Rainer Maria Rilke
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Rainer Maria Rilke
Analyse und Interpretation von „Dame vor dem Spiegel“ unter Berücksichtigung der
epochentypischen Merkmale
Biographie
• *4. Dezember 1875 in Prag• Geboren als: René Karl Wilhelm Johann Josef Maria
Rilke • Negative Prägung durch frühe Trennung der Eltern und
Erziehung als „Ersatztochter“ • 1895 Abitur => Studium der Literatur, Kunstgeschichte,
Philosophie und Rechtswissenschaft• Militärische Grundausbildung im Jahr 1916 während des
Ersten Weltkriegs in Wien• +29. Dezember 1926 nach langer Krankheit im
Sanatorium Valmont bei Montreux, Schweiz
Leben & Werk• 1891 erste Gedichtveröffentlichung in einer Zeitung• 1894 erste Buchveröffentlichung• Einflussfaktoren: - langjährige Krankheit => Persönlichkeitsstörungen - Schoppenhauer und Nietzsche => Kritik an Jenseitsorientierung im
Christentum und einseitige naturwissenschaftlicher, rationaler Wertung• Mittlere Schaffensphase (1902-1910) : Thematisierung menschlicher
Grunderfahrungen, Zurückdrängung des Subjekts und symbolisch Spiegelung des Inneren in erlebten Dingen
• Dinggedichte: typische Form des Symbolismus, Behandlung von negativen Welterfahrungen ( das Hässliche, Krankheit, Tod)
Dame vor dem SpiegelWie in einem Schlaftrunk Spezerein,
löst sie leise in dem flüssigklaren Spiegel ihr ermüdetes Gebaren;
und sie tut ihr Lächeln ganz hinein.
Und sie wartet, daß die Flüssigkeit davon steigt; dann gießt sie ihre Haare
in den Spiegel und, die wunderbare Schulter hebend aus dem Abendkleid,
trinkt sie still aus ihrem Bild. Sie trinkt, was ein Liebender im Taumel tränke, prüfend, voller Mißtraun; und sie winkt
erst der Zofe, wenn sie auf dem Grunde
ihres Spiegels Lichter findet, Schränke und das Trübe einer späten Stunde
Eduard Manet, Frau vor dem Spiegel
Formale AnalyseDame vor dem Spiegel Wie in einem Schlaftrunk Spezerein, alöst sie leise in dem flüssigklaren bSpiegel ihr ermüdetes Gebaren; bund sie tut ihr Lächeln ganz hinein. a Und sie wartet, daß die Flüssigkeit cdavon steigt; dann gießt sie ihre Haare d in den Spiegel und, die wunderbare dSchulter hebend aus dem Abendkleid, c trinkt sie still aus ihrem Bild. Sie trinkt, ewas ein Liebender im Taumel tränke, fprüfend, voller Mißtraun; und sie winkt e erst der Zofe, wenn sie auf dem Grunde gihres Spiegels Lichter findet, Schränke fund das Trübe einer späten Stunde
• Sonett: Formstrenge im Widerspruch zum verschwommenen Gefühlszustand der Dame
• Umarmende Reime in Quartetten und Terzetten, wobei sich die eingeschlossen Reime in den Terzetten jeweils wieder reimen
• Umgreifende Verse enden mit männlicher Kadenz, innere mit weiblicher Kadenz
• Metrum: vorwiegend Trochäus, Abweichung Vers 6: Jambus
Sprachliche Analyse• Wortwahl: auffällig viele Worte mit
Anfangsbuchstabe S, Wortfeld „Flüssigkeit“, Nomen aus dem Bereich des Menschlichen („Gebaren“ V.3, „Lächeln“ V.4,) und aus dem Bereich des vom Mensch geschaffenen („Schlaftrunk“ V.1, „Schräke“ V. 13) im Wechsel
• Satzbau: vorwiegend hypotaktische, lange Sätze
• Stilmittel: Viele Alliterationen (s. Wortwahl), Personifikation: „ermüdetes Gebaren“ V. 3 (Subjekt wird zurückgedrängt, Dame wird auf ihr Erscheinungsbild im Spiegel reduziert), Metapher: „trinkt sie still aus ihrem Bild“ (Dame zieht sich aus der Realität in ihr Spiegelbild zurück)
Dame vor dem Spiegel Wie in einem Schlaftrunk Spezerein,löst sie leise in dem flüssigklaren Spiegel ihr ermüdetes Gebaren; und sie tut ihr Lächeln ganz hinein. Und sie wartet, daß die Flüssigkeit davon steigt; dann gießt sie ihre Haare in den Spiegel und, die wunderbare Schulter hebend aus dem Abendkleid, trinkt sie still aus ihrem Bild. Sie trinkt, was ein Liebender im Taumel tränke, prüfend, voller Mißtraun; und sie winkt erst der Zofe, wenn sie auf dem Grunde ihres Spiegels Lichter findet, Schränke und das Trübe einer späten Stunde
Bezug zum Autor
• Rainer Maria Rilke war wie die Dame im Gedicht „Dame vor dem Spiegel“ ein von Lebensangst getriebener Mensch, er selbst steht als Dichter „nicht mehr vor den Dingen, sondern er fühlt sich als ein Wissender in ihnen (…)“ (1) (vgl. Spiegelbild)
• Mit der Darstellung der Dame, verarbeitet er eventuell seine eigenen Kindheitserfahrungen als „Ersatztochter“ für seine Mutter
Epochentypische Merkmale
Symbolismus• Entstehung: im späten 19. Jahrhundert, durch
gesellschaftliche Umwälzungen und historische Ereignisse
• Wichtigstes Element: Symbolezur Schaffung einer schönen und annähernd vollkommenen Welt; „Dame vor dem Spiegel“ als Dinggedicht (Spiegel)
• Gegenbewegung zum Naturalismus• „L‘art pour l‘art“ : Die Kunst nur der Kunst wegen
Quellen
• http://de.wikipedia.org/wiki/Symbolismus
• http://www.gutmann.gmxhome.de/rilke.htm
• http://www.rilke-gedichte.de/
• http://www.rilke.de/
• Bild: http://www.reproarte.com/files/images/M/manet_edouard/0118-0090_frau_vor_dem_spiegel.jpg