Rathenower Arbeiterbewegung

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Rathenower Arbeiterbewegung Eine Sammlung von belegbaren Beispielen – zusammengestellt von Dieter Seeger Soziale und politische Kämpfe des Proletariats in Rathenow lassen sich seit dem 19. Jahrhundert nachweisen. Sie sind vielfach schriftlich belegt oder aus den mündlichen Schilderungen der Zeitzeugen bekannt. Da solche Geschichtsschreibung seit der „Wende“ 1989/90 negiert wird, sollen die Kämpfe mit dieser – sicher lückenhaften – Zusammen- fassung ins Bewußtsein zurück gerufen werden. Inhalt: Die Rathenower Arbeiterbewegung 1848 bis 1919 S. 2 Die Kämpfe der Arbeiter nach der Novemberrevolution S. 13 Die Abwehr des Kapp-Putsches 1920 S.13 1923 – Höhepunkt der revolutionären Nachkriegskrise S.16 1927 S.20 „Kommunistenterror“ S.21 Die SPD-Zeitung „Rathenower Tageblatt“ 1927-1934 S.24 Blutmai 1929 S.28 Hitlers Finanzierung aus dem Ausland S.32 Hitlers Angst vor einem Generalstreik S.34 Arbeiter im Kampf gegen den Faschismus am Beispiel von Premnitz S.35 Hilfspolizei S.39 Die Rathenower Industrie in der Nazizeit S.43 Paul Seeland – ein verdienstvoller Mann? S.45 Das System der Zwangsarbeit S.48 Braune Karrieren S.49 Die Franz Rapsch AG S.53

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Rathenower ArbeiterbewegungEine Sammlung von belegbaren Beispielen – zusammengestellt von Dieter Seeger

Soziale und politische Kämpfe des Proletariats in Rathenow lassen sich seit dem 19.Jahrhundert nachweisen. Sie sind vielfach schriftlich belegt oder aus den mündlichenSchilderungen der Zeitzeugen bekannt. Da solche Geschichtsschreibung seit der „Wende“1989/90 negiert wird, sollen die Kämpfe mit dieser – sicher lückenhaften – Zusammen-fassung ins Bewußtsein zurück gerufen werden.

Inhalt:

Die Rathenower Arbeiterbewegung 1848 bis 1919 S. 2

Die Kämpfe der Arbeiter nach der Novemberrevolution S. 13Die Abwehr des Kapp-Putsches 1920 S.131923 – Höhepunkt der revolutionären Nachkriegskrise S.161927 S.20„Kommunistenterror“ S.21Die SPD-Zeitung „Rathenower Tageblatt“ 1927-1934 S.24Blutmai 1929 S.28Hitlers Finanzierung aus dem Ausland S.32Hitlers Angst vor einem Generalstreik S.34Arbeiter im Kampf gegen den Faschismus am Beispiel von Premnitz S.35Hilfspolizei S.39Die Rathenower Industrie in der Nazizeit S.43Paul Seeland – ein verdienstvoller Mann? S.45 Das System der Zwangsarbeit S.48Braune Karrieren S.49Die Franz Rapsch AG S.53

Marktplatz um 1900

Aus der RathenowerArbeiterbewegung

Die Zuspitzung der Widersprüche zwischen Gesellen und Arbeitern und den in Zünften und Gilden organisierten frühkapitalistischen Unternehmern

Die Anfänge gewerkschaftlicher Bewegungenin der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Inhalt:

Die Kämpfe der Ausgebeuteten während und nach der Bürgerlich-demokratischen Revolution 1848/49

– Die Bauarbeiter begehren auf S. 4– Kleinbürgertum und Arbeiter gemeinsam mit revolutionärer Gewalt S. 4

Die Arbeiterbewegung in der nachrevolutionären Phase und in den „Gründerjahren“

– Die Lohnkämpfe der Bauarbeiter S. 5– Erfolgreiche Kämpfe der Schiffszimmerer S. 6– Klassenkampf im Alltag S. 8– Ein Büttel der Herrschenden wird zum Gespött S. 10– Die Sozialdemokratie als revolutionäre Kraft S. 11

Vor über 200 Jahren waren die städtischen Gewerbe in Zünften und Gilden organisiert.Diese strengen Strukturen dienten den Interessen der Handwerksmeister. Sie regeltenQualitätsgarantien für die Erzeugnisse und sicherten mit Preisabsprachen sowohl dieHierarchien der Zunftvorstände als auch die auskömmlichen Einkommen der Meister. DieGesellen genossen keinerlei Schutz vor der rigorosen Ausbeutung ihrer Handwerks-meister, die ihnen neben schmaler Kost und Logis in Kammern oder Ställen nur kargenLohn gewährten. In dieser Phase des Frühkapitalismus waren die Arbeiter – Gesellen undTagelöhner – unorganisiert. Sie murrten und empörten sich ohne Wirkung.

Die Arbeiter in der bürgerlich-demokratischen Revolution 1848/49

Mit dem Heranreifen der bürgerlichen Revolutionen in Frankreich und folgend in deneuropäischen Ländern sehen auch die Arbeiter Perspektiven für ihre sozialenForderungen. Nach den Berliner Märzkämpfen 1848 werden sie aktiv. Am 16. und am 24.April 1848 finden auf dem Alten Turnplatz (heute gegenüber der Jahnschule)Volksversammlungen statt. Die Forderungen lauten: Demokratie und EinheitDeutschlands, aber auch Erhöhung der Löhne und Herabsetzung des Brotpreises. Dasmacht die soziale Lage deutlich.

Bauarbeiter begehren auf

Im Mai gärt es unter den Zimmer- und Maurergesellen. Sie fordern höhere Löhne, aber dieBauunternehmer glauben noch, solche unbequemen Forderungen durch Mißachtungübergehen zu können. Am 4. August ist die Geduld der Ausgebeuteten zu Ende. DieGesellen stürmen das Haus von Maurermeister Wiese. Sie werfen die Fensterscheibenein und verprügeln Wiese und seine Schwester. Aber es kommen trotzdem sowohlVerhandlungen als auch eine friedliche Einigung zustande. Das konkrete Ergebnis ist nichtüberliefert. Aber man kann sich wundern: Gewalt und Mißhandlungen ließen denUnternehmer einlenken! In was für einer schwachen Position muß sich Wiese befundenhaben!Dieser Erfolg ermutigt auch die Elementarlehrer der Stadt und Umgebung, die nun eineGehaltserhöhung „beantragen“.

Die sozialen Mißstände müssen himmelschreiend gewesen sein. Um die existenzielle Notder Arbeiter zu lindern, fordert der demokratische Bürgermeister Fischer von denStadtverordneten eine besondere Einkommensteuer. Bürger mit einem jährlichenEinkommen ab 30 Reichstaler sollen sie zahlen. Die Mehrheit der Ratsherren lehnt dasnatürlich ab.

Kleinbürgertum und Arbeiter gemeinsam mit revolutionärer Gewalt

Als am 14. November 1848 die hiesigen Demokraten mit dem „Rathenower Aufruhr“ denAusmarsch der beiden Kürassierschwadronen unter Rittmeister Kotze zu verhindernsuchen, sind natürlich auch Arbeiter in und außerhalb der Bürgerwehr dabei. Das Militärsoll nicht gegen die Revolutionäre in Berlin marschieren! Sie können es schöließlich nichtverhindern. Die Rache der Reaktion folgt. Am 17. November 1849 wird Anklage gegen 32Rathenower erhoben. Am 12, März 1850 fällt das Kammergericht in Brandenburg dieTerrorurteile. 27 Angeklagte werden mit Zuchthaus und Gefängnis bestraft. Die ArbeiterTritschler und Paetsch müssen drei Jahre ins Zuchthaus, die Arbeiter Kempf, Walther,Erdmann Gutjahr und Holzbauer kommen für sechs Monate ins Gefängnis. Angesichtsder drohenden Haltung der Bevölkerung als Reaktion auf die konterrevolutionäre

Rachejustiz stellen Stadtverordnete und Magistrat ein Gnadengesuch, das abgelehnt wird.Die Stadtverordneten sehen sich gezwungen, zur Abwendung der größten Not denAngehörigen der Verurteilten Unterstützung zu zahlen.

Schauplatz des Aufruhrs: Hier sammelten sich die Schwadronen, hier wollte die Bürgerwehr dieKonterrevolution behindern

Die Konservativen hetzen gegen die Demokraten, die nun auf der Verliererstraße sind. Derviel gerühmte Lehrer und Heimatforscher Walter Specht wird sie noch Jahrzehnte späterals „Arbeiterpartei“ verunglimpfen. Er bezeichnet sie als „Herumtreiber, Arbeiter, Gesellenund Leute, die nichts zu verlieren hatten und darum einen starken Terror ausübenkonnten.“ Alle Revolutionäre und ihre Sympathisanten werden stigmatisiert, der KantorWolf von der St. Marien-Andreas-Kirche selbst über seinen Tod hinaus.

Die Arbeiterbewegung in der nachrevolutionären Phase und in den „Gründerjahren“

Die Konterrevolution hatte 1849 eine bürgerlich-demokratische Gesellschaftsordnungverhindern können. Die sozialen Ursachen für das Aufbegehren blieben. Die Fesseln derKleinstaaterei behinderten weiter die aufstrebende Bourgeoisie. Die Ausbeutung derArbeiter blieb. Aber die sozialen Widersprüche brodelten und brachen immer wieder auf. Inder weltweiten Krise 1857-1859 häuften sich die Arbeitskämpfe um höhere Löhne, und als1873 eine erneute Wirtschaftskrise (bis 1896) einsetzte, antwortete Bismarck 1878 mitdem Sozialistengesetz. Es verbot jede Tätigkeit sozialistischer Parteien undGewerkschaften, deren Versammlungen und Druckerzeugnisse. Aber die Idee desSozialismus war nicht mehr zu bremsen.

Die Lohnkämpfe der Bauarbeiter

Im Jahre 1877 kam der Maurer Gustav Kresse aus Berlin nach Rathenow. Er brachte diesozialistischen Ideen mit, also wurde er zum Agitator. Der Rathenower Archivar Dr. RudolfGutjahr schrieb über ihn im „Rathenower Heimatkalender 1957“:„Bald merkte auch der Herr Bürgermeister, daß es unter der hiesigen Arbeiterschaft gärte.Eine Haussuchung in Kresses Wohnung am Turnplatz, in der heutigen Jahnstraße, lieferteder Polizei nicht genügend Material gegen ihn. 1855 organisierte Kresse den großen Streik unserer Maurer und Zimmerleute. Alle Bautender Stadt blieben liegen. Die Streikenden wurden von ihren Klassengenossen

Gustav Kresse

eifrig unterstützt. Insgesamt sollen damals mehr als 13.000 Reichsmark für diestreikenden Bauhandwerker nach Rathenow geflossen sein. Das war wohl wesentlich demKresse zu verdanken, der am Kongreß der deutschen Maurer in Hannover teilnahm,welcher den Streik billigte. Die Maurer erreichten dadurch eine bedeutendeLohnerhöhung.

Ein Maurermeister Trabert zog auf Veranlassung der Sozialisten von Hamburg nachRathenow. Er beschäftigte die infolge des Streiks von ihren bisherigen Arbeitgebernentlassenen Bauhandwerker. Auch Kresse gehörte zu ihnen.Von da an gewann die sozialistische Bewegung bei uns immer mehr Boden. Wir könnensagen, daß der Maurer Kresse durch seine eifrige Agitation der eigentliche Bahnbrecherder neuen Zeit für Rathenow und Umgebung geworden ist.“(Quelle: Stadtarchiv Rathenow)

Berliner Straße um 1900

Eine bemerkenswerte Form des Klassenkampfes wurde geboren: Die Arbeiter über-nahmen in Eigenregie mit einem ihnen verbundenen Bauunternehmer einen Betrieb, umdas Monopol der übrigen Unternehmer zu brechen! Das ist das Genossenschaftsprinzip,also eine Wirtschafts- und Eigentumsform der künftigen sozialistischen Gesellschafts-ordnung.

Erfolgreiche Kämpfe der Schiffszimmerer

Eines der wichtigsten Gewerke unserer Stadt war um 1860-1880 der Schiffbau. Zahl-reiche Werften bauten Kähne aus Holz, die alten Havelzillen. Demzufolge gab esSchiffszimmerleute. Sie arbeiteten auf der Schiffswerft der Gebrüder Weiß amStadtgraben oder ein Stück weiter zur Jederitzer Brücke auf der Todt'schen Schiffbauereioder an der Einmündung des Stadtgrabens in die Havel auf der Werft von Dröscher.

Todt'sche Schiffbauerei

„Gegen Ende des 19. Jahrhunderts“, so schreibt Joachim Freimuth im „RathenowerHeimatkalender 1963“, „führten die Rathenower Schiffszimmerer heftige Lohnkämpfe, umden unglaublich niedrigen Verdienst aufzubessern. Zu dieser Zeit mußten sie elf Stundenam Tag arbeiten. Dafür erhielten sie 28 bis 30 Pfennig je Stunde. Damit stand dieseBerufsgruppe ziemlich am Ende aller Berufsgruppen. Im Baugewerbe wurden zu gleichenZeit bereits 40 Pfennig Stundenlohn gezahlt. Auf die Beschwerde hin, die dieSchiffszimmerer einreichten, wurde ihnen geantwortet: Die Maurer müssen auch im Wintersechs bis acht Wochen wegen der Kälte feiern, während ihr das ganze Jahr durcharbeitenkönnt. Also seid man zufrieden.“

Modell einer Havelzille

Die Wut der Arbeiter über die Mißachtung ihrer berechtigten Forderungen führte zurEinsicht, daß man sich nur organisiert durchsetzen kann. Alle Kollegen (bis auf eineneinzigen) traten dem Verband der Schiffszimmerer, der seinen Sitz in Hamburg hatte,bei. Im „Volksgarten“ (später „Sportpalast“) wurde die Rathenower Organisation im

Oktober 1897 gegründet. Vorsitzender wurde Karl Schmidt, Kassierer Gustav Reimannund Schriftführer Gustav Meier, nach dessen Erinnerungen J. Freimuth den Artikel schrieb.Damit entstand den Rathenower Unternehmern ein entschlossener Gegner. Im Frühjahr1898 traten die Gewerkschafter in den Streik und forderten 3 Pfennig mehr Lohn. DreiWochen dauerte der Ausstand, dann waren 2 Pfennig Lohnerhöhung erkämpft.

Es gab eine Vielzahl von Werften. Da barg ein Streik das Risiko, daß die Auftraggeber aufandere Werften auswichen. Um dem entgegen zu wirken, warben die Organisierten dieArbeiter auf den anderen Werften für den Verband. Eine schwierige, aufwendige Arbeit,alle Kollegen von der Notwendigkeit der gemeinsamen Gewerkschaft zu überzeugen. Esgelang, die Kollegen von Plaue, Milow, Premnitz, Havelberg und Lauenburg für denVerband zu gewinnen. Ein Sieg für die Arbeiter. Gegen diese Front kamen dieUnternehmer nicht an.So fand folgerichtig der nächste Verbandstag in Rathenow statt. Die General-versammlung trat im „Volksgarten“ zusammen, bei der der erfolgreiche Karl Schmidt sogarzum Verbandsvorsitzenden vorgeschlagen wurde. Aber er verzichtete zugunsten desbisherigen Vorsitzenden.

Havelstraße um 1890

Der letzte Streik der Rathenower Schiffszimmerer vor dem 1. Weltkrieg war 1912/13. Dieharte Auseinandersetzung mit den Werftbesitzern dauerte elf Wochen. Nur durch diesolidarische Hilfe untereinander und mit Hilfe des Verbandes konnte die Not in denFamilien überstanden werden. Um die Front der Unternehmer aufzuweichen, vermittelteder Verband den Einsatz einiger Kollegen in der Werft Einswarden an der Weser. „Bald“,berichtete Gustav Meier, „fragte die Werft in Rathenow an, ob nicht noch mehrRathenower Schiffszimmerer kommen könnten. Dies wurde den Unternehmern mitgeteiltund mit allem Nachdruck darauf hingewiesen, diesem Angebot zu folgen. Diese Drohunghalf. Sie wurden weich und begannen zu verhandeln.“ Es wurde erreicht, daß dieRathenower Zimmerer auf einen Stundenlohn von 40 Pfennig kamen.

Klassenkampf zum Schützenfest

Zwischen der Jahrhundertwende und dem Beginn des 1. Weltkrieges wuchs auch inRathenow die organisierte Arbeiterbewegung. SPD und Gewerkschaften bekamenbedeutenden Zuwachs. Diese Entwicklung, so schreibt Richard Regensburg im„Rathenower Heimatkalender 1964“ (bearbeitet von Joachim Freimuth), verstörte die

herrschende Klasse, die Unternehmerschaft Rathenows. Staatliche Gewalt, inner-betriebliche Sanktionen oder auch öffentliche Verleumdungen sollten die aufrührerischenGeister ruhig stelle. Ein Beispiel lieferte der „Boykott des Schützenplatzes“, wie der obengenannte Artikel überschieben ist.

Arbeiterquartiere

„Alljährlich zweimal wurden in Rathenow Schützenfeste gefeiert. Das Pfingstschießen undim August das Königsschießen boten Anlaß, große Rummel auf dem Gelände desSchützenhauses zu veranstalten. Diese Feste dauerten immer eine Woche. In dieser Zeithatten auch alle Einwohner der Stadt zum Gelände der Schützengilde freien Zutritt. Beidiesen Schützenfesten waren die Rathenower Bürger und insbesondere die Arbeiter gerngesehene Gäste, da sie mit ihren Groschen die Einnahmen der zahlreich anwesendenBudenbesitzer vergrößern halfen. Der Donnerstag nach Pfingsten wurde jedoch zumElitetag erklärt, und Herr Hubert Schuhmacher, Musikdirektor der Stadt Rathenow,konzertierte mit der Rathenower Stadtkapelle im Garten des Schützenhauses.“ An diesemTag wurde 50 Pfennig Eintritt verlangt.

„Nun gab es aber in Rathenow eine Vergnügungssteuerverordnung, die besagte, daß alleöffentlichen Veranstaltungen (…) mit 10% zu versteuern seien. (…) Die Herren Schützenversuchten nun, sich vor dieser Steuer zu drücken. Die Begründung, die dabei herauskam,zeigt uns so recht, mit welchen Mitteln die herrschende Klasse arbeitet, um einmal dieArbeiterbewegung herabzuwürdigen und sich selbst gleichzeitig durch dunkle Kanäleunberechtigte Einnahmen zu verschaffen. In der Stadtverordnetenversammlung ließen siedurch ihren Sprecher, den Baumschulenbesitzer Pfeil, die Befreiung von der Vergnügungs-steuer beantragen mit der Begründung, daß der eingesparte Betrag zur Bekämpfung derSozialdemokratie dienen sollte.

