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Rechte Gewalt gegen Imbissbetreiber mit Migrationshintergrund

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Rechte Gewalt gegen Imbissbetreiber mit Migrationshintergrund

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Impressum

Herausgeberin:

Opferperspektive e.V.Schloßstraße 114667 [email protected]

Redaktion: Martin Beck, Dominique JohnFotos: Claudia Bihler, MAZ (Rückseite), Umbruch Bildarchiv (S. 7), Opferperspektive

Gestaltung: Sabine Steinhof (www.rrita.de)

Die Herausgabe dieser Broschüre wurde gefördert durch:

Potsdam, Februar 2005

Aus Gründen der Lesbarkeit wurde auf die weibliche Schreibweiseverzichtet.

das Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus undFremdenfeindlichkeit(www.aktionsbuendnis.brandenburg.de)

die Ausländerbeauftragte des Landes Brandenburg (www.masgf.brandenburg.de)

die stiftung nord-süd-brücken (www.nord-sued-bruecken.de)

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Vorwort

Ein fremdenfeindlicher Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werdenDas Ausmaß rechtsextremer Gewalt gegen Asia- und Döner-Imbisse in Brandenburg

Schlaglichter aus BrandenburgDrei Fallbeispiele

„Wer will schon ein Bistro kaufen, auf das ein Brandanschlag verübt wurde?"Interview mit Herrn K.

Unternehmungen mit hohem RisikoDas Imbissgeschäft in gefährlicher Umgebung

Allein in BrandenburgWie sich Imbissbetreiber in einer oftmals feindlichen Umwelt bewegen

Kundenbeziehungen der besonderen ArtDie Täter sind den Imbissbetreibern in den meisten Fällen bekannt

„In der Praxis wird man in vielen Fällen von einer Zivilklage abraten."Interview mit Rechtsanwalt Klaus Piegeler über Grenzen und Möglichkeiten einer Zivilklage

Chronologie

Was tun?Einige Handlungsempfehlungen

Serviceteil

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Inhaltsverzeichnis

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Stellen Sie sich einmal folgendes Szenario vor:Palma de Mallorca. Seit einiger Zeit erschüttert eineAngriffsserie gegen Imbisse die Ferieninsel. Durchgezielte Brandanschläge soll die wirtschaftlicheExistenz von Ausländern vernichtet und diese letztlichvon der Insel vertrieben werden. Das vorerst letzteOpfer war Walter Sch. Der 45-jährige Prignitzer warvor 14 Jahren nach Mallorca gekommen. Nach derWende waren er und seine Frau arbeitslos gewor-den. Um sich und seiner Familie eine neue Existenzaufzubauen, wagten sie gemeinsam den Schritt inein fremdes Land. Konnte Herr Sch. in den erstenJahren in Ruhe seinen Geschäften nachgehen, somehrten sich danach die Probleme mit einigenGästen. Sie begegneten ihm unfreundlich, äußertensich verächtlich über das Essen. Auch Fälle vonZechprellerei häuften sich. Immer wieder wurde erbarsch aufgefordert, die Insel zu verlassen; was erüberhaupt als Deutscher hier wolle. Aber nicht nurdas Verhalten einiger seiner Gäste war unfreundlichund feindlich, auch die fremdemfeindlichen Sprü-che, die auf seinen Imbiss geschmiert wurden, nah-men überhand. Nun steht er vor den Trümmern seiner Imbissbude, die bis auf die Grundmauernniedergebrannt ist. Wie es weitergehen soll, weiß ernicht. Warum die Menschen ihn hier nicht habenwollen, auch nicht.

Natürlich ist diese Geschichte frei erfunden. Aberersetzen Sie Palma de Mallorca beispielsweise durchdas brandenburgische Nauen und den Namen Wal-ter Sch. durch Ahmet K., dann spielt sich dieseGeschichte nicht mehr im Reich der Fantasie ab,sondern beschreibt die erschreckende Realität in

unserem Land: Seit dem Jahr 2000 kam es in Bran-denburg zu über 60 Angriffe auf Imbisse von aus-ländischen Betreibern.

Über die Hintergründe dieser Anschläge ist wenigbekannt. Wer sind die Täter, was treibt sie an? Wiegehen die Betroffenen damit um? Wie reagiert ihrUmfeld? Welche Reaktionen gibt es in den Kommu-nen nach einem Angriff? Für die Herausgeber undFörderer dieser Broschüre Anlass genug, sich demThema ausführlicher zu widmen. Sie gaben einewissenschaftliche Untersuchung in Auftrag, die unterdem Titel „Fremdenfeindliche und rechtsextremeÜbergriffe auf Imbissbuden im Land Brandenburg!“Antworten auf diese Fragen zu geben versucht. DieErgebnisse dieser Untersuchung von Beate Selders,Thomas Bürk-Matsunami und Ercan Yasaroglu sindauch Grundlage dieser Broschüre. Mit ihr wendenwir uns vor allem an die Verantwortlichen in denGemeinden und Kommunen, an Initiativen undGrup-pen sowie einzelne Bürger und Bürgerinnen,die diese Vorkommnisse nicht unberührt lassen.

Imbissbetreiber mit Migrationshintergrund fühlensich in ihrer Mehrheit isoliert. Um den Teufelkreis vonAusgrenzung und Gewalt zu durchbrechen, brau-chen sie Beistand und Unterstützung – und dasschon vor einem möglichen Angriff.

Opferperspektive Brandenburg e.V.Die vollständige Studie kann auf den folgendenWebseiten als PDF-Datei heruntergeladen werden:www.opferperspektive.de; www.aktionsbuendnis.brandenburg.de

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Vorwort

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„Es scheint Mode geworden zu sein, Imbissstände anzustecken.Das sind Anschläge, die nicht nur die wirtschaftliche Existenz derInhaber zerstören, sondern auch Menschenleben in erheblicheGefahr bringen. Es gilt, die Taten zu verhindern. Es gilt, denOpfern zu helfen und potenziellen Tätern klar zu machen, dass wirdas nicht dulden und auch nicht wegsehen."

Der Vorsitzende des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, Heinz-Joachim Lohmann, auf einer Demonstration in Rheinsberg am 13. Februar 2004

„Fremdenfeindlichkeit ist Menschenfeindlichkeit und deswegen inkeiner Form hinnehmbar – weder als Brandanschlag auf einenSchnellimbiss noch als beleidigende Äußerung im Supermarktoder als herabwürdigende Behandlung auf einer Behörde.Migrantinnen und Migranten gehören zu unserer Gesellschaft undsind wichtig für sie."

Almuth Berger, Ausländerbeauftragte des Landes Brandenburg, anlässlich der Verleihungdes Bandes für Mut und Verständigung 2004

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Bei rechtsextrem motivierten Angriffen – so dieallgemeine Erfahrung – ist die Dunkelziffer sehrhoch. Vor allem Nötigungen, Beleidigungenund Bedrohungen werden von den Betroffenennur selten angezeigt. Oftmals sind die Opferder Meinung, dass diese Taten keine strafrecht-liche Relevanz haben. Häufig haben vorherigeErlebnisse auch zu einem Gewöhnungseffektgeführt: Der erlittene Angriff wird in eine langeReihe negativer Erfahrungen eingeordnet.Sprachprobleme und Diskriminierungserfah-rungen tragen zudem dazu bei, dass bei vielenOpfern rechtsextremer Gewalttaten ein grund-sätzliches Vertrauen in die Tätigkeit von Polizeiund Justiz fehlt.

Die Opferperspektive veröffentlicht regelmäßigund fortlaufend ihr bekannt gewordeneAngriffe mit rechtem und rassistischem Hinter-grund. Sie stützt sich dabei auf Pressemeldun-

gen, Mitteilungen anderer Opferberatungs-stellen und lokaler Initiativen sowie auf Infor-mationen der Opfer selbst. Dennoch kann hiernicht davon ausgegangen werden, dass dieListe der aufgeführten Straftaten vollständig ist– auch nicht im Bereich der Angriffe auf Im-bisse ausländischer Mitbürger.

Leichte Ziele und eindeutige Indizien

In Imbisswagen und -Container wird wegenihres meist ungeschützten Standorts und ihrerleichten Zugänglichkeit oft eingebrochen.Auch Brände mit zunächst ungeklärter Ursachesind nicht selten. Dies betrifft die ThüringerBratwurstbude ebenso wie den Döner-Imbissoder die Asia-Pfanne. Vergleicht man aller-dings die Zahl und Art der Delikte gegen„deutsche“ und „ausländische“ Imbisse, sokommt man zu eindeutigen Ergebnissen. Die

Seit Januar 2000 hat die Opferperspektive von über 60 Anschlägen auf

ausländische Imbisse und Angriffe gegen Imbissbetreiber in Brandenburg

Kenntnis erlangt. Zumeist handelte es sich dabei um Brandanschläge.

Einige Anschläge hatten für die Betroffenen verheerende Folgen. In allen

Fällen, in denen die Täter ermittelt werden konnten, war ohne Ausnahme

Rassismus die Motivation für die Tat.

Ein fremdenfeindlicherHintergrund kann nicht ausgeschlossen werden

Das Ausmaß rechtsextremer Gewalt gegen Asia- undDöner-Imbisse in Brandenburg

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Durchsicht der entsprechenden Pressemeldungen imArchiv der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ vom1. Januar 2003 bis zum 1. Mai 2004 förderte fol-genden Sachverhalt zu Tage:

Bei den Fällen, in denen nicht nur eingebrochen undgestohlen, sondern auch der Innenraum verwüstetwurde, handelte es sich immer um Asia- oder Döner-Imbisse. Mit anderen Worten: Auf Vandalismus trifftman immer nur bei ausländischen Betrieben. Auffäl-lig war ebenfalls, dass es sich bei deutschen Betrie-ben fast ausschließlich um leicht zugängliche Imbiss-wagen oder -Container handelte, während beiausländischen Betrieben auch Imbiss-Bistros betroffenwaren, die in Ladengeschäften untergebracht sind.

Den zuverlässigsten Hinweis auf den rechten undrassistischen Hintergrund von Gewaltdelikten gegenAsia- und Döner-Imbisse geben die Täter in denbereits ermittelten Fällen. In der Regel handelt essich bei den Tätern entweder um organisierte Rechts-extreme oder Mitglieder rechter Cliquen.

Vorurteile laufen ins Leere

Trotz dieser Ergebnisse und einer Vielzahl von Pres-seberichten über Prozesse gegen rechte Brandstifterhält sich in vielen Fällen das hartnäckige Vorurteil:„Das waren die doch bestimmt selbst.“ Vor allem beiBrandanschlägen, bei denen die Täter nicht gefasstwurden, wird meist unterstellt, es handele sich umdie Tat eines Konkurrenten oder um einen „warmenAbriss“, also einen Versicherungsbetrug. Eine Anfra-ge bei der Staatsanwaltschaft Neuruppin, die für dieLandkreise Prignitz, Ostprignitz-Ruppin, Oberhavelund Uckermark zuständig ist, erbrachte jedoch, dassseit Anfang des Jahres 2000 lediglich in drei Fällenvon Brandstiftung bei Asia- und Döner-Imbissen einefremdenfeindliche bzw. rechtsextreme Motivationauszuschließen war.

Unpolitische Schläger, verwirrte Einzeltäter,Trunkenheitsdelikte?

Tatsächlich handelt es sich aber bei der Mehrheit deraufgeklärten Anschläge auf Imbissstände um einvöllig anderes Täterspektrum und einen anderenTathergang. Als Beispiel kann eine Gruppe vonBrandstiftern gelten, die in einer Nacht einen Asia-und einen Döner-Imbiss anzündeten (vgl. Fallbei-spiel 1). Sie entsprechen in vielerlei Hinsicht den Pro-totypen – nicht nur im hier untersuchten Kontext – fürrechtsextreme Gewalttäter. Die Anschläge wurdenzwar von Tätern verübt, die in der einen oder ande-ren Form in die rechte Szene eingebunden waren,sich aber an besagtem Abend zufällig in dieser Kon-stellation zusammenfanden. Man trank zusammen,hörte rechtsextreme Musik und kam im Lauf desAbends auf die Idee, den Asia-Imbiss anzuzünden.Berauscht vom Erfolg wollte man mit dem restlichenBenzin gleich noch einen Döner-Imbiss niederbren-nen. Es gab zwar Vorsichtsmaßnahmen – als dieTäter in die Straße fuhren, in der sich der Döner-Imbiss befand, wurde das Licht am Auto ausge-schaltet –, insgesamt stellte sich die Gruppe aberrecht dilettantisch an, weshalb es auch zur schnellenVerhaftung kam.

