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ISBN 92-2-712256-7

Erste Auflage 2000

Die in Veröffentlichungen des IAA verwendeten, der Praxis der Vereinten Nationen entspre-chenden Bezeichnungen sowie die Anordnung und Darstellung des Inhalts sind keinesfalls alseine Meinungsäußerung des Internationalen Arbeitsamtes hinsichtlich der Rechtsstellungirgendeines Landes, Gebietes oder Territoriums oder dessen Behörden oder hinsichtlich derGrenzen eines solchen Landes oder Gebietes aufzufassen.Die Nennung von Firmen und gewerbliche Erzeugnissen und Verfahren bedeutet nicht, daßdas Internationale Arbeitsamt sie billigt, und das Fehlen eines Hinweises auf eine bestimmteFirma oder ein bestimmtes Erzeugnis oder Verfahren ist nicht als Mißbilligung aufzufassen.

Veröffentlichungen des IAA können bei größeren Buchhandlungen, den Zweigämtern des IAAin zahlreichen Ländern oder direkt beim Internationalen Arbeitsamt, ILO Publications, CH-1211Genf 22, Schweiz, bestellt werden. Diese Stelle versendet auch kostenlos Kataloge oderVerzeichnisse neuer Veröffentlichungen.

Gedruckt in der Schweiz ATA

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Band I

Einleitung ............................................................................................... vii

Globalisierung in Europa: Menschenwürdige Arbeit in derInformationswirtschaft ....................................................................... 1

IKT und die Organisation von Arbeit und Produktion .................. 2

Auswirkungen auf die Beschäftigung ................................... 2

Zugang .................................................................................. 5

Qualifikationen als kritischer Engpaß................................... 9

Auswirkungen der IKT auf die Organisation von Arbeitund Produktion ..................................................................... 12

Die Unabhängigkeit des Standorts ......................................... 14

Unternehmen wachsen über ihre Grenzen hinaus ............... 15

Eine vielfältige Welt der Arbeit ............................................... 15

Die IAO, Technologie und menschenwürdige Arbeit ............. 16

Arbeitskräftewanderungen .............................................................. 17

Die Nachfrage nach Software-Spezialisten ............................ 17

Wettbewerb um die hochqualifizierten Arbeitskräfte ............. 23

Ost-West-Migration ................................................................ 25

Schutz für Wanderarbeitnehmer ........................................... 27

Entwicklungsprobleme .......................................................... 27

Die Organisierung und Vertretung von Arbeitgebern undArbeitnehmern ................................................................................. 29

Verbesserter Zugang durch Ausbildung ................................ 31

Beschäftigungsfähigkeit und lebenslanges Lernen ................ 33

Vertretung ............................................................................. 35

Flexibilität ............................................................................. 37

Telearbeit ............................................................................... 38

Arbeitsbedingungen: Kontrolle, Privatsphäre undGesundheitsfragen................................................................. 40

Das Potential der IKT für Arbeitgeber- undArbeitnehmerverbände .......................................................... 41

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Sozialer Schutz ................................................................................. 46Schaffung von Arbeitsplätzen, Arbeitsplatzverluste undArbeitslosigkeit ....................................................................... 47Beschäftigungsstatus und sozialer Schutz ............................. 47Zusätzlicher sozialer Schutz .................................................. 49IKT und die Anwendung der Gesetzgebung des sozialenSchutzes ................................................................................ 50IKT und Arbeitsschutz ........................................................... 51

Fragen für die Diskussion ............................................................... 52

Band II

1. Entwicklungstendenzen in Europa und Zentralasien ............. 1Einleitung ......................................................................................... 1Westeuropäische Länder .................................................................. 2

Das Beschäftigungskapitel des Vertrags von Amsterdam ....... 3Arbeitsmarkterfolge in vier kleineren Ländern ...................... 3Anhaltend hohe Arbeitslosenquoten ...................................... 4Expansion des Dienstleistungsbereichs und „atypischer“Beschäftigungsformen ........................................................... 5Die Lage weiblicher Arbeitskräfte .......................................... 5Sozialer Dialog ...................................................................... 5Sozialschutz .......................................................................... 7

Die Transformationsländer .............................................................. 9Die Hinterlassenschaft der Vergangenheit ............................. 9Der „Konsens von Washington“............................................. 11Entwicklungstendenzen ........................................................ 12Die Beschäftigungslage .......................................................... 14Internationale Wanderungen zur Arbeitsaufnahme............. 19Sozialer Dialog ...................................................................... 20Sozialschutz .......................................................................... 21

2. Tätigkeit der IAO ............................................................................. 27Struktur der IAO in Europa und Zentralasien ................................ 27

Regionalamt .......................................................................... 29Multidisziplinäres Beratungsteam für Mittel- undOsteuropa .............................................................................. 29Multidisziplinäres Beratungsteam für Osteuropa undZentralasien .......................................................................... 31Nationale Korrespondenten ................................................... 33Zweigämter ............................................................................ 34

Beziehungen zur Europäischen Union und zu anderenregionalen Institutionen .................................................................. 36Internationales Ausbildungszentrum der IAO ................................ 38

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Haupttendenzen in der technischen Zusammenarbeit .................. 39Prioritäten der technischen Hilfe ........................................... 41

Beschäftigungsförderung ................................................................. 45Beschäftigungspolitik ............................................................. 46Arbeitsstatistiken .................................................................... 50Stärkung von Arbeitsmarktinstitutionen ............................... 54Berufsbildung ........................................................................ 63Entwicklung von Unternehmen ............................................. 68

Sozialer Schutz ................................................................................. 74Arbeitsschutz ......................................................................... 74Arbeitsaufsicht ....................................................................... 79Programme gegen Drogen- und Alkoholmißbrauch ............. 80Internationale Wanderungen zu Arbeitszwecken ................. 82Soziale Sicherheit .................................................................. 84

Sozialer Dialog und Dreigliedrigkeit ............................................... 89Institutionen des sozialen Dialogs ......................................... 90Lohn- und Einkommenspolitik .............................................. 92Arbeitgeberverbände .............................................................. 95Arbeitnehmerverbände .......................................................... 100Sozialer Dialog auf sektoraler Ebene ..................................... 104

Grundlegende Arbeitnehmerrechte ................................................ 106IAO-Erklärung ....................................................................... 108Erklärung von Sofia .............................................................. 108Fortschritte und ausstehende Fragen..................................... 110Vereinigungsfreiheit .............................................................. 111Diskriminierung .................................................................... 111Zwangsarbeit ......................................................................... 112Gleichstellung der Geschlechter ............................................. 112Kinderarbeit .......................................................................... 114

Statistischer Anhang ............................................................................ 121

Bibliographie ......................................................................................... 137

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Eine Regionaltagung bietet die seltene Gelegenheit, gemeinsameinige der wichtigsten wirtschaftlichen Veränderungen und sozialenHerausforderungen zu erörtern, vor die Europa heute gestellt ist. Wirkönnen etwas Abstand nehmen, die Ereignisse der letzten Jahre Re-vue passieren lassen und feststellen, welche Haupttendenzen sich fürdie Zukunft abzeichnen.

Zwar gibt es andere gesamteuropäische Organisationen und Struk-turen, die Europäische Regionaltagung der IAO ist jedoch das einzigeForum, auf dem die sozialen und wirtschaftlichen Probleme der Regi-on in ihrer Gesamtheit auf dreigliedrige Weise erörtert werden kön-nen. Sie kann daher eine Brücke schlagen zwischen Ländern derRegion, die sich auf unterschiedlichen Entwicklungsstufen befinden,und zu anderen Organisationen, die nicht über den Vorteil einer drei-gliedrigen Struktur verfügen.

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Das letzte Jahrzehnt ist in Europa sehr turbulent verlaufen. NeueVisionen bestimmten sowohl den wirtschaftlichen als auch den poli-tischen Wandel, mit unterschiedlichem Erfolg. Die wirtschaftliche undsoziale Integration Westeuropas setzte sich fort, und die Konvergenzder europäischen Wirtschaften zur Erfüllung der Kriterien von Maas-tricht macht in beispielhafter Weise deutlich, was durch das Eintretenfür ein regionales Ziel erreicht werden kann. Das wirtschaftliche Wachs-tum war jedoch ungleichmäßig und während eines großen Teils desJahrzehnts zu gering, um die hartnäckigen Probleme der Arbeitslosig-keit zu lösen; wo die Arbeitslosigkeit zurückging, war dies in derRegel auf Veränderungen der Arbeitsmarktpolitiken und -praktikenzurückzuführen, die immer dann am erfolgreichsten waren, wenn sieauf sozialem Dialog beruhten. Die in letzter Zeit festzustellende Wachs-tumsbeschleunigung wirkt sich zwar allgemein positiv auf die Be-schäftigung aus, was für die Zukunft hoffen läßt, es sind jedoch eini-

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ge Jahre stetigen Wachstums erforderlich, um in den meisten größe-ren Ländern der Region Vollbeschäftigung zu erreichen.

Die Transformation in Mittel- und Osteuropa führte hingegen zuunterschiedlicheren Ergebnissen, und in den meisten Ländern ist derpolitische Übergang wesentlich weiter fortgeschritten als die wirtschaft-liche Umstrukturierung. Die Konsolidierung demokratischer Institu-tionen brachte keine raschen wirtschaftlichen Vorteile, und einige derErwartungen, die Anfang der neunziger Jahre bestanden, erwiesensich als viel zu optimistisch. Die meisten europäischen und zentral-asiatischen Länder sind noch immer dabei, die mit dem Übergang zueiner Marktwirtschaft verbundenen tiefgreifenden Veränderungensowie Krisen und Konflikte zu bewältigen.

Es ist sicher richtig, daß Europa nicht mehr ein politisch getrenn-ter Kontinent ist, die Unterschiede in der Entwicklung der Staaten derRegion sind jedoch sehr groß und nehmen weiter zu. Zwar habeneinige der Transformationsländer beim Aufbau einer Marktwirtschaftermutigende Fortschritte erzielt — dies gilt insbesondere für die Bei-trittskandidaten der Europäischen Union (EU) —, es muß jedoch nochviel getan werden, um zu verhindern, daß es in der Region zu einerAufspaltung zwischen reichen und weniger wohlhabenden Ländernkommt.

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Die Länder Europas allgemein, vor allem jedoch die Mitgliedstaatender EU, können für sich in Anspruch nehmen, über die weltweit weitrei-chendste und wirksamste Sozialpolitik zu verfügen; gelegentlich sprichtman in diesem Zusammenhang vom „europäischen Sozialmodell“. Zwarfällt dieses Modell von Land zu Land unterschiedlich aus, der Ursprungdes Wohlfahrtstaats liegt jedoch in Europa, wo noch immer an grund-legenden Werten festgehalten wird, denen zufolge Ausgrenzung jegli-cher Art oder übermäßige Ungleichheit unzulässig ist und es als legitimgilt, daß der Staat interveniert und aktiv in die Arbeitsmarktpolitik ein-greift, um die Eigeninitiative zu fördern und verletzliche Arbeitnehmerzu unterstützen. So wird der Wettbewerb zwischen Unternehmen er-gänzt durch Solidarität zwischen einzelnen Bürgern. Trotz des heuteüberall spürbaren Drucks, die Ausgaben für den sozialen Schutz zusenken, haben die wesentlichen Merkmale dieser Systeme ihre sozialeund politische Legitimität überall in der Region bewahrt. Dennoch ste-hen auch sie unter Druck, sich zu modernisieren und sich an die Ver-änderungen des wirtschaftlichen Umfelds anzupassen.

Die Antwort auf diese Herausforderung wird Auswirkungen ha-ben, die weit über Europa hinausreichen; in vieler Hinsicht wird die

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Zukunft der Sozialpolitik heute in Europa entschieden, da hier dieAntworten auf die sozialen Herausforderungen der Globalisierungentworfen werden. Im Rahmen des Vertrags von Amsterdam und derauf dem Beschäftigungsgipfel in Luxemburg angenommenen Euro-päischen Beschäftigungsstrategie hat die EU bereits wichtige Schrittezur Ausrichtung der Arbeits- und Sozialpolitik unternommen; Anfangdieses Jahres wurde dies vom Europäischen Rat auf seiner Tagung inLissabon auf höchster Ebene bekräftigt. An diesem Rahmen orientiertsich auch die grundsatzpolitische Entwicklung in den Ländern, diesich auf den Beitritt vorbereiten und die vor der Herausforderungstehen, daß sie die wirtschaftlichen und sozialen Institutionen gleich-zeitig neu gestalten müssen; indessen ist der Weg schon vorgezeich-net, und in vielen Bereichen gibt es bereits Lösungen.

Ein wesentliches Merkmal des europäischen Modells ist der so-ziale Dialog. Die Einbeziehung der Sozialpartner ist ein wichtigesMittel, um zu einvernehmlichen Lösungen zu gelangen und die so-ziale Stabilität herzustellen, die das Fundament einer gerechten unddemokratischen Gesellschaft ist. Der Grundsatz des sozialen Dialogsist auch ein zentrales Element der Internationalen Arbeitsorganisati-on. Der Austausch der bei der Praxis des sozialen Dialogs auf natio-naler, regionaler und institutioneller Ebene gemachten Erfahrungenist allseits vorteilhaft und eine wichtige Grundlage bei den Bemühun-gen um eine gemeinsame Agenda.

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Die EU kann fast allen wirtschaftlichen Anforderungen internRechnung tragen; lediglich 10 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktsentfällt auf Handel außerhalb der Union. Wie an den begrenztenAuswirkungen der ostasiatischen Finanzkrise deutlich wurde, ist siegegenüber Erschütterungen des globalen Handelssystems relativ un-empfindlich, ganz anders als die Länder Mittel- und Osteuropas, diesich plötzlich in einem Handelssystem befanden, in dem sie nochnicht wettbewerbsfähig waren. Die Globalisierung eröffnet diesenLändern zwar Chancen, sie bedeutet jedoch auch mehr Unsicherheitund Ungleichheit, sowohl innerhalb als auch zwischen Ländern.

Die Globalisierung betrifft jedoch nicht nur den Handel. Sie ma-nifestiert sich auch im Entstehen globaler Finanzmärkte und immerrascherer Kapitalströme, auf die die europäische Wirtschaft nur einengeringen Einfluß hat. Außerdem führt sie zu einer globalen Wissens-wirtschaft, in der Westeuropa relativ erfolgreich im Wettbewerb steht,in der man sich jedoch nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen kann.Unternehmen überall in Europa stehen vor dieser Herausforderung.

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Die Informationsrevolution verändert die Probleme ebenso wie ihreLösungen, und diese Veränderungen gelten für alle, in allen Teilendes Kontinents. Die Antworten fallen zwar unterschiedlich aus, jenach den Fähigkeiten und finanziellen und wissenschaftlichen Mög-lichkeiten, das Grundproblem ist jedoch für alle dasselbe: sozialerund wirtschaftlicher Fortschritt hängt weitgehend von einer erfolgrei-chen Beteiligung an der Wissensgesellschaft ab.

Aus diesem Grund befaßt sich dieser Band des Berichts mit derInformationsrevolution. Hauptthema der Regionaltagung sind dieTätigkeiten der IAO, und die neu entstehende Wissensgesellschaftbildet den Kern dieser Tätigkeiten. Ich halte es für wichtig, daß wirdiese Gelegenheit nutzen, um zu diskutieren, wie die Informations-und Kommunikationstechnologien die wirtschaftliche und sozialeLandschaft verändern. Hier liegen die entscheidenden Fragen, dieüber Erfolg oder Mißerfolg der künftigen Sozialpolitik entscheiden.Die Wissenswirtschaft geht mit nie dagewesenen Chancen und Her-ausforderungen einher. Sie führt zu neuen Produktionsformen, neu-en Arten von Unternehmen und neuen Formen der Ausbildung undOrganisation.

Durch die Entstehung der Wissenswirtschaft werden viele unsererÜberzeugungen in Frage gestellt; vor allem verändert sie die Welt derArbeit. Jede Revolution im Produktionsbereich führt zu einer neuenArbeitsstruktur, neuen Regeln, neuen Gewinnern, neuen Verlierern,neuen Institutionen. Durch die industrielle Revolution entstand der städ-tische Lohnarbeiter. Die Massenproduktion in den Fabriken von HenryFord führte zu einer neuen Art von Beschäftigung, die stabil, regelmä-ßig und geschützt war und für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu ei-nem Maßstab wurde. Jetzt schafft die Wissenswirtschaft ihre eigenenneuen Arbeitsformen. Die Bildung von Netzwerken führt zu erstaunli-chen neuen wirtschaftlichen und sozialen Phänomenen, etwa zu neu-en wissensbasierten Firmen, wobei auch neue Beschäftigungsverhält-nisse entstehen. In einigen Berufen verwischen sich die Unterschiedezwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Erwerbstätig-keit. Nicht nur Firmen, auch Arbeitnehmer können sich auf neue Weisezusammenschließen. Darüber hinaus können Konsumenten Druck aufFirmen zur Einhaltung von Umwelt- oder Sozialnormen ausüben, in-dem sie unmittelbar und weltweit Informationen über deren Praktikenzusammenstellen. Neue Formen der Wirtschaftstätigkeit werden mög-lich, etwa E-Commerce, und viele Arten von Arbeit sind nicht mehrortsgebunden und können so problemlos dorthin verlagert werden,wo die entsprechenden Qualifikationen und Fähigkeiten zur Verfü-gung stehen, was wiederum zu einer Zunahme der Telearbeit führt.

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Wir stehen am Anfang dieser Transformation und wissen nochnicht, wohin der Weg führen wird. Dennoch stellen sich bereits vieleneue sozialpolitische Fragen, die beantwortet werden müssen. Ichbin überzeugt, daß es Aufgabe der IAO ist — ohne weitere Informa-tionen abzuwarten —, mit den Mitgliedsgruppen zusammenzuarbei-ten, um mit dem Fortschritt in diesem Bereich Schritt zu halten.

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Die bestehende Agenda der IAO findet ihren Ausdruck im Zielder menschenwürdigen Arbeit, das die vier strategischen Ziele derOrganisation umfaßt: grundlegende Prinzipien und Recht bei der Ar-beit, Beschäftigung, sozialer Schutz und sozialer Dialog. Wie die IAOin den letzten fünf Jahren versucht hat, diesem Ziel näher zu kom-men, wird in Band II dieses Berichts zusammenfassend dargestellt. Indem neuen wirtschaftlichen und sozialen Umfeld verkörpert der Be-griff der menschenwürdigen Arbeit das, was die Menschen im Grun-de erstreben: einer produktiven Arbeit nachzugehen, bei der ihreRechte geachtet werden und sie Sicherheit und Schutz genießen undsie die Möglichkeit haben, an den sie betreffenden Entscheidungenmitzuwirken.

All diesen Dimensionen der menschenwürdigen Arbeit muß inder Wissenswirtschaft Aufmerksamkeit geschenkt werden. Einige Rech-te können durch den einfacheren Zugang zu Wissen leichter etabliertund gesichert werden. Doch andere Rechte können bedroht sein,wenn die neuen Technologien zu mehr Arbeitsintensität oder einerstärkeren Überwachung führen. Denkbar ist, daß die Beschäftigungunsicherer wird oder daß die vorhandenen Systeme des sozialen Schut-zes für die neuen Formen des Beschäftigungsverhältnisses ungeeig-net sind. Andererseits bestehen enorme Chancen zur Schaffung neu-er Arbeitsplätze, vorausgesetzt, die richtigen Institutionen, die richti-ge Infrastruktur und die richtigen makroökonomischen Politiken sindvorhanden, um die Gründung und das Wachstum von Unternehmenzu unterstützen. Auch die Migration gewinnt an Bedeutung; die Mi-gration von Arbeitskräften dorthin, wo Nachfrage nach informations-technologischen Qualifikationen besteht, und die Migration von Ar-beit in Länder und Regionen, die in der Lage sind, entsprechendeArbeiten durchzuführen und zu kommunizieren. Außerdem entste-hen neue Formen des sozialen Dialogs, und Gewerkschaften undArbeitgeberverbände schicken sich an, ihren Mitgliedern neue Dien-ste anzubieten oder sich anders zu organisieren und auf andere Wei-se zu verhandeln. In Band I des Berichts werden einige der Probleme

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angesprochen, die sich aus diesen Veränderungen ergeben, und eineReihe wichtiger Fragen werden genannt, bei denen wir im Rahmeneiner dreigliedrigen Diskussion Fortschritte erzielen können. Fragendieser Art sind beispielsweise, wie der soziale Einschluß in der Infor-mationsgesellschaft gewährleistet werden kann, wie die dazugehöri-gen Fragen der Qualifizierung, Migration und Investitionen zu be-handeln sind, wie das Management bei der Anpassung unterstütztwerden kann, wie Arbeitsmarktinstitutionen verbessert werden kön-nen und wie die Kapazität von Regierungen, Arbeitgebern und Ge-werkschaften verbessert werden kann.

