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"Ihm war, wenn es spät ward, als schwitze er mit allen aus demselben Körper.

Er war untergegangen in der Korporation, die für ihn dachte und wollte.

Und er war ein Mann, durfte sich selber hochachten

und hatte eine Ehre, weil er dazugehörte. Ihn herauszureißen,

ihm einzeln etwas anhaben, das konnte keiner."

Heinrich Mann, in: Der Untertan

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Vorwort

Liebe Kommilitoninnen undKommilitonen!

Nach dem “Gegenwind” Nr. 3, der1998 in aktualisierter Auflage zumThema Studentenverbindungenerschien, haltet Ihr jetzt unserenbereits zweiten Reader zumThema VerbindungsUNwesen inden Händen. Neben einigen Über-schneidungen zum “Gegenwind”erfolgt nun eine etwas andereSchwerpunktsetzung. Die Auto-rinnen und Autoren haben sichstärker auf die Entwicklung derBurschenschaften konzentriertund hierbei natürlich einmal mehrauch die Düsseldorfer Burschen-schaft „Rhenania Salingia“ unterdie Lupe genommen. Es entsprichtder Auffassung des AStA- Vor-stands, dass sowohl die Struk-turen als auch die Inhalte derBurschenschaften reaktionäres bishin zu faschistischem Gedanken-gut transportieren.Dieser Reader soll Euch Informa-tionen über das Verbindungs-UNwesen geben und ermöglichen,Euch bei Bedarf tiefer in dieMaterie einzuarbeiten. Verbin-dungen versuchen gemeinhin,stets neue Leute anzuwerben bzw.- um den ihrigen Sprachgebrauchzu benutzen – zu „keilen“. Auchdavor möchten wir Euchbewahren.

Viel Spaß beim Lesen!

Euer AStA- Vorstand

Claudia, Maria & HappusJuni 2002

Verbindungs(Un)Wesen - 3

Inhalt

Vorwort 3

Studentische Korporationen 4

Gemeinschaften mit elitärer Zielsetzung 4

Studentische Verbindungen - auflösen?! 12

Die neuere Entwicklung der “Deutschen Burschenschaft” 22

„Schwarz-braun ist die Haselnuss – schwarz-braun bin auch ich“ - Die “Rhenania Salingia“ heute 28

Literaturliste 32

Kleines Lexikon verbindungsstudentischerFachausdrücke 33

ImpressumHerausgeber & V.i.S.d.P.:AStA der Heinrich-Heine-Universität DüsseldorfUniversitätsstr. 140225 Düsseldorf

Auflage: 2.000

Namentlich gezeichnete Artikel müssen nicht unbedingt dieMeinung der HerausgeberInnen wiederspiegeln. Die Rechte an Texten und Fotos liegen bei den AutorInnen undFotografInnen.

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Verbindungs(Un)Wesen - 4

1. Einleitung

Das rechtsextreme korporierteSpektrum umfaßt hauptsächlichden Dachverband der “DeutschenBurschenschaft”, 14.000 Mit-glieder, und in Teilen den der“Deutschen Gildenschaft”, 560Mitglieder, und der “Neuen Deut-schen Burschenschaft”, 3.500Mitglieder. Es ist realistisch, wennin etwa 15.000 Korporierte derrechten bis rechtsextremen Szenezuzuordnen sind, also etwa 10%der Gesamtzahl. Eine hoheAffinität zu konservativ-rechtemGedankengut weisen vor allemdie schlagenden Verbindungen(hier vor allem die Lands-mannschaften und Turnerschaftendes Coburger Conventes, kurz CC)auf, was auf eines ihrer zentralenErziehungsmittel - der Mensur -zurückzuführen ist, dazu aberspäter mehr.Gefolgt werden die schlagendenStudentenverbindungen von demgroßen Block der konservativeingestellten Verbindungen. Zunennen ist hier vor allem der mitetwa 30.000 Mitglieder größteDachverband, der “Cartellverbandder katholischen deutschenStudentenverbindungen”, demz.B. Friedrich Merz, Edmund

Studentische KorporationenGemeinschaften mit elitärer Zielsetzung

von Stephan Peters

»

Stoiber, Jürgen Rüttgers, MatthiasWissmann und Klaus Kinkel ange-hören.Den Abschluß des politischen“Links-Rechts-Schema” bildendie zum Teil gemischtgeschlecht-lichen Bünde, z.B. die desSondershäuser Verbandes, demdie musisch orientierten Ver-bindungen angeschlossen sind.Politisch “linke” oder auchemanzipatorische Korporationengibt es nicht. Begründet liegtdiese Tatsache im einem allenVerbindungen gemeinsamenZwangssystem. Das Zwangs-system soll in diesem Beitragdurch die genauere Betrachtungder korporierten Erziehung unddes Verlaufes einer typischenMitgliedschaft anhand aus-schließlich korporiertem Schrift-material (vorwiegend Material des“Kösener Senioren-Convents-Verbandes”, KSCV (die Corps) unddes “Cartellverbandes derkatholischen deutschen Studen-tenverbindungen”, CV) eingehen-der charakterisiert werden.Abschließend wird der Sinn deskorporierten Systems zusammen-fassend erläutert.

2. Die Mittel der kor-porierten Erziehung

Eine studentische Verbindung, inder Regel als reiner Männerbundmit Lebensbundprinzip organ-isiert, weist ein umfassendesRegelwerk auf, dem sich dieMitglieder unterordnen müssen.Erzogen werden die Mitgliederangeblich zu “Vertretern einesehrenhaften Studententums undzu charakterfesten, tatkräftigen,pflichttreuen Persönlichkeiten”(Handbuch des Kösener Corps-studenten, Bd. 2, 1985, S. 2/3). Ein weiterführendes Ziel derErziehung: “Das in der kleinen

In der Bundesrepublik Deutschland gibt es ungefähr 1.000 stu-dentische Korporationen mit etwa 22.000 Studierenden und

135.000 sogenannten Alten Herren (Stand 1997). Alte Herren sinddie fertig studierten Mitglieder. Etwa 900 Korporationen sind inca. 30 Dachverbänden organisiert und zum Teil im bundesweitagierenden Convent Deutscher Akademikerverbände und/oder

Convent Deutscher Korporationsverbände (CDA/CDK) angegliedert.

»Ein typischer Student ?Burschenschaftler nach dem Fechten

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Gemeinschaft der KorporationGeübte soll den einzelnenBundesbruder befähigen zurÜbernahme seiner Verantwortungin dem größeren Kreis von Staatund Gesellschaft.” (Handbuch desCV, 1990, S. 269).Um eine Erziehung derPersönlichkeit mit elitäremFührungsanspruch gewährleistenzu können, bedient sich eineKorporation eines ganzen Kanonsunterschiedlicher Regeln, die inden sogenannten Commentszusammengefaßt sind. DerComment, das offizielle und auchschriftlich verfügbare Regelwerk,umfaßt sämtliche Bereiche deskorporierten Lebens, vomFarbentragen bis zum Biertrinken(Bier- und Kneipcomment) undregelt darüber hinaus auch dasZusammenleben der Mitglieder.Hierin ist ein wesentlicherUnterschied zu einem “normalen”e. V. zu sehen.Bei den schlagenden Bünden, wieden der Deutschen Burschen-schaft, den Landsmannschaften,den Turnerschaften und denCorps, gibt es zusätzlich einen“Paukcomment” zur Regelung desMensurwesens. Ziel der zahl-reichen Regeln ist die Formungdes einzelnen Mitgliedes durchUnterwerfung. EntscheidendesKriterium ist dabei die korporierteGemeinschaft, in die sich derEinzelne einzufügen hat.Drei Erziehungs- und Formungs-mittel seien hier kurz genauererläutert:1) Der “Convent”, also dieverbindungsstudentische Mit-gliederversammlung,2) Die “Kneipe”, gemeint ist dasritualisierte Feiern3) Die “Mensur”, die sicherlicheines der härtesten Erziehungs-mittel darstellt.

2.1 Der Convent

Der erzieherische Wert desConventes als verbindungsstu-dentische Mitgliederversammlungliegt in der Vermittlung einesFeingefühls für das Machbare. Daseinzelne Mitglied erfährt, wie weit

es gehen kann, ohne den Unmutder anderen auf sich zu ziehen. Eswird demnach auch als besondersgeschickt empfunden, “jeneMeinung zu erforschen, welcheden geringsten Widerstand find-et.”(CV-Handbuch, 1990, S. 218).Bei dieser Zielsetzung hat aber diezu erforschende Meinung oppor-tunistischen Charakter und derConvent birgt in seinen Ent-scheidungen wenig Verän-derungspotential. Ferner wirdbehauptet, dass der “Ver-bindungsconvent ein wesentlichbesserer und wertvollerer Er-ziehungsfaktor ist als dieöffentlichen Parlamente.” (CV-Handbuch, 1990, S. 217)Was eine Korporation darunterversteht und worin genau der“wertvollere Erziehungsfaktor”bestehen soll, wird im folgendeneingehender beschrieben: “Dererzieherische Wert des Conventesin sprachlicher und psycholo-gischer Schulung wird immerunterschätzt. Erst muß ich einmalim Kreis der Freunde, der Bundes-brüder die inneren Hemmungenüberwinden lernen, sonst werdeich - im Berufe stehend und in dasöffentliche Leben gestellt - untermeinen Hemmungen eine Nietebleiben und das Feld dem hem-mungslosen Demagogen über-lassen.” (CV-Handbuch, 1990, S.222)Erzogen wird auf diesen Mit-

gliederversammlungen durchSelbstüberwindung. Der Kor-porierte soll lernen, seine eigenenGrenzen - in Abwägung zu denGrenzen der Bundesbrüder - zuüberwinden. Es wird allerdings inder Darstellung nicht reflektiert,woher die genannten “innerenHemmungen” rühren. Auch dieGegnerschaft, hier der “hem-mungslose Demagoge”, wird nichtspezifiziert. Es wird seitens derGemeinschaft vielmehr eindubioses Feindbild suggeriert, dases zu bekämpfen, bzw. zu über-winden gilt - innen wie außen.Vor was genau muß sich derKorporierte aber zu schützen ler-nen? Was muß bekämpft werden?Ist es vielleicht das, was außerhalbder korporierten Gemeinschaftsteht?

2.2 Die Kneipe

Eine Kneipe meint ein “geselligesTrinken in festgelegter Form”(Paschke, 1999, S. 153).Begrüßungen und Ansprachen,Ehrungen und bestimmte Artendes Trinkens (geregelt imBiercomment) sind Form-bestandteile der Kneipe. Durchden vorgegebenen Verhaltens-kodex und der innerhalb derOrdnung noch bestehendenFreiheit soll sich eine - so heißt es- “Atmosphäre von festlicherSpannung” und “glücklicher

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»Burschenschaftler beim Frühschoppen“Singen” in Marburg 2001

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Entspannung” ergeben (Paschke,1999, S. 154). Die Kneipe solldurch ihre Form “den alten undjungen Studenten in eineGemeinschaft” aufnehmen, “inder er ganz Mensch sein kann.”(Paschke, 1999, S. 154).Bei der Kneipe bildet also eineOrdnungsvorgabe den Rahmen,innerhalb dessen sich derKorporierte zurechtfinden muß.Überschreitet er den Rahmen,wird er nach Härte des“Vergehens” abgestraft (meistmuß er in einer gewissen Formtrinken, er kann aber auch derKneiptafel verwiesen werden). Dererziehende und kontrollierendeAspekt der Kneipe wird folgen-dermaßen beschrieben: “Trotzeines gewissen einzuhaltendenZeremoniells darf nicht vergessen

werden, dass (...) auch die Kneipeein Prüfstand ist, auf dem derjunge Corpsstudent zeigen soll,mit welcher Sicherheit er sich indem ihm vorgegebenen Rahmenfrei und ungezwungen bewegenkann. Beherrscht er ihn einmal,wird es ihm später imgesellschaftlichen und beruflichenLeben gut zustatten kommen.”(Handbuch des KösenerCorpsstudenten, Bd. 1, 1985, S. 176)Nur durch die Befolgung derRegeln, bzw. Einhaltung diesesvon außen gesetzten Rahmenskann der Korporierte an derGemeinschaft teilhaben, bzw.kann er “glückliche Entspannung”erleben. Das bedeutet aber auch,dass sich der Korporierte denRegeln der Gemeinschaft unter-ordnen muß, bevor er ein wenigFreiheit genießen darf. Und zusät-zlich wird der Verbindungsstudentmit sich selbst und seinen eigenenGrenzen konfrontiert: “Dazugehört auch, und gewiß nicht anletzter Stelle, die Erfahrung unddie Kraft der Selbsteinschätzung,wann die eigene Grenze erreichtist. Auch im vorgerücktemStadium (z.B. des Alkohol-konsums, d. V.) die guten Sittenund Bräuche zu beherrschen, läßtsich wohl kaum besser als auf derKneipe im überschaubaren Kreiseder Corpsbrüder erlernen.”(Handbuch des Kösener Corps-studenten, Bd. 1, S. 176)

Die Kneipe stellt somit einMedium korporierter Erziehungdar, in der der Verbindungs-student durch dauerndesAbwägen seiner selbst und dergesetzten Vorgaben Freiräume zuentdecken lernt, innerhalb dererer sich bewegen darf. Er lerntsozusagen einen Balanceaktdurchzuführen, um in den Genußder gelebten Gemeinschaft zukommen. Dabei ist der Rahmeneiner Kneipe von der Gemein-schaft selbst gesetzt, also kon-struiert. Die Kneipe ist ein “Spiel”zwischen Freiheit und Sicherheit,zwischen Verbotenem und Er-laubtem, zwischen Beherrschung

und Exzess, zwischen Ordnungund Chaos.Der Korporierte lernt, Un-sicherheiten und Risiken im Lebenund im Umgang mit Mitmenschenmittels eingeübtem Reglement zubegegnen. Vielleicht ist auch hierder Grund zu finden, warumKorporationen nach wie vorattraktiv für viele Studierendesind, denn sie bieten konstruierteSicherheit in einer überschaubarenGemeinschaft (im Gegensatz zuranonymen Massenuniversität), diees nach außen zu verteidigen,festzuhalten gilt.Das kann aber auch bedeuten,dass er unfähiger und unflexiblerauf Veränderungen von außenund abwehrend bis feindlich aufKritik an den von der korporiertenGemeinschaft gesetzten Regelnreagiert. Denn müßte er diesenHalt aufgeben, sähe er sich demdrohenden und außen befind-lichen Chaos ausgeliefert, das imGegenbild des “hemmungslosenDemagogen” beschworen wird.

2.3 Die Mensur

Die Mensur gibt es nur in schla-genden Korporationen, in denensie neben dem Convent und derKneipe als drittes Erziehungsmittelhinzutritt. Die Mensur, der ritua-lisierte Kampf mit scharfenWaffen, ist für pflichtschlagendeBünde ein Grundprinzip. Es kannnur derjenige aufgenommen wer-den, der mindestens einmal einesogenannte Bestimmungsmensurgefochten hat. Weitere Mensurenkann der Convent festlegen undvon einzelnen Mitgliedern verlan-gen. Der genaue Verlauf, Umfangder Vorbereitungen und dieRegeln sind im jeweiligen Pauk-comment festgehalten. ErnsthafteVerletzungen kommen heutzutagekaum noch vor, meistens handeltes sich lediglich um Platzwundenund kleinere Schnitte auf derSchädeldecke oder anderenfreiliegenden Gesichtspartien.Augen, Nase, Ohren sowie derHals sind geschützt. Zur Sicherheitist ein Arzt anwesend, der dieVerletzten nach der Mensur ohne

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»Was für ein Prachtkerl...Burschenschaftler nach dem Fechten

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Betäubung versorgt, also z.B. dieWunden näht.Bei der Mensur geht es nichtdarum, den Gegenüber zu be-siegen, sondern vielmehr dieeigene Angst vor der scharfenWaffe und eventuell drohendenVerletzungen zu überwinden, sichdadurch für die Gemeinschafteinzusetzen und diese zu stärken:“Die Mensur ist ein Mittel derErziehung oder - wenn dieseBezeichnung etwa als zu schul-meisterisch empfunden wird - derPersönlichkeitsentwicklung da-durch, dass sie anleitet zu Mut,Selbstüberwindung, Selbstbe-herrschung und Standhalten. Werauf scharfe Waffen antritt, muß -soldatisch ausgedrückt - deninneren Schweinehund über-winden, nämlich die (...) Angst.Nicht ‘kniesen’ oder reagierenverlangt Selbstbeherrschung.‘Blutige’ und ihr Flicken tapfer zuertragen, lehrt Standhalten (...).Die Mensur ist nach Innen einBindemittel, ein Integrations-mittel, also ein Mittel zur Ver-stärkung der Bindung an denBund und die Brüder. Wer wieder-holt auf die Farben seines Corpsgefochten, sich dabei bewährtund meist auch kleinere Blutopfergebracht hat, fühlt sich diesemritterlichen Männerbunde unver-gleichlich enger verbunden, als inaller Regel ein Mitglied irgen-deines anderen Vereins sichdiesem verbunden fühlt. (...) DieMensur ist nach außen einAbschreckungsmittel, nämlichgegenüber solchen, die es nichtfertigbringen, den ‘innerenSchweinehund’ zu überwinden,und die wir deshalb in unserenReihen nicht haben wollen.”(Raack, in: Die Wachenburg,1983, S. 116)Es finden sich hier Parallelen zurKneipe: Wieder gibt es einen festreglementierten Rahmen, inner-halb dessen das “Waffenspiel”Mensur stattfinden muß. Wiedersieht sich das Mitglied seineneigenen Grenzen ausgesetzt, diees zu überwinden gilt, und wiedergeht es um das Erlernen einesBalanceaktes zwischen den eige-

nen Grenzen und den Gesetzender Gemeinschaft. Die Regelnmüssen unter der Gefahr vonSchmerz erlernt und angewandtwerden, erst dann kann derKorporierte vollwertiges Mitgliedder Gemeinschaft werden. DieMensur stellt somit eineZugangsbeschränkung zur “ritter-lichen Gemeinschaft” dar. Da siedurch Anordnung beliebigwiederholt werden kann, ist sie alsein wichtiges Mittel der Dis-ziplinierung nach innen zu verste-hen. Insgesamt ist “die Intensitätder sozialen Kontrolle in schla-genden Verbindungen (...) ver-gleichbar der in asketischenSekten.” (Paschke, 1999, S. 179)Die Unterwerfung unter dasReglement dient sowohl demZusammenhalt der männer-bündischen Gemeinschaft, alsauch der Abgrenzung nach außen.Ein Gedanke, der im volkstumbe-zogenen Vaterlandsbegriff derDeutschen Burschenschaft über-zeichnet wieder auftaucht.Zunächst aber stellt sich die Frage:Wodurch sehen bzw. sahen sichdiese ritterlichen Männerbündebedroht? “Die Mensur errichtet auch einennicht zu unterschätzenden Dammgegen Unterwanderung undUmfunktionierung durch Feindedes Corpsstudententums, denenes zur Erreichung ihrer Ziele sonstnichts ausmachen würde,Mitglied zu werden, die es abermindestens als höchst lästigempfinden würden, dafür denKopf den langen Messern hinhal-ten zu müssen. (Die Wachenburg,1983)Die Korporationen konstruiereneinen angeblichen Feind undzugleich symbolische Abwehr-mittel, die jedoch eher derIntensivierung der eigenenBindung dienen als ein “Dammgegen Unterwanderung” zu sein.

