sv = 41 nSv = 0,041 µSv Die natürliche Ortsdosisleistung beträgt unter 0,1 µSv/h. Der ermittelte Dosiswert würde also der natürlichen externen Strahlenexposition von ca. 35 bis ca. 50 Minuten entsprechen. Welche effektive Dosis und welche Dosis für das kritische Organ bzw. Gewebe verursacht die einmalige Inhalation von 1000 Bq 232Th (ca. 250 mg 232Th)? Lösung: Effektive Dosis: DE(232Th) = 2,9⋅10-5 Sv/Bq⋅1000 Bq 232Th = 2,9⋅10-2 Sv = 29 mSv für das kritische Organ bzw. Gewebe: Knochenoberfläche DO(232Th) = 1,5⋅10-3 Sv/Bq⋅1000 Bq 232Th = 1,5⋅100 Sv = 1500 mSv Dosisgrenzwerte nach Strahlenschutzverordnung: Effektive Dosis: 20 mSv/Jahr. Bewertung: Dosisgrenzwert knapp überschritten. Organdosis: Knochenoberfläche: 300 mSv/ Jahr. Bewertung: Dosisgrenzwert weit (Faktor 5) überschritten.

Nuklid effektiv effektivδE δO δE δO

3H 4,1.10-11enfällt 4,1.10-11 4,2.10-11

rotesKnochenmark 4,1.10-11

14C 5,8.10-10entfällt 5,8.10-10 5,8.10-10

rotesKnochenmark 5,7.10-10

40K 3,0.10-9U Dickdarm 9,0.10-9 6,2.10-9

U Dickdarm 1,9.10-8

60Co 1,7.10-8Lunge 9,6.10-8 3,4.10-9

U Dickdarm 1,8.10-8

90Sr(90Y) 7,7.10-8Lunge 6,3.10-7 2,8.10-8

rotesKnochenmark 1,8.10-7

90Y 1,7.10-9U Dickdarm 1,3.10-8 2,7.10-9

U Dickdarm 3,1.10-8

137Cs 6,7.10-9Uterus 6,9.10-9 1,3.10-8

Uterus 1,4.10-8

226Ra 2,2.10-6Lunge 1,7.10-5 2,8.10-7

Knochen-oberfläche 1,2.10-5

228Ra 1,7.10-6Knochen-oberfläche 3,6.10-5 6,7.10-7

Knochen-oberfläche 2,2.10-5

228Th 2,5.10-5Lunge 2,1.10-4 7,2.10-8

Knochen-oberfläche 2,5.10-6

232Th 2,9.10-5Knochen-oberfläche 1,5.10-3 2,2.10-7

Knochen-oberfläche 1,2.10-5

235U 6,1.10-6 ET Luftwege 6,9.10-5 4,6.10-8Knochen-oberfläche 7,4.10-7

238U 5,7.10-6 ET Luftwege 6,5.10-5 4,4.10-8Knochen-oberfläche 7,1.10-7

239/240Pu 3,2.10-5Knochen-oberfläche 1,0.10-3 2,5.10-7

Knochen-oberfläche 1,8.10-6

Inhalation (5µ AMAD) Ingestion

Dosiskoeffizienten / Sv/Bq

kritisches Organ kritisches Organ

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 35

Abbildung 11: Die Strahlenexposition des Menschen. Quelle: Parlaments-

bericht der Bundes-regierung:Mittlere effektive Jahresdosis durch ionisierende Strahlung im Jahr 2009 (gemittelt über die Bevölkerung Deutschlands)

Abbildung 12: Aktivitäten an künstlichen und natürlichen Radionukliden

3. Die natürliche Strahlenexposition des Menschen Die mittlere jährliche Strahlenexposition des Menschen beträgt ca. 2,4 mSv pro Jahr. Die Hauptanteile der inneren Strahlenexposition aus natürlichen Quellen sind die Inhalation des 222Rn mit den Zerfallsprodukten und die Ingestion des 40K. Die Größenordnungen von typischen Strahlenexpositionen sind: Im Durchschnitt tragen Erwachsene Personen in Mitteleuropa die folgenden Aktivitäten an künstlichen und natürlichen Radionukliden in sich:

0 1000 2000 3000 4000

Kalium-40

C-14

Rubidium-87

Tritium (H-3)

Blei-210

Polonium-210

Uran-238

Radium-226

sonstige

Rad

ion

ukli

de

Aktivität in Bq

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 36

Wichtige Radionuklide Zerfall: (nach ICRP 38)

Strahlenexposition

Beispiel: Effektive Dosis E bei einmaliger Zufuhr von 1000 Bq OBT: E = 4,2·10-8 Sv = 0,000042 mSv

Aktivitätsgrenz-werte

Zerfall: (nach ICRP 38)

Strahlenexposition

Effektive Dosis E bei einmaliger Zufuhr von 1000 Bq: E = 5,8·10-7 Sv = 0,00058 mSv

Aktivitätsgrenz-werte

3H (Tritium) Halbwertszeit: 12, 35 Jahre Zerfallsart: β− (keine γ) Emissionswahrscheinlichkeit: Y(β−) = 1 (Bq·s)-1 Mittlere Energie: Ē(β−) ≈ 5,683 keV Maximale Energie: Emax(β−) ≈ 20 keV Hauptanteil: intern Chemische Form: HTO, Gas

Dosiskoeffizient (effektiv): δE,HTO =1,8·10-11Sv/Bq δE,Gas =1,8·10-15Sv/Bq Dosiskoeffizient (Rotes Knochenmark): δO,HTO =1,8·10-11Sv/Bq δO,Gas =1,8·10-15Sv/Bq Dosiskoeffizient (effektiv): δE =1,8·10-11Sv/Bq Dosiskoeffizient (Rotes Knochenmark): δO =1,8·10-11Sv/Bq Chemische Form: OBT (Organic Bound Tritium)

Dosiskoeffizient (effektiv): δE,OBT =4,1·10-11Sv/Bq Dosiskoeffizient (Rotes Knochenmark): δO,OBT =4,1·10-11Sv/Bq Dosiskoeffizient (effektiv): δE,OBT =4,2·10-11Sv/Bq Dosiskoeffizient (Rotes Knochenmark): δO =4,1·10-11Sv/Bq Zufuhrpfad, der maximalen effektiven Dosis: Ingestion von OBT Uneingeschränkte Freigabe (§29 StrlSchV): 1000 Bq/g Freigabe Metall (Rezyklierung) (§29 StrlschV): 1000 Bq/g Oberflächenkontamination (§44 StrlSchV): 100 Bq/cm² Ableitung von Abwasser (§48 StrlSchV) HTO, Gas: 1·107 Bq/m³ OBT: 7·106 Bq/m³ Ableitung von Abluft (§48 StrlSchV): 1·102 Bq/m³ 14C Halbwertszeit: 5730 Jahre Zerfallsart: β− (keine γ) Emissionswahrscheinlichkeit: Y(β−) = 1 (Bq·s)-1 Mittlere Energie: Ē(β−) ≈ 49,45 keV Maximale Energie: Emax(β ) ≈ 200 keV Hauptanteil: intern Chemische Form: Dampf, CO, CO2

Dosiskoeffizient (effektiv): δE,Dampf=5,8·10-10 Sv/Bq δE,CO =8,0·10-13Sv/Bq δE,CO2 =6,5·10-12Sv/Bq Dosiskoeffizient (Rotes Knochenmark): δO,D =5,8·10-10 Sv/Bq δO,CO =8,0·10-13Sv/Bq δE,CO2 =6,5·10-12Sv/Bq Dosiskoeffizient (effektiv): δE =5,8·10-10Sv/Bq Dosiskoeffizient (Rotes Knochenmark): δO =5,7·10-10Sv/Bq Zufuhrpfad für maximale effektive Dosis: Ingestion (jede Form) oder Inhalation von 14C als Dampf Uneingeschränkte Freigabe (§29 StrlSchV): 80 Bq/g Freigabe Metall (Rezyklierung) (§29 StrlschV): 80 Bq/g Oberflächenkontamination (§44 StrlSchV): 1000 Bq/cm² Ableitung von Abwasser (§48 StrlSchV): 6·105 Bq/m³ Ableitung von Abluft (§48 StrlSchV): 6 Bq/m³

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 37

Zerfall: (nach ICRP 38)

Strahlenexposition Beispiel:

Effektive Dosis E bei einmaliger Zufuhr von 1000 Bq:

E = 2,9·10-6 Sv = 0,0029 mSv Aktivitätsgrenz-werte 32P

Zerfall: (nach ICRP 38)

Strahlenexposition Beispiel:

Effektive Dosis E bei einmaliger Zufuhr von 1000 Bq:

E = 1,3·10-6 Sv = 0,0013 mSv Aktivitätsgrenz-werte 32P

32P Halbwertszeit: 14,29 Tage Zerfallsart: β− (keine γ) Emissionswahrscheinlichkeit: Y(β−) = 1 (Bq·s)-1 Mittlere Energie: Ē(β−) ≈ 694,7 keV Maximale Energie: Emax(β−) ≈ 1700 keV Hauptanteil: intern Stoffklasse: F → f1 = 0,8; M → f1 = 0,8

Dosiskoeffizient (effektiv): δE,F =1,1·10-9 Sv/Bq δE,M =2,9·10-9Sv/Bq Dosiskoeffizient (Rotes Knochenmark): δO,F =4,5·10-9 Sv/Bq δO,M =3,6·10-9Sv/Bq Dosiskoeffizient (effektiv): δE =2,4·10-9 Sv/Bq Dosiskoeffizient (Rotes Knochenmark): δO =8,2·10-9 Sv/Bq Zufuhrpfad für maximale effektive Dosis pro inkorporierte Aktivität: Inhalation von 32P (M) Uneingeschränkte Freigabe (§29 StrlSchV): 20 Bq/g Freigabe Metall (Rezyklierung) (§29 StrlschV): 20 Bq/g Oberflächenkontamination (§44 StrlSchV): 100 Bq/cm² Ableitung von Abwasser (§48 StrlSchV): 3·104 Bq/m³ Ableitung von Abluft (§48 StrlSchV): 10 Bq/m³

33P Halbwertszeit: 25,4 Tage Zerfallsart: β− (keine γ) Emissionswahrscheinlichkeit: Y(β−) = 1 (Bq·s)-1 Mittlere Energie: Ē(β−) ≈ 76,60 keV Maximale Energie: Emax(β−) ≈ 100 keV Hauptanteil: intern Stoffklasse: F → f1 = 0,8; M → f1 = 0,8

Dosiskoeffizient (effektiv): δE,F =1,4·10-10 Sv/Bq δE,M =1,3·10-9 Sv/Bq Dosiskoeffizient (Rotes Knochenmark): δO,F =2,8·10-10 Sv/Bq δO,M =2,3·10-10Sv/Bq Dosiskoeffizient (effektiv): δE =2,4·10-10 Sv/Bq Dosiskoeffizient (Rotes Knochenmark): δO =5,1·10-10 Sv/Bq Zufuhrpfad für maximale effektive Dosis pro inkorporierte Aktivität führt: Inhalation von 33P (M) Faktor der Dosiseinsparung bei Verwendung von 33P anstatt 32P: ca. 2,3. Uneingeschränkte Freigabe (§29 StrlSchV): 200 Bq/g Freigabe Metall (Rezyklierung) (§29 StrlschV): 200 Bq/g Oberflächenkontamination (§44 StrlSchV): 1000 Bq/cm² Ableitung von Abwasser (§48 StrlSchV): 3·105 Bq/m³ Ableitung von Abluft (§48 StrlSchV): 20 Bq/m³

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 38

Zerfall: (nach ICRP 38)

Strahlenexposition Beispiel:

Effektive Dosis E bei einmaliger Zufuhr von 1000 Bq:

E = 1,1·10-6 Sv = 0,0011 mSv Aktivitätsgrenz-werte 35S

Zerfall: (nach ICRP 38)

Strahlenexposition: Aktivitäts-grenzwerte: 125I

35S Halbwertszeit: 87,44 Tage Zerfallsart: β− (keine γ) Emissionswahrscheinlichkeit: Y(β−) = 1 (Bq·s)-1 Mittlere Energie: Ē(β−) ≈ 48,83 keV Maximale Energie: Emax(β−) ≈ 200 keV Hauptanteil: intern Chemische Verbindung: anorganisch Stoffklasse: F → f1 = 0,8; M → f1 = 0,8; Dampf

Dosiskoeffizient (effektiv): δE,F =8,0·10-11 Sv/Bq δE,M =1,1·10-9 Sv/Bq δE,Dampf=1,2·10-10 Sv/Bq Dosiskoeffizient (ET-Luftwege): δO,F =6,6·10-10 Sv/Bq Dosiskoeffizient (Lunge): δO,M =8,6·10-9Sv/Bq Dosiskoeffizient (rotes Knochenmark): δO,Dampf=9,7·10-11 Sv/Bq Stoffklasse: f1 = 0,8; f1 = 0,1 Dosiskoeffizient (effektiv): δE,0,8 =1,4·10-10 Sv/Bq δE,0,1 =1,9·10-10 Sv/Bq Dosiskoeffizient (unterer Dickdarm): δO,0,8 =7,5·10-10 Sv/Bq δO,0,1 =2,2·10-9 Sv/Bq Chemische Verbindung: organisch, Stoffklasse: f1 = 1,0

Dosiskoeffizient (effektiv): δE,1 =7,7·10-10 Sv/Bq Dosiskoeffizient (rotes Knochenmark): δO,1 =7,5·10-10 Sv/Bq Zufuhrpfad für maximale effektive Dosis pro inkorporierte Aktivität. Inhalation von anorganisch gebundenem 35S (M) . Uneingeschränkte Freigabe (§29 StrlSchV): 60 Bq/g Freigabe Metall (Rezyklierung) (§29 StrlschV): 600 Bq/g Oberflächenkontamination (§44 StrlSchV): 1000 Bq/cm² Ableitung von Abwasser (§48 StrlSchV):anorganisch: 7·105 Bq/m³ organisch: 1·105 Bq/m³ Ableitung von Abluft (§48 StrlSchV): 20 Bq/m³

125I Halbwertszeit: 60,14 Tage Zerfallsart: ec, γ1, Röntgenquanten, Auger-Elektronen

Emissionswahrscheinlichkeit: Y(γ1) = 0,0667(Bq·s)-1 Energie γ1: E(γ1) = 35,39 keV Energie (Röntgen): E(X) 4,09-31,71 keV Energie (Auger-El.): E(e-) 3,09-30,13 keV Hauptanteil: intern Stoffklasse: F → f1 = 1,0; Dampf → f1 = 1,0

Dosiskoeffizient (effektiv): δE,F =7,3·10-9 Sv/Bq δE,Dampf=1,4·10-8 Sv/Bq Dosiskoeffizient (Schilddrüse): δO,F =1,5·10-7 Sv/Bq δO,Dampf=2,7·10-7 Sv/Bq Dosiskoeffizient (effektiv): δE,1,0 =1,5·10-8 Sv/Bq δE,1,0 =3,0·10-7 Sv/Bq Uneingeschränkte Freigabe (§29 StrlSchV): 3 Bq/g Freigabe Metall (Rezyklierung) (§29 StrlschV): 3 Bq/g Oberflächenkontamination (§44 StrlSchV): 10 Bq/cm² Ableitung von Abwasser (§48 StrlSchV): 4·104 Bq/m³ Ableitung von Abluft (§48 StrlSchV): 0,5 Bq/m³

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 39

Gründung der ICRP: 1928

Gründung der europäischen Atomgemeinschaft EURATOM im Jahre 1957

Artikel 74 Nr. 11a Grundgesetz (GG): Katalog der konkur-rierenden Gesetz-gebung

Strahlenschutzver-ordnung 1976 [1]