Damit dies zu einem Positivsummenspiel wird, müssen wir ge-meinsam eine Vision entwickeln, wie diesen Herausforderungen be-gegnet werden kann. Potentiell können alle an diesem Prozeß Betei-ligten erheblich davon profitieren.

Bei diesen Bemühungen brauche ich Ihren Rat. Diese Tagungermöglicht es, die Partnerschaft zwischen der IAO und ihren Mit-gliedsgruppen in der Region zu überprüfen, den Wert der Arbeit derIAO zu evaluieren und Bereiche zu ermitteln, die gestärkt oder ange-paßt werden müssen. Da immer mehr Länder im Bereich der Be-schäftigung und der Sozialpolitik eine gemeinsame Vision verfolgen,müssen wir jetzt darüber nachdenken, wie die IAO ihre Rolle ameffektivsten wahrnehmen kann. Ich bin überzeugt, daß wir zielstre-big und mit einem Engagement in die Zukunft blicken können, dasunter Berücksichtigung der Umstände eines jeden Mitgliedstaats inder Region unsere gemeinsamen Ideale und Werte widerspiegelt. DieBefürwortung einer Agenda, von der wir alle überzeugt sind und fürdie wir alle gemeinsam eintreten, wird der Katalysator sein, der unshilft, kreative Wege zu finden, um das Ziel der menschenwürdigenArbeit für alle noch schneller zu erreichen.

Juan Somavia

Genf, September 2000

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Die Arbeit in europäischen Gesellschaften erlebt einen Transfor-mationsprozeß, der sich auf ihren Inhalt, ihre Form und ihren Stand-ort erstreckt. Auch die Produktionsorganisation befindet sich im Um-bruch. Diese Transformationsprozesse befinden sich erst im Anfangs-stadium und werden an einigen Standorten schrittweise, an anderenhingegen schneller und radikaler vor sich gehen. Beim Siegeszug derAnwendungen der Informations- und Kommunikationstechnologie(IKT) durch Wirtschaft und Gesellschaft werden sich überall dramati-sche Veränderungen vollziehen. Natürlich sind damit Risiken verbun-den, aber auch gewaltige Möglichkeiten für eine Verbesserung derLebensgrundlagen und der Lebensqualität der Europäer.

Die treibende Kraft dieser Veränderungen ist das gleichzeitigeAuftreten mehrerer Faktoren: Konvergenz der Technologien (d.h.Multimedia); sinkende Kosten und rapide Beschleunigung der Re-chenzeit; einheitliche Normen, ohne die nicht alle Bereiche erfaßtwürden; wachsende Kapazität (Bandbreite) im Bereich der Telekom-munikationen; und Zugang zum Internet. Diese Faktoren haben zurFolge, daß die zeitlichen und räumlichen Beschränkungen bei denInformationen und Kommunikationen abgebaut werden. Mit der Spren-gung dieser Grenzen entfallen auch standort- und tätigkeitsabhängi-ge Beschränkungen: Die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeitverwischen sich; die strikte Trennung von Arbeitsplatz und Wohnstät-te fällt weniger deutlich aus; Lernen und Arbeiten werden zu ineinan-dergreifenden Tätigkeiten; die Grenzen innerhalb und zwischen Un-ternehmen werden verschwommener, und der Unterschied zwischenabhängiger Beschäftigung und selbständiger Erwerbstätigkeit verliertan Schärfe. Ein kleines „Start-up“-Unternehmen kann sofort Zugangzum globalen Markt haben. Auch außerhalb der Arbeitsstätte vollzie-hen sich ebenso tiefgreifende Veränderungen. Zugang zu Wissen stehtLernenden von jedem Ort aus zur Verfügung. Die Arbeitsplatzsuche

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wird vielerorts erheblich effizienter — und dies allein könnte schonzum Abbau der Arbeitslosigkeit beitragen.

In Band I des Berichts wird untersucht, wie sich die IKT auf eini-ge Schlüsselbereiche des europäischen Arbeitsmarkts und der euro-päischen Arbeitsmarkteinrichtungen auswirkt. Eine umfassende Be-handlung des Themas im Kontext der Weltwirtschaft findet sich in derdemnächst erscheinenden IAA-Veröffentlichung World EmploymentReport 2001: Decent work in the information society. In diesem Bandist ein selektiver Ansatz gewählt worden. Zunächst werden die Aus-wirkungen der IKT auf die Strukturen und Formen wirtschaftlicherTätigkeit erörtert. Dann befaßt er sich mit der aufkommenden Debat-te über Arbeitnehmerwanderungen im Zusammenhang mit der IKT-Verbreitung und den offenbar darauf zurückzuführenden Mangel anFachkräften. Im nächsten Abschnitt wird anhand von Beispielen ge-zeigt, wie die Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer aufdie Herausforderungen des Wandels reagieren. Danach werden dieAuswirkungen der durch die IKT hervorgerufenen Veränderungenauf den Sozialschutz erörtert. Dieser Band schließt mit einer Reihevon Fragen für die Diskussion.

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Die IKT-Industrie „umfaßt die Herstellung von Telekommunikati-onsgerät, Computern, Halbleitern und sonstigen elektronischen Ge-räten, die Bereitstellung von Telekommunikationsdiensten, Compu-terdienstleistungen und Software. Es handelt sich um den wichtigstenund am schnellsten wachsenden Wirtschaftssektor der Welt“ 1. In die-sem Wirtschaftssektor selbst werden nur 5 Prozent aller Arbeitskräftedes jeweiligen europäischen Landes beschäftigt — mit AusnahmeSchwedens, wo er mehr als 10 Prozent der Arbeitskräfte absorbiert.Die radikalen Umwälzungen, die die europäischen Wirtschaften undArbeitsmärkte jetzt erleben bzw. die für die Zukunft prognostiziertwerden, sind überwiegend auf die Nutzung der IKT in anderen Wirt-schaftssektoren als dem IKT-Sektor zurückzuführen.

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Abgesehen von der Gewißheit, daß die Technologien einen Wan-del bewirken werden, ist noch nicht abzusehen, welche Richtungkünftige Entwicklungen einschlagen werden, da dies von Politiken,

1 UNESCO: World Communication and Information Report 1999-2000 (Paris,1999), S. 25.

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Institutionen und gesellschaftlichen Entscheidungen abhängt. Die durchdie IKT geschaffenen Marktanreize — Kostenersparnis, Produktivi-tätssteigerung, Expansion der Märkte und neue Märkte, Innovationund Chancen für Unternehmer — dürften ihre Verbreitung unaufhalt-sam machen. Sowohl aus den Fakten als auch aus der Logik diesestechnologischen Wandels ist klar zu ersehen, daß die Verbreitung derIKT neue Muster der Arbeitsplatzvernichtung und Arbeitsplatzschaf-fung zur Folge haben wird. Die Arbeitsplatzschaffung durch die IKTist auf die folgenden Faktoren zurückzuführen:

● niedrigere Transaktionskosten, was eine Steigerung der Leistungs-fähigkeit und der Produktivität und somit potentiell eine höhereWachstumsrate in Verbindung mit einem geringeren Inflations-druck zur Folge hat — die sogenannte „Neue Ökonomie“;

● das potentiell höhere Wachstum, das Arbeitsplätze in der „altenWirtschaft“ schafft, sowohl im Inland als auch beispielsweise durchHandelsverflechtungen zwischen West- und Osteuropa;

● das Wachstum des IKT-Sektors selbst, des Sektors mit den höch-sten Zuwachsraten in den meisten Industrieländern, in dem dasWachstum offenbar lediglich durch einen Mangel an qualifizier-ten Fachkräften beschränkt wird;

● das Internet mit seinem großen unternehmerischen Potential.Aufgrund der alles durchdringenden „Netzwerkeffekte“ der neu-en Technologien werden neue Märkte erschlossen und vorhan-dene Märkte vergrößert und entstehen neue Dienstleistungen undneue Berufe. Für diese Quelle der Schaffung von Arbeitsplätzenspricht vor allem, daß die Zugangsbeschränkungen geringer sindals vor der Internet-Ära. Sach- und Finanzkapital spielen eine ge-ringere Rolle als Wissen oder intellektuelles Kapital;

● das Potential zur Erhöhung des Arbeitskräfteangebots in Europa.Die IKT bietet die Möglichkeit, die Arbeit standortunabhängig zuverrichten. Personen, denen bisher aufgrund einer gleichzeitigenzeitlichen Beanspruchung (oder einer Diskriminierung) der Zu-gang zum Arbeitsmarkt versperrt war (z.B. Frauen mit Haushalts-pflichten oder in ihrer Mobilität eingeschränkten Personen) wirdder Eintritt ins Erwerbsleben erleichtert.

Aus den folgenden Gründen wird es jedoch auch zu Arbeitsplatz-verlusten kommen:

● Bestimmte Wirtschaftssektoren waren infolge der IKT-Nutzung insehr kurzer Zeit in der Lage, einen massiven Personalabbau bei-spielsweise im Bereich der Routineverwaltungsaufgaben vorzu-

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nehmen. Hinzu kommt, daß die Technologien das Unternehmer-tum und das Wachstum von kleinen Firmen zwar anscheinendbegünstigen, im Zuge der Konvergenz der Technologien ist esaber auch zu einer Welle von Fusionen großer Unternehmen inder Telekommunikationsindustrie und damit in Verbindung ste-henden Industriezweigen gekommen. Trotz der Zunahme derGesamtbeschäftigung in der Telekommunikationsindustrie Euro-pas waren dennoch Arbeitsplatzverluste zu verzeichnen. Der Net-toeffekt der IKT-Verbreitung auf Beschäftigung und Arbeitslosig-keit dürfte je nach Land, Region und Wirtschaftssektor verschie-den sein. Derartige Effekte abzuschätzen ist außerordentlich ge-wagt, da es in der Regel nicht einfach ist, die IKT-Auswirkungenvon konjunkturellen Faktoren (d.h. allgemeiner Konjunkturauf-schwung oder -abschwung) zu trennen;

● die Verlagerung von Arbeitsplätzen wird ebenfalls leichter. Defacto kann die IKT-Verbreitung infolge der IKT-Fertigkeiten imWesten und Osten Europas in Verbindung mit erheblichen Unter-schieden bei den Arbeits- und sonstigen Kosten gravierende Än-derungen der europäischen Arbeitsteilung hervorrufen;

● Berufe, deren Hauptaufgabe der Empfang, die Verarbeitung unddie Verbreitung von Informationen ist (z.B. mittlere Management-ebene), stehen nun im Wettbewerb mit direkter zugänglichen elek-tronischen Kommunikationsmitteln. Die IKT bietet Alternativenzu jeder Mittlertätigkeit, z.B. derjenigen eines Reisebüros, Buch-händlers oder Börsenmaklers. Ähnliches trifft auf Produkte zu,die sich elektronisch verschicken lassen und keine realen Ver-triebsstellen benötigen. Heutzutage wird weniger als 5 Prozentaller Software online verkauft.2 Dieser Prozentsatz wird sich je-doch erhöhen. Derzeit kann dieselbe Feststellung für Audiopro-dukte (Musik) getroffen werden, und für Videoprodukte dürftebald dasselbe gelten. Die Umgehung des „Mittlers“ auf elektroni-schem Wege ist als „Disintermediation“ bezeichnet worden. Die-ser Trend wird sich fortsetzen; indessen besteht bereits ein Ge-gentrend zu einer „Re-intermediation“ oder „Info-mediation“: neueFunktionen, die dazu dienen, Verbrauchern Unterstützung bei derNavigation durch die allgegenwärtigen Informationen zu leisten.

2 Schätzung nach Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-wicklung (OECD): OECD information technology. Outlook 2000: ICTs, e-commerceand the information economy (Paris, 2000), S. 69-70.

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Wie sich die IKT auf die Beschäftigung auswirkt, wird durch vieleFaktoren bestimmt, vor allem aber durch den Zugang, und zwar denZugang zu dem, was sowohl in Europa als auch anderswo als „neueÖkonomie“ bezeichnet wird. In den meisten Fällen ist Optimismus inbezug auf das Potential der IKT gerechtfertigt, selbst wenn er gele-gentlich übertrieben ist. Jedoch sollten die Europäer deswegen nichtdie reale Möglichkeit außer acht lassen, daß sich aufgrund der IKT-Verbreitung bestehende Ungleichgewichte noch stärker ausprägen,da bestimmte Bereiche von den Gewinnen ausgeschlossen bleibenwerden. Der Europäische Rat zeigt sich zwar von den Möglichkeitender IKT überzeugt, nimmt aber auch die negative Seite zur Kenntnis:„mehr als 15 Millionen Europäer [in der EU] sind nach wie vor arbeits-los ... . In Teilen der Union bestehen ausgeprägte Unterschiede beider Arbeitslosigkeit fort. Der Dienstleistungssektor ist unterentwik-kelt, besonders im Telekommunikations- und im Internet-Bereich.Qualifikationsdefizite nehmen zu, vor allem im Bereich der Informa-tionstechnologie ...“.3 Diese Probleme stellen sich mit noch größererSchärfe in Mittel- und Osteuropa. Deshalb dürfte es wahrscheinlichsein, daß die IKT-Verbreitung nicht nur Gewinne mit sich bringt, son-dern auch bestehende Gräben vertieft.

Insgesamt hinkt Europa in bezug auf die „Konnektivität“ bzw.Internet-Nutzung hinter den Vereinigten Staaten her. Die Zahl derInternet-Nutzer betrug in Europa Ende 1999 50 Millionen, das ent-spricht etwa einem Drittel der Verbreitungsrate in den VereinigtenStaaten. Zumindest in den Ländern der Europäischen Union nimmtdie Internet-Nutzung jetzt schneller zu als in jeder anderen Weltregi-on4. So gab es beispielsweise Ende 1999 in den europäischen Ar-beitsstätten etwa 29 Millionen Internet-Nutzer, d.h. 28 Prozent der Ar-beitskräfte. Es wird prognostiziert, daß diese Zahl bis 2004 auf 77 Mil-lionen oder 70 Prozent der Arbeitskräfte ansteigen wird5. Der elek-tronische Handel oder E-Commerce, vor zwei Jahren noch fast völligunbekannt, hatte zum Jahresende 1999 17 Milliarden US-Dollar Um-satz zu verzeichnen. Es wird angenommen, daß sich diese Zahl imJahr 2000 und noch einmal im Jahr 2001 verdoppeln wird. In bezug auf

3 Schlußfolgerungen des Vorsitzes, Europäischer Rat (Lissabon), 23.-24. März 2000,Abs. 4.

4 Europäische Kommission: Strategien für Beschäftigung in der Informationsge-sellschaft, Dokument erstellt auf der Grundlage von KOM (2000) 48, http://www.europa.eu.int/comm/dg05/soc-dial/info_soc/index_en.htm.

5 Ebd., S. 15.

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die Konnektivität gibt es in den europäischen Ländern erheblicheUnterschiede. Gemessen an der Anzahl der an das Internet ange-schlossenen PCs je 1.000 Personen weist Finnland die höchste undGriechenland die niedrigste Konnektivität in der EU auf. Von denLändern Mittel- und Osteuropas (MOEL) verzeichnen Estland und Slo-wenien die höchste Konnektivität und übertreffen selbst einige EU-Länder, wohingegen sie in Belarus und in der Ukraine extrem niedrigist: in Belarus 800 mal niedriger als in Finnland6.

Tabelle 1 zeigt die PC- und Internet-Nutzung, die Zahl der Mathe-matik- und Informatikstudenten, den Prozentsatz der Frauen in die-sen Fächern sowie die Anzahl der PCs je Student in diesen Fächern.Abbildung 1 zeigt die starke Korrelation zwischen dem Ausmaß derKonnektivität und den Telekommunikationskosten.

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Neben technischen, rechtlichen oder sonstigen Zugangsschran-ken spielen auch sozioökonomische Faktoren eine Rolle. Derzeit stelltsich das Bild der Internet-Nutzung je nach Bevölkerungsschicht un-terschiedlich dar. Internet-Nutzer sind überwiegend jüngere Männermit höherem Einkommen und höherer Bildung — Ende 1998 mach-ten Frauen lediglich 25 Prozent der Internet-Nutzer in Europa aus7.Abbildung 2 zeigt eine Korrelation zwischen der Anzahl der Internet-Hosts und dem Bildungsstand — gemessen als Studiengangwahl. Einkritischer Engpaß für die Ausbreitung der IKT stellt die Qualifikati-onslücke dar. Die IKT hat eine große Nachfrage nach Arbeitskräftenmit Computerfertigkeiten hervorgerufen, die für die Entwicklung undWartung von Online-Informationssystemen und die Erbringung derdurch diese Systeme neu geschaffenen Dienstleistungen (beispiels-weise E-Commerce) benötigt werden. Einer Schätzung zufolge dürftedie „innerbetriebliche“ Beschäftigung in der IKT in Europa von 9 Mil-lionen im Jahr 1998 auf 12,3 Millionen im Jahr 2000, d.h. mit einerJahresrate von 8,1 Prozent, ansteigen. Gleichzeitig waren jedoch 1998500.000 Arbeitsstellen unbesetzt, und es wird erwartet, daß sich dieQualifikationslücke auf 1,6 Millionen im Jahr 2000 bei einer jährli-chen Wachstumsrate von 33,7 Prozent erhöht 8. Die für die neuen Ar-beitsplätze erforderlichen und die vorhandenen Qualifikationen der

6 idem: Status report on European telework: New methods of work 1999 (Sept.1999), S. 95, abrufbar unter http://www.eto.org.uk/twork/tw99/index.htm.

7 Europäische Kommission: Strategien, a.a.O.8 European Information Technology Observatory 2000 (EITO 2000).

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freigesetzten Arbeitskräfte klaffen in der Regel weit auseinander. In-wieweit eine Umschulung und Umsetzung freigesetzter Arbeitneh-mer erfolgt, dürfte im wesentlichen davon abhängen, ob andere Ar-beitskräfte mit einem entsprechenden Qualifikationsniveau schon zurVerfügung stehen. In Anbetracht der alternden europäischen Bevöl-kerung handelt es sich bei der erforderlichen Umschulung um einbesonders wichtiges Politikfeld, in dem Maßnahmen ergriffen wer-den müssen.

Diese Qualifikationslücke hat verschiedene Auswirkungen:

● obgleich in einigen Regionen immer noch eine hohe Arbeitslosig-keit herrscht, tauchen Qualifikationsdefizite in den wachstums-stärksten Gebieten auf. Diese Defizite bewirken eine nachlassen-de Investitionstätigkeit in IKT und drosseln das Wachstum. EinerSchätzung für Westeuropa zufolge hat die Qualifikationslücke seit1998 beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) zu Verlusten in Höhe von106 Milliarden US-Dollar geführt, und diese Verluste dürften sichbei Fortbestehen des Qualifikationsdefizits erhöhen9;

● aufgrund des Fachkräftemangels wird die Ausbildung zu einemkritischen Punkt der grundsatzpolitischen Agenda sowie zu einerPriorität für Gewerkschaften und Arbeitgeber, eine Frage, der auchwegen der Überalterung der Arbeitskräfte noch mehr Beachtunggeschenkt werden muß;

● da es sich bei der Ausbildung um eine Investition handelt, diesich langfristig bezahlt macht, üben die Arbeitgeber Druck zurLockerung der Einwanderungsgesetze aus;

● bei weitverbreiteten Qualifikationsdefiziten könnten Wanderun-gen die Lösungen für das Aufnahmeland sein, dies würde jedocheine Abwanderung von Fachkräften aus dem Entsendeland her-vorrufen;

● bei weiterhin anhaltenden Qualifikationsdefiziten könnten dieFirmen die Verlagerung von Arbeitsplätzen an Standorte, an de-nen die Qualifikationen zur Verfügung stehen — Standortverlage-rung —, zunehmend als attraktive Lösung ansehen.

