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18 bioaktuell 10/06 D ie bisherige Weisung* führte immer wieder zu Unklarheiten und die zu- gelassenen Mittel und Massnahmen ent- sprachen nicht mehr dem heutigen Stand. Die neue Weisung «Schädlingskontrol- le in Lagerung und Verarbeitung» setzt auf vorbeugende Massnahmen und regel- mässige Kontrolle der Produktionsräu- me und -anlagen (Prävention und Moni- toring). Längerfristig soll der Schädlingsbe- fall in der Lagerung oder Verarbeitung möglichst verhindert und damit der Ein- satz von Schädlingsbekämpfungsmitteln für lokale Schlupfwinkelbehandlungen, Vernebelungen und Begasungen redu- ziert werden. In jedem Fall zu verhindern sind Rückstände von Bekämpfungsmit- teln auf Knospe-Produkten. Die neue Weisung befasst sich nicht mit der Schädlingsbekämpfung auf Knos- pe-Landwirtschaftsbetrieben: Diese ist in den Ausführungsbestimmungen der Markenkommission Anbau geregelt. Vorbeugen hat Vorrang Die Vorbeugung hat vor jeder Art der Bekämpfung absoluten Vorrang im bio- logischen Schädlingsmanagement. Die Umsetzung der neuen Weisung soll län- RATGEBER Nachhaltig gegen Schädlinge in Lagerung und Verarbeitung Vorbeugen, laufend überwachen, bekämpfen nur im Notfall und dabei Rückstände von Schädlingsbe kämpfungsmitteln auf Knospe-Produkten unbedingt vermeiden: Das sind die Zielvorgaben der neuen Weisung zur Schädlingskontrolle in Knospe-zertifizierten Verarbeitungs- und Handelsbetrieben. gerfristig möglichst zu einem Verzicht auf chemisch-synthetische Schädlingsbe- kämpfungsmittel führen. Auf dem Weg dahin soll der Einsatz von Pestiziden durch die Kombination mit alternativen Verfahren reduziert werden. Alle Betriebe, die Lebensmittel la- gern oder aufbereiten, brauchen ein Sys- tem zur Schädlingskontrolle. Auf der Bio Suisse Homepage ist eine Checkliste ab- rufbar (siehe Kästchen «Wo die Doku- mente zu finden sind»), welche die Mini- malanforderungen an ein eigenes System der Schädlingsbekämpfung für kleinere Betriebe beinhaltet und für Risikobe- triebe ausgebaut werden kann. Risikobetriebe lagern oder verarbei- ten Getreide- oder Trockenprodukte und führen oftmals grossräumige Vernebe- lungen und Begasungen durch. Solche Betriebe benötigen ein besonders aus- führliches, sprich ein integriertes Schäd- lingsbekämpfungssystem. Schädlinge wie Motten oder Käfer können mit einem umfassenden Monitoringsystem erkannt werden, das mindestens sechs Betriebs- kontrollen pro Jahr und angepasste Prü- fungsintervalle der Fallen umfasst. Die Reinigungsrhythmen müssen auf den Be- triebstyp abgestimmt und geeignet sein, den Befall dauerhaft auf einem möglichst tiefen Niveau zu halten. Die Umsetzung der Vorgaben und Ziele kann für Betriebe unter Umständen eine Umstellung der bisherigen Praxis bedeuten. Deshalb wird den Betrieben ei- ne Übergangsfrist bis 1.1.2008 gewährt. Rückstände vermeiden Die Vermeidung jeglicher Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf Knospe-Produkten durch Verschleppung hat allerhöchste Priorität. Hauptprob- leme sind immer wieder: undichte Silo- zellen, ungenügende Abdichtung der zu vernebelnden Räume, nicht eingehaltene Wartefristen sowie das Vergessen der Auslagerung der Ware während der Ver- nebelung oder Begasung. Das FiBL hat zu dieser Problematik in Zusammenarbeit mit der Desinfec- ta Dienstleistung AG Versuche durchge- führt. Das Verschleppungspotenzial von Begasungsmitteln, wie z.B. Phosphin ge- gen Schädlinge in Silozellen, ist hoch, wenn das Silo undicht gebaut ist. Das ist bei Stahlsilos grundsätzlich der Fall und bei Betonsilos vom Baujahr abhän- gig; die Begasung von konventioneller Ware in einer Zelle gleich neben ein- gelagerter Bioware stattfindet; die Biozellen nach der Begasung ei- ner Nachbarzelle mit konventioneller Ware nicht gelüftet werden. Nach der Vernebelung von Anlagen, welche in leeren Räumlichkeiten stehen, soll eine ausreichende Reinigung vorge- nommen werden. Zudem muss die ers- te Produktionscharge nach der Vernebe- lung ohne Knospe vermarktet werden. Einsatz von Nützlingen wird erprobt In der biologischen Lagerhaltung stehen nur beschränkt direkte Bekämpfungs- möglichkeiten zur Verfügung. Eine Al- ternative zu den chemisch-synthetischen Mitteln ist der Einsatz von Nützlingen, * «Schaderregerkontrolle in Lagerung und Verarbeitung» Wo die Dokumente zu finden sind Die Weisung «Schädlingskontrolle in Lagerung und Verarbeitung» wird im Januar in gedruckter Form verschickt und auf der Bio Suisse Website aufge- schaltet (www.bio-suisse.ch > Doku- mentation > Lizenznehmer Richtlinien & Weisungen). Alle hier im Text erwähnten zusätz- lichen Dokumente die Checkliste mit den Minimalanforderungen, die Liste der von Bio Suisse anerkannten Schädlingsbekämpfungsunternehmen, die Liste der erlaubten chemisch-syn- thetischen Mittel – sind auf der Bio Suisse Website abrufbar unter diesem Link: http://www.bio-suisse.ch/de/ dokumentation/ln/sbk Die Dörrobstmotte (Plodia interpunctella), bis 12 mm lang, ist ein sehr häufiger Vor- ratsschädling. Frass, Gespinste und Ver- schmutzung entwerten die Nahrungsmittel. Archived at http://orgprints.org/10560/