Ein Sturm der Entrüstung brach darauf unter der Arbeiterschaft aus. Und entschlossenwurden Gegenmaßnahmen eingeleitet. Genossen und Gewerkschafter besetzten dieEingänge des Schützenplatzes und empfahlen jedem Arbeiter, den Besuch desSchützenplatzes zu vermeiden. (…) Es spricht für das Klassenbewußtsein der Arbeiter,daß der überwältigende Teil von ihnen dem Schützenplatz fernblieb. Die Folge war, daßnun die Budenbesitzer bei der Schützengilde Sturm liefen und kein Standgeld bezahlenwollten. So ging es die ganze Woche. Dadurch wurde der Schützengilde ein beträchtlicherfinanzieller Schaden zugefügt.

Als wichtigste Gegenmaßnahme riefen Partei und Gewerkschaften danach zu einemgroßen Familienausflug zum Markgrafenberg auf. Mit Kind und Kegel zogen hunderteArbeiter dorthin. Ein Bammer Landwirt hatte seine abgemähte Wiese zur Verfügung

gestellt. Für die nötigen Getränke hatte die Brauerei gesorgt. Alles verlief in schönsterOrdnung und Harmonie. Als abends der Rückmarsch angetreten wurde, kam das dickeEnde nach. An der Chausseegabelung vor Neufriedrichsdorf hatten sämtliche Polizistenund Gendarmen der Stadt die Straße abgeriegelt und ließen niemanden durch. Alsomußte alles durch den Wald, um die Wohnungen zu erreichen. Was war der Grund zusolch ungewöhnlicher Maßnahme? Es hatte sich das Gerücht verbreitet, dieausgezogenen Arbeiter wollten bei ihrer Rückkehr den Schützenplatz stürmen. DiesesGerücht allein genügte, die Herren der Stadt so in Angst zu setzen, daß sie alles aufboten,um sich zu schützen. Selbstverständlich hatte niemand von den Arbeitern, die an diesemschönen Fest am Markgrafenberg teilnahmen, daran gedacht, eine solche Dummheit zubegehen.“Wer streute wohl das Gerücht? Was versprach man sich davon?

Ein Büttel der Herrschenden wird zum Gespött

Neue Schleuse (heute Rathenow-West) gehörte zum Kreis Jerichow II in der ProvinzSachsen. Aber natürlich gab es viel mehr Verbindendes mit Rathenow, und die Arbeiterpfiffen sowieso auf administrative Grenzen. Sie führten oftmals gemeinsameVeranstaltungen durch, so wie in dem geschilderten Reichstagswahlkampf.

Im Lokal „Sanssouci“ fand eine Wählerversammlung statt, von der der RathenowerHermann Keitel im „Heimatkalender des Kreises Rathenow 1960“ berichtete: „NeueSchleuse hatte damals keine eigene Polizei, deshalb kam die preußische Obrigkeit ausGroßwudicke in Person des Polizisten Bierhals. Redner in dieser Wahlversammlung warder sozialdemokratische Gewerkschaftssekretär Münsinger. Der Polizist Bierhals setztesich neben den Referenten und machte sich eifrig Notizen.“Bierhals vollzog also die staatliche Überwachung und achtete streng auf obrigkeits-kritische Äußerungen. Und obwohl die Versammlung ohne Störungen oder Einsprüche desBierhals verlief, erhielt Münsinger eine Vorladung vor Gericht wegen des Vorwurfs derMajestätsbeleidigung.„Es war selbstverständlich, daß viele Genossen aus Neue Schleuse und Rathenow alsZuhörer erschienen waren, um ihrem angeklagten Genossen den Rücken zu stärken.Belastungszeuge war der Polizist Bierhals, denn dieser hatte ja die Anzeige erstattet. DemGenossen Münsinger wurde zur Last gelegt, den deutschen Kaiser als 'Hexendiener'bezeichnet zu haben. Allgemeines Erstaunen und Protestgemurmel im Saal. Viele Zuhörerwaren in der Versammlung gewesen und hatten diese Äußerung nicht gehört. DerAngeklagte bestritt ganz entschieden, diese Redewendung gebraucht zu haben, gab aberzu, den deutschen Kaiser in seiner Rede erwähnt zu haben. Er bat um die Erlaubnis, diebetreffende Stelle aus seinem Manuskript vorlesen zu dürfen, denn er hätte dendeutschen Kaiser als 'höchsten Diener des' Staates' bezeichnet. Das wurde ihm gnädigstgestattet.

Münsinger war Schwabe und sprach unverfälschten schwäbischen Dialekt. Als nun derAngeklagte die bewußte Stelle vorlas, klang das in seiner schwäbischen Mundart wie'heksten Diener des Staates'. Da rief Bierhals: 'Ja, Herr Richter, so hat er gesagt, so hat ergesagt!' Großer Tumult bei den Zuhörern. Einer rief: 'Mensch, du hast ja'n Klaps!' DerVorsitzende drohte, den Saal räumen zu lassen.Als er das Urteil verkündete, war das natürlich der Freispruch. Aber er hielt danach vordem vollen Saal dem Polizisten Bierhals eine geharnischte Standpauke, 'er solle dasnächste Mal seine Ohren aufsperren und nicht wieder solche blöden Anzeigen ersttatten,die dem Gericht nur unnötige Kosten verursachten.So wurde dieser Majestätsbeleidigungsprozeß zur Komödie.“

„Ein späterer Vorgang zeigt ein weiteres Mal den beschränkten Diensteifer von Bierhals,diesem bewaffneten Vertreter der monarchistischen Staatsmacht.Zwei Genossen aus Neue Schleuse hatten in Großwudicke Flugblätter verbreitet undgingen anschließend in den Dorfgasthof, um sich zu stärken. Dort fanden sie denPolizisten Bierhals, der seiner Nebentätigkeit als Barbier nachging – natürlich in Zivil. Einweiteres Amt bekleidete er als Nachtwächter. Bierhals muß demnach schlecht bezahltworden sein, wenn er dazu verdienen mußte. Jedenfalls seifte er gerade den Gastwirt ein.Wenig später betrat ein Hausierer den Gasthof und bot den Gästen billige Waren an. Undda zeigte sich: Einmal Polizist, immer Polizist! Auch in Zivil, aber daran hat er in seinempreußischen Diensteifer wohl gar nicht gedacht. Bierhals spitzte sofort die Ohren, gingzum Hausierer und befahl in barschem Ton: 'Zeigen Sie mir sofort Ihren Wander-gewerbeschein!' Der Hausierer dachte: 'Was will denn dieser aufgeblasene Affe?' undhaute dem Bierhals eine saftige Ohrfeige.“

Die Sozialdemokratie als revolutionäre Kraft

Aus heutiger Sicht, mit der Kenntnis und der Erfahrung der Jahrzehnte, fällt es schwer,eine Kontinuität revolutionärer Bestrebungen der Sozialdemokraten zu erkennen. Dabeistand in den „Gründungsurkunden“ der SPD, dem Eisenacher Programm von 1869 underst recht im revolutionären Erfurter Programm von 1891, der Sozialismus als Ziel. Wieernst der Klassengegner das nahm, zeigte 1878 die panische Reaktion der Herrschendenmit Bismarcks „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozial-demokratie“, dem Sozialistengesetz. Das ging jedoch nach hinten los. Die RathenowerArbeiter gründeten 1889 in der Neufriedrichsdorfer Gaststätte „Grüne Linde“ ihrenOrtsverein der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (ab 1890 SozialdemokratischePartei Deutschlands). Als im folgenden Jahr das Sozialistengesetz wegen seinerUnwirksamkeit aufgehoben werden mußte, war der Reaktionär Bismarck trotz seinerPolitik von „Zuckerbrot und Peitsche“ gescheitert. Und die Rathenower Sozialisten hattenbereits ihre feste Struktur. Alle schon geschilderten nachfolgenden Kämpfe der Arbeiterfanden die Unterstützung und zumeist auch ihre Führung durch die SPD.

Nach Wilhelm Liebknecht und August Bebel gelangten Revisionisten – also die einerevolutionäre Zielsetzung in Frage stellenden Funktionäre – in die führenden Positionender SPD. Die heftige Auseinandersetzung mit Ferdinand Lassalles Losung vom friedlichenHineinwachsen in den Sozialismus „Mit dem Stimmzettel in den Sozialismus!“, die auchmehrfach in Rathenow mit Lassalle stattgefunden hatte, war vergessen. Nun strebte maneine „soziale Demokratie“ an.

Der Opportunismus der Partei führte 1917 zur Abspaltung des revolutionären Flügels, dersich als Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) konstituierte. Inder USPD bildete sich die Spartakusgruppe/der Spartakusbund um Karl Liebknecht undRosa Luxemburg. Sie forderten unverzügliche revolutionäre Aktionen zur Beendigung desWeltkrieges und zum Sturz der Monarchie, um mit dem Rätesystem eine sozialistischeRepublik Deutschland zu errichten. Im November 1918 begann die Revolution.Dem Spartakusbund fehlte eine reichsweite Struktur, die USPD hielt nach dem Sturz desKaisers inne, die revolutionsunwilligen SPD-Spitzen rissen die Führung an sich. Die„Burgfriedenspolitiker“ Friedrich Ebert, Philipp Scheidemann, Gustav Noske undGenossen paktierten mit der Reaktion. Sie verrieten die Novemberrevolution. So wurde ander Jahreswende 1918/1919 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) gegründet.

In Rathenow gründeten Otto Weber, Karl Gehrmann, August Klopprogge und FriedrichHerrmann, die schon die hiesige Spartakusgruppe gebildet hatten und im Arbeiter- undSoldatenrat aktiv waren, am 9. Januar 1919 die Ortsgruppe der Kommunistischen Partei.

Ergänzende Schilderungen finden sich bei Drei Revolutionen – die Novemberrevolution 1918/19und inDie Rathenower Parteien zwischen Kaiserreich und Hitlerdiktatur 1918 bis 1933.sowie inNazizeit in Rathenow – vom Aufstieg und Untergang eines Verbrechersystems

alle auf den Seiten der LINKEN-Ortsverband Rathenow

Die Kämpfe der Arbeiter nach der Novemberrevolution

Die Abwehr des Kapp-Putsches

Not, Hunger und Elend hatte der Erste Weltkrieg über die Menschen gebracht. Dermillionenfache Tod an den Fronten führte zum Aufruhr, der Aufstand der Matrosen inWilhelmshaven und Kiel wuchs zur Volksbewegung. Die Novemberrevolution stürzte 1918den Kaiser und beendete den Krieg. Die „Kaisersozialisten“ der SPD setzten sich an die Spitze der Aufbegehrenden undwürgten die Revolution ab. Friedrich Ebert hatte erklärt, er hasse die Revolution wie diePest. Gustav Noske war bereit: „Einer muß der Bluthund werden.“ Zuerst mussten die Arbeiter- und Soldatenräte als Form einer Demokratie von unten weg.Da traf man sich mit den Vorstellungen der Bürgerlichen: Parlamentarismus, weiter kamnichts in Betracht. Doch die Monarchisten und Reaktionäre aller Schattierungenbekämpften diese „Schwarz-Rot-Mostrich-Republik“.

Nach der Niederlage der Revolutionäre bei den Januarkämpfen 1919 in Berlin ging dieReaktion Anfang 1920 zum Angriff über. Der Königsberger Regierungspräsident Kapp undGeneral von Lüttwitz inszenierten ihren Putsch zur Errichtung einer militär-faschistischenDiktatur. Die Regierung Bauer (SPD) sollte gestürzt werden, Kapp sollte Reichskanzlerwerden. Das war der Befehl an die Freikorps, die Ebert erklärtermaßen als „zuverlässigeTruppen“ gegen die Rätedemokratie verwenden wollte. Aber die putschten nun auchgegen die vorübergehenden Verbündeten. Wie lief das in unserer Region?

In der Nacht zum 13. März 1920 marschiert u. a. die Brigade Ehrhardt aus dem LagerDöberitz auf Berlin. Sie grölen ihr Lied: „Hakenkreuz am Stahlhelm, schwarz-weiß-rotesBand, die Brigade Ehrhardt werden wir genannt. Die Brigade Ehrhardt schlägt alles kurzund klein, wehe dir, wehe dir, du Arbeiterschwein!“ Der Marschweg hinterläßt eineBlutspur. Die Regierung flieht nach Dresden und weiter nach Stuttgart. Kapp läßt sich durch dieMeuterer zum Kanzler proklamieren. Und sofort solidarisiert sich die rechts-extremeDeutschnationale Volkspartei mit den Putschisten. Die ersticken jeden Widerstand mitWaffengewalt.

Allen ist nun klar: Die Revolution ist in Gefahr, die Republik ist in Gefahr!Sozialdemokraten, Unabhängige SPD-ler und Kommunisten rufen zum Generalstreik, dieGewerkschaft ADGB schließt sich an. Alle Räder stehen still…

Der Rathenower Sozialdemokrat Gustav Meier will am 13. März zur Hochzeit seinesSohnes in ein Dorf bei Stendal fahren. Auf dem Bahnhof begegnet ihm der SPD-StadtratKarl Priefert, der aus Berlin kommt. Er rät Meier: „Bleib zu Hause, du kommst nichtzurück.“ Natürlich fährt Gustav dennoch. Am späten Abend wird der Tanz unterbrochen.„Es fährt kein Zug mehr!“ Gustav Meier läuft die Strecke zum Stendaler Bahnhof. Mitten inder Stadt werden Maschinengewehre, Gewehre, Handgranaten und Munition an Arbeiterausgegeben, der Verkehr ruht schon zum Teil. In Rathenow werden Gustav Meier und dieanderen Männer von Genossen in Empfang genommen, die sie zum Volksgarten (demspäteren Sportpalast) schicken. Der ist bis auf den letzten Platz besetzt. Die Versammlungberät und beschließt, eine Delegation solle die Kaserne in der Bahnhofstraße aufsuchen,um die reaktionäre Truppe aus dem Putsch herauszuhalten. Nach zähen Verhandlungenmit den Offizieren wird den Unterhändlern die vorläufige Neutralität der RathenowerTruppenteile zugesagt. Es kommt zu keinen bewaffneten Aktionen in unserer Stadt.Der politische Generalstreik beendet den Spuk nach fünf Tagen.

Nach dem Scheitern des Putsches bleibt Unsicherheit auf allen Seiten. Die RathenowerFabrikanten sind sich ihrer Betriebe nicht so sicher, die politischen Eliten wissen nicht, obsie ihre Posten loswerden würden. Die Arbeiter sind nicht sicher, ob die Ausbeutungs-verhältnisse verschärft würden oder ob sie die ökonomische Macht der Herrschendenantasten könnten. Auf die SPD konnte man sich nicht verlassen, die Kommunisten warenvielen zu radikal, die bürgerlichen Parteien krochen schon wieder in Position. DieGerüchteküche kochte.

„Man sprach von der Überleitung der Fabriken in das Eigentum der Belegschaften und vonder Verwaltung der Unternehmen durch die Betriebsräte: Schulze & Bartels sowie Rapschsollten enteignet worden sein“, berichtete später ein verunsicherter Beamter. AmSonnabend, dem 27. März 1920 (das ist zehn Tage nach dem Kapp-Putsch), wird mittagseine „Versammlung der Kommunisten und Spartakisten“ auf dem Stadthofplatz gemeldet.Nach der Kundgebung würde das Rathaus gestürmt und das gesamte Geld der Stadtbeschlagnahmt, heißt es. Da muß die Stadtverwaltung handeln! Flugs werden alleGehälter ausgezahlt, damit den Spartakisten bloß nichts in die Hände fällt. Und dieBeamten haben am Nachmittag Dienst: Handgranaten und Maschinengewehre werdenausgegeben, um das Rathaus zu schützen. Eine Polizeistaffel wird als Spähtrupp zumStadthofplatz geschickt, bei einem treuen Bürger gucken sie durch die Gardinen. Siemelden um 13 Uhr, dass 700 Leute den Reden der Versammlung folgen. Um 15 Uhrerreicht das Gerücht von 20.000 Menschen, die zum Rathaus marschieren, dieVerteidiger. Jetzt wird es ernst. Gefechtsbereitschaft! Der Hofdruckereibesitzer, das kannnur Walter Babenzien sein, führt mit einem Gerichtsassessor, einem Manufakturisten undeinem Direktor das Kommando. Ein Oberförster macht das schwere MG fertig und richtetes auf die Schleusenbrücke. Zwei Eimer Wasser zum Kühlen stehen bereit. Aber dieerwarteten Rathausstürmer kommen nicht. Die Leute sind friedlich nach Hause gegangen.Der Kampf ums Rathaus fällt aus. (Nach „Rathenower Zeitung“, v. 4.1. u. 5.1.1929)

Der oben genannte Hermann Ehrhardt tauchte unter und trieb weiter sein Unwesen mit rechtsextremenGruppen wie der Organisation Consul, die die Politiker Erzberger und Rathenau ermordete. 1933 wirdgemeldet, dass er das Gut Klessen gekauft hat. Vorbesitzer war der Graf von Bredow, der bereits 1929Kreisleiter der Nazipartei war. „Ehrhardt bekennt sich zur NSDAP“, teilt die SS-Reichsführung mit. Er habesich, so heißt es in der „Westhavelländischen Tageszeitung“ vom 28. Juni 1933, als Mitglied der Hitlerpartei„mit seinem Wehrverband, der Brigade Ehrhardt, dem Reichsführer SS unterstellt.“ Nazis unter sich. –

1920 hat das geeinte Handeln der Arbeiterparteien und der Gewerkschaft mit dem größtenGeneralstreik der deutschen Geschichte den frühen Faschismus verhindert. Einegeschichtliche Lehre, die wir nicht vergessen sollten.

Januarkämpfe 1919 in Berlin: Freikorps schlagen die Revolutionäre nieder

Kapp-Putsch 1920: Freikorps im Dienst der Putschisten

Kämpfe in Mitteldeutschland 1920: Gefangene Kämpfer der Arbeiterwehren

Der Höhepunkt der Revolutionären Nachkriegskrise:

Das Jahr 1923

Quelle: Heinz Habedank „Zur Geschichte des Hamburger Aufstandes 1923“ Dissertationsschrift Dietz Verlag Berlin 1958, ab S.40

Die verstärkte Ausbeutung der Werktätigen, zusätzlich die grassierende Inflation, diesinkenden Reallöhne, die Hunger-Unruhen, die Provokationen durch nationalistische undfaschistische Verbände, führten zur Revolutionären Nachkriegskrise 1919 bis 1923. Dieunterdrückten Klassen wehren sich: Bei Demonstrationen fordern sie ihre demokratischeMitsprach ein. Sie führen ihren ökonomischen Kampf gegen die kapitalistischen Unter-nehmen als Streiks, die zunehmend auch politische Ziele formulieren: „Schlagt Cuno undPoincaré an der Ruhr und an der Spree“.