Der Weg der Umschulung und Umsetzung dürfte mit größererWahrscheinlichkeit in den Ländern und Organisationen eingeschla-gen werden, in denen die Arbeitnehmer eine hohe Arbeitsplatzsi-cherheit genießen. Beschäftigungsschutzgesetze bewirken, daß eine

9 C. Rhoads: „Germany faces storm over tech staffing“, in Wall Street Journal(New York), 7. März 2000.

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Umschulung und Umsetzung vom finanziellen Standpunkt aus fürden Arbeitgeber erheblich vorteilhafter sind. Daher kann ein ähnli-cher Technologiewandel auf den Arbeitsmärkten von Ländern mitunterschiedlichem Beschäftigungsschutz ganz unterschiedliche Aus-wirkungen haben. In einigen Fällen dürften auch Beschränkungendurch das Alter und die Fähigkeit zur Anpassung an die neue Tech-nologie gegeben sein; indessen dürften diese Probleme auf einemangespannten Arbeitsmarkt leichter zu lösen sein. Hingegen sind äl-tere freigesetzte Arbeitskräfte auf einem flauen Arbeitsmarkt weitauseher dem Risiko einer strukturellen Arbeitslosigkeit ausgesetzt.

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Die IKT höhlt die Logik der Art und Weise der Arbeitsorganisa-tion in der industriellen Welt aus — große hierarchisch aufgebauteFirmen mit festumrissenen Grenzen, relativ gleichbleibende Arbeits-platzbeschreibungen und Beschäftigungssicherheit auf normalen („ty-pischen“) Vollzeitarbeitsplätzen. Ein Grund für die Zunahme mehr-stufiger Hierarchien in Organisationen war z.B. das Vorhandenseinvon Hindernissen oder Unzulänglichkeiten im Bereich der für jedeOrganisation lebenswichtigen Informations- und Kommunikations-ströme. Da es dem Management zu allen Zeiten schlicht und einfachan Möglichkeiten zu einer häufigen intensiven und interaktivenKommunikation mit allen Arbeitnehmern fehlte, entstanden Hierar-chiestufen als Kanäle, über die Informationen erhalten und inumstrukturierter Form von der Spitze bis zur Basis über alle nachge-ordneten Hierarchiestufen weitergeleitet wurden. Die neuen Tech-nologien tragen viel zur Beseitigung dieser zeitlichen und räumli-chen Beschränkungen in der Organisation bei. Somit unterlaufensie die Notwendigkeit der physischen Kanäle, über die Kommuni-kation stattfand. Der Trend zu einem Abbau oder einer Abflachungder organisatorischen Hierarchien dürfte sich mit der Verbreitungder IKT beschleunigen.

Bereits mehr als die Hälfte der Arbeitskräfte in den wohlhabend-sten europäischen Ländern arbeiten in Berufen, die um die Informa-tionshandhabung zentriert sind. Beim Arbeitsinhalt zeigt sich eineTendenz zu einer stärkeren Wissensorientierung und geringeren kör-perlichen Tätigkeit. Dies trifft nicht nur auf die neuen, durch die IKTentstandenen Berufe (z.B. Website-Designer) zu, sondern auch aufFertigkeiten, bei denen Kenntnisse, die früher direkt auf körperlicheArbeit angewendet wurden, nun auf Software angewendet werden.So dürften z.B. Maschinenschlosser jetzt Computerfachleute sein. Den

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größten Teil der Wertschöpfung der heutigen Kraftfahrzeuge machenSoftware und elektronische Bauteile aus.

In die Herstellung physischer Produkte geht nun sehr viel mehrWissen ein — und auf dem Markt werden viel mehr „Produkte“ (d.h.Dienstleistungen) verkauft, die aus Wissen bestehen. Arbeitsstruktur,Arbeitsorganisation und Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Beziehungen er-fahren durch wissensbasierte Arbeit eine Änderung. Qualität ist jetztder Schlüssel zum Wettbewerbsvorteil, und die Belegschaft des jewei-ligen Unternehmens ist die Quelle dieser Qualität. Arbeitskräften, dieim Bereich der Wissenserzeugung tätig sind, erhalten größere Befug-nisse, da die Entscheidungsmacht denjenigen übertragen wird, diedie größte Verantwortung für den Wettbewerbsvorteil tragen. DieTatsache, daß Wissen auf dem Zugang zu Informationen beruht, istein weiterer Grund dafür, daß Hierarchien und enggefaßte Arbeits-platzbeschreibungen kontraproduktiv sind. Eine größere Autonomieund mehr Teamarbeit erbringen bessere Ergebnisse.

Das „Rohmaterial“ für die Wissensarbeiter sind Informationen, unddas Internet hat die Schleusentore für Informationen mit unmittelba-rem Zugang rund um die Uhr geöffnet. Es könnte sein, daß sich derBegriff der Arbeitszeit nun wandelt. Da die „Arbeitswerkzeuge“ in derneuen Produktionsstätte — Informationen und Informationsverarbei-tung — am Ende des Arbeitstags nicht am Arbeitsplatz zurückgelassenwerden, verwischt sich der Unterschied zwischen Arbeits- und Freizeit.Und der Druck zu einem weiteren Verwischen dieser Grenze wächstan. Die Globalisierung hat den Wettbewerb für alle Betriebe verschärft;nachdem jetzt jedoch Zeit und Raum keine Hindernisse mehr für denWettbewerb sind, ist das Kriterium „time-to-market“ zum entscheiden-den Merkmal des Wettbewerbsvorteils geworden. Wie die Finanzmärk-te kann ein wissenserzeugendes globales Unternehmen 24 Stunden amTag und sieben Tage in der Woche ununterbrochen als globale Wert-schöpfungskette tätig sein. Der „Arbeitsplatz“ kann über Zeitzonen hin-weg transportiert werden und erfordert im Gegensatz zu materieller, inAusführung begriffener Arbeit keine physischen Absatzwege. Somitkönnen die Gesetze und Vorschriften eines Landes zum schwachenoder starken Glied dieser globalen Wertschöpfungsketten werden unddie Standortentscheidung positiv oder negativ beeinflussen. Obgleichumfassende Daten schwer erhältlich sind, kann kein Zweifel daranbestehen, daß bereits eine Verlagerung digitaler Arbeit von West- nachOsteuropa vor sich geht, die weiter zunehmen dürfte. Es steht zu er-warten, daß die „in regelmäßiger Folge verrichtete elektronische Team-arbeit“ eine stärker integrierte Arbeitsteilung in den sich ergänzendenZeitzonen der Region zur Folge haben wird.

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Bei vielen Arbeiten ist keine physische Anwesenheit erforderlich,insbesondere im Falle eines digitalen Produkts. Zur Zeit dürfte es inder Europäischen Union etwa 9 Millionen Telearbeiter geben10. Auf-grund der Standortunabhängigkeit der Arbeit dürften Änderungen derWirtschaftsgeographie eintreten. Dies kann eine Lösung für das Pro-blem der Überfüllung der Städte darstellen und zu einer ausgewoge-neren räumlichen Entwicklung führen. Ferner könnte diese Arbeits-form ein Weg zur Integrierung bestimmter Personenkreise in die Weltder Arbeit sein: der Behinderten und anderer Personen mit Einschrän-kungen der körperlichen Mobilität bzw. der Frauen mit Familienpflich-ten oder derjenigen, die diskriminierenden Beschränkungen ausge-setzt sind. Eine nichtstandortgebundene Arbeit kann dort verrichtetwerden, wo die Lebensqualität am höchsten ist. Bei der Telearbeitläßt sich die Arbeitszeit des einzelnen, der andere, arbeitsunabhängi-ge zeitliche Verpflichtungen hat, den jeweiligen individuellen Bedürf-nissen anpassen. Zugleich besteht aber bei der Telearbeit eindeutigdie Gefahr einer Ausbeutung, ein Thema, auf das weiter unten einge-gangen wird.

Das Konzept der Telearbeit gilt auch für „Back-Offices“ und Call-Center. Ende 1998 gab es in Westeuropa 10.790 Call-Center. Schonseit Jahren haben größere Unternehmen die Datenverarbeitung anStandorte mit niedrigen Kosten verlagert. Die Swissair läßt beispiels-weise ihre Buchhaltung in Bombay durchführen. Das Wachpersonal,das die Sicherheitskameras in Genfer Banken überwacht, befindetsich in Nordafrika. Mit der weiteren Verbreitung des Internets dürftesich der seit langem bestehende Trend zum Outsourcing beschleuni-gen.

Ein Vorteil der Unabhängigkeit des Standorts besteht für Europawie auch für andere Länder darin, daß die Arbeit auf elektronischemWeg von Standorten mit Arbeitskräftemangel an Standorte mit hoherArbeitslosigkeit verlagert werden kann. Um ein Beispiel zu nennen:Manpower Inc. ist eine private Zeitarbeitsagentur, die auch als Ar-beitsmarktvermittler oder „matchmaker“ tätig ist. Diese Agentur ar-beitet mit den lokalen Behörden in Nordwales zusammen, einer Regi-on mit einer hohen Arbeitslosigkeit, aber auch einem relativ hohenBildungsniveau, um Arbeitskräfte so umzuschulen, daß sie Informa-tions- und Datenverarbeitungsdienste für Londoner Banken anbietenkönnen.

10 Europäische Kommission: Status report, a.a.O.

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Die IKT reißen Grenzen innerhalb des Unternehmens, aber auchdie Unternehmensgrenzen selbst nieder, und dies führt zu neuen For-men von unternehmensübergreifenden Beziehungen. Das Internetbewirkt eine revolutionäre Veränderung der Vertriebskanäle und hateinen ebenso großen Einfluß auf Versorgungsketten. So muß bei-spielsweise eine Versorgungskette aus demselben Grund, aus demdie Hierarchie im Unternehmen abgeflacht wird, nicht mehr hierar-chisch organisiert sein. Intensive interaktive Kommunikationen kön-nen mit allen existierenden oder möglichen Lieferanten gleichzeitigstattfinden. Somit ergibt sich ein Auktionsmarkt, auf dem Firmen Ko-stenvoranschläge unterbreiten und Spezifikationen erstellen können.Die Bedeutung der IKT liegt in diesem Zusammenhang darin, daß sieeine drastische Senkung der Transaktionskosten bewirkt. Dies wiede-rum macht die Nutzung selbst kurzfristiger Marktchancen für Unter-nehmen rentabel. So können beispielsweise „virtuelle Fabriken“ ge-gründet werden: Eine Firma mit einem Projekt schließt sich mit an-deren Firmen zusammen, um spezielle Leistungen von begrenzterDauer zu erbringen.

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Chancen, Experimente und Instabilität auf dem Markt sowie dasTempo der technologischen Entwicklung ändern die Beschäftigungs-erwartungen. Eine wachsende Zahl junger Europäer zieht nun eineselbständige Erwerbstätigkeit einer langfristigen Karriere in großenUnternehmen vor 11. Die durch eine langfristige Vollzeitbeschäftigungbei einem einzigen Unternehmen gebotene Sicherheit existiert immernoch (Daten über die Dauer der Betriebszugehörigkeit im Lauf derZeit lassen kaum Veränderungen erkennen), jedoch sinkt die Zahlder Arbeitnehmer, auf die dies zutrifft. Die Zeitarbeit nimmt zu, unddie Verwendung des Wortes „atypisch“ zur Beschreibung der Paletteneuer Beschäftigungsbeziehungen trifft immer weniger zu. Diese Ten-denz dürfte noch im Anfangsstadium sein und wird natürlich vonNormen, Gesetzen und Einrichtungen beeinflußt, ist aber nichtsde-stoweniger deutlich zu erkennen. Für die Europäische Union gilt fol-gendes: „Die Arbeitsgesetze der Mitgliedstaaten beruhen auf dem Stan-dardmodell einer Vollzeitbeschäftigung unbegrenzter Dauer in einer

11 Bemerkungen von Professor L. Soete, Direktor, Maastricht Economic Re-search Institute on Innovation and Technology (MERIT), beim IAA, 14. Juni 2000.

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bestimmten Arbeitsstätte und können nicht länger vollständig dieBedürfnisse einer stärker wissensbasierten Herstellung von Güternund Dienstleistungen erfüllen 12.“ In Europa ist eine flexiblere, vielfäl-tigere Welt der Arbeit im Entstehen.

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Im World Employment Report 2001, der demnächst erscheinenwird, werden detailliert die Auswirkungen der IKT auf menschen-würdige Arbeit erörtert. Bei diesem Bericht handelt es sich jedoch nurum die neueste Veröffentlichung einer langen Reihe von IAA-Veröf-fentlichungen und -seminaren über den technologischen Wandel unddie Möglichkeiten eines menschenwürdigen Auskommens. Die IKTsind allgegenwärtig und beeinflussen auf unterschiedliche Weise tech-nologische Entwicklungen in den verschiedenen Industriezweigen.Aus diesem Grund stammt ein großer Teil der Forschungen und drei-gliedrigen Erörterungen über die Auswirkungen der Technologie aufdie Beschäftigung aus dem IAO-Programm für Tätigkeiten nach Sek-toren bzw. aus der Tätigkeit des Programms für multinationale Unter-nehmen13. Speziell im Bereich der IKT hat beispielsweise das Pro-gramm für Tätigkeiten nach Sektoren in erheblichem Umfang For-schungen über die Folgen der Multimedia-Konvergenz für den Ar-beitsmarkt durchgeführt. Diese Tätigkeiten gipfelten in der Veranstal-tung eines dreigliedrigen Symposiums über Multimedia-Konvergenzim Januar 1997. Vor kurzem, d.h. im Februar-März 2000, organisiertedie IAO ein dreigliedriges Symposium über Informationstechnologi-en in der Medien- und Unterhaltungsindustrie: Ihre Auswirkungenauf Beschäftigung, Arbeitsbedingungen und Arbeitgeber-Arbeitneh-mer-Beziehungen. In Anbetracht der Tatsache, daß Informationen undUnterhaltung jetzt in immer schnellerem Tempo und unter Einsatzimmer vielfältigerer Mittel in Wohnstätten, Arbeitsstätten und Schulenfließen, dürften diese Auswirkungen ganz erheblich sein.

Anläßlich der Dreigliedrigen Tagung über die Auswirkungen derGlobalisierung und der Umstrukturierung des Handels auf die Human-

12 Europäische Kommission: „Leben und Arbeiten in der Informationsgesell-schaft: Im Vordergrund der Mensch – Grünbuch“, Dokument erstellt auf der Grund-lage von KOM(96)389 endg., in Bulletin der Europäischen Union (Brüssel), Beila-ge 3/96, Abs. 33.

13 Siehe beispielsweise, L. Dunn und H. Dunn: „Employment, working condi-tions and labour relations in offshore data service enterprises: Case studies of Barba-dos and Jamaica“, Multinational Enterprises Programme, Working Paper Nr. 86 (Genf,IAA, 1999).

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ressourcen, die die IAO im Oktober 1999 veranstaltete, stellten Teil-nehmer fest, daß der E-Commerce im nächsten Jahrzehnt eine umfas-sende Umstrukturierung der Industrie bewirken wird. Es wurde dieAuffassung vertreten, daß viele vorhandene Arbeitsgesetze sowohlfür den herkömmlichen als auch den Cyber-Handel gelten dürften,daß einige Bestimmungen — beispielsweise diejenigen über die Ar-beitszeit — jedoch schwer durchzusetzen sein würden. Im Mai 2000organisierte die Hauptabteilung Tätigkeiten nach Sektoren eine grö-ßere dreigliedrige Tagung über die Sozial- und Arbeitsauswirkungender Globalisierung bei der Herstellung von Transportausrüstungen.Auf dieser Konferenz wurde u.a. über die Auswirkungen der IKT aufden Wandel des Arbeitsinhalts sowie über die Frage diskutiert, wiedie Allgegenwärtigkeit von Informationen und Kommunikationen ei-nen radikalen Wandel der Beziehungen mit den Zulieferern in derKraftfahrzeugindustrie bewirkt. Diskussionen über die Auswirkungender IKT werden in jeder der 22 von der IAA-Hauptabteilung Tätigkei-ten nach Sektoren betreuten Gruppen von Sektoren immer relevanterwerden.

Neben der Behandlung der IKT-Auswirkungen im Rahmen ihrerVeröffentlichungen und Tagungen hat die IAO das Potential der IKTgenutzt, um den Zugang zur Fachausbildung und deren Vermittlungin den MOEL zu verbessern. Eines ihrer Multimedia-Produkte ist eineCD-ROM, die ein interaktives Fernstudium zur beruflichen Nutzungvon Computern bietet; sie ist derzeit in Bosnien-Herzegowina im Ein-satz. Ein weiteres IAO-Produkt ist das Web-gestützte InternationaleNetz der Anbieter einer modularen Ausbildung, das zur Zeit in derRussischen Föderation, in der Ukraine und in Polen eingeführt wird.Die Internet-Site ermöglicht einen „One-stop“-Zugang zu Daten undInformationen über alle Ausbildungsanbieter in jedem Land.

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Das schnelle Tempo des technischen Fortschritts hat zur Folge,daß auch die Qualifikationen schneller überholt sind. Eine wichtigeAuswirkung hiervon ist die Entstehung von Defiziten in verschiede-nen Arbeitsmarktsegmenten, die zum Teil auf Bildungsrückstände,das Versagen herkömmlicher Ausbildungssysteme, etablierte Arbeits-einrichtungen in Wohlfahrtsstaaten und das in wohlhabenderen Ge-sellschaften mit bestimmten Berufen assoziierte Stigma zurückzufüh-ren sind. Die Vereinigten Staaten haben die Einwanderungspolitikwirksam (d.h. durch H-1B-Visa) dazu eingesetzt, zwecks Beseitigung

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von Qualifikationsdefiziten, überwiegend im Bereich der Fachkräftefür Informationstechnologie (IT), hochqualifizierte ausländische Ar-beitskräfte aus aller Welt anzuwerben. Es spricht viel dafür, daß die-selben Qualifikationsdefizite in Europa vorhanden sind; indessen sinddie europäischen Staaten weniger geneigt, dieselben Maßnahmen zuergreifen. Bis jetzt liegen noch keine genaueren Beurteilungen deskünftigen Bedarfs europäischer Industriezweige vor, und es fehlt mitSicherheit an detaillierten Informationen über die verschiedenen Qua-lifikationsniveaus, so daß der Mangel nicht genau abgeschätzt wer-den kann. Diese Defizite dürften nicht nur in den westeuropäischenStaaten, sondern auch in einigen der dynamischeren MOEL wie Polenund Ungarn und sogar in einigen Regionen größerer Staaten wie derRussischen Föderation entstehen.

Seit Mitte der neunziger Jahre ist die europäische Nachfrage nachSoftware-Spezialisten rasch angestiegen. Nur zum Teil war dies aufdie Probleme zurückzuführen, die im Zusammenhang mit dem Y2K-Problem erwartet wurden. Der größere Teil dieser Nachfrage gingvon Unternehmen aus, die von einfachen, im Betrieb selbst program-mierten Datenbanklösungen auf komplexere Versionen übergingen,zu deren Planung, Programmierung und Verwirklichung Fachleuteerforderlich waren. Dieser Übergang dürfte im Zuge der Kopplungvon Beschaffung und Verkauf an das Internet und der Integration derInformationsflüsse der einzelnen Firmen entlang der Wertschöpfungs-kette anhalten. Mit der raschen Markteinführung einer Reihe neuermikroelektronischer und daher software-abhängiger Kommunikations-geräte stieg auch die Verbrauchernachfrage seit Mitte der neunzigerJahre steil an. Eine wichtige Rolle in bezug auf die Wachstumsmög-lichkeiten dieser Märkte spielte die Liberalisierung der Telekommuni-kationsdienste in der Europäischen Union (EU). Gleichzeitig gewanndie allgegenwärtige Verlagerung von mechanischen und elektrischenauf elektronische Lösungen an Schwung, was eine erhebliche Nach-frage nach neuer Software und deren permanenter Aktualisierung zurFolge hatte.