2.4 Zusammenfassung

Folgendes läßt sich zur Analyseder Mittel korporierter Erziehung

in Hinblick auf das Mitglied fest-

halten:» Der Korporierte lernt fremdenRegeln zu gehorchen und mitihnen umzugehen. Dafür erhält erZugang zur korporierten Gemein-schaft. Die Erziehung zielt aufSelbstüberwindung ab: Es wirdvermittelt, dass die Gemeinschaftwichtiger ist als der Einzelne.» Die Persönlichkeitsentwicklung,die mittels einer solchen Erziehungvorangetrieben wird, ist die einesMenschen, der sich schnell fest-gesetzten “Spielregeln” unterord-nen und sich diese zu eigenmachen kann, um sich möglichstfrei in den Regeln bewegen zukönnen. Im beruflichen Leben istdas sicherlich von Vorteil, vorallem in Berufen und Gruppen, indenen nach festgesetzten Regeln(eindeutige Machtstrukturen,

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»...und noch einer. Fechten alsDisziplinierung nach innen

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starkeH i e r a r c h i e n )

gearbeitet wird.» Befehl und Gehorsam,dafür Anerkennung durch dieGemeinschaft ist der Grund-gedanke des korporiertenZwangssystems, dem sich derKorporierte zu fügen hat undden er unhinterfragt verinner-lichen muß. Er ist durch die kor-porierte Erziehung nahezu unfähigauf größere Veränderungenangemessen zu reagieren undzeigt dadurch eine Affinität zumBewahrenden, Konservativen, wiestudentische Verbindungen über-haupt; dies gilt auch fürnichtschlagende Verbände, wieetwa dem CV.

Für die genauere Beschreibungder korporierten Gemeinschaftergibt die Analyse der Erziehungs-mittel noch einen weiterenHintergrund, der mit den gesell-schaftlichen Entwicklungen zurEntstehungszeit der Erziehungs-mittel zusammenhängt. So ist zuvermuten, dass die Bestimmungs-mensur als “Waffenspiel” eine

Reaktion auf die Loslösungdes Ehrbegriffs vom

Duell (insbeson-dere seit 1870)

i s t .

Fernerdient die

Mensur als Aus-schlußmittel, z.B. der Frauen (seit1908 in Preußen zum Studiumzugelassen), die der KSCV als nichtgleichwertig empfindet: “Zum‘gewöhnlichen Volk’ gehört (...)vor allem die Frau, der es tradi-tionell nicht gestattet ist, die‘Geheimnisse’ des Männerbundeszu ergründen.” (Girtler, in: Baum,1998, S. 370)Und auch der Convent als Formder Mitgliederversammlung istvielleicht eine Reaktion auf denParlamentarismus. Andere Bräu-

che (z.B. die Uniformierungund der teils eigene Sprach-gebrauch), die vorwiegendder Zeit des Wilhel-minismus entstammten,können als Reaktion aufdie tiefgreifenden Verän-derungen durch dieIndustrialisierung des

damaligen deutschen Reichesgesehen werden.Die Korporationen entlehntenTeile dieser sich schnell verän-dernden Gesellschaft, machtendiese in Abwandlung zu ihrenRegeln, um auf diese Weise ebennicht in den Strudel, in das Chaosder Veränderungen zu versinken.Sie konservierten sozusagen Teileeiner vor Veränderungen stehen-den Gesellschaft in ihren Regeln,grenzten sich so zu ihrer Umweltab, um konstruierte Sicherheitbieten zu können. Sie sind in ihrerEntstehung somit als eine Reak-tion auf eine Gefährdung einerstatischen Ordnung des Sozial-lebens zu sehen.Durch die Festigung der Regeln(der Comment sowie der Abschlußder Entwicklung der Korporation

fand vorwiegend um dieJahrhundertwende statt) wurdenaber nicht nur die funktionalenTeile sondern auch die dahinter-

stehenden Gedanken, Ideen,Ideologien der damaligen

Entstehungszeit der Korpora-tionen zementiert und bis heute

unverändert weitertransportiert.Obrigkeitstaatliches Denken,

Hierarchie, Befehl und

Gehorsam,Unterord-nung und Pflichterfüllung sowieMannesehre ist das eine, Natio-nalismus, Fremdenfeindlichkeitund Antisemitismus das andereErgebnis der Zementierung.Studentische Verbindungen sindsomit als Transfereinrichtung desdamaligen Gedankengutes in dieheutige Zeit zu sehen.

3. Der Verlauf einerMitgliedschaft

Die Mitgliedschaft als Student,also die “Karriere” eines Korpo-rierten, weist eine Drei-Phasen-Struktur auf: 1. Die Phase der Integration, inder es der Korporation darumgeht, das neue Mitglied möglichstvollkommen und zügig in dieGemeinschaft einzugliedern. 2. Die Phase der Festigung, in dersich das neue Mitglied mehr oderweniger unwiderruflich für dieKorporation entschieden hat unddie Korporation ihn aktiv für ihreZwecke einsetzt und 3. Die Angliederungsphase, in derder mittlerweile zum “inaktiven”Burschen aufgestiegene Studentaus vielen Pflichten entlassenwird, um sein Studium zu beendenund sich auf den Einstieg in dasBerufsleben vorbereiten zu kön-nen. Diese Phase endet mit derAufnahme in die “Altherren-schaft”. Die drei Phasen werde ich imFolgenden genauer schildern:

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3.1 DieIntegrationsphase

Die Integrationsphase ist variabelund umfaßt den Zeitraum vomBeginn der Anwerbung bis zuroffiziellen Aufnahme des neuenMitgliedes als Vollmitglied.Meistens dauert sie bis zu einemJahr, selten länger. Mit der soge-nannten Burschung findet diePhase ihren Abschluß. Zum Verlauf:Korporationen werben ihrenNachwuchs meist gezielt an, z.B.anläßlich der ZVS-Einschreibungdurch Einladung zu einemMittagessen oder bieten denErstsemestern billigen, meistdurch die Altherrenschaft subven-tionierten Wohnraum an. Einsolches Entgegenkommen istnicht zu unterschätzen, vanGennep schreibt dazu: “Ein solch-er Gabentausch hat eine unmit-telbar verpflichtende Wirkung: einGeschenk von jemanden akzep-tieren heißt, sich an ihn binden.”(van Gennep, Übergangsriten,1986, S. 37)Lebt der sogenannte “Spefuchs”dann im Hause der Korporation,wird er zunächst unverbindlich zueinigen Veranstaltungen einge-laden, usw. Auch hier bleibt seit-ens der Verbindung nichts demZufall überlassen. Der Neue wirdgezielt in die Korporation inte-griert (z.B. darf er am Mittagstischteilnehmen, lernt im öffentlichenLeben bedeutende “Alte Herren”kennen, etc.). Nach einer kurzenPhase der Orientierung erklärt sichder Neue dann unter Umständenbereit, dem Bund beizutreten.Oder er wird auf seinen Beitritt zurGemeinschaft hin gefragt. Tritt erbei, bekommt er zunächst dasmeist zweifarbige Band alsZeichen der Mitgliedschaft ver-liehen (jetzt darf er z.B. auch dieanderen Mitglieder duzen), istdamit Fuchs, also sozusagenAnwärter auf eine Vollmit-gliedschaft und befindet sich inder Probezeit. Damit ist eine ein-deutige Statuszuweisung verbun-den. Als eine Art Novize ist derFuchs derjenige, der in der

Hierarchieleiter an unterster Stellesteht. Zur Erleichterung derIntegration, aber auch zurKontrolle muß sich der Fuchseinen sogenannten “Leib-burschen” wählen, der ihn inschwierigen Lagen vertreten kann.Zusätzlichen bekommt er Unter-richt vom für die Nach-wuchserziehung zuständigen“Fuchsmajor” (gelernt wird dasReglement, die Geschichte derKorporation, des Dachverbandes,etc.). Erst nach und nach werdendie Regeln der Korporation ange-wandt, so dass das neue Mitglieddie beginnende Erziehung kaumbemerkt: “Dieser Formungsprozeßvollzieht sich in der Regel weitge-hend unmerklich für das einzelneMitglied (...).” (CV-Handbuch,1990, S. 159)Der Fuchs hat nur eingeschränkteRechte in den Organen derKorporation, aber volle Pflichten,so sollte er an jeder Veranstaltungteilnehmen und Anweisungen(z.B. vom Fuchsmajor) mit “unbe-dingtem Gehorsam” (Satzung derKDStV Palatia im CV, 1984, § 24 c)ausführen.Manchmal ist es aus Sicht derKorporation auch notwendig,inhaltlich und zeitlich mehr Druckauf das neue Mitglied auszuüben,um eventuell vorhandenenWiderständen und Differenzen zubegegnen, schließlich soll derKorporierte die Regeln rückhaltlosakzeptieren und verinnerlichen.Dazu wird die Einbindung desNeuen verstärkt, zusätzlich findenlange Gespräche, meist mit demLeibburschen, statt.Die kurze Integrationsphase wirdbegleitet von einer Anzahl unter-schiedlicher Rituale. Zu nennensind u. a. ein Adoptionsritual, dasmit einer Namensgebung (Bier-name) verbunden ist, das offizielleAufnahmeritual als Initiation (mitStatusänderung) und bei denschlagenden Korporationen dieBestimmungsmensur als beson-deres Initiations- und Männlich-keitsritual. Daneben gibt es eineVielzahl kleinerer, sich ständigwiederholender Rituale, z.B.Trinkrituale. Die Rituale erfüllen

u.a. den beabsichtigten Zweckeiner emotionalen Vermittlungs-rolle: “Die zwischenmenschlichenTugenden, die uns zur Per-sönlichkeit prägen, lassen sichindessen nicht durch Vorlesungen,Seminare oder Predigtentradieren, man muß sie durch dieRiten einer kleinen Gruppe, durchdas Brauchtum einer Lebensform,durch das Vorbild der Älterenmehr unterschwellig als lehrhaft,mehr emotional als ver-standesmäßig zur Gewohnheit,zum Habitus, zur Lebensartmachen.” (Kessler, in: DieWachenburg, 1986, S. 3)Durch die Rituale lernt dasMitglied das Reglement kennen,erfährt die für die Korporationwichtigen inhaltlichen Zu-sammenhänge und vor allem denUmgang mit den anderenKorporierten, sowie mit derGemeinschaft, in die er sich inte-grieren muß. Insgesamt zeichnetsich die Integrationsphase für dasneue Mitglied durch hohe zeitlicheund inhaltliche Dichte aus, durchdie er einerseits aus der univer-sitären Umgebung in dieKorporation hineingezogen wirdund ihm andererseits die Möglich-keit zur Reflexion seines Tunsbewußt stark eingeschränkt wird.Ziel ist dabei nicht nur dasErlernen der Regeln, sondern aucheine Reduzierung des Fuchsen zursogenannten “prima materia”, diemüheloser geformt, geschliffen,bzw. erzogen werden kann.

3.2 Die Phase derFestigung

Die aktive Burschenzeit umfaßt ca.drei Semester, so dass derKorporierte zuzüglich derFuchsenzeit mindestens vierSemester der Korporation aktivzur Verfügung steht. Auch indieser Phase bleibt die zeitlicheund inhaltliche Belastung desKorporierten hoch. Jedoch hatsich durch die “Burschung” seinStatus verändert. Er ist nun voll-wertiges Mitglied auf Lebenszeitund genießt die vollen Rechte. Erist damit in der Lage, seinerseits

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die Gemeinschaft mitzugestalten,Ämter zu bekleiden und dieKorporation nach außen zuvertreten. Wurde der Korporiertein der Integrationsphase erzogen,so ist er nun in der Position selbstzu erziehen. War er vorher der-jenige, der die Befehle aus-zuführen hatte, so ist er nun der-jenige, der die Befehle gibt.Zeichnete sich die Integrations-phase durch eine Erziehung durchZwang aus, so wird in derFestigungsphase durch angelei-tete Regelanwendung erzogen.Der Korporierte hat als “Fuchs” dieRegeln verinnerlicht, die ihm nunals Leitlinien zur Ausgestaltungdes korporierten Gemeinschafts-leben dienen.Die Festigungsphase ist die Zeitdes spielerischen Umgangs mitden Regeln, also die Zeit, in dersich der Student “frei” im Raumder Regeln bewegen und diese aufandere Mitglieder anwenden darf.Freiheit ist hier im Sinne des fol-genden Zitates zu verstehen,nämlich als schon vordefiniert:“Freiheit heißt nicht, tun undlassen können, was man will,sondern was man soll.” (CV-Handbuch, 1990, S. 360)

3.3 DieAngliederungsphase

Die Phase der Angliederung be-zeichnet die “inaktive” Zeit desKorporierten, in der dieser seinStudium beendet und sich auf denEintritt in das Berufsleben (unddamit auf seine “Rückkehr” in dieGesellschaft) vorbereitet. Je nachStudiumsdauer umfaßt diesePhase einen Zeitraum von zweiJahren und mehr. Die “Inaktivität”des Korporierten wird auf Antragan die Gemeinschaft von dieserauf dem zuständigen “Convent”beschlossen. Den Abschluß derInaktivenzeit bildet die “Philis-trierung”, also die förmliche Über-nahme des Korporierten in die“Altherrenschaft”, die gleichfallsdurch Beschluß des zuständigen“Conventes” vollzogen wird. Alsinaktiver Bursche muß derKorporierte nicht mehr allen

Verpflichtungen der korporiertenGemeinschaft nachkommen undsteht dieser eher beratend zurVerfügung. Seine Rechte bleibendavon unberührt. Erst der Statusals “Alter Herr” verändert nocheinmal sowohl Rechte als auchPflichten. Der “Alte Herr” subven-tioniert die korporierte Gemein-schaft, steht beratend zur Seite,kann aber notfalls auch in dieGeschicke der sogenannten“Aktivitas” eingreifen. Nichtunwichtiger ist seine Aufgabe, inder Gesellschaft seine erlerntenkorporierten Vorstellungen um-zusetzen.

3.4 Zusammenfassung

Die studentische Korporation kannin ihrer Funktion als ein Über-gangsritual bezeichnet werden,das seinen Sinn in der “Kontrolleder Dynamik des sozialen Lebens”haben soll. Sie trennt dazu dieneuen Mitglieder aus ihrem bis-herigen Leben/Umfeld, fügt sie inihr “sicheres Zwangssystem” miteiner Vielzahl von Methoden ein.Dabei wendet die Gemeinschaftteilweise Methoden an, die aufeine gezielte Bewußtseinsver-änderung abzielen. Insbesonderedurch die Vielzahl und Intensitätder Rituale erfolgt eine emo-tionale Vereinnahmung des Neuendurch die korporierte Ge-meinschaft. Letzteres wird sogarvon Korporierten öffentlichpropagiert, denn die Erziehungsoll schließlich den “ganzen”Menschen formen (Kessler, in:CDA/CDK, 1998).

4 Schluß

Die in der Gemeinschaft vorhan-denen Inhalte werden währenddes Erziehungs- und Formungs-prozesses von dem neuen Mitgliedverinnerlicht und anschließendangewandt, um nach derErziehung den Korporierten in dieGesellschaft und zwar in “genaudefinierte Positionen” (Turner,1989, S. 35) zurückkehren zulassen. Es ist deutlich geworden,dass eine Korporation mehr als

eine sich gegenseitig stützendeGemeinschaft ist. Sie ist eineSchicksals-, Erziehungs-, undLebensgemeinschaft. Die abschließende Frage, die esnoch zu beantworten gilt, ist:Wozu ist das Ganze eigentlichgut? Die Antwort gibt ManfredKanther, ehemaliger Bundes-innenminister, der eine derwichtigsten Funktionen seinesCorps darin sieht, “auch weiterhinnational gesinnte Menschen inalle führende Berufe der Gesell-schaft zu entsenden”. (Kanther, in:Oberhessische Presse, 28. Mai1990)Bei Durchsicht der Mitglieder-verzeichnisse läßt sich zumindestfür die zwei hier behandeltenDachverbände feststellen, dass dieangehörigen Korporationen alseine Art Rekrutierungsbasis füreine konservativ-bürgerlicheBildungselite funktionierenmüssen. Beide Verbände verfügenüber genug Mitglieder undEinflußmöglichkeiten. Eine kleineListe von jeweils 10 bedeutendenRepräsentanten möge dieseBehauptung unterstützen:Für den CV: Johannes-JoachimDegenhardt (Kardinal), ThomasGottschalk (Entertainer), WalterKasper (Kardinal), Klaus Kinkel(ehem. Bundesaußenminister),Friedrich Merz (Fraktionsvor-sitzender der CDU), Werner Müller(Bundeswirtschaftsminister) ,Joseph Ratzinger (Kardinal), Jür-gen Rüttgers (ehem. Bundes-bildungs- und Zukunftsminister),Edmund Stoiber (bayrischerMinisterpräsident) und MatthiasWissmann (ehem. Bundesver-kehrsminister).Für den KSCV: Klaus Esser (ehem.Vorstandsvorsitzender der Man-nesmann AG), Hans Friderichs(ehemaliger Bundeswirtschafts-minister und Sprecher derDresdner Bank), Jörg Menno-Harms (Vorsitzender des Auf-sichtsrates der Hewlett-PackardGmbH), Hans-Dieter Harig(Vorstandsvorsitzender der E.onEnergie AG), Dietmar Hertling(Vize-Präsident des BDI), ManfredKanther (ehemaliger Bundes-

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innenminister), Klaus Mangold(Chef der Debis, VorstandDaimler-Chrysler), HenningSchulte-Noelle (Vorstandsvor-sitzender der Allianz), EdzardSchmidt-Jorzig (ehemaligerBundesjustizminister) und WernerStumpfe (ehemaliger Präsidentund jetzt Ehrenpräsident desArbeitgeberverbandes Gesamt-metall).Korporationen stellen in ihrerFunktion eine ganz besondereRekrutierungsart einer bürgerlich-konservativen Bildungselite dar,die unter demokratischem Vor-zeichen zu kritisieren ist. Sicherlichist den Korporationen ihreFunktionsweise zu neiden, jedochsind die Inhalte, die in ihrenGemeinschaften anerzogen wer-den, einem demokratischenProzeß abträglich, hier sei nocheinmal auf die Unterwerfungs-und Zwangsaneignungsstrategienhingewiesen. Neben den Inhalten(z.B. “national gesinnt”) ist vorallem in Hinblick auf die meinesErachtens notwendige demo-kratische Kontrolle einer solchenbedeutsamen Elite diese zu kri-tisieren, weil sie sich eben einerKontrolle von Außen bewußtentzieht. Diese Elite steht gegenChancengleichheit in Staat undGesellschaft und für sozialeUngleichheit und Ausgrenzung,nicht zuletzt dadurch, dass sieschon allein durch ihre Auf-nahmebedingungen über 50% derGesellschaft (nämlich die Frauen)nicht an der wohlfunktionieren-den Protektion teilhaben lassenwollen.