Eine Übersicht über die Kämpfe:März: Oberschlesien – 40.000 Bergarbeiter gegen Terror und für Wiedereinstellunggemaßregelter revolutionärer Betriebsräte.Dortmund – Forderung nach Ausgabe von Kohlen an die frierende Bevölkerung.1. Mai: In allen Städten marschieren proletarische Hundertschaften an der Spitze derDemonstrationen.Mai – 40.000 Berg- und Hüttenarbeiter streiken im Ruhrgebiet. In Gelsenkirchenprovozieren Faschisten Straßenkämpfe. Bewaffnete Hundertschaften der Arbeiter stürmendas Rathaus und fordern den Sturz der Reichsregierung. 100.000 Berg- und Hüttenarbeiter streiken in Schlesien.120.000 Landarbeiter streiken in Schlesien um elementare Lebensrechte.August – Die streikenden Arbeiter des Braunkohlenreviers Borna fordern den Sturz derCuno-Regierung. 11. August – Die Berliner Betriebsrätekonferenz beschließt den Generalstreik zum SturzCunos; am 12. August tritt Cuno zurück.12. September – Hungerdemonstration in Dresden zum Rathaus. Die Polizei knüppelt undschießt – 13 Schwerverletzte.13. September – Beuthen in Schlesien: Hungerdemonstration, Plünderung vonLebensmittelläden. Polizei schießt in die Menge: 7 Tote, 30 Schwerverletzte.22. September – 100.000 bei Hungerdemonstration in Gleiwitz, Schlesien. Polizeiterror.22. September – Hamburg: Einstündiger Generalstreik gegen die Verelendung derWerktätigenSeptember – Sorau/Niederlausitz: Kurzarbeiter demonstrieren gegen Hungerlöhne,Polizei schreitet ein: 12 Tote, 16 Schwerverletzte.September – in Hessen streiken Zechenarbeiter, in Braunschweig demonstrierenErwerbslose, in Bayern weigern sich Eisenbahner mit Erfolg, bewaffnete faschistischeVerbände zum geplanten „Marsch auf Berlin“ zu transportieren.14. September – 2.000 Bauarbeiter und weitere badische Textilarbeiter protestieren inLörrach gegen Lohndrückerei. 15.000 Arbeiter demonstrieren vor dem Bezirksamt. DieStaatsgewalt beschwichtigt. In der Nacht zum 17. September besetzen PolizeieinheitenLörrach und Umgebung. Der Streik mündet in den bewaffneten Kampf gegen diePolizeitruppen, zwei Tage Barrikadenkampf. Generalstreik der oberbadischen Arbeiter.Aktionseinheit KPD/SPD, Gemeinsamer Kampf von Nordbaden bis zur Schweizer Grenze.Der Ausnahmezustand wird verkündet über Lörrach, Schopfheim, Schönau undSäckingen, am 19. September erweitert auf Heidelberg, Mannheim, Schwetzingen,Weinheim, Durlach, Karlsruhe, Ettlingen, Rastatt, Lahr, Emmendingen, Freiburg,

Mühlheim, Waldshut und Konstanz. Die Arbeiter erzwingen trotzdem den Abzug derPolizei.

Wie verhalten sich die führenden Köpfe der herrschenden Klasse? Hugo Stinnes, Deutsche Volkspartei (DVP), erklärte in der Sitzung seinerReichstagsfraktion am 12. September: „In vierzehn Tagen werden wir den Bürgerkrieg haben, Hilferdings Programm kann ihnnicht verhindern. Mehr arbeiten, Zahlungsmittel schaffen, Sachsen und Thüringenexekutieren. Kein Tag darf verlorengehen, sonst wird die Straße das Kabinett Stresemannstürzen.“

Zur Erklärung: Hugo Stinnes (DVP), Großkapitalist in der Montanindustrie, Antikommunist, finanziertedie Konterrevolution. Er stand für eine diktatorische Herrschaft des Großkapitals.Rudolf Hilferding (SPD), unter Gustav Stresemann Minister für Finanzen (13. August bis6. Oktober 1923). Das von Stinnes genannte „Programm“ sollte offensichtlich diekapitalistische Herrschaft konsolidieren. *)Sachsen und Thüringen nahmen Kurs auf eine Koalitionsregierung SPD/KPD – eine„Arbeiterregierung“ als Reaktion auf das Erstarken rechter Kräfte und die Bedrohungdurch die faschistischen Kräfte in Bayern (der Hitler-Putsch folgte und scheiterte inMünchen am 9. November 1923). Die Regierung in Sachsen unter Erich Zeigner (SPD)bildete proletarische Hundertschaften als Schutzorgan, was die Reichsregierung als„revolutionäre Vorbereitungen“ betrachtete. Reichspräsident Friedrich Ebert, SPD, erließeine Notverordnung zum Einsatz der „Reichsexekution“, entsandte Truppen derReichswehr zur Beseitigung der „Arbeiterregierungen“ in Sachsen am 29. Oktober und inThüringen am 6. November 1923.Reichskanzler Stresemann (DVP) wird danach durch ein Mißtrauensvotum der SPD (imReichstag) gestürzt.

*) Daß Hilferding 1934 für die Exil-SPD (SoPaDe) arbeitet und für deren Vorstand unter Wels das „PragerManifest“ schreibt, in dem Lehren aus dem Versagen der SPD und Schlußfolgerungen für eine künftigesozialistische Politik gezogen werden, läßt ein zumindest vorübergehendes Einsehen vermuten. Hilferdingwird von der Gestapo in Paris umgebracht.

Stinnes erläuterte wenige Tage nach dem 12. September dem amerikanischen BotschafterHoughton: Die gesamte Lage erfordere die Kapitulation an Rhein und Ruhr (derKapitalisten unter dem Druck der bewaffneten Ruhrkämpfe und des passivenWiderstandes gegen die französischen Besatzer). Da aber die deutschen Arbeiter trotz derzerrütteten Wirtschaft nicht auf die Einführung eines normalen Zehnstundentageseingehen werden, müsse ein Diktator gefunden werden, der sie dazu zwinge. Ein solcherMann, der die Sprache des Volkes rede und selbst bürgerlich sei, stehe bereit. Eine große,von Bayern ausgehende Bewegung, entschlossen, die alten Monarchien wiederherzustellen, sei in zwei bis drei Wochen zu erwarten. Der Plan, den Stinnes entwarf, gründete sich auf folgende Überlegungen: Mitte Oktoberwerde es in Deutschland drei oder möglicherweise vier Millionen Arbeitslose geben. DieKommunisten würden versuchen, diese Lage zum Ausbruch einer Revolutionauszunutzen. Ebert (Reichspräsident, SPD) werde bei Beginn der kommunistischenOperationen einen Mann oder, wenn möglich, ein Komitee von drei Männern als Diktatorernennen und ihnen die militärische Gewalt übertragen; dann sei die parlamentarischeRegierung zu Ende. Danach gelte es, die Kommunisten rücksichtslos zu zerschmettern.Er, Stinnes, wünschte, daß die Kommunisten begännen.

Quelle: George W.F. Hallgarten, „Hitler, Reichswehr und Industrie“ Zur Geschichte der Jahre 1918-1933,Frankfurt am Main 1955, S. 65-68, zitiert bei Hans Habedank in „Zur Geschichte des Hamburger Aufstandes“

Am 23. Oktober 1923 begannen die Kommunisten den Hamburger Aufstand, der diesächsische Arbeiterregierung gegen die Konterrevolution stützen und retten sollte. Erscheiterte, weil er nicht das Signal zum allgemeinen Aufstand wurde und die Hamburgerisoliert blieben. Stinnes' Wunsch ging in Erfüllung.

Es begann die Periode der relativen Stabilisierung des Kapitalismus in Deutschland.

Die Nationalen hetzen gegen die „Kommune“. Die Sozialdemokraten pflegen ihre Abneigung gegen die Kommunisten.

Rathenower Zeitung vom 4. Dezember 1926

Der Stadtverordnete Hermann Bolle (DNVP, Roonstr. 10) beabsichtigt eine Anfrage inder nächsten SVV-Sitzung – gerichtet an den SVV-Vorsitzenden Otto Warneke:

„National gesinnte Arbeitslose beklagen sich … darüber, dass fortgesetzt in denstädtischen Räumen des Arbeitsnachweises politische Propaganda getrieben wird.So ist z.B. im Arbeitsamt am Dienstag, 23. November, ein Werbeflugblatt des„Reichsbanners“ verteilt worden, und am Donnerstag, 2. Dezember, ein diewüstesten Beschimpfungen enthaltendes Flugblatt des „Roten Frontkämpferbundes“,verantwortlich gezeichnet von Herrn Gehrmann. … Wie gedenkt der Magistrat die …durch den Herrn Magistratsdezernenten Stadtrat Priefert gemachte Zusage, jedepolitische Propaganda im Arbeitsamt zu unterbinden, nunmehr endlich in die Tatumzusetzen?“

SVV: Stadtverordnetenversammlung.Otto Warneke (geb. 1878), Buschplatz 3, war Vorstandsmitglied des SPD-Orts-vereins Rathenow.„Reichsbanner“ (RB) war die Wehrorganisation der SPD.„Roter Frontkämpferbund“ (RFB) war die Wehrorganisation der KPD.Karl Priefert (1879-1961) war Vorstandsmitglied des SPD-Ortsvereins Rathenow.

Brandenburger Zeitung vom 4. März 1927(Sozialdemokratisches Blatt mit Rathenow-Teil)

Bericht über die Parteiversammlung der SPD am letzten Mittwoch im RathenowerGewerkschaftshaus (Gr. Hagenstraße).Der letzte Tagesordnungspunkt ist der Bericht der SVV-Fraktion. Genosse Szillatberichtete, wie stark die bürgerliche Fraktion nur Interessenpolitik für eine dünneSchicht betreibt, während die Kommunisten nur allzu gern ungehemmte Agitationmachen und dabei stets der Arbeiterschaft schaden, statt zu helfen.

Die antikommunistische Grundhaltung der SPD kennzeichnet ihre Haltung währendder gesamten Weimarer Republik. Sie zeugt neben politischer Ignoranz auch vonihrer Überheblichkeit gegenüber der anderen Arbeiterpartei.Die KPD hatte mit dem Wahlergebnis vom 7.12.24 mit 9% (= 2,7 Millionen Stimmen)45 Abgeordnete in den Reichstag entsandt.1932 wählten in Rathenow 2.822 Wahlberechtigte KPD (SPD = 7.166). Im KreisWesthavelland wählten 3.321 Stimmberechtigte KPD (SPD = 7.079). Am 6.11.1932 errang die KPD reichsweit 16,9% und damit 100 Sitze im Reichstag(+11). Die SPD erhielt 20,4% und damit 121 Sitze (-12).Dieses Wahlergebnis bedeutet Augenhöhe. Aber die SPD verweigerte jeglichegemeinsame Aktionen gegen den aufgekommenen Faschismus.Drei Monate später war Hitler Reichskanzler.

1927

Das Sprachrohr der Nazis in Rathenow war die „Westhavelländische Tageszeitung“(Westh.TZ). Aus ihren Meldungen lässt sich die politische Situation der nur langsamwachsenden Nazipartei nachvollziehen.

Die NSDAP und insbesondere ihre Terrorgruppe „Sturmabteilungen“ – SA – hattenein enges Bündnis mit den sogenannten Deutschnationalen der DNVP und dernationalistischen, völkischen Wehrorganisation „Stahlhelm“. Die Aufmärsche bei den„Stahlhelmtagen“ dienten der Demonstration nationalistischer Gesinnung und desMachtstrebens der rechten Kreise.

Im Vorfeld der „Stahlhelmtage“ am 7. und 8. Mai 1927 in Berlin verkündete dersozialdemokratische Polizeipräsident Zörgiebel die „ständige Alarmbereitschaft“seiner Polizei und verbot schon mal im Voraus „kommunistische Demonstrationen“.Wollte er damit dem Terror der Nazis den Weg verlegen, die immer frecher agiertenund brutal gegen ihre Gegner vorgingen?

Am 6. Mai 1927 meldete die „Westh. TZ“, dass ein Berichterstatter (ein Reporter –aber nicht der „Westh.TZ“!) in einer Berliner NSDAP-Versammlung mit Bierseidelnmisshandelt und aus dem Saal geworfen wurde. Bei der gleichen Versammlung wäreder evangelische Pfarrer Struwe wegen eines Zwischenrufes blutig geschlagenworden. Die Polizei nahm daraufhin 29 Täter „vorübergehend“ fest. Der Polizei-präsident erklärte „auf Grund der Reichsverfassung“ die „NSDAP mit ihrenUnterorganisationen, Sportabteilungen und Schutzstaffeln (das ist die SS; D.S.), NS-Freiheitsbund, NS-Studentenbund, Deutsche Arbeiterjugend (Hitler-Jugend)“ als„aufgelöst“. Gleichzeitig wurde der „Gau Berlin-Brandenburg der National-Sozialisten“ als Organisationsstruktur verboten. Deren Antwort war am folgenden Tagder erste Brandanschlag auf die Rathenower Synagoge.

Am 7. Mai 1927 veröffentlichte die Zeitung demonstrativ als Bildnachrichten „AdolfHitler im Kreis seiner Berliner Getreuen“ und ein Bauplatzfoto „Das Tannenberg-Denkmal wird gebaut“, dieses von den Nazis später für ihre Weihefeste genutztevölkisch-nationale Mal in Ostpreußen.

Die Rathenower Stadtverordnetenversammlung trug dem zunehmenden Naziterror,der durch die brennende Synagoge unübersehbar war, Rechnung. Sie brachte am10. Mai im Nichtöffentlichen Teil „Beamtensachen“ den Antrag auf Entlassung des inder Stadtkasse tätigen Erich Daluege als verantwortlicher Leiter der Nazis unsererStadt wegen deren terroristischen Umtrieben ein. Der Stadtverordnete Bolle (DNVP)beantragte die Ablehnung in einer Erklärung von vier Abgeordneten der Bürger-Fraktion, die „mit sozialdemokratisch-kommunistischer Mehrheit“ zurückgewiesenwurde. Von denen nannte die Zeitung scharfmacherisch die Abgeordneten Görn undWeber (KPD), Scharein und Szillat (SPD). Erich Daluege musste den Staatsdienstund Rathenow verlassen. (Der Bruder Kurt Daluege hatte 1925 die „Frontbann“-Gruppe in Rathenowgegründet und war mit Erich D. Initiator der Rathenower NSDAP-Gründung am 8.März 1926. Er wurde als Heydrichs Nachfolger für seine Verbrechen in Prag 1946zum Tode verurteilt und hingerichtet.)

Im Verwaltungsbericht des Magistrats wurden die Vertreter der Stadt Rathenow in den Körperschaften benannt.

Im Preußischen Staatsrat agierten Landrat von Bredow und Stadtrat Priefert (SPD).

(Einer der vielen Bredows, nämlich der Graf aus Kleßen, wurde 1929 neuerKreisleiter der Nazis für den bisherigen, Fritz Krause, der als erster NSDAP-Mann inden Kreistag einzog. Aus Kleßen wird von der „Westh. TZ“ am 28. Juni 1933gemeldet: „Kapitän Ehrhardt bekennt sich zur NSDAP“, habe die Reichsführung derSS mitgeteilt. Er wäre „persönlich in die Partei eingetreten“ „und hat sich mit seinemWehrverband, der Brigade Ehrhardt, dem Reichsführer SS unterstellt“. Einer derübelsten rechten Putschisten der Weimarer Republik, z.B. beim Kapp-Putsch, hattesich offiziell den Braunen angeschlossen. Er hatte – gemäß der Meldung – seinenUnterschlupf auf dem Gut Kleßen. Im „Rathenower Heimatkalender 2010“ wirdbestätigt, dass Ehrhart das Gut Kleßen gekauft hatte. Offenbar direkt von seinemNazikumpan v. Bredow.)

Mitglieder des Preußischen Landtages waren die Rathenower Paul Szillat (SPD)und Karl Gehrmann (KPD), im Provinzialausschuß vertraten OberbürgermeisterLindner (DVP), Otto Weber (KPD) und Emma Sydow (SPD) die Stadt.

*

Schon im Juni 1927, es waren seit den oben geschilderten Vorgängen gut vierWochen vergangen, kam es zum „Kommunistenterror in Rathenow“, wie die „Westh. TZ“ reißerisch verkündete. Sollten die schlimmen Machenschaftender Nazis durch die Schreiberlinge abgemildert werden? Das war geschehen:

Wieder einmal wollte der „Stahlhelm“ provozieren. Diesmal – am Sonnabend, dem11. Juni – in der Arbeiterhochburg Rathenow. Am Abend marschierte er mitklingendem Spiel in einem Fackelzug zum „Waldschloß“, um dort einen Film vom7./8. Mai vorzuführen: „Der Stahlhelm in Berlin“. Die Sozialdemokraten waren für eine gemeinsame Aktion nicht zu haben, alsoorganisierten die Kommunisten den Widerstand, um die Veranstaltung zu verhindern.Mit Sprechchören protestierend begleiteten sie den Zug, bewarfen ihn mit Steinen(und Eisenstücken, wollte es einer später ganz genau wissen). Einige junge Leutewaren auf die Bäume am Rand der Straße geklettert und störten die Militaristen vonoben. Vor dem Waldschloß, so später Bürgermeister Dr. Hagen, hätten sich die„Kommunisten zusammengerottet“, der Steinhagel hätte einen verletzten Polizistenund eine „im Krankenhaus behandelte Frau“ zur Folge gehabt. Fensterscheiben derGaststätte wurden eingeworfen.