Wenig ist darüber bekannt, wie diese plötzlich auftauchende Nach-frage nach Software-Spezialisten in europäischen Ländern gedecktwurde. Es dürfte ziemlich unwahrscheinlich sein, daß ein erheblicherPool an Arbeitslosen vorhanden war. Andere Quellen stellen Hoch-schulabsolventen und Ausbildungskurse, autodidaktischeComputer“kids“ mit praktischer Erfahrung sowie eine bestimmte, indes-sen sehr begrenzte Zuwanderung aus benachbarten Fachrichtungenwie Mathematik und Physik dar. Abgesehen von diesen Möglichkei-ten dürfte als einzige Quelle nur die Einwanderung von Fachleuten

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aus anderen Ländern gegeben sein. Die meisten europäischen Länderhaben Vorschriften erlassen, welche die zeitweilige Beschäftigung vonausländischen Staatsangehörigen zulassen. Mit Ausnahme des Verei-nigten Königreichs, das die Einwanderung von Arbeitskräften mitgeringeren Qualifikationen ausschließt, treffen sie keine Unterschei-dung nach dem Qualifikationsniveau — obgleich sie häufig dazu ge-nutzt werden, um in erster Linie die Einreise von qualifiziertem Perso-nal zu ermöglichen. Indessen haben alle Länder sehr spezielle Aus-nahmen vorgesehen. Diese Ausnahmen beziehen sich nicht auf dieEinwanderung, nicht einmal die vorübergehende, sondern die relativuneingeschränkte Freizügigkeit von Fachkräften, die normalerweiseanderswo ansässig sind. Die Niederlande, das Vereinigte Königreichund Österreich erlauben auch die Aufnahme von „Arbeitnehmern mitSchlüsselfertigkeiten“, d.h. von Arbeitskräften mit unterschiedlichemQualifikationsniveau, die die Firmen nicht im Inland selbst anwerbenkonnten. Die Schweiz und Österreich haben Quoten für diese Mi-grantenkategorien vorgesehen, die anderen Länder jedoch nicht 14.

Aufgrund der geltenden gesetzlichen Bestimmungen in Europaist es beinahe unmöglich, die Einwanderung von Arbeitskräften mithohem Bildungsstand statistisch zu erfassen. Die nur begrenzt hierzuvorliegenden Daten sind in allen Fällen mit Daten über andere Qua-lifikationsniveaus zusammengefaßt; indessen könnte dennoch darauszu schließen sein, daß in der letzten Zeit nur eine sehr geringe Zahldieser hochqualifizierten Arbeitskräfte eingewandert ist, d.h. besten-falls nur einige Zehntausend pro Jahr in der ganzen EuropäischenUnion15. Außerdem dürften diejenigen Arbeitskräfte, die maßgeschnei-derte Fähigkeiten für die „neue Ökonomie“ besitzen, nur einen Bruch-teil, und wahrscheinlich einen kleinen Bruchteil, der Zuwanderun-gen ausmachen. Möglicherweise wurde mehr Personen mit hohemBildungsstand oder hohen Qualifikationen ein ständiger Wohnsitzgewährt bzw. sie wurden als Flüchtlinge aufgenommen, aber diesbe-zügliche Daten stehen nicht zur Verfügung. Mit anderen Worten: Dieneuen Immigranten spielten so gut wie keine Rolle bei der Versor-gung des florierenden europäischen Software-Geschäfts mit Perso-nal. Beispielsweise standen in Deutschland 1999 14.994 Computer-fachleute aus anderen Ländern in einem abhängigen Beschäftigungs-verhältnis, d.h. 824 Personen mehr als ein Jahr zuvor (+5,8 Prozent).Dieser Personenkreis stellte 4 Prozent aller abhängig beschäftigten

14 Siehe SOPEMI: Trends in International Migration: Annual Report, Ausgabe1998 (Paris, OECD, 1998), S. 187ff.

15 Siehe ebd., S. 189, und ebd., Ausgabe 1999 (Paris, OECD, 1999), S. 25.

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Computerfachleute dar; ähnlich wie ihre deutschen Kollegen hatten37 Prozent einen Universitätsabschluß. Insgesamt 6.751 dieser aus-ländischen Fachkräfte waren Bürger anderer EU-Länder, und8.243 stammten aus Nicht-EU-Ländern. Von diesen letztgenannten Ar-beitskräften stammten 49,9 Prozent aus europäischen Ländern, dienicht der Union angeschlossen sind16. Indessen ist unklar, wie vieleder 14.994 ausländischen Staatsbürger de facto in Deutschland gebo-ren und aufgewachsen sind, als Flüchtlinge ankamen oder im Rah-men innerbetrieblicher Versetzungen mit einer zeitlich begrenzten Auf-gabe aufgenommen wurden.

Es gibt Anzeichen dafür, daß die Regelung der Immigration in derPraxis bis zu einem gewissen Grad die Nachfrage nach Personal mithohem Bildungsstand berücksichtigt. Für den Zeitraum 1988 bis 199417

wurden Daten über den jeweiligen Bildungsstand der Immigrantenanalysiert, die den EU-Arbeitskräfteerhebungen entnommen wurden.Ein hoher Bildungsstand wurde als abgeschlossene tertiäre Bildungdefiniert. Abgesehen von einigen deutlichen Ausnahmen läßt sich derSchluß ziehen, daß der Anteil der Immigranten mit hohem Bildungs-stand in denjenigen EU-Ländern relativ groß sein dürfte, in denenderselbe Anteil bei den Inländern relativ klein ist und umgekehrt18.Die Erklärung hierfür liegt darin, daß in EU-Ländern in der Regel derProzentsatz der im Inland wohnenden Staatsbürger mit hohem Bil-dungsstand klein ist, wenn der Prozentsatz der in der Landwirtschafttätigen Arbeitskräfte groß ist, und umgekehrt. Im Jahr 1990 war derAnteil der in der Landwirtschaft tätigen Arbeitskräfte in Ländern wieGriechenland, Portugal, Spanien und Irland relativ hoch und der An-teil der Personen mit hohem Bildungsstand relativ niedrig, wohinge-gen auf Belgien, die Niederlande oder Deutschland das Gegenteilzutraf. Als Folge hiervon konnten die erstgenannten Länder die Nach-frage nach unqualifizierten Arbeitskräften aus ihren internen Reser-ven in der Landwirtschaft decken, während es schwieriger war, imInland die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften zu befriedi-gen. Ausländische Investoren pflegten in derartigen Fällen Managerund Top-Ingenieure aus Ländern mit einem größeren Angebot einzu-

16 W. Dostal: „Anwerbung kann Ausbildung nicht ersetzen“, in IAB Kurzbericht,Nr. 3, 2000.

17 A. Wolter: Globalisierung der Beschäftigung: Multinationale Unternehmenals Kanal der Wanderung Höherqualifizierter innerhalb Europas (Baden-Baden, No-mos, 1997).

18 A. Gächter: „Emerging issues in the employment and protection of migrantworkers in Europe“, nicht veröffentlichter Entwurf, Genf, IAA, 2000.

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stellen und diesen Personen dann Aufgaben in dem stärker landwirt-schaftlich ausgerichteten Land zuzuweisen, zumal die Hochqualifi-zierten dort in der Regel Ärzte und Rechtsanwälte und nicht Managerund Ingenieure sind.

Daraus ist zu schließen, daß die Arbeitsmigration in der EU einegewisse ausgleichende Wirkung hatte, die Bildungsdefizite in denAufnahmeländern wettmachte. Dasselbe trifft jedoch nicht auf dieFreizügigkeit der Wanderungen innerhalb der EU zu, was den Schlußzuläßt, daß die europäische Einwanderungspolitik in der Praxis trotzfehlender diesbezüglich vorgegebener politischer Zielrichtungen dieQualifikations- und Bildungsbedürfnisse der Wirtschaft berücksich-tigt hat.

Qualifikationsdefizite wurden überwiegend durch Anwerbungenaus den unmittelbar angrenzenden Nicht-EU-Staaten ausgeglichen.Wanderarbeitnehmer in den EU-Staaten, in denen der Anteil an Mi-granten mit hohem Bildungsstand zwischen 1992 und 1994 anstieg,stammten überwiegend aus nicht der EU angehörenden westeuropäi-schen Staaten wie Finnland, Norwegen, Österreich, Schweden undder Schweiz. Bei diesen Nationalitäten stieg der Anteil der Personenmit hohem Bildungsstand von 20,9 Prozent im Jahr 1992 auf 24,2 Pro-zent im Jahr 1994 an. Was die nichteuropäischen Gruppen anbelangt,so gab es bei den Staatsangehörigen aus dem mittleren Osten einenstarken Anstieg von 15,8 Prozent im Jahr 1992 auf 17,7 Prozent imJahr 1994. Dasselbe traf auf afrikanische Staatsbürger zu, deren Anteilsich von 4,5 auf 6 Prozent erhöht. Auch bei den nord- und mittelame-rikanischen Staatsbürgern war ein leichter Anstieg der Personen mithohem Bildungsstand (von 20,2 Prozent auf 20,8 Prozent) zu verzeich-nen, wohingegen dieser Prozentsatz bei den Personen aus Mittel-und Osteuropa bei 4,3 Prozent konstant blieb. Alle anderen Grup-pen, u.a. Südasien, Ostasien, Ozeanien und Südamerika, verzeichne-ten einen Rückgang19.

In Deutschland wurde eine neue Verordnung erlassen, die dieZuwanderung von 20.000 Computerfachleuten ab dem 1. August 2000zuläßt. Diese Verordnung enthält eine Beispielliste mit vier Punkten:System-, Internet- und Netzwerk-Spezialisten; Software- und Multi-media-Entwickler und Programmierer; Entwickler von Schaltkreisenund IT-Systemen und Fachkräfte für IT-Consulting. Diese Zuwande-rung soll sich auf einen Zeitraum von drei Jahren erstrecken. Deut-schen und Staatsbürgern aus EU-Ländern mit den geforderten Quali-

19 Wolter, a.a.O., S. 44.

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fikationen soll Vorrang vor neuen Bewerbern gegeben werden. So-bald die Zahl von 10.000 Zuwanderern erreicht ist, muß geprüft wer-den, ob die Notwendigkeit zur Fortsetzung dieses Programms be-steht. Das Programm steht auch neuen Hochschulabsolventen miteinem IT-Curriculum offen, das dem Niveau deutscher Universitätenentspricht. In der Zwischenzeit können Bewerber die normalen Zu-gangsverfahren in Anspruch nehmen, die in der Tat beschleunigtwerden sollen. Die Industrie hatte ein Paket von 30.000 Aufenthalts-erlaubnissen angestrebt. Die Regierung lehnte jedoch die Forderunganderer Industriezweige nach einem ähnlichen Programm ab.

Am 1. Mai 2000 schlug die Regierung des Vereinigten KönigreichsMaßnahmen zur Reduzierung der Qualifikationsdefizite in einer Rei-he von Berufsfeldern vor, vor allem in bezug auf „e-skills“, aber auchim Bereich der Gesundheitsfürsorge, Versicherungsfachleute und Er-gotherapeuten. Die Nachfrage soll aus Asien (insbesondere Indien)sowie aus Osteuropa gedeckt werden. Eine in Betracht gezogeneMaßnahme ist ein im Herbst 2000 anlaufendes Pilotprogramm, in des-sen Rahmen Unternehmen die Befugnis erhalten würden, Personalim Hinblick auf die Erteilung von Arbeitserlaubnissen für das Verei-nigte Königreich zu zertifizieren. Auf diese Weise soll die Dauer derGenehmigungsverfahren von drei Monaten auf nur eine Woche ver-kürzt werden. Zudem werden hochqualifizierte Arbeitskräfte die Mög-lichkeit haben, in ihrem eigenen Namen und nicht über ein Unter-nehmen eine Arbeitserlaubnis zu beantragen, und ähnlich wie in Frank-reich im Jahr 1998 werden die Einschränkungen in bezug auf dieUmwandlung der zeitlich befristeten Studentenvisa von kurz vor demAbschluß stehenden Universitätsstudenten in uneingeschränkte Ar-beitsgenehmigungen gelockert und die Dauer dieser Genehmigun-gen von derzeit vier auf fünf Jahre verlängert werden.

In Israel wurde im Juni 2000 ein Vorschlag zur Zulassung von10.000 High-tech-Arbeitskräften mit einem Zweijahresvisum unterbrei-tet. Darin war die Anregung enthalten, daß Unternehmen 50.000 NIS(12.200 US-Dollar) je ausländischen Arbeitnehmer in einen Techno-logiebildungsfonds für Israelis einzahlen sollten.

Neben Indien werden hochqualifizierte IKT-Kräfte — entwederHochschulabsolventen oder Autodidakten — auch in Rumänien, derRussischen Föderation, Algerien und anderen Ländern gesucht. Eswird davon ausgegangen, daß jährlich etwa 1.000 SoftwarefachleuteRumänien verlassen, um in anderen Ländern — überwiegend in Ka-nada, den Vereinigten Staaten und den Mitgliedstaaten der EU — zuarbeiten. Im April 2000 fanden zwischen Deutschland und Rumänienbzw. Irland und Rumänien Verhandlungen über bilaterale Arbeitsver-

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einbarungen statt, und Frankreich und Spanien bereiteten sich daraufvor, denselben Weg einzuschlagen20. Auf die im März 2000 erfolgteAnkündigung Deutschlands, daß Immigranten mit hervorragendenIKT-Kenntnissen gesucht würden, gingen bis zum 17. Mai 20002.730 Bewerbungen ein, von denen 504 von Indern, 356 von Algeri-ern, 221 von Bulgaren, 135 von Ungarn und 127 von Russen stamm-ten. Somit entfiel fast die Hälfte der Bewerbungen, d.h. 1.343, aufStaatsbürger dieser fünf Länder; das heißt jedoch nicht, daß die Be-werbungen de facto aus diesen Ländern kamen. Indessen lassen die-se Zahlen den Schluß zu, daß abgesehen von Indien bei einer ent-sprechenden Aufforderung der EU ein gewisses Arbeitskräfteangebotaus an die EU angrenzenden Gebieten zur Verfügung stehen würde.

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Man muß davon Kenntnis nehmen, mit wem und zu welchenBedingungen Europa in Wettbewerb um qualifizierte Immigrantentritt. In Kanada machten beispielsweise Immigranten in den neunzi-ger Jahren etwa ein Drittel des Beschäftigungszuwachses bei Compu-ter-Ingenieuren, Systemanalytikern und Computer-Programmierern aus.Diese Attraktivität dürfte zumindest teilweise auf die freundliche Auf-nahme zurückzuführen sein, die einwandernden Fachkräften gebo-ten wird. So liegt z.B. das geschätzte Lebenseinkommen eingewan-derter Informatiker nur weniger als 1 Prozent unter demjenigen ihrerin Kanada geborenen Kollegen, und es gibt gesetzliche Rahmenbe-dingungen, die eine Niederlassung auf Dauer und die Gründung vonFamilien fördern. Trotzdem hat auch Kanada hochqualifizierte Ar-beitskräfte, darunter einen Teil der Immigranten, verloren. Im Zeit-raum 1994 bis 1999 hatten 49 Prozent der Kanadier über 16 Jahre, diein die Vereinigten Staaten auswanderten, aber nur 12 Prozent derBevölkerung insgesamt ein Universitätsstudium abgeschlossen. Ne-ben den medizinischen, den Pflege- und den Lehrberufen hattenMaschinenbau, Computerdienstleistungen und Kommunikationen diegrößten Verluste zu verzeichnen. Indessen gewann Kanada für jedenin die Vereinigten Staaten ausgewanderten Hochschulabsolventen vierHochschulabgänger aus dem Ausland21.

20 Mirel Bran: „Comme en Inde, les informaticiens roumains sont une matièrepremière“, in Le Temps (Genf), 1. Mai 2000.

21 D. Drew; S. Murray; J. Zhao: „Brain drain and brain gain: The migration ofknowledge workers from and to Canada“, in Education Quarterly Review, Bd. 6,Nr. 3, 2000, http://www.statcan.ca/english/indepth/81-003/feature/eq2000_v06n3_spr_a01_hi.htm [besucht am 14. Sept. 2000].

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Wenn Kanada qualifizierten Immigranten zum Teil als Durchlauf-station diente, dürfte dies für Europa mit noch größerer Wahrschein-lichkeit zutreffen. Wenn ein Programm nur auf einen bestimmtenZeitraum und ohne Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis angelegtist, wie dies bei dem deutschen „Green Card“-Programm der Fall ist,könnten hochqualifizierte Immigranten dieses Programm lediglich alsSprungbrett zu einer Beschäftigung in einem Land ansehen, das bes-sere Aufnahmebedingungen bietet. Somit bleiben sie unter Umstän-den nicht während des gesamten im Programm vorgesehenen Zeit-raums in dem Land, und die Fluktuation dürfte hoch sein.

Wie weiter oben aufgezeigt wurde, ist der Gedanke, die Einwan-derungspolitik als Werkzeug zur Kompensierung von Qualifikations-defiziten in Europa zu nutzen, zwar neu, in der Praxis ist dies aberschon gang und gäbe. Die Immigration von Arbeitnehmern aus Nicht-EU-Ländern, die über hohe Qualifikationen und einen hohen Bil-dungsstand verfügen, ist seit langem an die interne Verfügbarkeit vonQualifikationen gekoppelt. Neu ist somit der Gedanke, bewußt denVersuch zur Anwerbung von Personen zu unternehmen, die sich frei-willig zu einer Auswanderung nach Europa entschließen, statt dort-hin versetzt zu werden, und mit anderen Regionen der Welt, in ersterLinie den Vereinigten Staaten, in denen eine Nachfrage nach diesenArbeitskräften besteht, in Wettbewerb zu treten. Dies ist eine erhebli-che Abkehr von der passiven Haltung, die sich daran zeigt, daß ledig-lich Zulassungspolitiken festgelegt wurden, und auch weit von derErfahrung der sechziger Jahre entfernt, als ein Konkurrenzkampf umungelernte Arbeitskräfte innerhalb Europas stattfand. Was bisher inEuropa festzustellen ist, ist eine sehr allmähliche Anpassung der tradi-tionellen Zuwanderungspolitiken und -vorschriften an die neue Lage.

Die Weltbank ist der Ansicht, daß ein Zeitalter der Freizügigkeitfür Arbeitskräfte mit hohen Qualifikationen anbricht: „Der Markt fürhochqualifizierte Arbeitskräfte wird in den kommenden Jahrzehntensogar noch globaler integriert werden, und die zunehmenden Erträgefür qualifizierte Arbeitskräfte dürften weiterhin eine räumliche Kon-zentration begünstigen. Wissensarbeiter werden Grenzen frei über-schreiten können, was die Verbreitung von Technologien erleichtert,das Wachstum technologieintensiver Industriezweige fördert und dazubeiträgt, einen wirklich globalen Markt für Qualifikationen zu schaf-fen22.“ Die Weltbank fordert u.a. mit Nachdruck dazu auf, Bildungsan-

22 Weltbank: Entering the 21st Century: World Development Report 1999/2000(New York, Oxford University Press, 2000), S. 39.

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strengungen auf allen Ebenen zu unternehmen, um ein Arbeitskräfte-potential zu schaffen, das die für die Wirtschaftsentwicklung erfor-derlichen Qualifikationen erwerben oder auf dem neuesten Standhalten kann. Der Hinweis auf das „clustering“ ist ganz eindeutig: FürWissensarbeiter ist die Fähigkeit zu einer intensiven Interaktion undzum Informationsaustausch von besonderer Bedeutung und Grundzu persönlicher Befriedigung. Ihnen diese Möglichkeit zu bieten, dürftesie zur Migration verlocken, im Falle der IKT zu den „Silicon Valleys“der Welt. Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, daß Europa unterUmständen nicht die Endstation qualifizierter Migranten sein und defacto hochqualifizierte IKT-Arbeitskräfte an Nordamerika verlierendürfte. In Anbetracht der Tatsache, daß Qualifikationen der Schlüssel-faktor für die Entwicklung der Software-Industrie sind, stellt dies dieeuropäische Migrationspolitik vor besondere Herausforderungen.

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Wie ein Beobachter feststellte: „nach dem Zusammenbruch derkommunistischen Regime im Ostblock waren deren Wissenschafts-sektoren relativ überbesetzt, aber unterfinanziert. Der anschließendePersonalabbau in diesen Sektoren ging sehr schnell vor sich. Es istanzunehmen, daß die Mehrzahl der aus dem Wissenschaftssektorausgeschiedenen Arbeitskräfte in ihrem Land blieben, jedoch einealternative Arbeit im privaten Sektor suchten23“. Nur in der ehemali-gen Sowjetunion kam es verstärkt zu einer Migration von Wissen-schaftlern. Migranten, die aus der Russischen Föderation aus- bzw. indie Russische Föderation einwanderten, hatten einen merklich höhe-ren Bildungsstand als die allgemeine Bevölkerung. Ähnliches trifftauf die Ukraine zu, wo 18 Prozent der Emigranten von 1996 einenhöheren Bildungsabschluß hatten, was zu einem geschätzten Netto-verlust von 11.000 Personen mit hohem Bildungsstand führte.