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»Freude an der Selbstverstümmelung...Bier, Blut und Männerschweiß

Literatur

Rolf-Joachim Baum (Hrsg.), “Wir wollen Männer, wir wollen Taten!”.Deutsche Corpsstudenten 1848 bis heute, ohne Ort, 1998.

CDK/CDA (Hrsg.), Vielfalt und Einheit der deutschenKorporationsverbände, ohne Ort 1998.

Norbert Elias, Studien über die Deutschen, Frankfurt am Main 1998.

Arnold van Gennep, Übergangsriten, Frankfurt am Main/New York 1999.

Gesellschaft für Studentengeschichte und studentisches Brauchtum e. V.(Hrsg.), CV-Handbuch, 1990.

Gesellschaft für Studentengeschichte und studentisches Brauchtum e. V.(Hrsg.), CV-Handbuch, Regensburg, 2000.

Friedhelm Golücke/Wolfgang Gottwald/Peter Krause/Klaus Gerstein(Hrsg.), Robert Paschke, Studentenhistorisches Lexikon, Köln 1999.

Herbert Kessler, Rede anläßlich des Stiftungsfestes des Corps FranconiaBerlin zu Kaiserslautern, in: Die Wachenburg. Zeitschrift des WeinheimerSC, 1986.

Projekt “Konservatismus und Wissenschaft” e. V., VerbindendeVerbände. Ein Lesebuch zu den politischen und sozialen Funktionen vonStudentenverbindungen, Marburg 2000.

Joachim Raack, Vom Sinn und Wert der Mensur, in: Die Wachenburg.Zeitschrift des Weinheimer SC, 1983.

Vorstand des Verbandes Alter Corpsstudenten (Hrsg.), Handbuch desKösener Corpsstudenten, 2 Bände, Würzburg 1985.

Zur Person:

Stephan Peters M. A.: Jg. 1969,Politikwissenschaftler undDoktorand am Institut fürPolitikwissenschaften derPhilipps-Universität Marburg

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Verbindungen undRechtsextremismus

Studentische Verbindungen bildenhäufig die Schnittstelle zum recht-sextremen Spektrum. Von vielenwird zwar immer behauptet, sieseien unpolitisch und nur einigewenige studentische Verbin-dungen hätten diese Kontakte.Diese Behauptung erweist sichjedoch, wie im folgenden zuzeigen sein wird, als haltlos.

„DeutscheBurschenschaft“ (DB)und rechtsextreme

Umtriebe

Als Beispiel läßt sich die „DeutscheBurschenschaft“ (DB) anführen,die aber nur ein Teil des Ver-bindungsUNwesens (Burschen-schaft wird häufig fälschlicher-weise als Oberbegriff für studen-tische Verbindungen bzw.Korporationen verwandt) darstellt– wahrscheinlich aber den bekan-ntesten. So fiel vor einiger Zeit die„Burschenschaft Danubia“ inMünchen bundesweit dadurchauf, dass sie einem rechtsex-tremen Schläger Anfang 2001, derkurz zuvor einen Griechen fast totgeprügelt hatte, vor dessen Flucht

in die Niederlande Unterschlupfgewährte1 - dies war nicht daserste Mal2.Die DB wurde 1818 gegründetund nach dem 2. Weltkrieg imJahre 1950 wiedergegründet.3

Heute besteht sie aus rund 130Farben tragenden und schlagen-den Verbindungen an 40Universitäten, in denen insgesamtca. 18.000 Mitglieder organisiertsind. 1996 spalteten sich von derDB acht etwas „gemäßigtere“Verbindungen ab und es entstanddie „Neue Deutsche Burschen-schaft“, der nunmehr 21 Ver-bindungen mit rund 4.000 Mit-gliedern angehören.4

Diese Kontakte zwischen gewalt-bereiten Rechtsextremen und stu-dentischen Verbindungen, die sichteilweise selbst als „aufge-schlossen für rechtes Gedanken-gut“ bezeichnen, hat denVerfassungsschutz auf den Plangerufen, der zum Beispiel die„Danubia“ in München ob-serviert.5 Diese Verknüpfungenzwischen studentischen Verbin-dungen und rechtsextremenKreisen hat sich auch an derDüsseldorfer Burschenschaft„Rhenania-Salingia“ gezeigt, dieam 17.November 1999 den be-kannten rechtsextremen AnwaltHorst Mahler – der zur Zeit

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Studentische Verbindungenauflösen?!

von Ralf Hanke

»

Auf den ersten Blick fällt einem zu studentischen Verbindungenein: Bunte Mützchen und Bändchen, günstiges Wohnen in großenHäusern, tolle Feten und “Kameradschaft”. Nicht zu vergessen die

„sportliche“ Betätigung: das Mensurenschlagen. Das hört sich doch erst einmal nicht schlecht an. Warum sollte man also Verbindungen auflösen?

Diese Frage zu beantworten, ist Ziel dieses überblicksartigen Artikels.

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Prozeßvertreter der NPD imVerbotsverfahren vor demBundesverfassungsgericht ist – alsRedner eingeladen hatte.6 Anfang2000 fiel die in Marburg ansässigeBurschenschaft „Normannia-Leipzig“ dadurch auf, dass derenMitglieder den Hausmeister desNachbargrundstücks mit einemLuftgewehr beschossen. Beson-ders hervorgetreten ist dabei ihrMitglied Jürgen W. Gansel, dergleichzeitig auch noch „Schu-lungsleiter“ der NPD Jugend-organisation JN (Junge National-demokraten) ist und kürzlich inden NPD-Bundesvorstand ge-wählt wurde, mit „Sieg-Heil-Rufen“ und dem Zeigen des„Hitlergrusses“.7 Auch warenBurschenschaften an derGründung des neofaschistischen„Rings freiheitlicher Studenten“(RFS) und an der des„Republikanischen Hochschul-verbands“ (RHV) führend be-teiligt.8

Studentische Verbindungen sindalso für die Kontinuität rechterZusammenhänge unter Studieren-den von Bedeutung.Diese Beispiele9 veranschaulichen,dass die Burschenschaften häufigdas Scharnier zwischen angeblichunpolitischen Verbindungen unddem rechtsextremen Spektrumbilden. Hinzu kommt, dass dieMitglieder der Verbindungendurch die Netzwerkfunktion der-selben in exponierte Stellungen inPolitik und Wirtschaft aufsteigen,wodurch natürlich auch zwangs-läufig ihre Überzeugungen insolche Stellungen hinein getragenwerden.

Die Dachverbände

Es könnte natürlich nun argumen-tiert werden, dass sich dieslediglich Burschenschaften be-zieht. Aber es gibt vielfältigeÜberschneidungen zwischen deneinzelnen Verbindungen undderen Dachverbänden, die näm-lich wiederum in zwei großenMeta-Dachverbänden organisiertsind. Distanzierungen oderAustritte der (vermeintlich)

„gemäßigteren“ Verbindungenbzw. Dachverbände aus diesengibt es so gut wie nicht.

Die „Deutsche Burschenschaft“ isteiner der größten Dachverbändeder studentische Verbindungen (=Korporationen). Daneben gibt esnoch die bereits angesprochene„Neue Deutsche Burschenschaft“(NDB) und über 20 weitere Dach-verbände. Es wurde geschätzt,dass es 1988 circa 160.000Korporierte gibt.10 Die bekann-testen und größten Dachver-bände, neben den zwei bereitsgenannten, sind:11

- der „Coburger Convent derLandsmannschaften und Turner-schaften“ (CC) mit 100 Ver-bindungen, 1.900 Aktiven undInaktiven, sowie 11.264 AltenHerren. Die Mitglieder des CCschlagen auch Mensuren. Bei denLandsmannschaften handelte essich um Studenten, die aus demgleichen Land bzw. der gleichenGegend stammen. Sie waren vom16. bis zum frühen 19.Jahrhundert die vorherrschendeForm studentischer Verbindungen.- der „Cartellverband derkatholischen deutschen Studen-tenverbindungen“ (CV) mit 125Verbindungen, 5.500 Aktiven undInaktiven, sowie 26.500 AltenHerren,- der „Kartellverband katholischerdeutscher Studentenvereine“ (KV)mit 80 Verbindungen, 2.050Aktiven und Inaktiven, sowie16.500 Alten Herren,- der „Kösener Senioren ConventsVerband“ (KSCV) ist einCorpsverband mit 101 Ver-bindungen, 2.600 Aktiven undInaktiven, sowie 12.220 AltenHerren. Die Mitglieder des KSCVschlagen auch Mensuren. DieCorps gingen aus den studen-tischen Landsmannschaften des17. und 18. Jahrhunderts hervorund waren sozial häufig privi-legierte Verbindungen12.- der „Weinheimer Senioren -Convent“ (WSC) ist einCorpsverband mit 65 Ver-bindungen, 1.550 Aktiven undInaktiven, sowie 7.552 Alten

Herren. Die Mitglieder des WSCschlagen auch Mensuren.- der „Sondershäuser VerbandA k a d e m i s c h - M u s i k a l i s c h e rVerbindungen“ (SV) mit 29Verbindungen, 610 Aktiven undInaktiven, sowie 3.750 AltenHerren.

Die allermeisten der Dach-verbände sind wiederum Mitgliedin den Meta-Dachverbänden des„Convent Deutscher Akademiker-verbände“ (CDA) oder des„Convent Deutscher Korpo-rationsverbände“ (CDK). Im CDKsind nach eigenen Angaben13 ca.350 aktive Verbindungenvertreten. Mit der Mitgliedschaftin diesen Dachverbänden rela-tiviert sich auch häufig dieAbgrenzung der „vermeintlich“gemäßigteren von den rechtsex-tremen studentischen Verbin-dungen, denn durch die Mitglied-schaft gibt es Berührungspunktezwischen ihnen und auch inhalt-liche Übereinstimmungen werdendadurch nicht selten, auch wenndies häufig bestritten wird. DasArgument also, man habe ja mitden rechtsextremen studentischenVerbindungen nichts zu tun,überzeugt daher nicht. So sindzum Beispiel die „Neue DeutscheBurschenschaft“ und die „Deut-sche Burschenschaft“ Mitglied imCDK. Aber auch eher harmloserscheinende Verbindungen wieder „Akademische Turnerbund“(ATB) oder die „DeutscheSängerschaft“ (DS) haben sichdiesem Meta-Dachverband ange-schlossen. Die Gemeinsamkeitensollen im folgenden kurz erläutertwerden.

Was studentischeVerbindungen gemein-

sam haben

Zunächst soll hier kurz auf dieOrganisation der studentischenVerbindungen eingegangen wer-den, danach folgt in einem zwei-ten Schritt eine kurze Erläuterungder gemeinsamen Prinzipien.Bezüglich der Organisation undder gemeinsamen Prinzipien

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weisen die Verbindungen zwarauch Unterschiede auf, jedochlassen sich viele Aspekte (mehroder weniger ähnlich) bei allenVerbindungen wiederfinden:

Organisation

Der neue Student wird in die stu-dentische Verbindung als „Fux“aufgenommen. Nach einer ein-bis zweisemestrigen Probezeit(„Fuchsenzeit“) erfolgt imRegelfall die „Burschung“, mit derder „Fux“ zum „Burschen“ unddamit zum Vollmitglied in derVerbindung wird. Diese geht häu-fig einher mit der Mensur (=Zweikampf unter Studenten mitscharfen Waffen).Der „Fux“ steht ganz unten in derHierarchie der Verbindung. Diezeitliche Beanspruchung des„Fuxen“ durch seine Verbindungverhindert, dass er sich mit Dingenbeschäftigen kann, die außerhalbdieser liegen – ein kritischesHinterfragen seines Tuns wird ihmdamit erschwert. Jeder „Fux“bekommt außerdem einen soge-nannten „Leibburschen“, der seineInteressen vertritt – gleichzeitig istdieses aber auch eine guteKontrollmöglichkeit des Neuen. Ersoll ja schließlich auf„Verbindungslinie“ gebracht wer-den und auch bleiben.Nach drei oder vier aktivenSemestern kann sich der„Bursche“ inaktivieren lassen.Seine Pflichten nehmen damit ab,und er kann sich damit unter

anderem auf das Examen vor-bereiten. Als „Alter Herr“ (ehema-liges Mitglied der Aktivitas) hatder ehemalige „Bursche“ nun dievollen Rechte und sponsert seineVerbindung nun materiell und ister an der Leitung seiner Ver-bindung beteiligt.Dieser kurze Abriß hat gezeigt,dass das Verbindungsdasein vom„Fux“ ohne Rechte und mit vielenPflichten hin zum „Alten Herren“mit allen Rechten führt. Als „Fux“mögen die ganzen Gängeleien derälteren Verbindungsmitgliederzwar nur schwer erträglich sein,aber die Aussicht, als „Bursche“bald selber nach unten treten zukönnen, macht es leichter, das„Recht des Stärkeren“ zu akzep-tieren und sich in dieser quasimilitärischen Ordnung einzufügen.Der Burschenstatus bringt also dielangersehnte Autorität, die nungegenüber den „Füxen“ ausgeübtwerden kann.

Lebensbundprinzip

Das wichtigste Prinzip in denVerbindungen ist das Lebens-bundprinzip, das es seit Mitte des19. Jahrhunderts in den studentis-chen Verbindungen gibt. Dabeigeht es nicht nur um finanzielleUnterstützung, sondern auch umNepotismus (das heißt dieBevorzugung von Verbindungs-mitgliedern, also „Vetternwirt-schaft“) in Wirtschaft und Politik;der Begriff „Ver-bindung“ paßtalso. Es wird auch häufig von„Seilschaften“ gesprochen. Dasheißt, die „Alten Herren“ sorgendafür, dass ihre Verbindungs-studenten in führende Positionenaufsteigen können. Wie es in einerBroschüre des CV 1987 hieß:„Über Studentenverbindungenwird viel geredet. Karriere-schmieden und <Vitamin-B-Vereine> sollen sie sein. [...].“14

Oder wie der Leiter einerManagement- und Personal-beratung und „Alter Herr“ desCorps Frankonia Darmstadt esformulierte: „Einem Bewerber, derVerbindungsstudent ist, bringtman natürlich mehr Vertrauen im

Vorstellungsgespräch entge-gen.“15 Damit bleibt natürlich auchden vielen anderen Bewerbernund vor allem Bewerberinnen dieChance verwehrt, sich durch ihreLeistung und Persönlichkeit fürsolche Stellen zu qualifizieren.Eine demokratische Auswahlbleibt dabei auf der Strecke.16

Folgendes Beispiel kann diesesweiter verdeutlichen: So stellte der„CV“ in der Legislaturperiode1987- 1991 mit über 30Abgeordneten die zahlenmäßiggrößte Abgeordnetengruppe mitweitreichenden Einflußbe-ziehungen. Jede/r muß sich dabeidie Frage stellen, welche anderegesellschaftliche Interessengruppemit „nur“ 33.000 Alten Herrenund Aktiven über soviel Macht imParlament verfügt.17 Was sagt diesüber die Demokratie aus? Auchsind von den circa 160.000Korporierten nach Schätzungen40.000 in Führungspositionen.18

Zugehörigkeits-kriterien

Weiterhin ist den meistenVerbindungen gemeinsam (es gibtauch sehr wenige Ausnahmen),dass sie Frauen19 ausschließen,keine Zivildienstleistenden20 oderAusländerInnen21 aufnehmen.Frauen werden vielmehr als„Damen“, d.h. als „schmückendesBeiwerk“ oder „Aushänge-schilder“ „ihrer“ Männer angese-hen. Denn vermeintlich „weib-liche“ Charakterzüge wieEmotionalität und Schwächepassen, so wird argumentiert,nicht zu den angeblich„männlichen“ Idealen, wie zumBeispiel Ehre, Mut (siehe nur:Mensuren) oder Kameradschaft.Es wird also eine biologistischeSichtweise vertreten, nach derneben den körperlichen Unter-schieden, auch oben aufgezählteVerhaltensweisen biologischvorgegeben seien. Damit wirdeine reaktionäre und konservativeSichtweise auf Geschlechtlichkeit– wie sie leider in Männerbündenüblich ist – in verschärfter Weisereproduziert. Deutlich wird dies an

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»”Abenteuer Burschenschaft” Eigenwerbung der DB

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einer „Damenrede“, die von einemKorporierten anläßlich einesStiftungsfestes seiner Verbindunggehalten wurde: „Ihr seid dieschönsten Juwelen unseresLebens, denn ohne Euch wärenwir schmucklos, freudlos, reso-nanzlos. Wer versteht unsRauhbeiner besser zu nehmen alsIhr, liebe Damen, mit Eurem weithöher entwickelten Feingefühl füralles Menschliche und Unmensch-liche!“22

Auch Zivildienstleistende werdennormalerweise nicht aufgenom-men; denn, so wird argumentiert,sie seien „Drückeberger“. Außer-dem verträgt sich dies nicht mitden vermeintlich „männlichen“Idealen wie „Mut“ und natürlichnicht mit der Liebe zum Vaterland.Typisch für studentische Verbin-dungen bleibt also weiterhin der„weiße deutsche Mann“, der„gedient“ hat.