Rechtsextreme Strukturen und die Schwierigkeiten, sie zu identifizieren

Eine solche spontane Tat ist ganz allgemein eher dieRegel als die Ausnahme für rechtsextreme Angriffeund Übergriffe. Die politische Überzeugung derTäter wirkt auf Beobachter eher diffus als gefestigt.Sie umfasst oft nicht viel mehr als eine radikal-sozialdarwinistische Grundüberzeugung, ein völki-sches Weltbild und eine klare Feinddefinition. DasMotiv ist der Wille zur Vertreibung oder gar Vernich-tung von Personenngruppen, die im rechten Weltbildals „Feinde“ erscheinen. Vor dem Hintergrund diesesWeltbildes, in dem es nur Starke gibt, die herrschen,und Schwache, die beherrscht werden, ist die

Keinen Zweifel an einer fremdenfeindlichen bzw.rechtsextremen Tatmotivation gab es beispielsweisebei zwei organisierten Brandanschlägen auf auslän-dische Imbisse im Jahr 2000 in Stansdorf und Trebbin.Die Imbissbuden brannten vollständig nieder. Ver-antwortlich dafür erklärte sich eine Gruppe, die sich„Nationale Bewegung“ nannte und Bekennerschrei-ben am Tatort hinterließ. „Kauft nicht bei Türken!!!Schluss mit der Schändung des deutschen Volkskör-pers durch Ausländer und ihre Mutikulti-Küche. Dienationale Bewegung“, hieß es im ersten Bekenner-schreiben. Im zweiten Bekennerschreiben war vom„Kampf gegen unarische Überbevölkerung undKanackenfraß“ die Rede und davon, „allenUnschlüssigen“ ein „leuchtendes Zeichen“ gebenund zur Nachahmung anregen zu wollen. 13 weite-re Anschläge werden der Gruppe zugeschrieben,unter anderem der Anschlag auf die Trauerhalle desJüdischen Friedhofs in Potsdam. Verhaftungen gabes bisher keine.

Im Juli 2004 wurden in Brandenburg sieben jungeMänner verhaftet. Sie sind im Alter zwischen 16 und20 Jahren; Schüler, einige von ihnen Abiturienten,zwei Arbeitslose. Ihnen werden die Bildung einer„terroristischen Vereinigung“ und neun Anschlägeauf Döner- und Asia-Imbisse im westlichen Umlandvon Berlin (Nauen, Brieselang und Falkensee) zurLast gelegt. Die Gruppe nennt sich „Freikorps“, inAnlehnung an die antikommunistischen Paramilitärsder zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts. DieseGruppierung hat eine detaillierte Satzung und ver-folgt das Ziel, Ausländer durch gezielte Gewaltaktezu vertreiben.

Solche Vereinigungen, die ein Programm oderzumindest eine nachvollziehbare Programmatikhaben, diszipliniert organisiert sind und systematischvorgehen, entsprechen den traditionellen Vorstellun-gen von politischer Organisierung und politischmotivierter Gewalt.

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Gewaltbereitschaft ständig sehr hoch. Alkohol istdabei eine begünstigende Bedingung, aber nicht dieUrsache für die Gewalt. Rechte und rassistischeGewalt entspricht nur zu einem Teil der von Polizeiund Justiz aufgestellten engen Definition politischmotivierter Gewalt; vielmehr ist sie oft spontaneGewalt, die jedoch aus einem gemeinsamen rechtenund rassistischen Weltbild und Wertesystem gespeistwird.

Das Ziel: Verletzung, Demütigung, Vertreibung

Dieses gemeinsame Weltbild und Wertesystem – sobetonen Beobachter – fußt auf einer entwickeltenAlltagskultur. Ständig geht es dabei um die Raumho-heit, die mit Gewalt durchgesetzt und mit einemhohen Drohpotenzial aufrechterhalten werden soll.Dabei spielen neonazistische Symbole, ob als Zeichen oder Kleidungsstücke, eine wichtige Rolle.Sie vermitteln Gleichgesinnten Sicherheits- undDominanzgefühle. Potenzielle Opfergruppen wer-den dadurch eingeschüchtert und ziehen sich teil-weise aus den entsprechenden Räumen ganz zurück.

In diesem Kontext sind die Anschläge auf Asia- undDöner-Imbisse zu sehen. Jedes an einen Wagengemalte Hakenkreuz, jede eingeschlagene Fenster-scheibe markiert den Betrieb als angreifbaren Ort,als zerstörungswürdiges Objekt, unterstreicht seinenCharakter als Fremdkörper. Jede entsprechendeGewalttat wird von den Tätern als ein Schritt zurDurchsetzung der völkischen Wahnvorstellungenangesehen und ist ein „Kick“ für die Szene. Rechts-extreme und rassistische Gewalt hat nicht nur dieVerletzung, Demütigung und Vertreibung der Opferzum Ziel, sondern darüber hinaus eine wesentlicheFunktion für die Aufrechterhaltung der rechten Szene,unabhängig vom politischen Bewusstseinsgrad derTäter.

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Drei Fallbeispiele

Die Mehrzahl der Brandanschläge auf Imbisse wurde im nördlichen Bran-

denburg und im Umland von Berlin verübt. Auch die folgenden Fallbei-

spiele sind in dieser Region angesiedelt. Die darin dargestellten Angriffe

ereigneten sich in drei Städten, deren soziale Situation sich stark unter-

scheidet. Dennoch werden Gemeinsamkeiten sichtbar: Beleidigungen und

Gewalttätigkeiten spielen sich in einem engen sozialen Raum ab. Häufig

entstehen rassistische Auseinandersetzungen unmittelbar aus der ambiva-

lenten Beziehung der Gäste zu den Betreibern. Andere Gewalttätigkeiten

finden nachts nach Geschäftsschluss statt und gehen von Tätern aus, die

somit nicht greifbar sind, die sich aber, wie sich bei den inzwischen aufge-

klärten Fällen herausstellte, in der Mehrzahl im gleichen sozialen Raum

bewegen.

Schlaglichter aus Brandenburg

Fallbeispiel 1

Zwei Brandanschläge in einer Nacht

Im Herbst 2003 wurden in der brandenburgi-schen Stadt A in derselben Nacht ein Asia- undein Döner-Imbiss zum Ziel von Brandanschlä-gen. Der Asia-Imbiss der Familie V. branntevollständig nieder, der Anschlag auf denDöner-Imbiss von Herrn A. schlug fehl. Hierentstand nur geringer Sachschaden.

Herr V. kam 1988 als Vertragsarbeiter in dieDDR. Nach der Wende war Herr V. zunächst alsTextilhändler auf Märkten unterwegs. Seit 1998betreibt er zusammen mit seiner Frau denImbiss und lebt mit ihr und seinen zwei kleinenKindern im Neubaugebiet der Stadt.

Sein niedergebrannter Imbisswagen stand voreinem Discount-Markt im Gewerbegebiet. DerSchaden belief sich auf rund 30.000 Euro. DerImbiss der Familie V. war nicht versichert. AufGrund des hohen Risikos war kein Unterneh-men bereit gewesen, den Versicherungsschutzzu übernehmen. Durch den Brandanschlagwar somit die Existenzgrundlage der Familievollständig zerstört.

In dieser Situation eröffnete die Stadtverwal-tung ein Spendenkonto, um die Familie zuunterstützen. Der Leiter des städtischen Präven-tionsrates schaltete zudem den Weißen Ringein, der zusammen mit der Opferperspektivedie Betreuung der Opfer übernahm. Es war

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aber vor allem ein Freund der Familie, der sich indieser Ausnahmesituation für die Familie V. enga-gierte. Er half beispielsweise bei der Beseitigung desWracks, für das der Besitzer, auch wenn er Opfereiner Straftat wurde, zuständig ist, und unterstütztedie Geschädigten bei den Verhandlungen übereinen neuen Stellplatz. Ein ortsansässiger Unterneh-mer stellte Familie V. – wenn auch nicht ganz unei-gennützig – einen gebrauchten Container gegenlangfristige Ratenzahlungen zur Verfügung. Herr V.bewerkstelligte mit einem enormen Arbeitsaufwandden Ausbau des Containers, so dass der Imbissschnell wieder eröffnet werden konnte. Für die Fami-lie V. ist dank der Unterstützung und dem eigenenEngagement kein bleibender finanzieller Schadenentstanden.

Hakenkreuze und „Ausländer raus"

Die Folgen des Brandanschlags auf den Döner-Imbiss waren für den Betreiber Herrn A. weniger dra-matisch. Allerdings war der Anschlag nur der Höhe-punkt einer Kette von alltäglichen Beleidigungen,Bedrohungen und Übergriffen durch Rechtsextreme,über die der Kleinunternehmer, der bereits seit zehnJahren in der Stadt lebt, zu berichten weiß. Immerwieder seien Aufkleber auf die Fenster geklebt,Hakenkreuze und die Worte „Ausländer raus“ aufdie Scheiben geschmiert worden. Sein Angestelltererzählt von weiteren Provokationen und einergewalttätigen Auseinandersetzung, weil er mit einemFreund auf der Straße türkisch gesprochen hatte.Auch sei er auf der Straße schon einmal von Skin-heads mit einem Messer bedroht worden.

Doch trotz dieser Erfahrungen differenziert Herr A.im Gespräch: „Man kann nicht sagen, dass hier allerechts sind.“ Dass nach dem Anschlag auf seinenImbiss viele Nachbarn und auch Vertreter der Stadtgekommen wären, um ihre Solidarität auszudrü-cken, ermutigte Herrn A.

gefeiert hatten. Zwei der Täter waren schon wegenanderer rechtsextremer Taten gerichtsbekannt. EinAngeklagter hatte keine erkennbare Bindung insrechte Milieu.

Keiner der Geschädigten war beim Prozess durcheine Nebenklage vertreten. Die Besitzer des Asia-Imbisses konnten keine Nebenklage führen, obwohldurch den Anschlag ihre gesamte wirtschaftlicheExistenz vernichtet worden war, denn Sachbeschädi-gungen sind nicht nebenklagefähig. Anders im Falldes Döner-Imbisses. Hier hätte der Besitzer wegendes Vorwurfs des versuchten Mordes Nebenklageführen können, er verzichtete aber aus Kostengrün-den darauf.

Im Mai 2004 wurde das Urteil verkündet. Der Ankla-gepunkt versuchter Mord wurde fallengelassen. Diehöchste verhängte Strafe waren drei Jahre Haft ohneBewährung, das niedrigste Strafmaß zwei JahreJugendstrafe auf drei Jahre Bewährung und 150Arbeitsstunden. Prozessbeobachter zeigten sich er-staunt, dass das Gericht trotz des eindeutig rechtsex-tremen Hintergrundes der Tat und der Täter als Tat-motiv lediglich „latenten Ausländerhass“ feststellte.

Fallbeispiel 2

Drei Brandanschläge auf ein und denselben Imbiss

Anfang des Jahres 2003 wurde in der Kleinstadt Bein Reifen eines Döner-Imbisses in Brand gesetzt.Das Feuer loderte bis zur Außenwand, konnte aberdurch die Polizei gelöscht werden, bevor die Flam-men ins Wageninnere vordrangen. Mitte des Jahreswurde dann mit einer Plastiktüte unter dem Wagengezündelt. Im Winter schließlich wurde vor demImbiss Feuer gelegt. Der Kunstrasen verbrannte unddie Flammen griffen ins Wageninnere über. Es ent-

An dem Herbstwochenende, an dem die Brandan-schläge verübt wurden, ereigneten sich noch zweiweitere rechts motivierte Vorfälle: Zwei Jugendlichewurden von Rechten drangsaliert und attackiert. Vonder Häufung und der Intensität der Vorfälle warenviele Bürger der Stadt schockiert, was zur Gründungeiner Bürgerinitiative führte. Nicht zuletzt ihrer Initia-tive war es zu verdanken, dass nach anfänglichemZögern der Leiter des Präventionsrates und der Vize-bürgermeister eine gemeinsame Solidaritätserklä-rung mit den Opfern veröffentlichten. In der Erklä-rung wird der rechte Hintergrund der Straftateneindeutig benannt, verbunden mit einem Aufruf andie Bevölkerung: „Wir fordern zur Unterstützung derOpfer auf und bitten die Bürger der Stadt, Unter-nehmen, Verbände und politische Parteien dazu bei-zutragen, dass ganz klar wird: Wir […] verabscheu-en solche Taten und die Gesinnung, die dahintersteckt.“ Zwei Wochen nach den Anschlägen fandeine Demonstration für Toleranz und gegen frem-denfeindliche Gewalt statt. 400 Teilnehmer zogenvom Marktplatz durch die Innenstadt. Der Vizebür-germeister, der Landtagspräsident und der Landratsprachen auf der Kundgebung.

Anklage: Versuchter Mord

Die Staatsanwaltschaft ermittelte im ersten Fallwegen vollendeter schwerer Brandstiftung und imzweiten Fall wegen versuchter Brandstiftung inTateinheit mit versuchtem Mord, da der Imbiss vonHerrn A. in einem für die Täter erkennbar bewohn-ten Haus untergebracht ist.