E. Einführung

1. Die beiden Seiten der Radioaktivität Die Anwendung radioaktiver Stoffe und ionisierender Strahlung ist in unserer Zivilisation weit verbreitet. Diese Anwendungen sind in einer stürmischen Weiterentwicklung begriffen, was auch die relative Kurzlebigkeit der damit verbundenen Rechtsvorschriften erklärt. Allerdings waren einige segensreiche wie schädlichen Wirkungen ionisierender Strahlung bereits in früheren Zeiten bekannt. So wurde die nach ihrem Entdecker, dem Nobelpreisträger und Würzburger Professor Dr. Wilhelm Konrad Röntgen benannte Strahlung exzessiv eingesetzt. Im Laufe der Zeit fiel auf, dass sehr viele Radiologen, die diese innovative Technik angewendet hatten, an Leukämie erkranken oder sogar daran starben. Bereits 1928 wurde deshalb auf dem internationalen Kongress für Radiologie in Stockholm die Internationale Strah-lenschutzkommission mit der Bezeichnung International Commission on Radiological Protection (ICRP) gegründet, deren Empfehlungen in der Folgezeit den Strahlenschutz maßgeblich beeinflusst haben und auch die Grundlage für die EURTOM-Grundnormen geworden sind, auf denen die Vorschriften der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) weitgehend beruhen. 2. Entstehung der Strahlenschutzverordnung Nach der Gründung der europäischen Atomgemeinschaft EURATOM im Jahre 1957 schuf dann der Bund die Grundlagen für die Normierung des Strahlenschutzrechts durch Einfügung von Artikel Nr. 74 11a Grundgesetz (GG) und den Erlass des Atomgesetzes im Jahre 1959. Nachdem die EURATOM ebenfalls noch 1959 mit den „Richtlinien zur Festlegung der Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen“ die erste Fassung der EURATOM-Grundnormen geschaffen hatte, kam die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1960 ihrer Verpflichtung aus Artikel 33 Abs. 1 des EURATOM-Vertrages nach und setzte diese Richtlinien durch die „Erste Strahlenschutzverordnung“ in innerdeutsches Recht um. Gleichzeitig versuchte sie hiermit erkannte Missstände und Lücken der bisherigen Regelungen zu schließen. Der ersten Strahleschutzverordnung folgte 1964 die „Zweite Strahlenschutzverordnung“. Nach Erlass der Röntgenverordnung im Jahre 1973 wurden die erste und zweite Strahlenschutzverordnung in dem Bestreben nach weiterer Konzentrierung und Harmonisierung im Jahre 1976 durch die im Prinzip bis 2001 geltenden Strahleschutzverordnung, die „Verordnung über den Schutz vor ionisierender Strahlung“ vom 13. Oktober 1976 [1], abgelöst. Sie brachte zahlreiche Verbesserungen, insbesondere durch Neuregelung des Umgebungsschutzes, und bezog diejenigen Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlung (Teilchenbeschleuniger) in ihren Anwendungsbereich neu ein, die nicht der Röntgenverordnung von 1973 unterlagen. Außerdem berücksichtige sie die zwischenzeitlichen Änderungen der

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 40

Zweite Verordnung zur Änderungen der Strahlenschutzverordnung vom 18.Mai 1989 [2]. Neubekanntmachung vom 30. Juni 1989 [3] Verwaltungsvorschrift zu §45 Strahlen-schutzverordnung [4] Richtlinie 96/29/EURATOM [5] die Richtlinie 97/43/EURATOM [6]

EURATOM-Grundnormen und der OECD-Grundnormen für den Strahleschutz sowie das Übereinkommen Nr. 115 über den Schutz der Arbeitnehmer vor ionisierender Strahlen der allgemeine Konferenz der internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Schließlich wurde den praktischen Erfahrungen und dem Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnis aus den vergangenen 15 Jahren der Anwendungszeit der „ersten Strahlenschutzverordnung“ Rechnung getragen. Die am tiefsten eingreifenden Veränderungen erfuhr diese Strahlenschutzverordnung durch die am 1. November 1989 in kraft getretene Zweite Verordnung zur Änderung der Strahlenschutzverordnung vom 18.Mai 1989 [2], die kaum eine Bestimmung unverändert ließ und deswegen die Neubekanntmachung vom 30. Juni 1989 [3] erforderlich machte. Die Änderungen wurden vor allem deshalb so umfangreich, weil die Vollständige Neuregelung der EURATOM-Grundnormen-Richtlinie aus dem Jahre 1980 und deren Änderungen 1984 in innerdeutsches Recht umgesetzt werden musste. Im Übrigen handelte es sich wieder um Änderungen, deren Notwendigkeit im Laufe der Jahre aus praktischen Erfahrungen oder dem fortgeschrittenen Erkenntnisstand erwuchs. Entsprechend den Bestimmungen der EURATOM-Grundnormen-Richtlinie lag einer der Schwerpunkte bei der Einführung des Konzepts der effektiven Dosis: Bis dahin wurden lediglich Grenzwerte für die Ganzkörperdosis oder für Teilkörperdosen gebildet. Nunmehr wurden durch entsprechende Gewichtungen die Voraussetzungen für die zutreffende Bestimmung einer effektiven Dosis geschaffen. Weiter wurden die Grundzüge des Berechnungsverfahren in die Verordnung selbst übernommen, ergänzt durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zu §45 Strahlenschutzverordnung: Ermittlung der Strahlenexposition durch die Ableitung radioaktiver Stoffe aus kerntechnischen Anlagen oder Einrichtungen vom 21. Februar 1990 [4]. Ein ganz wesentlicher Punkt war auch die Einführung eines Grenzwertes in §49 Abs. 1 Strahleschutzverordnung für das gesamte Berufsleben einer beruflich strahlenexponierten Person. Die Summe der in allen Kalenderjahren ermittelten effektiven Dosis durften danach 400 mSv nicht überschreiten. Wird dieser Grenzwert erreicht, darf der betreffende Berufstätige nicht mehr beruflich in strahlenbelasteten Bereichen eingesetzt werden. Schließlich wurde die Ablieferungspflicht für radioaktive Abfälle und der Umgang mit diesen weitaus detaillierter geregelt. Vor 2001 waren es erneut die überarbeiteten und neu gefassten EURATOM-Grundnormen-Richtlinien

• die Richtlinie 96/29/EURATOM des Rates vom 13. Mai 1996 zur Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen [5]

• die Richtlinie 97/43/EURATOM des Rates vom 30. Juni 1997 über den Gesundheitsschutz von Personen gegen die Gefahren ionisierender Strahlung bei medizinischer Exposition und zur Aufhebung der Richtlinie 84/466/EURATOM [6]

die eine so grundlegende Neuordnung der Strahlenschutz-verordnung erforderlich machte, dass diesmal eine vollständige Ablösung des bisherigen Regelwerks durch ein komplett neues unumgänglich ist. Die wichtigsten Neuerungen sind:

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 41

• Erweiterung des Anwendungsbereichs auf den Schutz vor natürlicher Radioaktivität insbesondere im Bereich des Arbeitsschutzes, die erst durch eine Änderung der Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Strahlenschutzverordnung im Atomgesetz möglich wurde,

• Daraus folgend die Einbeziehung von Flugpersonal, das während der häufigen Flüge einer erhöhten kosmischen Strahlung ausgesetzt ist,

• Im übrigen die Anpassung an die neuen EURATOM-Grundnormen erneut die Senkung der Dosisgrenzwerte zum Schutz von Arbeitnehmern am Arbeitsplatz sowie der übrigen Bevölkerung; der allgemeine Grenzwert zum Schutz der Bevölkerung aus zielgerichteter Nutzung wird von 1,5 mSv auf 1 mSv im Kalenderjahr abgesenkt; bei natürlichen Strahlenquellen ist dieser Dosiswert als Richtwert ausgestaltet; der Grenzwert zum Schutz beruflich strahlenexponierten Personen wird- unter Zulassung von Ausnahmemöglichkeiten- von 50 mSv auf 20 mSv herabgesetzt.

• Die Verminderung von Strahlenbelastung bei medizinischen Anwendungen

• Um gemeinschaftsrechtlichen Bedenken Rechnung zu tragen die weitergehende Umsetzung der Richtlinie 89/618/EURATOM über die Unterrichtung der Bevölkerung über die bei einer radiologischen Notstandssituation geltenden Verhaltensmaßregeln und zu ergreifenden Gesundheitsschutzmaßnahmen in der Rechtsverordnung selbst anstatt in daraus abgeleiteten Verwaltungsvorschriften,

• Die Ablösung bislang noch fort geltenden DDR-Strahleschutzrechts, das nur noch für die Sanierung der Hinterlassenschaften früherer Tätigkeiten, insbesondre des Uranbergbaus in Kraft bleibt und

• Unabhängig von weiter geltenden Freigrenzen ein System der Entlassung wenig radioaktiven Materials aus der Überwachung durch eine behördliche Freigabe, durch die eine Befreiung von unnötigen bürokratischen Hindernissen erreicht und insbesondere auch der Abbruch und die Beseitigung vorhandener kerntechnischer Anlagen erleichtert werden soll.

3. Die Strahlenschutzverordnung im Rechtssystems a) Verfassungsrechtliche Aspekte Durch die Einfügung von Nr. 11a zu Artikel 74 Abs. 1 Grundgesetz (GG) traf der Verfassungsgesetzgeber 1959 die grundlegende Entscheidung zur friedlichen Nutzung der Kernenergie und über- trug dem Bund die konkurrierende Gesetzgebung auf den dort genannten Gebieten wie • die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen

Zwecken, • die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken

dienen, • den Schutz gegen Gefahren, - die bei Freiwerden von Kernenergie oder

- durch ionisierende Strahlung generell entstehen, und • die Beseitigung radioaktiver Stoffe.

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 42

Atomgesetz (ATG) [7] Aktuelle Fassung [8] Artikel 87c GG: Verwaltung bei Erzeugung und Nutzung von Kernenergie Gesetze, die aufgrund des Artikels 74 11c GG ergehen, können mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass sie von den Ländern im Auftrage des Bundes ausgeführt werden. Artikel 85 GG: Landesverwaltung im Bundesauftrag „… die Landesbehörden unterstehen den Weisungen der zuständigen obersten Bundesbehörden. … “. §24 Abs. 1 AtG: Zuständigkeit der Landesbehörden

Von dieser Kompetenzzuweisung hat der Bundesgesetzgeber durch den Erlass des Gesetzes über die friedliche Verwendung von Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz; AtG) vom 23. Dezember 1959 [7] – jetzt anzuwenden in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 1985 - Gebrauch gemacht. Bis zum Erlass des Gesetzes zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität vom 22. April 2002 [9] war es nach Nr. 1 des § 1 AtG noch Zweck des Gesetzes, die Erforschung, die Entwicklung und die Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken zu fördern. Dementsprechend ist nach §1 die Zweckbestimmung dieses Atomgesetzes • die Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von

Elektrizität geordnet zu beenden und bis zum Zeitpunkt der Beendigung den geordneten Betrieb sicher zu stellen,

• Leben, Gesundheit und Sachgüter vor den Gefahren der Kernenergie und der schädlichen Wirkungen ionisierender Strahlen zu schützen und durch Kernenergie oder ionisierende Strahlen verursachte Schäden auszugleichen,

• zu verhindern, dass durch Anwendung oder Freiwerden der Kernenergie oder ionisierender Strahlen die innere oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet wird,

• die Erfüllung internationaler Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Kernenergie und des Strahlenschutzes zu gewährleisten.

Diese Zweckbestimmungen sind bei der Auslegung der auf dem Atomgesetz beruhenden Rechtsverordnungen, zu denen auch die Strahlenschutzverordnung gehört, zu berücksichtigen. Nach Artikel 87c GG i. V. m. §24 Abs. 1 AtG wird das Atomgesetz nicht von den Ländern nach dem Grundsatz des Artikel 83 GG als eigene Angelegenheit ausgeführt, sondern im Wege der Auftragsverwaltung nach Artikel 85 GG (Zitat: „… die Landesbehörden unterstehen den Weisungen der zuständigen obersten Bundesbehörden. … “. Das hat erweiterte Aufsichtsbefugnisse gegenüber den Ländern zur Folge bis hin zu Einzelweisungen des Bundes in Gestalt der zuständigen obersten Bundesbehörde, des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), an die jeweils zuständigen obersten Landesbehörden nach Artikel 85 Abs. 3 GG. b) Friedliche Nutzung der Kernenergie Artikel 74 Nummer 11a GG und dem folgend §1 AtG beziehen sich auf die friedliche, nicht aber auf die militärische Nutzung von Kernenergie und radioaktiven Stoffen. Dies hat z. B. folgende Konsequenzen: Wird abgereichertes Uran zur Herstellung von besonders kompakten Ausgleichsgewichten in Verkehrsflugzeugen verwendet, so sind die Vorschriften der Strahlenschutzverordnung anwendbar. Bei Verwendung von abgereichertem Uran in Kriegswaffen, z.B. panzerbrechende Munition, so ist das Kriegswaffenkontrollgesetz in der Fassung vom 22. November 1990 [9] zuständig. c) Atomgesetz und Strahlenschutzvorsorgegesetz Atomgesetz und Strahlenschutzverordnung beziehen sich nur auf Radioaktivität, die aus Anlass der Nutzung der Kernenergie entsteht und den Schutz vor natürlicher Radioaktivität, soweit sie in

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 43

Strahlenschutzvorsor-gegesetz vom 19. Dezember 1986 [10]

diese Regelwerke einbezogen ist. Sie beziehen sich insbesondere nicht auf den Schutz der Bevölkerung vor Radioaktivität in der Umwelt, wie sie sich z.B. aus dem Fallout nach Kernwaffenversuchen oder dem Reaktorunfall von Tschernobyl ergibt. Für die Überwachung der Umweltradioaktivität und Maßnahmen nach Ereignissen wie dem Unfall von Tschernobyl sind die Bestimmungen des Strahlenschutzvorsorgegesetzes vom 19. Dezember 1986 [10] zuletzt geändert durch Artikel 43 der Verordnung vom 25. November 2003 [11]. d) Atomgesetz und Strahlenschutzverordnung In §2 Abs. 1 definiert das Atomgesetz die radioaktiven Stoffe im sinne dieses Gesetzes und unterscheidet zwischen Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffen. Kernbrennstoffe sind danach besondere spaltbare Stoffe in Form von 239Pu, 241Pu, 233U, mit den Isotopen 233U und 235U angereichertes Uran sowie jeder Stoff, der einen der genannten Stoffe enthält und außerdem alle Stoffe, mit deren Hilfe in einer geeigneten Anlage eine sich selbst tragende Kettenreaktion aufrecht erhalten werden kann und die in einer Rechtsverordnung bestimmt werden. Alle übrigen Stoffe, die ionisierende Strahlen spontan aussenden, sind „sonstige radioaktiven Stoffe“. Stoffe mit einem nur geringen Anteil an Isotopen des Pu oder U dürfen im Wesentlichen den „sonstigen radioaktiven Stoffen zugerechnet werden. Der Umgang mit Kernbrennstoffen wird weitgehend im Atomgesetz unmittelbar geregelt. Es finden sich dort Vorschriften über Ein- und Ausfuhr, die Beförderung, die Verwahrung, den Besitz, die Genehmigung von Anlagen zur Erzeugung, zur Bearbeitung, Verarbeitung oder zur Spaltung von Kernbrennstoffen oder zur Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe sowie zur Behandlung kernbrennstoffhaltiger Abfälle. Die Strahlenschutzverordnung als eine Verordnung zur Ausführung des Atomgesetzes kann dementsprechend für Kernbrennstoffe nur ergänzende Regelungen enthalten, soweit das Atomgesetz selbst keine Regelungen enthält. Im Übrigen gelten die Bestimmungen der Strahlenschutzverordnung für die im Atomgesetz nicht näher geregelten sonstigen radioaktiven Stoffe. So bezieht sich §7 Abs. 1 Strahlenschutzverordnung, der den Umgang mit radioaktiven Stoffen generell genehmigungspflichtig macht, bereits seinem Wortlaut nach nicht auf Kernbrennstoffe; dagegen finden z.B. die Vorschriften der Strahlenschutzverordnung über Strahlenschutz-bereiche (§§36ff StrlSchV), Dosisgrenzwerte für beruflich strahlen- exponierte Personen (§§54 ff StrlSchV) und Grenzwerte für nach außen dringende Strahlung (§§47, 48 StrlSchV) auch auf Kernkraftwerke Anwendung , da das Atomgesetz insoweit keine Regelungen enthält, sondern §7 AtG lediglich generelle Erfordernisse für die Genehmigung aufstellt. Anlagen nach §7 AtG, also Anlagen zur Erzeugung, zur Bearbeitung, Verarbeitung oder zur Spaltung von Kernbrennstoffen oder zur Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe unterliegen zusätzlich der Verordnung über den kerntechnischen Sicherheitsbeauftragten und über die Meldung von Störfällen und sonstigen Ereignissen (Atomrechtliche Sicherheitsbeauftragten- und Meldeverordnung vom 14. Oktober 1992 [12] , zuletzt geändert durch Art. 5 der Verordnung vom 18. Juni 2002 [13]).