Das Nachspiel zelebrierten die Bürgerlichen eine Woche später in der Stadtverord-netensitzung. Der Deutschnationale Bolle forderte einen Bericht des Magistrats überdie Vorgänge. Bürgermeister Dr. Hagen „erwartete schwere Bestrafung“, Bollebeantragte Entschädigung für die zerschlagenen Instrumente. Otto Weber, derOrganisator der Gegendemonstration, hielt eine flammende Rede gegen dieRechtsradikalen und schloß: „Nieder mit dem Stahlhelm, nieder mit den Faschisten!“Dann nahm der SPD-Mann Paul Szillat das Wort. Er erklärte, der „Stahlhelm“ habedas Recht auf Straßenumzüge. Er empfahl den Kommunisten, „mehr den Kampf mitgeistigen Waffen zu führen, was die deutsche Sozialdemokratie schon seit 60 Jahrengezeigt“ hätte. Da stellt man sich – besonders angesichts der Arensdorfer Vorgänge um das„Reichsbanner“ – schon Fragen! Aber dazu genauer:

In der Landtagssitzung am 1. Juli 1927 stand die Große Anfrage der SPD wegen desÜberfalls auf Mitglieder des „Reichsbanners“ (RB) in Arensdorf durch Angehörige vonRechtsverbänden zur Debatte. Damit verbunden stellten die KPD eine GroßeAnfrage wegen Überfällen des „Stahlhelm“ auf RFB-Mitglieder („Roter Frontkämpfer-bund“, die Wehrorganisation der KPD) und die DNVP eine Anfrage zu einem Überfalldes RFB auf den „Stahlhelm“ in Rathenow.

In Arensburg bei Erkner war der 19-jährige RB-Mann Karl Tietz ermordet worden.Der SPD-Abgeordnete Krüger bezeichnete den Junker Udo von Alvensleben aufArensdorf als Hintermann und den alten Schmelzer als intellektuellen Urheber:„Deutsch-Nationale scheuen bei ihrem Kampfe gegen die Republik nicht vor derBegünstigung feiger Mörder zurück.“ Der DNVP-Mann Wiedemann provozierte:„Unverschämte Kerls, Moskowiterbande!“ Darauf folgte ein „Faustkampf im Landtag“,wie die „Westh. TZ“ titelte. An der Schlägerei Beteiligte wären der SozialdemokratMeier, die Kommunisten Karl Gehrmann und (die dabei verletzten) Schubert und

Kellermann sowie die Deutschnationalen Hecker und Könnelke gewesen. DieSitzung wurde abgebrochen.

Wie die Sozialdemokraten mit ihrer Beschwichtigungspolitik gegenüber den rechtenTodfeinden der Demokratie agierten, erfahren wir aus dem „Rathenower Tageblatt“,das als „Volksblatt für Rathenow, Westhavelland und Umgegend“ firmiert und„Publikationsorgan der SPD, freien Gewerkschaften und Arbeitervereine“ ist.Herausgeber und leitender Redakteur ist Friedrich Ebert, von dessen„Brandenburger Tageblatt“ die hiesige Zeitung ein regionaler Ableger ist. Am 4. Januar 1930 schreibt das Blatt unter der Schlagzeile „Die Schule des Mordes“über die Verbrechen der Nazi-Führer. Am 29. Dezember 1929 hatten Angehörige derSA-Stürme 5, 25 und 27 im „Wiener Garten“ in Berlin einen Angriff auf dieKommunisten verabredet. In der Folge beschossen sechs bis zehn Mann vier KPD-Angehörige, die aus dem KPD-Verkehrslokal Görlitzer Straße kamen. WalterNeumann erlag am 1. Januar seinen Verletzungen. Die SA-Männer Walter Rieck undOtto Born wurden als Täter festgenommen, sieben weitere dem Polizeipräsidiumzugeführt. Der Kommentar des „Rathenower Tageblatts“: „Kommunisten undHakenkreuzler schlachten sich gegenseitig ab!“

Wofür man heute in Kenntnis der Geschichte kein Verständnis aufbringt, hat seinenGrund in der sozialdemokratischen Grundeinstellung dieser Zeit: Kommunisten sinddie linken Feinde der Weimarer Republik und der Demokratie. Dieser Antikommunis-mus war auch unter den Rathenower Sozialdemokraten weit verbreitet, waszwangsläufig zu einer Unterschätzung der faschistischen Gefahr führte. Wir findendafür Belege in der sozialdemokratischen Zeitung.

Im Januar 1930 erschreckt die Regierungsbildung in Thüringen alle klar sehendenDemokraten. Auch das „Rathenower Tageblatt“ ist erschrocken: „Putschist als Innen-minister“. Mit der Ernennung von Dr. Frick (NSDAP) zum Innenminister der„thüringischen Rechtsregierung“ wäre „der Bock zum Gärtner gemacht“ worden.Frick war als Drahtzieher des Hitlerputsches 1923 schließlich wegen Hochverratesverurteilt worden.

Wenig später, im Februar, titelt das Blatt „Was wird, wenn Hugenberg und Hitlerregieren?“ Anlaß ist das Auseinanderbrechen des Rechtsblocks Seldte („Stahlhelm“)– Alfred Hugenberg (DNVP) – Adolf Hitler (NSDAP), weil Seldte wohl eigene Zieleverfolge. Und ein weiterer wichtiger Anlaß sind die Verhandlungen des Völkerbundesin Den Haag, also wesentlich die Siegermächte des 1. Weltkrieges. Sie argwöhnen,dass die Rechtsparteien – wenn sie regieren – „den Young-Plan zerreißen“. ZehnTage, so die Zeitung, beschäftigte sich „der Haag“ mit der deutschen Frage, was alsunbegründet bezeichnet wird, aber auch „die Schwäche des Haag“ kennzeichnet.„Die neuen Brüder Alfred und Adolf könnten sich ins Fäustchen lachen über dieunerwartete Aufwertung, (...) als wenn damit zu rechnen sei, dass sie jemalsDeutschland beeinflussen könnten.“

Welch fatale Fehleinschätzung! Welche Folgen!

„Rathenower Tageblatt“ (SPD-Blatt „Brandenburger Tageblatt“, örtl. Ausgabe für Rathenow) Eine zusammenfassende Übersicht von Nachrichten und Berichten - 1927 bis 1934

5.5.1927(Vorausgegangen war Folgendes: In einer Nazi-Versammlung in Berlin war ein Berichterstatter mit Bierseidelnmisshandelt und aus dem Saal geworfen worden. Der evangelische Pfarrer Struwewurde nach einem Zwischenruf blutig geschlagen. Die Polizei nahm 29 Tätervorübergehend fest.)Verbot kommunistischer Demonstrationen von KPD und RFB am „Stahlhelmtage“ amSa/So 7./8. Mai 1927. Zörrgiebel verkündet ständige Alarmbereitschaft der BerlinerPolizei.

6.5.1927Gau Berlin-Brandenburg der National-Sozialisten verboten.Polizeipräsident: „Auf Grund der Reichsverfassung“ wird die „NSDAP mit ihrenUnterorganisationen, Sportabteilung, Schutzstaffel, NS-Freiheitsbund, NSStB,Deutsche Arbeiterjugend (Hitler-Jugend) aufgelöst.“

Anzeige: Öffentliche Sitzung der SVV am Dienstag, 10. Mai 1927, 17 Uhr. In Punkt 14 – Nichtöffentliche Sitzung – „Beamtensachen“ (Fall Erich Daluege). SVV-Vorsteher Warnecke.

12.5.1927(bezogen auf obigen Punkt) Der Stadtverordnete Bolle (DNVP) beklagt in einerErklärung für vier Stadtverordnete, dass die von der Bürger-Fraktion beantragteAblehnung „mit sozialdemokratisch-kommunistischer Mehrheit abgelehnt wurde.“

12.5.1927Verwaltungsbericht des Magistrats: „Die Vertretungen der Stadt Rathenow“Preußischer Staatsrat: Landrat von Bredow, Stadtrat PriefertPreußischer Landtag: Szillat, GehrmannReichswirtschaftsrat: Dr. Hermann ThieleProvinziallandtag: Landrat von Bredow, OB Lindner, Stadtrat Priefert, Stadtverord- nete Emma Sydow, Elektromonteur WeidlandProvinzialausschuß: OB Lindner, Stadtverordneter Otto Weber, Stadtvertreterin SydowProvinzialrat: Priefert, OB Lindner (als Stellv.)Bezirksausschuß Potsdam: Stadtrat Lüdtge als Stellvertreter

13.6.1927„Kommunistenterror in Rathenow“Sonnabend, 11.6.1927: Werbeabend des „Stahlhelm“ mit Fackelzug. KPD-Leuteversuchten, die Veranstaltung zu verhindern. Protestierend begleiteten dieKommunisten, unter ihnen auch Frauen und Kinder, den Zug, warfen mit Steinen undEisenstücken auf den Zug. Mehrere Personen wurden verletzt, darunter auchZuschauer. Vor dem Waldschloß hätten sich „Kommunisten zusammengerottet“ undeinen „Steinhagel“ begonnen. Unter den Verletzten war auch ein Polizist, eine Frau

wäre ins Krankenhaus gekommen. (Daß bei den Zusammenstößen drei Seiten, nämlich die größtenteils kommu-nistischen Protestierer, die nationalistischen Marschierer und die Polizei, beteiligtwaren – wie Zeitzeugen berichteten, erwähnte die Zeitung nicht.)Im Waldschloß wäre dann der Film „Der Stahlhelm in Berlin“ über den 7./8. Mai vor-geführt worden.

22.6.1927Bericht über die StadtverordnetenversammlungAnfrage des Stadtverordneten Hermann Bolle (DNVP-Geschäftsführer) über dieVorgänge beim Stahlhelmumzug. Dr. Hagen erwartet „schwere Bestrafungen“. Bolle beantragt Entschädigung für zerschlagene Instrumente der Kapelle.Otto Weber hält eine Rede, die er beschließt: „Nieder mit dem Stahlhelm, nieder mitden Faschisten!“Paul Szillat (SPD): Der Stahlhelm hat das Recht auf Straßenumzüge. Er empfiehltden Kommunisten, „mehr den Kampf mit geistigen Waffen zu führen, was diedeutsche Sozialdemokratie schon seit 60 Jahren“ gezeigt hätte.

2.7.1927„Faustkampf im Landtag – die Anfrage über den Rathenower Kommunistenüberfall“Landtagssitzung am 1.7.1927, Tagesordnung:Große Anfrage der SPD wegen des Überfalls auf Mitglieder des Reichsbanners inArensdorf durch Angehörige von Rechtsverbänden; damit verbunden 2 Große Anfragen der KPD wegen Überfällen des „Stahlhelm“ aufRFB-Mitglieder;und DNVP-Anfrage über den Überfall des RFB auf den „Stahlhelm“ in Rathenow.In Arensdorf bei Erkner war der 18-oder 19-jährige(?) Reichsbannermann Karl Tietzermordet worden. Hintermänner der Tat waren laut SPD-Abg. Krüger der Junker Udovon Alvensleben auf Arensdorf und der alte Schmelzer als intellektuelle Urheber.Krüger: „Deutsch-Nationale scheuen bei ihrem Kampfe gegen die Republik nicht vorder Begünstigung feiger Mörder zurück.“DNVP-Mann Wiedemann provoziert: „Unverschämte Kerls, Moskowiterbande!“Es folgte eine tätliche Auseinandersetzung. An der Schlägerei beteiligt waren u.a.Meier (SPD), von der KPD Gehrmann, Kellermann und Schubert (verletzt), von derDNVP Hecken und Könnelke.

Alle Zeitungen und sonstigen Druckerzeugnisse der KPD und SPD sowie ihrer Gliederungenwurden durch die Nazis nach Hitlers Amtsübernahme verboten. Mit Hilfe derAusnahmegesetzgebung „Zum Schutz von Volk und Staat“ wurde die KPD nach ihrem Aufrufzum Generalstreik am 30. Januar 1933 und infolge der Reichstagsbrandprovokation faktisch(jedoch nie formal) verboten.Die SPD wurde mit dem Verbot der Partei am 22. Juni 1933 ihre Kommunikationsmittel los. Daßdas „Rathenower Tageblatt“ weiter erschien, ist nur mit der „Gleichschaltung“ zu erklären: DieNazis übernahmen das Blatt._________________________________________________________

5.3.1933Veröffentlichung der Wahlvorschläge für die LandtagswahlListe 2 SPD (48 Namen) 1. Paul Szillat, OB Brandenburg 3. Karl Priefert, Stadtrat Rathenow, Buschplatz 4Liste 24 KPD (15 Namen) 1. Otto Weber, opt. Arbeiter, Fischerstr. 10

6.3.1933Wahlergebnis (vom 5.3.)

Deutsches Reich: Reichstag NSDAP 17,3 Mill. Stimmen - 44% SPD 7 Mill. Stimmen - 17,9% KPD 4,8 Mill. Stimmen - 12,6%

Stadtkreis Rathenow: Reichstag NSDAP 6.936 Stimmen (letzte Wahl 5.027) SPD 6.582 Stimmen (6.088) KPD 2.786 Stimmen (3.592)

Landtag NSDAP 7.188 Stimmen (4.925) SPD 6.290 Stimmen (7.242) KPD 2.759 Stimmen (1.893)

13.3.1933Errungene Mandate bei der Kommunalwahl vom 12.3.Stadtverordnetenversammlung:SPD (12) Otto Warnecke, Otto Breternitz, Karl Stahne, Otto Seeger, Hermann Scharein, Max Paasche, Paul Lehmann, Emma Sydow, Paul Gottschalk, Fritz Janzen, Berta Lippert, Franz Laege.KPD (3) Otto Ganske, Karl Gehrmann, Max Otto

Kreistag:SPD (5) keiner aus RathenowKPD (2) Otto Seeger, Arbeiter, Plaue Walter Hanisch, Dachdecker, Friesack

5.4.1933Lehrer Meschkat, Premnitz (hatte auf der SPD-Liste für Landtag und Reichstagkandidiert) wird massiv angegriffen: „Der Marxist, Lehrer Meschkat, noch immer imAmt!“

5.5.1933„Schulrat Janzen amtsenthoben“ auf Anordnung des Regierungspräsidenten, vonLandrat von Bredow-Stechow gefordert. Als Schulrat wird Pg. Schwarz eingesetzt.

28.6.1933Klessen: „Kapitän Ehrhardt bekennt sich zur NSDAP“, teilt die Reichsführung SS mit:Persönlicher Eintritt in die Partei, „und (er) hat sich mit seinem Wehrverband, derBrigade Ehrhardt, dem Reichsführer SS unterstellt.“(Der Klessener Gutsbesitzer von Bredow war ab 1929 NSDAP-Kreisleiter. Ehrhardthatte demnach hier seine Basis und kaufte das Gut.)

29.6.1933„Nach Oranienburg überführt wurde aus Brandenburg u.a. der frühere RathenowerStadtkämmerer und spätere dortige Oberbürgermeister Szillat.“

13.10.1933Auflösung des Reichstages und der Länderparlamente, Aufruf Adolf Hitlers zum„Volksentscheid“.

4.7.1934„Der Dank des Reichskabinetts - Staatsnotwehr ist sittliches Recht“ (nach demRöhm-„Putsch“, also dem Mordterror gegen Widersacher in den eigenen Reihen)„Arier könne Judennamen ablegen – Runderlaß des Preußischen Ministers desInnern; Anträge von Personen arischer Abstammung wird stattgegeben.“

10.7.1934„Umorganisation in Konzentrationslager Oranienburg; bisherige SA- wird durch SS-Wachmannschaften ersetzt; KZ sind Himmler unterstellt.“

8.8.1934„Rathenower Kommunisten wegen Hochverrat verurteilt“Emil Schulze („Rädelsführer“), Otto Rosin, Otto Weber, Julius Hagenau, GustavThieke „wollten KPD und kommunistische Jugendorganisation in Form von Geheim-bünden wieder aufbauen.“ Rosin hatte 1933 mit 10 Genossen Verbindung gehalten.Flugblätter und -schriften wurden verbreitet. Beitrag wurde kassiert. Illegale Arbeit imArbeitsdienstlager.

1.11.1934„Grundsätzlich nur noch Todesstrafe bei Landesverrat“. Ab 2. Mai 1934 in Kraft:Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Strafrechts und des Strafverfahrens vom24. April 1934

Blutmai 1929

Viel ist über den 'Bruderzwist' zwischen Sozialdemokraten und Kommunistengeschrieben worden. Jede Seite bezichtigte die andere des „Arbeiterverrats“ unddiffamierte mit Begriffen wie „Kommunazis“ und „Sozialfaschisten“. Eine bequemeSituation für Konservative, Rechte und Faschisten: Deren eigentliche Feindebekämpften sich erbittert. Sie selbst konnten ihr Süppchen in Ruhe kochen.

Ein Höhepunkt dieses Kampfes war der Blutmai 1929. In Berlin verboten dersozialdemokratische Innenminister Albert Grzesinski und sein Genosse Karl FriedrichZörgiebel als Polizeipräsident alle Demonstrationen und Kundgebungen unter freiemHimmel. Sie wollten die angekündigten KPD-Demos gegen Massenarbeitslosigkeitund Verelendung sowie für revolutionäre Veränderungen – es war Weltwirtschafts-krise! – verhindern.

Der „Vorwärts“ (SPD) hetzt schon am 29. April

Die Kommunisten und ihre Sympathisanten marschierten trotzdem im Wedding undin Neukölln. 13.000 Polizisten hatte Zörgiebel aufgeboten. Sie sollten die einzelnen Demonstra-tionszüge mit jeweils 50 bis 500 Demonstranten aufhalten. Dazu setzten siezunächst Schlagstöcke und Wasserwerfer („Spritzenwagen“) ein und räumten so dieKreuzungen.

Die Arbeiter errichteten Barrikaden.

Zörgiebel gab den Schießbefehl, seine Polizisten feuerten in die Menge. Mit Massen-verhaftungen versuchten sie, die Straßen unter Kontrolle zu nehmen.

Polizisten schossen auf Balkone und Fenster der Wohnhäuser und töteten siebenFrauen, darunter die Sozialdemokratin Elise Scheibe. Der Reichsbannermann MaxGmeinhard, der von der SPD-Kundgebung im Sportpalast zurückkehrte (SPD undGewerkschaften hielten gehorsam ihre Maifeiern im Saal ab), wurde an seinemWohnungsfenster erschossen. Gegen Abend setzte die Polizei gepanzerte Fahr-zeuge mit Maschinengewehren gegen die auf den Straßen Protestierenden ein.Wohnungen, an denen rote Fahnen hingen, wurden beschossen.

Am 2. Mai rief die KPD zum Protest mit Massenstreiks auf. 25.000 Arbeiter folgtendem Aufruf. Die Polizei wütete auch an den folgenden beiden Tagen. Sie durch-suchte Wohnungen der ihnen Verdächtigen und nahm zahlreiche Menschen fest.Faktisch wurde der Ausnahmezustand hergestellt: Strenge Ausgangssperre und ein„Verkehrs- und Lichtverbot“ wurden verhängt. Das bedeutete, dass alle Fenster zurStraße geschlossen bleiben mussten und die Räume nicht beleuchtet werdendurften! Am 3. Mai wurde der Journalist Charles Mackay aus Neuseeland auf derStraße erschossen. Erst am 6. Mai hob der Polizeipräsident Zörgiebel die Verboteauf. Der Rotfrontkämpferbund (RFB) wurde wegen „Aufstandsversuch“ verboten.