Bereits kurz nach der Tat konnten drei Männer undeine junge Frau im Alter zwischen 17 und 26 Jahrenfestgenommen werden, die beim Abfüllen von Ben-zin an einer Tankstelle gefilmt worden waren. Im Mai2004 wurde der Prozess gegen die Angeklagteneröffnet. Es stellte sich heraus, dass die Täter sich vorden Anschlägen mit Skinhead-Musik aufgeputschtund anschließend die Taten mit „Sieg Heil“-Rufen

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stand ein Sachschaden von über 3.000 Euro. Die Teilkaskoversicherung kam nur für die festenWageneinbauten auf.

Bei allen drei Anschlägen handelte es sich um dengleichen Imbiss, den einzigen Döner-Imbisswagen inB. Dieser steht frei und leicht zugänglich zwischeneinem Einkaufszentrum und einer Wohnsiedlung undwird von Herrn C. seit zwei Jahren betrieben. Herr C.kam 1994 als kurdischer Flüchtling aus der Türkeinach Deutschland.

Nach der ersten Brandstiftung wurde die Polizeiprä-senz vor Ort verstärkt. Herr C. bemühte sich gleich-zeitig erfolgreich um einen anderen Stellplatz. Dochauch hier gingen die Angriffe weiter. Nach demzweiten Anschlag konnten zwei junge Männer ermit-telt werden. Die Täter waren unter anderem dadurchaufgefallen, dass sie sich in ihrer rechten Clique derTat gerühmt und eine Wiederholung angekündigthatten. Wer den dritten Anschlag zu verantwortenhat, konnte bislang nicht festgestellt werden.

Zusätzlich zu den Brandanschlägen weitere Sachbeschädigungen

Nach den Verhaftungen wurde Herr C. vermehrt vonJugendlichen und Passanten als Ausländerbeschimpft. Die Polizei, bei der Herr C. die Vorfälleanzeigte, sah keine Möglichkeit, einzugreifen.Immer wieder gab es im Laufe des Jahres Sachbe-schädigungen an seinem Wagen. So wurde in einerNacht die Plastikverkleidung des Imbissvorbausbeschädigt und die Rückleuchten des Wagens ent-wendet. Es gab mehrere Einbrüche, bei denen nichtsgestohlen, sondern Teile der Einrichtung zerstörtwurden.

Im Dezember wurde Herr C. schließlich sogar voneinem Auto mit „Glatzen“ bis nach Hause verfolgt.Herr C. zeigte auch diesen Vorfall bei der Kriminal-polizei an und nannte das Kfz-Kennzeichen. Doch

Zur Aufklärung und Mobilisierung im Vorfeld derDemonstration wurde die Unterschriftenlisteerneut verteilt. Weitere 150 Unterschriften kamenzusammen. Die lokale Presse veröffentlichte aus-führliche Artikel, die dann von Schülern in Zu-sammenarbeit mit der Jugendpflegerin ausge-schnitten, vergrößert und zur Information aufPappen geklebt und in der Schule aufgehängtwurden.

Der vom Bürgermeister verfasste Demonstrations-aufruf wurde über Vereine und Parteien, Schulen,die Presse und andere Multiplikatoren breitgestreut. Trotz schlechten Wetters kamen etwa 400Menschen. Viele Jugendliche, kommunale Vertre-ter, auch aus der Kreisstadt, nahmen teil. Anschlie-ßend wurden im Gemeindehaus der evangeli-schen Kirche Videoclips gegen Rassismus gezeigt,die Schüler der Stadt in ihren Klassen produzierthatten.

Bei den für den zweiten Anschlag verantwortlichenTätern handelt es sich um einen zum Tatzeitpunkt17-Jährigen und einen 21-Jährigen. Einige Tagebevor sie Feuer legten, hatten sie den Imbissbe-treiber als „Scheiß-Döner“ beschimpft. Als Tatmo-tiv für die Brandstiftung gaben sie bei ihrer Verhaf-tung an: „Wir können Ausländer nicht leiden. Wirsind hier nicht in Türkenland, die sollen das[Döner] hier nicht verkaufen.“ Der 17-Jährigewurde im Schnellverfahren von einem Jugendrich-ter zu vier Wochen Arrest verurteilt. Inzwischen istauch das Verfahren gegen den 22-jährigen Mittä-ter abgeschlossen, dem in einem Gerichtsgutach-ten eine niedrige Intelligenz bescheinigt wurde. Erwurde zu sieben Monaten auf Bewährung und zu150 Arbeitsstunden verurteilt.

wieder teilte ihm die Polizei mit, sie könne nichtsunternehmen, da die Bedrohung nicht nachweisbarsei. Herr C. fühlte sich in dieser Zeit mit seinen all-täglichen Erfahrungen von rassistischer Beschimp-fung und Bedrohung allein gelassen und von derPolizei wenig unterstützt.

Zwar hatte die Presse bereits über den erstenAnschlag Anfang 2003 berichtet, doch in derÖffentlichkeit wurde der Vorfall kaum wahrge-nommen. Das änderte sich nach dem zweitenAnschlag. Die Stadtjugendpflegerin nahm Kontaktzu Herrn C. auf und informierte andere, dass es sichbereits um den zweiten Anschlag auf den gleichenBetrieb handelte. Eine Gruppe von Schülern verfas-ste daraufhin eine Unterschriftenliste. Diese zunächsteher aus Hilflosigkeit geborene Aktion erwies sich alssehr erfolgreich: Die Liste wurde in Schulklassen ver-teilt, in der Bibliothek und einer Buchhandlung aus-gelegt. Die Anschläge wurden Gesprächsthema inder Stadt. 350 Unterschriften kamen zusammen, dieHerrn C., der lokalen Presse und dem Bürgermeisterübergeben wurden.

Nach dem dritten Anschlag, vier Monate später, initi-ierte die Stadtjugendpflegerin einen Runden Tischund lud Vertreter der Polizei, der Kirche, den Bürger-meister, Engagierte aus der Stadtverwaltung und Personen des öffentlichen Lebens, die Schulleitun-gen, Herrn C. und seine Freunde ein. Der Bürger-meister schlug eine Demonstration vor, um öffentlichSolidarität mit Herrn C. zu signalisieren und zu zei-gen, dass die Bürger der Stadt gegen Rassismus undFremdenfeindlichkeit stünden. Zur Vorbereitung derDemonstration bildete sich ein Netzwerk von Unter-stützern. Zudem wurde ein Spendenkonto zur Unter-stützung von Herrn C. eingerichtet, der wegen derSchäden größere Verdienstausfälle zu kompensierenhatte. Die Spendenaktion wurde eröffnet mit einerBenefiz-Filmvorführung über kurdische Flüchtlinge inDeutschland, einer Kooperationsveranstaltung mitder Opferperspektive und der Filminitiative.

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Fallbeispiel 3

Mitarbeiter konnte rechtzeitig löschen

Anfang des Jahres 2004 wurde auf ein Döner-Bistroin der Gemeinde C ein Brandanschlag verübt.Durch ein in die Scheibe geschlagenes Loch wurdemitten in der Nacht eine Brandflasche in denGastraum geworfen. Glücklicherweise wurde ein ineinem Hinterzimmer des Bistros schlafender Mitar-beiter durch das Geräusch des splitternden Glasesgeweckt. Er entdeckte, dass der Bereich vor dem Tre-sen in Flammen stand. Es gelang ihm, das Feuer zulöschen. Dabei zog er sich Schnittverletzungen anden Fußsohlen und leichte Verbrennungen an denHänden zu. Danach informierte er den Betreiber desBistros, Herrn K., der ihm kurze Zeit später zu Hilfekam und die Polizei informierte.

Die Polizei begann noch in der Nacht mit der Spu-rensicherung. Bereits am nächsten Morgen wurdendrei Heranwachsende aus C vorläufig festgenom-men. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen ver-suchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Brandstif-tung. Die Tatverdächtigen wurden der auf ein halbesDutzend Mitglieder beschränkten rechten Szene in Czugerechnet.

Herr K. betreibt seit über zehn Jahren einen Imbiss inder Gemeinde C. Zuvor hatte er in Berlin ein Res-taurant geführt. Über einen Bekannten hatte er nachder Wende von guten Geschäftsmöglichkeiten inBrandenburg gehört und daraufhin einen dortbereits bestehenden Imbiss-Container übernomm-men. Über sechs Jahre lang betrieb Herr K. diesenDöner-Imbiss vor dem Geschäft einer ehemaligenKaufhalle. Als die Handelskette ihre Filiale aufgab,konnte Herr K. das Geschäft pachten und den Imbissdarin eröffnen. Weit mehr Platz bietend als der engeContainer, baute er einen Tresen aus und richteteeinen Gastraum ein. Im hinteren Teil des Gebäudesblieb Platz für eine Küche und ein Büro mit Schlaf-

Im November 2004 wurden die drei Angeklagten imAlter von 19, 20 und 21 Jahren zu Freiheitsstrafenvon je acht Jahren verurteilt. Das Landgericht Pots-dam befand sie des gemeinschaftlichen versuchtenMordes, versuchter schwerer Brandstiftung und voll-endeter gefährlicher Körperverletzung für schuldig.Nach Überzeugung des Gerichts wussten die Täter,dass damals ein Angestellter des Imbissbesitzersregelmäßig in dem Gebäude übernachtete. DieRichter hatten entschieden, die drei Männer nachErwachsenenstrafrecht zu verurteilen, obwohl siezum Tatzeitpunkt noch Heranwachsende waren. DieAngeklagten hätten allesamt eine „verfestigte Welt-anschauung“, so dass hier keine „Nachreifung“ zuerwarten sei, lautete die Begründung. Alle drei Täterwaren bereits einschlägig vorbestraft; einer wegeneines früheren Anschlages auf den gleichen Imbiss:Er hatte bereits im Oktober 2000 mit einem schwe-ren Stein das Schaufenster des Imbiss-Restaurantszertrümmert und war dafür zu gemeinnütziger Arbeitverurteilt worden.

möglichkeit. Dort übernachtete er bzw. ein Mitarbei-ter regelmäßig aus Angst vor Diebstählen, da in denJahren zuvor mehrmals in den Container eingebro-chen worden war. Außerdem waren immer wiederausländerfeindliche Schmierereien an seinem Imbissangebracht worden. Auch ein Hakenkreuz sei dar-unter gewesen, was er bei der Polizei gemeldethabe.

Kurzlebige Solidarisierung

Am Morgen nach dem Brandanschlag besuchte derehrenamtlich tätige Bürgermeister von C mit einerGruppe von städtischen Beschäftigten und enga-gierten Bürgern das Imbiss-Bistro, um „Hilfe anzu-bieten und die Solidarität der Einwohnerschaft mitdem Tatopfer zu bekunden“. Zudem kamen Anwoh-ner vorbei und erkundigten sich nach dem Stand derDinge. Auf Anregung des Bürgermeisters wurde imstädtischen Gemeinderat eine Resolution einge-bracht, die sich eindeutig von diesem Vorfall distan-zierte. Allerdings war die Initiative öffentlicher undkommunaler Solidarisierung mit dem Opfer kurzle-big und nach außen hin wenig sichtbar.

Das Bistro war über den Vermieter des Gebäudesgegen den entstandenen Schaden versichert, sodass Herr K. keine direkten finanziellen Verluste erlitt.Der Brandanschlag hat jedoch für den Betreibernach eigenen Aussagen die Unsicherheiten ver-stärkt, ob er weiterhin in C seinen Gastronomiebe-trieb aufrechterhalten kann und will. Das Schock-erlebnis führte bei Herrn K. nicht zuletzt zu einemMotivationsverlust: „Oft habe ich keine Lust mehr, inmeinen Laden zu fahren und zu arbeiten.“ Versuche,das Ladenlokal zu verkaufen, sind bisher gescheitert.Herr K. vermutet auch hier Zusammenhänge mitdem Anschlag, da potenzielle Käufer wüssten, waspassiert ist, und aus diesem Grund nicht kaufenwollten. Auch kämen die lokalen Stammgäste sel-tener, weil das Bistro in der Kleinstadt nun den Rufeines gefährlichen Ortes habe.

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Interview mit Herrn K.

„Wer will schon ein Bistro kaufen, aufdas ein Brandanschlag verübt wurde?"

Seit wann sind Sie mit Ihrem Imbiss in die-sem Ort?Ich bin hier seit Ende 1994. Am Anfanghatte ich vor einer Kaufhalle einen Con-tainer. Den hatte ich damals von einemBekannten übernommen. Das lief ganzgut. Ich hatte auch nicht viele Probleme.Ein paar Mal wurde eingebrochen, und esgab ein paar Schmierereien.

Was waren das für Schmierereien?Ja, die waren schon von Rechten – Haken-kreuze und so. Das hat mich aber nichtweiter gestört. Ich konnte dann 1997 indie Kaufhalle umziehen. Da habe ichdann viel investiert und einiges umgebaut.Das ist jetzt ein richtiges Bistro mit einergroßen Theke und Tischen und Stühlen.Man kann da sitzen und fernsehen. Danngab es wieder Vorfälle, wieder Haken-kreuze an der Scheibe. Das habe ich dannauch der Polizei gemeldet. Das war 2000und 2001 und auch im letzten Jahr.