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 44

Röntgenverordnung [14]

e) Strahlenschutzverordnung und Röntgenverordnung Die Strahlenschutzverordnung gilt nach ihrem §2 Abs.2 Nr. 3 nicht für die Errichtung und den Betrieb von Röntgeneinrichtungen und Störstrahlern, die der Röntgenverordnung unterliegen. Nach §1 Abs. 1 der Verordnung über den Schutz vor Schäden durch Röntgenstrahlen (Röntgenverordnung) vom 8. Januar 1987 [14] in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. April 2003 [15] gilt diese für Röntgeneinrichtungen und Störstrahler, bei denen Röntgenstrahlen durch Beschleunigung von Elektronen auf eine Grenzenergie von mindestens 5 Kiloelektronenvolt und höchsten 1 Megaelektronenvolt erzeugt werden. Störstrahler, die dazu bestimmt sind, andere Teilchen als Elektronen in dem genannten Energiebereich zu beschleunigen, unterliegen nicht der Röntgenverordnung, sondern der Strahlenschutzerordnung (§ Abs. 2 Nr. 1 Röntgenverordnung), §2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d Strahlenschutzerordnung) f) Weitere den Strahlenschutz betreffende Vorschriften Daneben befinden sich materiell den Strahlenschutz betreffende Vorschriften in einer ganzen Reihe weiterer Gesetze und Verordnungen, beispielsweise:

• Arzneimittelgesetz vom 24. August 1976 [16] Verbot, radioaktive Arzneimittel oder Arzneimittel, bei deren Herstellung ionisierender Strahlung verwendet worden sind, in den Verkehr zu bringen, wenn dies nicht durch Rechtsverordnung zugelassen ist.

• Verordnung über radioaktive oder mit ionisierenden Strahlen behandelte Arzneimittel [17] zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 10. Februar 2005. Die Vorschriften der §§ 106ff StrlSchV über den Zusatz von radioaktiven Stoffen und die Aktivierung, beziehen sich auf die Herstellung und lassen die speziellen arzneimittelrechtlichen Vorschriften über das Inverkehrbringen unberührt.

• In ähnlicher Weise bestimmt §8 des Lebensmittel und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) vom 1. September 2005 [18], BGBl. I S. 2618, dass es grundsätzlich verboten ist, bei Lebensmitteln gewerbsmäßig ionisierende Strahlung anzuwenden oder derartige Lebensmitteln in Verkehr zu bringen, wenn dies nicht durch Rechtsverordnung zugelassen ist. Die entsprechende Rechtsverordnung ist die noch auf §13 des Gesetzes über den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen (Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz – LMBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1997 [19], zuletzt geändert durch Artikel 2 §15 des Gesetzes vom 20. Juli 2000 [20] beruhende Verordnung über die Behandlung von Lebensmitteln mit Elektronen, Gamma- und Röntgenstrahlen, Neutronen, oder ultraviolette Strahlen (Lebensmittelbestrahlungsverordnung) vom 14. Dezember 2000 [21] zuletzt geändert durch Artikel 312 der Verordnung vom 29. Oktober 2001 [22], die den Einsatz von

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 45

ionisierenden Strahlen nur in sehr engen grenzen und bei sehr wenigen Lebensmitteln zulässt. Für kosmetische Mittel untersagt §1 i. V. m. Anlage 1 Teil A Nr. 293 der Kosmetikverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Oktober 1997 [23], zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 13. Juli 2005 [24], den Zusatz radioaktiver Stoffe. Im Übrigen verbietet §105 StrlSchV für Lebensmittel und Bedarfsgegenstände den Zusatz radioaktiver Stoffe und die Aktivierung.

• Nach § 7 i. V. m. Anlage 3 Nr. 20 der Verordnung über die

Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung TrinkwV 2001) vom 21. Mai 2001 [25], zuletzt geändert durch Artikel 263 der Verordnung vom 25. November 2003 [26] darf die durch Trinkwasser verursachte Strahlenbelastung 0,1 mSv/Jahr, nach Nr. 19 der Anlage 3 die vom Tritium im Trinkwasser ausgehende Strahlung 100 Bq/L nicht überscheiten.

• Die verschiedenen Gefahrgutverordnungen enthalten für die

Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße, mit der Eisenbahn, in See- und Binnenschiffen jeweils besondre Vorschriften für die Beförderung radioaktiver Güter, auf die im Zusammenhang mit den Beförderungsvorschriften eingegangen wird.

4. Die materiellen Grundlagen für die Strahlenschutz-vorschriften Eine Vielzahl von staatlichen und privaten Organisationen und Vereinigungen haben durch Untersuchungen, Empfehlungen und Richtlinien zur Entwicklung der Strahlenschutzregelungen und der Festlegung von Grenzwerten beigetragen. Zu nennen sind hier: • UNSCEAR (United Nations Scientific Committee on the Effects

of Atomic Radiation) hat die Aufgabe, Informationen über die Wirkungen ionisierender Strahlen zu sammeln und darüber zu berichten.

• Die internationale Arbeitsorganisation ILO hat ein Übereinkommen über den Schutz der Arbeitnehmer vor ionisierenden Strahlen verabschiedet, das von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert und deshalb auch in der Strahlenschutzverordnung berücksichtigt worden ist.

• Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat – teilweise zusammen mit anderen Organisationen – Strahleschutzstandards ausgearbeitet und technische Berichte veröffentlicht.

• Die internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) hat - teilweise im Zusammenwirken mit den Spezialorganisationen der Vereinten Nationen wie ILO, WHO, FAO – Sicherheitsnormen erarbeitet und veröffentlicht. Ihrer Arbeit ist insbesondere der Vereinheitlichung der Vorschriften über den Transport radioaktiver Stoffe zu verdanken.

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 46

• Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD hat im wesentlichen mit den EURATOM-Grundnormen übereinstimmende Strahlenschutzbestimmungen beschlossen, denen die Bundesrepublik Deutschland beigetreten ist. Die OECD hat weiter Strahlenschutznormen für Leuchtzifferblätter und andere Lichtquellen mit radioaktivem Material sowie für Radionuklidquellen zum Antrieb von Herzschrittmachern erarbeitet.

• Die Internationale Strahlenschutzkosmission ICRP wird allgemein mit ihren Empfehlungen zum Strahlenschutz als die Maßgebliche Quelle zur Schaffung von Strahlenschutzvorschriften angesehen.

• Die europäischen Atomgemeinschaft EURATOM hat mit ihren Grundnormen-Richtlinien zum Strahlenschutz verbindliches europäisches Recht gesetzt, das die Bundesrepublik Deutschland in innerdeutsches Recht umsetzen muss.

Die Aktivitäten der verschiedenen Organisationen beeinflussen sich wechselseitig, so dass die Arbeit der übrigen Organisationen auch ihren Niederschlag in den Empfehlungen der ICRP gefunden hat. Diese bildeten zusammen mit den die EG-Staaten bindenden internationalen Abkommen die Grundlage für die EURATOM-Grundnormen-Richtlinien. Derzeit maßgeblich sind Die Richtlinie 96/29/EURATOM des Rates vom 13. Mai 1996 zur Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen [5] und die Richtlinie 97/43/EURATOM des Rates vom 30. Juni 1997 über den Gesundheitsschutz von Personen gegen die Gefahren ionisierender Strahlung bei medizinischer Exposition und zur Aufhebung der Richtlinie 84/466/EURATOM [6], die zum 13. Mai 2000 im Hinblick auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse, wie sie insbesondere in neuen Empfehlungen der ICRP zum Ausdruck gekommen sind, die Richtlinien 80/836/EURATOM und 84/466/EURATOM abgelöst haben und die durch die Strahlenschutzverordnung vom 20. Juli 2001 [27] in deutsche Recht umgesetzt worden sind. Die Richtlinie 2003/122/EURATOM vom 22. Dezember 2003 zur Kontrolle hoch radioaktiver umschlossener Strahlenquellen und herrenloser Strahlenquellen [28], die – auch zur Verhinderung des Missbrauchs von Strahlenquellen für terroristische Zwecke – deren Abhandenkommen verhindern will, ist durch das Gesetz zur Kontrolle hochradioaktiver Strahlenquellen vom 12. August 2005 [29] BGBl. I S. 2365 in deutsches Recht umgesetzt worden und hat durch Einfügung des §12d in das Atomgesetz zur Schaffung eines Registers für hochradioaktive Strahlenquellen und zu bedeutenderen Änderungen und Ergänzungen in der Strahlenschutzverordnung geführt. Weitere ergänzende EURATOM-Vorschriften wurden - soweit erforderlich – im Rahmen des Strahlenschutzvorsorgegesetzes und im Transportrecht umgesetzt.

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 47

5. Die Grundzüge der Strahlenschutzverordnung Die Strahlenschutzverordnung soll das ganze Strahlenschutzrecht neben den Vorschriften des Atomgesetzes, der Röntgen-verordnung, und den speziellen Regelungen im Lebensmittel-, Arzneimittel- und Beförderungsrecht möglichst lückenlos regeln. Es erschien dem Gesetzgeber sinnvoll, sowohl im Interesse der Betreiber von Atomanlagen, von Teilchenbeschleunigern, und von sonstigen Anlagen, die ionisierende Strahlung erzeugen, wie von Verwendern von radioaktiven Stoffen als auch im Interesse der Wirksamkeit des Strahlenschutzes und seiner behördlichen und betrieblichen Überwachung, die gesamte Rechtsmaterie neben dem Atomgesetz und den unvermeidlichen Spezialregelungen aufgrund der Ermächtigungen des Atomgesetzes in einer einzigen Rechtsverordnung zu regeln [30]. Die Strahlenschutzverordnung gliedert sich in fünf Teile: 1. Teil: Allgemeine Vorschriften (§§ 1-3)

Zweckbestimmung (§1), Anwendungsbereich (§2), Begriffs-bestimmungen (§3)

2. Teil: Schutz von Mensch und Umwelt vor radioaktiven Stoffen

oder ionisierender Strahlung aus zielgerichteter Nutzung bei Tätigkeiten (§§ 4 bis 94) Nach den Strahlenschutzgrundsätzen und Grundpflichten finden sich dort unter Zugrundelegung der neuen Grenzwerte im wesentlichen die Regelungen, die dem Schutz des Menschen und der Umwelt bei der zielgerichteten Nutzung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung dienen, d.h. bei derjenigen Nutzung radiaktiver Stoffe, die speziell zur Ausnutzung ihrer Radioaktivität, als Kernbrennstoff oder zur Erzeugung von Kernbrennstoff vorgenommen wird.

3. Teil: Schutz von Mensch und Umwelt vor natürlichen Strahlungsquellen bei Arbeiten (§§93 bis 104) enthält aufgrund des Titels VII der Richtlinie 96/29/EURATOM neu geschaffene Regelungen für Expositionen durch natürliche Strahlenquellen, die nicht zielgerichtet wegen ihrer Radioaktivität genutzt werden, sondern sich durch ihr schlichtes Vorhandensein auf die Arbeitsbedingungen auswirken.

4. Teil: Schutz des Verbrauchers beim Zusatz radioaktiver Stoffe zu Produkten (§§105 bis 110) setzt die Artikel 4 und 6 der Richtlinie 96/29/EURATOM um. Er enthält ein grundsätzliches Verbot der Verwendung radioaktiver oder aktivierter Stoffe in Konsumgütern, insbesondere in Lebensmitteln und der ihrer Herstellung dienenden landwirtschaftlichen Produkten aber auch in anderen Konsumgütern, und sieht nur sehr eingeschränkte Erlaubnismöglichkeiten vor.

5. Teil: Er enthält gemeinsame Vorschriften wie die

Berechnungsvorschriften für die Strahlenexposition, die Bestimmungen über das Strahlenschutzregister, Vorschriften über die Befugnisse der Behörden, Bußgeldvorschriften und die notwendigen Übergangs- und Schlussvorschriften.

Es folgen umfangreiche für die Praxis wichtige Anlagen.

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 48

§2 Abs. 1 Nr. 1: Tätigkeiten

6. Gefahren durch ionisierende Strahlung

Bei einem Aufenthalt in Strahlenschutzbereichen, in denen mit radioaktiven Stoffen umgegangen wird, kann eine Strahlenexposi-tion durch ionisierende Strahlung nicht ausgeschlossen werden. Der erforderliche Umgang mit offenen und umschlossenen radioaktiven Stoffen kann zu einer externen und/oder zu einer in-neren Strahlenexposition durch die Inkorporation von radioaktiven Stoffen führen.

Jede Strahlenexposition, sei sie auch noch so gering, kann beim exponierten Menschen somatische und genetische Schäden verursachen und damit schwere Erkrankungen, wie z.B. Krebs und Schädigung der Leibesfrucht, auslösen, die eine Le-bensverkürzung der exponierten Person bzw. genetische Defekte bei den Nachkommen der exponierten Person zur Folge haben können. Jede Strahlenexposition einer werdenden Mutter kann auch das ungeborene Kind schädigen.

Damit ein Umgang mit radioaktiven Stoffen bzw. ein Aufenthalt in Strahlenschutzbereichen verantwortbar ist und die schädlichen Auswirkungen für Mensch und Umwelt auf ein Minimum beschränkt bleiben. Dies sicher zu stellen, ist ein Zweck der Strahlen-schutzverordnung.

7. Inhaltsübersicht über die Strahlenschutzverordnung

Teil 1: Allgemeine Vorschriften

§1 StrlSchV: Zweckbestimmung

Zweck dieser Verordnung ist es, zum Schutz des Menschen und der Umwelt vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung Grundsätze und Anforderungen für Vorsorge- und Schutzmaß-nahmen zu regeln, die bei der Nutzung und Einwirkung ionisieren-der Strahlung zivilisatorischen und natürlichen Ursprungs Anwendung finden. §2 StrlSchV: Anwendungsbereich §3 StrlSchV: Begriffsbestimmungen . Die Strahlenschutzverordnung ist unter der Adresse www.bfs.de/de/recht als pdf-Datei im Internet abrufbar. §3 StrlSchV erklärt die wichtigsten Begriffe, die auch weitestgehend in diesem Skript (siehe Abschnitt 10) verwendet werden.

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 49

Grenzwerte §46 (1) effektive Dosis • für Einzelperson

der Bevölkerung: 1 mSv pro Jahr

• beruflich strahlen-exponierte Person: 20 mSv pro Jahr

§2 Abs. 1 AtG: Be-griffsbestimmungen. Was ist im Sinne des AtG ein „sonstiger radioaktiver Stoff? Was ist im Sinne des AtG ein Kernbrenn-stoff?

Teil 2: Schutz von Mensch und Umwelt vor radioaktiven Stoffen oder ionisierender Strahlung aus der zielgerichteten Nutzung bei Tätigkeit

Kapitel 1: Strahlenschutzgrundsätze, Grundpflichten und allgemeine Grenzwerte

§4 StrlSchV: Rechfertigung (Auszug)

(1) Neue Arten von Tätigkeiten, die unter §2 Abs. 1 Nr. 1 fallen würden, mit denen Strahlenexpositionen und Kontaminationen von Mensch und Umwelt verbunden sein können, müssen unter Abwägung ihres wirtschaftlichen, sozialen, sozialen oder sonstigen Nutzens gegenüber der möglicherweise von ihnen ausgehenden gesundheitlichen Beeinträchtigung gerechtfertigt sein. Die Rechtfertigung bestehender Arten von Tätigkeiten kann überprüft werden, sobald wesentliche neue Erkenntnisse über den Nutzen oder die Auswirkungen der Tätigkeit vorliegen.

(2) Medizinische Strahlenexpositionen im Rahmen der Heilkunde, Zahnheilkunde oder der medizinischen Forschung müssen einen hinreichenden Nutzen erbringen. Der gesundheitliche Nutzen für den Einzelnen und für die Gesellschaft ist abzuwägen gegenüber der von der Strahlenexposition möglicherweise verursachten Schädigung des Einzelnen.