Insgesamt wurden 28 Tote (andere Quellen 33 bzw. 38) und 198 Verletzte gezählt.Der einzige Polizist mit Schussverletzung hatte sich diese durch Unfall einige Tage

zuvor selbst beigebracht. Die Polizei gab ihren Munitionsverbrauch mit 11.000 Schußan.

Gedenkstein zum Blutmai 1929 im WeddingStandort an der Walter-Röber-Brücke, Wiesenstraße

Trotz der Proteststreiks am 2. und 3. Mai in 120 Berliner Betrieben wurde keiner derSchützen und keiner der Verantwortlichen vor Gericht gestellt. Verurteilt wurdenjedoch 43 Demonstranten zu insgesamt 10 Jahren Gefängnis (höchste Einzelstrafe 9Monate). Der „Ausschuß zur Untersuchung der Berliner Maivorgänge“ – Hans Litte,Alfred Döblin, Heinrich Mann und Carl von Ossietzky – konnte keine amtlicheUntersuchung gegen die Verantwortlichen des Polizeiterrors erreichen. Zörgiebelwurde 1930 auf Grund der anhaltenden Empörung zwar vorübergehend vom Amtbeurlaubt, jedoch später in Köln und Mainz auf gleichem Posten eingesetzt. (Die Nazis inhaftierten ihn für einige Wochen, dann blieb er unbehelligt. 1945wählten ihn seine SPD-Genossen zu ihrem Vorsitzenden in Mainz. Ab 1947 war erfür zwei Jahre Polizeipräsident von Rheinland-Pfalz. 1953 erhielt er das GroßeVerdienstkreuz der Bundesrepublik. In Westberlin trägt noch heute der Zörgiebelweg in Spandau seinen Namen,desgleichen Straßen in Mainz und Köln.2010 bekannte Berlins Innensenator Körting (SPD) sich zu Zörgiebel als seinVorbild.)

Am 2. Mai 1929 erschien das sozialdemokratische „Rathenower Tageblatt“ mitmehrseitigen Berichten: Die Kommunisten hätten die Bluttat bezweckt! Die Kommu-nisten hätten zuerst auf die Polizisten geschossen, die sich wehren mussten!Moskau hätte Gewalt befohlen! Die KPD-Funktionäre hätten „Radaubrüder“ und„Janhagel“ (=Pöbel) vorgeschickt! Das alles war in einem fürchterlichen Ton von Haß,Beschuldigung, Diffamierung und Herabwürdigung gehalten, wie man es eigentlichnur von der Nazipresse kennt. Tagelang wurde das Ereignis ausgewalzt. Frohlockend meldete man das Verbot desRot-Front-Kämpfer-Bundes (RFB). Der SPD-Parteivorstand in Berlin verfasste eine

Stellungnahme im gleichen Scharfmacherton, sie war der Aufmacher am folgendenTag. Und die Schmähungen gingen noch tagelang im „Rathenower Tageblatt“ weiter.In dessen Impressum finden sich: Redaktionelle Leitung – Friedrich Ebert; Verant-wortlicher für Politik und Wirtschaft – i. V. Paul Wendt; Lokales – Felix Rossmann,Rathenow. Die bürgerliche Presse hielt sich etwas zurück. Die „Rathenower Zeitung“ berichtetenatürlich am 2. Mai und den folgenden Tagen vom Blutmai in Berlin und weiterenAuseinandersetzungen in anderen Städten. Allerdings im Umfang beschränkter undmit nicht nur einseitiger Schuldzuweisung á la SPD. Eine Zwischenüberschriftlautete: „Mit Maschinengewehren und Panzerautos“. Diese Ausrüstung konnte wohlniemand den Kommunisten andichten. Die SPD aber behielt Richtung und Ton ihrerantikommunistischen Angriffe bei.

War es verwunderlich, dass die Kommunisten die Sozialdemokraten – mindestensjedoch ihre Führung – als Arbeiterverräter betrachteten? Otto Wels, der SPD-Vorsitzende, erklärte 1930: „Bolschewismus und Faschismus sind Brüder.“ Und alsdie SPD 1932 den kaiserlichen Generalfeldmarschall Hindenburg als Kandidaten beider Reichspräsidentenwahl unterstützte, wurde die Losung ausgegeben: „JedeStimme, die Thälmann entrissen und Hindenburg zugeführt wird, ist eine Stimmegegen Hitler.“ Der kommunistische Präsidentschaftskandidat Ernst Thälmann hattegewarnt: „Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler. Wer Hitler wählt, wählt den Krieg.“ Wardas der „Bruderkrieg“ der Kommunisten und Sozialdemokraten? Oder nicht vielmehrein klares Auseinanderklaffen von Politik und Kampfzielen zweier Parteien, die – jedefür sich – aus der Arbeiterklasse kamen und den Ausgebeuteten verpflichtet waren?

Mit dem Papen-Putsch am 20. Juli 1932 ließ sich die SPD kampflos ihre BastionPreußen abnehmen. SPD-Minister Severin: „Ich weiche nur der Gewalt!“ Als Antwortdes Reichswehroffiziers wird kolportiert: „Welche Art von Gewalt wünschen Sie?“ DieBereitschaft der eigenen Parteibasis zum Widerstand wurde ignoriert, eineGerichtsentscheidung sollte den illegalen Akt geißeln und rückgängig machen! DasAngebot der KPD zum gemeinsamen Massenstreik wurde natürlich ebenfallsignoriert. Die Faschisten hatten freie Bahn.

Als ein knappes Jahr später der Chefredakteur Friedrich Ebert von der SA insKonzentrationslager Oranienburg verschleppt wurde, empfingen ihn – so der sozial-demokratische Reichstagsabgeordnete Gerhart Seger in seinem Erinnerungsbuch„Oranienburg“ – einige der schon seit Februar/März 1933 deportierten Kommunistenmit höhnischem Beifall-Klatschen. Zwölf Jahre Faschismus weiter hatte der blutige Terror des NS-Regimes die Einsichtder Genossen beider Parteien bewirkt, Trennendes zu überwinden und gemeinsamneu zu beginnen. Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl, Hermann Matern und OttoBuchwitz in Berlin, Willi Sägebrecht und Friedrich Ebert in der Provinz Brandenburg,Otto Seeger und Kurt Bradler im Westhavelland, Otto Weber und Paul Szillat inRathenow – sie bereiteten den Weg für eine gemeinsame Partei.

Quellen:u.a. Ulla Jelpke in ‚Neues Deutschland’ (17.9.09) zu Heinz Niemanns „Geschichte der deutschenSozialdemokratie“; „Rathenower Tageblatt“ Jg. 1929 sowie wikipedia

Finanzierung Hitlers und der NSDAP aus dem Ausland Quelle: Internet „Hitlerfinanzierung aus dem Ausland“

In Deutschland hatte sich die kapitalistische Produktionsweise verhältnismäßig spätdurchgesetzt. Dafür gab es historische Gründe. Großbritannien und Frankreichdominierten mit ihrer Wirtschaftskraft Europa. Die deutschen Kapitalisten beschleu-nigten darum den Eintritt in die imperialistische Entwicklungsstufe und profitierten umso mehr von der Konzentration der Produktion und des Kapitals. Die Monopoleverlangten gesetzmäßig nach der Verschmelzung des Bankkapitals mit demIndustriekapital, und der Kapitalexport gewann den Vorrang gegenüber demWarenexport. Der Kampf um die Neuaufteilung der Welt unter den internationalenMonopolen führte in den 1. Weltkrieg. Deutschland verlor ihn und stürzte in tiefeKrisen.

Die sogenannten Nationalsozialisten der Hitlerpartei strebten nichts weniger als denAnschluß an die unterbrochene imperialistische Entwicklung an. Daraus erklärt sichdie massive Unterstützung und Finanzierung der NSDAP durch die deutscheGroßindustrie und das Finanzkapital. Ihr Profitstreben verlangte, die Neuaufteilungder Welt erneut auf die Tagesordnung zu setzen, zumal sich die Allgemeine Krise desKapitalismus seit der Oktoberrevolution und der daraus folgenden sozialistischenEntwicklung eines europäischen Staates verschärfte. Der Störfaktor Sowjetunionmusste verschwinden, koste es, was es wolle! Und die deutschen Kapitalistenzahlten. Weniger bekannt ist die Finanzierung der Hitlerfaschisten auch durch ausländischeFinanzkreise und Industriekonzerne. Dazu die folgenden Fakten:Vielerlei Quellen benennen Henri (Sir Henry?) Deterding, Royal-Shell-Konzern, alsUnterstützer der Nazis für den „antibolschewistischen Kampf“. 1932 sind laut„National-Zeitung Basel“ vom 28. Januar 1937 von Deterding 10 MillionenReichsmark an Hitler gezahlt worden.Amerikanische „Investitionen“ an Hitler hätten 1932 etwa 1,5 Milliarden Markbetragen. Ein großer Teil der Waffen für SA und SS erhielt man aus dem Ausland. (Ford wirdals Schlüsselfigur genannt.)

Von 1929 bis 1933 haben (vom Geheimdienst der Weimarer Republik dokumentiert –die Protokolle verschwanden in der Hitlerzeit) Verhandlungen im Berliner Hotel„Adlon“ stattgefunden. Als Verhandlungspartner werden - Bankier Warburg, Treuhänder des New Yorker Bankhauses Kuhn, Loeb & Co. und- eine Gruppe der amerikanischen Ölfinanzund seitens der NSDAP- Hitler, Göring, Georg Strasser, von Heydt und ein Rechtsanwalt L.benannt.

Das Bankhaus Kuhn, Loeb & Co. habe 32 Millionen Dollar (=128 Millionen RM inMargen zu 60, 40 und 28 Millionen) über verschiedene ausländische Banken an dieHitlerpartei transferiert.

Der Hauptbeweggrund wäre das Ziel einer nachhaltigen Aufrüstung Deutschlandsdurch die Nazis und deren Kriegsvorbereitungen gewesen. Die Teilhabe an denRüstungsprofiten war die strategische ökonomische Zielsetzung.

(In der Praxis wurden zum Beispiel die Gewinn-Ausschüttungen der IG Farben*) andie amerikanischen Konzerne als Aktionäre auch während des Krieges in derSchweiz abgewickelt.)

Henri DeterdingQuelle: Glyn Roberts – Deterding-Biograph – in „The most powerful man in theworld“ - Schon 1921 von Hitler beeindruckt

- Über den Agenten Georg Bell 4 Millionen Gulden an Hitler (1923 nach demmißlungenen Putsch beschlagnahmt)

- Unterstützt deutsche Freikorps, die im Osten kämpfen, und bewaffneteAufstände in Russland

- Finanzierte schon früh Alfred Rosenberg- Verbindungsmann zur SA war Georg Bell- 1926 und 1927 in London unter Deterdings Ägide Konferenzen zu einem

antisowjetischen Feldzug- 1937 10 Millionen Gulden an Hitler- 1936 erwarb Deterding das Rittergut Dobbin-Linstow bei Krakow am See- Spenden an Hitlers NSDAP bis zu 55 Millionen Pfund- 1937 40 Millionen RM für das WHW- 1939 in Dobbin beigesetzt. Die Grabrede hielt sein Nachbar Emil Georg von

Strauß (Direktor der Deutschen Bank): „Einer der ersten Vorkämpfer gegenden Weltbolschewismus.“

- 1968 Umbettung nach Liechtenstein.

*) IG FarbenDer IG Farben-Konzern (gegr. 1925) war der größte deutsche und der viertgrößteWeltkonzern. Er gehörte zu den frühen Förderern der Nazis. Auch an der Geheimkonferenz am 3. Februar 1933 zur Finanzierung des Nazi-Wahlkampfes (Reichstagswahl am 5. März 1933) beteiligte sich IG Farben. Vertreterwar das Vorstandsmitglied Georg von Schnitzler, der 400.000 RM zusagte.

Die internationale Verflechtung (heute verharmlost man das als „Globalisierung“) derIG Farben wird deutlich am Vorstand. Folgende amerikanische Direktoren saßen1929 im obersten Gremium des Konzerns:Edsel Ford, Präsident von Ford Motors;Walter Teagle, Präsident von Standard Oil of New Jersey;Charles E. Mitchel, Chairman (Generaldirektor) der National City BankPaul M. Warburg, Chairman der International Acceptance Bank.

In der NS-Zeit (30-er Jahre) reichte die National City Bank N.Y. einen Kredit von 30Millionen Dollar an die IG Farben aus.Bei Kriegseintritt der USA im Dezember 1941 saßen nach wie vor Wallstreet-Direktoren in der IG Farben-Leitung (des Kriegsgegners!). Die Profite wurden„redlich“ aufgeteilt.

Konzerne wie General Motors, Dow Chemical oder Ford und Opel (alle US-amerikanisch) lieferten für die deutsche Rüstung und die Kriegsindustrie insgesamt.Auch nach dem Kriegseintritt dauerte die Verflechtung an.

Droht ein Generalstreik? Protokoll der ersten Sitzung des Kabinetts Hitler am 30. Januar 1933 (Auszug)

Quelle: Heinz Bergschicker „Deutsche Chronik 1933-1945“, Verlag der Nation 1981, S. 47

Der Reichskanzler wies darauf hin, dass eine Vertagung des Reichstags ohneMithilfe des Zentrums nicht möglich sei. Nun könne man vielleicht daran denken, diekommunistische Partei zu verbieten, ihre Mandate im Reichstag zu kassieren und aufdiese Weise die Mehrheit im Reichstag zu erreichen. Nach seiner Erfahrung seienjedoch Verbote von Parteien zwecklos. Er befürchte als Folgen eines eventuellenVerbots der KPD schwere innenpolitische Kämpfe und eventuell den Generalstreik.Sicherlich gebrauche die Wirtschaft Ruhe. Wenn man jedoch die Frage aufwerfe,was für eine Wirtschaft eine größere Gefahr bedeute, die mit Neuwahlen verbundeneUnsicherheit und Beunruhigung oder ein Generalstreik, so müsse man nach seinerAnsicht zu dem Ergebnis kommen, dass ein Generalstreik für die Wirtschaft weitgefährlicher sei.Es sei schlechterdings unmöglich, die 6 Millionen Menschen zu verbieten, die hinterder KPD ständen. Vielleicht könne man nach Auflösung des Reichstags bei den dannbald vorzunehmenden Neuwahlen doch eine Mehrheit für die jetzige Reichsregierunggewinnen. Am allerbesten werde es sein, wenn der Reichstag sich freiwillig vertage.

Der Reichswirtschaftsminister und Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaftführte aus, dass er gewiß keine Sehnsucht nach einem Generalstreik habe. Nachseiner Überzeugung werde es jedoch nicht möglich sein, um die Unterdrückung derKPD herumzukommen. Anderenfalls werde man keine Mehrheit im Reichstagerreichen, jedenfalls keine Zweidrittelmehrheit.Nach der Unterdrückung der KPD sei die Annahme eines Ermächtigungsgesetzesdurch den Reichstag möglich. Es erscheine ihm zweifelhaft, ob im Falle derUnterdrückung der KPD ein Generalstreik ausbrechen werde. Er ziehe dieUnterdrückung der KPD den Neuwahlen vor.

Reichsminister Göring teilte mit, dass die Kommunisten für heute abend (30.1.) eineDemonstration geplant hätten, die er verboten habe. Nach seinen Feststellungenwürde die SPD im Augenblick einen Generalstreik nicht mitmachen. DieSozialdemokratie dränge zur Zeit auf eine Aussprache im Reichstag.Nach seiner Auffassung sei es am besten, möglichst bald den Reichstag aufzulösenund zu Neuwahlen zu kommen. Der Reichskanzler habe sein Wort dahin verpfändet,dass auch nach den Neuwahlen die jetzige Zusammensetzung des Reichskabinettsnicht geändert werde.

Der Reichskanzler bestätigte die Richtigkeit dieser Mitteilung.

Reiswirtschaftsminister im Kabinett Hitler war Alfred Hugenberg, DNVP,Wilhelm Frick, NSDAP, Innenminister,Franz Seldte, Stahlhelm, Arbeitsminister,Josef Goebbels, NSDAP, Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Hermann Göring, NSDAP, Minister ohne Geschäftsbereich.Franz von Papen, parteilos, war Stellvertreter des Reichskanzlers.

Arbeiter im Kampf gegen den faschistischen TerrorQuelle: westhavelland.antifa.net Die Geschichte des IG-Farben-Werkes Premnitz in der Zeit von 1933-1945 (aus der Werkschronik des CFP)

Der 1. Mai 1933 wurde von den Faschisten zum „Tag der nationalen Arbeit“ erklärt.Es fand auf dem Maifeld in Berlin (nahe dem heutigen Olympiastadion) einAufmarsch statt, den die NS-Betriebszellen (NSBO) organisiert hatten. Die Mitgliederder Gewerkschaften waren ausdrücklich einbezogen. Es war ein gigantischer Auflauf,der der Naziführung huldigte. Am folgenden Tag wurden die freien Gewerkschaften inDeutschland verboten. An ihre Stelle setzten die Nazis die „Deutsche Arbeitsfront“(DAF).

Zehn Tage später, am 12. Mai 1933, sandte der Ortsausschuß Rathenow des ADGB(Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund) an alle Mitglieder ein Rundschreiben.Es war mit dem Bezug „Betr.: Gleichschaltung der Gewerkschaften“ versehen. DerInhalt war ein Kniefall vor den Nazis. Alle Mitglieder sollten bleiben – in der NSBO!Als Charakteristikum des künftigen Wirkens wurde ausdrücklich der Begriff „unpoli-tisch“ verwendet. Unterschrieben hatten das Rundschreiben Peter Ames, Ortsausschussmitglied desADGB, SPD-Mitglied, bis dahin Geschäftsführer und stellvertretender Arbeitssekretärdes Deutschen Metallarbeiterverbandes (DMV) in Rathenow, und der Beauftragte derNSBO, Poter.

Der Kniefall rettete die Gewerkschaftsfunktionäre jedoch nicht vor politischer Verfol-gung. Auch Ames wurde nach dem Verbot der SPD am 28. Juni 1933 verhaftet undins Konzentrationslager Oranienburg verschleppt, wo er bis zum 15. August 1933eingesperrt blieb. Das KZ sollte offensichtlich der Einschüchterung und der Warnungvor künftigem politischem Widerstand dienen.

Von nun an sprach am „Tag der nationalen Arbeit“ (später „Tag der deutschen Arbeit“genannt) der Parteigenosse (PG) Passarge, der von den Premnitzern als Erzfaschistbezeichnet wird.