Gab es noch andere Probleme?Ja, es gibt hier im Ort ein paar rechteJugendliche. Die haben ab und zu bei mir

eingekauft. Wenn sie betrunken waren,haben sie mich und auch andere Gästebelästigt. Ich habe sie dann rausge-schmissen und Hausverbot erteilt. Abersonst war alles ruhig. Außer einmal, vorzwei Jahren: Da wurde eine Scheibe miteinem Stein eingeworfen. Und einmal anSilvester, im letzten Jahr, da warenJugendliche da, und ich hatte Angst, dasssie mein Auto anstecken. Ich habe siedann verjagt.

Ein Freund von Ihnen hat im Bistrogeschlafen, als der Brandsatz geworfenwurde. War das Zufall?Nein, es hat hier immer jemand geschla-fen. Ich habe viel investiert und hatteAngst, dass eingebrochen wird. In derbetreffenden Nacht rief mich mein Freundan und sagte, dass jemand einen Brand-satz durch die Scheibe geworfen hat under alles löschen konnte. Ich bin sofort hin-gefahren. Ich war total schockiert, dannhabe ich die Polizei gerufen. Die habenalles untersucht und am nächsten Tag dreijunge Männer verhaftet. Einem von ihnenhatte ich Hausverbot erteilt.

Was ist dann passiert? Hat sich jemandum Sie gekümmert?Ja, am nächsten Tag kamen Schulkindermit ihrer Lehrerin und einem Blumen-strauß. Das hat mich sehr gerührt; ichmusste weinen. Dann war auch viel Pres-se da. Und dann kam noch der Bürger-meister mit anderen Leuten aus dem Rat-haus. Zum Teil habe ich die gekannt vonden Ämtern. Sie haben sich entschuldigtund mir Hilfe angeboten. Ich habe michbedankt und gesagt, dass es mich freut,dass sie nach zehn Jahren mal bei mir vor-beikommen.

Was haben Sie jetzt vor?Wissen Sie, ich habe keine Lust mehr hierzu arbeiten. Wenn einem so etwas passiertist, dann mag man nicht mehr. Außerdemläuft das Geschäft jetzt schlechter. Ichhabe das Gefühl, die Leute meiden meinBistro. Ich möchte verkaufen, aber das istschwer. Denn wer will schon ein Bistrokaufen, auf das ein Brandanschlag verübtwurde?

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Wie viele Imbisse in Brandenburg von auslän-dischen Betreibern geführt werden, darüberliegen keine genauen Zahlen vor. Keine Behör-de erhebt sie. Lediglich die Daten der Bran-denburger Veterinär- und Lebensmittelüber-wachungsämter erlauben zumindest eineAnnäherung an die realen Zahlen. So enthältbeispielsweise das entsprechende Verzeichnisdes Landkreises Prignitz bei insgesamt 70Imbissen 26 Einträge, die Betreiber mit Migra-tionshintergrund vermuten lassen. Im LandkreisOstprignitz-Ruppin stehen 33 Imbisse vonBetreibern mit angenommenem Migrationshin-tergrund 100 „deutschen“ Betrieben gegen-über. Und im Landkreis Potsdam-Mittelmarkwerden vom dort zuständigen Amt für Land-wirtschaft und Verbraucherschutz 34 Imbisseausländischer Betreiber aufgeführt. Zumindestfür diese drei Landkreise lässt sich also sagen,dass etwa ein Drittel aller gemeldeten Imbiss-betriebe von Betreibern mit Migrationshinter-grund geführt werden.

Zum überwiegenden Teil handelt es sich beiden ausländischen Imbissen in Brandenburg

um Döner-Imbisse oder um Imbisse mit einemasiatischen Angebot. Viele Betreiber von Asia-Imbissen stammen ursprünglich aus Vietnamund waren als Vertragsarbeiter in die DDRgekommen. Bei den türkischen oder kurdi-schen Betreibern stößt man auf sehr unter-schiedliche Biografien. Ein großer Teil vonihnen war früher in Westberliner Fabriken undMontagezentren beschäftigt und ist in denneunziger Jahren arbeitslos geworden. In die-ser Situation bot die Eröffnung eines Imbissesim brandenburgischen Umland von Berlin dieMöglichkeit einer Existenzgründung.

Das Schicksalin die eigene Hand genommen

Ein Imbissbetrieb kann höchst unterschiedlichaussehen. Die Imbissbude als einfachste Formähnelt meist einem Campingwagen und ist im Prinzip ein mobiler Verkaufsstand. Danebengibt es aber auch Imbiss-Container undImbiss-Bistros. Container sind feststehende,ausgebaute Verkaufsstände, meist aus Metall.

Das Imbissgeschäft in gefährlicher Umgebung

Einen Döner- oder Asia-Imbiss in Brandenburg zu betreiben kann ein hohes

persönliches und ökonomisches Risiko bedeuten. Die Betreiber und ihre

Angestellten finden sich oft in einer Umgebung wieder, in der Menschen mit

Migrationshintergrund ansonsten so gut wie nicht in Erscheinung treten.

Unternehmungen mit hohemRisiko

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Ein Imbiss-Bistro wiederum zeichnet sich dadurchaus, dass es in einem Gebäude untergebracht ist.Hier ist der Übergang zu einem Restaurant fließend.Häufig sind die Imbissbetreibenden dynamischeUnternehmer; viele von ihnen bauen beständig anihrem Betrieb mit dem Ziel, irgendwann ein eigenesRestaurant eröffnen zu können.

Die Standorte von Imbissbuden und Containern sindabhängig von der kommunalen Genehmigungs-und Zuweisungspraxis und von Sondernutzungsrech-ten im öffentlichen Raum. Wo ein Imbisswagen oder-Container aufgestellt werden kann, hängt vonunterschiedlichen Faktoren ab. Oft befinden sichImbissbuden und -Container vor Einkaufszentren inGewerbegebieten und am Stadtrand, weil dieseStandorte für die Betreiber wegen des Publikumsver-kehrs in den Geschäftszeiten als wirtschaftlich gutgelten. Damit ist allerdings das Problem verbunden,dass nach Geschäftsschluss der Einkaufszentren diePlätze in der Regel völlig unbelebt und die Imbissedann ungeschützt sind. Ähnlich ist die Situation auchauf Bahnhofsvorplätzen.

Unternehmen mit hohem persönlichen Einsatz

Obwohl sich kaum verallgemeinerbare Aussagenzum ökonomischen und finanziellen Hintergrund derBetreiber machen lassen, scheint die Mehrzahl derBetriebe mit einem geringen Grundkapital ausge-stattet zu sein. Meist handelt es sich um Unterneh-men, die von einer Person, die ein oder zwei Ange-stellte beschäftigt, mit hohem finanziellen Risikogeführt werden. Vor allem vietnamesischen Ge-schäftsleuten wird ein erhebliches Maß an „unter-nehmerischem Einsatz bei bescheidenen Lebensver-hältnissen“ und „sehr geringem“ Anfangskapitalattestiert. Da die Betriebe oft lange geöffnet haben,ist die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden häufigimmens. Gleichzeitig muss der Einkauf organisiertwerden. Aus Kostengründen werden die meisten Pro-dukte in Großmärkten im Umland Berlins gekauft.

Bei einer Ausländerquote von unter einem Prozent inden meisten brandenburgischen Städten undGemeinden sind zugewanderte Imbissbetreiber oftdie einzigen sichtbaren „Ausländer“ vor Ort. ImGegensatz zu ihren Berufskollegen mit Migrations-hintergrund in großen Städten, die in der Regel aufein funktionierendes Netzwerk gegenseitiger Unter-stützung bauen können, stehen diese Imbissbetrei-ber in den meisten Kommunen Brandenburgs oft-mals allein da. Sozial und ökonomisch fehlt ihnenjede Anbindung an den Ort. Im Ergebnis beschränktsich ihr Kontakt zur Bevölkerung in der Regel auf ihreKundschaft. Vielfach beklagt wird die Feindschaft,

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mit der sie im Alltag konfrontiert sind. Zwar wird ihreDienstleistung oft in Anspruch genommen, undDöner und Asia-Pfanne gehören mittlerweile zumlokalen Speisezettel. Gleichzeitig werden die auslän-dischen Gastronomen jedoch häufig fremdenfeindlichoder rassistisch beurteilt und abgewertet, so dass siesich vielfach in einer feindlichen Umgebung fühlen.Die durch die Mehrheitsgesellschaft erfahreneZurückweisung führt bei den Imbissbetreibern zu ent-sprechenden Konsequenzen. So betonte ein Geschäfts-mann im Gespräch, dass er auf Grund der wieder-holten schlechten Erfahrungen selbst kein Interessemehr an Kontakten zur lokalen Bevölkerung habe.

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Die Ergebnisse der Studie basieren unter ande-rem auf 29 Interviews mit ausländischenImbissbetreibern und/oder ihren Angestellten.14 der Befragten berichteten über Erfahrungenmit unterschiedlichen Formen fremdenfeindlichoder rassistisch motivierter Gewalt. Dazu zähl-ten Bedrohungen, Nötigungen, Beleidigungen,das Beschmieren des Wagens mit Hakenkreu-zen und anderen Parolen, bis hin zu Brandstif-tungen und Angriffen auf Personen. Zehn derBetroffenen berichteten von Auseinanderset-zungen mit Personen, die erkennbar neonazis-tischen Gruppierungen oder der rechtenJugendszene angehörten. Bis auf drei Angriffeauf Personen ereigneten sich alle Taten nachLadenschluss, in Abwesenheit der Betreiberoder der Angestellten.

Gleichwohl konnte die überwiegende Mehr-zahl der Betroffenen den Taten konkrete Hinter-gründe und teilweise Personen zuordnen. Soberichtete beispielsweise ein Betreiber voneinem nächtlichen Einbruch in seinen Imbiss,bei dem er bestohlen worden war. Zuvor hatteer einen Gast, der ihn rassistisch beleidigt hat-

te, aus dem Bistro geworfen. Ihm sei klar gewe-sen, dass es sich bei dem nächtlichen Einbruchum eine Racheaktion jenes Gastes gehandelthabe. Die Polizei konnte die Tat später auchdiesem Gast nachweisen.

Konflikte gibt es auch in „deutschen“ Kneipenund Imbissen. Anders als bei diesen Streite-reien sind die Auseinandersetzungen bei aus-ländischen Imbissen oft fremdenfeindlich undrassistisch unterlegt. In Verbindung mit rechts-extremen Symbolen und Parolen entsteht indiesen Fällen ein Bedrohungspotenzial, dassowohl den Gästen als auch den Betreibernbewusst ist – selbst wenn sich in vielen Gesprä-chen der Eindruck aufdrängt, dass die Opfervon Beleidigungen, Sachbeschädigungen oderAngriffen nur eine undeutliche Vorstellungdavon haben, mit wem bzw. was sie konfron-tiert sind. Oft wurden in den GesprächenSchlussfolgerung gezogen wie: „Die mögenhalt keine Ausländer“, oder es wurde einfachUnverständnis darüber geäußert, dass die Leu-te so unfreundlich seien, obwohl man sichihnen gegenüber ganz normal verhielt.

Wie sich Imbissbetreiber in einer oftmals feindlichenUmwelt bewegen

Die Herausgeber der vorliegenden Broschüre gaben im Juni 2004 eine

Kurzstudie in Auftrag, um mehr über die Hintergründe der Anschläge

gegen Imbisse in Brandenburg zu erfahren. Wir präsentieren an dieser

Stelle einige Ergebnisse der Studie, in denen deutlich wird, wie die Betrof-

fenen ihre Umwelt wahrnehmen und darauf reagieren.*

Allein in Brandenburg

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Auswirkungen auf die Opfer

Wie auch bei anderen Opfern von Gewalttaten führtdie erfahrene Ablehnung und Gewalt bei denbetroffenen Imbissbetreibern oder ihren Angestelltenhäufig zu einem grundsätzlichen Vertrauensverlust indie soziale Umgebung. Dazu kommt ein Gefühl derOhnmacht, da die Betroffenen ahnen, dass sie dieHandlungen der Täter kaum beeinflussen können.Vor diesem Hintergrund verstehen viele im Wortsinn„die Welt“ nicht mehr: „Wir sind die schlechten Men-schen. Das verstehe ich nicht! Wir bezahlen Steuernfür die, wir arbeiten für Deutschland, wir leben hiergenau wie ihr, und trotzdem sind wir noch immerschlecht. Ich verstehe nicht, warum!“ Andere versu-chen, vor dem Hintergrund ihrer Lebenserfahrungeine Erklärungen für das aggressive und rassistischeVerhalten ihrer Gäste zu finden: „Ich glaube, dasliegt am Neid, oder sie haben etwas von Ausländerngehört, die hier herkommen und die Arbeit wegnehmen.“

Alltagsstrategien: Harmonisierung undBeschwichtigung

Imbisswagen oder -Container verfügen in aller Regelüber keinen Rückzugsraum. Damit sind die dortBeschäftigten Beleidigungen, Demütigungen oderAngriffen unmittelbar ausgeliefert. Kurzfristig könnensie sich einer anhaltenden Bedrohungssituation nurdurch Verlassen des Imbisses entziehen, langfristignur durch die Aufgabe des Betriebes. Diese Mög-lichkeit ist den meisten Imbissbetreibern und ihrenAngestellten jedoch nicht gegeben, da sie durch ihreökonomische Abhängigkeit – sei es als Besitzer oderals Angestellter – an den Ort des Geschehensgebunden sind.