Zusammenfassung

Es hat sich gezeigt, dass alle stu-dentischen Verbindungen aus denoben aufgeführten Gründen zukritisieren sind. Sie alle bauen aufeiner streng hierarchischen, mil-itärischen Ordnung auf, die großePersonengruppen unserer Gesell-schaft ausschließt. Hinzu kommtder Nepotismus in Wirtschaft undPolitik. Außerdem stellen sie eineSchnittstelle zum Rechtsextremis-mus dar. Die Forderung muß daher lauten,diese anachronistischen und reak-tionären „Gebilde“ aufzulösen,wie es die Alliierten ja auch kurznach dem 2. Weltkrieg richtiger-weise gemacht haben! Sie sahendie studentischen Verbindungenals Mitverantwortlich für dieZersetzung der Weimarer Repu-blik, den Aufstieg der Nazi-bewegung und der Errichtung derNS-Diktatur und ihrer Verbrechenan.23 In der britischen Besatzungs-zone wurde im November 1945verfügt: „Die Militärregierunggestattet nicht die Bildung vonKorporationen oder Corps altenStils, ebensowenig wie dieBeibehaltung ihrer Titel, Kleidung,

Vorrechte usw.“.24 Die Amerikanerformulierten es in ihren „MilitaryOrganization Regulations“ vomMärz 1947 noch prägnanter: „AllNational Socialists organizationsin universities are abolished andwill not be permitted to berevived. The revival of other stu-dent organizations (especiallyVerbindungen, Burschenschaften,Korporationen, and their Alt-herrenbuende) of a nationalistic,reactionary or para-militarycharacter will not be permitted.”25

Fußnoten:1 Süddeutsche Zeitung vom 19.06.2001, S. 43;taz vom 22.06.2001, S. 5.2 Süddeutsche Zeitung vom 28.07.2001, S. 53.3 zur Geschichte der Burschenschaften sieheDietrich Heither u.a. (Hrsg.), a.a.O.4 taz vom 22.06.2001, S. 5; siehe dazu in diesemHeft den Artikel „Die Deutsche Burschenschaftseit den 1980er Jahren“; Dietrich Heither, a.a.O.,S. 368-370 (Die Spaltung der DeutschenBurschenschaft); junge Welt vom 09.04.2001.5 Süddeutsche Zeitung vom 07.09.2001, S. 1; tazvom 09.07.2001, S. 6.6 siehe dazu in diesem Heft den Artikel „Schwarz–braun ist die Haselnuss – schwarz-braun binauch ich“ – Die “Rhenania Salingia“ heute.7 Jungle World vom 08. März 2000, Saufen,schießen, sprengen, Korporierte in Marburg.8 Dietrich Heither, a.a.O., S. 323-374, hier S. 359(Versuch einer politischen Positionsbestimmung:Die Burschenschaften nach ´68).9 weitere Beispiele siehe Dietrich Heither/Gerhard Schäfer, Im rechtsextremen Netzwerk,Burschenschaften seit den siebziger Jahren, in:Dietrich Heither u.a. (Hrsg.), a.a.O., S. 223-270;Dietrich Heither, a.a.O., S. 363 ff.; Report ausMünchen, ARD, vom 09.07.2001; „ (...)denRheinfranken zu Marburg wird seit Jahren derKontakt in rechtsextreme Kreise vorgeworfen.Und zurecht(...)“.10ak – analyse & kritik, Konservativ – reaktionär– faschistoid, Wo steht die „DeutscheBurschenschaft“ in den neunziger Jahren?, Nr.

427, 10.06.1999.11 die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 1997,Quelle: Zeitung „verbindungen kappen“, S. 13,Marburg Juni 2000.12 Arno Klönne, „Manneskraft undLebensbund“. Sitte und Brauchtum derKorporationen, in: Ludwig Elm u.a. (Hrsg.),a.a.O., S. 324, siehe auch S. 357.13 http://www.convent-deutscher-korporatio-nen.de/14 CV-Vorort (Hrsg.), Auf ein Wort, Ffm 1987(Werbematerial).15 zitiert nach J. Sinn, Turbo-Lader. Wie studen-tische Verbindungen die Karriere fördern, in:Capital, Nr. 5/1989. S. 287; siehe auchSüddeutsche Zeitung vom 07.07.2001, S. 53 zuweiteren Äußerungen zum Nepotismus.16 siehe Gerhard Schäfer, Cliquen, Klüngel undKarrieren, in: Ludwig Elm u.a. (Hrsg.), a.a.O., S.307 ff.17 zitiert nach: Gerhard Schäfer, Cliquen, Klüngelund Karrieren, in: Ludwig Elm u.a. (Hrsg.), a.a.O.,S. 309.18 ak – analyse & kritik, Konservativ – reaktionär– faschistoid, Wo steht die „DeutscheBurschenschaft“ in den neunziger Jahren?, Nr.427, 10.06.1999.19 siehe dazu vertiefend Dietrich Heither, a.a.O.,S. 122-146 (Auf dem Weg zum Männerbund).20 vertiefend Dietrich Heither, a.a.O., S. 386-388(Burschenschaftlicher Virilismus am Ende des 20.Jahrhunderts. Burschenschaft undKriegsdienstverweigerer).21 weiterführend Dietrich Heither/GerhardSchäfer, Im rechtsextremen Netzwerk,Burschenschaften seit den siebziger Jahren, in:Dietrich Heither u.a. (Hrsg.), a.a.O., S. 251-256(Nach innen: Ethnopluralismus – Rassismus inneuem Gewand).22 zitiert nach: Zeitung „verbindungen kappen“,S. 17, Marburg Juni 2000.23 Ludwig Elm, Das Vergangene ist nichtvergessen, in: ders. u.a. (Hrsg.), a.a.O., S. 180 ff.;Dietrich Heither, Nicht nur unter den Talaren...Von der Restauration zur Studentenbewegung,in: ders. u.a. (Hrsg.), a.a.O., S. 159 ff.24 Hans Schlömer, Was erwarten dieHochschulen von neuen studentischenGemeinschaften nach 1945?, in: Der Convent, Nr.12/1962, S. 278.25 Zitiert nach: Germany 1947-1949. The Storyin Documents, edited by the US-Department ofState, Washington 1950, S. 570f.

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»”Abenteuer Burschenschaft” Ihre wichtigsten Inhalte...

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Letztere ist das Ergebnis einer1979 vorgenommenen Fusionzweier vor dem Zweiten Weltkriegin Halle ansässigen Burschen-schaften, nämlich der 1951 inMünster wiedergegründeten und1972 nach Düsseldorf umgezoge-nen „Alten Halleschen Burschen-schaft Salingia“ und der 1965 inDüsseldorf wiedergegründeten„Burschenschaft Rhenania Halle“.

Von den Ursprüngen

Ursprünglich waren die Burschen-schaften studentische Zusammen-schlüsse bürgerlich-demokra-tischer Prägung. Im Gegensatz zuden aristokratisch geprägtenCorps identifizieren sie sichzunächst mit der französischenRevolution und nahmen ingrösserer Zahl auch an bürgerlich-revolutionären Aktionen wie dasWartburgfest oder dem

Hambacher Fest teil. Im Jahr 1815wurde in Jena die „Urburschen-schaft“ gegründet, auf die sichheute noch die DB bezieht.Spätestens nach der gescheitertenRevolution von 1848 wechseltendie Burschenschaften jedoch dasLager. Der schon vorher über-reichlich von ihnen vertreteneNationalismus, der zunehmendvölkisch-biologistisch geprägtwar, gewann gegenüber dendemokratischen Forderungenimmer mehr an Gewicht. Derendgültige ideologische Schulter-schluß mit den gesellschaftlichenEliten war spätestens mit Beginndes von den meisten Studentenfrenetisch bejubelten Kaiser-reiches vollzogen. Das durch dieIndustrialisierung aufstrebendeBürgertum meinte nunmehr,zusammen mit den traditionellenEliten seine neu gewonneneMacht gegenüber der ebenfallsaufstrebenden Arbeiterbewegungverteidigen zu müssen.

Das Kaiserreich

Die wilheminische Politik – expan-siver Imperialismus nach außen,Niederhalten der Arbeiter-bewegung nach innen – wurdevon allen studentischen Ver-bindungen mit großer Be-geisterung geteilt. Dabei zähltedie DB zu den gesellschaftlichenKräften, die am aggressivstenetwa die berühmt-berüchtigteForderung nach einem „Platz ander Sonne“ für Deutschland auf-stellten und folgerichtig ge-schlossen in den „AlldeutschenVerband“, die „Kollonialgesell-schaft“ und den „Ostmarkverein“eintraten. Ein weiteres charakter-istisches Element der studentis-chen Verbindungen war derAntisemitismus, der sich seit den1980er Jahren des 19. Jahr-

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Geschichte der Burschenschaftenund anderer Verbindungen

vom Antifaschistischen AutorInnenkollektiv

»

Auch wenn in Düsseldorf das gesamte Spektrum der studentischen Verbindungen anzutreffen ist,

so treten zumeist nur zwei durch sichtbare Aktivitäten in Erscheinung:

Die katholische, im CV organisierte und nichtschlagende Verbindung „Burgundia Leipzig“,

die nach 1945 ihren Stammsitz nach Düsseldorf verlagerte, und die schlagende DB-Verbindung „Alte Hallesche

Burschenschaft Rhenania Salingia“.

»Historische Zeichnung eines BurschenschaftstreffenMitte 19. Jahrhundert

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hunderts besonders in den fastausschließlich konservativen aka-demischen Kreisen massiv verbrei-tete. Offiziell verkündeten bei-spielsweise die „Burschenschaft-lichen Blätter“, noch heute Organder DB, „daß gegenwärtig dieaktive deutsche Burschenschaft[..] den Kampf gegen dasJudentum als nationale Aufgabe“ansehe.1 Der 1983 einberufeneBurschentag beschloß, künftig dasGlaubensbekenntnis der aktivenMitglieder im Mitgliederver-zeichnis auszuweisen, mit demerklärten Ziel, alle jüdischenMitglieder aus dem Verband hin-auszudrängen. Bereits zwei Jahrespäter waren, laut der in den„Burschenschaftlichen Blättern“veröffentlichten Mitglieder-statistik, keine Aktiven jüdischenGlaubens mehr in den Burschen-schaften zu finden. Der 1896 ab-gehaltene Eisenacher Burschentagstellte schliesslich offiziell fest, dasdie Burschenschaften auch inZukunft in der Ablehnung derAufnahme jüdischer Studenteneinmütig zusammenstünden.2

Nach alledem ist es kaum ver-wunderlich, dass besonders diekorporierten Studenten unter denersten waren, die 1914 begeistert„zu den Fahnen“ eilten. Wer aller-dings glaubte, die verheerendeimperialistisch-völkische Ideologieder Korporationsverbände hättedurch die eklatante Niederlagedes 1. Weltkrieges auch nur An-sätze selbstkritischer Reflexionerfahren, wurde schnell einesbesseren belehrt. Man wähntesich, ebenso wie das Militär, im„Felde unbesiegt“, propagiertelautstark die „Dolchstoßlegende“und prangerte die neue Regierungals „Verräter an der nationalenSache“ an. Die überwiegendeMehrheit der Studenten sowienahezu alle Verbindungen standender neuen, bürgerlich- demo-kratischen Ordnung feindlichgegenüber und wünschten sichnichts sehnlicher als die Rückkehrzu vertrauter monarchistischerRuhe und Ordnung. Dem mußhinzugefügt werden, dass an denUniversitäten das Korporations-

wesen sehr verbreitet war, etwadie Hälfte aller Studenten warenMitglied einer Verbindung. ZurZeit der Weimarer Republik gingdieser Anteil besonders in denGroßstädten zurück, die tradi-tionsreichen Universitätsstädteblieben dagegen fest in korpo-rierter Hand.

Weimarer Gefechte,oder: „... die Anatomie

braucht Leichen.“

Das Mißtrauen und die offen zurSchau getragene Verachtunggegenüber der sozialdemokratischgeführten Regierung hinderte diekorporierten Studenten allerdingsnicht daran, sich an der blutigenNiederschlagung der überall imReich aufflammenden sozialenKämpfe und Umsturzversuche vonSeiten der Arbeiterbewegung zubeteiligen. Die Regierung hattesogar gezielt die Studentenschaftaufgefordert, in die hierfürgebildeten „Freicorps“ einzu-treten, um die Republik vor demdrohenden „Bolschewismus“ zuretten. Dafür wurden denStudenten für die verlorene Zeitunter anderem Freisemester ver-sprochen. Die Motivation derStudenten, diesem Aufruf mehr-heitlich Folge zu leisten. entsprangallerdings nicht – wie heute oftbehauptet – der Begeisterung fürdie Republik, sondern einemfanatischen Antisozialismus/-kommunismus. In Freikorpsorganisierte Studenten beteiligtensich auch an der Niederschlagungder Januar- Kämpfe in Berlin undder Münchener Räterepublik.Dabei gingen sie mit solcherBrutalität vor, dass das Ver-trauensverhältnis der Arbeiter-schaft gegenüber den Studentennoch jahrelang – euphemistischausgedrückt – gespannt war.

Auch schien es, als würde dieRepublik in Geister, die sie gerufenhatte, nicht mehr los. Es muss derRegierung jedenfalls schweraufgestoßen sein, dass an die50.000 Studenten, mehrheitlichKorporierte, mit dabei waren, als

die Reaktion sich 1920 beim„Kapp-Putsch“ anschickte, einevölkisch- rassistische Diktatur zuerrichten. An der Niederschlagungdes „Ruhraufstandes“, der ausdem Generalstreik zur Abwehr des„Kapp-Putsches“ hervorgegangenwar, waren Burschenschaftlerebenso beteiligt, wie an derBekämpfung der „MitteldeutschenAufstände“ in Sachsen undThüringen. Diese waren ebenfallseine Reaktion auf den Kapp-Putsch gewesen, doch als dieRechte überall das Gespenst des„Bolschewismus“ an die Wandmalte, fühlten sich die Studenten-eigenen Angaben zufolge auchzahlreiche Burschenschaftler der„Rhenania Halle“- auch hier dazuberufen, für „Ruhe und Ordnungzu sorgen. In der „TechnischenNothilfe“, einer staatlich orga-nisierten Streikbrecherorganisa-tion während des Generalstreikszur Abwehr des „Kapp-Putsches“,war der Anteil an Studenten mit25 Prozent ebenfalls überdurch-schnittlich.

Bei den Kämpfen in Thüringendemonstrierten Marburger Kor-porierte, was man in ihren Kreisenunter Ruhe und Ordnung ver-stand. Nachdem sie vierzig

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»Magazin der “DeutschenBurschenschaft” 1997

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Arbeiter verhaftet und verhörthatten, wurden 15 als Rädels-führer mitgenommen und „auf derFlucht erschossen“. Im an-schliessenden Prozeß gegen diebeteiligten Studenten fanden esdie offensichtlich wohl- undgleichgesonnenen Richter nichtmerkwürdig, dass die Leichenüber eine Strecke von zweiKilometern am Stadtrand verteiltlagen und zum Teil sogarEinschüsse an der Stirn aufwiesen,und sprachen sie frei. In korpo-rierten Kreisen kursierte daraufhinder zynische Ausspruch, „dieAnatomie in Marburg brauchtLeichen.“3

„...steht auf demRassestandpunkt“

Mit ihren aktiven Eintreten fürdemokratie- und republik-feindliche Ziele sowie ihre offeneGegnerschaft zu allen Organi-sationen der linken Arbeiter-bewegung brachten die Korpo-rationsverbände ihre Ideologieund Praxis in einen bemerkens-werten Einklang. Die „Burschen-schaftlichen Blätter“ stellten 1926fest: „Was wir wollen ist dieHerrschaft des geborenenFührers.“ Der katholische Cartell-verband beschloss 1928 auf sein-er 58. Versammlung in Aachen:„Der CV bekennt sich erneut zur

Volksgemeinschaft.“ Die anti-semitischen und nationalistischenPositionen sollten sich zur Zeit derWeimarer Republik noch ver-schärfen. Die DB vertrat bereits1922 die Ansicht, dass die „poli-tischen Grenzen des kommendenReiches [...] dieselben sein [sollen]wie die naturgegebenen Grenzendes Volkes deutschen Gebiets.“4

Dabei ging es um die als Folge desErsten Weltkrieges verlorenge-gangenen Gebiete in Ost undWest sowie um den AnschlußÖsterreichs. Neben dieser starkvölkisch-nationalistischen Posi-tion nahm auch der offen rassis-tische Antisemitismus Überhand.Nachdem schon der „Kyffhäuser-Verband“ der „VereinigungDeutscher Studenten“ (VDSt) eineoffen mit der NSDAP sympa-thisierende Verbindung, bereits1919 begonnen hatte, die „rasse-fremden und undeutschenEinflüsse im deutschen Volks-leben“5 zu bekämpfen, zog die DBauf ihrem berüchtigten EisenacherBurschentag (1921) nach. Auch siestellte sich nunmehr „in derJudenfrage auf den Rasse-standpunkt“ und duldete ab nunnur noch „arische“ Studenten inihren Reihen. Ausserdem solltendie Mitglieder so erzogen werden,dass „eine Heirat mit einem jü-dischen oder farbigen Weib aus-geschlossen ist [...].“6

Der CV verhielt sich reservierter.Zwar gab es auch hier einenBeschluss von 1920, wonach ein„Hinderungsgrund für die Auf-nahme in den CV [...] semitischeAbstammung, nachweisbar bisauf die Großeltern“ war. DieserBeschluß wurde jedoch von vielenCV-Mitgliedern kritisiert und nichtumgesetzt.7 Gleichzeitig erklärteder „Verbandsseelsorger“ ErhardSchlund aber: „Es ist von Seitender katholischen Kirche und Moralnichts einzuwenden, wenn der CVsich rasserein erhalten, die eigenedeutsche Rasse pflegen und keineJuden in seine Reihen aufnehmenwill. Insofern darf der CV demRasseprinzip huldigen.“8 Derberühmte „Ariernachweis“, der

1935 mit den NürnbergerGesetzen eingeführt wurde, waralso keine Erfindung derNationalsozialisten. Immer wenn es darum ging,gegen jüdische und fortschrittlicheProfessoren vorzugehen, warenkorporierte Studenten in derersten Reihe mit dabei. Sie störtenVorlesungen, riefen zu derenBoykott auf und sorgten dankihrer hervorragenden Verbin-dungen zu den jeweiligenBehörden dafür, dass unliebsameProfessoren versetzt wurden.9

Federführend bei der Orga-nisierung solcher Aktionen warauch die „Salingia Halle“: Bei derBesetzung des Lehrstuhls fürpraktische Theologie der Uni-versität Halle war Ende 1930Pfarrer Dehn berufen worden, derfür sein aktives Eintreten für dasRecht auf Kriegsdienstverweige-rung bekannt war. Bei seinerAntrittsvorlesung wurde Dehn mitTrampeln und Scharren empfan-gen, während gleichzeitig auf demUniversitätsvorplatz eine Ver-sammlung abgehalten wurde, sodass der Rektor und Dehn denHörsaal nur unter Polizeischutzverlassen konnten. Als auch diezweite Vorlesung auf ähnlicheWeise gestört wurde, entwickel-ten sich sogar stundenlangeKrawalle zwischen den Studentenund drei Hundertschaften Schutz-polizei.Durch dieses Vorgehen konntendie rechtsextremen Studentenunter der Führung der „Salingia“laut „Burschenschaftliche Blätter“als Erfolg verbuchen, dass „dieMehrzahl der Dozenten von Dehnscharf abgerückt ist, ja sogar diekollegialen Beziehungen zu ihmabgebrochen hat, daß die Zahl derHörer auf einen kümmerlichenRest zusammengeschmolzen istund das neuerdings das Ministe-rium einen zweiten Lehrauftragfür praktische Theologie inAussicht gestellt hat.10

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»Plakat für den Beitritt zumStudentenfreikorps Österreich 1935

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Korporationsverbändeim NS

Im Gegensatz zu allen heuteanders lautenden Bekundungenvon korporierter Seite ist es eineTatsache, dass nahezu alleVerbindungen die Machtübergabean die Nationalsozialisten begeis-tert begrüßten. An den Hoch-schulen hatte der „Nationalsozia-listische Deutsche Studenten-bund“ (NSDStB) schon zu Beginnder 30er Jahre seinen Siegeszugangetreten und fand seineSympathisanten insbesondere inden Reihen der VDSt und der DB.Meinungsverschiedenheiten er-gaben sich weniger an grund-sätzlichen Fragen, denn aus demtraditionell-ständischen Gedan-kengut der Burschenschaften undCorps. Die nationalrevolutionärenPhrasen des „linken“ NS-Flügelsum die Brüder Strasser schrecktendie Bundesbrüder und insbeson-dere deren arivierte „AltenHerren“ ab.Die anfänglichen Schwierigkeitenin der Zusammenarbeit zwischenNSDStB und den Verbindungenhatten sich spätestens 1928gelegt, als die Nationalsozialistenunter der Führung desKorporierten Baldur von Schiracheine Strategie umsetzten, die nundie Gemeinsamkeiten in denVordergrund stellen sollten: „Ingesellschaftlichen, in Korpora-tionsangelegenheiten hat dieKorporation, in politischen Dingender Nationalsozialismus den Vor-tritt. Bei einigem guten Willen aufbeiden Seiten läßt sich sehr gutbeides vereinbaren.“11

Bald waren Doppelmitglied-schaften in Korporationen unddem NSDStB an der Tages-ordnung: Bereits 1929 warenorganisierte Nazi-Studenten inüber 150 Verbindungen behei-matet. Folgerichtig ergaben sichan vielen Hochschulen Listen-verbindungen von NSDStB undVerbindungen, was den Faschistenzu Beginn der dreißiger Jahre beiWahlen zu den AllgemeinenStudentenausschüssen absoluteMehrheiten einbrachte.