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Page 1: RATGEBER Archived at ...orgprints.org/10560/1/wyss-2006-bioaktuell_1006_18-19.pdf · Erfolgskontrolle ausführlich dokumen-tieren. 2. Das Einrichten und Betreuen ge-eigneter Monitoringsysteme

18 bioaktuell 10/06

Die bisherige Weisung* führte immer wieder zu Unklarheiten und die zu-

gelassenen Mittel und Massnahmen ent-sprachen nicht mehr dem heutigen Stand. Die neue Weisung «Schädlingskontrol-le in Lagerung und Verarbeitung» setzt auf vorbeugende Massnahmen und regel-mässige Kontrolle der Produktionsräu-me und -anlagen (Prävention und Moni-toring).

Längerfristig soll der Schädlingsbe-fall in der Lagerung oder Verarbeitung möglichst verhindert und damit der Ein-satz von Schädlingsbekämpfungsmitteln für lokale Schlupfwinkelbehandlungen, Vernebelungen und Begasungen redu-ziert werden. In jedem Fall zu verhindern sind Rückstände von Bekämpfungsmit-teln auf Knospe-Produkten.

Die neue Weisung befasst sich nicht mit der Schädlingsbekämpfung auf Knos-pe-Landwirtschaftsbetrieben: Diese ist in den Ausführungsbestimmungen der Markenkommission Anbau geregelt.

VorbeugenhatVorrangDie Vorbeugung hat vor jeder Art der Bekämpfung absoluten Vorrang im bio-logischen Schädlingsmanagement. Die Umsetzung der neuen Weisung soll län-

■ R ATG E B E R

Nachhaltig gegen Schädlinge in Lagerung und VerarbeitungVorbeugen,laufendüberwachen,bekämpfennurimNotfallunddabeiRückständevonSchädlingsbekämpfungsmittelnaufKnospe-Produktenunbedingtvermeiden:DassinddieZielvorgabenderneuenWeisungzurSchädlingskontrolleinKnospe-zertifiziertenVerarbeitungs-undHandelsbetrieben.

gerfristig möglichst zu einem Verzicht auf chemisch-synthetische Schädlingsbe-kämpfungsmittel führen. Auf dem Weg dahin soll der Einsatz von Pestiziden durch die Kombination mit alternativen Verfahren reduziert werden.

Alle Betriebe, die Lebensmittel la-gern oder aufbereiten, brauchen ein Sys-tem zur Schädlingskontrolle. Auf der Bio Suisse Homepage ist eine Checkliste ab-rufbar (siehe Kästchen «Wo die Doku-mente zu finden sind»), welche die Mini-malanforderungen an ein eigenes System der Schädlingsbekämpfung für kleinere Betriebe beinhaltet und für Risikobe-triebe ausgebaut werden kann.