„Ich kann schon mit denen umgehen. Du darfst nichtschlagen, sondern musst reden. Es braucht aberZeit, bis das klappt.“ Die wohl häufigste Strategievieler Imbissbetreiber und ihrer Angestellten zur Ver-hinderung möglicher Gewalttaten sind Harmonisie-

Alltagsstrategie: Gegenwehr

„Dann haben wir ein paar Türken zusammengeholtund die verhauen. Das musst du machen, sonst hastdu morgen alle Scheiben kaputt. Im Ort gibt es zweibis drei Nazis, aber die sagen nichts, weil es hier vie-le Türken und Kurden gibt. Das Kräfteverhältnis isteinfach anders.“ Einige der Betroffenen berichtetenvon der Notwendigkeit einer deutlichen Gegenwehrgegenüber rechtsextremen Jugendlichen und ande-ren Angreifern. Das Aktionsspektrum reicht vonWache halten, um potenzielle Angreifer oder Diebeauf frischer Tat zu erwischen, über das Drohen mitWerkzeugen des alltäglichen Gebrauches im Imbiss-budenbetrieb (Messer, Schleifstahl) bis hin zur Instal-lation einer Videokamera in einem Asia-Bistro, dasmehrfach bedroht worden war. Ein türkischer Wirteines Bistros meinte hinsichtlich des Umganges mitden oft alkoholisierten Gästen: Man müsse es ver-stehen, „die Leute zu nehmen“, dann gebe es keineProbleme. Wenn doch, dann würde er sich wehren,und zwar sofort, um sich wieder Autorität zu ver-schaffen: „Du hast nur dann deine Ruhe, wenn dieLeute Angst vor dir haben.“

Als eine andere Form von Gegenwehr kann auchdas bloße Dableiben, das Sich-nicht-vertreiben-Lassen angesehen werden: Zwei Imbissbetreiber, dieBrandanschläge erlebt hatten und denen keinerleiUnterstützung aus der Bevölkerung oder von Institu-tionen zuteil geworden war, interpretierten ihren blo-ßen Verbleib in der Stadt als Form des Widerstandsin einer feindlichen Umgebung. So bezeichneteeiner der beiden ein mögliches Weggehen als eineNiederlage. Der andere sah sich gar als Gewinner,denn er habe es trotz zweier Brandanschläge unddiverser Sachbeschädigungen geschafft, sich „hiernicht vertreiben zu lassen“.

Wie die Untersuchung gezeigt hat, gehen die Imbiss-betreiber mit Migrationshintergrund in Brandenburgdavon aus, dass es die Aufgabe der Polizei sei, sie

rungs- und Beschwichtigungsversuche. Dies setztallerdings die Fähigkeit voraus, sich durch Diskrimi-nierungen, Beleidigungen und Demütigungen nichtprovozieren zu lassen. Oder in den Worten einesImbissbetreibers: „Wenn ich alle Sprüche ernst neh-men würde, würde ich verrückt.“

Bei dieser Strategie scheint der Übergang zu einerSituation, in der die Imbissbetreiber und derenAngestellte praktisch erpresst werden, fließend zusein: „Es gibt hier viele Glatzköpfe, und das kannböse enden; deshalb, wenn die irgendwie das Essenund Trinken nicht bezahlen, dann drücke ich dieAugen zu und lasse sie gehen.“

Zum Teil wurde in den Interviews auch von überra-schenden Verbindungen berichtet, die den ausländi-schen Imbissen eine gewisse Sicherheit geben. Soberichtete ein Imbissbetreiber, dass seinem Vorgän-ger von Neonazis immer wieder die Scheiben einge-worfen worden seien. Er und seine Familie hättenjedoch gute Freunde im Ort, und diese seien wiede-rum mit den „Nazis“ befreundet. Dies sei der Grund,weshalb ihm bislang nichts passiert sei.

Alltagsstrategien: Zurückhaltung, Tarnung

Eine spezielle Variante stellt die Tarnung des persön-lichen oder geschäftlichen Hintergrundes dar. Soerzählten Geschäftsleute mit türkischem Migrations-hintergrund, sie hätten erst wirtschaftlichen Erfolg,seitdem sie sich als Italiener ausgegeben hätten. Siewürden nun nicht mehr beleidigt und beschimpft,und die Fassaden würden nicht mehr mit neonazisti-schen Zeichen beschmiert. Auch wurde davonberichtet, dass Gespräche in der Muttersprache aufder Straße vermieden oder sehr leise geführt wür-den, um nicht aufzufallen. Ein Döner-Lieferantberichtete, dass aus Angst vor fremdenfeindlichenÜbergriffen auf die üblichen Firmenlogos und -auf-schriften verzichtet würde. Die Lieferwagen seien inden letzten Jahren verstärkt beschädigt worden.

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vor Rechten zu schützen. Gleichzeitig scheint esjedoch viele schlechte Erfahrungen mit Polizeibeam-ten gegeben zu haben. Diese wurden zum Teil selbsterlebt, zum Teil vom Hörensagen bekannt. Insge-samt scheint eine negative Erwartungshaltunggegenüber Polizeibeamten vorzuherrschen, nachdem Motto: „Die glauben mir ja doch nicht.“Besonders nachhaltig wirkten offensichtlich Erfah-rungen mit Interesselosigkeit und nicht gewährtemSchutz durch die Polizei: „Die Polizei kommt, hörtkurz zu und geht weg.“

Erfahrungen mit der Polizei

Dabei spielt es für die Betroffenen keine Rolle, ob dieBeamten im Einklang mit geltendem Recht handeln,eventuell tatsächlich nichts unternehmen könnenoder ob ihnen der Schutz unrechtmäßig verweigertwird. In vielen Fällen hatten die Betroffenen den Ein-druck, von ihnen gestellte Anzeigen seien nicht ver-folgt worden. Auch wenn diese Aussagen nicht aufihren Wahrheitsgehalt überprüft werden können, sobleibt doch festzuhalten, dass die Polizei die Betrof-fenen, die sich sehr unter Druck fühlten, nicht genü-gend informierte.

Es ist auch aus anderen Bereichen bekannt, dass esfür Menschen, die sich bedroht fühlen oder die zuOpfern von Gewalttaten geworden sind, von größterBedeutung ist, dass die Polizei und auch anderestaatliche Behörden einen sensiblen Umgang mitihnen pflegen. Deswegen sollte man sich von staat-licher Seite darum bemühen, sich in die Lage derOpfer hineinzuversetzen, und in jedem Fall – das istdie Mindestanforderung – Opfer und potenzielleOpfer über die Handlungen, die zu ihrem Schutzdurchgeführt werden, ausreichend zu informieren.

* Die Studie „Fremdenfeindliche und rechtsextreme Übergriffeauf Imbissbuden im Land Brandenburg“ ist abrufbar unter: www.opferperspektive.de, www.aktionsbuendnis.brandenburg.de

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Die Täter sind den Imbissbetreibern in den meistenFällen bekannt

Imbissbetreiber mit Migrationshintergrund in Brandenburg sind oft mit

Kunden konfrontiert, von denen sie auf Grund ihrer Herkunft abgelehnt

werden. Unter Alkoholeinfluss tritt diese Ablehnung meist deutlicher zu

Tage. Zwar sind alkoholisierte Gäste für alle gastronomischen Betriebe

eine Belastung, doch in diesen Fällen begünstigt die enthemmende Wir-

kung von Alkohol häufig auch fremdenfeindliche und rassistische Ausbrüche.

Kundenbeziehungen der besonderen Art

Menschen werden zu Opfern rechtsextremerSchläger, weil sie von den Tätern zu einerbestimmten, von ihnen abgelehnten Gruppegerechnet werden. Die zentralen Ursachen fürdiese Gewalttaten liegen in den meisten Fällennicht in einem Interessenkonflikt zwischenGruppen, in einer persönlichen Konfliktsitua-tion oder in einer vorausgegangenen Provoka-tion durch die Opfer begründet, sondern alleinim Willen der Aggressoren, ihre Macht, ihreAblehnung und ihren Hass gegenüber Perso-nen zu demonstrieren, sofern sie von ihnenbestimmten gesellschaftlichen, politischenoder ethnischen „Feindgruppen“ zugeordnetwerden. Die Opfer sind in der Mehrzahl derFälle für die Täter anonyme Personen. DiesesBild wird durch die Erfahrungen der in allenneuen Bundesländern tätigen Beratungsstellenfür Opfer rechtsextremer Straf- und Gewaltta-ten bestätigt.

Rache als Tatmotiv, Kunden als Täter

Umso interessanter ist es, dass sich bei Angrif-fen gegen Imbisse, ihre Betreiber und Ange-stellten ein anderes Bild zeigt: Es gibt erstaun-lich viele Fälle, in denen die Betroffenen denTätern bekannt waren. Dies gilt auch in dendrei Fallbeispielen, die in dieser Broschüre vor-gestellt wurden. So erzählte eine der Täterin-nen in der Gerichtsverhandlung im ersten Fall,sie habe einmal „beim Türken“ gesessen undsich „angemacht“ gefühlt. Im zweiten Fallbei-spiel war ein verhafteter Täter vorher durchBeleidigungen aufgefallen. Und im dritten Fallwaren dem Betreiber die Täter gut bekannt. Siehatten schon einmal mit einem Stein eineScheibe eingeworfen, waren aber auch Gästeim Bistro, das sie später abbrennen wollten.Ähnlich verhielt es sich auch bei einem Brand-anschlag in Hennigsdorf bei Berlin. Im Sep-

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tember 2003 hatte ein bekennender Neonazi ver-sucht, ein mit sechs Personen besetztes Bistro mitzwei Brandflaschen in Flammen zu setzen. Er hattezuvor eine handgreifliche Auseinandersetzung mitdem Besitzer des Bistros und war dabei unterlegen.Die Clique der Rechten, der sich der Angreiferzurechnete, kaufte in dem Bistro regelmäßig Bierund andere Getränke.

Ausgangspunkt von Gewalttaten sind in vielen Fäl-len Konflikte zwischen den Imbissbetreibern oderihren Angestellten und den späteren Tätern, die sichbeispielsweise schlecht behandelt fühlten, weil siemeinten, nicht oder nur ungenügend bedient wor-den zu sein, oder im Laufe eines Konflikts – oft mitfremdenfeindlichem Hintergrund – gar hinausge-worfen worden waren. Nicht das Gefühl, schlechtoder ungerecht behandelt worden zu sein, scheintdann jedoch den Racheakt zu motivieren. Die Moti-vation scheint vielmehr der Tatsache geschuldet zusein, dass die als schlecht erfahrene Behandlung voneinem Ausländer ausging, also von einem Men-schen, dem diese Form der Machtausübung nichtzugestanden wird.

Dieser fremdenfeindliche bzw. rassistische Gehaltder Taten wird von den Opfern durchaus wahrge-nommen. Es ist ihnen bewusst, dass ihre Autorität alsGewerbetreibende und ihr Hausrecht auf Grundihrer Herkunft nicht anerkannt werden.

Bedrohungen sind alltäglich

Es bleibt festzuhalten, dass es sich bei der Mehrzahlder Täter um Kunden der Imbissbetriebe handelte.Auch in den Fällen, in denen dies nicht nachgewie-sen werden konnte, glauben die meisten der Betrei-ber und ihrer Angestellten die Täter zu kennen.Bedrohungssituationen scheinen zum Alltags-geschäft der Imbissbetreiber und ihrer Angestelltenzu gehören. Ihr Umgang mit der alltäglichen Bedro-hung, der meist durch Harmonisierung und Be-

schwichtigung gekennzeichnet ist, unterstreicht ihreäußerst ambivalente Situation. Sie haben es in ihremAlltag immer wieder mit potenziell gewalttätigen undfremdenfeindlichen Kunden zu tun, mit denen sie einArrangement finden müssen, wollen sie sie nicht ver-lieren. Die ökonomische Abhängigkeit der Imbissbe-treiber – besonders auch von diesen Kunden –gepaart mit ihrer Immobilität führt zu einer Schwä-chung ihrer Möglichkeiten zur Auseinandersetzung.

Soziale Isolation begünstigt Gewalt

Gleichzeitig ist ein deutlicher Zusammenhang zwi-schen rassistischen bzw. rechten Gewalttaten einzel-ner Täter oder Tätergruppen und der schwachensozialen Position der Opfer zu erkennen, die durchmangelnde gesellschaftliche Anerkennung und feh-lende Unterstützung gekennzeichnet ist. Erhärtet wirddieser Zusammenhang durch die Tatsache, dass inder Regel diejenigen Imbissbetreiber, die sich durchdie ein oder andere Form der Selbstverteidigung„Ruhe“ verschaffen konnten, in Orten leben, indenen es „viele“ Türken, Kurden oder Vietnamesengibt, die zusammen ein soziales Gegengewicht bilden können.