Ein Blick auf die Korporierten-presse genügt, um die noch weitverbreitete Mär von der Distanzzwischen NS und Korporations-verbänden zu widerlegen. Es wirdvielmehr deutlich, dass dieNationalsozialisten, als sie um dieKorporierten warben, in fast allenFällen offene Türen einrannten. Soschrieb etwa ein Willi Pretzsch vonder „Rhenania“ unter dem Titel„Burschenschaft und Gegenwart“in den „BurschenschaftlichenBlättern“: „Von allen Seitenbrechen feindliche Sturmflutenherein. Dort wälzt sich rot undschwer und alles vernichtend derBolschewismus heran. von daherjazzend und verniggert das, wasman Amerikanismus genannt hat.Aus Frankreich loht der alte,unbezähmbare Haß, aus demsel-ben Frankreich, das sich langsamaber sicher von schwarzenMenschen und schwarzer Kulturdurchsetzen läßt und so dieschwarze Gefahr nach Europabringt. [...] Wenn ‚National-sozialismus‘ und ‚Stahlhelm‘ nichtwären – und klar und offen seidiese Wahrheit endlich einmalausgesprochen! – gäbe es inDeutschland keine einzige Front,die sich z.B. dem Bolschewismusentgegenwerfen könnte.“12

Nach Hilters Ernennung zumReichskanzler jubilierten die„Burschenschaftlichen Blätter“:„Was wir seit Jahren ersehnt understrebt und wofür wir im Geisteder Burschenschafter von 1817jahraus jahrein an uns und in unsgearbeitet haben, ist Tatsachegeworden.“13

Auch der CV wollte angesichts derBegeisterung der Korporations-verbände nicht hintanstehen.Nachdem die deutsche Bischofs-konferenz in Fulda sich für die„Treue gegenüber der rechts-mäßigen Obrigkeit“ ausge-sprochen hatte, wurden sämtlicheBedenken und noch bestehendeUnvereinbarkeitsbeschlüsse fallengelassen. Die MachtübernahmeHitlers wurde als der „größteinnenpolitische Sieg diesesJahrhunderts“ gefeiert. Kurze Zeitspäter hieß es dann: „Der CV muß

Träger und Künder des DrittenReiches sein.“14 Dies waren keinebloßen Lippenbekenntnisse, wieman an der trauten Gemeinsam-keit sehen konnte, mit derKorporierte und NS-Aktivisten dieBücher nicht regimekonformerSchriftstellerInnen in alterBurschenschafter- Tradition aufden Scheiterhaufen warfen. Auchdie Halleschen Burschenschaften„Rhenania“ und „Salingia“beteiligten sich an dieser Aktion,deren Atmosphäre in der „Saale-Zeitung“ wie folgt beschriebenwurde: „Buntes Mützengewirr aufdem Universitätsplatz und dasBraun der SA, wie vielfach auchder feldgraue Rock. Vom Univer-sitätsgebäude weht das Haken-kreuzbanner herab. Inmitten desPlatzes erhebt sich der Scheiter-haufen. [...] Links und rechts vomLöwenportal des Hauptgebäudeshaben sich die Chargierten mitden Fahnen der Korporationengruppiert. [..] Der Chor der„Fridericiana“ singt das wei-hevolle „Volk, ans Gewehr“. Undnun schleudert HauptamtsleiterReinhard v. Eichborn symbolischein zur Ausmerzung verdammtesBuch in die Flammen. [...] Undlautes ‚Pfui“ braust über denPlatz, wenn Namen erklingen wieEmil Ludwig, Ernst MariaRemarque, Professor Dehn,Professor Gumbel, SiegmundFreud und Magnuss Hirschfeld.[...] Frei ist der Bursch auch wiederim alten Halle; das bewies dieVerbrennung der jüdisch-marxis-tischen Zersetzungsschriftengestern abend vor derUniversität.“15

Danach trafen sich dieKorporierten zur ersten und vomneuen Regime offiziell gestattetenMensur im Hause der„Agronomia“. Der unter denStudenten weitverbreitete Wehr-gedanke wurde von denNationalsozialisten begrüßt undsollte gefördert werden, denn„Die Studenten haben mit in dervordersten Linie der nationalenRevolution gekämpft; sie werdenwieder streiten mit Einsatz vonLeib und Leben, bis auch das

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große deutsche Vaterland frei ist,frei und wehrhaft wie einst.“16

An der Universität wurde ein„Studentischer Zentralausschußzur Durchführung der nationalenRevolution“ ins Leben gerufen,dem neben dem NSDStB auchzahlreiche Korporierte ange-hörten. Erklärtes Ziel diesesAusschusses war die „Säuberungder halleschen Universität“ von„jüdischen“, „jüdisch versippten“und „marxistischen“ Dozentenund Assistenten sowie allen, die„deutsches Fühlen und Denkenverletzt oder dem MarxismusVorschub geleistet haben.“ BisEnde Mai hatten sich 20 studen-tische Verbindungen aus Halle, soauch die „Rhenania“ dem NSDStBangeschlossen.17

Das von der neuen Regierung am7.4.1933 erlassene „Gesetz zurWiederherstellung des deutschenBerufsbeamtentums“, in dessenFolge zahlreiche jüdische undandersdenkende Beamte vomDienst suspendiert wurden, gingspurlos an den „Alten Herren“vorüber. Mehr noch: Über einenVortrag des nationalsozialistischenPfarrers Münchmeyer vor demVerband der „Alten Herren“ derDB-Burschenschaften, der „Ver-einigung alter Burschenschafter“(VAB) Düsseldorfs, hieß es in derNS -Tageszeitung „Volksparole“:„Ausgehend von dem Ge-meinsamen, das NSDAP und

Burschenschaft verbindet, gingder Redner auf die Judenfrage einund beleuchtete der Juden ver-hängnisvolle Tätigkeit in derWeltgeschichte.“18 Die Reaktionder versammelten „Alten Herren“der Düsseldorfer VAB wurde wiefolgt beschrieben: „BegeisterterBeifall lohnte den Redner. DerVorsitzende der Vereinigung alterBurschenschafter, RechtsanwaltDr. Schreiner, unterstrich in seinenDankesworten an Pfarrer Münch-meyer nochmals das Gemeinsamedas die deutsche Freiheits-bewegung [gemeint ist die NS-Bewegung, d.V.] und die DeutscheBurschenschaft habe. DerWahlspruch Gott, Ehre, Freiheit,Vaterland, unter dem 1815 dieBurschenschaft gegründet wor-den, sei auch der der Hitler-bewegung. Freudig und ver-trauensvoll folge die DeutscheBurschenschaft unter derSchwarz-Weiß-Roten und derHakenkreuzfahne dem Reichs-kanzler. Mit Sieg-Heil und demHorst Wessel-Lied klang deroffizielle Teil des Abends aus.”19

“... können wir nichtaufrechterhalten”. Die(Selbst)Auflösungen

Der vom nationalsozialistischenStaat postulierte Allmachts-anspruch ließ allerdings auf Dauerein eigenständiges Korporations-wesen nicht zu. Wer aber glaubt,die von den Nationalsozialistenbetriebene Gleichschaltungspolitikwäre auf ernsthaften widerstandgestoßen, sieht sich gründlichgetäuscht. Auch hier wurden weitaufstehende Türen eingerannt.Schon kurz nach der Macht-übernahme wurden NS-Funktionäre - SA/SS-Männer,Gauleiter u.s.w. - Vorsitzende derjeweiligen Korporationsverbände.Sie kamen wohlgemerkt aus deneigenen Reihen und wurden nichtaufoktroyiert. Überall wurde dasFührerprinzip eingeführt - wennes nicht sowieso schon bestand.Ab 1935 begann die großeSelbstauflösungs- und Über-trittsphase, der NSDStB wurde

zum einzigen legalen Studenten-bund. Viele Korporatonsverbändelösten sich auf, damit die einzel-nen Verbindungen mehr oderweniger geschlossen übertretenkonnten. Auf besonders spek-takuläre weise trat die DB demNSDStB korporativ bei. Beim tra-ditionellen Wartburgfest am18.10.1935 wurde dem Führerdes NSDStB mit den folgendenWorten die Fahne der Ur-burschenschaft übergeben: “Daßdas Schwarz-Rot-Gold jedem derunter ihm steht, sagen will: Dusollst kämpfen, damit unser Volkund Vaterland aus SchwarzerNacht und Demütigung durchblutigen Kampf zur goldenenFreiheit eingehen soll. [...]Schwarz-Rot-Gold war [...] dieFarbe großer deutscher Sehn-sucht. Ist diese Sehnsucht nichtheute erfüllt? Hat nicht AdolfHitler das Reich der deutschenFreiheit geschaffen?”20

Ob Selbstauflösung oder Übertrittist im Prinzip aber sekundär, denn,so Gerhard Schäfer, “nicht unter-schiedliche Inhalte waren Grundder (Selbst)Auflösungen, sonderndie Durchsetzung eines neuen [...]keinerlei Autonomiebestrebungenakzeptierenden Herrschafts-modells, das die Korporationenpolitisch überflüssig erscheinenließ.”21

“Ohne Unterbrechung”

Als im September 1945 erstmalsdie Rektorenkonferenz der britis-chen Zone zusammentrat, erklärteder Göttinger Rektor RudolfSmend zum Thema studentischeKorporationen: “Die Belastungdieser Verbindungen ist so groß,daß eine Wiederbelebung nichtmöglich ist”22 Im Zuge der“Entnazifizierung” wurden diestudentischen Verbindungen unddie Abhaltung von Mensuren ver-boten. Die Amerikaner stellten inihren “Military OrganizationRegulations” vom 14.3.1947unmißverständlich fest: “AllNational Socialist organizations inuniversities are abolished and willnot be permitted to be revived.

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»’Treffpunkt Burschenschaft’Werbung des DB

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The revival of other studentorganizations (especially Verbin-dungen, Burschenschaften,Korporationen, and their Alt-herrenbuende) of an nationalistic,reactionary or para-militarycharacter will not be permitted.”23

Trotz aller Beschlüsse der west-deutschen Studenten und Rek-toren gegen ein Wiederauflebendes Verbindungswesens, ins-besondere gegen das öffentlicheFarbentragen und die Mensur,wurden alle Dachverbände nachund nach neu gegründet. Durchdie Währungsreform 1948 konso-lidierten sich die wirtschaftlichenVerhältnisse und gleichzeitigkehrten die “Alten Herren” in ihrePositionen zurück, wodurch dieRekonstruktion der Verbändebedeutend gefördert wurde. Alserste gründeten sich die konfes-sionellen Verbände neu, die einer-seits weniger belastet waren alsBurschenschaften und Corps undandererseits im Umfeld derKirchen, Studentengemeindenund der CDU/CSU vom klerikal-konservativen Zeitgeist begünstigtwurden. 1948/49 wurden der“Unitas-Verband”, der “Wingolf-bund” und die beiden Dach-verbände KV und CV wiederge-gründet. Auf dem zweitenMarburger Burschentag am16./17. Juni 1950 wurde dannauch die “Deutsche Burschen-schaft” wiedergegründet. ImOktober des gleichen Jahres folgtedie Neugründung der “Verei-nigung Alter Burschenschafter” inBingen am Rhein, während dasgemeinsame Publikationsorganvon Aktiven und “Alten Herren”,die “Burschenschaftlichen Blätter”bereits seit Januar 1950 wiederaufgelegt worden waren.Daß die Neugründungen von DBund VAB weder als Neuanfangbegriffen wurden, noch auch nurim geringsten zu kritischerSelbstreflexion Anlaß gab, läßtsich auch am Beispiel des VABDüsseldorf deutlich belegen: EndeJuni 1961 wurde Rechtsanwalt Dr.Georg Schreiner, der 1933anläßlich eines Vortrages zur“Judenfrage” die Gemeinsam-

keiten von NS-Bewegung undBurschenschaften so nachdrück-lich betont hatte, einstimmig zumVorsitzenden des VAB Düsseldorfwiedergewählt. 1961 war in den“Burschenschaftlichen Blättern”zulesen, daß Schreiner seit 1930beim VAB Düsseldorf “ohneUnterbrechung 31 Jahre an ihrerSpitze” gestanden habe.24 Diezehn Jahre von 1935 bis 1945, alsdie VAB-Ortsgruppen als “NS-Altherrenbünde” weiterbe-standen, wurden also nicht imgeringsten als Einschnitt oderBruch empfunden, und fol-gerichtig auch die Ablösungbelasteter Funktionäre für nichterforderlich gehalten.

Fußnoten:1 Burschenschaftliche Blätter 6 (1891/92), S. 802 Vgl. Dietrich Heither/Gerhard Schäfer:Geschichte und Gegenwart derBurschenschaften, in: 1999. Zeitschrift fürSozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts,2/1994, S. 853 Vgl. Ludwig Elm, / Dietrich Heither / GerhardSchäfer (Hrsg.): Füxe, Burschen, Alte Herren, Köln1993, S. 98 ff.

4 Zit. nach: Handbuch für den deutschenBurschenschafter, Frankfurt am Main 1922, S.2105 Zit. nach: Bleuel/Klinnert: Deutsche Studentenauf dem Weg ins Dritte Reich, S. 1456 Zit. nach: Burschenschaftliche Blätter 34(1919/20), Heft 6, März 1929, S. 92 ff.7 Vgl. Elm / Heither/Schäfer: Füxe, Burschen, AlteHerren, a.a.o.8 Zit. nach: Academia vom 15.7.1927, S. 559 Vgl. Elm/Heither/Schäfer: Füxe, Burschen, AlteHerren, a.a.o.10 Zum Universitätskonflikt in Halle, in:Burschenschaftliche Blätter 46 (1931/31), Heft 7,April 1932, S. 157, zu den Aktionen gegenPfarrer Dehn, vgl. auch Horst Schneble (Salingia),Der Fall Dehn, in: Burschenschaftliche Blätter 46(1931/31), Heft 2, November 1931, S. 36-38;Ders., Ruhe in Halle, in: Ebd., Heft 3, Dezember1993, S. 47-4811 K. Krüger: Die Erneuerung der studentischenVerbindungen durch den Nationalsozialismus, in:Akademischer Beobachter, Heft 12/1929, S. 28812 Willy Pretzsch (Rhenania): Burschenschaft undGegenwart, in: Burschenschaftliche Blätter 45(1939/1931), Heft 6, März 1933, S. 13013 Zit. nach: Burschenschaftliche Blätter 47(1932/33), Heft 6, März 1933, S. 13014 Zit. nach: Academia, Heft 2/1933, S. 36 undHeft 3/1933, S. 3815 Reinigung durch sühnende Flammen, in:Saale-Zeitung vom 15.3.193316 Ebd.17 Hakenkreuz siegreich an der Universität. 1000Studenten bekennen sich zur NSDAP, in: Saale-Zeitung vom 23.5.1933. Zu den Verhältnissen ander halleschen Universität sowie Zitat vgl.: ElkeStolze: Die Bücherverbrennung am 12. Mai 1933in Halle, in: Wissenschaftliche Zeitschrift derPädagogischen Hochschule „N.K. Krupskaja“Halle/Köthen, XXVI (1988), Heft 5/1988, S. 27 f.18 “Pg. Münchmeyer spricht vor denDüsseldorfern Burschenschaftern”, in:Volksparole vom 13.4.193319 Ebd.20 Burschenschaftliche Blätter 50 (1935/1936),Heft 2, November 1935, S. 3621 Zit. nach: Elm/Heither/Schäfer: Füxe,Burschen, Alte Herren, a.a.o., S. 14322 Ebd., S. 18223 Zit. nach: Germany 1947-1949. The Story inDocuments, edited by the US Department ofState, Washington 1950, S. 570f.24 “Aus dem VAB: 31 Jahre VAB-Vorsitzender”,in: Burschenschaftliche Blätter 76 (1961), Heft 8,August 1961, S. 222.

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»Tradition und Trinken: Burschenschaftler auf der Wartburg Harmlose Geschichtspflege?