Einigen Daten ist zu entnehmen, daß der größte Teil der Migrati-on hochqualifizierter Arbeitskräfte aus Osteuropa in den ersten fünfJahren nach 1989 stattfand24. Was insbesondere die Emigration nachDeutschland anbelangt, so dürfte der Anteil hochqualifizierter Arbeits-kräfte je nach Land erheblich geschwankt haben. Zwischen 1992 und1994 wiesen 10 Prozent der russischen und rumänischen Emigrantennach Deutschland einen hohen Bildungsstand auf. Dieser Prozentsatz

23 J. Salt: Current trends in international migration in Europe, http://www.coe.fr/dase/en/cohesion/action/publi/migrants/currentmig.htm [besucht am 14 Sept. 2000].

24 SOPEMI, 1999, a.a.O. S. 271.

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dürfte höher liegen als der durchschnittliche Prozentsatz der Bevöl-kerung dieser Länder und ist dennoch im Vergleich zu den 39 ProzentBulgariens und 35 Prozent Ungarns niedrig. Andere Länder warenzwischen den beiden Extremen angesiedelt: 19 Prozent der polni-schen Emigranten und 17 Prozent der tschechischen und slowaki-schen Emigranten wiesen einen hohen Bildungsstand auf. Diese Un-terschiede dürften die Zwecke und Unausgewogenheiten der deut-schen Zuwanderungspolitiken sowie die räumliche Entfernung wi-derspiegeln und nicht durch den Markt hervorgerufen worden sein.Der Exodus aus dem früheren Jugoslawien, der zur selben Zeit er-folgte und auf dessen Zusammensetzung die deutschen Behördensehr wenig Einfluß hatten, umfaßte lediglich einen Anteil von 8 Pro-zent an hochqualifizierten Immigranten.

Die zunehmenden Investitionen westlicher Unternehmen und ihreUnterauftragsvergabe in Mittel- und Osteuropa dürften ein Faktor sein,der der Emigration qualifizierter Arbeitskräfte entgegenwirkt: „Fürwestliche Betriebe ist dies ein billigerer und bequemerer Ersatz fürWanderungen25.“ Im Hinblick auf eine größere Produktivität zahlendiese Firmen überdurchschnittlich hohe Löhne, was den Arbeitneh-mern höhere Einkommen ohne die Kosten, Ungewißheiten und Un-bequemlichkeiten einer Wanderung verschafft. Aus diesem Grunddürfte die in der EU angestrebte Konvergenz der Löhne und Pro-Kopf-Einkommen auf der Ebene der qualifizierten und hochqualifi-zierten Arbeitskräfte schneller voranschreiten als auf der Ebene derungelernten Arbeitnehmer. Im allgemeinen handelt es sich bei derKonvergenz jedoch um einen sehr langfristigen und unbestimmtenProzeß, der mit zu vielen Ungewißheiten verbunden ist, um ihn alspolitischen Faktor zu wählen26. Neuere Studien für die EuropäischeKommission gehen davon aus, daß Migranten aus den MOEL, unab-hängig von ihren tatsächlichen Qualifikationen, in Berufen mit gerin-geren Anforderungen arbeiten werden27.

25 A. Nesporova: „Education systems and labour mobility: The particularities ofEastern Europe“, in G. Biffl (Hrsg.): Migration, free trade and regional integration inCentral and Eastern Europe (Wien, Staatsdruckerei, 1997), S. 293.

26 Ebd., S. 294; siehe auch H. Werner: „Regional economic integration and mi-gration: The European case“, in Mark Miller (Hrsg.): „Strategies for immigration con-trol: An international comparison“, in Annals of the American Academy of PoliticalScience, Bd. 534, 1994, S. 147-164.

27 H. Brücker et al.: The impact of Eastern enlargement on employment andlabour markets in the EU Member States: Final Report, Part A – Analysis (Brüssel,Europäische Kommission, 2000), http:/www.europa.eu.int/comm/dgs/employment_social/parta.pdf [besucht am 20. Sept. 2000].

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Es dürfte feststehen, daß der größte Teil der Emigration aus denfrüheren kommunistischen Ländern Ende der achtziger und Anfangder neunziger Jahre stattfand. Soweit bei qualifizierten und unqualifi-zierten Arbeitskräften eine Neigung zur Migration vorhanden war,haben diese bereits größtenteils diesen Weg beschritten, mit oderohne die erforderlichen Genehmigungen. Dies könnte zur Folge ha-ben, daß die Erweiterung der EU, die Staatsangehörigen der neuenMitgliedstaaten die Legalisierung ihres Aufenthalts gestattet, in ersterLinie das Ausmaß der vergangenen Migrationen ans Tageslicht brin-gen wird, statt neue Migrationsströme auszulösen.

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Europäische Gesellschaften haben viel Erfahrung mit der Integra-tion von Immigranten erworben, die eine Dokumentierung und Evalui-erung für vorbildliche Praktiken verdienen würde; das ist bisher nurin geringem Umfang geschehen. Gleichzeitig brachten die Forschun-gen der IAO eine weitverbreitete Diskriminierung der Immigrantenund Minderheiten auf dem Arbeitsmarkt ans Tageslicht. Es müssenWege gefunden werden, um die Erfahrungen und Erkenntnisse imHinblick auf die Minimierung sozialer Spannungen produktiv zusam-menzufassen zu einer Zeit, da in Europa erneut eine — größtenteils„unerwünschte“ — Immigration zu beobachten ist. Selbst wenn mannur den kleinen akzeptierten Teil und den sogar noch kleineren ein-geladenen Teil der Immigranten (z.B. die hochqualifizierten IKT-Fach-kräfte) betrachtet, fällt deutlich ins Auge, daß es an Visionen undMaßnahmen zur Bildung einer diese Immigranten einschließendenGesellschaft fehlt. Europa hat nun die Möglichkeit bzw. könnte sichleicht die Möglichkeit dazu verschaffen, bewußt Politiken für die er-folgreiche und nützliche Integration dieser Menschen in die Gesell-schaft zu konzipieren, statt dies wie in der Vergangenheit überwie-gend dem Zufall zu überlassen. Sollen eingewanderte Fachkräfte inEuropa verbleiben, so dürfte dies zu einer Notwendigkeit werden.

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In der Regel ist die Migration Hochqualifizierter im Zusammen-hang mit Entwicklungsproblemen zu sehen: Weniger entwickelteLänder verlieren Qualifikationen an die Staaten mit höherem Ent-wicklungsstand. Die Länder verlieren dabei nicht nur die Nutzungjener Qualifikationen, sondern auch die Investitionen in die Ver-mittlung dieser Qualifikationen. Beispielsweise wird davon ausge-gangen, daß sich die Bildungskosten der in den neunziger Jahrenausgewanderten Bulgaren für ihr Heimatland auf 50 Milliarden US-

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Dollar beliefen28. Dies trifft zweifellos zu, ist aber kein einseitiges Ge-schäft. Durch Geldüberweisungen und die Rückkehr hochqualifizierterArbeitskräfte zu einem späteren Zeitpunkt können auch die Emigrati-onsländer davon profitieren. Der Nettoeffekt hängt weitgehend davonab, wie attraktiv Überweisungen und Rückkehr sind und wie attraktivdas Verlassen des Heimatlands überhaupt ist. Unter den hochqualifi-zierten Arbeitskräften geht der Wunsch nach einer Emigration häufigauf einen Mangel an beruflichen oder persönlichen Möglichkeiten oderauf das Gefühl zurück, sich in einer unsicheren und möglicherweisegefährlichen Lage zu befinden29. Die Rückwanderung Hochqualifizier-ter dürfte nicht nur auf die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Her-kunftslands zurückzuführen sein, sondern auch mit dem politischenund sozialen Umfeld zu tun haben. So fand z.B. in Irland eine schnelleEntwicklung in Verbindung mit einer umfangreichen Emigration hoch-qualifizierter Kräfte statt. Offenbar kehren diese Arbeitskräfte in einerspäteren Phase ihrer Karriere häufig nach Irland zurück. „Schätzungenzufolge, die auf Daten der irischen Volkszählung von 1991 beruhen,haben nicht weniger als 30 Prozent der Bevölkerung über 40 Jahre mitHochschulabschlüssen zumindest ein Jahr im Ausland gelebt. Der ent-sprechende Anteil der erwachsenen Bevölkerung insgesamt (d.h. 25 Jah-re und älter) belief sich auf 10 Prozent. Dies stellt eine sehr hohe Rück-kehrrate (die jetzt zweifellos noch höher ist) der am besten ausgebilde-ten Emigranten dar“30. Ähnliche Feststellungen können für Taiwan, China,getroffen werden: Auch hier fand eine Emigration qualifizierter Arbeits-kräfte in erheblichem Ausmaß bei gleichzeitiger rapider Entwicklungund eine Rückwanderung einer großen Anzahl dieser Arbeitskräfte statt.

Fast alle europäischen Länder profitierten während entscheiden-der Phasen ihrer wirtschaftlichen Entwicklung von den Überweisun-gen der Emigranten. Heute ist Frankreich das Land mit den höchstenArbeitnehmerüberweisungen in der Welt31. Im Hinblick auf einen mög-lichst schnellen Abbau des Migrationsdrucks haben europäische Län-

28 Informationen der Bulgarischen Industrievereinigung.29 R. Iredale: „The need to import skilled personnel: Factors favouring and hin-

dering its international mobility“, in International Migration (Genf, IOM), Bd. 37,Nr. 1, 1999, Special issue: Migration and development, S. 89-123.

30 SOPEMI, 1999, a.a.O., S. 156.31 J.E. Taylor: „The new economics of labour migration and the role of remittan-

ces in the migration process“, in International Migration, a.a.O., S. 68. Zählt man dieArbeitnehmerüberweisungen und die Gehälter der Angestellten zusammen, so er-hielt Frankreich von seinen Staatsangehörigen im Ausland 1994 mehr als jedes ande-re Land, in erster Linie deshalb, weil es 3,7 Milliarden US-Dollar an Arbeitnehmerein-kommen erhielt.

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der ein erhebliches Interesse daran sicherzustellen, daß die neu auf-kommenden Wirtschaften in gleicher Weise Nutzen aus solchen Über-weisungen ziehen können. Global gesehen belaufen sich die Über-weisungen auf 75 Milliarden US-Dollar pro Jahr, d.h. 50 Prozent mehrals die offizielle Entwicklungshilfe insgesamt32. Welche WirkungenÜberweisungen haben, war lange Zeit über schlecht verstanden wor-den. Eine der wichtigen Schlußfolgerungen aus neueren Forschun-gen ist, daß „die Multiplikatorwirkung von Überweisungen auf Ein-kommen und Beschäftigung ziemlich groß ist und daß viele der indi-rekten Vorteile nicht für die Haushalte der Migranten selbst, sondernfür andere entstehen, die diesen Haushalten Güter und Dienstleistun-gen liefern, welche ohne die internationale Migration nicht in An-spruch genommen würden“33. Die Verbrauchssteigerung ruft Investi-tionen hervor, selbst wenn es nicht die ursprünglichen Empfängerder Überweisungen — die Haushalte — sind, die diese Investitionentätigen34. Dazu dürften sie aufgrund fehlender Erfahrung auch nichtin der Lage sein. Die nützlichen Auswirkungen hängen jedoch vonden Verhältnissen ab, und in keiner der vielen pessimistischen Län-derfallstudien über die Auswirkungen der Emigration „wird auf Län-der verwiesen, die Modelle für ein gesundes makroökonomischesManagement oder eine wachstumsorientierte Entwicklungspolitiksind“35. Wie bei jeder anderen in diesem Band erörterten Frage spie-len auch hier grundsatzpolitische Entscheidungen eine Rolle.

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Wie im Bereich der Migration wird durch weitaus mehr Faktorenals die Marktkräfte bestimmt, wie sich die Anpassung der europäi-schen Arbeitsmärkte an die IKT vollzieht. Aufgrund der Tradition dessozialen Dialogs in vielen europäischen Ländern werden die Trans-formationen, die sich derzeit in der Welt der Arbeit vollziehen, durchVerhandlungen und Kompromisse geprägt werden. Indessen ist fest-zuhalten, daß die Organisierung und Vertretung von Arbeitgebernund Arbeitnehmern in Übereinstimmung mit Vereinbarungen, Institu-tionen, Gesetzen und Praktiken erfolgt, die ihre Wurzeln in der frühe-

32 Weltbank, a.a.O.33 J.E. Taylor et al.: „International migration and community development“, in

Population Index, Princeton, Princeton University, Bd. 62, Nr. 3, 1996, S. 411.34 Taylor: „The new economics ... “, a.a.O., S. 65.35 Taylor et al.: „International migration and national development“, in Popula-

tion Index, Bd. 62, Nr. 2, 1996, S. 203.

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ren Arbeits- und Produktionsorganisation haben. Daher dürfte es er-forderlich sein, daß Verbände der Arbeitnehmer und der Arbeitgebersowie deren Interaktionen sowohl untereinander als auch mit ihrenjeweiligen Mitgliedern an die neue Wissensökonomie angepaßt wer-den. Weiter unten wird erklärt, daß die IKT diesen Verbänden selbstneue Möglichkeiten bietet. Sollen die Probleme der zunehmendenUngleichheit, des Zugangs zu Möglichkeiten des lebenslangen Ler-nens und der anhaltenden Notwendigkeit eines sozialen Schutzes inwirksamer und fairer Weise angegangen werden, so dürften aufgrundder durch die IKT hervorgerufenen vielfältigen und bis jetzt unbe-stimmten Transformationen der Arbeit Sozialpolitiken und Einrich-tungen für einen Dialog sogar noch notwendiger sein.

In der Europäischen Union war die Vorbereitung auf die Informa-tionsgesellschaft Gegenstand ausführlicher politischer Dialoge undDebatten während eines Großteils der neunziger Jahre36. Im Dezem-ber 1999 initiierte die Kommission die Initiative: „eEurope — EineInformationsgesellschaft für alle“, die darauf abzielt, durch „die Schaf-fung eines digitalen mündigen Europas jeden Bürger, jeden Haushalt,jede Schule, jedes Unternehmen und jede Verwaltung ins digitaleZeitalter und an das Netz zu führen“37. Diese und damit in Zusam-menhang stehende Ziele wurden auf der Sondertagung des Europäi-schen Rates in Lissabon im März 2000 erneut genannt, wobei dasHauptziel die „Vereinbarung eines neuen strategischen Ziels“ war,„um die Beschäftigung, die Wirtschaftsreform und den sozialen Zu-sammenhalt als Teil einer wissensbasierten Ökonomie zu verbessern“38.

36 Auf dem „Beschäftigungsgipfel“ in Luxemburg im November 1997 erörtertendie Staats- und Regierungschefs der EU das Beschäftigungspotential der IKT undbaten die Europäische Kommission um eine Untersuchung dieser Frage. Das Ergeb-nis war ein Bericht der Kommission, Beschäftigungsmöglichkeiten in der Informati-onsgesellschaft, der 1998 veröffentlicht wurde (KOM (1998) 590 endg.). Danach wurdeeine hochrangige Gruppe eingerichtet, in der die Mitgliedstaaten der EU Informatio-nen über ihre Strategien für die Informationsgesellschaft austauschten. Im Jahr 1999nahmen die Mitgliedstaaten im Rahmen der europäischen BeschäftigungsstrategieAktionen zur Informationsgesellschaft in ihre nationalen Aktionspläne auf. Von derErmittlung von Beschäftigungsmöglichkeiten ist die Kommission nun zu weiterenMaßnahmen übergegangen mit einem Bericht über Strategien für Beschäftigung inder Informationsgesellschaft, der im Jahr 2000 veröffentlicht worden ist, und schließ-lich, zum Zeitpunkt der Abfassung des vorliegenden Berichts, mit dem Entwurf einesAktionsplans für den Europäischen Rat im Juni 2000, „eEurope 2002: Eine Informati-onsgesellschaft für alle“.

37 Europäische Kommission: „eEurope: Prodi startet die Initiative ,eEurope’, umdie Umstellung Europas auf die Informationsgesellschaft zu beschleunigen“, Presse-mitteilung, IP/99/953, Brüssel, 8. Dez. 1999.

38 Schlußfolgerungen des Vorsitzes, Europäischer Rat (Lissabon), a.a.O.

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Diese Initiativen führten zum Entwurf des Aktionsplans für „eEuro-pe 2002: Eine Informationsgesellschaft für alle“, der vom Europäi-schen Rat auf seiner Tagung in Feira im Juni 2000 gebilligt wurde.Dieser Aktionsplan ist sowohl ehrgeizig als auch umfassend und stellteine Folgemaßnahme zu dem auf dem Gipfel von Lissabon festgeleg-ten Ziel dar, nämlich daß die EU „die wettbewerbsstärkste und dyna-mischste Wirtschaft der Welt werden soll“. Dieser Aktionsplan enthälteine Reihe von Zielen und zeitlichen Vorgaben; so soll u.a. sicherge-stellt werden, daß bis Ende 2001 jede Schule in der EU ans Internetund an Multimedia angeschlossen ist.

Auch andere europäische Länder haben der Anpassung an dieInformationsgesellschaft Vorrang eingeräumt. So initiierte beispiels-weise 1998 die rumänische Regierung ihre Nationale Strategie für dieInformatisierung und rasche Verwirklichung der Informationsgesell-schaft39. Estland hat einen besonders aktiven Ansatz beim Anschlußder Schulen an das Internet verfolgt. Der Plan mit dem Namen „Tiger-sprung“ hatte zur Folge, daß 25 Prozent der Schulen 1997 ans Inter-net angeschlossen waren, und bis Mai 2000 hatten über 70 Prozentder Schulen direkten Zugang. Estland hat mehr Internet-Hosts pro10.000 Einwohner als jedes andere Land in Mittel- und Osteuropa mitAusnahme von Slowenien40. Ungarn hat 1996 einen ähnlichen Planmit der Bezeichnung „Schule-Netz“ in Angriff genommen. Ferner hatUngarn einen „Staatlichen Ausschuß für Informations- und Telekom-munikationstechnologie“ eingesetzt und eine „Nationale Informatik-strategie“ ins Leben gerufen41, während Litauen ein Ministerium fürKommunikation und Informatik geschaffen hat.

Auch in die Strategien der Verbände der Arbeitgeber und der Ar-beitnehmer sind Planungen für die Wissensökonomie aufgenommenworden. Weiter unten wird gezeigt, wie sich die Sozialpartner an denWandel anpassen.

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Einer der zentralen Bereiche, in denen die europäischen Gewerk-schaften sich darum bemüht haben, Einfluß auf die grundsatzpoliti-sche Debatte zu nehmen, betrifft die Frage des Zugangs, da Unter-schiede in diesem Bereich Ungleichheiten verstärken und zu sozialerAusgrenzung führen. Im Rahmen des „Aktionsplans eEurope“ der

39 Europäische Kommission: Status report, a.a.O., S. 97.40 UNESCO, a.a.O., S. 232-233.41 Ebd., S. 239.

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Europäischen Kommission haben der Europäische Gewerkschaftsbund(EGB) und der europäische Zweig der neugegründeten Union Net-work International (UNI-Europa) gewerkschaftliche Bedarfspositio-nen formuliert. Einige der wichtigsten Elemente der Positionen vonUNI-Europa sind im Kasten aufgeführt. Ein Schwerpunkt ist dabei dieNotwendigkeit, daß Arbeitnehmern, die andernfalls vom Wachstumder Informationsgesellschaft ausgeschlossen wären, etwa älteren Ar-beitnehmern, Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten werden.

Für Wachstum, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Verhü-tung von Ungleichheiten oder Marginalisierung ist es von grundle-gender Bedeutung, daß die offensichtlich bestehenden Qualifikati-onsdefizite angegangen werden. In Deutschland wird sich ein vonder IG Metall und dem Verband der IT-Industrie im Rahmen des Bünd-nisses für Arbeit eingerichtetes genossenschaftliches Programm mitden strukturellen Problemen befassen, die den Qualifikationsdefizi-ten zugrunde liegen und diesbezügliche Empfehlungen vorlegen42.Inzwischen hat das von den Sozialpartnern konzipierte deutsche Be-rufsbildungssystem in den letzten zwei Jahren verschiedene neueberufliche Ausbildungskategorien geschaffen, um neue grundlegen-de IKT-Qualifikationen bereitzustellen.