Im Gegensatz zu ausländischen Imbissbetreibern ingroßen Städten, die in der Regel auf ein funktionie-rendes Netzwerk gegenseitiger Unterstützung bauenkönnen, stehen ausländische Imbissbetreiber in denmeisten Kommunen Brandenburgs oftmals allein da.Welche Bedeutung das Verhalten des weiteren sozi-alen Umfeldes haben kann, verdeutlichte ein Be-treiber in seinem Bericht über die Erfahrungen ineiner Stadt, die eine große gewaltbereite rechte Sze-ne hat. Zwar sei er privat schon angegriffen worden,allerdings sei seinem Imbisswagen nie etwas pas-siert, und auch bei der Arbeit habe er immer Ruhe,weil er mit seinem Imbiss auf dem Gelände einesHauses stehe, in dem alternative Jugendliche woh-nen, die sozusagen als „Schutzmacht“ respektiertwerden.

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Interview mit Rechtsanwalt Klaus Piegeler überGrenzen und Möglichkeiten einer Zivilklage

Welche juristischen Möglichkeiten bestehen für geschädigte Imbissbetrei-

ber? Wurden sie bei einem Angriff verletzt, so können sie als Nebenkläger

im Strafverfahren gegen die Täter auftreten und sich durch einen Anwalt

vertreten lassen. Dies ist aus mehreren Gründen angeraten. So werden sie

über den Stand der Ermittlungen informiert, erhalten über ihren Anwalt

Akteneinsicht und werden rechtzeitig über die Terminierung des Strafpro-

zesses in Kenntnis gesetzt. Darüber hinaus können sie als Nebenkläger

ihre eigenen Interessen in das Verfahren einbringen und sind nicht auf die

Zeugenrolle reduziert. Sollte bei dem Angriff auch Sachschaden entstan-

den sein, könnte in diesem Fall die Forderung nach Schadensersatz und

Wiedergutmachung auch in einem so genannten Adhäsionsverfahren im

Rahmen des Strafprozesses verhandelt werden. Kam es bei dem Angriff

nur zu Sachschäden, so bleibt dem Betroffenen nur der Weg, auf zivil-

rechtlichem Weg mittels Zivilklage gegen die Täter vorzugehen. Was zu

beachten ist und welche Erfolgsaussichten bestehen, darüber gibt in fol-

gendem Interview der Berliner Rechtsanwalt Klaus Piegeler Auskunft.

„In der Praxis wird man in vielen Fällen von einer Zivilklage abraten."

Für Opfer rechter Gewalttaten besteht die Möglich-keit, über den Härtefall-Fonds für Opfer rechterGewalt bei der Bundesanwaltschaft Entschädigungzu erhalten. Können sich hierhin auch geschädigteImbissbetreiber wenden?Der Fonds der Bundesanwaltschaft ist beschränkt aufKörperschäden. Da die Imbisse in der Regel nachtsangegriffen werden, ohne dass es – glücklicher-weise, muss man sagen – zu Verletzungen der Inha-ber oder anderer Personen kommt, greift dieserFonds in den meisten Fällen nicht. Den Betroffenenbleibt deshalb nur, zivilrechtlich eine Klage auf Scha-

densersatz zu erheben. Leider gibt es in diesen Fäl-len keine unbürokratische Hilfe für die Opfer.Schnelle Hilfe könnte lediglich durch die öffentlicheHand im Wege der Opferentschädigung geleistetwerden oder durch private Initiativen, die Spenden-gelder zur Verfügung stellen – auf dem Gerichtswegist eine kurzfristige Hilfe jedenfalls nicht zu erreichen.

Gibt es Fonds der öffentlichen Hand, die in solchenFällen in Anspruch genommen werden können?Bislang nicht. Angesichts des Ausmaßes dieserAnschläge und ihres rechten Hintergrunds wäre die

Einrichtung eines solches Fonds aber sicherlich sinn-voll.

Was sind die Voraussetzungen für eine Zivilklage?Was muss ein Geschädigter hierbei beachten? Müs-sen zum Beispiel die Täter bereits verurteilt sein?Nein, die Täter müssen nicht verurteilt sein. Straf-und Zivilverfahren sind zwei völlig voneinandergetrennte Verfahren. Dennoch steht üblicherweisedas Strafverfahren am Anfang. Solange die Täternoch nicht verurteilt sind, wird man in der Regel miteiner zivilrechtlichen Klage warten, da man im Zivil-

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prozess die Verursachung der Tat durch einzelneTäter nachweisen muss.

Was beinhaltet eine Zivilklage?Mit der Zivilklage wird Schadensersatz und, soweites zu Verletzungen gekommen ist, auch Schmer-zensgeld geltend gemacht. Neben der Tatverursa-chung durch die konkret benannten Personen mussdas Opfer die Höhe seines entstandenen Schadensnachweisen. Hier fangen die ersten Probleme an,denn es gibt keine allgemein gültigen Formeln zurBerechnung der Schadenshöhe. Ohne die Hinzuzie-hung eines Sachverständigen kommt man deshalbin der Regel nicht weiter. Auch wenn es keine forma-le Verpflichtung ist, wird man in der Praxis durchRechnungen, Quittungen und andere Kaufbelegenachweisen müssen, welchen Schaden man erlittenhat. In einem zweiten Schritt wird dann aus demNeuwert der Zeitwert ermittelt. Das Gericht wird die-se Berechnungen dann überprüfen und möglicher-weise durch eine gerichtseigene Rechnung ersetzen.Man kann auch ohne solche Unterlagen eine Klageeinreichen. Dann muss aber durch einen Sachver-ständigen anhand einer Begehung und Schätzungdie Schadenshöhe ermittelt werden.

Wer trägt die Kosten für solche Gutachten?Die Gutachtenkosten muss man selbst verauslagen.Soweit sie erforderlich waren, um den Schaden zubeziffern, kann man sie später mit einklagen. Wirkennen das aus dem Verkehrsrecht. Hier ist es üblichgeworden, einen Unfall zunächst einmal gutachter-lich untersuchen zu lassen. Dieses Procedere ist imVerkehrsrecht relativ unproblematisch, weil es durchdie Versicherung gedeckt ist. Wo es keine Versiche-rung gibt, die die Kosten übernimmt, ist das aber eingrößeres Problem, weil man am Ende einer erfol-greichen Zivilklage lediglich einen Titel gegen die

für den Schaden aufzukommen als ein zivilrecht-licher Titel.

Mit welchen Gerichtskosten ist bei einer Zivilklage zurechnen?Grundsätzlich gibt es auch für Gewerbetreibendedie Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu erhalten.Allerdings ist die Einkommensermittlung bei Selb-ständigen schwierig, zumal viele Imbissbetreiberüber keine regelmäßigen Buchführungsunterlagenverfügen. Die Gerichte verlangen in aller Regelaktuelle Steuerbescheide und unter Umständenauch noch aktuellere betriebswirtschaftliche Auswer-tungen, die zumeist nicht vorliegen und erst erstelltwerden müssen.

Die Gerichtskosten richten sich nach dem Streit-wert. Bei einer Schadenssumme von 1.000 Euro istdas ein Betrag von 165 Euro. Bei 5.000 Euro liegtder Betrag schon bei 363 Euro. Bei einem Streitwertvon 10.000 Euro sind es dann schon 588 Euro. Die-se Beträge müssen als Vorschuss bei Gericht einge-zahlt werden, damit die Klage überhaupt zugestelltwird. Lediglich wenn Prozesskostenhilfe bewilligt ist,ist man davon befreit.

Zu den Kosten kommen dann noch Anwaltskostensowie Gutachterkosten oder Zeugengebühren hin-zu, die derjenige als Vorschuss einzahlen muss, dereine bestimmte Tatsache zu beweisen hat. Das kannmöglicherweise auch der Prozessgegner sein, aberin der Regel wird es das Opfer sein, der seinen Scha-den und die Schadensverursachung beweisen muss.

Es scheint fast so, dass einem Opfer mit einer Zivil-klage nicht unbedingt geholfen ist?Das ist in vielen Fällen sicherlich richtig. Man hateine längere Verfahrensdauer in Kauf zu nehmen,man hat ein eigenes finanzielles Risiko, und man hat– selbst wenn man gewinnt – das Risiko der Vollstre-

Täter bekommt, von dem man nicht weiß, ob manihn jemals vollstrecken kann. Mit anderen Worten:Man läuft Gefahr, dass die Kosten des Gutachtersletztlich an einem hängen bleiben, man also deneigenen Schaden noch vergrößert, da von dem Täterdas Geld nicht zu bekommen ist. Das ist dasDilemma jeder Zivilklage.

Ist die Behandlung zivilrechtlicher Ansprüche auch imRahmen eines Strafverfahrens möglich?Das ist im so genannten Adhäsionsverfahren mög-lich. Das Adhäsionsverfahren bietet den Vorteil, dassdie Verursachung der Tat bereits feststeht, weil sieVoraussetzung des Strafausspruchs ist, und darausrelativ leicht die zivilrechtliche Verantwortlichkeit undHaftbarkeit der Täter gefolgert werden kann, aberansonsten gelten die gleichen Bedingungen wie imZivilverfahren.

Im Jugendstrafrecht ist das Adhäsionsverfahrenallerdings grundsätzlich ausgeschlossen, auch wennviele Täter in diesen Fällen Jugendliche sind.

Können Entschädigungszahlungen nicht auch alsBewährungsauflagen verhängt werden?Ja, das ist möglich. Es wird davon teilweise auchGebrauch gemacht – zumindest wenn es umSchmerzensgeld geht. Das ist eine Möglichkeit, diedie Strafrichter aus meiner Sicht im Sinne einerOpferentschädigung viel öfter in Betracht ziehensollten. Allerdings wird das in Fällen, wo es umSchadensersatz geht, keine wirkliche Lösung sein, dadie Richter auch hier den entstandenen Schadenüberprüfen müssten, um die Schadenssumme nichtwillkürlich festzusetzen. Man könnte jedoch darandenken, von einem Mindestbetrag auszugehen undihn mit einer Bewährungsauflage zu verbinden. Daswäre sinnvoll, denn eine solche Bewährungsauflageist für viele Täter eine wesentlich höhere Motivation

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ckung, ganz zu schweigen von dem allgemeinenProzessrisiko, dass man eventuell einen Nachweiszur Schadensverursachung oder zur Schadenshöhenicht führen kann und deshalb den Prozess verliert.In all diesen Fällen werden Kosten entstehen, dieman nicht ersetzt bekommt. Auch kann bei einer Ver-besserung der finanziellen Situation innerhalb vonfünf Jahren die Prozesskostenhilfe zurückgefordertwerden, und im schlimmsten Fall muss man auch dieGerichtskosten übernehmen, obwohl der Täter dafüraufkommen müsste, er aber dazu nicht in der Lage ist.

Besteht aus ihrer Sicht Handlungsbedarf, solchenBetroffenen jenseits der Zivilklage Hilfe zukommenzu lassen?Das ist meines Erachtens dringend notwendig.Durch zivilrechtliche Schadensersatzklagen ist denBetroffen nicht geholfen. Zwar gibt es ein Entschädi-gungsgesetz für Opfer von Gewalttaten, doch essollte dringend darüber nachgedacht werden, des-sen Regelungen auch auf Schadensersatzforderun-gen wie in den Fällen der Angriffe auf Imbisse aus-zudehnen, damit auch hier die öffentliche Handeintritt und Forderungen gegen die Täter durchsetzt.Man darf die Täter nicht ungeschoren davonkom-men lassen. Insofern ist es ganz allgemein sinnvoll,seine Ansprüche trotz aller Risiken zivilrechtlich zuverfolgen, um die Täter zu zwingen, den Schaden zukompensieren, aber – hier muss man realistisch sein– das kann das Opfer oftmals selbst nicht leisten. Inder Praxis wird man deshalb von einer Zivilklageabraten müssen, weil das Risiko zu hoch ist und diefinanziellen Mittel nicht zur Verfügung stehen. Unterdiesen Umständen wäre ein Einspringen der öffent-lichen Hand, die diese Ansprüche auch langfristigverfolgen und die Schadensregulierung vorfinanzie-ren kann, eine sinnvolle Lösung.

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2000

Meyenburg, 28.1.2000: Ein türkischer Imbisswurde mit Steinen angegriffen. Zwei Schaufens-terscheiben und die Eingangstür gingen zu Bruch.

Kyritz, 29.1.2000: Ein türkischer Imbisswagen wur-de durch einen Brandanschlag stark beschädigt.

Velten, 25.3.2000: Auf einen Asia-Imbiss wurdeein Brandanschlag verübt. Der 42-jährige vietna-mesische Besitzer konnte das Feuer rechtzeitiglöschen.