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Völkisches Denken

Kerngedanke völkischen Denkensist die Ansicht, die Menschheitlasse sich in verschiedene “Völker”bzw. “Rassen” unterteilen, diejeweils Gemeinschaften vonMenschen gleicher Abstammungdarstellten. Deutsch sei demzu-folge nicht, wer in Deutschlandgeboren sei, sondern werdeutsche Vorfahren habe. Deutschim völkischen Sinne ist alsobeispielsweise eine BürgerinPolens, wenn ihre GroßelternDeutsche waren; nicht deutsch istfür Völkische aber ein hiergeborener Mensch, dessen Elternetwa aus der Türkei stammen.Für Burschenschaften hat diesKonsequenzen. So gehören demDachverband „Deutsche Bur-schenschaft“, der das völkischeDenken in seiner Programmatikfestgeschrieben hat, etwa 120Burschenschaften aus Deutsch-land und aus Österreich an. FürBurschenschafter ist es selbstver-ständlich, dass Männer mitnichtweißer Hautfarbe nicht imvölkischen Sinne deutsch sind undnicht Mitglied einer Burschen-schaft werden können. Ebensoselbstverständlich ist es für sieaber, dass ÖsterreicherInneneigentlich Deutsche sind und

somit österreichische Burschen-schaften zur Deutschen Burschen-schaft gehören.Aus der Definition eines “Volkes”durch die Abstammung ergebensich für die völkische Ideologieweitere Konsequenzen. So zumBeispiel die Ansicht, “Vermi-schungen” des eigenen “Volkes”mit Angehörigen anderer “Völker”seien abzulehnen. Oder auch dieAnsicht, alle Angehörigen deseigenen “Volkes” sollten, wennirgend möglich, in einem ein-heitlichen Staat leben. Bezüglichdes deutschen “Volkes” bedeutetdas den Wunsch, alle Gebiete, indenen Menschen von vermeintlichdeutscher Abstammung (“deut-sche Volksgruppen”) leben, demTerritorium Deutschlands einzu-verleiben. Dazu gehören nicht nurTeile Polens, Russlands undTschechiens, sondern auch Öster-reich, Ostfrankreich (“Elsass-Lothringen”) und die nordital-ienische Provinz Trentino - AltoAdige (“Südtirol”). Von 1949 bis1990 hatten Völkische ein zusät-zliches Problem: Es gab mit derBRD und der DDR zwei deutscheStaaten.Das völkische Prinzip lässt sichunterschiedlich auslegen: Ge-mässigt (wie es der deutsche Staattut, dessen Staatsange-

hörigkeitsgesetz ebenfalls völkischgeprägt ist), aber auch radikaler.Auf die Frage etwa, wie mitMigrantInnen umzugehen sei, gibtes viele Antworten: “Zuwan-derung begrenzen” sagen gemäs-sigt Völkische, “Zuwanderungstoppen” schlagen Radikalere vor,und “Ausländer raus” ist dieradikalste völkische Antwort, wiesie von Nazis vertreten wird. Ähn-lich ist es in der Außenpolitik:Sonderrechte für die “deutschenVolksgruppen” etwa in Polenfordern Gemässigt-Völkische,während radikale VertreterInnendes völkischen Prinzips“Schlesien” und “Ostpreußen”dem deutschen Staat direkt ein-verleiben wollen.In der „Deutschen Burschen-schaft“, deren Mitglieds-burschenschaften durchweg demvölkischen Denken anhängen, gibtes seit der Wiedergründung desDachverbandes in den Jahren1949/50 zwei Flügel: Einengemäßigt-völkischen und einenradikal-völkischen. Die entschei-denden Auseinandersetzungenzwischen diesen beiden Flügelnfinden über die Frage statt,welche Außenpolitik Deutschlandverfolgen solle. Bis 1990 hattenbeide Flügel dabei ein gemein-sames Ziel: Die Vereinigung vonBRD und DDR. Mit welcherStrategie diese Vereinigung zuerreichen sei, darüber gab esheftigen Streit.

Gemäßigt-völkischeStrategie:

Europäisierung und“Volksgruppenrechte”

Der gemäßigt-völkische Flügel der„Deutschen Burschenschaft“ gingdavon aus, dass die Vereinigungvon BRD und DDR nur über die

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Die neuere Entwicklung der “Deutschen Burschenschaft”

von Jörg Kronauer

»

In den 1980er und 1990er Jahren erlebte die „DeutscheBurschenschaft“ heftige innere Auseinandersetzungen,

die 1996 schließlich zu ihrer Spaltung führten. DieAuseinandersetzungen in der Deutschen Burschenschaft

erklären sich aus ihrer zentralen Ideologie - demvölkischen Denken - und aus den besonderen außen-

politischen Strategien, die völkische Rechte in Deutschland nach 1945 entwickelten.

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europäische Einigung erreichtwerden könne. Zunächst, so derGrundgedanke, müsse West-europa geeint werden. Dadurchkönne es wirtschaftlich einesolche Anziehungskraft gewinnen,dass es möglich werde, dieökonomisch schwächeren real-sozialistischen Staaten Osteuropasin den europäischen Einigungs-prozess hineinzuzwingen. Ineinem geeinten Gesamteuropaaber, in dem sich die freieMarktwirtschaft durchsetzenmüsse, stünden sich dann zweideutsche Staaten - BRD und DDR- gegenüber; deren Vereinigungim Rahmen eines geeintenGesamteuropa ergebe sich fastvon selbst.Die Strategie, die deutsche unddie europäische Einigung mit-einander zu verknüpfen, hattendie gemäßigt - völkischen Bur-schenschafter nicht erfunden,sondern übernommen. Sie wurdeseit den Zeiten Konrad Adenauersund Franz Josef Strauß’ von denUnionsparteien vertreten undentwickelte sich zur herrschendenKonzeption in den deutschenStaatsapparaten. Sie enthieltspätestens seit den 1970er Jahrenauch ein Konzept, mit dessen Hilfediejenigen Gebiete eng anDeutschland angebunden werdensollten, die außerhalb von BRDund DDR lagen und dennoch vonVölkischen als “deutsch”beansprucht wurden.Das Konzept war recht einfach: Esbestand darin, ein “europäischesVolksgruppenrecht” für daszusammenwachsende Europa zufordern. “Volksgruppen”, alsoetwa die Dänisch sprechendeMinderheit in Norddeutschlandoder der Baskisch sprechendeBevölkerungsteil in Spanien, soll-ten Sonderrechte im kulturellen,im wirtschaftlichen und vielleichtauch im politischen Bereich erhal-ten. Ein solches “europäischesVolksgruppenrecht” würde auchallen “deutschen Volksgruppen”zugute kommen und es ihnenermöglichen, sich kulturell,wirtschaftlich und vielleicht auchpolitisch nach Deutschland zu ori-

entieren. Da im geeinten Europaauch die Grenzen immer bedeu-tungsloser würden, gebe es füralle “deutschen Volksgruppen”keine wirksame Trennung vonDeutschland mehr; es könne ge-lingen, eine sozusagen informelleEinigung aller deutschsprachigenBevölkerungsteile Europas zuerreichen.Exemplarisch formulierte dieseStrategie, die auch von zahlrei-chen gemäßigt-völkischen Bur-schenschaftern vertreten wurde,ein Mitglied der Burschenschaft„Arminia-Rhenania München“,Rudolf Fritsch, im Juli 1986. Ermeinte damals: “Vor allem gilt es,unserer Jugend klarzumachen,daß unser Vaterland nicht alleinaus der Bundesrepublik besteht,und ein Verständnis für die vielumfassendere deutsche Kultur-nation in allen ihren Teilen zuwecken.” Geographisch präzi-sierte Fritsch dann: “Die deutscheKultur reicht bis an die Memel,

das kann keiner abstreiten. - Undsie reicht im Westen bis an dieMaas, Elsaß-Lothringen undEupen-Malmedy gehören mitdazu.” Fritsch formulierte seineUtopie: “Es ist ein Traum, aberdoch erstrebenswert, ein Europa,in dem die Völker friedlich unddemokratisch geleitet, nach ihrereigenen Art, miteinander lebenund Grenzen nur nochVerwaltungsbereiche einteilen. Ineinem solchen Europa soll undkann ein Deutschland sein.”

Radikal-völkischeStrategie:

Neutralismus

Zahlreichen Burschenschaftern -und außerdem fast der gesamtenradikalen Rechten in Deutschland- war und ist diese Strategie zukompromisslerisch. Radikal-Völkische sind nicht bereit, sichauf die europäische Einigung

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»Völkische Expansionspolitik Quelle: ‘Burschenschaftler und nationaleIdentität’, hrsg. von der Burschenschaft Ghibellinia

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einzulassen, da sie Deutschlanddazu zwingt, einige staatlicheKompetenzen nach Brüssel zudelegieren. Außerdem halten sieam Ziel fest, alle Teile Europas, diesie für “deutsch” halten, in einemdeutschen Nationalstaat zu eini-gen, also Polen, Tschechien,Frankreich und anderen StaatenTeile ihres Territoriums wegzu-nehmen.Eine Strategie zur Vereinigung vonBRD und DDR, die ohne dieeuropäische Einigung auskam, botin den 1980er Jahren vor allem dersogenannte Nationalneutralismus.NationalneutralistInnen gingendavon aus, dass es möglich sei,BRD und DDR zu vereinigen, wennbeide Staaten aus ihren jeweiligenBündnissystemen austräten. DieBRD müsse die NATO und diedamalige Europäische Gemein-schaft verlassen, die DDR aus demWarschauer Vertrag und aus demRat für Gegenseitige Wirtschafts-hilfe austreten; dann könnten sichbeide Staaten zu einem politischund militärisch neutralenDeutschland zusammenschließen.Der Nationalneutralismus entfes-selte in den 1980er Jahren in derdeutschen radikalen Rechten einebeachtliche Dynamik. BegeisterteNationalneutralistInnen gründetenerfolgreiche rechtsradikale Perio-dika wie die “Junge Freiheit”(1986) oder “Europa vorn” (1988,heute: “Signal”). Gegen Ende der1980er Jahre erreichten die REPsmit der Aufnahme des National-neutralismus in ihre Programmatikbreite Zustimmung in derradikalen Rechten und erzieltennicht zuletzt auf dieser Basis ihregroßen Wahlerfolge. ZahlreicheBurschenschaften des radikal-völkischen Flügels der DeutschenBurschenschaft teilten dieZustimmung zum National-neutralismus - und gerietendarüber mit dem gemäßigt-völkischen Flügel der DeutschenBurschenschaft in Konflikt.

Flügelkämpfe in der„Deutschen

Burschenschaft“

Aufgrund dieser Diskrepanzenkam es logischerweise zu Flügel-kämpfen in der „Deutschen Bur-schenschaft“. Denn der National-neutralismus forderte den Austrittder BRD aus der Europäischen Ge-meinschaft, während die ge-mäßigt-völkische Strategie geradeüber die europäische Einigung denZusammenschluss von BRD undDDR erreichen wollte. Der radikal-völkische Flügel der DeutschenBurschenschaft verfolgte also einKonzept, das dem Konzept desgemäßigt-völkischen Flügels dia-metral entgegenstand.Entsprechend heftig verliefen dieFlügelkämpfe in der „DeutschenBurschenschaft“ im Verlauf der1980er Jahre. Je nach aktuellerMehrheit gab der DachverbandStellungnahmen zu Gunsten dereuropäischen Einigung oder zuGunsten des Nationalneutralismusab. “Angesichts unserer geopoli-tischen Lage erscheint es ausheutiger Sicht unrealistisch, daßein völlig auf sich allein gestelltesund zwischen den verfeindetenMachtblöcken stehendes neu-trales, wiedervereinigtes Deutsch-land seine Souveränität bewahrenkann”, behauptete die DeutscheBurschenschaft 1983. “Bei derDiskussion der Bündnisfrage mußauch die Möglichkeit einer mil-itärischen Neutralität eineswiedervereinigten Deutschlandsernsthaft und sachlich erwogenwerden”, beschloss der Dach-verband vier Jahre später. Auchdie parteipolitischen Präferenzenhingen von der außenpolitischenPriorität ab. So mancherBurschenschafter engagierte sichbei den nationalneutralistischenREPs, während andere dieeuropaorientierten Unions-parteien bevorzugten. DieStimmung in der DeutschenBurschenschaft drohte zuexplodieren.Und sie explodierte tatsächlich.Allerdings erst nach 1990 - bisdahin hielt das gemeinsame Ziel,

den Realsozialismus zu zerschla-gen und BRD und DDR zu vereini-gen, den zerstrittenen Dach-verband noch zusammen. Als derRealsozialismus am Ende undDeutschland vereinigt war, kam eszum Bruch. Äußerer Anlass wardie polnische Westgrenze.Die Vereinigung von BRD undDDR, die am 3. Oktober 1990gefeiert wurde, hatte einen Preis:Die Anerkennung der polnischenWestgrenze. Bis 1990 vertrat dieBRD - darin bestärkt durch einUrteil des Bundesverfassungs-gerichts aus dem Jahr 1973 - diePosition, Deutschland bestünde inden Grenzen von 1937 fort, esgehörten also beispielsweise TeilePolens zu Deutschland. Im Verlaufder Verhandlungen, die zur sogenannten Wiedervereinigungführten, musste die Bundes-regierung diesen Anspruchaufgeben. Im Sommer 1990willigte sie ein, die Oder-Neiße-Grenze als deutsche Ostgrenzeanzuerkennen und damit die terri-toriale Integrität Polens zugarantieren.Gemäßigt-völkische Burschen-schafter fanden dies in Ordnung.Sie hatten sowieso vor, auf demWeg über die Einigung ganzEuropas (inklusive Polen) die“deutschen Volksgruppen” eng andie Bundesrepublik anzubindenund so eine informelle Einigung“ganz Deutschlands” im Rahmeneines vereinten Europa her-zustellen. Radikal-völkische Bur-schenschafter, die - wie die ge-samte deutsche radikale Rechte -Teile Polens, Tschechiens etc.annektieren wollten, verstandendie Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze als Preisgabe völ-kischer Prinzipien und protes-tierten. Sie hatten schon längstIdeen parat, wie “Schlesien”, das“Sudetenland” und andereGebiete “heim ins Reich” geholtwerden könnten.

Völkischer Terrorismus

Diese Ideen waren nicht neu, siewaren sogar schon in der Praxiserprobt. Ihr Modell war der

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“Südtirol”-Terrorismus der 1950erund 1960er Jahre.Einige Gebiete der norditalienis-chen Provinz Trentino - Alto Adige(“Südtirol”) gehörten bis 1918 zuÖsterreich-Ungarn. Teile der dor-tigen Bevölkerung sprechen heutenoch deutsch, und ein kleiner Teildieser Deutsch sprechendenBevölkerungsgruppe hegt sepa-ratistische Absichten: Er strebt dieLoslösung von Italien und denAnschluss an Österreich an.In den 1950er Jahren griffen Teileder Deutsch sprechenden sepa-ratistischen Bewegung in Trentino- Alto Adige zu terroristischenMitteln; es kam zu Sprengstoff-anschlägen und Bombenatten-taten. Dabei spielten Burschen-schafter eine maßgebliche Rolle.Ihre Absicht war es, den“Südtirol”-Separatismus zuradikalisieren, um ihm dadurcheine größere politische Stoßkraftzu verleihen. Zahlreiche Burschen-schafter waren an terroristischenAktionen beteiligt; dies ging soweit, dass die österreichischeRegierung sich 1961 gezwungensah, die Burschenschaft OlympiaWien zu verbieten, weil sie sichgleichsam zur österreichischenZentrale für den “Südtirol”-Terrorismus entwickelt hatte.Einer dieser verharmlosend als„Südtirolbumser“ bezeichnetenAkteure war Erhard Hartung,„Alter Herr“ der InnsbruckerBurschenschaft „Brixia“, der heuteimmer noch als Oberarzt undDozent an der Heinrich-Heine-Universität tätig ist. Hartung warmindestens an dem Anschlag am25.6.1967 an der Porzeschartebeteiligt, bei dem vier italienischeSoldaten getötet wurden. Erwurde in Abwesenheit von einemitalienischen Gericht zu lebens-langer Haft verurteilt.1

Das Modell “Südtirol” - eine sep-aratistische Bewegung mit terro-ristischem Einschlag - wurde inder Deutschen Burschenschaftschon 1990 als Vorbild für diebeanspruchten Gebiete östlich derOder-Neiße-Grenze genannt.“Halten wir uns für die ost-deutschen Gebiete insgesamt das

Modell Südtirol vor Augen”,schlug ein Burschenschafter nochvor der offiziellen Vereinigung vonBRD und DDR vor. “Eine unter-drückte Bevölkerung hat sichdurch einen - von Burschen-schaftern maßgeblich unter-stützten - Freiheitskampf Rechteerobert, die auch die Selbst-bestimmung über die Form derstaatlichen Befindlichkeit nichtmehr als pure Utopie erscheinenlassen. Warum soll die deutscheBevölkerung Schlesiens sich nichtauch dieselben Rechte erkämpfenkönnen? Die deutsche Frage istnicht nur auf die BundesrepublikDeutschland und die DeutscheDemokratische Republik be-schränkt. Die deutsche Einheitwird erst dann vollendet sein,wenn sie auch Ostdeutschlandeinschließt.” Das Modell „Südti-rol” wird bis heute in der Deut-schen Burschenschaft diskutiert.

Spaltungen

Über dem Streit um dieAnerkennung der Oder-Neiße-Grenze kam es 1991 zur ersten

Abspaltung von der DeutschenBurschenschaft. Drei Burschen-schaften des gemäßigt-völkischenFlügels traten aus demDachverband aus und gründeteneine neue Organisation, die“Vereinigung Deutscher Bur-schenschaften”. Der neue Dach-verband verschwand rasch wiederin der Versenkung. Interessantsind allerdings seine programma-tischen Grundsätze, die auf eineAnerkennung der deutschenOstgrenze und eine Einwilligung indie europäische Einigung inVerbindung mit einem “europäis-chen Volksgruppenrecht” abziel-ten, also eine deutliche Ab-grenzung zu radikal-völkischenKonzepten vollzogen. Dergemäßigt-völkische Flügel hatteversucht, sich von radikal-völkischen Burschenschaften zutrennen.Die Auseinandersetzungen in derDeutschen Burschenschaft zogensich noch einige Jahre hin. Zumentscheidenden Bruch kam es inden Jahren 1995 und 1996. AufInitiative der BurschenschaftBrunsviga Göttingen, die im

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»Rechtsterrorist HartungVerhaftung in Östereich »Dr. Erhard Hartung

Dozent an der Heinrich-Heine-Uni

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Herbst 1994 ihren Austritt aus derDeutschen Burschenschaft be-schlossen hatte, fanden 1995 dieersten Gespräche zur Vorberei-tung eines weiteren neuen Dach-verbandes statt. Am 13.Januar1996 schliesslich gründeten achtBurschenschaften in Hannover dieNeue Deutsche Burschenschaft,die bis heute besteht; ihr gehöreninzwischen 21 Burschenschaftenan. Ihre gemässigt-völkische poli-tische Zielsetzung ergibt sich ausihren programmatischen Grund-sätzen. Dort heisst es: “Die politis-chen Grenzen des deutschenVaterlandes sind die Grenzen derBundesrepublik Deutschland. Dasverantwortliche Streben derNeuen Deutschen Burschenschaftschließt jene Deutschen mit ein,die ihre Heimat außerhalb dieserGrenzen haben.” Ergänzend heißtes außerdem: “Die Neue DeutscheBurschenschaft tritt für einVaterland als Teil der Völker-gemeinschaft, sowie für dasZusammenwachsen der NationenEuropas ein.”