42 U. Klotz: „The challenges of the new economy“, in Gewerkschaftliche Mo-natshefte, 10, 1999.

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Wie bereits dargestellt, bestand ein Ansatz zur Bewältigung der inDeutschland vorhandenen Qualifikationsdefizite darin, durch die Er-teilung von befristeten Arbeitsgenehmigungen die Arbeitsmigrationzu fördern. Die deutschen Gewerkschaften legten großes Gewichtdarauf, daß diese Migration nicht als Ersatz für die Ausbildung deut-scher Arbeitnehmer angesehen wird. Gleichzeitig mit der Einführungder „Green-Card-Initiative“ wurde im Mai 2000 in dreigliedrigen Ge-sprächen außerdem vereinbart, daß die Industrie die Anzahl der IKT-Ausbildungsplätze von etwa 40.000 im Jahr 2000 bis 2003 auf 60.000anhebt, daß die innerbetriebliche Ausbildung zur Verbesserung derInternet-Kompetenz der vorhandenen Mitarbeiter, einschließlich älte-rer Mitarbeiter, intensiviert wird und daß stärkere Anstrengungenunternommen werden, um junge Menschen für IKT-Tätigkeiten zuinteressieren und den Anteil von Frauen in diesem Bereich zu erhö-hen.

Ein großer Teil des IKT-Beschäftigungswachstums entfällt auf Call-Center, in denen Dienstleistungen oder Informationen per Telefonbereitgestellt werden. Dabei handelt es sich um Tätigkeiten mit ei-nem besonders hohen Frauenanteil. Im Rahmen eines von der Euro-päischen Kommission unterstützten Projekts erarbeitet UNI-Europazusammen mit der Föderation der europäischen Direktmarketing-Unternehmen (FEDMA) gemeinsame Ausbildungsnormen und -qua-lifikationen für die Beschäftigten von Call-Centern. Im Rahmen desProjekts wird auch die Möglichkeit der Ausbildung dieser Arbeitneh-mer durch PC-gestützten Fernunterricht untersucht43. Ein weiteres Bei-spiel ist die britische Gewerkschaft des öffentlichen Sektors, Unison,die 39 Ausbilder beschäftigt. Diese hohe Anzahl von Mitarbeitern, dieQualifikationsaufgaben wahrnehmen, zeigt, welch hohe Priorität dieGewerkschaft Ausbildungsmaßnahmen für den Bereich der IKT-Wirt-schaft beimißt.

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Die Aussicht, daß künftig Qualifikationen rascher an Bedeutungverlieren und die Beschäftigungszeiten bei einzelnen Unternehmenimmer kürzer werden, während Arbeitnehmer häufiger auf externenArbeitsmärkten eine neue Stelle suchen, macht deutlich, daß es not-wendig ist, die Beschäftigungsfähigkeit zu sichern. Im Juni 2000 ver-

43 Union Network International (UNI): „Call centres qualification and trainingproject“, http://www.union-network.org/unisite/events/campaigns/call_centres.htm(20. Juli 2000) [besucht am 13. Sept. 2000].

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abschiedete die 88. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz eineEntschließung über die Ausbildung und Entwicklung der Humanres-sourcen, in der die Bedeutung der Beschäftigungsfähigkeit und deslebenslangen Lernens im Kontext des raschen technologischen Wan-dels besonders hervorgehoben wurde. Betont wurde auch, daß dieIKT die Möglichkeit bietet, „den Zugang zu einer qualitativ hochwer-tigen Bildung und Ausbildung grundlegend zu verändern. ... Ländersollten ihre Investitionen in die Infrastruktur, die für die Verwendungvon IKT im Bildungsbereich erforderlich ist, in Ausbildungshard- und-software und in die Ausbildung von Lehrern und Ausbildern verstär-ken.“ Ferner hieß es in der Entschließung: „Unternehmen könnenIKT-Einrichtungen oder Hilfsprogramme anbieten — für Arbeitneh-mer, damit sie IKT zu Hause oder allgemein nutzen können, und fürSchulen oder andere Ausbildungsanbieter, um die Verbreitung vonIKT-Qualifikationen und den gesellschaftlichen Zugang dazu zu för-dern44.“ Ähnliche Empfehlungen wurden auf der im April 2000 veran-stalteten Paritätischen Tagung der IAO über lebenslanges Lernen im21. Jahrhundert: Die sich wandelnde Rolle des Personals im Bildungs-wesen ausgesprochen. Unter anderem sprachen sich die Schlußfolge-rungen der Tagung nachdrücklich für die Förderung des Fernunter-richts aus, unter vorrangiger Berücksichtigung benachteiligter undländlicher Gebiete45.

In den Niederlanden werden im Einklang mit den Empfehlungendes Wirtschafts- und Sozialrats zunehmend Gesamtarbeitsverträge überdie Beschäftigungsfähigkeit abgeschlossen. So haben beispielsweiseArbeitnehmer in der Textilindustrie ein garantiertes Recht auf Ausbil-dung. Die Unternehmen entwerfen in Absprache mit dem Betriebsrateinen Ausbildungsplan. Geschieht dies nicht, hat jeder Arbeitnehmerdennoch das Recht, jährlich vier Tage inner- oder außerbetrieblicheAusbildung zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit in Anspruchzu nehmen46.

Der Gesamtarbeitsvertrag von Akzo Nobel Niederlande sieht vor,daß Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam für die Beschäftigungs-

44 Entschließung über die Ausbildung und Entwicklung der Humanressourcen,Internationale Arbeitskonferenz, 88. Tagung, 2000, in Von der Internationalen Ar-beitskonferenz auf ihrer 88. Tagung angenommene Entschließungen (IAA, Genf,2000), S. 4.

45 http://www.ilo.org/public/english/dialogue/sector/techmeet/jmep2000/conclude.htm.

46 Europäisches Gewerkschaftsinstitut (EGI): Collective bargaining in Europe1998-1999 (Brüssel, 2000).

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fähigkeit verantwortlich sind. Die Arbeitnehmer haben das Recht, sichvon einem externen Fachinstitut im Hinblick auf ihre Beschäftigungs-fähigkeit beraten zu lassen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, einmalim Jahr mit dem Arbeitnehmer ein Gespräch über seine Beschäfti-gungsfähigkeit und Beschäftigungsmöglichkeiten im externen Arbeits-markt zu führen. Die Überprüfung der Beschäftigungsfähigkeit älte-rer Arbeitnehmer ist ein ausdrückliches Merkmal der Vereinbarung47.

Das Bewußtsein für die Bedeutung des lebenslangen Lernensnimmt zu. In Irland wird das Konzept des lebenslangen Lernens amArbeitsplatz im Rahmen der vierten nationalen dreigliedrigen Partner-schaftsvereinbarung, Partnerschaft 2000, gefördert48. Im ParitätischenAusschuß für Telekommunikation der EU haben die Sozialpartner dieAnsicht vertreten, „daß die Frage des lebenslangen Lernens eine not-wendige Bedingung für den Erfolg der europäischen Wirtschaft ist“,und daß es „die Hauptaufgaben des Bildungssystems sind, die Men-schen zu lehren, wie man lernen muß, sie für weiteres Lernen zubegeistern und sie zu lehren, neue Technologien nicht zu fürchten“49.In dem von der EU im Juni 2000 angenommenen Aktionsplan werdendie Sozialpartner aufgefordert, bis Ende 2002 allen Arbeitnehmern Ge-legenheit zu geben, durch lebenslanges Lernen digitaltechnisch befä-higt zu werden, die Anzahl der IT-Ausbildungsplätze und -lehrgänge inFirmen und Bildungseinrichtungen erheblich zu erhöhen und ein Netzvon Lern- und Ausbildungszentren für die nachfrageorientierte Aus-und Weiterbildung von Hochschulabsolventen zu fördern.

Beschäftigungsfähigkeit und der sich wandelnde Charakter derAusbildungserfordernisse sind Fragen, denen noch nicht überall inEuropa die richtige Bedeutung beigemessen wird. So zeigen beispiels-weise Erhebungsergebnisse aus der Slowakei, daß die Aus- und Wei-terbildung unter zwölf Kollektivverhandlungsgegenständen hinterFragen wie Löhnen und Arbeitszeiten an elfter Stelle steht50.

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Den neuen Chancen der Wissensgesellschaft stehen auch neueHerausforderungen gegenüber, beispielsweise die Gewährleistung der

47 Ebd.48 Ebd.49 Paritätischer Ausschuß für Telekommunikation der Europäischen Kommissi-

on: Joint opinion on the European Commission Green Paper, „Partnership for a neworganization of work“, 9. Febr. 2000.

50 EGI, a.a.O.

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Stärke der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände. Angesichts derUnterschiedlichkeit und Individualisierung der Beschäftigungsverhält-nisse stehen Gewerkschaften vor der Herausforderung, ihren Mitglie-derstand aufrechtzuerhalten und ihre Dienste neu zu definieren. Dochnicht nur die Beschäftigungsverhältnisse, auch die Unternehmen wer-den immer vielfältiger. Immer neue Arten von Firmen entstehen, undes gibt immer mehr Start-ups, von denen viele nur im virtuellen Raumdes Internets existieren. Ein Vertreter des Schwedischen Arbeitgeber-verbands (SAF) hat hierzu kürzlich folgendes festgestellt: „Die neuenArten von Unternehmen, die im Bereich der Informationstechnolo-gie, der Informationsdienste und der Bereitstellung von Datendien-sten tätig sind, beschäftigen Menschen, die nur ein geringes Interessedaran haben, einer Gewerkschaft anzugehören. Auch der Arbeitge-ber ist nur selten daran interessiert, einem Arbeitgeberverband beizu-treten51.“ Dies ist zwar in einigen Fällen richtig, es ist jedoch keines-wegs immer so, denn Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände be-mühen sich um die Konzeption und Anwendung von Strategien, umden besonderen neuen Bedürfnissen der Arbeitnehmer und der Ar-beitgeber in diesen Branchen Rechnung zu tragen. Da kein Zweifeldaran besteht, daß derartige Bedürfnisse existieren, erscheinen diesenachfolgend dargestellten Strategien erfolgversprechend.

Gewerkschaften und Arbeitgebervertreter können nur Dienste fürihre Mitglieder anbieten und neue Mitglieder gewinnen, wenn sie mitihnen kommunizieren können. Im März 1998 initiierte der inzwischenumbenannte Internationale Bund der Privatangestellten (FIET) dieKampagne „Online-Rechte für Online-Arbeitnehmer“. Seither wurdeneine Reihe von Gesamtarbeitsverträgen unterzeichnet, beispielsweisemit der deutschen Postbehörde und verschiedenen europäischenTochtergesellschaften von Digital. Nationale Verbände, etwa die Ge-werkschaft für den Fertigungs-, Wissenschafts- und Finanzsektor (MSF)im Vereinigten Königreich, haben die Kampagne ebenfalls übernom-men und die FIET-Mustervereinbarung über elektronische Einrich-tungen bei ihren Verhandlungen zugrunde gelegt. Die Kampagne hatfolgende Schwerpunkte: 1) Gewährleistung, daß Arbeitnehmer, Ge-werkschaften und Betriebsräte sowie Telearbeitskräfte, die sonst vonder Informationsübertragung ausgeschlossen wären, Zugang zu be-triebseigenen E-Mail-Systemen haben; 2) das Recht der Arbeitnehmerauf freien Zugang zum Internet (und zu betriebsinternen Intranets),damit sie Zugriff auf gewerkschaftliche Websites und andere für ihre

51 Report of the ILO International Symposium on the Future of Employers’ Orga-nizations, Genf, IAA, Apr. 1999, S. 13.

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Rechte relevante Informationen haben; 3) keine elektronische Über-wachung der Arbeitnehmer-E-Mails oder der von Arbeitnehmern be-suchten Websites.

Am 6. April 2000 unterzeichnete UNI mit dem wichtigsten spani-schen multinationalen Unternehmen in der Telekommunikationsin-dustrie, Grupo Telefónica, eine Vereinbarung, in der sich das Unter-nehmen verpflichtet, die IAO-Übereinkommen über Vereinigungsfrei-heit und gewerkschaftliche Rechte einzuhalten und „Gewerkschaftenanzuerkennen und mit ihnen Verhandlungen zu führen, wo immersie in ihren rasch expandierenden globalen Tätigkeiten existieren“52.(In der Vereinbarung wird auch die Frage des Zugangs behandelt,und die Parteien verpflichten sich zur Nutzung von Telekommunika-tionsdiensten, die erschwinglich und universell zugänglich sind.) Eshandelt sich hierbei um eine kollektivvertragliche Vereinbarung miteiner bisher unerreichten globalen Reichweite.

Die MOEL verfügen über qualifizierte Arbeitskräfte, und die Pro-duktionskosten sind niedriger als im Westen — die Produktionsko-sten von Software liegen beispielsweise in Rumänien 40 Prozent nied-riger53. Sie gewinnen daher im Hinblick auf die Verlagerung von digi-talen Arbeiten zunehmend an Attraktivität. Zwar ist die Schaffung vonArbeitsplätzen als solche positiv, UNI arbeitet jedoch mit MOEL-Ge-werkschaften zusammen, um sicherzustellen, daß die Vereinigungs-rechte der Arbeitnehmer gewahrt bleiben. Nachfolgend werden inno-vative Methoden erörtert, um die Probleme der Vereinigung und Ver-tretung anzugehen.

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In Anbetracht des Wettbewerbsdrucks und der sich durch die IKTergebenden Flexibilisierungsmöglichkeiten könnte man zu der Schluß-folgerung gelangen, daß kollektive, standardisierte Lösungen nichtmehr möglich sind. Dies ist jedoch keineswegs der Fall. Zwar hat sichgezeigt, daß einige Elemente der Standardisierung nicht mehr mög-lich sind, für eine bessere betriebliche und individuelle Arbeitneh-merflexibilität stehen jedoch noch immer Kollektivverhandlungslö-sungen zur Verfügung54. Zwar sind Verhandlungen über Fragen der

52 „Telefónica and UNI sign up on union rights“, Pressemitteilung über die Ta-gung des Exekutivausschusses von UNI Europa, Lissabon, 13.-14. Apr. 2000.

53 Bran, a.a.O.54 M. Ozaki (Hrsg.): Negotiating flexibility: The role of the social partners and the

State (Genf, IAA, 1999).

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Flexibilität nichts Neues, sie gewinnen jedoch mit zunehmender Ver-breitung von IKT im Hinblick auf eine veränderte Arbeitsorganisationund die Wünsche einzelner Arbeitnehmer immer mehr an Bedeu-tung. Ein jüngstes Beispiel hierfür sind die im April 1999 in den Nie-derlanden auf nationaler Ebene geführten Verhandlungen des Wirt-schafts- und Sozialrates, deren Ergebnis eine Stellungnahme war, diefolgenden Titel trug: „Auf dem Weg zu individuellen Arbeitsbedin-gungen: Mehr Optionen für Arbeitnehmer bei der Gestaltung vonArbeitsbedingungen“55. Die Stellungnahme spricht sich dafür aus, daßdie Parteien von Gesamtarbeitsverträgen das „Multiple-choice-Modell“in ihre Vereinbarungen aufnehmen, damit Arbeitsbedingungen bes-ser an die Wünsche einzelner Arbeitnehmer angepaßt werden kön-nen. Ein ähnlicher Ansatz wird in Dänemark verfolgt56, wo die 37stün-dige Arbeitswoche in Vereinbarungen zwar weiterhin als Norm gilt,bei der Anwendung dieser Regel auf einzelne Arbeitnehmer undwährend einzelner Zeiträume kann jedoch von der Norm abgewi-chen werden. Kollektive Ansätze, die eine größere Vielfalt von Ar-beitszeiten und Arbeitsbedingungen ermöglichen, können nützlichsein, um Verhandlungsstrukturen aufrechtzuerhalten, wenn Betriebeunter Druck stehen, aus solchen Strukturen auszuscheren.

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Zahlreiche Gesamtarbeitsverträge haben sich mit Telearbeit be-faßt. Zwar kann die Telearbeit die Arbeitnehmerwohlfahrt verbes-sern und zu einem besseren Gleichgewicht von beruflichen undfamiliären Anforderungen beitragen, sie kann die Arbeitsbedingun-gen jedoch auch verschlechtern, etwa durch Isolation oder den Aus-schluß von beruflichen Chancen, schlechte vertragliche Bedingun-gen oder eine nicht erwünschte Umwandlung des Arbeitnehmersta-tus in den Status eines selbständig Erwerbstätigen, und sie kannsogar zu einer „Selbstausbeutung“ an einem Ort — dem eigenenHeim — führen, wo die üblichen Regelungen keine Anwendungfinden. Die selbständige Erwerbstätigkeit wird zwar oft freiwilligausgeübt, dies ist jedoch nicht immer der Fall. In einigen Ländern,beispielsweise in Slowenien, werden Heimarbeiter als selbständigErwerbstätige behandelt, so daß sie nicht dem grundlegenden Ar-beitsrecht unterliegen. Die Telearbeit kann in einem solchen Fall zueinem lückenhaften sozialen Schutz führen. In einer neuen Veröf-fentlichung des IAA wird jedoch gezeigt, daß es in Europa und an-

55 EGI, a.a.O.56 Ebd.

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derswo einen „Königsweg“ der Telearbeit gibt, und es wird gezeigt,wie er erreicht werden kann57.

Die meisten Vereinbarungen zur Telearbeit zielen darauf ab si-cherzustellen, daß sie völlig freiwillig ist und nicht zu einer Aushöh-lung der Beschäftigungsbedingungen führt, und daß Telearbeiter dasRecht haben, auf Wunsch an den früheren Arbeitsplatz zurückzukeh-ren. Entsprechende Richtlinien zur Telearbeit hat beispielsweise diedänische Regierung nach Beratungen mit den Gewerkschaften undArbeitgeberverbänden herausgegeben. Auch in Irland haben die So-zialpartner Richtlinien zur Telearbeit verfaßt, während die Gewerk-schaften in Österreich Standardverträge für Telearbeit entworfen haben,und die Frage ist in Kollektivverhandlungen aufgegriffen worden58.

Die MOEL verfügen im Bereich digitaler Arbeiten über Standort-vorteile, beispielsweise die traditionell hohen Ausbildungsnormen auftechnischem Gebiet. Als weiterer Vorteil kommen die niedrigen Ar-beitskosten hinzu. „Länder mit einem großen Angebot an Software-spezialisten und vergleichsweise niedrigen Löhnen haben als Ziellän-der für Softwareentwicklung eine sehr starke Marktposition (z.B. dieRussische Föderation, Bulgarien und Rumänien)“59. Diese Arbeitsko-stenvorteile führen angesichts der Leichtigkeit, mit der digitale Arbei-ten verlagert werden können, in Ländern mit höheren Arbeitskostenzur Besorgnis. Die Stärkung von Gewerkschaften ist ein Mittel, umdafür zu sorgen, daß Lohnunterschiede nicht weiter zunehmen. Ausdiesem Grund haben Gewerkschaften und Internationale Berufsse-kretariate wie UNI Gewerkschaften bei der Förderung von Kollektiv-verhandlungen in den MOEL unterstützt. Es wird vermutet, daß diemeisten MOEL gegenwärtig bei der Entwicklung der Telearbeit ge-genüber der EU einen Rückstand von fünf bis zehn Jahren aufweisen.Im Kontext hoher Arbeitslosigkeit sind die Gewerkschaften in Polenbesorgt, daß sich die Nutzung der Telearbeit unter den unfreiwilligselbständig Erwerbstätigen ausbreitet, die dann ohne sozialen Schutzwären60.

MIRTI (Modelle industrieller Beziehungen bei innovativen Telear-beitsprojekten) ist ein von der Europäischen Kommission finanziertesForschungsprojekt. Im Rahmen des Projekts wurde eine umfangrei-

57 Siehe Vittorio Di Martino: The high road to teleworking (Genf, IAA, erscheintdemnächst).

58 Europäische Kommission: Strategien fürBeschäftigung ..., a.a.O., S. 19.59 idem: Status report, a.a.O., S. 49.60 Ebd., S. 97.