Wittstock, 1.4.2000: Die Schaufensterscheibeeines türkischen Restaurants wurde von einemfaustgroßen Granitstein zertrümmert und dieAußenscheibe eines Hongkong-Imbisses durchTritte beschädigt.

Guben, 21./22.4.2000: Die Fensterscheibeneines asiatischen Restaurants wurden mit Pflaster-steinen eingeworfen und das Lokal mit Haken-kreuzen beschmiert.

Eberswalde, 11.8.2000: Zwei Mitarbeiter einestürkischen Imbissstandes wurden von drei Deut-schen beleidigt und gewürgt.

Kyritz, 20.8.2000: Zwei 18 und 27 Jahre alteDeutsche demolierten einen Döner-Imbiss. Sierissen Preisschilder ab, warfen Stehtische um undbeleidigten den Inhaber „in übler volksverhetzen-der Art“, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte.

re alten Männern mit ausländerfeindlichen Paro-len beschimpft und bedroht.

Müncheberg, 1.6.2001: Der Betreiber eines China-Imbisses wurde von einem 45-jährigenbetrunkenen Deutschen rassistisch beschimpft.Dann demolierte der Mann den Imbiss. Es ent-stand ein Schaden von rund 1.000 DM.

Parstein, 27.7.2001: Ein türkischer Imbissbesitzerwurde von zehn Rechtsradikalen tätlich angegriffen.

Senftenberg, 15.9.2001: Zwei türkische Männerund ein Kurde wurden vor einem Döner-Imbissrassistisch beschimpft und geschlagen.

2002

Wittstock, 6.3.2002: Vermutlich rechtsradikaleTäter brachen in einen chinesischen Imbiss ein.Dabei wurde die Kasse beschädigt, 30 Euro undGetränke gestohlen und der Inhalt des Feuerlö-schers versprüht. Es entstand ein Sachschadenvon etwa 500 Euro.

Hennigsdorf, 10.3.2002: Der Besitzer und einAngestellter eines türkischen Imbisses wurdengeschlagen und das Mobiliar demoliert. Beidemussten ambulant behandelt werden.

Wittenberge, 21.4.2002: Auf einen Döner-Imbisswurde ein Brandanschlag verübt.

Perleberg, 30.4.2002: Ein Döner-Imbiss wurdedurch einen Brandanschlag vollständig zerstört.

Wittstock, 8./9.6.2002: Zwei Fensterscheibeneines türkischen Restaurants wurden mit faustgro-ßen Feldsteinen eingeworfen.

Lehnitz, 4.7.2002: Auf einen türkischen Imbisswurde von rechtsextremen Jugendlichen im Alter

Teltow, 9./10.9.2000: Unbekannte schütteten ineinem vietnamesischen Imbissstand Lebensmittelaus und beschmierten den Verkaufstresen miteinem Hakenkreuz und SS-Runen.

Frankfurt (Oder), 16./17.9.2000: Auf einen türki-schen Imbiss wurde ein Brandanschlag verübt.Das Bistro war zuvor mit Hakenkreuzen und derAufschrift „NSDAP“ beschmiert worden.

Stahnsdorf, 21.9.2000: Ein türkischer Döner-Stand wurde durch einen Brandanschlag vollstän-dig zerstört.

Klosterfelde, 22.9.2000: Ein kurdischer Imbiss-besitzer, der schon mehrfach von rechtsextremenJugendlichen bedroht worden war, wurde voneinem 15-Jährigen aufgefordert, eine Anzeigewegen Bedrohung, Sachbeschädigung und Belei-digung zurückzunehmen, da sonst ein „Molotow-Cocktail durch die Scheibe fliegen“ würde.

Bernau, 7.10.2000: Auf ein indisches Spezialitä-tenrestaurant wurde ein Anschlag verübt. Ein 19-jähriger Jugendlicher aus der rechten Szene solleine Fensterscheibe des Lokals eingeschlagenund mit einer Schreckschusspistole mehrereSchüsse in die Luft abgegeben haben.

Trebbin, 27./28.12.2000: Ein türkischer Imbiss-wagen wurde vermutlich von Rechtsextremen inBrand gesetzt.

2001

Königs Wusterhausen, 26.2.2001: Vier italieni-sche Mitarbeiter einer Pizzeria wurden von zwei33-jährigen Deutschen rassistisch beschimpft undmit einer Pistole bedroht.

Potsdam, 29./30.3.2001: Ein türkischer Wirtwurde in der Innenstadt von zwei 25 und 28 Jah-

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Chronologie

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von 17 und 19 Jahren ein Brandanschlag verübt.

Eisenhüttenstadt, 25.7.2002: Auf einen Döner-Imbissam Busbahnhof wurde ein Brandanschlag verübt.

Vetschau, 14./15.9.2002: Auf einen Döner-Imbiss wurde ein Brandanschlag verübt.

Perleberg, 19.10.2002: Ein Döner-Stand in derHamburger Straße wurde gegen 1.45 Uhr durcheine direkt neben dem Wagen platzierte brennen-de Mülltonne beschädigt.

2003

Rheinsberg, 8.2.2003: Ein Döner-Imbiss wurdegegen 21 Uhr von Unbekannten angezündet. DieTäter setzten einen Reifen des Verkaufswagens inBrand. Die Flammen breiteten sich über den Rad-kasten auf die darüber liegende Außenwand aus.Da der Brand schnell gelöscht werden konnte,blieb das Inventar unversehrt.

Potsdam, 24.3.2003: Aus einer größeren Grup-pe warfen Jugendliche mit „Heil Hitler“-RufenSteine gegen einen Döner-Imbiss.

Wittstock, 8.4.2003: Der Betreiber eines Döner-Imbisses wurde aus einer fünfköpfigen GruppeJugendlicher heraus beschimpft und mit einemMesser bedroht, nachdem sie einen Papierkorbgegen seinen Laden geworfen hatten. Bei der Ver-haftung wurden verfassungsfeindliche Symbolesichergestellt.

Potsdam, 28.4.2003: Ein 28-jähriger türkischerImbissbesitzer wurde gegen 22 Uhr von dreiMännern rassistisch beschimpft und ins Gesichtgeschlagen, nachdem er die Gäste wegen Trun-kenheit des Lokals verwiesen hatte. Außerdembeschädigten die Täter die Einrichtung desImbissstandes.

Hennigsdorf, 27.9.2003: Der Besitzer eines türki-schen Imbisses wurde von drei Rechtsextremenmit Besenstielen geschlagen und verletzt.

Pritzwalk, 7.11.2003: Auf zwei Imbissstände wur-den Brandanschläge verübt. Ein Asia-Imbissbrannte vollständig nieder, bei einem türkischenImbiss kam es zu Verrußungen an der Außen-wand.

Wusterhausen, 27.11.2003: Auf einen vietname-sischen Imbisswagen wurde um 20 Uhr einBrandanschlag verübt. Der Wagen brannte völligaus.

Rathenow, 4.12.2003: Drei Rechtsextreme war-fen gegen 3.30 Uhr die Scheiben eines voneinem Kurden betriebenen Imbisses mit einemFahrrad-ständer ein.

Brieselang, 13./14.12.2003: Auf einen Imbiss-wagen am Markplatz wurde von der Gruppe„Freikorps“ ein Brandanschlag verübt. Die Täterhatten die Eingangstür aufgebrochen und einenBrandsatz gelegt. Die Inneneinrichtung desWagens wurde stark beschädigt.

Rheinsberg, 20.12.2003: Auf einen Döner-Imbisswurde ein Brandanschlag verübt. Die Täter hatteneinen vor dem Imbiss liegenden Kunstrasentep-pich in Brand gesetzt. Am Imbiss entstand leichterSachschaden durch Rußablagerung.

Falkensee, 28.12.2003: Auf einen Döner-Imbisswurde von der Gruppe „Freikorps“ ein Brandan-schlag verübt. Die Täter hatten Unrat hinter demWagen in Brand gesteckt.

Potsdam, 18.5.2003: Der Besitzer eines Imbisseswurde von einem Rechtsradikalen als „Scheiß-Ausländer“ beschimpft und geschlagen. DerImbissbetreiber war bereits am 28.4.2003 ange-griffen worden.

Templin, 31.7.2003: Auf ein China-Restaurantwurde ein Brandanschlag verübt. Es entstand einSchaden von etwa 30.000 Euro.

Rheinsberg, 11.8.2003: Auf einen Döner-Imbisswurde am späten Abend ein Brandanschlag ver-übt. Unter dem Imbissstand war Zeitungspapierentzündet worden. Dabei entstand geringer Sach-schaden. Die Polizei löschte das Feuer und nahmmehrere tatverdächtige Rechtsextreme fest.

Nauen, 15.8.2003: Auf einen Asia-Imbiss wurdevon der Gruppe „Freikorps“ ein Brandanschlagverübt. Ein Müllcontainer wurde angezündet.

Nauen, 31.8.2003: Auf einen Imbiss wurde vonder Gruppe „Freikorps“ ein Brandanschlag ver-übt. Das Feuer griff auf einen Norma-Supermarktüber.

Hennigsdorf, 3.9.2003: Auf ein türkisches Bistrowurde ein Brandanschlag verübt. Der 26-jährigeTäter, ehemaliger Vorsitzender der rechtsextremis-tischen „Kameradschaft Oberhavel“, hatte gegen20 Uhr versucht, mit zwei brennenden Molotow-Cocktails in das mit sechs Personen besetzteBistro zu gelangen. Als ihm der Zutritt verwehrtwurde, warf er mindestens einen der Brandsätzegegen die Tür und flüchtete.

Templin, 12.9.2003: Drei Rechtsradikale im Altervon 14, 15 und 21 Jahren randalierten in einemChina-Restaurant, wobei sie die Einrichtungbeschädigten. Dann versuchten sie, mit Steinendie Scheiben einzuwerfen.

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2004

Hörlitz, 28.1.2004: Auf einen Döner-Imbiss wur-de in der Nacht zum Sonnabend durch zwei 18-und 20-jährige Rechtsextreme ein Brandanschlagverübt. Der Imbisswagen brannte vollständig nie-der.

Brück, 6.2.2004: Auf einen Döner-Imbiss wurdegegen 3.10 Uhr durch Rechtsextreme ein Brand-anschlag verübt. Die Täter warfen einen Molo-tow-Cocktail durch ein Fenster. Der im Imbissschlafende Angestellte wurde wach und löschteden Brand.

Cottbus, 8.2.2004: Der türkische Betreiber einesDöner-Imbisses wurde von mehreren Rechtsextre-men rassistisch beschimpft und mit der Faust insGesicht geschlagen. Er erlitt einen Nasenbein-bruch.

Fürstenwalde, 21.2.2004: Auf einen Döner-Imbiss wurde ein Anschlag verübt. Die Täter bra-chen in den Imbiss ein, zerschlugen eine Fenster-scheibe und verwüsteten nahezu den gesamtenInnenraum. Sie öffneten eine Propangasflascheund legten mehrere angezündete Zigaretten indem Verkaufsstand ab.

Angermünde, 25.2.2004: Der Betreiber einesDöner-Imbisses wurde von einem Rechtsextremenangegriffen und verletzt.

Falkensee: 26.3.2004: Auf einen Döner-Imbisswurde von der Gruppe „Freikorps“ gegen 0.30Uhr ein Brandanschlag verübt. Das Dach desImbisses wurde beschädigt.

Schönwalde, 27.3.2004: Auf einen Döner-Imbisswurde kurz vor Mitternacht von der Gruppe „Frei-korps“ ein Brandanschlag verübt.

Brieselang, 30.4.2004: In der Nacht wurde vonder Gruppe „Freikorps“ ein Brandanschlag aufeinen Asia-Imbiss verübt. Es entstand leichterSachschaden.

Falkensee, 5.5.2004: Auf einen vietnamesischenImbiss wurde von der Gruppe „Freikorps“ einBrandanschlag verübt. Es entstand leichter Sach-schaden.

Nauen, 26.6.2004: Auf einen Imbiss wurde einBrandanschlag verübt.

Trebbin, 14.7.2004: Auf einen Döner-Imbiss wur-de ein Brandanschlag verübt.

Wriezen, Neuhardenberg, Letschin, 22.-24.08.2004:In der Zeit zwischen dem 22. und 24. August ent-stand in Wriezen, Neuhardenberg und Letschin infünf Fällen Sachbeschädigungen in Höhe voninsgesamt 9.000 Euro an fünf Asia- und Döner-Imbissständen.

Velten, 13.11.2004: Der Besitzer eines türkischenBistros wurde bei einer Auseinandersetzung miteinem rechtsextremen Jugendlichen verletzt. DasBistro war schon mehrere Male mit Hakenkreuzenbeschmiert worden.

Fürstenwalde, 28.12.2004: Auf einen Döner-Imbiss wurde gegen 0.45 Uhr mit einem Molo-tow-Cocktail ein Brandanschlag verübt. DieBrandflasche zerstörte die äußere Scheibe, einBrand brach nicht aus.