Kurz: Es muss ein positiver Nettonutzen vorhanden sein: §5 StrlSchV: Dosisbegrenzung (Auszug) Wer eine Tätigkeit nach §2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a bis d StrlSchV plant, ausübt oder ausüben lässt, ist verpflichtet dafür zu sorgen, dass die Dosisgrenzwerte der §§ 46, 47, 55, 56 und 58 StrlSchV nicht überschritten werden. Die Grenzwerte der effektiven Dosis im Kalenderjahr betragen nach §46 Abs. 1 StrlSchV für den Schutz von Einzelpersonen der Bevölkerung 1 Millisievert, für den Schutz beruflich strahlenexponierter Personen bei deren Berufsausübung 20 Millisievert. Kurz: Die gültigen Dosisgrenzwerte müssen eingehalten werden. §6 StrlSchV: Vermeidung unnötiger Strahlenexposition und Dosisreduzierung (Auszug) (1) Wer eine Tätigkeit nach §2 Abs. 1 Nr. 1 StrlSchV plant oder ausübt, ist verpflichtet, jede unnötige Kontamination von Mensch und Umwelt zu vermeiden Kurz: Der Umgang mit radioaktiven Stoffen darf nur in den Mengen und Häufigkeiten erfolgen, die zur Erreichung des Ziels unbedingt erforderlich sind (siehe auf gültige Strahleschutzanweisung). (2) Wer eine Tätigkeit nach §2 Abs. 1 Nr. 1 StrlSchV plant oder ausübt, ist verpflichtet, jede Strahlenexposition oder Kontamination von Mensch und Umwelt zu vermeiden unter Beachtung des Standes von Wissenschaft und Technik und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles auch unterhalb der Grenzwerte so gering wie möglich zu halten. Kurz: Die Strahlenexposition muss auch unterhalb der Grenzwerte reduziert werden.

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 50

HRQ

nicht bei HRQ

Kapitel 2: Genehmigungen, Zulassungen, Freigabe (§§7 -29 StrlSchV) Dieses Kapitel des Teil 1 der Strahlenschutzverordnung umfasst die §§ 7 bis 29 in 9. Abschnitten. Hier in Ausschnitten eine Auswahl: Abschnitt 1: Umgang mit radioaktiven Stoffen §7 StrlSchV: Genehmigungsbedürftiger Umgang mit radioaktiven Stoffen.

(1) Wer mit sonstigen radioaktiven Stoffen nach §2 Abs. 1 AtG oder mit Kernbrennstoffen nach § 2 Abs. 3 AtG umgeht, bedarf der Genehmigung. Einer Genehmigung bedarf ferner, wer von dem in der Genehmigungsurkunde festgelegten Umgang wesentlich abweicht.

(2) Bestimmte Genehmigungen des AtG oder nach §11 StrlSchV können eine Genehmigung nach §7 StrlSchV überflüssig machen.

(3) Eine Genehmigung nach Absatz 1 ist nicht erforderlich bei dem Aufsuchen, Gewinnen oder aufbereiten von radioaktiven Bodenschätzen, wenn hierrauf die Vorschriften des Bundesberggesetzes Anwendung finden.

§8 StrlSchV: Genehmigungsfreier Umgang, genehmigungsfreier Besitz von Kernbrennstoffen §9 StrlSchV: Genehmigungsvoraussetzungen für den Umgang mit radioaktiven Stoffen §10 StrlSchV: Befreiung von der Pflicht zur Deckungsvorsorge Abschnitt 2: Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlung §11 StrlSchV: Genehmigungsbedürftige Errichtung und genehmigungsbedürftiger Betrieb von Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlen. §12 StrlSchV: Genehmigungsfreier Betrieb von Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlen. §13 StrlSchV: Genehmigungsvoraussetzungen für die Errichtung von Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlen. §14 StrlSchV: Genehmigungsvoraussetzungen für den Betreib von Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlen. Abschnitt 3: Beschäftigung in fremden Anlagen oder Einrichtungen §15 StrlSchV: Genehmigungsbedürftige Beschäftigung in fremden Anlagen oder Einrichtungen.

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 51

Freigabe: Was bedeute das? Behördlicher Akt Entscheidungs-messung Genehmigung

Abschnitt 4: Beförderung radioaktiver Stoffe §16 StrlSchV: Genehmigungsbedürftige Beförderung §17 StrlSchV: Genehmigungsfreie Beförderung §18 StrlSchV: Genehmigungsvoraussetzungen für die Beförderung Abschnitt 5: Grenzüberschreitende Verbringung radioaktiver Stoffe §19 StrlSchV: Genehmigungsbedürftige grenzüberschreitende Verbringung §20 StrlSchV: Anzeigebedürftige grenzüberschreitende Verbringung

§21 StrlSchV: Genehmigungs- und anzeigefreie grenzüber-schreitende Verbringung

§22 StrlSchV: Genehmigungsvoraussetzungen für die grenzüber-schreitende Verbringung

Abschnitt 6: Medizinische Forschung

§23 StrlSchV: Genehmigungsbedürftige Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung am Menschen in der medizinischen Forschung

§24 StrlSchV: Genehmigungsvoraussetzungen für die Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung am Menschen in der medizinischen Forschung Abschnitt 7: Bauartzulassung

§25 StrlSchV: Verfahren der Bauartzulassung

§26 StrlSchV: Zulassungsschein und Bekanntmachung der Bauart

§27 StrlSchV: Pflichten des Inhabers einer Bauartzulassung

Abschnitt 8: Ausnahmen

§28 StrlSchV: Ausnahmen von der Erfordernis der Genehmigung oder Anzeige

Abschnitt 9: Freigabe

§29 StrlSchV: Voraussetzungen für die Freigabe

Kurz: Unter bestimmten Voraussetzungen kann die zuständige Aufschichtbehörde genehmigen, dass mit radioaktiven Stoffen so verfahren werden darf, als wären sie nicht radioaktiv. Kapitel 3: Anforderungen bei der Nutzung radioaktiver Stoffe und ionisierender Strahlung Abschnitt 1: Fachkunde im Strahlenschutz §30 StrlSchV: Erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 52

Siehe Abschnitt F des Skripts

Abschnitt 2: Betriebliche Organisation des Strahlenschutzes §31 StrlSchV: Strahlenschutzverantwortliche und Strahlenschutz-beauftragte §32 StrlSchV: Stellung des Strahlenschutzverantwortlichen und des Strahlenschutzbeauftragten §33 StrlSchV: Pflichten des Strahlenschutzverantwortlichen und Strahlenschutzbeauftragten §34 StrlSchV: Strahlenschutzanweisung §35 StrlSchV: Auslegung oder Aushang der Verordnung Abschnitt 3: Schutz von Personen in Strahlenschutzbereichen; Physikalische Strahlenschutzkontrolle § 36 Strahlenschutzbereiche§ 37 Zutritt zu Strahlenschutzbereichen§ 38 Unterweisung§ 39 Messtechnische Überwachung in Strahlenschutzbereichen§ 40 Zu überwachende Personen

§ 41 Ermittlung der Körperdosis§ 42 Aufzeichnungs- und Mitteilungspflicht

§ 43 Schutzvorkehrungen§ 44 Kontamination und Dekontamination

§ 45 Beschäftigungsverbote und Beschäftigungsbeschränkungen Abschnitt 4: Schutz der Bevölkerung und der Umwelt bei Strahlenexpositionen aus Tätigkeiten §46 StrlSchV: Begrenzung der Strahlenexposition der Bevölkerung §47 StrlSchV: Begrenzung der Ableitung radioaktiver Stoffe §48 StrlSchV: Emissions- und Immissionskontrolle Abschnitt 5: Schutz vor sicherheitstechnisch bedeutsamen Ereignissen §49 StrlSchV: Sicherheitstechnische Auslegung für den Betrieb von Kernkraftwerken, für die standortnahe Aufbewahrung bestrahlter Berennelemente und für Anlagen des Bundes zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle. §50 StrlSchV: Begrenzung der Strahlenexposition als Folge von Störfällen bei sonstigen Anlagen und Einrichtungen und bei Stilllegung. §51 StrlSchV: Maßnahmen bei sicherheitstechnisch bedeutsamen Ereignissen §52 StrlSchV: Vorbereitung der Brandbekämpfung §53 StrlSchV: Vorbereitung der Schadensbekämpfung bei sicherheitstechnisch bedeutsamen Ereignissen.

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 53

Kategorien A, B, C Grenzwerte Effektive Dosis: 400 mSv < 10 mSv/Jahr schriftl. Einwilligung der exponierten Person Abschnitt HRQ < 100 mSv/Jahr < 250 mSv/Leben

Abschnitt 6: Begrenzung der Strahlenexposition bei der Berufsausübung §54 StrlSchV: Kategorien der beruflichen Strahlenexposition §55 StrlSchV: Schutz bei beruflicher Strahlenexposition §56 StrlSchV: Berufslebensdosis Die zuständige Behörde kann im Benehmen mit einem Azt nach §64 Abs. 1 Satz 1 StrlSchV eine weitere berufliche Strahlenexposition unter bestimmten Bedingungen zulassen §57 StrlSchV: Dosisbegrenzung bei Überschreitungen §58 StrlSchV: Besonders zugelassene Strahlenexpositionen §59 StrlSchV: Strahlenexposition bei Personengefährdung und Hilfeleistung (1) Bei Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für Personen ist

anzustreben, dass eine effektive Dosis von mehr als 100 milliSievert nur einmal im Kalenderjahr und eine effektive Dosis von mehr als 250 milliSievert nur einmal im Leben auftritt.

(2) Die Rettungsmaßnahmen dürfen nur von Freiwilligen über 18 Jahren ausgeführt werden, die zuvor über die Gefahren dieser Maßnahmen unterrichtet worden sind.

(3) Die Körperdosis einer bei Rettungsmaßnahmen eingesetzten Person durch eine Strahlenexposition bei den Rettungsmaßnahmen ist unter Berücksichtigung der Expositionsbedingungen zu ermitteln. Die Rettungsmaßnahme und die ermittelte Körperdosis der bei der Rettungsmaßnahme eingesetzten Personen sind der zuständigen Behörde unverzüglich mitzuteilen. Die Strahlenexposition nach Satz 1 ist bei der Summe der in allen Kalenderjahren ermittelten effektiven Dosen nach §56 (Berufslebensdosis) zu berück-sichtigen. §58 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 5 gilt entsprechend.

Abschnitt 7: Arbeitsmedizinische Vorsorge beruflich strahlenexponierter Personen §60 StrlSchV: Erfordernis der arbeitsmedizinischen Vorsorge §61 StrlSchV: Ärztliche Bescheinigung §62 StrlSchV: Behördliche Entscheidung §63 StrlSchV: Besondere arbeitsmedizinischen Vorsorge bei Strahlenexposition von mehr als 50 mSv/Jahr bei effektiver Dosis, 150 mSv/Jahr bei Augenlinse, 500 mSv/Jahr für die Haut, die Hände, die Unterarme, die Füße oder Knöchel. §64 StrlSchV: Ermächtigte Ärzte Abschnitt 8: Sonstige Anforderungen §65 StrlSchV: Lagerung und Sicherung radioaktiver Stoffe §66 StrlSchV: Wartung, Überprüfung und Dichtheitsprüfung §67 StrlSchV: Strahlungsmessgeräte §68 StrlSchV: Kennzeichnungspflicht §69 StrlSchV: Abgabe radioaktiver Stoffe §69a StrlSchV: Rücknahme hochradioaktiver Strahlenquellen §70StrlSchV: Buchführung und Mitteilung §70a StrlSchV: Register über hochradioaktive Strahlenquellen §71 StrlSchV: Abhandenkommen, Fund, Erlangung der tatsächlichen Gewalt

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 54

Abschnitt 9: Radioaktive Abfälle 72 StrlSchV: Planung für Anfall und Verbleib 73 StrlSchV: Erfassung 74 StrlSchV: Behandlung und Verpackung 75 StrlSchV: Pflichten bei der Abgabe radioaktiver Abfälle 76 StrlSchV: Ablieferung 77 StrlSchV: Ausnahme von der Ablieferungspflicht 78 StrlSchV: Zwischenlagerung 79 StrlSchV: Umgehungsverbot Kapitel 4: Besondre Anforderungen bei der medizinischen Anwendung radioaktiver Stoffe und ionisierender Strahlung Abschnitt 1: Heilkunde und Zahnheilkunde

§80 StrlSchV: Rechtfertigende Indikation §81 StrlSchV: Beschränkung der Strahlenexposition §82 StrlSchV: Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung am Menschen §83 StrlSchV: Qualitätssicherung bei der medizinischen Strahlenanwendung §84 StrlSchV: Bestrahlungsräume §85 StrlSchV: Aufzeichnungspflichten §86 StrlSchV: Anwendungen am Menschen außerhalb dr Heilkunde oder Zahnheilkunde Abschnitt 2: Medizinische Forschung §87 StrlSchV: Besondere Schutz- und Aufklärungspflichten §88 StrlSchV: Anwendungsverbote und Anwendungsbeschränkungen für einzelne Personengruppen §89 StrlSchV: Mitteilungs- und Bereichtspflichten §90 StrlSchV: Schutzanordnung §91 StrlSchV: Deckungsvorsorge im Falle klinischer Prüfungen §92 StrlSchV: Ethikkommisssion Teil 3: Schutz von Mensch und Umwelt vor natürlichen Strahlungsquellen bei Arbeiten Kapitel 1: Grundpflichten §93 StrlSchV: Dosisbegrenzung §94 StrlSchV: Dosisreduzierung Kapitel 2: Anforderungen bei terrestrischer Strahlung an Arbeitsplätzen §95 StrlSchV: Natürlich vorkommende radioaktive Stoffe an Arbeitsplätzen §96 StrlSchV: Dokumentation und weitere Schutzmaßnahmen

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Kapitel 3: Schutz der Bevölkerung bei natürlich vorkommenden radioaktiven Stoffen §97 StrlSchV: Überwachungsbedürftige Rückstände §98 StrlSchV: Entlassung von Rückständen aus der Überwachung §99 StrlSchV: In der Überwachung verbleibende Rückstände §100 StrlSchV: Mitteilungspflicht, Rückstandskonzept, Rückstandbilanz §101 StrlSchV: Entfernung von radioaktiven Verunreinigungen von Grundstücken §102 StrlSchV: Überwachung sonstiger Materialien Kapitel 4: Kosmische Strahlung §103 StrlSchV: Schutz des fliegenden Personals vor Expositionen durch kosmische Strahlung Kapitel 5: Betriebsorganisation §104 StrlSchV: Mitteilungspflichten zur Betriebsorganisation Teil 4: Schutz des Verbrauchers beim Zusatz radioaktiver Stoffe zu Produkten §105 StrlSchV: Unzulässiger Zusatz von radioaktiven Stoffen und unzulässige Aktivierung §106 StrlSchV: Genehmigungsbedürftiger Zusatz von radioaktiven Stoffen und genehmigungsbedürftige Aktivierung §107 StrlSchV: Genehmigungsvoraussetzungen für den Zusatz von radioaktiven Stoffen und die Aktivierung §108 StrlSchV: Genehmigungsbedürftige grenzüberschreitende Verbringung von Konsumgütern §109 StrlSchV: Genehmigungsvoraussetzungen für die grenzüberschreitende Verbringung von Konsumgütern §110 StrlSchV: Rückführung von Konsumgütern Teil 5: Gemeinsame Vorschriften Kapitel 1: Berücksichtigung von Strahlenexpositionen §111 StrlSchV: Festlegungen zur Ermittlung der Strahlenexposition; Duldungspflicht §112 StrlSchV: Strahlenschutzregister Kapitel 2: Befugnisse der Behörde §113 StrlSchV: Anordnung von Maßnahmen §114 StrlSchV: Behördliche Ausnahme von Strahlenschutzvorschriften Kapitel 3: Formvorschriften §115 StrlSchV: Schriftform und elektronische Form

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 56

Tabelle 13: An-lagen zur Strahlen-schutzverordnung 2001

Kapitel 4: Ordnungswidrigkeiten §116 StrlSchV: Ordnungswidrigkeiten Kapitel 5: Schlussvorschriften §117 StrlSchV: Übergangsvorschriften §118 StrlSchV: Abgrenzung zu anderen Vorschriften, Sanierung von Hinterlassenschaften Anlage zu §§

StrlSchV Inhalt

I 8,12,17,21 Genehmigungsfreie Tätigkeiten II 9, 14, 107 Erforderliche Unterlagen zur Prüfung

von Genehmigungsanträgen III 3,8,10,18,20,

29,43,44,45, 50,35,65,66, 68,70,71,105, 106, 107,117

Freigrenze, Freigabewerte für ver-schiedene Freigabearten, Werte der Oberflächen-Kontamination, Liste der Radionuklide im radioaktiven Gleichgewicht

IV 29 Festlegungen zur Freigabe V 25 Voraussetzungen für die Bauartzu-

lassung von Vorrichtungen VI 3, 47, 49, 55,

117 Dosimetrische Größen, Gewebe- und Strahlungs-Wichtungsfaktoren

VII 29, 47 Annahmen bei der Ermittlung der Strahlenexposition

VIII 61,62,63 Ärztliche Bescheinigung IX 68 Strahlenzeichen X 72 – 79 Radioaktive Abfälle: Benennung,

Buchführung, Transprotmeldung XI 93,95,96 Arbeitsfelder, bei denen erheblich

erhöhte Expositionen durch natür-liche terrestrische Strahlungsquellen auftreten können

XII 97-102 Verwertung und Beseitigung überwachungsbedürftiger Rückstände

XIII 51,53 Information der Bevölkerung XIV 48 Abs. 4 Leitstelle des Bundes für die Emis-

sions- und Immissionsüberwachung XV 70, 70a, 71 Standarderfassungsblatt für

hochradioaktive Strahlenquellen HRQ

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 57

Tabelle 14: Grenzwerte der jährlichen effektiven Dosis GE und der Organ- oder Gewebedosen GO und die Anteile p der Überwachungs-intervalle (p: Anzahl der Überwachungs-intervalle pro Jahr).