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che Datenbank mit Fallstudien und Gesamtarbeitsverträgen überTelearbeit angelegt. In dem von der EU im Juni 2000 angenommenenAktionsplan werden die Sozialpartner aufgefordert, am Arbeitsplatzmehr Flexibilität zu unterstützen, u.a. durch Telearbeit, gegebenen-falls durch von den Mitgliedstaaten geförderte Vereinbarungen, diebis Ende des Jahres 2000 abzuschließen sind.

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Neue Arbeitsformen und Arbeitsvorkehrungen führen oft zu we-sentlich größerer Arbeitszufriedenheit, da sie mehr Selbständigkeitinnerhalb der Gruppe, Kreativität und die Anwendung vielfältigererKenntnisse ermöglichen. Es gibt jedoch noch andere mögliche Resul-tate. So gibt es verschiedene neue Bedenken hinsichtlich einer Ver-schlechterung der Arbeitsbedingungen durch den technologischenWandel. Wie bereits festgestellt, ermöglicht die IKT relativ leicht Ein-griffe in die Arbeitnehmerprivatsphäre. UNI bemüht sich mit seinerKampagne „Online-Rechte für Online-Arbeitnehmer“ (und der Muster-vereinbarung über elektronische Einrichtungen), die Arbeitgeber-Überwachung von E-Mails und der Nutzung des Internets zu unter-binden. Es gibt Software, die es ermöglicht, E-Mails nach beliebigenKriterien zu sortieren und zu durchsuchen. In der Kampagne wirdanerkannt, daß Einschränkungen der privaten Nutzung von E-Mailund des Internets sinnvoll sind. Darüber hinaus sind Überwachungs-maßnahmen des Arbeitgebers unter bestimmten Umständen gestat-tet, dabei ist jedoch die Anwesenheit eines Arbeitnehmervertreterserforderlich.

Die elektronische Überwachung muß jedoch nicht allein einen Ein-griff in die Privatsphäre darstellen; Computer ermöglichen auch einepräzise Echtzeitkontrolle der Arbeitnehmerleistung. So ist es beispiels-weise in Call-Centern ohne weiteres möglich, die Produktivität an derLänge der einzelnen Telefongespräche zu bestimmen. Dies allein kannfür den Arbeitnehmer unabhängig von der Laune und dem verbalenVerhalten des Kunden am anderen Ende der Leitung ein Streßfaktorsein. Die Arbeitsbedingungen in Call-Centern sind offenbar sehr unter-schiedlich. Zwar bieten viele ein gutes Arbeitsklima, dies ist jedochnicht immer der Fall. In Zusammenarbeit mit der Mehrheit der Call-Center-Arbeitgeber haben die schottischen Gewerkschaften einen Ver-haltenskodex mit dem Ziel ausgearbeitet, in diesem Industriezweig inSchottland menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu schaffen.

Die Internationale Union der Lebensmittel-, Landwirtschafts-, Hotel-,Restaurant-, Café- und Genußmittelarbeiter-Gewerkschaften (IUL)

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weist noch auf eine weitere Folge der Überwachung hin: „Für Auf-sichts- und Kontrollzwecke angewandte neue Technologien vermin-dern die sozialen Kontakte zwischen Arbeitnehmern am Arbeitsplatz,wodurch wiederum die Tätigkeiten von Gewerkschaften und die Mög-lichkeiten der Arbeitnehmer, sich in gewerkschaftsfreien Betriebenzu organisieren, eingeschränkt werden61.“ Streß entsteht im Zusam-menhang mit der Kontrolle der Arbeitsgeschwindigkeit und in eini-gen Fällen aufgrund der zunehmend schwierigen Unterscheidungzwischen Arbeits- und Freizeit. Eine der Ursachen ist „die Schwierig-keit, manchmal auch Unmöglichkeit, mehreren, sich widersprechen-den Anforderungen Rechnung zu tragen... Die Anwendung vielfälti-ger Fertigkeiten und flexible Arbeitsstrukturen, in denen einzelne undGruppen eine Handlungsrangordnung festlegen müssen, wirken nichtimmer stimulierend62.“ Zwar spielt eine frühere Generation gesund-heitsrelevanter Technologiefragen, beispielsweise die Verwendung vonBildschirmgeräten (VDU), bei Kollektivverhandlungen noch immereine Rolle, jetzt sind jedoch auch durch Streß verursachte Gesund-heitsprobleme ein Anliegen, für das Lösungen gefunden werdenmüssen. In den Niederlanden beispielsweise befassen sich Gewerk-schaften jetzt mit der Streß-Frage im Hinblick auf künftige Kollektiv-verhandlungen63.

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Auf der Website des Beratenden Ausschusses der Wirtschaft beider OECD (BIAC) (www.biac.org) kann man sich einen genauenÜberblick über die grundsatzpolitischen Auffassungen der Arbeitge-ber der führenden Industrieländer zu praktisch jeder bedeutendensozialen, wirtschaftlichen, technologischen und politischen Frage ver-schaffen. Die BIAC-Mitglieder selbst können sogar noch mehr Dien-ste in Anspruch nehmen, die interaktiv gestaltet sind, um besondereBedürfnisse zu erfüllen. Diese Tatsache verdeutlicht einen für dieArbeitgeberverbände sehr wichtige neue Realität: Die Bereitstellungvon Informationen ist der wichtigste Dienst, den sie ihren Mitgliedernanbieten können, und das Internet ist in diesem Zusammenhang zu

61 Internationale Union der Lebensmittel-, Landwirtschafts-, Hotel-, Restaurant-,Café- und Genußmittel-Gewerkschaften (IUL): „New technologies in the HRCT sector“,http://www.iuf.org/iuf/hrct/19%2D09.htm [besucht am 12. Sept. 2000].

62 S. Pursey: „Social dynamics of the inter-active age“, Präsentation auf demSiemens/Deutsche Bank-Workshop, Düsseldorf, 1. Apr. 2000, S. 3.

63 EGI, a.a.O.

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einem äußerst wichtigen Werkzeug geworden. Dadurch, daß Arbeit-geberverbände für ihre Mitglieder zu „Informationsmittlern“ oder „Such-maschinen“ werden, können sie ihre Wissensgrundlagen erheblicherweitern, was sie wiederum in die Lage versetzt, ihren Mitgliedernindividuelle Informationslösungen anzubieten.

Die Internationale Arbeitgeber-Organisation (IOE) nutzt das In-ternet als zusätzliches Mittel, um ihre Beziehungen zu angeschlosse-nen Arbeitgeberverbänden weltweit zu stärken und um Nichtmitglie-der zu erreichen. Auf der Website der IOE kann man sich leicht einenÜberblick über die Positionen der Arbeitgeber zu verschiedenen grund-satzpolitischen Fragen verschaffen, und die IOE selbst unternimmtverstärkte Bemühungen, zu einer elektronischen Publikation von Ver-öffentlichungen überzugehen. Ihre wichtigste Zeitschrift steht jetztauch online zur Verfügung — IOE.net. Die Tatsache, daß immer mehrMitglieder der IOE sich die Veröffentlichung nicht mehr per Fax über-mitteln lassen, sondern sie elektronisch abrufen, zeigt, daß sie zuneh-mend an das Internet angeschlossen sind. Die IOE wird von denangeschlossenen Verbänden häufig um Rat und Unterstützung gebe-ten im Zusammenhang mit Strategien zur Gestaltung bzw. Verbesse-rung ihres Internet-Auftritts und zu den Diensten, die sich so leichtererbringen lassen64.

Die Vorteile, die sich aus der Integration der IKT in die Neudefini-tion und Erbringung ihrer Dienste für Arbeitgeberverbände ergeben,wurden 1999 auf einem Internationalen Symposium über die Zukunftder Arbeitgeberverbände wie folgt dargestellt: „Das von Arbeitgebernbenötigte Wissen gehört zu den wichtigsten Produkten, die eine Ar-beitgeberorganisation ihren Mitgliedern zur Verfügung stellen kann“.Angesichts der Entwicklung der Informationstechnologie und derexplosionsartig zunehmenden Fülle von Informationen ist das Wis-sensmanagement ein neuer Dienstleistungsbereich, der Arbeitgeber-organisationen ein großes Potential bietet. Die Herausforderung be-steht darin, die Informationen so zu verpacken, daß sie für Unterneh-men von unmittelbarem Nutzen sind. Arbeitgeberverbände solltengegenüber anderen in diesem Bereich in einer vorteilhaften Positionsein, da sie in der Lage sind, für Mitglieder und potentielle Mitglieder,darunter auch ausländische Investoren, Arbeitsmarktinformationen zusammeln, zu analysieren und zusammenzufassen. Durch die Zusam-menarbeit mit Arbeitgeberverbänden in anderen Ländern und die

64 Informationen über die Tätigkeit der IOE aus einem telefonisch geführtenInterview mit Brent Wilson von der IOE, 17. Aug. 2000.

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Nutzung ihrer internationalen Netze können sie für ihre eigenen In-formationsdienste einen erheblichen Mehrwert schaffen65 — dies istein weiteres Beispiel dafür, wie sich Wissensgrundlagen erweiternlassen.

Die potentielle Verwendung von IKT als Werkzeug entsprichtdurchaus den Bedürfnissen, die weitgehend unabhängig von denTechnologien entstanden sind. So wurde beispielsweise von einemTeilnehmer des IAO-Symposiums folgendes festgestellt: „Die Mitglie-der sind nicht mehr eine gleichförmige Masse; Mitglieder müssen alsIndividuen behandelt werden, und die Beziehung zwischen jedemeinzelnen Mitglied und dem Arbeitgeberverband muß sorgfältig ge-pflegt werden66. Es gibt Anzeichen dafür, daß das Internet und Intra-nets Arbeitgeberverbände in die Lage versetzen, diesen neuen Be-dürfnissen Rechnung zu tragen. So nutzt beispielsweise derSchwedische Arbeitgeberverband (SAF) die Netzwerkmöglichkeitender IKT nicht nur, um zur Berücksichtigung individueller Bedürfnisseder Mitglieder — etwa die wachsende Nachfrage nach Wissensmana-gement — seine eigenen Wissensgrundlagen zu erweitern, sondernauch, um Prognosen aufzustellen und zukünftige Bedürfnisse der un-terschiedlichen Mitgliederschaft zu antizipieren. Wenn die Bereitstel-lung von Informationen zu einem der wichtigsten Dienste wird, ist esein entscheidender Vorteil, wenn man als erster Zugang zu diesenInformationen hat. Der Neuseeländische Arbeitgeberverband (NZEF)und die nationale Handelskammer des Landes haben eine Privatfirmagegründet, um die Regierung mit vollständigen Informationen überdie Wirtschaft zu versorgen. Der Aufbau eines Netzwerks hat denfranzösischen Arbeitgeberverband, Bewegung der französischen Un-ternehmen (MEDEF), in die Lage versetzt, gegenüber dem Prozeß derPolitikgestaltung der Regierung eine stärker vorausschauende undproaktivere Haltung einzunehmen und unter seinen angeschlossenenVerbänden für einen stärker interaktiv ausgerichteten Arbeitsstil zusorgen.

Eine wesentliche Rolle von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerver-bänden besteht natürlich darin, sich im Hinblick auf wichtige, dieMitglieder betreffende Fragen am Prozeß der Politikgestaltung zubeteiligen. Eine solche Frage ist das Wachstum des E-Commerce. Derbulgarische Arbeitgeberverband hat die Gesetzgebung über elektro-nische Unterschriftsrechte maßgeblich (und erfolgreich) mitgestaltet,

65 Report of the ILO International Symposium ..., a.a.O., S. 28.66 Ebd., S. 21.

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wobei es sich um eine für das Wachstum von E-Commerce unterBedingungen der Transparenz und der Transaktionssicherheit undfür die Arbeitsplätze, die durch die noch einzurichtenden neuen Ge-schäftsmodelle entstehen, unabdingbare Regelung handelt67.

Es ist zweifellos möglich, die IKT zu nutzen, um Arbeitgeber- undArbeitnehmerverbände zu revitalisieren. Dies ist jedoch auch, wie infrüheren Passagen dieses Berichts gezeigt wurde, eine Notwendig-keit, da die Informationsgesellschaft eine Reihe von Bedenken hin-sichtlich der Rechte und des Schutzes von Arbeitnehmern mit sichbringt. Im Zuge der möglicherweise dramatischen Veränderungen imWesen der Arbeit und im Arbeitsmarkt erhöht sich unter Umständender Bedarf der Arbeitnehmer an Vertretung und an einem Dialog mitden Arbeitgebern. Die Dialogmechanismen werden in einem großenTeil Europas auf betrieblicher Ebene festgelegt, während ihre Anwen-dung im Rahmen von Kollektivverhandlungen auf der Ebene des In-dustriezweigs erfolgt. Fragen können somit im Rahmen der zahlrei-chen vorhandenen Strukturen für Arbeitnehmerbeteiligung und Ver-handlungen angegangen werden.

Es gibt jedoch auch Herausforderungen. Arbeitgeberverbändemüssen sich mit Fragen im Zusammenhang mit neuen Arten vonUnternehmensallianzen und dem voraussichtlichen Wachstum vonKleinunternehmen auseinandersetzen. Was die Gewerkschaften be-trifft, so wird es vermutlich immer schwieriger, den zunehmend un-terschiedlichen Arbeitsbedingungen und Arbeitnehmerinteressen imRahmen eines standardisierten Ansatzes von KollektivverhandlungenRechnung zu tragen. Hinzu kommt, daß Arbeitnehmer der Wissens-gesellschaft ebenso wie auch die mehrheitlich weiblichen Beschäftig-ten von Call-Centern sich nur in geringem Maß mit Gewerkschaftenidentifizieren. Die direkteren Kommunikationsmöglichkeiten zwischenArbeitnehmern und Führungskräften in kleinen Betrieben, in denendie Arbeit im übrigen in semi-autonomen Gruppen organisiert ist,können die „Mittler-Rolle“ der Gewerkschaften oder anderer Formender Arbeitnehmervertretung auf betrieblicher Ebene für Arbeitneh-mer weniger relevant erscheinen lassen. Die räumliche Trennung derArbeit vom traditionellen Arbeitsplatz ist eine weitere Herausforde-rung im Bereich der Organisation. Dies gilt nicht nur für einzelneTelearbeiter (deren Status als „Arbeitnehmer“ ohnehin zu dem eines„selbständig Erwerbstätigen“ werden kann), sondern auch für die

67 Informationen über diese Initiative stammen von der IOE. Siehe Anmerkung 64,supra.

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Verlagerung von Organisationseinheiten von städtischen Zentren inGebiete, in denen gewerkschaftliche Traditionen weniger fest veran-kert sind.

Neben der weiterbestehenden Notwendigkeit des Arbeitnehmer-schutzes entstehen auf dem vielfältigen Arbeitsmarkt neue Bedürfnis-se, denen von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden Rechnunggetragen werden könnte. Die IKT bietet nicht nur Arbeitgeberverbän-den, sondern auch Gewerkschaften die Möglichkeit zur Einrichtungneuer Dienste. Europäische Gewerkschaften nutzen Computernetzebereits seit den achtziger Jahren. Durch die zunehmende Verwen-dung des Internets wird die Kommunikation mit den Mitgliedern jetztdirekter und umfassender. Dies bleibt nicht ohne Auswirkungen aufdie Fähigkeit von Gewerkschaften, Solidarität und Unterstützung zumobilisieren. Am Verhandlungstisch stehen jetzt mehr aktuelle Infor-mationen zur Verfügung; außerdem ist es leichter möglich, Solidaritätmit anderen Arbeitnehmern zum Ausdruck zu bringen („Cyber-Streiks“).Das sich durch das Internet bietende „Potential zur Befähigung zurSelbsthilfe“ stärkt den Handlungsspielraum von Gewerkschaften, derbisher durch einen Mangel an Informationen eingeschränkt war. DerWebmaster der Website einer französischen Gewerkschaft beschreibtdiese Veränderung wie folgt: „In einem Unternehmen wie Air France,das etwa 35.000 Mitarbeiter am Boden und 11.000 Flugbegleiter be-schäftigt, kann eine Gewerkschaft bei Nutzung traditioneller Medienim besten Fall alle zwei Wochen Informationen veröffentlichen, wäh-rend es das Internet ermöglicht, neue Informationen sofort weiterzu-geben“68.

Die IKT bietet jedoch auch einzelnen die Möglichkeit, Dienstevon Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbänden direkt in Anspruchzu nehmen. Diese Möglichkeiten haben einige Gewerkschaften ver-anlaßt, gegenüber ihren Mitgliedern einen stärker dienstleistungsori-entierten Ansatz zu verfolgen. In Großbritannien trägt eine im Ge-sundheitssektor tätige Gewerkschaft, das Royal College of Nursing(RCN), den unterschiedlichen individuellen Bedürfnissen ihrer Mit-glieder im Rahmen eines eigenen Call-Centers Rechnung. Analog zuden Arbeitszeiten des Krankenpflegepersonals rund um die Uhr istdas Zentrum täglich 24 Stunden erreichbar. Ein wesentlicher Unter-schied des Call-Center-Ansatzes gegenüber den traditionellen Metho-

68 C. Magne, Webmaster der vom Französischen Demokratischen Gewerkschafts-bund (CFDT) unterhaltenen Site bei der Airfrance, zitiert in „E-trade unions“, inConnectis, 29. Juni 2000, http://www.ft.com/specials/spca62.htm [besucht am 14. Sept.2000].

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den zur Erbringung von Diensten besteht darin, daß die Ersuchen umDienste zahlreicher, direkter und unterschiedlicher sind, so daß Dien-ste stärker individuell zugeschnitten werden können. Unison, die Bri-tische Gewerkschaft des öffentlichen Sektors, hat ebenfalls ein Call-Center eröffnet69.

Die Wahrscheinlichkeit häufigerer Arbeitsplatzwechsel hat eben-falls zur Nachfrage nach neuen Diensten beigetragen, z.B. Informa-tionen über Löhne und Beschäftigungsbedingungen, Rechtsberatung,die Übertragbarkeit von Krankenversicherungsschutz und Renten so-wie Zugang zur Ausbildung. In einigen Branchen, in denen zeitlichbefristete Arbeiten üblich sind, etwa im Baugewerbe, leisten Gewerk-schaften diese Arbeitsmarktvermittlungsdienste bereits seit dem19. Jahrhundert. Was die Arbeitgeberverbände betrifft, so könnte die-ses Modell jetzt eine wiederbelebte Form der gewerkschaftlichen „Re-Intermediation“ oder „Info-Mediation“ der IKT-Arbeitsmärkte darstel-len. Selbstverständlich beschränkt sich das Modell nicht allein aufArbeitgeberverbände. Unternehmen wie Manpower bieten ebenfallssolche Mittlerdienste an. Es ist sogar vorstellbar, daß selbständig Er-werbstätige oder Unternehmer von den Diensten der Arbeitnehmer-verbände in gleichem Maß profitieren wie von denen der Arbeitge-berverbände. Einer der Dienste, die Gewerkschaften traditionell an-geboten haben, der Zugang zur Ausbildung für Gewerkschaftsmit-glieder und Nichtmitglieder, wird zunehmend zu einem der wichtig-sten Dienste. Von Gewerkschaften angebotene Möglichkeiten desFernunterrichts können auf bestimmte Bevölkerungsgruppen, z.B.ältere Arbeitnehmer, ausgerichtet werden. Dies ist keine Theorie: beieiner kürzlich im Internet durchgeführten Suche unter den Stichwor-ten „Gewerkschaften“ und „Fernunterricht“ wurden 1.260 Einträgegefunden70.

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Die vorstehende Diskussion macht deutlich, daß die Auswirkun-gen von IKT aus der Sicht der Arbeitnehmer und ihrer Familien posi-tiv und negativ sein können. Einige der Auswirkungen sind in Berei-chen spürbar, in denen neue Anforderungen des sozialen Schutzesentstehen können. Hier sollte jedoch darauf hingewiesen werden,daß die Systeme des sozialen Schutzes selbst bei der Verwendung

69 A. Bibby: „Trade unions develop call centre operations“, http://www.eclipse.co.uk/pens/bibby/unions.html [besucht am 13. Sept. 2000].

70 Unter http://www.google.com, 18. Sept. 2000.

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von IKT eine Vorreiterrolle gespielt haben, so insbesondere bei derAufzeichnung und Speicherung von Daten und der Berechnung undZahlung von Leistungen. So gesehen hat die IKT zweifellos dazu bei-getragen, die technische Leistungsfähigkeit der für die Verwaltungdes Systeme des sozialen Schutzes verantwortlichen Organisationenzu verbessern, was es ermöglichte, Kosten zu senken und den Nutz-nießern der Systeme rascher und präziser Informationen zur Verfü-gung zu stellen.