Quellen:Regelmäßige Auswertungen verschiedener Medien, Infor-mationen von Kooperationspartnern und eigene Recher-chen. Ständig aktualisiert wird die Chronologie unterwww.opferperspektive.de, hier findet sich auch eine detail-lierte Auflistung der Quellen.

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Einige Handlungsempfehlungen

Was tun, wenn ein Brandanschlag auf einen Imbiss verübt wurde und eine

rechtsextreme oder rassistische Tatmotivation vermutet werden muss?

Manche Kommunen verschließen die Augen, in anderen Gemeinden

erfasst eine lähmende Ratlosigkeit die politisch Verantwortlichen und alar-

mierten Bürger. Doch wie kann, wie sollte reagiert werden? Grundsätzlich

gilt: Die Opfer brauchen Beistand; sie brauchen tätige Hilfe. Aus Erfah-

rungen in brandenburgischen Städten lassen sich bestimmte Empfehlun-

gen ableiten – für die Betroffenen selbst, für kommunale Verantwortliche

und für zivilgesellschaftliche Initiativen.

Was tun?

Empfehlungen an Imbissbetreiber:

Zeigen Sie alle Beleidigungen und Bedro-hungen an. Überlegen Sie sich gut, ob es wirk-lich ein Arrangement mit der alltäglichenBedrohung geben kann. Auf Dauer verstärktdas die Macht derer, die Sie vertreiben wollen.Denn fast jeder Angriff hat eine Vorgeschichte,oft sind es dieselben Täter, die Sie erst anpö-beln und die später zündeln. Sie haben einRecht darauf, von jedem Menschen mit Respektbehandelt zu werden. Wer das missachtet, demmüssen Grenzen gesetzt werden. Anzeigensind in den meisten Situationen der richtigeWeg, auch damit es für die Verantwortlichen inPolizei und Kommune eindeutig erkennbarwird, in welcher Situation Sie sich befinden.Sind Sie unsicher, ob Sie eine Anzeige stellensollen, etwa weil sie Racheaktionen der Ange-zeigten befürchten, wenden Sie sich an eineBeratungsstelle wie zum Beispiel die Opferper-spektive.

Treten Sie in Kontakt mit lokalen Gewerbe-

vereinigungen. Je mehr Bürger Sie vor Ort kenn-nen, desto besser geschützt sind Sie.

Fertigen Sie eine vollständige Inventarlistean und vervollständigen Sie diese durch Fotosihres Betriebs. Im Schadensfall können Sie sobesser ihre Ansprüche belegen.

Ist das Unbegreifliche geschehen und einBrandanschlag tatsächlich verübt worden,geben Sie nicht auf. Sie werden Hilfe erhalten.Haben Sie keine Scheu, in dieser unverschul-deten Notlage Hilfe anderer anzunehmen undIhnen zustehende Rechte in Anspruch zu neh-men, zum Beispiel Sozialhilfe. Die Täter wolltenSie vertreiben, doch wenn Sie mit der Hilfeengagierter Bürger die Schäden reparierenoder sich einen neuen Imbiss anschaffen,kommen die fremdenfeindlichen Gewalttäternicht an ihr Ziel.

Suchen Sie insbesondere nach Unterstüt-zung bei der Aufstellung einer vollständigenund genauen Schadensliste. Das ist zentral fürVersicherungen und auch eventuelle Scha-densersatzansprüche an die Täter.

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Empfehlungen an die Polizei:

Gehen Sie auf die Imbissbetreiber zu, auch wennnoch nichts geschehen ist. Erkundigen Sie sich nachVorfällen. Nehmen Sie auch scheinbar harmloseBeleidigungen oder Sachbeschädigungen ernst. Siekönnten Vorboten schwerer Straftaten sein. Verein-baren Sie einen kontinuierlichen Kontakt. ZiehenSie, wenn nötig, Sprachmittler hinzu. Wurde eineAnzeige gestellt, informieren Sie die Betroffenenüber den Verlauf der Ermittlungen.

Wenn ein Brandanschlag verübt wurde, bemühenSie sich um Empathie mit den Geschädigten. Diesesind in einer psychischen Ausnahmesituation.Machen Sie Ihre Vorgehensweise so transparent wiemöglich, und erklären Sie, wie das Verfahren weiter-geht.

Binden Sie den Geschädigten bei der vollständi-gen und gründlichen Aufnahme des Schadens ein.

Machen Sie die Geschädigten auf Opferbera-tungsstellen aufmerksam.

Empfehlungen an kommunale Verantwortliche(Bürgermeister, Verwaltungsmitarbeiter,

Abgeordnete in Gemeinderäten und Kreistagen):

Ob die im folgenden aufgezeigten einzelnen Vor-schläge in einer Stadt sinnvoll sind, darüber kannnur eine genaue Beurteilung der konkreten Situationin der Kommune entscheiden. Wichtig dabei: dieenge Abstimmung aller Aktivitäten mit den Betroffe-nen. Denn um sie geht es, es ist ihre Existenz, die vonVernichtung bedroht ist, die Täter wollten ihnenschaden und sie vertreiben. Ein Schlag hat sie ausdem Leben geworfen, das sie sich gerade aufbauenwollten, in einer solchen Schocksituation sollten sienicht noch einmal zum bloßen Objekt gemacht wer-den, auch nicht mit gut gemeinten Reaktionen.

Gerade für Migranten ist es wichtig, von Ihnen alsBürgermeister willkommen geheißen zu werden.Damit zeigen Sie den Bürgern der Stadt und derKundschaft der Imbisse, dass der Imbissbetreiber ein

Oft kursieren Gerüchte, etwa Verdächtigungen,es würde sich um einen Versicherungsbetrug han-deln, auch wenn es dafür keine Anhaltspunkte gibt.Es kann sinnvoll sein, öffentlich dem entgegenzu-treten. Das gilt auch für den eventuellen Neid auf die Geschädigten, wenn diese solidarisch unterstütztwerden und Spenden für den Wiederaufbau erhal-ten. Dahinter verbergen sich fast immer nur Vorur-teile.

Zivilgesellschaftliche Initiativen und Aktionen,zum Beispiel Versammlungen, Kundgebungen undDemonstrationen sind ein wichtiger Beitrag imKampf gegen Fremdenfeindlichkeit und rechtsradi-kale Gewalttäter.

Sprechen Sie alle Aktivitäten mit den Geschä-digten ab.

Unterstützung und Beratung können Sie beimMobilen Beratungsteam erhalten.

Machen Sie den Geschädigten auf Opferbera-tungsstellen aufmerksam.

Empfehlungen an zivilgesellschaftliche Initiativen:

Jede und jeder kann etwas unternehmen, nacheinem Angriff und auch schon davor. Es kommt nurdarauf an, nicht zu zögern und selbst anzufangen.Die anderen ziehen dann schon mit.

Nehmen Sie nach einem Brandanschlag unmittel-bar mit den Geschädigten Kontakt auf, und bietenSie konkrete Hilfe an, zum Beispiel bei der Aufstel-lung der Schadensliste, der Suche nach einem neu-en Standort oder bei Problemen mit Behörden.

Vereinbaren Sie einen kontinuierlichen Kontakt.Halten Sie für alle Aktivitäten Rücksprache mit denGeschädigten.

Nehmen Sie Kontakt zu Opferberatungsstellenwie der Opferperspektive und zum Mobilen Bera-tungsteam auf. Weisen Sie die Geschädigten aufUnterstützungsmöglichkeiten hin.

Vermitteln Sie Kontakte zur Stadtverwaltung undzum Bürgermeister.

willkommenes, geschütztes Gemeindemitglied ist.Deshalb: Nehmen Sie mit den Imbissbetreibern Kon-takt auf, auch wenn es noch keine Gewalttat gege-ben hat. Vermitteln Sie den Betreibern Unterstützungbei der Bewältigung ihrer Probleme.

Wer in die Gemeinde integriert ist, wird nicht soschnell angegriffen. Laden Sie die Imbissbetreiber zuStammtischen der Gewerbetreibenden ein, oder eta-blieren Sie eine andere kontinuierliche Verbindung.

Wenn es zu Gewalttaten kam: Zögern Sie nicht,direkt mit den Geschädigten Kontakt aufzunehmen.Diese brauchen Ihren persönlichen Beistand.

Ziel konkreter Hilfe sollte die Reparatur bzw. dieAnschaffung eines neuen Imbisses sein. Erleichterndhierfür ist die Koordination aller Maßnahmen derzuständigen Behörden: Sozialamt, Ausländerbehör-de, Gewerbeamt, Tiefbauamt (falls ein neuer Stand-ort angezeigt ist).

Es ist auch wichtig, darauf hinzuwirken, dass dieAusländerbehörde dem Geschädigten keine Proble-me mit dem Aufenthaltsstatus bereitet, sollte derBetroffene vorübergehend auf Sozialhilfe angewie-sen sein.

Angestellte im öffentlichen Dienst haben vieleMöglichkeiten, nach Ermessen zu entscheiden:Wenn der Geschädigte nicht gleich zur Beseitigungdes Wracks in der Lage ist, kann eventuell auch dieGemeinde einspringen, und die Androhung einesZwangsgelds durch das Ordnungsamt erübrigt sich.

Eine öffentliche Stellungnahme hat sich bisherimmer als positiv erwiesen. Der Ausdruck von Soli-darität stärkt die Position der Opfer, und die Verur-teilung der Tat gibt einer Kommune die Möglichkeit,auch den Medien gegenüber zu demonstrieren, dassman nicht gewillt ist, fremdenfeindliche Gewalt hin-zunehmen. Daran können und werden sich die Bür-ger ein Beispiel nehmen.

Mit Spendensammlungen, die die Kommune initi-iert, können die Opfer existenziell unterstützt wer-den. Auch ein symbolischer Betrag ist für dieGeschädigten eine wichtige Anerkennung. Bürgerkönnen ihre Solidarität mit einer Spende zeigen.

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Überlegen Sie, wie die Öffentlichkeit für ein deut-liches Signal gegen Fremdenfeindlichkeit und fürSolidarität mit den Geschädigten mobilisiert werdenkann. In Frage kommen Versammlungen, Unter-schriftensammlungen, Kundgebungen, Demonstra-tionen und andere öffentlichkeitswirksame Aktivitä-ten. Damit kann der aktive Teil der Bürgerschaftdemonstrieren, dass Sie das Stimmungsklima ineiner Kommune nicht den Tätern überlassen.

Suchen Sie Bündnispartner in der Kommune, dieIhre Aktivitäten unterstützen.

Treten Sie haltlosen Gerüchten und dummemGerede entgegen. Es kommt auf Ihren persönlichenEinsatz gegen Vorurteile an.

Regen Sie eine Spendensammlung für denWiederaufbau des Imbisses an.

Empfehlungen an die Landespolitik:

Fremdenfeindlich motivierte Brandanschläge aufImbisse erfordern die Übernahme staatlicher Verant-wortung zur Prävention und zum Schadensausgleich.Besondere Hilfen und Angebote für Betreiber mitMigrationshintergrund sind erforderlich.

Die Einrichtung sprachkompetenter Beratungs-stellen in türkischer und vietnamesischer Sprache fürFragen der Existenzgründung und der Betriebsfüh-rung sollte gefördert werden.

Eine Lösung der Versicherungsfrage für solcheImbisse ist erforderlich. Zu erörtern wären Modelleeiner Risikobürgschaft der öffentlichen Hand oderdie Förderung von günstigen Versicherungspolicenspeziell für Imbisse von Betreibern mit Migrations-hintergrund.

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Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechts-

extremismus und FremdenfeindlichkeitGeschäftsstelle im Ministerium für Bildung,Jugend und Sport

Steinstraße 104-10614480 Potsdam

Tel: 0331/8 66 35 70Fax: 0331/8 66 35 74

E-Mail: [email protected]: www.aktionsbuendnis.brandenburg.de

Türkischer Bund in Berlin-Brandenburg – TBB

Tempelhofer Ufer 2110963 Berlin

Tel: 030/6 23 26 24Fax: 030/61 30 43 10

E-Mail: [email protected]: www.tbb-berlin.de

Antidiskriminierungsstelle im Büro der Ausländerbeauftragten des LandesBrandenburg

Heinrich-Mann-Allee 10314473 Potsdam

Tel: 0331/8 66 59 54Fax: 0331/8 66 59 09

E-Mail: [email protected]: www.antidiskriminierung-brandenburg.de

Opferperspektive e.V. Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt

Schloßstraße 114467 Potsdam

Tel: 0171/1 93 56 69Fax: 01212/5 11 55 98 89

E-Mail: [email protected]: www.opferperspektive.de

Mobiles Beratungsteam Tolerantes Brandenburg

Geschäftsstelle PotsdamFriedrich-Engels-Straße 114473 Potsdam

Tel: 0331/7 40 62 46Fax: 0331/7 40 62 47

E-Mail: [email protected]:www.mobiles-beratungsteam.de

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Service

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