8. Schutzvorschriften und Grenzwerte

Das Strahlenschutzrecht, so komplex es auf den ersten Blick erscheinen mag, hat den großen Vorteil, dass es auf mehr als 100 Jahre Erfahrung des Menschen im Umgang mit radioaktiven Stoffen und ionisierender Strahlung zurückgreifen kann und aufgrund der weitestgehenden internationalen Harmonisierung von Rechtsnormen und dosimetrischen Modellen Anlage VI StrlSchV für die meisten der bekannten Umgangsarten einen einheitlichen Schutz bietet. Daraus abgeleitet und auf den konkreten Umgang mit radioaktiven Stoffen in Strahlenschutzbereichen bezogen gibt die Strahlenschutzanweisung verbindliche Anweisungen.

Nr. Organ bzw. Gewebe GO bzw. GE /mSv

gO bzw. gE /mSv

Nr. Organ bzw. Gewebe GO bzw. GE /mSv

gO bzw. gE /mSv

1 ET Luftwege 150 15/p 14 Unterer Dickdarm 150 15/p

2 Lunge 150 15/p 15 Dickdarm 150 15/p

3 Blase 150 15/p 16 Milz 150 15/p

4 Brust 150 15/p 17 Muskel 150 15/p

5 Gehirn 150 15/p 18 Nebenniere 150 15/p

6 Haut 500 50/p 19 Nieren 150 15/p

7 Hoden 50 5/p 20 Ovarien 50 5/p

8 Knochenoberfläche 300 30/p 21 Pankreas 150 15/p

9 Leber 150 15/p 22 Rotes Knochenmark 50 5/p

10 Speiseröhre 150 15/p 23 Schilddrüse 300 30/p

11 Magen 150 15/p 24 Thymus 150 15/p

12 Dünndarm 150 15/p 25 Uterus 50 5/p

13 Oberer Dickdarm 150 15/p 26 effektiv 20 1/p

9. Dosimetrische Größen und Gewebe- und Strahlen-Wichtungsfaktoren 9.1 Messgrößen für äußere Strahlung Messgrößen für äußere Strahlung sind a) für die Personendosimetrie die Tiefen-Personendosis Hp(10) und Oberflachen-Personendosis Hp(0,07). Die Tiefen-Personendosis Hp(10) ist die Äquivalentdosis in 10 mm Tiefe im Körper an der Tragestelle des Personendosimeters. Die Oberflachen-Personendosis Hp(0,07) ist die Äquivalentdosis in 0,07 mm Tiefe des Körpers an der Tragestelle des Personendosimeters. b) für die Ortsdosismetrie die Umgebungs-Äquivalentdosis H*(10) und die Richtungs-Äquivalentdosis H'(0,07, W). Die Umgebungs-Äquivalentdosis H*(10) am interessierenden Punkt im tatsächlichen Strahlungsfeld ist die Äquivalentdosis, die im zugehörigen ausgerichteten und aufgeweiteten Strahlungsfeld in

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 58

International Commission on Radiation Units Organdosis HT

10 mm Tiefe auf dem der Einfallsrichtung der Strahlung entgegengesetzt orientierten Radius der ICRU-Kugel erzeugt würde. Die Richtungs-Äquivalentdosis H'(0,07, W) am interessierenden Punkt im tatsächlichen Strahlungsfeld ist die Äquivalentdosis, die im zugehörigen ausgerichteten und aufgeweiteten Strahlungsfeld in 0,07 mm Tiefe auf einem in festgelegter Richtung W orientierten Radius der ICRU-Kugel erzeugt würde. Dabei ist ein aufgeweitetes Strahlungsfeld ein idealisiertes Strahlungsfeld, im dem die Teilchenflussdichte und die Energie- und

Richtungsverteilung der Strahlung an allen Punkten eines ausreichend großen Volumens die gleichen die gleichen Werte aufweisen, wie das tatsächliche Strahlenfeld am interessierenden Punkt,

das aufgeweitet und in dem die Strahlung zusätzlich in eine Richtung ausgerichtet ist.

Die ICRU-Kugel ist ein kugelförmiges Phantom von 30 cm Durchmesser aus ICRU-Weichteilgewebe. Dies ist ein gewebeäquivalentes Material der Dichte 1 g/cm³ mit der Elementzusammensetzung 76,2% Sauerstoff, 11,1 % Kohlenstoff, 10,1 % Wasserstoff und 2,6 % Stickstoff. Die Einheit der Äquivalentdosis ist das Sievert (Sv). 9.2 Berechnung der Körperdosis Die Organdosis HT,R ist das Produkt aus der über das Gewebe oder Organ T gemittelten Energiedosis, der Organ-Energiedosis DT,R, die durch die Strahlung R erzeugt wird, und dem Strahlungs-Wichtungsfaktor wR nach Teil C Nummer 1:

HT,R = wR·DT,R

Besteht die Strahlung aus Arten und Energien mit unterschiedlichen Werten von wR, so werden die einzelnen Beiträge addiert. Für die gesamte Organdosis HT gilt dann:

HT = wR·DT,R RΣΣΣΣ

Die Einheit der Organdosis ist das Sievert (Einheitszeichen Sv). Soweit in den §§ 36, 46, 47, 49, 54, 55 und 58 Werte oder Grenzwerte für die Organdosis der Haut festgelegt sind, beziehen sie sich auf die lokale Hautdosis. Die lokale Hautdosis ist das Produkt der gemittelten Energiedosis der Haut in 0,07 mm Gewebetiefe mit dem Strahlungswichtungsfaktor nach Teil C. Die Mittelungsfläche beträgt 1 cm², unabhängig von der exponierten Hautfläche.

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 59

Effektive Dosis E Tabelle 15: Strahlungs-Wichtungsfaktor wR

Die effektive Dosis E ist die Summe der Organdosen HT, jeweils multipliziert mit dem zugehörigen Gewebe-Wichtungsfaktor wT nach Teil C Nummer 2. Dabei ist über alle in Teil C Nummer 2 aufgeführten Organe und Gewebe zu summieren.

ET = wT·HT = wT· wR·DT,R T T RΣΣΣΣ ΣΣΣΣ ΣΣΣΣ

Die Einheit der effektiven Dosis ist das Sievert (Einheitszeichen Sv). Bei der Ermittlung der effektiven Dosis ist die Energiedosis der Haut in 0,07 mm Gewebetiefe über die ganze Haut zu mitteln. Bei der Berechnung der Strahlenexposition durch Inkorporation oder Submersion sind die Dosiskoeffizienten des Bundensanzeigers (auch unter www.bfs.de/bfs/recht/recht.html ... heranzuziehen, soweit die zuständige Behörde nichts anderes festlegt. Bei äußerer Strahlenexposition gilt die Organdosis der Gebärmutter als Äquivalentdosis des ungeborenen Kindes. 9.3 Werte des Strahlungs-Wichtungsfaktors wR Die Werte des Strahlungs-Wichtungsfaktor wR richten sich nach Art und Qualität des äußeren Strahlungsfeldes oder nach Art und Qualität der von einem inkorporierten Radionuklid emittierten Strahlung.

Art und Energiebereich Strahlungs-Wichtungsfaktor wR

Photonen, alle Energien 1Elektronen und Myonen, alle Energien 1Neutronen, Energie < 10 keV 5

10 keV bis 100 keV 10> 100 keV bis 2 MeV 20> 2 MeV bis 20 MeV 10> 20 MeV 5

Protonen, außer Rückstoßprotonen, 5Energie > 2 MeV

Alphateilchen, Spaltfragmente, schwere Kerne 20 Für die Berechnung von Organdosen und der effektiven Dosis für Neutronenstrahlung wird die stetige Funktion

wR = 5 + 17 · e-[ln(2·En)]²/6 benutzt, wobei En der Zahlenwert der Neutronenenergie in MeV ist. Für die nicht in der Tabelle enthaltenen Strahlungsarten und Energien kann wR dem mittleren Qualitätsfaktor Q in einer Tiefe von 10 mm in einer ICRU-Kugel gleichgesetzt werden.

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 60

Tabelle 16: Gewebe-Wichtungsfaktor wR Organfolgedosis HT(ττττ)

9.4 Werte des Gewebewichtungsfaktors wT

Gewebe oder Organe Gewebe-Wichtungsfaktor wT

Keimdrüsen 0,20Knochenmark (rot) 0,12Dickdarm 0,12Lunge 0,12Magen 0,12Blase 0,05Brust 0,05Leber 0,05Speiseröhre 0,05Schilddrüse 0,05Haut 0,01Knochenoberfläche 0,01andere Organe und Gewebe 1, 2 0,05

9.5 Berechnung der Organ-Folgedosis und der effektiven Folgedosis Die Organfolgedosis HT(τ) ist das Zeitintegral der Organ-Dosisleistung im Gewebe oder Organ T,

HT(ττττ) = HT(t) dt.

t0

t0 + τ

für eine Inkorporation zum Zeitpunkt t0 mit HT(t) mittlere Organ-Dosisleistung im Gewebe oder Organ T zum Zeitpunkt t

τ Zeitraum, angegeben in Jahren, über den die Integration erfolgt. Wird kein Wert fürτ ist für Erwachsene der Zeitraum von 50 Jahren und für Kinder der Zeitraum vom jeweiligen Alter bis zum Alter von 70 Jahren zu Grunde zu legen.

.

Die effektive Folgedosis E(τ) ist die Summe der Organ-Folgedosen HT(τ), jeweils multipliziert mit dem zugehörigen Gewebe-Wichtungsfaktor wT nach Teil C Nr. 2. Dabei ist über alle in Teil C Nummer 2 aufgeführten Organe und Gewebe zu summieren.

E(ττττ) = wT·HT(ττττ) RΣΣΣΣ

10. Begriffsbestimmungen (§3 StrlSchV) Der Strahlenschutz erfordert zur Vorbeugung von Mißverständ-nissen die einheitliche Anwendung von wissenschaftlichen Fachbegriffen. So suggeriert z.B. das Wort „verstrahlt“ eine nicht greifbare Bedrohung und wird daher hauptsächlich zur Erzeugung von Emotionen wie Angst missbraucht. Der Begriff „belastet“ wird dann verwendet, wenn man die Schädlichkeit betonen will. Empfindet aber ein Patient, der durch die Anwendung radioaktiver Stoffe von einer lebensbedrohlichen Tumorerkrankung geheilt wurde, dessen Schmerzen wirksam gelindert wurden oder dessen Erkrankung frühzeitig diagnostiziert wurde, die ionisierende Strahlung als Belastung oder Bedrohung?

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 61

Ein wirksamer Schutz vor den schädlichen Auswirkungen ionisierender Strahlung beim Umgang mit Radionukliden und bei der Anwendung ionisierender Strahlung darf aber nicht von Angst bestimmt, sondern muss vom Wissen über den sicheren Umgang, das aus fundierten und anerkannten naturwissenschaftlichen Er-kenntnissen resultiert, sowie von verantwortungsbewussten Han-deln geprägt sein. Daher werden wichtiger Begriffe im Strahlenschutz gemäß §3 StrlSchV zitiert und in diesem Sinne verwendet.

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 62

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11. Literaturverzeichnis zu Abschnitt E „Verordnung über den Schutz vor ionisierender Strahlung“ vom 13. Oktober 1976, BGBl. I S. 2905, 1977, S.184, 269. Zweite Verordnung zur Änderungen der Strahlenschutzverordnung vom 18.Mai 1989, BGBl. I S. 943). Neubekanntmachung vom 30. Juni 1989, BGBl. I S. 1321, berichtigt S 1926. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zu §45 Strahleschutzverordnung: Ermittlung der Strahlenexposition durch die Ableitung radioaktiver Stoffe aus kerntechnischen Anlagen und Einrichtungen vom 21. Februar 1990, BAnz. Nr. 64a vom 31. März 1990. . Richtlinie 96/29/EURATOM des Rates vom 13. Mai 1996 zur Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen, ABl. EG Nr. L 159, S.1. Richtlinie 97/43/EURATOM des Rates vom 30. Juni 1997 über den Gesundheitsschutz von Personen gegen die Gefahren ionisierender Strahlung bei medizinischer Exposition und zur Aufhebung der Richtlinie 84/466/EURATOM, ABl. EG Nr. L 180 S.22. Gesetz über die friedliche Verwendung von Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz; AtG) vom 23. Dezember 1959, BGBl. 1 S. 814. Atomgesetz, jetzt anzuwenden in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 1985, BGBl. 1 S. 1565. Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen - Kriegswaffenkontrollgesetz in der Fassung vom 22. November 1990, BGBl. I S. 2506. Strahlenschutzvorsorgegesetz vom 19. Dezember 1986, BGBl. I S. 2610. zuletzt geändert durch Artikel 43 der Verordnung vom 25. November 2003, BGBl. I S. 2304. Atomrechtliche Sicherheitsbeauftragten- und Meldeverordnung vom 14. Oktober 1992, BGBl. I S. 1766. zuletzt geändert durch Art. 5 der Verordnung vom 18. Juni 2002, BGBl. I S. 1869. Verordnung über den Schutz vor Schäden durch Röntgenstrahlen (Röntgenverordnung) vom 8. Januar 1987, BGBl. I S. 114. in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. April 2003, BGBl. I S. 604.

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 63

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Arzneimittelgesetz vom 24. August 1976, BGBl. I S. 2445, 2448. Verordnung über radioaktive oder mit ionisierenden Strahlen behandelte Arzneimittel (AMRadV) zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 10. Februar 2005, BGBl. I S. 234. Lebensmittel und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) vom 1. September 2005, BGBl. I S. 2618. Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen (Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz – LMBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1997, BGBl. I S. 2296, zuletzt geändert durch Artikel 2 §15 des Gesetzes vom 20. Juli 2000, BGBL. I S. 1045. Verordnung über die Behandlung von Lebensmitteln mit Elektronen, Gamma- und Röntgenstrahlen, Neutronen, oder ultraviolette Strahlen (Lebensmittelbestrahlungsverordnung) vom 14. Dezember 2000, BGBl. I S. 1730, zuletzt geändert durch Artikel 312 der Verordnung vom 29. Oktober 2001, BGBl. I S. 2785. Kosmetikverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Oktober 1997, BGBl. I S. 2410, zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 13. Juli 2005, BGBl. I S. 2159 Nach § 7 i. V. m. Anlage 3 Nr. 20 der Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung TrinkwV 2001) vom 21. Mai 2001, BGBl. I S. 959, zuletzt geändert durch Artikel 263 der Verordnung vom 25. November 2003, BGBl. I. S. 2304. Strahlenschutzverordnung vom 20. Juli 2001, BGBl. I S. 1714. Richtlinie 2003/122/EURATOM VOM 22. Dezember 2003 zur Kontrolle hoch radioaktiver umschlossener Strahlenquellen und herrenloser Strahlenquellen, ABl. EU Nr. L 246 S. 57. Gesetz zur Kontrolle hochradioaktiver Strahlenquellen vom 12. August 2005, BGBl. I S. 2365. Vergl. Bundesrats-Drucksache 375/76, Begründung Seite 6.