Die Nazis proklamierten bekanntlich die „Volksgemeinschaft“, also war die Beleg-schaft eine „Betriebsgemeinschaft“. Wie überall wurde auch in den Betrieben dasFührerprinzip eingeführt. Die „Gefolgschaft“ war dem „Betriebsführer“ zum Gehorsamverpflichtet. Dieses Regime wird in Einzelheiten in seiner ideologischen Ausrichtungdeutlich, zum Beispiel bei der Einstellung von Arbeitern oder Angestellten. Zur Aufnahme in die Betriebsgemeinschaft hieß es: „Voraussetzung für die Aufnahme … sind: Arische Abstammung, berufliche undgesundheitliche Eignung, Mitgliedschaft bei der DAF, bei Jugendlichen Zugehörigkeitzur HJ (Hitlerjugend) oder BDM (Bund deutscher Mädel).Bevorzugt eingestellt werden bei gleicher Eignung: … Verdiente alte Kämpfer derNSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei), Mitglieder der NSDAP undihrer Gliederungen.In allen Fällen soll der Ernährer einer erbgesunden Familie und der ehemaligeFrontkämpfer den Vorrang haben.“

Wer sich wehrte, musste mit empfindlichen Konsequenzen rechnen. Der GenosseGustav Boddin, Zimmermann und ehemaliger Betriebsrat aus Mögelin, war wegen

seines Einsatzes für Kollegeninteressen Schikanen ausgesetzt. Helene Schmaedigewurde auf Grund einer Beschwerde fristlos entlassen, weil sie den „Vertrauensratverächtlich gemacht und den Betriebsfrieden gestört“ habe.

Die Errichtung der Nazidiktatur lief nicht so reibungslos wie gewünscht. In derHochburg der Arbeiterparteien war Gegenwind zu spüren. Aus den Wahlen war inPremnitz in den Jahren vor 1933 immer die KPD als stärkste Partei hervorgegangen.Im IG-Farben-Werk standen Sozialdemokraten und Kommunisten an der Spitze derGewerkschaftskämpfe. Nun, 1934, stellte die Werkleitung Aktivitäten der KPD (fak-tisch seit dem 27. Februar 1933 – der Reichstagsbrandprovokation – verboten) festund forderte die Beschäftigten zur Denunziation auf. 1936 waren 210 Arbeiterinnen und Arbeiter noch immer nicht Mitglied der DAFgeworden. Der Druck auf sie wuchs, aber schließlich wehrten sich 8 Männer und 53Frauen weiterhin. Sie wurden Dr. Bartholome in der Chefetage gemeldet, der ihnenmit Entlassung drohte.Der Ausgang der Erpressung ist nicht bekannt, aber denkbar ist das Einlenken derArbeiterinnen und Arbeiter. Man muß bedenken, dass auch zu dieser Zeit Massen-arbeitslosigkeit herrschte, die erst mit der folgenden rigorosen Rüstung für dengeplanten Krieg beseitigt wurde. Dazu folgende Fakten:

Arbeitslosigkeit in Deutschland1933 = 4,8 Mill.1934 = 2,7 Mill.1935 = 2,2 Mill.1936 = 1,6 Mill.1937 = 0,9 Mill.1938 = 0,6 Mill.

Die Löhne sanken bis 1934, dann wurde – trotz einsetzender Konjunktur – ein allge-meiner Lohnstopp verfügt, der bis 1945 nicht aufgehoben wurde.

Zwangsverpflichtungen von Arbeitern und anderen Beschäftigten waren ab 1938gesetzlich festgelegt für „staatspolitisch wichtige Projekte“, d.h. für die Rüstung.Diese „Dienstverpflichtungen“ betrafen z.B. 1940 1,4 Millionen Arbeiter und andere.Anders war die riesige Rüstungsproduktion nicht zu gewährleisten, deren Anteil ander gesamten Industrieproduktion von 26% (1942) über 37% (1943) auf 48% (1944)stieg.

Die bekannten Funktionäre der Premnitzer KPD und SPD waren früh verhaftetworden, Karl Köppke (1894-1976) schon im März 1933. Köppke hatte sofort nachder sog. Machtergreifung der Faschisten mit dem Druck von Flugblättern und derenVerteilung begonnen. Nun schleppte man ihn nach Brandenburg und ins Polizei-präsidium Berlin zum Verhör. Er kam ins Spandauer Gefängnis und danach ins KZSonnenburg.Adolf Rapsch (1899-1945) war wie seine Frau am 27. September 1933 verhaftetworden. Ihre Kinder kamen in die „Obhut“ einer Nazi-Dame. Der Sohn Arminberichtete darüber: „Sehr viele Schläge, aber wenig zu essen.“ Adolf kam bis zum 2.Oktober ins KZ Oranienburg. Seine Frau wurde kahlgeschoren und in Einzelhaftmisshandelt. Sie wurde als erste der Eltern entlassen, ihr Mann am 2. Oktober 1933.Ob die Nazis glaubten, sie in diesen Tagen gebrochen zu haben? Adolf setzte seineantifaschistische Agitation im Werk und im Ort fort. 1945 nahm er Verbindung zur

nahenden Roten Armee auf und erreichte die kampflose Einnahme von Premnitz.Der Sozialdemokrat Paul Piesnack (geb. 1903) kam mit der zweiten Verhaftungs-welle, nach dem SPD-Verbot am 27. Juni 1933, ins KZ Oranienburg. Der westhavel-ländische Landrat Graf von Bredow (er hatte bereits die Freikorps-Truppen derBrigade Ehrhardt bei der Vorbereitung des Kapp-Putsches 1920 auf seinem GutKleßen beherbergt und war ab 1929 NSDAP-Kreisleiter) veranlasste die Einlieferung.Er schrieb, offenbar nachträglich am Tag von Piesnacks Entlassung, dem 7. Septem-ber 1933, an ihn, er hätte „aus politischen Gründen die Schutzhaft verhängt. Siesollen als Funktionär der S.P.D. tätig gewesen sein.“Alfred Bartz (Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands, eine linke Abspaltung vonder SPD) wurde von einem von der SAP zur SA bzw. SS Übergelaufenen denunziert.In Haft sollte er das Waffenversteck der SAP angeben, aber er hielt stand und wurdeschließlich entlassen. Er holte die Waffen in aller Vorsicht aus dem HeizhausLiebigstraße und versenkte sie in der Havel.Der Kommunist Fritz Bergmann betrieb antifaschistische Agitation im Werk. AnfangApril 1944 wurde er verhaftet und kam ins Gestapo-Gefängnis in der PotsdamerLindenstraße (Gestapo = Geheime Staatspolizei). Zunächst wurde er im „Arbeits-erziehungslager“ Großbeeren eingesperrt. Die AEL waren Gestapo-Lager. ImNovember 1944 wurde er zu 6 Jahren Zuchthaus verurteilt.Gertrud Klicks und ihr Ehemann, beide Premnitzer Kommunisten, halfen solidarischden ausländischen Zwangsarbeitern im Werk. Sie versorgten sie mit Lebensmittelnund Informationen, um ihren Mut zum Durchhalten zu stärken. Sie entgingen einerVerhaftung.Ernst Robert Reisel (1893-1958) arbeitete als Bauschlosser und Installateur. Erhatte 1923 am Hamburger Aufstand teilgenommen. Der Kommunist und Mitglied desRotfrontkämpferbundes (RFB) wurde am 19. Mai 1933 verhaftet. Die Anklage lauteteauf Waffenbesitz. Er wurde am 17. Oktober in erster Instanz und nochmals am 28.November 1933 zu insgesamt 7 Monaten und 2 Wochen Gefängnis verurteilt, die erin Hamburg-Fuhlsbüttel verbüßen musste. 1934 bis 1936 arbeitete er illegal undwurde am 8. Dezember 1936 erneut verhaftet. Der Prozeß wegen Vorbereitung zumHochverrat endete am 2. Juli 1937 mit der Verurteilung zu 4 Jahren Zuchthaus und 4Jahren Ehrverlust. Er wurde am 11. Dezember 1940 entlassen und arbeitete illegal inHamburg und in der Agfa-Seide Premnitz.Diedrich Wagschal (1890-1985), ein gelernter Fleischer aus Mützlitz, der dann inDöberitz wohnte, war Sozialdemokrat. Im Schwefelsäure-Betrieb Döberitz war erVorsitzender des Betriebsrates. Er wurde vom 3. Juli bis 2. September 1933 im KZOranienburg mit der Häftlings-Nr. 722 inhaftiert und bis 1945 unter Polizeiaufsichtgestellt. Trotzdem betrieb er im Werk Rundfunkagitation, d. h. er versorgte die Kolle-gen mit Informationen des Londoner bzw. Moskauer Rundfunks (Das Abhören aus-ländischer Sender war seit 1. September 1939 bei Strafe verboten!) z. B. über denwahren Verlauf des Krieges und leistete solidarische Hilfe für Zwangsarbeiter.Heinrich (Heini) Wernicke (1907-1980), Kommunist, wurde wegen antifaschi-stischer Agitation verhaftet und kam ins Potsdamer Gestapo-Gefängnis. Er wurde zu1 ½ Jahren Gefängnis verurteilt, vermutlich wegen Vorbereitung zum Hochverrat.Nähere Einzelheiten sind nicht bekannt.

Zu den Lebensverhältnissen während der Nazi-Diktatur:

Mit dem Beginn des 2. Weltkrieges trat eine Verschärfung der Lebensbedingungenauf allen Gebieten ein. Ab September 1939 waren die Lebensmittel rationiert. Die Lebensmittelkartenwaren bereits vier Tage vor Kriegsbeginn ausgegeben worden. DeutscheErwachsene erhielten wöchentlich 2.400 g Brot und/oder Mehl, 500 g Fleisch undWurst, 270 g Fett. Die Rationen verringerten sich fortwährend. Im April 1942 gab es2.000 g Brot/ Mehl, 300 g Fleisch/Wurst, 206 g Fett. Das setzte sich fort.Auch Seife und Schuhe waren ab 1. September rationiert, Textilien ab November(„Punktkarten“ = Kleiderkarten). Ab 1942 gab es empfindliche Einschnitte bei denLebensmittelzuteilungen. Für „Normalverbraucher“ sank die monatliche Menge beiBrot von 9,6 kg auf 6,4 kg (also 1.600 g wöchentlich), bei Fleisch von 1.600 g auf1.200 g (also 300 g wöchentlich), bei Fett von 1.053 g auf 825 g (also 206 gwöchentlich). Auch Kartoffeln waren ab Juni 1942 rationiert.

Ab 1. September 1939 galt das Verbot über das Abhören ausländischer Sender.Ab 4. September 1939 war der Wechsel des Arbeitsplatzes verboten. Am 25. November 1939 wurde die Todesstrafe für die „Beschädigung vonWehrmitteln“ eingeführt.(Die Anzahl der Vergehen, die mit Todesstrafe geahndet wurden, wuchs von 1939 bis1943/44 von 3 auf 46.)

Hilfspolizei

Schon in den Jahren der Weimarer Republik (1919-1933) verpflichteten Ortspolizei-behörden und Landräte Hilfspolizeibeamte auf Zeit. Deren „hoheitliche Aufgaben“waren niedere Dienste als Nachtwächter, Parkaufseher und dergleichen. Als dieHitlerfaschisten nach der Macht griffen, nutzten sie den Status dieser Hilfsdienste ineiner völlig neuen Qualität: Die SA- und SS-Terrorkommandos sollten mit Absegnungder Behörden die unumschränkte Herrschaft der Nazis ermöglichen. Also trafen dieOberen beizeiten Vorsorge.

Am Abend des 30. Januar 1933 marschierten die Schlägerkolonnen der SA durchBerlin. Sie feierten den neuen Reichskanzler Adolf Hitler. Daß ihre Fackeln denkommenden Weltbrand ankündigten, ahnten nur wenige. Die davor gewarnt hatten –„Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler. Wer Hitler wählt, wählt den Krieg!“ – wurden inderselben Nacht aus ihren Wohnungen geholt und in die „Sturmlokale“ geprügelt, indie KZ-Vorläufer verschleppt.

Hindenburg hatte, von Großindustrie und Finanzkapital gedrängt, Hitler alsReichskanzler berufen. Aber dessen NSDAP besaß keine Regierungsmehrheit imReichstag, musste also mit bürgerlich-konservativen Parteien koalieren. Das brächtenicht die freie Hand für den „starken Mann“, also verfügte der Reichspräsident gleich-zeitig die Auflösung des Reichstages und Neuwahlen. Die Nazis mussten nun denSchafspelz umlegen und Demokratie spielen. Vorläufig, bis man „blank ziehen“konnte. Der Anlaß dafür wurde bereits geplant.

Die Reichstags- und Landtagswahlen waren für den 5. März festgelegt. HitlersFührungsstab hatte vier Wochen Zeit, eine Bedrohungssituation zu produzieren.Dafür war Göring der rechte Mann. Als nunmehr oberster Chef der „Sturmab-teilungen“ (SA) – Hitler übte als Regierungschef die Funktion nicht mehr aus – traf erseine Vorkehrungen. Die Führungselite der SA machte begeistert mit. Derweilentfachte der Propagandachef und Gauleiter von Berlin-Brandenburg, Goebbels,eine Pressekampagne. Die Übergriffe der SA mit ihrem Straßenterror, derVerschleppung kommunistischer Funktionäre, der Morde von Antifaschisten wurdenumgedeutet in die Abwehr kommunistischer Umsturzversuche. Der deutsche Staatwar in Gefahr! Hindenburg wurde genötigt, per Notverordnung einen Ausnahme-zustand zu verkünden: Die „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“ vom 28.Februar 1933.

Was der Reichstagsbrand am 27. Februar damit zu tun hatte? Ursächlich nichts. Die„Maßnahmen“ liefen viel früher an. Bereits Ende 1932 hatte die SA-Gruppe Berlin-Brandenburg Vorbereitungen auf die erwartete Machtübernahme getroffen. IhrStabsführer von Arnim befahl die Anlage von Listen mit Adressen der Funktionäreund Parteibüros sowohl der KPD wie der SPD. Aber es war zu bezweifeln, obOrtspolizei und Gendarmerie der Landkreise rigoros im Sinne der Nazis handelnwürden. „Zuverlässige“ mussten Dienstbefugnisse erhalten und an der Seite derPolizei deren Initiative erzwingen. Denn nicht alle Polizeibeamten waren Sympathi-santen oder gar Parteigänger der Hitler-Leute. So wählten denn die Führer derTerrortrupps ihre Leute aus: SS-Sturmführer Fritz Riemann, Kaufmann, Gr. Baustr.19; SA-Sturmführer Karl Werner, Architekt, Forststr. 60; Stahlhelmführer Dr. MartinRiedel, Forststr. 50. Man sieht, aus welchen Kreisen die Nazibonzen kamen.

Nun wurde Hermann Göring tätig. Er war als preußischer Innenminister Mitglied derHitler-Regierung. Am 22. Februar 1933 verfügte er durch Erlaß die „Einberufung undVerwendung der Hilfspolizei“. Im Text heißt es: „Die zunehmenden Ausschreitungenvon linksradikaler, insbesondere kommunistischer Seite haben zu einerunerträglichen ständigen Bedrohung der öffentlichen Sicherheit wie des Lebens undEigentums der staatsbewußten Bevölkerung geführt.“ Und in der Durchführungs-bestimmung wird klar geregelt: „…Bis auf weiteres kommen nur Angehörige der SS,SA, des Stahlhelms und des deutschnationalen Kampfrings in Betracht.“ Drei Tage später befahl der Präsident des Regierungsbezirks Potsdam die Landräte,Oberbürgermeister der großen Städte und die Chefs der Ortspolizeibehörden zusich: „Zur Besprechung aller mit der Einrichtung der Hilfspolizei zusammen-hängenden Fragen ordne ich eine Besprechung …(mit den oben Genannten; D.S.)…bei mir am Montag, den 27. d. Mts. 11 Uhr vormittags an. Persönliches Erscheinen isterforderlich.“ In der Anwesenheitsliste unterschrieb Bürgermeister U. Hagen undsetzte hinzu: „30 Hipol.“Erst am Abend dieses Tages brannte der Reichstag, der angeblich die Notlage desStaates herbeiführte.

Jetzt werden die Hilfspolizei der Stadt Rathenow und des Kreises Westhavellandaktiv. Bürgermeister Hagen – Oberbürgermeister Lindner (DVP) ist von den Nazisweitgehend kaltgestellt – meldet am 13. März in seinem „Erfahrungsbericht über dieHilfspolizei“ nach Potsdam, dass bisher 42 Hilfspolizei-Beamte verpflichtet wurden.Als ersten Einsatz nennt er: „28.2.33, 5 – 10 Uhr, 13 Hilfspolizeibeamte – Verwendung bei Durchsuchungen inden Wohnungen kommunistischer Funktionäre. Keine Zwischenfälle.“ (Unterstrei-chung durch Hagen) Das ist in Wahrheit die erste Verhaftungswelle, der in Rathenow 14 Kommunistenzum Opfer fallen. Sie werden in die Polizeiwache (Berliner Str. 1-2) geschleppt. WilliSchulz berichtete, wie sie von SS-Leuten unter dem Befehl des SS-SturmführersGötze ins Polizeigefängnis gebracht wurden, mit Scheinerschießungen eingeschüch-tert und mit Gummiknüppeln misshandelt wurden, um „Geständnisse“ zu erpressen.Diese Torturen dauerten bis zum 18. März, „weil die Polizeizellen zu anderenZwecken freigemacht werden mussten“. (Bericht vom 24.3.33)

Bürgermeister Hagen beschreibt weitere Einsätze der Hilfspolizei in den erstenbeiden Wochen ihres Bestehens: Am Abend des 28. Februar (ein Dienstag; D.S.)sind 10 Mann bei Wahlveranstaltungen der NSDAP und der SPD eingesetzt. (Alsozum Schutz der Eigenen und zur Kontrolle der Sozialdemokraten. Die Kommunistenkönnen ja keine Wahlversammlung mehr abhalten, denn mit ihren Funktionärenwurden auch die Kandidaten verhaftet.) Am Freitag und Sonnabend vor der Wahl, am3. und 4. März, begründet Hagen den Einsatz mit „Terrorgefahr“. Die Hilfspolizistenmüssten das Umspannwerk am Bahnhof, „lebenswichtige Betriebe“ und dieWahllokale schützen. „1 Festnahme“ vermerkt Hagen. Wohl besonders wichtig ist der„Fackelzug der nationalen Front“, also der SA- und Nazi-Aufmarsch direkt vor demWahltag. Er soll die Wähler beeindrucken, besonders die durch das Medien-dauerfeuer von der kommunistischen Gefahr verschreckten Kleinbürger. Aber man gedenkt, am Morgen des Wahltages noch ein Zeichen, ein Symbol zusetzen. Ein Telegramm aus dem Rathaus gibt Aufschluß über den Vorgang:„Preußischer Innenminister Göring, Berlin, Unterdenlinden. Dringend! Verlangen

sofortige Abberufung der Hilfspolizei-SA-Leute Spies und Meizner. Diese habenrechtswidrig Schlüssel zum Rathausboden sich verschafft, sind dort eingedrungenund haben auf dem Rathaus Hakenkreuzfahne aufgezogen. Verweigern mit GewaltEinholung. Meizner leistet tätlichen Widerstand. Es liegt Hausfriedensbruch undNötigung unserer Beamten vor. Strafanzeige an Staatsanwaltschaft unvermeidbar.Bitten um schleunigen Befehl zur Einziehung der Fahne. Magistrat.“

Das ist starker Tobak! Oberbürgermeister Lindner droht den Nazis mit demStaatsanwalt! Der Regierungspräsident fordert Erklärung, und Lindner schreibt andessen Polizeimajor Rossum am 11. April, dass „durch der Hilfspolizei angehörendeSS-Leute“ (nicht doch SA?) „die Hakenkreuzfahne auf beiden städtischenVerwaltungsgebäuden gehisst“ wurde und dass der OB „durch den Stadtverwal-tungsdirektor Waltersdorf eine Fahne beseitigen“ ließ. Zur Erklärung: Die Staats-flagge war (noch) Schwarz-Rot-Gold; die Hakenkreuzfahne war die Parteifahne derNSDAP. Deswegen wehrte sich Lindner gegen die Beflaggung.