Risikobetriebe lagern oder verarbei-ten Getreide- oder Trockenprodukte und führen oftmals grossräumige Vernebe-lungen und Begasungen durch. Solche Betriebe benötigen ein besonders aus-führliches, sprich ein integriertes Schäd-lingsbekämpfungssystem. Schädlinge wie Motten oder Käfer können mit einem umfassenden Monitoringsystem erkannt werden, das mindestens sechs Betriebs-kontrollen pro Jahr und angepasste Prü-fungsintervalle der Fallen umfasst. Die Reinigungsrhythmen müssen auf den Be-triebstyp abgestimmt und geeignet sein,

den Befall dauerhaft auf einem möglichst tiefen Niveau zu halten.

Die Umsetzung der Vorgaben und Ziele kann für Betriebe unter Umständen eine Umstellung der bisherigen Praxis bedeuten. Deshalb wird den Betrieben ei-ne Übergangsfrist bis 1.1.2008 gewährt.

RückständevermeidenDie Vermeidung jeglicher Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf Knospe-Produkten durch Verschleppung hat allerhöchste Priorität. Hauptprob-leme sind immer wieder: undichte Silo-zellen, ungenügende Abdichtung der zu vernebelnden Räume, nicht eingehaltene Wartefristen sowie das Vergessen der Auslagerung der Ware während der Ver-nebelung oder Begasung.

Das FiBL hat zu dieser Problematik in Zusammenarbeit mit der Desinfec-ta Dienstleistung AG Versuche durchge-führt. Das Verschleppungspotenzial von Begasungsmitteln, wie z.B. Phosphin ge-gen Schädlinge in Silozellen, ist hoch, wenn■ das Silo undicht gebaut ist. Das ist bei

Stahlsilos grundsätzlich der Fall und bei Betonsilos vom Baujahr abhän-gig;

■ die Begasung von konventioneller Ware in einer Zelle gleich neben ein-gelagerter Bioware stattfindet;

■ die Biozellen nach der Begasung ei-ner Nachbarzelle mit konventioneller Ware nicht gelüftet werden.Nach der Vernebelung von Anlagen,

welche in leeren Räumlichkeiten stehen, soll eine ausreichende Reinigung vorge-nommen werden. Zudem muss die ers-te Produktionscharge nach der Vernebe-lung ohne Knospe vermarktet werden.

EinsatzvonNützlingenwirderprobtIn der biologischen Lagerhaltung stehen nur beschränkt direkte Bekämpfungs-möglichkeiten zur Verfügung. Eine Al-ternative zu den chemisch-synthetischen Mitteln ist der Einsatz von Nützlingen,

*«SchaderregerkontrolleinLagerungundVerarbeitung»

Wo die Dokumente zu finden sindDie Weisung «Schädlingskontrolle inLagerung und Verarbeitung» wird imJanuar in gedruckter Form verschicktundaufderBioSuisseWebsiteaufge-schaltet (www.bio-suisse.ch > Doku-mentation > Lizenznehmer Richtlinien&Weisungen).Alle hier im Text erwähnten zusätz-lichen Dokumente – die Checklistemit den Minimalanforderungen, dieListe der von Bio Suisse anerkanntenSchädlingsbekämpfungsunternehmen,die Liste der erlaubten chemisch-syn-thetischen Mittel – sind auf der BioSuisse Website abrufbar unter diesemLink: http://www.bio-suisse.ch/de/dokumentation/ln/sbk

DieDörrobstmotte(Plodia interpunctella),bis12mmlang,isteinsehrhäufigerVor-ratsschädling.Frass,GespinsteundVer-schmutzungentwertendieNahrungsmittel.

Archived at http://orgprints.org/10560/

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bioaktuell 10/06 19

welche die Vorratsschädlinge auf natür-liche Art und Weise bekämpfen. Der ge-zielte Einsatz von Nützlingen in Betrie-ben der Lebensmittelindustrie ist bis heu-te nur ansatzweise erprobt.