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 64

Tabelle 17: Übersicht über die physikalische Strahlenschutz-kontrolle

§36 StrSchV: Strah-lenschutzbereiche Definition nach ODL

§37 StrSchV:

Zutritt zu Strahlen-

schutzbereichen

F. Physikalische Strahlenschutzkontrolle

Die physikalische Strahlenschutzkontrolle hat zum Ziel, den Schutz von Personen in Strahlenschutzbereichen zu gewährleisten. § 36 Strahlenschutzbereiche§ 37 Zutritt zu Strahlenschutzbereichen§ 38 Unterweisung§ 39 Messtechnische Überwachung in Strahlenschutzbereichen§ 40 Zu überwachende Personen

§ 41 Ermittlung der Körperdosis§ 42 Aufzeichnungs- und Mitteilungspflicht

§ 43 Schutzvorkehrungen§ 44 Kontamination und Dekontamination

§ 45 Beschäftigungsverbote und Beschäftigungsbeschränkungen Überwachungsbereiche sind nicht zum Kontrollbereich gehörende betriebliche Bereiche, in denen Personen im Kalenderjahr eine effektive Dosis von mehr als 1 mSv oder höhere Organdosen als 15 mSv für die Augenlinse oder 50 mSv für die Haut, die Hände, die Unterarme, die Füße und Knöchel erhalten können, Kontrollbereiche sind Bereiche, in denen Personen im Kalenderjahr eine effektive Dosis von mehr als 6 mSv oder höhere Organdosen als 45 mSv für die Augenlinse oder 150 mSv für die Haut, die Hände, die Unterarme, die Füße und Knöchel erhalten können, Sperrbereiche sind Bereiche des Kontrollbereiches,

in denen die Ortsdosisleistung höher als 3 mSv·h-1 sein kann. Personen darf der Zutritt

1. zu Überwachungsbereichen nur erlaubt werden, wenna) sie darin eine dem Betrieb dienende Aufgabe wahrnehmen,b) ihr Aufenthalt in diesem Bereich als Patient, Proband oder helfende Person erforderlich ist,c) bei Auszubildenden oder Studierenden dies zur Erreichung ihres Ausbildungszieles erforderlich ist oderd) sie Besucher sind,

2. zu Kontrollbereichen nur erlaubt werden, wenna) sie zur Durchführung oder Aufrechterhaltung der darin vorgesehenen Betriebsvorgänge tätig werden müssen,b) ihr Aufenthalt im diesem Bereich als Patient ....c) bei Auszubildenden oder Studierenden dies zur Erreichung ihres Ausbildungszieles erforderlich ist,

3. zu Sperrbereichen nur erlaubt werden, wenna) sie zur Durchführung der im Sperrbereich ...b) ihr Aufenthalt in diesem Bereich als Patient, Proband oder helfende Person ...

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 65

§39 StrlSchV: Messtechnische Überwachung von Strahlenschutzbereichen §40 StrlSchV: Zu überwachende Personen §41 StrlSchV: Er-mittlung der Köperdosis §44 StrlSchV: Kontamination und Dekontamination Kontaminations-kontrolle an Personen an Sachen Kontrollbereich: nicht festhaftende Oberflächenkon-tamination > 100 GW

Maßnahmen bei Überschreitung nuklidspezifischer Grenzwerte der Oberflächenkontamination unter Anwendung der Summenformel (1) Beim Vorhanden sein offener radioaktiver Stoffe … ist in Strahlenschutzbereichen festzustellen, ob Kontaminationen durch diese Stoffe vorliegen. An Personen, die den Kontrollbereich verlassen, in denen offene radioaktive Stoffe vorhanden sind ist zu prüfen, ob diese kontaminiert sind. Wird hierbei eine Kontamination festgestellt, so sind unverzüglich Maßnahmen zu treffen, die geeignet sind, weitere Strahlenexpositionen und eine Weiterverbreitung radioaktiver Stoffe zu verhindern. (2) Zur Verhinderung der Weiterverbreitung radioaktiver Stoffe oder ihrer Aufnahme in den Körper sind unverzüglich Maßnahmen zu treffen, wenn Grenzwerte der nicht festhaftenden oder der festhaftenden Oberflächenkontamination überschritten sind. 1. auf Verkehrsflächen, an Arbeitsplätzen oder an der Kleidung in Kontrollbereichen festgestellt wird, dass die nicht festhaftende Oberflächenkontamination das 100-fache der Werte der Anlage III Tabelle 1 Spalte 4 überschreitet oder 2. auf Verkehrsflächen, an Arbeitsplätzen oder an der Kleidung in Überwachungsbereichen festgestellt wird, dass die nicht festhaftende Oberflächenkontamination das zehnfache der Werte der Anlage III Tabelle 1 Spalte 4 überschreitet oder außerhalb eines Strahlenschutzbereiches auf dem Betriebsgelände die Oberflächenkontamination von Bodenflächen, Gebäuden und beweglichen Gegenständen, insbesondere Kleidung, die Werte der Anlage III Tabelle 1 Spalte 4 überschreitet. In Strahlenschutzbereichen ist in dem für die Ermittlung der Strahlenexposition erforderlichen Umfangjeweils einzeln oder in Kombination

1. die Ortsdosis oder die Ortsdosisleistung oder2. die Konzentration radioaktiver Stoffe in der Luft oder3. die Kontaminations des Arbeitsplatzes

zu messen. An Personen, die sich im Kontrollbereich aufhalten, ist die Körperdosis zu ermitteln. Die Ermittlungs-ergebnisse müssen bis spätestens neun Monate nach Aufenthalt im Kontrollbereich vorliegen. Ist beim Aufenthalt im Kontrollbereich sichergestellt, dass im Kalenderjahr eine effektive Dosis von

1 mSv oder höhere Organdosen als ein Zehntel der Organdosisgrenzwerte des § 55 Abs. 2 nicht erreicht werden können, so kann die zuständige Behörde Ausnahmen von Satz 1 zulassen.

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 66

Tabelle 18: Dokumentation der Kontaminationsmessung an Gegenständen im Zentralen Radio-nuklidlaboratorium

alpha beta alpha beta alpha beta

M

M

M

M

M

M

M

M

M

M

M

M

M

M

M

M

M

M

M

M

Eintrag

o. B.

K

Grenzwert GW LB 146 Grenzwert GW CoMo170

alpha: 1 Ips alpha: 1 Ips

beta: 20 Ips beta: 20 Ips

Nulleffekt Min Max

LB 146

alpha 0,01 0,05

beta 3,0 4,0 nicht erhöht ok 3,54 Ips

CoMo 170

alpha 0,00 0,04beta 11,0 13,2 nicht erhöht ok 12,1 Ips

LB 146 alpha 0,012 Bq Am-241/cm² CoMo170 alpha 0,04 Bq Am-241/cm²beta 0,11 Bq Sr-90/cm² beta 0,1 Bq Sr-90/cm²

NE / Ips N / Ips

Verbringung aus KB gestattet

NameUhrzeit Lfd. Nr. Beschreibung des Messguts

Mess-gerät

Verbringung aus KB nicht gestattet

ok

für C-14, P-32, S-35, Ca-45, Ni-63, Co-60, Sr-90,

Kontaminationskontrolle für Materialien, die aus dem KB gebracht werden sollenMessgerät: Kleidersonde des LB 146 (LB) oder S.E.A. CoMo 170 (CoMo)

Einordnung Befundung: Verfahren

BefundDatum

Bruttozählrate R´ < GW

Bruttozählrate R´ > GW oder R´ = GW

ohne Befund

Kontaminiert

0,028 Ipsnicht erhöht

Nachweisgrenze bei 10 s Messzeit

SSB entscheidet

für Am-241 und alle anderen alpha - Strahler

nicht erhöht ok 0,013 Ips

I-131, Cs-134, Eu-152, Eu-154, Pb-210, Ac-227

Mittelwert

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 67

Aktivitätsbe-stimmung

Frage: Wieviele cpm sind 1 cps?

G. Methoden zur Detektion von Kernstrahlung

1. Einzelnuklidbestimmung

Bei der Detektion der Kernstrahlung eines Radionuklids gilt allgemein: Die Anzahl der durch die Kernstrahlung in der Probe hervorgerufenen Impulse I ist proportional zur Anzahl der während der Messzeit tL (life time) zerfallenen Kerne N: I(tL) ∝ N(tL) Da die Aktivität A sich als die pro Zeiteinheit zerfallenden Kerne definiert ist gilt bei der Detektion des i-ten Kernübergangs für die Nettozählrate R(0) und die Aktivität A(0) zum Zeitpunkt des Mess-beginns die Grundgleichung: R(0) = yi·ηphys·ηchem·A(0) mit: R(0) = R´(0) - R0(0) nulleffektbereinigte Nettozählrate zum Messbeginn t = 0 R´(0) = Bruttozählrate ΣI´: Summe der Impulse von Probe und Nulleffekt im Messzeitintervall ∆tL zu Messbeginn t =0. R0 (0) = R0 (tM) = Nulleffektszählrate I0: Impulszahl des Nulleffekts innerhalb der Messzeit tL0 Einheit: [R] = 1 Impuls pro Sekunde = 1 ips (oder 1 count per second =1 cps) oder: [R] = 1 Impuls pro Minute = 1 ipm (oder 1 count per minute =1 cpm) ηphys: absoluter physikalischer Wirkungsgrad ηchem: chemische Ausbeute in % yi: Emissionswahrscheinlichkeit für den i-Kernübergang Einheit: [yi] = 1 (Bqs)-1 = 100% A(0): Aktivität zum Zeitpunkt des Messbeginns. Zwei Fälle sind zu betrachten: tM << t1/2: Der Zerfall des Radionuklids während der Messzeit ist vernachlässigbar gering. Die Aktivität ändert sich während der Messzeit nicht signifikant: A(0) ≈ A(tM). Dann ist: R´(0) = R´(tM) = Bruttozählrate I´: Summe der Impulszahl aus Probe und Nulleffekt innerhalb der Messzeit tM. tM ≥ t1/2: Der Zerfall des Radionuklids mit der Zerfallskonstante λ während der Messzeit ist nicht vernachlässigbar. Die Aktivität ändert sich während der Messzeit signifikant: A(tM) = A(0)·e−λ·tM Dann ist: R´(0) = I0(tM): Impulszahl durch den Nulleffekt innerhalb der Messzeit tM Durch das Umstellen der obigen Gleichung kann die Aktivität A ermittelt werden.

ΣI´ tL,P

I0 TL0

I´(tM) tM

λ·[I´(tM)-I0(tM)] 1-e−λ·tM

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 68

Abbildung 13: Punktförmige Aktivität im Abstand d von der Oberfläche eines zylindrisch geformten Detektors mit Radius a.

2. Multinuklidbestimmung

Die nulleffektbereinigte Nettozählrate R einer radioaktiven Probe, die mehrere Radionuklide enthält, berechnet sich aus der Summe der Zählraten R1, R2, … der Beiträge der einzelnen Nuklide 1,2, … nach R = R1 + R2 + … = η·A1 + η2·A2 + … für alle yi = 1 und ηchem.= 1. 3. Physikalischer Wirkungsgrad ηηηηPhys Die Größe, die quantitativ beschreibt, wie viele Zerfälle notwendig sind, um eine bestimmte Anzahl von Impulsen zu erzeugen, heißt physikalischer Wirkungsgrad oder Zählausbeute (englisch: efficiency) und muss experimentell bestimmt werden. Man unterscheidet: Intrinsischer physikalischer Wirkungsgrad ηPhys,i = I: Anzahl der während der Messzeit tM registrierten Impulse M: Anzahl der während der Messzeit tM in den Detektor eintretenden Quanten Absoluter physikalischer Wirkungsgrad ηPhys,a = = I: Anzahl der in der Messzeit tM registrierten Impulse Z: Anzahl der in der Messzeit tM in der Probe stattfindenden Zerfälle. Einheit: [ηPhys,a] = [ηPhys,i] = 1 Impuls pro Zerfall = 1 Ips/Bq Der intrinsische physikalische Wirkungsgrad bewertet das De-tektormaterial. Der absolute physikalische Wirkungsgrad beurteilt zusätzlich zum Detektor auch die räumliche Aktivitätsverteilung im Verhältnis zur räumlichen Verteilung des Detektormaterials (Mess-geometrie). Für die Aktivitätsbestimmung muss der absolute phy-sikalische Wirkungsgrad bestimmt werden. Bei einer punktförmigen Aktivitätsverteilung gibt es einen einfachen Zusammenhang zwischen intrinsischen und absoluten physikalischen Wirkungs-grad: ηPhys,a = ηPhys,i · 0,5· [1 − ] Es gelten die Näherungen: Falls d → 0: ηPhys,a = 0,5·ηPhys,i Falls d >> a: ηPhys,a ∝

Falls a → 0: ηPhys,a → 0

I M

I Z

Quelle

a

d

Ω

d (d² + a²)1/2

R yi ·A

1 d²

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 69

Der physikalische Wirkungsgrad ist von folgenden Faktoren abhängig: Abbildung 14: Schema des Stromkreises eines Kernstrahlungsdetektors nach Knoll [3].

4. Kalibrierfaktor κκκκ Der Kalibrierfaktor κ kann aus dem absoluten physikalischem Wirkungsgrad ηPhys,a und der Emissionswahrscheinlichkeit yi berechnet werden. κ = Einheit: [κ] = 1 Zerfall/Impuls = 1 Bq/ips Abhängigkeit des absoluten physikalischen Wirkungsgrads ηPhys, a

Allgemein kann man den Zusammenhang zwischen absoluten und intrinsischen physikalischen Wirkungsgrad schreiben: ηPhys, a = (1-S)·(1+B)·G·(1-W)·ηPhys, i

• Detektormaterial • Detektorgeometrie (Volumen und Form des

Detektormaterials) • Umgebung des Detektors z.B. Abschirmmaterial (B:

Rückstreustrahlung) • Probenmaterial (Selbstabsorption S) • Abstand der Aktivität im Verhältnis zum Detektor (W:

Absorption der Strahlung in der Luft) • Verteilung der Aktivität im Verhältnis zum Detektor (G) • Art der emittierten Strahlung • Energie der emittierten Strahlung

5. Totzeit tD

Es ist typisch, dass während eines gewissen Zeitintervalls, der Todzeit tD, die Impulse nicht detektiert werden können. Die Todzeit wird relativ zur realen Messzeit tR (real time) als Prozentwert angegeben. tD [%] = 100· Die Todzeit ist abhängig von der Aktivität A und dem Wert von ηPhys. 6. Methoden der Kernstrahlungsmessung In geeigneten Detektormaterialien finden Energieübertragungs-prozesse statt, die je nach Detektormaterial zur Bildung von Ionen, Elektronen, Photonen oder Elektron-Lochpaaren führen. Ein Kernstrahlungsdetektor sammelt diese Informationsträger und verarbeitet die dabei entstehen Ladungs- oder Lichtpulse je nach dem Zweck der Messung weiter. Grundsätzlich sind alle Detektoren so aufgebaut und liefern Stromausgangsignale, wie in Abbildung 9 gezeigt. Dargestellt ist schematisch der Eingangsstromkreis eines Kernstrahlungsdetektors:

R V(t)