Was aus dem „Zwergenaufstand“ wurde? Der handschriftliche Vermerk auf derRückseite des Telegramms lautet: „1. erledigt. Die Fahne wurde von der SA entfernt.2. Nichts mehr zu veranlassen.“ Aber dem Oberbürgermeister Lindner wurde dieseWiderborstigkeit nicht vergessen. Die Nazis erfanden Beschuldigungen.„Misswirtschaft“ und „Verschwendung öffentlicher Gelder“ (die Magistrats-Bürgschaftfür die Errichtung der Sozialwohnungen am Ebertring, die Haesler-Bauten) wurdenihm angehängt. Vorsorglich hatten die neuen Machthaber eine „Verordnung zurBehebung von Missständen in der gemeindlichen Verwaltung vom 22. März 1933“ er-lassen, mit der unliebsame Personen abgesetzt wurden. OB Lindner war am 7. Juli1933 „dran“.

Auch andere Posten wurden mit der genannten Verordnung frei geräumt. Die Orts-polizeibehörde des Stadtkreises Rathenow, nunmehr in der Hand des „Staats-kommissars“ Dr. Räth (den die Nazis dann zu ihrem OB machten) beantragte am 8.Mai 1933 die „Zurückziehung der Bestätigung eines Hilfspolizeibeamten“. Eshandelte sich um den Stadtgärtner Paul Gottschalk (doch eher um den als SPD-Funktionär am 27. Juni 1933 verhafteten und sieben Wochen ins KZ Oranienburggesperrten Hermann Gottschalk?). Er wäre, so Räth, „führendes S.P.D.-Mitglied (erwar zu der letzten Stadtverordnetenversammlung aufgestellt und gewählt, musstejedoch sein Mandat auf Grund der Verordnung zur Behebung von Missständen in dergemeindlichen Verwaltung vom 22. März 1933 niederlegen).“ Gottschalk flog, seinPlatz wurde bald – so darf man begründet vermuten – durch einen Gefolgsmann derNazis eingenommen.

Im Bericht über die Hilfspolizei vom 6. Mai 1933 heißt es: „42 Mann, davon 41ausgebildet. …bisher zum Schutz von Umzügen, zum Streifendienst und zuDurchsuchungen verwendet.“ Nirgends ein Wort zum Wüten der Hilfspolizisten in denZellen der Polizeiwache, die seit dem 28. Februar mit Kommunisten belegt waren.Nichts von „Verhören“, den Prügelorgien und der Scheinerschießung. Zwar kamendie „Schutzhaftgefangenen“, wie geschildert, am 18. März ins Amtsgerichtsgefängniszu den zwölf „von außerhalb“ dort inhaftierten Antifaschisten. Aber die „HiPol.“ holtesie immer wieder, um „Geständnisse“ herauszuprügeln oder zur öffentlichen Erniedri-gung, indem man sie Wahlplakate von den Wänden kratzen ließ.

Ein neues Betätigungsfeld brachte der 27. Juni 1933, als mit der zweiten

Verhaftungswelle die SPD-Funktionäre geholt wurden und einige bürgerliche Gegnerund Juden gleich mit. Über fünfzig Männer wurden in aller Frühe aus den Bettengeholt, in die Turnhalle des Lyzeums Schleusenstraße gebracht und dort traktiert. Beiden Quälereien tat sich Heinrich Meiercord jun., der SA-Sturmbann-Adjutant,besonders hervor. Den jüdischen Kantor Abraham schlug er dreimal bewusstlos. AmAbend verlud man die Gefangenen auf offene Lastwagen, fuhr sie durch die ganzeStadt – Seht her, was wir mit unseren Feinden machen! – zum KonzentrationslagerOranienburg, einer stillgelegten Brauerei.

Mit der Langeweile des ständigen Streifendienstes konnten die Nazis ihre eigenenLeute nicht ewig begeistern. Die meisten von ihnen waren Arbeitslose, die währenddes Dienstes verpflegt wurden, aber nur bei mehr als 24-stündigem Dienst dreiReichsmark bekamen. Sie dienten nunmehr dem Regime lediglich als äußeresZeichen ihrer Macht und der Einschüchterung der Bevölkerung. Nicht einmal ihrezugewiesenen 900 Schuß Pistolenmunition konnte verschossen werden, wieOberlandjägermeister Schnörpel für seine Westhavelland-Truppe meldete. DerLandrat hatte noch 150 Hilfspolizisten, die er im Juli 1933 zu reduzieren begann. ImAugust wurde die Hilfspolizei dann aufgelöst. Die etwa 50 HiPols der Stadt Rathenow schickte Dr. Räth ebenfalls nach Hause. Die„Kampfzeit“ war vorbei, der Alltag unter den Nazis wurde nun – zunächst – etwassubtiler terrorisiert. Ihre Pistolen nahmen die SA-, SS- und Stahlhelm-Leute mit. Dieextra bestellten Gummiknüppel, Stückpreis 29,25 RM, kamen in die Gerätekammer.Vielleicht würde man sie noch brauchen.

Quellen: Sonderakten, betreffend Ernennung von Hilfspolizeibeamten, 1932-1935 NS-Archiv ZB 6305 NS-Archiv ZB 6306 - alle im Brandenburg. Landeshauptarchiv – „Vorwärts und nicht vergessen“, Komm. zur Erforschung der Geschichte der Rathenower Arbeiterbewegung, undatiert „Verfolgung, Widerstand, Befreiung, Neuanfang“ Stadtvorstand der PDS Rathenow, 2005

Die Rathenower Industrie in der Nazizeit

Verwaltungsgebäude der Emil Busch AG in der Berliner Straße 5-6. Die Nazi-Werkzeitung 1942

Rüstungsproduktion der Emil Busch AG, Nitsche & Günther und anderer Betriebe

Die optische Industrie in Rathenow stellte für die militärische Nutzung verschiedene Produkte in großen Stückzahlen her. Dazu gehörten:

- Galilei’sche Doppelferngläser für Heer und Marine- Terrestrische Einzel- und Doppelgläser- Zielfernrohre für Karabiner und Maschinengewehre- Prismengläser für Infanterie, Artillerie und Marine- Optische Visiere und Richtkreise für Geschütze- Spezialferngläser für Flak/U-Boote- Scherenfernrohre- Zieltrainingsgeräte - Panzerprismen- Objektive für Sextanten - Nivellierinstrumente - Teleobjektive für Ballonfotografie- Kompasse - Gasmaskenbrillen

und anderes

Die Firmenkennzeichnungen auf den Produkten waren untersagt.

Quelle:Optik-Industriemuseum Rathenow

Kleine (?) Geschenke erhalten die Freundschaft – richtiger: fördern die Geschäfte.

Die Firma Emil Busch AG war ein NS-Musterbetrieb. Die Nazis der Betriebsführungunter Direktor Paul Seeland hatten den Ruf als „Nazibetrieb“ befördert.

Ein verdienstvoller Mann?

Vertieft man sich in die Details des Optik-Industrie-Museums unter dem Dach desRathenower Kulturzentrums, stößt man auf Urkunde und Duncker-Medaille einesPaul Seeland, der offenbar etwas mit der optischen Industrie unserer Stadt zu tunhatte.

Wer war dieser Paul Seeland?

In der Werkzeitung der Emil Busch AG Rathenow „Unter der Busch-Sonne“ Nr.1 vom Januar 1942 wird er vorgestellt.

Es ist der Betriebs-„führer“, ein energisch dreinblickender Mann, das kantige Kinnleicht vorgeschoben, wie man sich in der Nazizeit gern präsentierte – also Ziel-strebigkeit und Willen bekundend. Eine Führernatur.

Dieser Direktor war früh zu den Nazis gestoßen. Neben dem Parteiabzeichen der

NSDAP trägt er demonstrativ ein Ordensbändchen. Das soll wohl ein Zeichen fürseine völkische Gesinnung und sein vaterländisches Handeln sein. Martin Manns hatden Werdegang in seiner Schrift „Karl Martin und Paul Seeland, die letzten Vorständeder Emil Busch A.G. Optische Industrie Rathenow“ ausführlich beschrieben. DerSohn eines Sergeanten bei den Zietenhusaren und Offizier des 1. Weltkriegs war im„Stahlhelm“ aktiv. So stieß er zu Hitlers SA und wurde Sturmführer. Solche Militärshatten nach der von ihnen als Schmach empfundenen Niederlage von 1918 früh aufeinen „starken Mann“ gesetzt, der Deutschlands Macht und Größe wieder herstellenwürde. Hitler war ihnen der Richtige.

Industrie-Manager (damals hießen sie noch nicht so) verstanden Macht und Größenatürlich nicht ausschließlich politisch, es musste sich schon für die Wirtschaftrechnen. Und – das wissen wir nun – es rechnete sich. Die Rüstungsprofite derBusch-Aktionäre kletterten auf rund 25%. Der Krieg bekam denen, wie esHindenburg formuliert hatte, „wie eine Badekur“.

Der optische Großbetrieb Emil Busch AG produzierte eben nicht nur Brillen undMikroskope. Ihre Werbungsanzeigen weisen den Weg der Erkenntnis: Rüstung. Daswollen wir nun aber genauer wissen, und da wird man im Rathenower Museum auchfündig. (siehe oben: Rüstungsproduktion der Emil Busch AG …)

Galilei’sche Doppelferngläser für Heer und Marine, Zielfernrohre für Karabiner undMaschinengewehre, Prismengläser für Infanterie, Artillerie und Marine, OptischeVisiere und Richtkreise für Geschütze, Spezialferngläser für Flak und U-Boote, Sche-renfernrohre und Panzerprismen sprechen eine unmissverständliche Sprache: Krieg!

Bei dieser kriegswichtigen Produktion liegt es auf der Hand, dass Paul Seeland„Wehrwirtschaftsführer“ wurde. Seeland gab sich als bodenständiger Rathenower,der seit 1906, als er seine kaufmännische Lehre bei Busch antrat, der Firmaangehörte. 1925 als stellvertretender und 1927 als Kaufmännischer Direktor –schreibt Martin Manns in seiner Schrift über die Busch-Direktoren – stieg er in dieFührungsetage auf. 1927 war er also Chef und bewohnte die Dienstvilla in derHobrechtstraße (Friedrich-Ebert-Ring). Da scharte er zu Beginn der Hitlerzeit eineBetriebsführung zusammen, die überwiegend aus Nazis bestand. Sein Prokurist(später 3. Direktor) Friedrich Upmann war aus Sicht der Rathenower Antifaschisteneiner der schlimmsten Nazis bei Busch. Heinrich Meierkord kam Seeland als„bewährter“ SA-Sturmbannführer gerade recht: Er wurde Personalchef, als welcherer denn auch dafür sorgte, dass der katholische Pfarrer August Froehlich wegenseiner Beschwerden über Misshandlungen von polnischen Zwangsarbeiterinnendurch Werkschutzleute (die als Bewacher im Lager und im Betrieb eingesetzt waren),ins KZ kam und 1942 in Dachau starb.

Nimmt etwa jemand an, dass Meierkord, Upmann, Main, Hertel, Geier, Blüthgen –um nur ein paar Nazis aus der Leitung zu nennen – gegen den Willen ihres oberstenChefs handelten? Seeland schaltete sich persönlich ein und verfügte Repressalien,wie es der französische Zwangsarbeiter Daniel Hendrickx schilderte, der die Früh-stückspause überzogen hatte. Seelands Sendungsbewusstsein als Herrenmensch istnicht zu bezweifeln.

Seeland war ein NS-Täter übler Sorte. Er hatte keinerlei Skrupel, ausländischeDeportierte für Zwangsarbeit bei Busch zu missbrauchen. Dazu organisierten er und

Upmann betriebseigene Zwangsarbeiterlager mit mindestens 1.600 Arbeitssklavenaus halb Europa. Die Firma Busch unterhielt solche Lager in der Milower Landstr. 7a(bis 652 Zwangsarbeiter/innen), am Grünauer Weg 125 (609), Kl. Milower Straße 3(74), Schützenstr. 3a (365), Schützenstr. 10 und Fabrikenstr. 12 (jeweils unbekannteZahl). Die Kauf- und Pachtverhandlungen für die Grundstücke hatten Seeland undUpmann geführt und die Verträge unterschrieben. (Die Lager Gr. Milower Str. 7a undSchützenstr. 3a wurden gemeinsam mit der Firma Nitsche & Günther betrieben.)

Die Busch-Aktiengesellschaft erzielte Maximalprofite im Rüstungsgeschäft. Diefaktischen Null-Lohnkosten für die 1.600 Zwangsarbeiter/innen ermöglichten Extra-profite. Man zahlte ja nur für die Unterkunft (Strohsäcke in der Baracke) und diekärgliche Verpflegung. (Über eventuelle „Leihgebühren“ bei den „Zulieferern“ des NS-Staates: Anmerkungen S.48) Da ist es kein Wunder, dass mit der unvermeidlichenNiederlage des faschistischen Welteroberungskrieges auch Seelands Felle davon-schwammen. Er klammerte sich an die Macht und versuchte, den Untergangabzuwehren. Als Weltkriegoffizier wurde er zum Bataillonskommandeur desVolkssturms ernannt und ließ seine Männer (von 16 bis 60 Jahre) im Stadtzentrumnahe seines Betriebes gegen die Rotarmisten kämpfen. Er trägt persönlicheMitverantwortung für den Tod von fast 500 deutschen und fast 500 sowjetischenSoldaten sowie etwa 300 Zivilisten während der Straßen- und Häuserkämpfe.

Busch-Fabrikgebäude 1945, Fabrikenstraße (Wilhelm-Külz-Str.)

Blieb Seeland am Leben? Ja. Ging er wie seine Untergebenen in Gefangenschaft?Nein! Er setzte sich ab wie die meisten aus der Rathenower Nazi-Elite und tauchteim Westen ab. Martin Manns weiß, dass Seeland mit seiner Familie im Dienst-PKWzu den amerikanischen Truppen geflohen ist. Er ging in die britische Besatzungszone. Dort war er zunächst mal anonym und bliebunbehelligt. Aber da hatte er auch Freunde und Geschäftspartner und baute schnellwieder einen optischen Betrieb auf. Als er 1961 in den Ruhestand ging, erhielt er das

Bundesverdienstkreuz. Ein Jahr später wurde er mit der anfangs genanntenDuncker-Medaille ausgezeichnet.

Ein verdienstvoller Mann? Da sollten angesichts der geschilderten AktivitätenSeelands Zweifel aufkommen.

Im Optik-Industrie-Museum soll nun die Nazizeit konkretisiert und das KapitelRathenower Optik mit der Darstellung des Zwangsarbeitssystems der Jahre 1939 bis1945 ergänzt werden. Die Nutznießer und die Verantwortlichen wie Paul Seelandsollen benannt werden. Frau Dr. Bettina Götze, Leiterin des Kulturzentrums, hat daszugesagt.(Die Originalunterlagen befinden sich im Archiv des Kulturzentrums.)

Zu den „Verleihgebühren“ für ZwangsarbeiterQuelle: „Der Spiegel“ 15/1986 vom 7. April 1986: „Die Herren nahmen nur die Kräftigsten“ von Jörg R. Mettke

Russische (gemeint sind sowjetische) Zwangsarbeiter:Die nominellen Lohnzahlungen wurden zu mehr als der Hälfte mittels der sog.Ostarbeiterabgabe abgeschöpft. Die Betriebe zahlten die Lohnsteuer plus Ost-arbeiterabgabe an das Deutsche Reich. Nach Abzügen für die Barackenunterkunftund die Verpflegung durch die Betriebe blieb gerade noch ein Viertel des „Lohnes“. Das waren für „Russen“ 12 RM.Polnischen Arbeitskräften (P) wurde Lohnsteuer und „Sozialausgleichsabgabe“abgezogen. Der den Ausgebeuteten verbleibende Rest ist nicht beziffert. Belgiern und Franzosen verblieben 24 RM.Für Kriegsgefangene waren von den Betrieben 76 RM monatlich an das Wehr-machtstammlager zu zahlen. Für Rotarmisten wurde (den Betrieben) die Hälfte desfür Kriegsgefangene festgesetzten Entgelts berechnet.

KZ-HäftlingeVon der SS angebotene „Leiharbeiter“ kosteten die Betriebe:Hilfsarbeiter = 4 RM/ArbeitstagFacharbeiter = 6 RM/ArbeitstagDie „Leihgebühren“ waren an die SS zu zahlen.