Radikalisierung derDeutschen

Burschenschaft

Die Abspaltung der NeuenDeutschen Burschenschaftschwächte den gemässigt-völkischen Flügel der DeutschenBurschenschaft. Er hat bis heuteimmerhin 21 Burschenschaften andie Neue Deutsche Burschenschaftverloren, und man kann an-nehmen, dass ihnen in den näch-sten Jahren weitere folgen wer-den. Dies vor allem deshalb, weilder radikal-völkische Flügel dieDeutsche Burschenschaft inzwi-schen völlig dominiert.Die Dominanz des radikal-völkischen Flügels zeigt sich deut-lich im Abstimmungsverhalten beiden Wahlen zu innerverband-lichen Posten. Diejenigen Posten,die die entscheidende inhaltlicheArbeit im Dachverband leisten,werden in den letzten Jahren fastausschliesslich von radikal-völkischen Burschenschafterngestellt. Dabei versucht der

radikal-völkische Flügel, dengesamten Dachverband auf seinepolitischen Positionen festzulegen.Ein Mitglied der BurschenschaftRheinfranken Marburg beschriebim Jahr 1999, wozu man innereGeschlossenheit zu benötigenmeint: “Die Einheit Deutschlandsist mit Sicherheit nicht vollendet”,erklärte er; um sie zu erreichen,müsse man “Pionierarbeit, nichtLobbyismus” leisten. Dazu aber seieine prinzipielle Positionierung desDachverbandes unumgänglich.Der radikal-völkische Flügel be-treibt neben der Arbeit imDachverband seine eigene Politik.Sie äussert sich deutlich inVortragsveranstaltungen in Bur-schenhäusern, in denen völkischeIdeologie verbreitet und Strategieund Taktik völkischer Politikdiskutiert werden sollen. Regel-mässig rufen ReferentInnen,denen Burschenschaften mitsolchen Veranstaltungen einöffentliches Forum bieten, Protestvon AntifaschistInnen hervor. InDüsseldorf war das etwa imJanuar 2001 der Fall, als HaraldNeubauer bei der BurschenschaftRhenania-Salingia referierte.Neubauer, so berichtete die“LOTTA”, eine antifaschistischeZeitung aus NRW, “hat im Laufeseiner 30-jährigen politischenTätigkeit in der extremen Rechten

bereits fast alle wichtigenParteien durchlaufen. Er beklei-dete Funktionen in der NPD, derDVU, bei den REPs und bei der‘Deutschen Liga für Volk undHeimat’ [...]. Heute tritt er haupt-sächlich als Referent bei Veran-staltungen aller Schattierungender extremen Rechten und alsAutor in Erscheinung.” Die Listerechtsradikaler ReferentInnen,deren Gedanken Burschenschafteroffensichtlich nicht nur intern,sondern auch öffentlich disku-tieren wollen, liesse sich beliebigverlängern.Beinahe beliebig verlängern ließesich auch eine Liste bekannterrechtsradikaler Burschenschafter.Ein gutes Beispiel hierfür bietenMitglieder der BurschenschaftDanubia München. Aus ihrenReihen kamen zwei Vorsitzendedes NationaldemokratischenHochschulbundes (NHB): LutzKuche (1971- 73) und UweSauermann (1975-76). Aus ihrenReihen wurde 1989 - unterBeteiligung von Hans-Ulrich Kopp(bekannter Politkader derradikalen Rechten) und AlexanderWolf (heute Vorsitzender desAltherrenvereins seiner Burschen-schaft) - der RepublikanischeHochschulverband gegründet.“Danube” Sascha Jung wirkte inden 1990er Jahren an der

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»Protest gegen e ine BurschenschaftsveranstaltungAktion gegen die Reaktion

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Reorganisation des völkischen“Hofgeismarer Kreis” in der SPDmit. Mitglieder der Danubia baut-en die rechtsradikale Zeitung“Junge Freiheit” mit auf (FrankButschbacher, Thomas Clement,Hans-Ulrich Kopp, MichaelPaulwitz), waren Redaktions-mitglied der REP- Parteizeitung“Der Republikaner” (MichaelPaulwitz) oder Redakteur von“Nation & Europa” (Karl Richter,heute Chefredakteur von“Opposition”).Die parteipolitische Orientierungder Deutschen Burschenschaftlässt sich am ehesten als völkisch-er Pluralismus bezeichnen: Bur-schenschafter engagieren sich inParteien, in denen völkische An-sätze vertreten werden. WelchePartei dabei individuell bevorzugtwird, hängt von persönlichenPräferenzen ab. Gemäßigt-völkische Burschenschafter sind inden Unionsparteien aktiv, einige -wenige - auch in der SPD. Selbst-verständlich gibt es Burschen-schafter bei den REPs, deren BossRolf Schlierer der Burschenschaft„Germania Gießen“ angehört. DerAufschwung der NPD in derzweiten Hälfte der 1990er Jahreist an radikal-völkischenBurschenschaften nicht wirkungs-los vorübergegangen - keinWunder, denn die Haltung derNPD zur deutschen Ostgrenze undgegen die europäische Einigunglässt an Klarheit nichts zu wün-schen übrig. Der „National-demokratische Hochschulbund“(NHB) versucht seit einiger Zeit,sich fest innerhalb der „DeutschenBurschenschaft“ zu verankern.Burschenschafter sind im NHB-Bundesvorstand aktiv, etwaJürgen W. Gansel („Burschen-schaft Dresdensia Rugia Gießen“)oder Dennis Witt („Halle-Leobener Burschenschaft Germa-nia“). Nationaldemokrat Witt istdaneben seit 1998 Mitglied eineswichtigen Ausschusses der„Deutschen Burschenschaft“. Ein“Arbeitskreis ‘Nationalisten in derDeutschen Burschenschaft’”arbeitet mit dem NHB zusammen.Jürgen Schwab, Mitglied der

„Burschenschaft Thessalia Prag zuBayreuth“, arbeitet inzwischengemeinsam mit Jürgen W. Ganselals Redakteur der NPD-Parteizeitung “Deutsche Stimme”.Gansel wurde sogar im Märzdiesen Jahres in der NPD-Bundesvorstand gewählt.

Gemäßigt-völkischeBurschenschaften:

“Harmlos”?

Angesichts der Dominanz desradikal-völkischen Flügels in derDeutschen Burschenschaft dürftedem Verband eine weitereRadikalisierung bevorstehen; anden deutschen Hochschulen wirdes zukünftig also möglicherweiseeine bundesweite rechtsradikaleOrganisationsstruktur geben. Diesist mittlerweile selbst dendeutschen Staatsapparaten auf-gefallen; in Bayern haben seit demvergangenen Jahr einigeBurschenschaften Ärger mit demVerfassungsschutz.Gemäßigt-völkische Burschen-schaften, von denen einige nochin der Deutschen Burschenschaftverblieben sind, andere sichinzwischen in der „NeuenDeutschen Burschenschaft“ or-ganisiert haben, grenzen sichgewöhnlich gegenüber radikal-völkischen Burschenschaften undderen rechtsradikalen Aktivitätenab. Dabei geht es jedoch vor allemum strategische Fragen. DieZielsetzung bleibt ähnlich:Radikal-Völkische wie Gemäßigt-Völkische streben die deutscheDominanz über Europa an.Radikal-Völkische wollen einlocker verbundenes Europa, dasvon einem übermächtigendeutschen Nationalstaat be-herrscht wird, der die Nieder-lande, Österreich sowie TeileBelgiens, Frankreichs, Italiens,Tschechiens, Polens und Russlandsannektiert hat. Gemäßigt-Völkische wollen ein geeintesGesamteuropa, dessen Zentral-staat BRD - wirtschaftlich starkund von zahlreichen “deutschenVolksgruppen” außerhalb seinesTerritoriums unterstützt - den

Kontinent eindeutig dominiert.Der Plan, die deutsche Dominanzüber Europa durchzusetzen,gehörte zu den zentralen Kriegs-zielen der beiden Weltkriege, dieDeutschland im vergangenenJahrhundert entfesselte. Werdeutscher Großmachtpolitik einenRiegel vorschieben will, mussgemäßigt-völkischer Politik eben-so entschieden entgegen tretenwie radikal-völkischer. Davonsollten die Abgrenzungsversuchegemäßigt-völkischer Burschen-schafter gegenüber ihren recht-sradikalen Verbandsbrüdern nichtablenken. Die entlarven sich abersowieso von selbst. Denn bekan-ntlich wird heute niemandgezwungen, das “Deutschland-lied” zu singen. Burschenschaftertun das regelmäßig. Und zwar -ganz egal ob gemäßigt- oderradikal-völkisch, ob derDeutschen Burschenschaft oderder Neuen Deutschen Burschen-schaft angehörig - in allen dreiStrophen. “Deutschland,Deutschland” geht ihnen “überalles”. Und ihr Deutschland reicht“von der Maas (Frankreich,Belgien) bis an die Memel(Litauen), von der Etsch (Italien)bis an den Belt (Dänemark)”.

Fußnote:1 Alle Angaben zu Hartung aus:RechtsSchutzInstitut (Hg.): „...Immer eine guteAdresse“? Lokalpolitik und die extreme Rechte inDüsseldorf, Düsseldorf 1997. Empfohlen sei auchdie Antifaschistische MaterialsammlungGegenwind Nr. 1 des Antifa-Referat des AStAder Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf: DerFall Hartung, Düsseldorf 1994

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Die „Rhenania-Salingia“ ist eineschlagende Verbindung2. AktuelleMitgliederzahlen liegen nicht vor.Ende der neunziger Jahre hatte dieVerbindung nach eigenenAngaben 120 Mitglieder, davon10 Aktive und 110 “Alte Herren”.Durch letztere werden die Aktivi-täten und das Verbindungshausauf der Reichsstr. 21 finanziert.Mehrmals pro Semester wird“gekeilt”, d.h. es wird mittelsInfoständen vor der Mensa undEinladungen zu “Maibowlen”,“Grillabenden”, “Federweißer-trinken”, „Feuerzangenbowlen“,„Pizzaabenden“ oder Vorträgen,Mitgliederwerbung betrieben.Zielgruppe sind insbesondereErstsemester, denen versucht wirdzu vermitteln, dass Warnungenfortschrittlicher Gruppen vor demVerbindungsUNwesen „klassischeschwarz-weiß Klischees“ seien.„Wir Burschenschafter sind nichtdie saufenden, politisch-extremenEwiggestrigen, als die wir gerne inder Öffentlichkeit dargestellt wer-den. Vielleicht konservativ, aberauf keinen Fall von Gestern“, heißtes auf einem Flugblatt der

„Rhenania Salingia“ „an alleErstis!“.Wie üblich bei Studenten-verbindungen werben auch die„Rhenanen“ mit „Kameradschaft”,Protektionismus durch „AlteHerren“ und sehr billigen Wohn-möglichkeiten im Verbindungs-haus. Sie geben sich Interessiertengegenüber politisch “offen”, zuUnrecht in die Nähe der extremenRechten gestellt und verneinensogar eine feste Bindung an ihrenDachverband “Deutsche Bur-schenschaft” (DB). Ihr Interessegelte einzig der burschen-schaftlichen Traditionspflege undder “Persönlichkeitsbildung” (mit-tels des ”Tugendkodexes - Mut,Männlichkeit (Mensur), Ge-meinschaftsgeist, Vaterlandsliebe,Ehre, Wehrhaftigkeit, und Unter-ordnung unter gegebeneAutoritäten”3, was eine freie poli-tische Ausrichtung ihrer Mitglieder(innerhalb der Grenzen der sog.“freiheitlich demokratischenGrundordnung”) gestatte. In dieseGrenzen passt auch die revanchis-tische Forderung nach Integration“Königsbergs” (gemeint ist dieStadt Kaliningrad in Russland!) ins

Territorium der BRD, die von Mit-gliedern der „Rhenania-Salingia“offen vertreten wird. Das “Lied derDeutschen” wird selbstver-ständlich in allen drei Strophengesungen und auch eine Ehren-tafel für die in den zweiWeltkriegen gefallenen Verbin-dungsbrüder, findet sich imBurschenhaus. Aufgenommen inden Männerclub werden “kon-servative deutsche Studenten” wiees in einer Anzeige der „Rhenania“in der neofaschistischen Wochen-zeitung “Junge Freiheit” heißt,was den Ausschluß von Frauen,“Ausländern”, Zivildienstleis-tenden und progressiv denkendenMenschen bedeutet. Frauen sindzwar gerne gesehen, allerdingslediglich als Begleitung „ihrer“Männer bei hierfür speziell aus-gewiesenen öffentlichen Veran-staltungen. „Vaterlandsverräter“und „Drückeberger“ wie Zivil-dienstleistende haben indeutschen waffenstudentischenVerbindungen ohnehin nichts ver-loren.Dass nun das Traditionsbe-wußtsein der „Rhenania-Salingia“und die Pflege burschen-

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„Schwarz–braun ist die Haselnuss –schwarz-braun bin auch ich“ Die “Rhenania Salingia“ heute

Vom Antifaschistischen AutorInnenkollektiv

»

»Plakat der Rhenania SalingiaSelbstironie zweifelhaft

„Ich bekenne, ein frauenfeindlicher, säbelschwingen-der und versoffener Deutscher zu sein, der denganzen Tag nichts anderes als Musikantenstadlhört”, heißt es auf einem Plakat der „RhenaniaSalingia.1 Würden sich die “Rhenanen” darauf

beschränken, den ganzen Tag über Musikantenstadlzu hören, bräuchte man sich nicht weiter mit ihnen

beschäftigen. Da sie aber erklärtermaßen dieGesellschaft mitgestalten wollen, ist es nötig, zumeinen nach ihrem Welt- bzw. Gesellschaftsbild und

zum anderen nach den Mechanismen und Forendieser Einflußnahme zu fragen.

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schaftlichen Brauchtums bei ihrenMitgliedern keine demokratischeund emanzipatorische Orien-tierung hervorruft, geht aus derSache selbst hervor, einerTradition die beinhaltet, “...diegeistige Vorhut innerhalb jenerpolitischen Rechten [gebildet zuhaben], die den Boden für denFaschismus bereitete und in derTat bereits alle wesentlichen ide-ologischen Elemente aufwies, diedann den Faschismus kenn-zeichneten”4 und einem Brauch-tum, welches “hochideologischgeprägt ist, sich nicht von seinenspezifischen, historisch-politis-chen Entstehungsbedingungenund Funktionen ablösen läßt undkeine Traditionsbezüge aufweist,die sich Freiheit oder Gleichheitzuwenden könnten.”5 So ist esauch nicht verwunderlich, daß sichdie „Rhenania-Salingia“ auch inKreisen derjenigen Burschen-schaften bewegt, die derextremen Rechten nahe stehenbzw. dieser zuzurechnen sind.Beste Kontakte bestehen bei-spielsweise seit vielen Jahren zur„Kölner Burschenschaft Ger-mania“, die allerdings in letzterZeit nur noch wenig von sichhören liess, und zur „Burschen-schaft Rheinfranken Marburg“.Zeitweise legte die „Rhenania“ aufihrer Homepage auch einen Linkauf die Homepage der “JungenFreiheit”, dem “Sprachrohr derneuen Rechten”, empfahl diesealso den BesucherInnen ihrerInternetseite.Der „Burschenschaft RheinfrankenMarburg“, die gemeinsam mit der„Normannia Leipzig“ feder-führend an der Gründung des“Republikanischen Hochschul-verbandes” beteiligt war, gehörtauch der in Düsseldorf lebendeRechtsanwalt Björn Clemens an.Er ist gerngesehener Gast „auf“dem Haus der „Rhenania Salingia“und unterstützt diese nachKräften, z.B. durch Vortragsver-anstaltungen, wie die am31.Oktober 2000 zum Thema„Politische Justiz“. Clemens, der inMarburg studierte, ist seit vielenJahren als Funktionär der

„Republikaner“ aktiv und fungiertaktuell als Mitglied des REP-Bundesvorstands. 1997 und 1998beteiligte er sich in Hessen aktivan den Aktionen und Protestender extremen Rechten gegen dieAusstellung über die Verbrechender Wehrmacht. Sowohl am14.September 1997 in Marburg,als auch am 6.Juni 1998 in Kasselbeteiligten sich auch viele mili-tante Neonazis an den Gegen-aktivitäten. Insbesondere vonMarburger Burschenschaften gabund gibt es beste Kontakte in diemilitante Neonaziszene in Hessenund Nordrhen-Westfalen. Schul-ter an Schulter mit den neonazis-tischen „Freien Kameradschaften“demonstrierten „Republikaner“und Burschenschafter – unterihnen auch Björn Clemens -beispielsweise in Kassel gegen die„Schandausstellung“. 1999 kandi-dierte Clemens bei den nordrhein-westfälischen Kommunalwahlenauf Platz 2 der REP-Liste zumDüsseldorfer Stadtrat. Da die REPsaber nur einen Sitz erringen kon-nten, der seitdem von JürgenKrüger besetzt wird, bliebClemens der Einzug in das Stadt-parlament verwehrt. Er betätigtsich als Autor in der „JungenFreiheit“, in der Zeitschrift „Soldatim Volk“ des „Organ desVerbandes deutscher Soldatene.V.“ sowie in den „Burschen-schaftlichen Blättern“. Über seineREP- Tätigkeit hinaus soll er auchbei der extrem rechten „JungenLandmannschaft Ostpreußen“(JLO) aktiv sein. Und so wundert esdann auch nicht, dass sich die JLOEnde der neunziger zweimalmonatlich im Haus der „RhenaniaSalingia“ traf – und dieseswahrscheinlich heute immer nochmacht.6

Konservative allerCouleur und der

RCDS-Düsseldorf

Da die „Rhenania-Salingia“ keineoffene Politik betreibt (etwa inForm politischer Flugblätter odereiner eigenen Hochschulgruppe)hat sie sich immer wieder inner-

halb der CDU-Studierenden-organisation, “Ring ChristlichDemokratischer Studenten”(RCDS) engagiert und Einfluß-nahme auf konservative Kreiseangestrebt, um diese nach rechtszu drücken. Der „Rhenane“ OliverBleckmann trat zum Beispiel Endeder neunziger Jahre an derHeinrich-Heine-Universität alsStudierendenparlaments(SP)-Kandidat für den RCDS an, ebensowie sein „Leibbursch“ GunnarHeydrich und Rüdiger Leßel. Der“Rhenane” Marc Franz Zimmer-mann, RCDS- und „JungeUnion“(JU)-Mitglied und Inhaberder Homepage der „Rhenania-Salingia“, saß Ende der neunzigermehrere Jahre für den RCDS im SPder HHU. Zimmermann bestreitetübrigens bis heute, mit dem JF-Autor Marc Zimmermann iden-tisch zu sein. Dabei scheint einederartige Autorentätigkeit inRCDS-, JU- und CDU/CSU-Kreisenseit Jahren maximal als etwas ver-wegen zu gelten, wenn nichtbereits akzeptiert zu sein. Auchder Düsseldorfer RCDS-Funk-tionär und stellvertretende RCDS-Landesvorsitzende Christian Rütz,der 1999 über die CDU-Liste indie Bezirksvertretung Düsseldorf-Eller/Lierenfeld gewählt wurdeund kürzlich einmal mehr für das

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»Das Haus der “Rhenania Salingia”Fahne vor dem Haus

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SP kandidierte, bildet da keineAusnahme. Er stellte sich der JFbereits sowohl als Autor, als auchals Interviewpartner zur Ver-fügung. Gemeinsam mit Zimmermann saßauch Gregor Sommer von derDüsseldorfer CV- Verbindung„K.D.St.V. Burgundia“ im SP, waszudem einmal mehr belegt, dassdie verbalen Abgrenzungen seit-ens vieler CV- Verbindungen ge-genüber DB-Burschenschaftenwie der „Rhenania-Salingia“ oft-mals lediglich der Imagepflegedienen. Gleiches prägt auch dasheutige Verhältnis zwischen demRCDS und der „Rhenania-Salingia“. Neuerdings ziehen esdie Christ“demokraten“ ausImagegründen vor, keine„Rhenanen“ mehr auf ihrer Listekandidieren zu lassen. Zu offenhat die „Rhenania“ in jüngster Zeitpräsentiert, welche Geistes Kinderbei ihr das Sagen haben, wassofort öffentlich von fortschritt-lichen StudentInnengruppen the-matisiert und skandalisiert wurdeund nicht ohne Wirkung blieb.Hinter den Kulissen dürften aberweiterhin engste Kontakte zwis-chen RCDS und „Rhenania“ beste-hen.