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Da die zunehmende Verbreitung der IKT und die Erwartung einesfortgesetzten und raschen technologischen Wandels großen Einflußhaben auf die neuen Strukturen der Schaffung und Vernichtung vonArbeitsplätzen, lautet eine der wichtigsten Fragen, inwieweit die glei-chen technologischen Faktoren einen häufigeren Arbeitsplatzwech-sel und somit eine höhere Fluktuationsarbeitslosigkeit bewirken. Sostieg beispielsweise die Fluktuationsarbeitslosigkeit von lediglich0,6 Prozent im Jahr 1970 bis 1997 auf etwa 1,5 Prozent, was auf denrascheren Wandel in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt zu-rückzuführen ist. Es muß jedoch auch berücksichtigt werden, daß dieIKT nicht nur die Leistungsfähigkeit der Arbeitsvermittlungsdienste,sondern auch die des Arbeitsmarkts insgesamt verbessert. Eine ra-schere und weitreichendere Verbreitung von Informationen über freieStellen kann zwar zur Verringerung der Fluktuationsarbeitslosigkeitbeitragen, es ist jedoch zu befürchten, daß diejenigen, die einen Ar-beitsplatz am dringendsten benötigen, nicht ohne weiteres Zugangzum Internet haben.

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Die IKT hat nicht nur Auswirkungen auf den Tätigkeitsinhalt, son-dern auch auf den Beschäftigungsstatus. Wie bereits festgestellt, machtes die Telearbeit für Arbeitgeber einfacher, Arbeiten auf freiberufli-cher oder selbständig erwerbstätiger Grundlage durchführen zu las-sen. Viele dieser Arbeiten mußten bisher von Beschäftigten des Un-ternehmens in den firmeneigenen Räumlichkeiten durchgeführt wer-den. In einigen Ländern kann der Status des Freiberuflers oder selb-ständig Erwerbstätigen bedeuten, daß die betreffenden Arbeitskräftenur einen geringen oder keinen sozialen Schutz genießen. In ande-ren Ländern kann es bedeuten, daß sie alle Beiträge selbst zahlenmüssen, jedoch in der Regel nur ein begrenztes Spektrum von Lei-stungen in Anspruch nehmen können (so haben sie oft keinen An-

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spruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit oder kurzen Erkrankun-gen). Doch unabhängig von der gesetzlichen Situation in den einzel-nen Ländern befolgen die selbständig Erwerbstätigen die entspre-chenden Bestimmungen stets weniger strikt als Arbeitnehmer. Diesführt nicht nur dazu, daß die Betroffenen keinen ausreichenden so-zialen Schutz genießen, es kann sogar zu einer finanziellen Aushöh-lung der Systeme des sozialen Schutzes führen, was insbesondere derFall ist, wenn die betroffenen Arbeitskräfte relativ jung sind und überein hohes Einkommen verfügen (in der Regel zahlen die Erwerbstäti-gen in diesen Kategorien mehr in das System ein, als sie entnehmen,insbesondere im Fall der Krankenversicherung).

Dies kann auch weitreichende Folgen für die Finanzierung dessozialen Schutzes haben. In Anbetracht dessen, daß die IKT ein ex-plosives Wachstum der Kapitalproduktivität ermöglichen kann, ha-ben einige Kommentatoren vorgeschlagen, die Soziale Sicherheit zueinem größeren Teil aus Kapitaleinkommen zu finanzieren. Gelegent-lich wird dies auch als Mittel gesehen, um der Tendenz entgegenzu-wirken, daß Kapitalbesitzern ein immer höherer Einkommensanteilzufließt. In Anbetracht dessen, daß die Globalisierung die Mobilitätdes Kapitals verbessert, ist es für nationale Regierungen jedoch ohne-hin schwierig, die Höhe der sich aus der Kapitalbesteuerung erge-benden Einnahmen aufrechtzuerhalten. Daher ist es wahrscheinlich,daß der größte Teil der Finanzierung der Sozialen Sicherheit auchweiterhin auf Arbeitseinkommen beruhen wird.

Soll der Deckungsumfang der Systeme des sozialen Schutzes auf-rechterhalten und ihre finanzielle Integrität gesichert werden, mußverstärkt auf Fälle geachtet werden, in denen es sich bei der „selb-ständigen Erwerbstätigkeit“ eigentlich um eine „Arbeitnehmertätig-keit“ handelt; man muß sich jedoch des kontroversen Charakters die-ser Frage und der technischen Schwierigkeiten bewußt sein, die eineadäquate Behandlung dieser Frage mit sich bringt. Auf der kürzlichdurchgeführten IAO-Sachverständigentagung über Beschäftigte in Si-tuationen, in denen sie Schutz benötigen, wurde in der Gemeinsa-men Erklärung der Sachverständigen festgestellt, daß „das globalePhänomen des Wandels im Wesen der Arbeit zu Situationen geführthat, in denen der rechtliche Rahmen des Arbeitsverhältnisses (derden Ausschlag gibt, ob Beschäftigte Anspruch auf den Schutz desArbeitsrechts haben) nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten desArbeitsverhältnisses übereinstimmt“71. Daher kann es notwendig sein,

71 IAA: Report of the Meeting of Experts on Workers in Situations Needing Pro-tection, MEWNP/2000/4(Rev.), Genf, 15.-19. Mai 2000.

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die Gesetzgebung zu überarbeiten. Der vielversprechendste Ansatzkönnte darin bestehen, den maximalen Anteil des Jahreseinkommenseines Beschäftigten, der auf die Tätigkeit für ein einzelnes Unterneh-men oder einen einzelnen Kunden entfällt, zugrundezulegen. Dannwäre relativ schnell klar, welche Fälle der herkömmlichen Vorstellungeiner selbständigen Erwerbstätigkeit entsprechen, wo dieser Anteilgering wäre, und in welchen Fällen es sich um eine Scheinselbstän-digkeit handelt, wo der Anteil 50 bis 100 Prozent betragen dürfte. Beieinem solchen Ansatz müßte man jedoch auch die Art der Tätigkeitberücksichtigen: während beispielsweise Ärzte, Zahnärzte oder Rechts-anwälte im Verlauf eines Jahres oft Hunderte verschiedener Kundenhaben, ist es möglich, daß ein Architekt im gleichen Zeitraum ledig-lich an ein oder zwei verschiedenen Projekten arbeitet.

Die Telearbeit ermöglicht die Verlagerung von Tätigkeiten in an-dere Länder, in denen die Arbeitskosten niedrig sind und Arbeitneh-mer möglicherweise nicht dasselbe Maß an sozialem Schutz genie-ßen. Die Verlagerung von Tätigkeiten ist zwar nichts Neues, durchdie IKT wird die potentielle Reichweite dabei jedoch erheblich ver-größert; wie bereits festgestellt, ist der Dienstleistungsbereich zuneh-mend standortunabhängig. Da in der Regel über die Hälfte der Ge-samtbeschäftigung eines Landes auf den tertiären Sektor entfällt, kanndieses Verlagerungspotential bei der Arbeitsteilung innerhalb Euro-pas sowie anderswo erhebliche Änderungen bewirken.

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Die IKT fördert zwar Neugründungen und das Wachstum vonKleinbetrieben, Firmen dieser Art bieten jedoch nur selten zusätzli-chen sozialen Schutz. Dies kann natürlich auf die Tatsache zurückzu-führen sein, daß es sich um junge und relativ kleine Betriebe handelt.Andererseits kann es Ausdruck dessen sein, daß unter den in derRegel sehr jungen Beschäftigten, die noch keine familiären Verpflich-tungen haben, und den Arbeitgebern, die ebenfalls noch relativ jungsind, nur ein geringes Bewußtsein für die Bedeutung von Renten,Krankenversicherung usw. besteht. Außerdem werden solche Vor-kehrungen oft im Rahmen von Kollektivverhandlungen eingeführt,was bedeutet, daß das Fehlen einer gewerkschaftlichen Vertretungebenfalls als Erklärung dienen kann. In Ländern mit geringen gesetz-lichen Anforderungen im Bereich des sozialen Schutzes ist es mög-lich, daß viele dieser Arbeitnehmer sich gegen Mitte ihrer beruflichenLaufbahn in einer schwierigen Situation befinden, da sie in ihremfrüheren Erwerbsleben keine langfristigen Leistungsansprüche erwor-ben haben.

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Wenn es stimmt, daß die IKT die Arbeitnehmermobilität verstärktund somit bewirkt, daß immer mehr Arbeitnehmer für mehr als einenArbeitgeber tätig sind, werden sich immer weniger Arbeitnehmer hin-sichtlich ihrer Bedürfnisse des sozialen Schutzes, etwa ihre Alters-und Gesundheitsversorgung, allein auf ihren Arbeitgeber verlassenkönnen. Der Vorteil nationaler Systeme der Sozialen Sicherheit be-stand stets darin, daß sie die Arbeitnehmermobilität nicht behindernund daß beim Schutz oder bei der Übertragung von Leistungsansprü-chen nicht die Kontinuitätsprobleme entstehen, die bei bestimmtenArten von Ergänzungssystemen auftreten, beispielsweise wenn einArbeitnehmer von dem Gesundheits- oder Altersversorgungssystemeines Unternehmens zu dem eines anderen wechselt. Die Effizienznationaler Systeme ist jedoch ein Faktor, der manchmal von denenübersehen wird, die privatwirtschaftlichen Vorkehrungen den Vorzugvor staatlichen Regelungen geben.

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Wie bereits festgestellt, hat die IKT dazu beigetragen, die Effi-zienz der für die Verwaltung der Systeme des sozialen Schutzes zu-ständigen Organisationen zu verbessern. Weitere Fortschritte im Be-reich der IKT können und sollen jedoch nicht nur die Leistungsfähig-keit, sondern auch die Transparenz, den Zugang und die Reichweitedieser Systeme verbessern. Die Technologie ermöglicht es, Daten er-heblich rascher und genauer zu verarbeiten, was die Registrierungvon Arbeitgebern und Versicherten, die Erhebung und Verbuchungvon Beiträgen, die Berechnung und Zahlung von Leistungen und dieVerwaltung der Mittel betrifft. Außerdem ermöglicht sie es, die Ein-haltung von Bestimmungen genauer zu überwachen. Eine bessereEinhaltung von Bestimmungen sollte sich nicht allein aufgrund derzunehmenden Verwendung von IKT durch Einrichtungen der Sozia-len Sicherheit, sondern auch durch Arbeitgeber ergeben: computeri-sierte Lohnsysteme, die bisher nur von Großunternehmen genutztwerden, gehören inzwischen auch in Kleinbetrieben zum Standard.

Andererseits geraten Planer und Führungskräfte im Bereich derSozialen Sicherheit durch die IKT unter Druck, qualitativ bessere Dien-ste anzubieten und komplexere Systeme einzuführen. Gesetzgeberfühlen sich nicht mehr verpflichtet, einfache, standardisierte Systemezu verwenden, und in Anbetracht der technologischen Möglichkeitentragen sie den vielfältigen Bedürfnissen im Bereich des sozialen Schut-zes stärker Rechnung. Daher ist es möglich, daß sich die erwartetenEinsparungen nicht einstellen und die Verwaltung der Systeme letzt-

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lich wegen der wachsenden Komplexität sogar mehr Kosten verur-sacht. Außerdem ist der Wechsel von IT-Systemen äußerst kostspie-lig, und es braucht Zeit, um die personellen Ressourcen an die neuenAnforderungen anzupassen. Daher kann es einige Jahre dauern, be-vor die durch IKT-Fortschritte ermöglichten Einsparungen realisiertwerden können.

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Die Fortschritte im Bereich der IKT wirken sich in verschiedenerHinsicht positiv auf den Arbeitsschutz aus, da sie einen besseren In-formationsaustausch ermöglichen. Andererseits sind durch die IKTjedoch auch neue Probleme entstanden, beispielsweise Muskel-Ske-lett-Erkrankungen oder psychologischer Streß. Notwendig sind imübrigen intensive Forschungsarbeiten zu möglichen Risiken im Zu-sammenhang mit der Verwendung von Mobiltelefonen und den Bild-schirmemissionen.

Ähnlich wie im Bereich der „Telemedizin“ stehen durch die jüng-sten Entwicklungen der IKT einem größeren Kreis über die verschie-denen Datenbanken, Websites und CD-ROMs Arbeitsschutzinforma-tionen zur Verfügung. Alle im Arbeitsschutz Tätigen, darunter Füh-rungskräfte, Sachverständige und Arbeitnehmer, können sich überdie Computernetzwerke und das Internet mühelos einschlägige In-formationen, etwa chemische Sicherheitsdatenblätter für gefährlichechemische Stoffe, beschaffen. Informationen über vorbildliche Sicher-heitspraktiken und Warnungen vor neuen Arten von Gefahren wer-den zunehmend aktiv weitergegeben, was ebenfalls zu Verbesserun-gen im Bereich des Arbeitsschutzes beträgt. Das Internationale Infor-mationszentrum für Arbeitsschutz (CIS) der IAO und seine nationalenund angeschlossenen Zentren haben ebenfalls ihre Informationsdien-ste mit Hilfe von IKT verbessert.

Es existiert bereits umfangreiche Literatur über die potentiellenGefahren längerer Arbeitszeiten an Computerbildschirmen. Durch dieBereitstellung ergonomisch gestalteter Möbel und Geräte, die Über-prüfung der Sehkraft der Benutzer und regelmäßige Arbeitspausenkönnen sie jedoch auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Hier lau-tet die Frage, ob die vorbildlichen Praktiken tatsächlich von Arbeitge-bern und Arbeitnehmern beachtet werden, insbesondere in den jetztüberall entstehenden Kleinbetrieben. Was diejenigen betrifft, die nichtim Betrieb des Arbeitgebers tätig sind, so ist wahrscheinlich, daß vielevon ihnen die Arbeit unter Bedingungen verrichten, die unter Ar-beitsschutzgesichtspunkten nicht zufriedenstellend sind. Die eigeneWohnung kann ein gefährlicher Ort sein, und dies gilt wohl auch für

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die Verwendung von Heimcomputern, zumindest für diejenigen, diesie intensiv nutzen, um ihren Lebensunterhalt damit zu verdienen.

Die Telearbeit kann jedoch auch sehr positive Auswirkungen aufdie Gesundheit und das Wohlergehen von Arbeitnehmern haben, dasie den mit der Fahrt zur Arbeit verbundenen Streß eliminiert und esermöglicht, sich in einer angenehmen Umgebung mit guter Lebens-qualität aufzuhalten. Ein anderer Trend zeichnet sich hingegen unterVersicherungsvertretern und anderen ab, deren Tätigkeit traditionellmit hoher Mobilität und einer intensiven Reisetätigkeit verbunden ist.Sie müssen immer weniger oder keine Zeit mehr im Büro verbringen:Unabhängig vom Standort können sie über ihre Laptop-ComputerInformationen aufzeichnen und auf alle notwendigen Akten zugrei-fen, während sie über ein Mobiltelefon Mitteilungen von Kunden oderInstruktionen von Vorgesetzten entgegennehmen können. So verbrin-gen sie einen größeren Teil ihrer Arbeitszeit unterwegs und sindmöglicherweise einem hochgradigen Streß ausgesetzt. Arbeitsunfall-versicherungen beobachten eine zunehmende Anzahl von Verkehrs-unfällen unter Personen, die unter solchen Bedingungen arbeiten.

Ganz allgemein ist Streß vermutlich das größte potentielle Pro-blem, das direkt oder indirekt mit der IKT verbunden ist. Streß istnicht nur schlecht für die Arbeitnehmer selbst, sondern auch für dasUnternehmen, und er kann letztlich für die Systeme des sozialen Schut-zes im Hinblick auf die Gesundheitsversorgung, Leistungen bei Er-krankungen und — im Extremfall — Leistungen bei Invalidität mithohen Kosten verbunden sein. Arbeitgeber können zwar viel tun, umden im Zusammenhang mit der IKT auftretenden Streß zu vermin-dern, dies wird jedoch nur dann geschehen, wenn sie sich über diedurch Streß verursachten Produktivitätsverluste im klaren und überwirksame Abhilfemaßnahmen informiert sind. Zahlreiche Arbeitge-ber in Kleinbetrieben verfügen möglicherweise nicht über derartigeKenntnisse und Zugang zu entsprechenden Informationen. Den Sy-stemen des sozialen Schutzes — Krankenversicherungen und Versi-cherungen gegen berufliche Risiken — fällt daher die wichtige Auf-gabe zu, die notwendigen Informationen bereitzustellen. So leistensie für Arbeitgeber und Arbeitnehmer wertvolle Dienste und verhü-ten gleichzeitig die Entstehung von Gesundheitsproblemen, die lang-fristig zu hohen Kosten für die entsprechenden Leistungen führenkönnten.

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1. Der Fortschritt der Informations- und Kommunikationstechnolo-gien ist irreversibel, die zunehmend größere „digitale Kluft“, die

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dadurch entsteht, hingegen nicht. Welche Maßnahmen sind ins-besondere im Bereich der Bildungssysteme erforderlich, um zugewährleisten, daß der Zugang zur Informationsgesellschaft allegesellschaftlichen Gruppen einschließt?

2. Der Mangel an IKT-Qualifikationen ist ein Anreiz, dorthin zu zie-hen, wo sich die Arbeitsplätze befinden, was Migration zur Folgehat. Umgekehrt erlauben es die Technologien, digitale Arbeitendorthin zu verlagern, wo sich Menschen mit entsprechenden Qua-lifikationen befinden. Wie müssen die entsprechenden Verknüp-fungen der Migrations-, Ausbildungs- und Investitionspolitikenaussehen, damit sich in Europa eine komplementäre und in so-zialer und wirtschaftlicher Hinsicht tragfähige Berufsstruktur aus-bilden kann?

3. Es wird vermutet, daß die Barrieren für Unternehmensgründun-gen im Bereich der IKT geringer sind. Die IKT kann auch dieWettbewerbsfähigkeit bestehender Unternehmen verbessern undzusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Diese positiven Auswirkungentreten jedoch nur ein, wenn sich nicht nur Arbeitnehmer, sondernauch Führungskräfte an die neuen Technologien und Chancenanpassen. Was kann getan werden, um die Kapazität der Füh-rungskräfte zur Anpassung zu verbessern?

4. Die IKT kann potentiell dazu beitragen, denjenigen, die derzeitwirtschaftlich und sozial ausgegrenzt sind, eine größere Teilhabezu ermöglichen. So laufen ältere Menschen nicht nur Gefahr, daßihre Qualifikationen nicht mehr gefragt sind, sondern auch, daßsie allgemein den Kontakt verlieren; Frauen mit Familienpflichtenfällt es schwer, diese mit einer Teilnahme am Arbeitsmarkt zuvereinbaren; Menschen mit eingeschränkter Mobilität werden aus-gegrenzt. Wie können Initiativen mit dem Ziel eines besseren Ein-schlusses auf diese Bevölkerungsgruppen ausgerichtet werden?

5. Die bestehenden Arbeitsmarkteinrichtungen — beispielsweise dieSysteme der Sozialen Sicherheit und des sozialen Schutzes, dieverschiedenen Tätigkeitsbereiche von Arbeitsministerien — be-einflussen die Verbreitung und Auswirkungen der IKT und wer-den ihrerseits selbst davon beeinflußt. Sind die bestehenden Ar-beitsmarkteinrichtungen in der Lage, sich an die neuen Technolo-gien anzupassen? Wie können die Regierungen die IKT nutzen,um ihre Dienste zu verbessern?

6. In welcher Weise werden von Gewerkschaften, Arbeitgebern undihren Verbänden Verhandlungen über die Regeln der neuen Wirt-schaft geführt? Wie nutzen die Akteure selbst die IKT, um neue

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Mitglieder zu gewinnen, neue Dienste anzubieten oder Diensteauf neuartige Weise zu erbringen? Gibt es neue Praktiken, dieunterstützt oder entwickelt werden sollten?

7. Wie kann die IAO am besten ihre Mitgliedsgruppen unterstützen,sich an die Informationswirtschaft anzupassen? Wie kann die IAOselbst bei ihren Beratungsdiensten und der Verbreitung ihres Wis-sens die neuen Technologien nutzen?