CDetektor

1 yi·ηPhys,a

tR-tL tR

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 70

Stromausgangssignal i(t). Ladungssammelzeit tC im Stromkreis aus Kondensator der Kapazität C und Widerstand R gilt für die Menge der gesa- melten Ladung Q:

tC Q = ∫i(t)dt

0 Spannungssignal V(t) bei kleiner Zeitkon- stante τ. τ = R·C << tC V(t) gleiches Zeitver-halten wie das Strom-signal. Geeignet für: - Hohe Zählraten -Gewinnung von Zeitinformationen Nicht geeignet für die Energiebestimmung (Spektrometrie) Spannungssignal V(t) bei großer Zeitkon- stante τ. τ = R·C >> tC V(t) hinkt dem Stromsignal hinterher. Es entsteht ein Spannungsmaximum Vmax (Pulshöhe) gegen Ende der Ladungssammelzeit: Die Pulshöhe ist proportional zur gesammelten Ladung und es ist Abbildung 15: oben

Vmax =

∝ Energie der Strahlung Diese Betriebsart ist geeignet für die Energiebestimmung (Spektrometrie) Detektors unter verschiedenen Bedingungen Diese Betriebsart ist nicht geeignet für:

• Hohe Zählraten (große Todzeit) • Gewinnung von Zeitinformationen

Die Wechselwirkung ionisierender Strahlung mit Materie hängt von der Art der Strahlung ab. Geladene Teilchen (α, β−, β+) geben ihre Energie beim Durchtritt durch Materie über Stöße ab und erzeugen so direkt Ionen (direkt ionisierende Strahlung). Da ein α−Teilchen wegen der sehr viel größeren Masse langsamer Materie

Q C

t

i(t)

tC

t

V(t

)

t

V(t

)

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 71

Abbildung 16: Schematischer Aufbau eines gas-gefüllten Ionisations-detektors. Abbildung 17: Pulshöhe als Funktion der Spannung eines gasgefüllten Detektors.

durchdringt als ein β−Teilchen und sich somit länger im Coulomb-Feld von geladenen Kernen des Detektormaterials befinden, übertragen sie bei gleicher Energie sehr viel mehr Energie pro Wegstrecke als β−Teilchen. Daher nennt man α−Strahlung dicht ionisierend und β−Strahlung dünn ionisierend. γ−Strahlung und Neutronenstrahlung erzeugen indirekt Ionen. Neutronen geben ihre Energie mittels elastischer oder inelastischer Streuung oder durch Kernreaktionen an Materie ab. γ−Strahlung wechselwirkt mit Detektormaterial mittels Photo-, Compton- und Paarbildungseffekt. Für die hochauflösende Detektion von γ−Strahlung ist der Photoeffekt von herausragender Bedeutung. Die Wechselwirkungs-wahrscheinlichkeit des photoelektrischen Effekts steigt mit Z4 bis Z5. Je nach Zweck der Bestimmung und der Zerfallsart der Nuklide können Gase, Flüssigkeiten und Festkörper als Detektormaterialien verwendet werden. 6.1 Gasgefüllte Detektoren Gasgefüllte Detektoren wurden seit Beginn der Radioanalytik genutzt. Ionisierende Strahlung die Gas durchdringt erzeugt eine Spur von Ionenpaaren (positive Ionen und freie Elektronen). Legt man ein elektrisches Feld an, bewegen sich die Elektronen in entgegengesetzte Richtungen. Die Bewegung der Ladungen führt zu Stromflüssen, die gemessen werden. Eine einfache Anordnung zeigt folgende Abbildung. Folgende Abbildung zeigt die Pulshöhe als Funktion der Spannung.

Detektor

V iSpannungs- Strom-messung V messung i

ionisierende Strahlung

- +

1E+001E+011E+021E+031E+041E+051E+06

1E+071E+081E+091E+101E+111E+12

0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600Spannung in V

Zah

l de

r a

n d

ie E

lek

tro

de g

ela

ng

en

de

n

Ion

en

alphabeta

Ionisations-kammer

Proportionalitätsbereich

Auslösebereich (Geiger-Müller-Zählrohr)

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 72

Abbildung 18: Schema eines Szintillations-zählers. Tabelle 19: Szintilatoren und eigenschaften Anorganische Kristalle Organische Kristalle Flüssigkeiten

In einer typischen zylindrischen Anordnung benötigen Elektronen wenige µs, um die Anode und die langsameren positiven Ionen wenige ms, um die Kathode zu erreichen. Die Anzahl der Ionenpaare, die zu den Elektroden gelangen und die Höhe des Ladungspulses, der im Stromkreis entsteht, hängen ab von der elektrischen Feldstärke oder der Spannung, die am Detektor anliegt. Die Energie die aufgewendet werden muss, um ein Ionenpaar zu erzeugen, beträgt ca. 35 eV. Ein α−Teilchen mit einer Energie von 3,5 MeV erzeugt demnach 105 Ionenpaare. Dies ent-spricht einem Ladungspuls von rund 10-14 As. Damit solch kleine Ladungen gemessen werden können, sind leistungsfähige Ver-stärker erforderlich. Im Gegensatz dazu erzeugen β−Strahler um den Faktor 1000 niedrigere Ladungen und sind daher bei niedrigen Spannungen kaum zu detektieren. In Abhängigkeit von der Spannung kann α− und β−Strahlung getrennt detektiert werden. Die Detektoren werden als Ionisationskammern (Dosisbestim-mung), Proportionalzähler und Geiger-Müller-Zählrohre eingesetzt. 6.2 Szintillationsdetektoren 6.2.1 Grundlagen Die wesentlichen Teile eines Szintillationsdetektoren sind in folgender Abbildung schematisch gezeigt. In einem durchsichtigen Kristall oder Flüssigkeit wird die Strahlung absorbiert und dabei Licht erzeugt. An der Photomultiplierröhre lösen die Photonen Elektronen, die mittels einer Dynode vervielfacht werden und zu Pulsen von mehreren mV führen. Je nach Bauart können Szintillations- detektoren zur Messung von γ−Strahlung und β−Strahlung auch niedriger Energie verwendet werden. Folgende Tabelle zeigt einige Eigenschaften fester und flüssiger Szintillatoren. Zur Bildung von Photonen muss bei Szintillationsdetektoren eine Energie von ca. 100 eV aufgebracht werden. Geeignete Szintillatoren sind in folgender Tabelle aufgelistet. Szintillator Dichte

[g/cm³] λmax [nm]

Rel. Pulshöhe

Halbwertszeit angeregter Zustands [µs]

Anwendung

NaJ(Tl) 3,67 410 210 0,175 γ-Strahlung CsI(Tl) 4,51 500 55 0,770 γ-Strahlung ZnS(Ag) 4,09 450 100 7 α-Strahlung Anthrazin 1,25 440 100 0,022 Trans-Stilbene 1,16 410 60 0,004 P_Terphenyl 1,23 400 40 0,004

β−Strahlung

5 p-terphenyl in 1 L Toluol

355 35 0,0015

2,5-Diphenyloxazol (3g) in 1 L Toluol

382 40 0,0021

Nieder- energetische β-Strahlung

Kristall Photkathode

Schutzkappe

Photomultiplier

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 73

Abbildung 19: Prinzip des Liquid Scintillation Counting (LSC).

6.2.2 Liquid Scintillation Counting (LSC) In folgender Abbildung ist das Prinzip des Liquid Scintillation Counting (LSC) schematisch dargestellt. Durch Gemische aus einem organischen Lösungsmittel und einer flüssigen, fluoreszierenden, organischen Verbindung (Szintillationscocktail) wird die ionisierende Strahlung, die beim radioaktiven Zerfall emittiert wird, in Licht umgewandelt. Dabei laufen die folgenden Prozesse ab: Aufnahme der Zerfallsenergie durch Lösungsmittelmoleküle Übertragung der Energie auf die Szintillatormoleküle Anhebung der Szintillatormoleküle in den angeregten Zustand Rückkehr in den Grundzustand geschieht mit Abgabe von Licht. Mit einem Szintillationscocktail können prinzipiell Gase, Flüssigkeiten und Festkörper gemischt werden. Es muss eine möglichst farblose, homogene, zeitlich und chem-isch stabile Mischung entstehen. Aus einer großen Anzahl kommerziell verfügbarer Szintillationscocktails kann das individuell am besten geeignete System gewählt werden. Das Volumenverhältnis des zu messende Probenmaterials (mit oder ohne radiochemischer Reinigung) muss experimentell bei der Kalibrierung optimiert und auf die jeweilige Messprobenart und zu bestimmende Radionuklid angepasst werden.

Radionuklid

Ionisierende

Strahlung

Szintillations-

cocktail

Licht

Registrierung Photomultiplier→MCA→PC

Pulshöhenspektrum →Pulshöhe →Pulsrate →Kanalnummer →Impulse pro Kanal →Strahlungsenergie →ROI-Wahl →Aktivtität Kalibrierung Nulleffektszählrate Qualitätssicherung

Aktivitätsbestimmung

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 74

Tabelle 20: Typische Werte des physikalischen Wirkungsgrads bei LSC-Messungen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass bei der Emission eines α−Teilchens, eines Elektrons oder eines γ−Quants ein Szinitillatormolekül getroffen und in der Folge ein Lichtblitz erzeugt und detektiert wird, ist in dieser Messgeometrie besonders hoch, falls sonstige Störungen, z.B. Farbquench oder Chemolumineszenz, vernachlässigbar sind. Dadurch können auch bei nieder-energetischen Strahlungen hohe physikalische Wirkungsgrade erreicht werden (siehe Tabelle 20).

6.2.3 Cerenkov-Counting Wenn sich ein hochenergetisches geladenes Teilchen, z.B. ein Elektron, das nach dem Zerfall von ³²P in einem geeigneten, transparentem Medium befindet (siehe Abbildung 20), kann es die Lichtgeschwindigkeit in diesem Medium überschreiten, wenn gilt: β·n > 1 mit β = n: Brechungsindex cn: Lichtgeschwindigkeit im transparenten Medium mit Brechungsindex n c0: Lichtgeschwindigkeit im Vakuum In diesem Fall wird elektromagnetische Strahlung in Form von sichtbarem Licht kurzer Wellenlänge (blau in Wasser) emittiert, die Cerenkov-Strahlung genannt wird. Diese Strahlung pflanzt sich als Schockwelle ähnlich der nach dem Durchbruch eines Flugzeugs durch die Schallmauer fort. Die Energie des Elektrons muss einen bestimmten Schwellenwert überschreiten, der abhängig ist vom Brechungsindex n. Bei der Anwendung von Wasser mit einem Brechungsindex von n = 1,33 liegt diese Schwellenenergie bei 270 keV.

cn c0

Energie- bereich Nuklid Zerfalls-art

Emissionswahr-scheinlichkeit y(i)

/ (Bq·s)-1Emax /keV Ē(ββββ−−−−) /keV ηPhys/Ips/Bq

41Ca 100000 y ec ≈ 3,5 0,1241Pu 14,4 y β- 1,00 12 5,236 0,153H 12,346 y β- 1,00 18 5,683 0,355Fe 2,775 y ec ≈ 5,9 0,363Ni 100,1 y β- 1,00 67 17,1 0,514C 5730 y β- 1,00 156 49,45 0,5545Ca 163 d β- 1,00 257 77,23 0,6399Tc 213000 y β- 1,00 292 85 0,6736Cl 301000 y β- 0,981 714 278,8 0,92

β- 0,8933 1314 585

β+ < 0,006 483 3γ 0,1067 1460,83

90Sr//90Y 28,6 y β- 1,00/1,00 546/2279 196/93589Sr 50,55 d β- 1,00 1500 583

α 1 5486γ 0,36 59,54

Halbwertszeit T1/2

40K 1,28E+09 y

hoch

niedrig

y241Am 432

mittel

1

0,99

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 75

Glas- oder PE-Vial (20 mL)

Hochenergetische ββββ-Strahler

Photomultiplier

Cerenkov-Licht

Photomultiplier

³²P

e-

Flü

ssig

keit:

n >

1

n: Brechungsindex

Abbildung 20: Prinzip: Cerenkov-Counting. Abbildung 21: Physikalischer Wirkungsgrad gegen die Maximalenergie von β−Strahler bei Cerenkov-Counting in Wasser im Vergleich zu LSC mit dem Szintillationscocktail QSA.

Allerdings geht bei der Entstehung des Cerenkov-Lichts die Beziehung zwischen der Energie des Elektrons und der Pulshöhe verloren, so dass energieauflösende Messungen nicht möglich sind. Zur Detektion mit Cerenkov-Counting sind Radionuklide wie ³²P, 90Y oder 40K besonders geeignet. Charakteristisch für Cerenkov-Counting ist: • schnelle Lichterzeugung (10-12 s) • niedrige Lichtausbeute ⇒ niedriger physikalischer

Wirkungsgrad (100 Lichtquanten pro MeV) • ca. 0,1% der Teilchenenergie wird sichtbares Licht In der folgenden Abbildung 21 ist der physikalische Wirkungsgrad gegen die maximale β-Energie für LSC und Cerenkov-counting aufgetragen.

Die Unterschiede zu Szintillationslicht bei LSC sind:

• Szintillationslicht wird isotrop emittiert • Cerenkov-Licht wird hauptsächlich längs der Teilchenbahn

emittiert. • Cerenkov-Counting ermöglicht keine Energieauflösung

0,01

0,1

1

1 10 100 1000 10000

Emax [keV]

ηη ηηP

hys

[cp

s/B

q]

LSC

Cerenkov-counting

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 76

Abbildung 22: Elektronische Struktur eines HL.

6.3 Halbleiterdetektoren Detektoren aus Halbleitermaterial (HL) in kristalliner Form sind Festkörperdetektoren, deren elektronische Struktur aus dem Valenzband und dem Leitungsband besteht, die durch die Bandlücke getrennt sind. Typisch für Halbleiterkristalle ist das die Bandlückenenergie Egap Werte von um 1 eV aufweist. Dadurch ist ionisierende Strahlung in der Lage, Elektronen aus dem Valenzband, in dem sie gebunden sind, in das Leitungsband, in dem sie beweglich sind, in großer Zahl zu bringen. Dadurch bleibt eine Lücke im Valenzband, das als positive Elementarladung ebenfalls beweglich ist. Legt man an einer Diode in Sperrrichtung eine Spannung an und werden darin durch ionisierende Strahlung Elektron-Lochpaare gebildet, so entstehen Ladungspulse, die gesammelt und detektiert werden können. In der Praxis werden häufig Silizium (Si) und Germanium (Ge) verwendet. Wegen der starken Abhängigkeit der Wechselwirkungswahrscheinlichkeit von der Ordnungszahl Z des Detektormaterials wird γ−Strahlung in Ge weitaus stärker absorbiert als in Si. Deshalb ist Ge besser zur Detektion von γ−Strahlung geeignet. Andere Halbleitermaterialien mit noch höheren Kernladungszahlen wie CdTe oder HgI2 wurden auf Eignung zur γ−Messung untersucht, haben sich aber nicht durchgesetzt. Wegen der geringen Bandlückenenergie bei Halbleitern von nur rund 1 eV können schon bei Raumtemperatur Elektron-Loch-Paare und damit (thermisches) Rauschen erzeugt werden. Bei Raumtemperatur beträgt die durch thermische Anregung erzeugte Leitfähigkeit bei Si rund 4·10-4 S/m2 bei Ge dagegen rund 1·10-2 S/m. Um hohes thermisches Rauschen zu vermeiden, muss bei Verwendung von Ge (EGap = 0,79 eV) der Detektorkristall gekühlt werden. Dies ge-schieht mit flüssigem Stickstoff (Siedepunkt: 77 K) oder durch elektrische Kühlung (Peltiereffekt). Si-Detektoren (EGap = 1,09 eV) können bei Raumtemperatur betrieben werden. Halbleiterdetektoren müssen in extrem hochreiner Form vorliegen, da Verunreinigungen weitere Ladungsträger erzeugen und so Leckströme verursachen, die die Ladungssammlung durch ionisierende Strahlung signifikant stören und so Spektrometrie unmöglich machen. Hochreine Ge-Kristalle (HPGe: High Purity Germanium) erhalten nur ein Fremdatom pro 1010 Ge–Atome. In Halbleiterdetektoren wird eine Energie von ca. 3 eV benötigt, um ein Elektron-Lochpaar zu erzeugen. Daher entsteht bei Si und bei Ge eine Energie von 1 MeV über 330.000 Elektron-Loch-Paare.