Nazigrössen im„Rhenanen“haus

Am 17.11.1999 wurde der neueStar am Nazihimmel, der BerlinerRechtsanwalt Horst Mahler, zueinem Vortrag in das„Rhenanen“haus in der Reichsstr.21 eingeladen, bei dem er einegeballte Ladung seiner antisemi-tischen Weltverschwörungs-theorie präsentieren durfte.7 OhneWiderspruch aus dem Publikum,zu dem neben Burschenschaftlernauch diverse Personen aus dermilitanten Neonaziszene zählten,trug Mahler die in der extremenRechten verbreitete Position vor,daß Geld, Handel und Spekulationzum „Wesen“ der Juden gehörenwürden, um ihre angeblicheeigene Minderwertigkeit gegen-über dem Gott Jahweh zu kom-pensieren. Da wundert es dann

auch nicht mehr, daß dieVerfolgung und Ermordung dereuropäischen Juden durchdeutsche Hand bei Mahler zu einer„geistigen Notwehr des deutschenVolkes“ geraten. Die von denAlliierten militärisch erzwungendeKapitulation des NS-Regimes imJahre 1945 stellte für ihnschließlich die „Vollendung desjüdischen Geistes in derWeltherrschaft des Geldes“ dar.Mahlers Ausführungen zufolge istdie Niederlage des National-sozialismus der Fall der letztenBastion auf dem Weg zur end-gültigen „jüdischen Welt-herrschaft“ gewesen. Heute, soMahler, beherrschen Judenallerorts die politischen Geschicke.Davon gelte es sich zu befreien.Schluß soll sein mit demdeutschen „Selbsthaß“, der „Stolzaufs eigene Land und Volk“ solldie „Volksgemeinschaft“ wiederverbinden. Letztere ist für Mahlerderzeit akut durch „Überfrem-dung“ bedroht. Wer glaubt, die Einladung Mahlerssei ein „Ausrutscher“ gewesen,der konnte sich am 21.Januar2000 vom Gegenteil überzeugen.Die „Rhenania“ legte noch einmalnach. Zu einer Vortrags-veranstaltung „zur aktuellen poli-tischen Lage“ wurde HaraldNeubauer, einer der Herausgeberdes publizistischen Flaggschiffsder extremen Rechten in der BRD,der Monatszeitschrift „Nation undEuropa“, präsentiert.8 Neubauerhat im Laufe seiner über 30-jähri-gen politischen Tätigkeit in derextremen Rechten bereits fast allewichtigen Parteien durchlaufen. Erbekleidete Funktionen in der NPD,der DVU, bei den REPs und bei der„Deutschen Liga für Volk undHeimat“ (DLVH). Er soll in densiebziger Jahren sogar Mitgliedder illegalen NSDAP- AO(Auslands- und Aufbau-organisation) gewesen sein. Seiteiniger Zeit versucht er gemein-sam mit anderen an einem neuenSammlungsversuch der extremenRechten, der „Deutschland-bewegung“ und tritt hauptsäch-lich als Referent bei Ver-

anstaltungen aller Schattierungender extremen Rechten und alsAutor in Erscheinung. Exakt fünfMonate nach seinem Vortrag beider „Rhenania Salingia“ referierteNeubauer erneut in Düsseldorf.9

Der „Nation Europa Freunde e.V.“sowie die DLVH-Vorfeld-organisation „BürgerbewegungPro Köln e.V.“ um den KölnerManfred Rouhs und denLeverkusener Markus Beisichthatten im „Rahmen der über-parteilichen Deutschlandbe-wegung“ zu einer Vortrags-veranstaltung ins Hotel Nikko aufder Immermannstraße geladen.Da der Saal im Rhenanenhaus „diezahlreich erschienenen Besucher“nicht gefaßt hätte, sollte dieVeranstaltung nun „im größerenRahmen“ wiederholt werden,heißt es in der Einladung Nach

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»Rhenanen-Gast und NPD-Anwalt Horst Mahler

»Rhenane und RCDSler Marc F. Zimmermann

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erfolgreichen antifaschistischenProtesten kündigte das Nikkoallerdings den angemietetenRaum, so dass die Veranstalter mitdezimierter TeilnehmerInnenzahlauf das benachbarte CVJM-Hotelausweichen mussten. Thema derVeranstaltung: „Deutschlandbraucht demokratischen Patrio-tismus – Vernetzung undEinigung: Das Gebot der Stunde.“All` das scheint Neubauer nachAuffassung der „Rhenania“ eherauszuzeichnen, als zu disquali-fizieren.Ein drittes und letztes Beispiel fürVortragende aus dem Spektrumder extremen Rechten ist derDüsseldorfer Rechtsanwalt HajoHermann, der am 13. Juni 2001zum Thema „Der Weg in den WKII“ referieren und einmal mehr dieKriegsschuld Deutschlands ab-streiten und relativieren durfte.10

Hermann war während desZweiten Weltkrieges hoch dekori-erter Jagd- und Kampfflieger,Offizier der Luftwaffe und einenger Vertrauter HermannGörings. Nachdem er 1955 aussowjetischer Kriegsgefangen-schaft zurückgekehrt war, beganner ein Jura-Studium und ließ sichdanach als Rechtsanwalt inDüsseldorf nieder. Hermann‚entwickelte‘ sich zu einen derbekanntesten Strafverteidiger derden Holocaust leugnendenGeschichtsrevisionisten. Er vertei-digte unter anderen den US-amerikanischen „Gaskammer-experten“ Fred Leuchter. Im Mai1991 gab Hermann ein Gutachten„über die angeblichen Ver-gasungen von Menschen währenddes Krieges in den Konzen-trationslagern Auschwitz 1+2“ inAuftrag. Ebenso wie das von ihmin Auftrag gegebene „Rudolf-Gutachten“ über „die Bildung undNachweisbarkeit von Cyanid-Verbindungen in den ‚Gas-kammern‘ von Auschwitz“ kamdieses pseudowissenschaftlicheGutachten zu dem gewünschtenErgebnis, daß es keine Ver-gasungen in Auschwitz gegebenhätte.11

Fazit

Dass die „Rhenania-Salingia“keine sichtbare eigene Politikbetreibt, ist bei ihrer politischenZuordnung nebensächlich. DieAuswahl ihrer Referenten, positiveBezüge auf die “Junge Freiheit”,enge Kontakte zu extrem rechtenVerbindungen und REP- Funk-tionären, ihr positives Verhältniszur burschenschaftlichen Traditionund ihr frauenfeindliches, rassis-tisches, autoritäres und vonMännlichkeitswahn, Militarismusund Elitedünkel geprägtes Ver-bandsleben, kennzeichnen sie alsexponierten Teil einer gesell-schaftlichen Strömung, derenpolitische Konzeptionen dieAntipoden zu Emanzipation undFreiheit darstellen.Gerade in der heutigen Zeit, in derPogrome gegen Nichtdeutschezum verdrängten rassistischenAlltagsbild gehören und diemassive Rechtsentwicklung dergrößeren Bundesrepublik aus ihrerpolitischen Mitte kommt, ist esnotwendiger denn je, für dieBeseitigung antidemokratischerund anti-emanzipatorischerStrukturen einzustehen und denneuen und alten, vom rechtenRand oder aus der rechten Mittekommenden “Ewiggestrigen” denKampf anzusagen.

Fußnoten:

1 Überschrift eines Bekennerschreibens derRhenania-Salingia. Bis heute konnte nicht ge-klärt werden, ob es sich bei diesem Flugblatt umeine psychotherapeutische Maßnahme zurSelbstreflektion oder um eine ironischeAnspielung auf angebliche Vorurteile handelt

2 Siehe hierzu den Beitrag „StudentischeKorporationen - Gemeinschaften mit elitärerZielsetzung“ in dieser Broschüre

3 Zit. nach Rheinhard Kühnl: „Korporationenzwischen Konservatismus undRechtsextremismus”, in: Projekt Wartburg ‘92(Hrsg.): „Studentische Korporationen gesternund heute”, Marburg 1992. Hier heißt es weiter,daß der „Tugendkodex, der in denKorporationen gelehrt und vermitteltwird,...eben, wie die geschichtlichenErfahrungen zeigen, seine Eigendynamik (hat),er schafft Dispositionen, auf denen, dann, wennweitere Bedingungen (Krisenbewußtsein usw.)hinzukommen, rechtsextreme Verhaltensformenhervorgehen können.” Ebd. S.84f.

4 Zit. nach Kühnl, a.a.o., S.82

5 Zit. nach Dietrich Heither: Überlegungen zursozialen Funktion studentischen Brauchtums, in:Projekt Wartburg ‘92 (Hrsg.): StudentischeKorporationen gestern und heute, Marburg1992, S.71

6 Vgl. Antifaschistische Nachrichten 5/1999,www.antifaschistische-nachrichten.de/1999/05/029.htm

7 Vgl. Stattzeitung TERZ Dezember 1999

8 Vgl. Stattzeitung TERZ Februar 2000

9 Vgl. Stattzeitung TERZ Juli/August undSeptember 2000

10 Vgl. Stattzeitung TERZ Juli 2001

11 Vgl.: RechtsSchutzInstitut(Hg.): “Immer einegute Adresse?” - Lokalpolitik und die extremeRechte in Düsseldorf, Düsseldorf 1997, S. 87 f.

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»Inschrift vor dem Haus der “Rhenania Salingia”Neonazis in der Reichsstr. 21 - weitgehend ungestört

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Aktivitas: Bund der Aktiveneiner Verbindung. Dazu zählenFüxe, aktive und inaktiveBurschen. Wählt 3 bzw. 5Chargierte in die Ämter derAktivenschaft.Alter Herr (AH, MehrzahlAHAH): Ehemaliges Mitglied derAktivitas. Nach dem Studiumwechseln Verbindungsmitgliederin die Altherrenschaft ihrerVerbindung.Altherrenschaft:Zusammenschluß der nicht mehrstudierenden Mitglieder einerVerbindung.Bestimmungsmensur: s.Mensur.Bundesbruder: Anrede unterAngehörigen eines Bundes.Bursche: VollberechtigtesMitglied einer Verbindung (imGegensatz zum Fux). Häufig wirdunterschieden nach aktiven/inak-tiven Burschen. Bei derBurschung legt der Fux denBurscheneid ab, mit dem er sichzur lebenslangen Treue derVerbindung gegenüber verpflich-tet. Der Begriff „Bursche” wirdnicht nur innerhalb derDeutschen Burschenschaft, son-dern auch bei Corps,Landsmannschaften, katholischenVerbindungen etc. benutzt.Wahrscheinlich rührt von daherder häufig vorfindbare Irrtum,alle Korporationen seien „Bur-schenschaften”.Burschenschaft(en):Fälschlicherweise oft alsSammelbegriff für studentischeVerbindungen/Korporationengebraucht. Der Begriff meinteinen bestimmtenKorporationstyp, insbesondereden Dachverband “Deutsche Bur-schenschaft” (DB).Cartell (Kartell): Das vielfachvertraglich fixierte Verhältnis gleicher oder verwandter (be-

Kleines Lexikonverbindungsstuden-tischer Fachausdrücke

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freundeter) Verbindungen. Häufigbis zum gemeinsamen (Dach-)Verband ausgestaltet.Charge: Last, Amt oder Würde.Chargierte: Aus der Verbindunggewählte Inhaber von Ehrenäm-tern, in der Regel Senioren oderSprecher (Erstchargierter),Consenior oder Fechtwart(Zweitchargierter) , Sekretär oderSchriftführer (Drittchargierter).Comment: Gesamtheit der Re-geln für das studentischeBrauchtum, etwa für Umgang,Kneipe, Mensur etc.Convent: Versammlung der Mit-glieder einer Verbindung, aberauch von Vertretern verschiede-ner Verbindungen, die sich aufirgendeine Weise (etwa zumDachverband) zusammen-geschlossen haben.Corps: Älteste, aus studentischenLandsmannschaftendes 17. Und18. Jahrhunderts hervorgehendeund sozial häufig privilegiertenVerbindungen. Farbentragendund schlagen, lehnen konfes-sionelle und politische Bindungenals Verbandsprinzip ab. D.h.nicht, daß sie unpolitisch sind.Couleur: Farben als Merkmal derZusammengehörigkeit innerhalbder Verbindungen. Dient als Aus-druck des Bekenntnisses zu derenGrundsätzen und Idealen und zurUnterscheidung von anderenVerbindungen undNichtkorporierten.Couleurdame: Offiziell von einerVerbindung annoncierte Frau, dieregelmäßig zu Veranstaltungeneingeladen wird.Ehrenrat: Organ eines Bundeszur Schlichtung von Streitigkeitenzwischen Bundesbrüdern.Fink: Seit der Mitte des 19.Jahrhunderts vorherrschende Be-zeichnung für nichtkorporierteStudenten.Fux (Fuchs): Student während

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der ersten beiden Semester seinerZugehörigkeit zu einer Ver-bindung. Der Fux steht in derVerbindungshierarchie auf deruntersten Stufe, unter denBurschen und den Alten Herren.In der Fuxenstunde wird der Fuxin das Verbindungsleben einge-führt.Fuxmajor (Fuchsmajor): ältererVerbindungsstudent, aufgrundseiner Erfahrung für Anleitung,Unterricht und Betreuung derFüxe verantwortlich.Inaktiver: Bursche, der nach 4bis 6 Semestern der aktivenZugehörigkeit zu einerVerbindung inaktiviert, d.h. vonVerpflichtung entlastet wird. DerStatus als Inaktiver endet mitdem Studium und dem Eintritt indie Altherrenschaft.Kameradschaft: StudentischeGemeinschaft in der Zeit desNationalsozialismus. VieleVerbindungen wurden ab 1935 inKameradschaften umgewandelt.Keilen: So bezeichnen dieVerbindungen ihre Nachwuchs-werbung. In vielen Verbindungenwerden eigens „Keilwarte”, „Keil-kommissare” etc. mit derSystematisierung derNachwuchswerbung betraut.Kneipe: Gesellige Trinkver-anstaltung von Verbindungs-studenten und /oder AltenHerren, die nach bestimmtenRegeln durchgeführt wird.Kommers: Festliches, ausbestimmten Anlässen (z.B.Gründungsjubiläum) und nachschriftlich fixierten Regeln ver-anstaltetes Trinkgelage, an demGäste (Frauen) teilnehmen kön-nen und „Landesvater gestochen”bzw. „Salamander gerieben”werden.Kommersbuch: Sammlungstudentischer Lieder.Korporation: Oberbegriff füreine Gemeinschaft von Studentenund Akademikern, die sich aufder Basis bestimmter Grundsätzeund Formen auf Lebenszeitzusammenschließen (Prinzip desLebensbundes). In der Regel alsMännerbund. Synonym fürKorporationen: Verbindungen.

Landesvater: TraditionelleZeremonie mit Gesang, Schlägernund Mützen auf dem Kommers.Ehrung ursprünglich für denLandesvater und für Vaterland,Hochschule oder Verbindung.Landsmannschaft:Gemeinschaft von Studenten, dieaus dem gleichen Land bzw. dergleichen Gegend stammen.Landsmannschaften waren vom16. bis zum frühen 19.Jahrhundert die vorherrschendeForm studentischer Zusammen-schlüsse.Lebensbund: Seit Mitte des 19.Jahrhunderts allgemeines Prinzipstudentischer Korporationen. Le-benslange Mitgliedschaft.Leibbursch: Bezeichnung füreinen Burschen, der von einemFux gewählt worden ist, umdiesen in die Verbindungeinzuführen. Pendant: Leibfux.Mensur: Zweikampf unterStudenten mit scharfen Waffen,der durch bestimmteVorkehrungen rechtlich undmoralisch vom Duell als Zwei-kampf mit tödlichen Waffenunterschieden wird.Bestimmungs-Mensur: Die durchVerbandsregelungen fürMitglieder einer schlagendenVerbindung obligatorischeMensur.Partie: Bezeichnung für diegesamte Mensur.Pauken: Mensuren fechten. Teil-nehmer sind die Paukanten.Philister: Synonym für AlterHerr, aber auch im weiterenSinne: Nicht-Student.Salamander: Salamander reiben- Zeremonie bei Trinkgelagen, dieals höchste Ehrung nach demComment einem Anwesenden er-wiesen werden kann.Satisfaktion: Genugtuung zurBeilegung eines Ehrenstreits.Satisfaktion mit der Waffe (Duell)oder durch Unterwerfung unterdem Spruch des Ehrengerichts.Schlagend, schlagendeVerbindung: Verbindung, dieMensuren austrägt (auch:waffenstudentische Verbindung)Schmiß: Gesichtnarbe, die voneiner beim Mensuren-Schlägen

verursachten Verletzung herrührt.Galt früher durchgängig undheute z.T. noch als Ehrenzeichen.Senior: Vorsitzender, Sprecherder Aktiven einer Verbindung.Urburschenschaft: Die zwischen1811 und 1819 entstandeneBewegung zur Erneuerung derstudentischen Gemeinschafts-formen, im engeren Sinne: die am12. Juni 1815 in Jena gegründeteBurschenschaft.Verbindung: s. Korporation.Vorort: Zur Leitung einesDachverbandes auf eine bes-timmte Zeit gewählteVerbindung.Wichs: Galakleidung. FestlicheAufmachung des Verbindungs-studenten, insbesondere beimKommers, bei Umzügen und beiFeiern.Zipfel: Von den Besitzern zurVermeidung von Verwechslungenan die Bierkrüge gehängte Stoff-stücke. Oft auch Freundschafts-geschenke unter Verbindungs-studenten (Bierzipfel, Weinzipfel,Sektzipfel, letzter für Frauen).Zirkel: Ursprünglich geheimesErkennungszeichen vonOrdensbrüdern, heute Signumeiner Verbindung, das bei derUnterschrift hinter denNamenszug gesetzt wird.

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