Das FiBL, finanziell unterstützt durch den Coop Naturaplan-Fonds, beglei-tet deshalb Praxisversuche in einem Si-

lo, einem Lagerraum, einer Bäckerei, ei-ner Mühle und einer Packerei mit dem Schädlingsbekämpfungsunternehmen Desinfecta AG und dem Nützlingspro-duzenten Andermatt Biocontrol AG. Die bis jetzt erzielten Resultate sind sehr er-mutigend. Obwohl speziell bei den Vor-ratsmotten die Grenze des vertretbaren

Befalles erreicht wurde, konnte auf Zu-satzbehandlungen mit chemischen Be-kämpfungsmitteln weitgehend verzichtet werden und das verzögerte Auftreten der Schädlinge im Vergleich zu den Vorjah-ren war klar ersichtlich.

GabrielaWyss,FiBL

Hier die Neuerungen der Weisung«Schädlingskontrolle in Lagerung undVerarbeitung»imÜberblick.DieWeisungmuss bis spätestens 1.1.2008 vollum-fänglichumgesetztsein.

1. Vorgaben zur Erarbeitung einesintegrierten Systems der Schädlingsbe-kämpfung; dazu Checkliste mit denMinimalanforderungenaneinintegriertesSystem der Schädlingsbekämpfung fürkleine Betriebe (auf der Website vonBio Suisse, siehe Kästchen «Wo dieDokumentezufindensind»).Darinunteranderem:■ Regelung der Verantwortlichkeit für

dieSchädlingsbekämpfung.■ Gefahrenanalyse.■ Schwachstellenanalyse aus baulicher,

hygienischer und organisatorischerSicht.

■ Jahresbericht: Aktivitäten für dieErfolgskontrolleausführlichdokumen-tieren.

2.Das Einrichten und Betreuen ge-eigneter Monitoringsysteme sowie dieDurchführungvonBekämpfungsaktionen

gehörenindieHändevonBioSuissean-erkanntenSchädlingsbekämpfungsunter-nehmen(aktuelleListeaufderHomepagevon Bio Suisse aufgeschaltet; im Laufedes Jahres 2007 werden die neu aner-kanntenFirmengelistet).

3. Anerkennung der Schädlingsbekämp-fungsunternehmenverschärft:■ Beratungsangebot für Lizenznehmer

imSinnederWeisung:PräventionhatPriorität,regelmässigesMonitoringnö-tig, alternativeVerfahren statt Pestizi-de.

■ Besuch einer Schulung nötigzum Erwerb von geeigneten Fach-bewilligungen im Rahmen des Aus-bildungslehrgangs des VerbandesSchweizerischer SchädlingsbekämpferFSD-VSS.

■ Breites Angebot an alternativenVerfahren ist Bedingung (thermische,physikalische und mechanische Ver-fahren,z.B.VerwendungvonKieselgur,und Einsatz von Nützlingen, sobaldAnwendungpraxisreif).

■ Erfolgskontrolle zur Umsetzung derWeisung bei den Schädlingsbekämp-

fungsunternehmen durch Audits,durchgeführtvonBioSuisse.

4.Mehr Möglichkeiten bei den Mitteln, wennBekämpfungnötig;Bekämp-fungaber nur im Notfall als nachweislichletzte Möglichkeit. Prioritätenfolge derMassnahmen:1.lokaleSchlupfwinkelbe-handlung,2.Vernebelung,3.Begasung.Die Liste mit den erlaubten che-misch-synthetischen Mitteln für lokaleSchlupfwinkelbehandlung, Vernebelungund Begasung ist nicht mehr Teil derWeisung, sondern abrufbar auf der BioSuisseHomepage.

5. SelbstanwendungvonPestizidennochmöglich,aberverschärft:■ NuraufGesuchhinmöglich.■ BekämpfermussimBesitzeinergeeig-

neten Fachbewilligung sein; ein neu-er Kurs «Selbstanwender Bio Suisse»wirdabNovember2007angeboten.

6. Erstellen eines Jahresberichts beigrossräumigen Bekämpfungen als Rück-blickundErfolgskontrollesowiemitVer-besserungsvorschlägen. gw/mt

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Kontrolle von Lagerschädlingen: Was ist neu?

DerKornkäfer(Sitophilus granarius)istderwichtigsteSchädlinginlagerndemGetreide.ErmachtseineganzeEntwicklungvomEiüberdieLarvebiszum3,5bis5mmgrossenflugunfähigenRüsselkäferimGetreidekorndurch,daserdabeivollkommenausfrisst.BefallenesGetreideerwärmtsichundwirdmuffig.