2 S/m: Siemens pro Meter: Einheit für die elektrische Leitfähigkeit

Leitungsband Elektron

Lückenenergie Egap

Valenzband + Loch

Bandlücke

En

erg

ie

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 77

Tabelle 21: Kriterien zur Auswahl von Kernstrahlungs-detektoren. Abbildung 23: Differentielles Pulshöhen-spektrum am Beispiel eines energieauflösenden Detektors und monoenergetischer Strahlung nach Knoll [3].

6.4 Auswahl der Detektoren Die Auswahl der Detektoren richtet sich nach den Anforderungen der radioanalytischen Aufgabenstellung, die in der Praxis sehr unterschiedlich sein können. Einfluss auf die Auswahl der geeigneten Detektoren nehmen die Strahlungsart, die Energieauflösung, die Nachweisgrenze, Richtigkeit und Präzision, das Radionuklid (Gemisch oder Einzelnuklid, Brutto- oder Einzelbestimmung), die chemische Form und der Aggregatszustand der zu messenden Medien. Die folgende Tabelle 21 zeigt die für die Messung unterschiedlicher Strahlungsarten geeigneten Detektoren. Strahlen-art

Ionisations-kammer

Proportio-nalzähler

Geiger-Müller- Zähler

Szintilla-tions-

detektor

Halbleiter- Detektor

α Günstig sehr günstig

ungünstig geeignet sehr günstig

β (>1 MeV)

Ungeeing- net

geeignet sehr günstig

günstig geeignet

β (<0,5 MeV)

Ungeeing- net

günstig ungünstig sehr günstig

günstig

γ (>0,1 MeV)

Ungeeing- net

Ungeeing- net

ungünstig günstig sehr günstig

γ (<0,1 MeV)

Ungeeing- net

Ungeeing- net

geeignet geeignet sehr günstig

7. Spektrometrie Unter geeigneten Betriebsbedingungen ist die Pulshöhe der gesammelten Ladung, die durch die im Detektormaterial absorbierte ionisierende Strahlung erzeugt wurde, und der Strahlungsenergie proportional. Wenn man eine große Anzahl solcher Pulse aufnimmt und prüft, so wird man feststellen, dass ihre Pulshöhen nicht gleich sind. Änderungen dieser Pulshöhen entstehen durch Unterschiede in den Strahlungsenergien (Rückstoß, nuklear bedingte Fluktuationen) oder durch Fluktuationen im Ansprechverhalten des Detektors auf monoenergetische Strahlung. Die Verteilung der Pulshöhe ist eine grundlegende Eigenschaft des Detektors, aus der die Information über Energie und Aktivität (Spektrometrie) abgeleitet wird. Die wichtigste Methode der Darstellung der Verteilung der Pulshöhe ist das Pulshöhenspektrum (Abbildung 23).

0 5 10 15 20 25 30

Pulshöhe H

dN

/dH

H0

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 78

Abbildung 24a: Pulshöhenspektren bei monoenerge-tischer Strahlung (ideal). Abbildung 24b: Pulshöhenspektren bei monoenerge-tischer Strahlung: γ- Spektrum (schematisch) Abbildung 24c: Pulshöhenspektren für α−Strahlung: (α−Spektrum) von 239Pu, 241Am, 244Cm.

Auf der Abzisse sind die Pulshöhen (Energie) aufgetragen. Die Ordinante gibt die in den einzelnen Pulshöhenintervallen dH innerhalb der Messzeit angesammelten Impulse dN. Bei monoenerge-tischer Strahlung hat die differentielle Pulshöhenver-teilung im Idealfall die Form einer Normalver-teilung (Peak). Bei verschiedenen Detektormaterialen ergeben sich unterschiedliche Formen (folgende Abbildungen 24a –d) der Pulshöhenspektren:

0

50

100

150

200

250

300

200 240 280 320 360 400 440 480 520 560 600 640 680 720 760 800

FWHM

Ideales Pulshöhenspektrum

0 5 10 15 20 25 30

Pulshöhe H

dN

/dH

H0

channel number Eγ

co

un

ts p

er

ch

an

nel

Pulshöhenspektrum eines monenergtischen γγγγ-Strahlers mit einerErergie von > 1022 keV

Vernichtungspeak511 keV

single escapeEγ - 511 keV

Eγ - 511 keV

double escapeEγ - 1022 keV Eγ - 1022 keV

241Am (5,486 MeV)

244Cm (5,805 MeV)

239Pu (5,157 MeV )

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 79

Abbildung 24d: LSC-Spektrum von 89Sr und 90Sr Abbildung 24e: LSC-Spektrum von 14C Tabelle 22: Energieauflösung bei verschiedenen Detektorarten.

Die Größe FWHM (Full Width at Half Maximum) (siehe Abbildung 24a) ist definiert als volle Breite des halben Maximmun eines idealen Pulshöhenpeaks und wird als Maß für die Energieauflösung verwendet. Um die Energieauflösung verschiedener Detektorssysteme vergleichen zu können, wird die Energieauflösung R in % angegeben. R ist definiert als: R = H0: Pulshöhe am Maximum der Impulszahlen Für verschiedene Detektormaterialen ergeben sich folgende Werte. Detektor-material

Detektierte Strahlung

FWHM [keV]

Nuklid Energie [MeV]

R [%]

Bemerkung R ist

ArMethan 35 0,6 α

(3-11 MeV) 50 241Am 5,486 0,9 unabhängig von der Energie Si

γ (<0,05MeV)

0,1-0,2 55Fe 0,006 2,5

γ (≈ 0,1 MeV)

0,2-0,4 122Co 0,122 0,16 Ge

0,23 NaJ(Tl)

γ (0,1-0,5MeV) ≈66 137Cs 0,662

≈10

abhängig von der Energie

2g B aC O 3 + HP #1001338 +5mL H2O + 14mL QS A

-0,05

0

0,05

0,1

0,15

0,2

0,25

0,3

0,35

0,4

0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000

chn

cp

m/c

hn

LSC-Spektrum von 90Sr, 89Sr und 90Y nach radioachemischer Reinigung von 10 g Milchasche

0

5

10

15

20

25

30

0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000Kanäle

Ipm

pro

Kan

al

90Sr

90Y

89Sr

FWHM H0

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 80

8. Detektion von Neutronen Neutronen werden zu den indirekt ionisierenden Strahlungsarten gezählt. Daher basiert die Detektion weitestgehend auf der Produktion von sekundärer ionsierender Strahlung durch Neu-tronen. Je nach Neutronenenergie müssen verschiedene Methoden angewendet werden: Thermische Neutronen treffen auf Kerne von geeigneten Detektormaterialien, in denen diese geladene Teilchen durch neutroneninduzierte Kernreaktionen emittieren, wie z.B. (n, p) oder (n, α)-Reaktionen oder Kernspaltung. Beispiel: Detektion thermischer Neutronen: Reaktionen: 10B (n, α) 7Li, 3He (n, p) 3H , 235U(n, f) … Detektorarchitektur: Ionisationskammern werden auf deren innerer Schicht mit 10B oder 235U ausgekleidet oder sie sind mit 10BeF3 oder 3He gefüllt. Hochenergetische Neutronen können z.B. detektiert werden, wenn man wasserstoffhaltiges Füllgas verwendet, in dem man die Rückstoßprotonen misst, die von den Neutronen erzeugt werden.

9. Zählunsicherheit

Radioaktiver Zerfall folgt der Poissonverteilung. Daher kann der Zeitpunkt des Zerfalls eines einzelnen Kerns nicht vorhergesagt werden und jede gemessene Zählrate ist mit einer statistischen Unsicherheit verbunden. Wird die Anzahl der Impulse I eines langlebigen Radionuklids wiederholt (n mal) unter identischen Bedingungen gemessen so wird eine Verteilung der Bruttoimpulse Ii´ um den Mittelwert δ beobachtet δ= = Σ Ii´ Die Breite der Verteilung ist charakterisiert durch die Standardabweichung σ (Wurzel der Varianz σ²): σ² = Für n → ∞ und kleine δ gilt die Poisson-Verteilung (folgende Abbildung 17a): W(I´) = ·e-δ W(I´): Wahrscheinlichkeit dafür, dass innerhalb der Messzeit die Bruttoimpulse I´ gezählt werden. δ: Mittelwert der Impulse. Frage: Wie lange muss man messen, wenn eine 32P-haltige wässrige Probe (A(32P) = 350 Bq) mit Cerenkov-Counting (ηPhys = 35%; R0 = 30 cpm) gemessen werden soll und dabei die Zählunsicherhiet < 1% betragen muss?

I1´ + I2´ + I3´ + … + In´ n

1 n

Σ(Ii´ - δ)² n

(δ)I´ I´!

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 81

Abbildung 25: Poissonverteilung der Wahrscheinlich-keit W(I´) I´ Impulse während der Messzeit tM zu registrieren, wenn der Mittelwert δ beträgt Abbildung 26: Autoradiographie: Einfluss des Abstands zwischen der radioaktiven Probe und der photographischen Emulsion.

Poissionverteilung

00,020,040,060,08

0,10,120,140,160,18

0,2

1 10 100I´[Imp]

W(I´)

Î = 70 Imp

Î = 30 Imp

Î = 10 Imp

Î = 5 Imp

Bei höheren Werten von I´ geht die asymmetrische Poissonverteilung in eine symmetrische Gauss-verteilung über. Gemäß dieser Verteilung gibt es eine Wahrscheinlichkeit von 68,3% dass die Anzahl der Impulse im Intervall Ii´- Î< σ, 95% innerhalb von 1,96σ und 99,7% innerhalb von 3σ ist. Für die Poissonverteilung gilt: σ =± √δ Beispiel: I´= 10.000 Impulse; Zählunsicherheit: σ = √10.000 Impulse = 100 Impulse. Relative Zählunsicherheit : σ/I´ = 100 Impulse /10.000 Impulse = 1%. 10. Ortsauflösende Detektoren 10.1 Photografische Emulsionen (Autoradiographie) Die ortsauflösenden Detektoren machen die Spuren der ionisierenden Strahlung sichtbar. Die ältesten Detektoren dieser Art sind photographische Platten (Becquerel 1896). Photografische Emulsionen auf Platten oder Filmen zeigen die Position von Radionukliden an (Autoradiographie). Der Hauptvorteil der Autoradiographie ist die Möglichkeit der genauen Lokalisation von Radionukliden, die α− oder β-Strahlen emittieren. Glatte Oberflächen sind erforderlich. Die Proben können sein: Metalle, polierte Oberflächen von Mineralien, Papierchromatogramme oder dünne Schnitte von Gewebe biologischen oder medizinischen Ursprungs. Die Dicke der photographischen Emulsion sollte nicht größer sein als 10 µm.

Photographische Emulsion

radioaktive Probe

Bereich der Schwärzung

Luft

Bereich der Schwärzung

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 82

10.2 Dielektrische Spurdetektoren

Schwere ionisierende Teilchen erzeugen Spuren von Strahlungs-schäden in isolierenden oder halbleitenden Materialien. Die Spuren haben die Form zylindrischer Kanäle mit Abmessungen von 1 bis 10 nm. Ohne weitere Behandlung kann sie nur mit einem Elektronenmikroskop beobachtet werden aber nach Ätzung z.B. durch HF werden sie auch mit dem normalen Lichtmikroskop sichtbar. Bereiche, die von ionisierender Strahlung vorgeschädigt sind, werden sehr viel schneller weggeätzt als nicht geschädigtes Material. Es gibt unterschiedliche Verfahren der Ätzung in verschiedene Materialien, wie Mineralien, Gläser, anorganische Kristalle und Plastikmaterialien. Mica wird häufig angewendet. Da die Ätzrate von der Ionisationsdichte abhängt, können die Kernladungszahl Z der Teilchen identifiziert werden. Festkörperspurdetektoren wurden angewendet zur Untersuchung der Spontanspaltung von Transurannukliden, von kosmischer Strahlung in großen Höhen (ca. 20 km) und bei der Datierung von Mineralien durch das Auszählen der Anzahl der Spuren. Eine weitere Anwendung ist die Dosimetrie von α−Teilchen und Neutronen. 11. Isotopenverdünnungsanalyse Die Isotopenverdünnungsanalyse ist eine in der Radioanalytik weit verbreitete Anwendung der Verdünnungsanalyse. Die Verdünnungsanalyse wird insbesondere dann angewendet, wenn eine quantitative Abtrennung des gesuchten Elements bzw. der gesuchten Verbindung nicht möglich ist. Die quantitative Trennung wird umgangen. An ihrer Stelle tritt die Abtrennung einer beliebigen Menge Substanz in reiner Form. Die quantitative Isolierung von kleinsten Mengen eines Radionuklids ist oft sehr schwierig, da praktisch alle Trennmethoden mit Ausbeuteverlusten verbunden sind. Um bei unbekannten Ausbeuteverlusten dennoch richtige und präzise Wert der Aktivität AX des zu bestimmenden Radionuklids X ermitteln zu können, wendet man das Prinzip der Isotopen-verdünnungsanalyse an. 11.1 Radioaktiver Ausbeuteträger Man fügt der unbekannten Aktivität AX einer Probenlösung eine bekannte Aktivität AT eines radioaktiven Trägerisotops T zu. Es ist darauf zu achten, dass sich die Strahlungsenergien des Träger-isotops T und des zu bestimmenden Radionuklids X unter Berück-sichtigung des Energieauflösungsvermögens des verwendeten Detektorsystems signifikant unterscheiden. Nach Beendigung der radiochemischen Reinigungsverfahren wird das Präparat ge-messen und die Nettozählraten RT bzw. RX des Trägerradionuklids T bzw. des zu bestimmenden j Radionuklids X er-mittelt. Nach folgender Gleichung sind die Nettozählraten RT bzw. RX

RX = ηphy,X · ηch,X · YX · AX und RT = ηphy,T · ηch,T · YT · AT

In dieser Gleichung steht − ηphy,X bzw.ηphy,T: für die physikalischen Wirkungsgrade der

Strahlungen von X bzw. T.

Radioanalytische Arbeitsmethoden für Naturwissenschaftler 83

− ηch,X bzw. ηch,T: für die chemischen Ausbeuten von X bzw. T. − YX bzw. YT für die Emissionswahrscheinlichkeiten X bzw. T.

Da X und T Isotope desselben Elements sind, gilt: ηch,X = ηch,T = ηch Aus den obigen Gleichungen kann man ableiten: = Daraus ergibt sich für AX: AX = AT

· · Beispiel: α-spektrometrische Bestimmung von 239Pu (5,156 MeV) unter Anwendung des Ausbeuteträgers 242Pu (4,901 MeV). Im Rahmen der Bestimmungsunsicherheiten gilt: ηphy,X = ηphy,T ≈ 0,25 Ips/Bq und YX = YT ≈ 1,000 (Bq·s)-1 Unter diesen Voraussetzungen gilt: AX = AT ·RX/RT Frage: Nach einer Messzeit von TL = 1000 min wird nach einer radiochemischen Abtrennung unter Anwendung von 0,14 Bq 242Pu bei der α−Linie des 239Pu eine Impulszahl von NX = 52 und bei dem Ausbeuteträger 242Pu NT = 1420 bestimmt. Die Nulleffektszählraten R0,X bzw. R0,T betragen für beide Radionuklide jeweils 0,001 Ipm. a) Berechnen Sie die Aktivität des 239Pu. b) Berechnen Sie unter Verwendung der in obigen Beispiel genannten Daten die chemische Ausbeute des Pu. 11.2 Stabiler Ausbeuteträger Analog zur Verwendung eines Radionuklids als Ausbeuteträger kann auch eine bestimmte Menge mT,1 eines inaktiven isotopen Trägers vor Beginn der Abtrennung zugegeben werden. Nach Beendigung des radiochemischen Trennungsgangs wird die Aktivität AX,2 bestimmt und ebenfalls die Menge mT,2 des Trägers. Diese Bestimmung kann z. B. grafimetrisch, photo-metrisch, titrimetrisch oder unter Einsatz der AAS erfolgen. Die gesuchte Aktivität AX,1 des Radionuklids X vor der des radiochemischen Trennung beträgt dann: AX,1 = AX,2· Das Verhältnis mT,2/mT,1 gibt die chemische Ausbeute ηch. des Trennverfahrens an.

RX RT

ηphy,X · ηch · YX · AX

ηphy,T · ηch ·YT · AT

ηphy,T ·YT ηphy,X · YX

RX RT

mT,1

mT,2