(Der tabellarische Monatslohn für Deutsche betrug 100 RM)

Im Dunstkreis von Seeland gediehen die Laufbahnen seiner Kumpane:

Braune Karrieren in Rathenow

Reichsbahnobersekretär Heinrich Meiercord ist der zweite Mann im RathenowerBahnhof, und seine Dienstwohnung befindet sich in der oberen Etage desGebäudes. Das Adressbuch 1933 nennt auch Heinrich d. Jüng., Mechaniker. DieMutter wird verschwiegen. Meiercords stammen wahrscheinlich aus West- oderSüdwestdeutschland, dort ist der Name häufig anzutreffen. Nehmen wir an, Heinrichder Ältere wurde als Beamter hierher versetzt. Er muß zu Beginn der 80-er Jahre(19. Jahrh.) geboren sein, also in der Kaiserzeit herangewachsen. Sicher kaisertreu,deutsch-national, der Uniformträger. Die Weimarer Republik – die „Systemzeit“ –dämmert ihrem Ende entgegen, der braune Mob beherrscht schon die Straßen.Beide Meiercords haben längst auf den „starken Mann“ Hitler gesetzt und sindMitglieder der NSDAP, der Jüngere ist SA-Sturmbannadjutant. So bejubeln sie die„Machtergreifung“.

Heinrich d.J. kann nun seinen Haß gegen die Nazifeinde austoben. Er gehört zu den37 Angehörigen der SA, SS und des „Stahlhelm“, die der Erlaß des preußischenInnenministers zur Rathenower Hilfspolizei ernennt. Sie bringen die Gendarmerie aufTrab und stürmen voran bei der Verhaftung der Kommunisten und deren Folterung inden Räumen der Polizeiwache und des Polizeigefängnis in der Berliner Straße 1-2.Aber da gibt es ja noch ein Feind-Symbol: den jüdischen Prediger und Kantor MaxAbraham. Der hat schon vor dem 30. Januar 1933 mehrfach Überfälle derBraunhemden erleiden müssen. 1930 überfiel und misshandelte ihn der SA-Sturmführer Jackzentis, „ein berüchtigter Tagedieb und Rohling“ (Abraham). MaxAbraham zeigte ihn an, Jackzentis wurde wegen gefährlicher Körperverletzung zudrei Monaten und wegen anderer Delikte zu weiteren fünf Monaten Gefängnisverurteilt. Auf Grund der Empörung in der Rathenower Bevölkerung schlossen ihn dieNazis formell aus der NSDAP aus. Aber sie vergaßen Max Abraham dieseNiederlage nie. Als Hitler die Reichskanzlerschaft übertragen wurde, schlug dieStunde der Rache. Jackzentis schob man zwar, erneut zum Sturmführer ernannt, ausRathenow ab, aber seine Gesinnungsgenossen blieben.

Abraham war für die Faschisten gefährlich, denn er hatte sich während deswachsenden Antisemitismus in Deutschland der SPD angeschlossen und versuchte,„in Gemeinschaft mit Vertretern anderer Konfessionen der Judenfeindlichkeit einenDamm entgegenzusetzen“ (Abraham). Der Rathenower katholische Pfarrer WilhelmKnobloch hatte sich mit ihm zu einer „Arbeitsgemeinschaft für konfessionellenFrieden und Eintracht“ zusammengeschlossen und wiederholt gemeinsame Vorträgegehalten. Im Dezember 1932 gingen sie als Diskussionsredner mutig in die Ver-sammlung des Tannenbergbundes, Kampfgruppe Rathenow (Vors.: Adolf Harders,Eisenbahnbetriebsleiter, Kleinbahnhof) und traten gegen die wüste Beschimpfungder jüdischen und der katholischen Religion durch einen Sprecher des reaktionärenBundes auf.

Max Abraham zog sich vor dem nun staatlichen Naziterror vorübergehend nachBerlin zurück, kommt dann aber zu Amtshandlungen in seine Gemeinde zurück.Seine Feinde erwarten ihn. Am Montag, dem 26. Juni 1933, kommt er von einer Sitzung in Berlin um 23 Uhr aufdem Rathenower Bahnhof an (dort wohnt Heinrich Meiercord d.J.!). Max Abrahamwill nach Hause in die Große Milower Straße und geht über den dunklen Askanier-

damm (Am Körgraben). Plötzlich versperrt ihm ein Zivilist den Weg und schlägt aufihn ein. Der Kantor will ausweichen, der Schläger setzt nach, Abraham verliert seineBrille. „Wag’s nicht noch einmal, hier langzugehen!“ Abraham findet seine Brillewieder und will das letzte Stück zu seiner nahen Wohnung eilen, da springt derAngreifer aus einer Deckung erneut auf ihn zu. Abraham hat schon denHausschlüssel in der Hand, er wehrt sich und trifft, so dass der Schläger von ihmablässt. Rasch auf die beleuchtete Milower Straße! Sein Verfolger naht. Abraham ruftum Hilfe, Menschen sammeln sich und holen die Polizei. Der Angreifer kommt dazu, es ist der SA-Sturmbannadjutant Heinrich Meiercord d.J.,und brüllt: „Judenschwein! Das ist der Rabbiner von Rathenow! Dieser Hund hatmich überfallen!“ Der Schutz der Polizei entpuppt sich auf der Wache als böserIrrtum. Bald ist ein Aufgebot von SA und SS zur Stelle: Die „Hilfspolizei“. DiePrügelorgie beginnt und hält die ganze Nacht über an. Als die Braunen zum Einsatzmüssen, kommt Abraham in eine Zelle. Um 6 Uhr wird er herausgeholt und zweiStunden lang mit Gewehrkolben und Gummiknüppeln gemartert. Abraham berichtetin seinem Buch „Juda verrecke!“ (1934): „Meiercord allein hat mich dreimalbewusstlos geschlagen.“ Dann kommt der Blutüberströmte in die Dunkelzelle.

In der Ortspolizeibehörde ist Kommissar Albert Schützke (Paul-Nitsche-Str. 3) Chefder Vollzugspolizei; Leiter des Kriminaldienstes ist Krim.-Sekretär Karl Amelungen,(Havelberger Str. 8). Um 14 Uhr bringen Kriminalbeamte Max Abraham zur Turnhalledes Lyzeums in der Schleusenstraße, nur ein paar Schritte entfernt. Dort trifft er aufdie etwa 50 Festgenommenen der 2. Verhaftungswelle gegen Sozialdemokraten unddemokratische Bürger, von SA und SS im Morgengrauen „abgeholt“. Einzeln werdensie in die Toilettenanlage geholt und dort misshandelt. Unter fürchterlichen Schlägenzwingen die Faschisten die vier Juden (die Kaufleute Arno Ganss, Alex Grischmann,Fritz Sinasohn und den Prediger), sich gegenseitig mit dem Gummiknüppel zutraktieren: Qual und Erniedrigung, das war das Konzept der Nazischläger um den23-jährigen Heinrich Meiercord. Erst gegen Abend bringen zwei offene Lastwagendie Gequälten – quer durch die ganze Stadt fahrend – ins KZ Oranienburg.

Mit diesen „Verdiensten“ steht der Karriere Meiercordsnichts mehr im Wege. Höchstens der jüdisch klingendeName. Aber da ist Abhilfe in Sicht: Ein Jahr später, am 4.Juli 1934, meldet die Westhavelländische Tageszeitung:„Arier können Judennamen ablegen – Runderlaß desPreußischen Ministers des Innern; Anträgen vonPersonen arischer Abstammung wird stattgegeben.“ Inder Folge lässt sich Heinrich d.J. das „c“ wegoperierenund heißt nun Meierkord. Da kann er Sturmbannführerwerden (Sturmbann III/224; später V/224).

Auch der berufliche Aufstieg ist gesichert. Wird er 1933noch als Mechaniker ausgewiesen, ist er vier Jahre

später Betriebsingenieur in der Emil Busch AG. Als Werkstudent gefördert, kann manvermuten, denn die Betriebs-„Führung“ besteht nun fast ausschließlich aus NSDAP-Mitgliedern, und Meierkord ist „alter Kämpfer“ mit Goldenem Parteiabzeichen! Ergehört jetzt zur Chefetage.

An ihn, der für Personalfragen zuständig ist („Gefolg-schaftsannahme“), gerät 1941 der katholische PfarrerAugust Froehlich, als er sich über die Misshandlungpolnischer, katholischer Zwangsarbeiterinnen imRüstungsbetrieb Emil Busch AG beschwert. Als Vertreterseiner Glaubensschwestern spricht er persönlich vor undsitzt vor dem Referenten Heinrich Meierkord.

Froehlich war 1937 in sein Rathenower Amt gekommen,nachdem er schon in Pommern mit den Nazis überReligionsausübung im Reichsarbeitsdienstlager inKonflikt kam. Er verweigert konstant den Hitlergruß,widersteht Drohungen beim Gestapoverhör, kritisiert die

Demagogen der Nazizeitungen. Eine gerichtliche Strafe verhindert er durch seinenbegründeten Einspruch. Nun wird er auf Schritt und Tritt beobachtet. Die RathenowerGestapo lädt ihn vor. Froehlich wehrt sich mit dem Reichskonkordat zurungehinderten Religionsausübung. Seine Aktivität gegen die Firma Busch aber bringt für die Nazis das Faß zumÜberlaufen. Meierkord schwärzt ihn bei der Gestapo an, und er wird im Mai 1941erneut verhaftet. Die Anklageschrift spricht von „Gefährdung des Bestandes und derSicherheit des Staates“, von „Verletzung des Volksempfindens“ und dem„Missbrauch seelsorgerischer Tätigkeit“. Eine Gerichtsverhandlung findet jedoch niestatt. Er wird im Juli 1941 ins KZ Buchenwald gebracht, dann nach Ravensbrück undschließlich ins KZ Dachau. Als er am 22. Juni 1942 im Krankenbau des KZ stirbt, ister von den Misshandlungen so entstellt, dass ihn die Angehörigen nur an seinerKriegsverletzung im Gesicht erkennen.

Das ist die Blutspur des Heinrich Meierkord. Dieser Verbrecher ist 1942 knapp über30 Jahre alt. Sein Bild in der Werkzeitung „Unter der Busch-Sonne“ zeigt eingepflegtes, energisches Gesicht mit leicht vorgeschobenem Kinn, am Revers dengoldenen Bonbon und ein Ordensschleifchen – äußerlich ein „idealer Schwieger-sohn“ für die Kleinbürger. Seine Aufopferung für den Hitlerstaat übrigens scheintnicht so groß gewesen zu sein, denn er eilt nicht bei Kriegsbeginn zu den Fahnen.Erst 1942 meldet die Werkzeitung seine „Einberufung zur Wehrmacht“. Dann verliertsich seine Spur.

Vater Meiercords Karriere zeigt, dass er nicht nur deutsch-national war. Als altesNSDAP-Mitglied besetzt er in Rathenow reihenweise Positionen. 1937 ist er unbesol-deter Beigeordneter der Stadt Rathenow, hat den Vorsitz in zwei Beiräten und istStellvertreter in zwei weiteren, ist dreifacher Dezernent. In Haupt- und AllgemeinerVerwaltung, im Bau- und Friedhofswesen, im Grundstücksamt, Krankenhaus und inder Fürsorge, im Schlachthof und in der Stadtbücherei – überall mischt er mit. Und erwird einer der zwölf Kirchenältesten der St. Marien-Andreas-Kirche. Wer außer demNazi-Oberbürgermeister Dr. Räth hat in Rathenow mehr Macht und Einfluß?

Was den strammen „Deutschen Christen“ Heinrich Meiercord d.Ä. betrifft, wäredessen Position und Konstellation in der Kirche interessant. Superintendent GeorgHeimerdinger war Oberhaupt der Kirchengemeinden im Rathenower Bereich. Erdachte deutsch-national, „aber stets als Diener seines Herrn und nicht des Staates.Das brachte ihm eine monatelange Amtsenthebung ein, denn er stellte sich nicht auf

die Seite der „Deutschen Christen“ unter Reichsbischof Müller. In der St. Marien-Andreas-Kirche wurde dank Heimerdinger „nie die Nazifahne aufgezogen, obwohlgefordert.“ (Kommentar zu Heimerdingers Tagebuch; „Memento e.V.“) Wie kam soein Mann mit den Nazis „in seinem Pelz“ zurecht? Machte er schließlich gute Mienezum bösen Spiel, wie der Bericht in der „Westhavelländischen Tageszeitung“ überseine Rede 1934 schließen ließe? Fügte er sich in das Muster des EvangelischenBischofstages im September 1934 in Berlin, der die Amtseinführung Müllers alsReichsbischof beantragte: „Wir können als Kirchenführer nicht … vor Gott hintreten,der den Führer ein solches Werk der Einigung gelingen ließ…“? Müller wurde aufdem Nürnberger Reichsparteitag (1934) von Hitler begrüßt, an seinem Talar dasEiserne Kreuz und andere Orden. Im Kreis Rathenow-Westhavelland hatten die„Deutschen Christen“ schon Ende März 1933 den Premnitzer Pfarrer Pg. Rehse (einNSDAP-Mitglied) zu ihrem Oberhaupt bestimmt. Stand der Superintendent isoliert inseiner Kirche? Wir werden über Heimerdingers Nöte kaum noch etwas erfahren.

Auch die Spur von Heinrich Meiercord d.Ä. verliert sich am Ende des Krieges. War erschon pensioniert? Bei den Kämpfen um den Bahnhof am 25. April 1945 war erkeinesfalls nicht im Gebäude. Da kämpften und starben 15- bis 17-jährige Hitler-jungen als letztes Wehrmachtsaufgebot oder als Volkssturmleute. Im Sterberegisterder evangelischen Kirche ist Meiercord bis zum Sommer des Jahres nicht ver-zeichnet. War er wie die meisten Nazi-Würdenträger in Richtung Elbe abgehauen,um sich der befürchteten Rechenschaft für sein Tun durch die sowjetischeBesatzungsmacht zu entziehen? Wir wissen es nicht. Aber aus der unheilvollenBiographie der Meiercord/Meierkord sollten wir die Erkenntnis ziehen: Faschismus istein Verbrechen. Keiner darf sich erneut von Neonazis einfangen lassen!

Mit dem Ende des Nazireiches kam auch das Ende des Rüstungsbetriebes

Die Enteignung - und die Krokodilstränen von Blume und Co.

Zur Erklärung: Die „Havel Zeitung“ wurde bis 1945 von dem „bewährten“ Nazi Dr. Fritz Blumegeleitet, der dann vor den Rathenower Kämpfen lieber nach Westen verschwand. In Jever gabder unverbesserliche Revanchist dann das oben abgebildete Exilblatt heraus.

Enteignungsurkunde der Emil Busch AG Rathenow:

LandesregierungBrandenburgGesch.-Z. xxx

An die FirmaEmil Busch. A.G., Optische ApparateRathenow

ENTEIGNUNGSURKUNDE

Die Enteignung des auf Grund des Befehls Nr. 124 des Obersten Chefs derSowjetischen Militäradministration in Deutschland vom 30. 10. 1945 beschlag-nahmten Betriebsvermögens der Firma

Emil Busch. A. G. , Optische ApparateRathenow

ist durch den Befehl Nr. 64 des Obersten Chefs der Sowjetischen Militäradmini-stration in Deutschland vom 17.4.1948 bestätigt und damit rechtskräftig geworden.

Potsdam, den 15. Juli 1948gez. i. V. (Unterschrift) gez. (Unterschrift)DER MINISTERPRÄDIDENT DER MINISTER DES INNERN

Anmerkung:SMAD Befehl Nr. 124Dem Deutschen Reich gehörende Vermögenswerte werden beschlagnahmt.30. Oktober 1945

SMAD Befehl Nr. 64Beendigung der Sequesterverfahren in der Sowjetischen Besatzungszone.17. April 1948___________________________________________________________________

Kapital und Ansprüche darauf lässt der Kapitalismus nicht verjähren:

Franz Rapsch Optische Fabriken AGRathenow, Jahnstr. 5 (gefunden im Internet: Reichsbank-Aktien)

Gegr. 1886, AG seit 18.10.1924Drittgrößtes Rathenower OptikunternehmenIm Juli 1939 Angliederung einer TongläserschleifereiIm II. Weltkrieg stark zerstört, verbliebene Anlagen demontiert

Reichsbank Aktien-Shop; Stand 19.6.2009

Franz Rapsch Opt. Fabriken AG Rathenow Aktienausgabe zu 1.000 RM im August 1928 Bestell-Nr. 946 Preis in € 70.-

Emil Busch AG Opt. Industrie Rathenow Aktienausgabe zu 100 RM im August 1929 Bestell-Nr. 215 Preis in € 35,-

Der Betrieb Franz Rapsch bestand nach 1945 weiter unter Treuhandverwaltung, daausländisches Kapital eine Enteignung und Umwandlung in Volkseigentum zunächstverhinderten. Nach Beendigung der Produktion blieb die Immobilie im genanntenEigentum.Die Produktionsräume im Hofgelände zwischen Jahnstraße und Goethestraßewurden später (1950-er Jahre) der Station Junger Techniker übergeben undbeherbergten Werkstätten und Räume für die Arbeitsgemeinschaften der JungenPioniere. Stationsleiter war Manfred Schwarzer. (D.S.)

Während der Nazizeit war die Fa. Rapsch ein Rüstungsbetrieb. Direktor war Paul Fettling, Prokurist war Erich Hiltner.

1945 setzte sich Fettling nach Westdeutschland ab, um der Verantwortung für seinEngagement mit den Nazis zu entgehen.Erich Hitner (geb. 1885) beging noch während der Kämpfe in Rathenow mit seinerFrau Wiebke (geb. 1889) Selbstmord und wurde im Krankenhauspark in einemMassengrab (47 Personen) begraben. Das Grab besteht noch.

Über Paul Fettling berichtete DER SPIEGEL 51/1954 am 15.12.1954 unter derÜberschrift Besatzungsbedarf – jeder hielt die Hand hindass die Bielefelder Staatsanwaltschaft die Schmiergeldaffäre bearbeitete undAnklage gegen insgesamt 47 Personen erhob. Die ersten Prozesse sollten imFrühjahr 1955 beginnen und etwa 5 Monate dauern. Dem Handelsvertreter Paul Fettling (60 Jahre) wurde vorgeworfen, als eineSchlüsselfigur der Bestechung fungiert zu haben. Die Strafanträge wurden nach §12des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb wegen Zahlung oder Annahme vonSchmiergeldern gestellt. Fettling war jahrelang einer der Vermittler zwischen westdeutschen Firmen und denalliierten Beschaffungszentralen, besonders im Sektor Textilien; u.a. „besorgte“ erTeppich-Aufträge im Wert von 6 Mill. DM und kassierte dafür 240.000 DM Provision.Fettling vertrat etwa 10 Firmen bei der Besatzungsmacht. Sein stattlicherProvisionsgewinn ergab in zwei Jahren 195.000 DM Steuern. (Über den Ausgang des Verfahrens war im Internet nichts zu finden. D.S.)

Diese Karriere blieb Hiltner vorenthalten. Weshalb er sich umbrachte, lässt sich nurspekulieren.

Die Grabtafel im Krankenhauspark (Ausschnitt)