Regelungstheorie nichtlinearerSysteme -...

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O.Univ.Prof. Kurt Schlacher Institut für Regelungstechnik und Prozessautomatisierung [email protected] T +43 732 2468 6331 Sekretariat: Anna–Celina Boxleitner DW 6320 offi[email protected] JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenbergerstraße 69 4040 Linz, Österreich www.jku.at DVR 0093696 Regelungstheorie nichtlinearer Systeme Stand WS 2018/19

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O.Univ.Prof.Kurt SchlacherInstitut fürRegelungstechnik undProzessautomatisierung

[email protected] +43 732 2468 6331

Sekretariat:Anna–Celina BoxleitnerDW [email protected]

JOHANNES KEPLERUNIVERSITÄT LINZAltenbergerstraße 694040 Linz, Österreichwww.jku.atDVR 0093696

Regelungstheorienichtlinearer Systeme

Stand WS 2018/19

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Inhaltsverzeichnis

1 Beispiele nichtlinearer Systeme 11.1 Lineare, nichtlineare Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Satellitenregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.3 Balken mit Kugel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51.4 Eine Positionieraufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61.5 Gleichstrommaschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71.6 Linearer, nichtlinearer Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.7 Fahrzeugmanöver . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101.8 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

2 Systeme und Dglg. 142.1 Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

2.1.1 Hilfssätze und Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.1.2 Existenz und Eindeutigkeit des AWP . . . . . . . . . . . . . . . . . 222.1.3 Globale Existenz und Eindeutigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252.1.4 Abhängigkeit von den Anfangswerten . . . . . . . . . . . . . . . . . 262.1.5 Einfluss von Parametern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

2.2 Fluss eines Dglg-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292.3 Inverse und implizite Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322.4 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

3 Systeme zweiter Ordnung 403.1 Phasenebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403.2 Das Vektorfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413.3 Die Sätze von Bendixson und Poincaré . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

3.3.1 Grenzmengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423.3.2 Der Satz von Bendixson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443.3.3 Der Satz von Poincaré-Bendixson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463.3.4 Probleme im R3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

3.4 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

4 Flache Systeme 52

I

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4.1 Flache LZI-Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534.1.1 Eingrößensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554.1.2 Mehrgrößensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

4.2 Flache nichtlineare Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604.2.1 Eingrößensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624.2.2 Mehrgrößensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

4.3 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

5 Liapunov Theorie I 705.1 Stabilität der Ruhelage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 725.2 Liapunov Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 735.3 Das Kotangentialbündel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 815.4 Das Invarianz-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

5.4.1 Neuronale Netze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 865.5 Lineare Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 895.6 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

6 Liapunov Theorie II 966.1 Linearisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 966.2 Bestimmung des Einzugsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

6.2.1 Die Methode von Aiserman . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1036.2.2 Die Methode des variablen Gradienten . . . . . . . . . . . . . . . . 1056.2.3 Der Satz von Zubov . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

6.3 Entwurf mittels Liapunov Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1076.4 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

II

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Kapitel 1

Beispiele nichtlinearerdynamischer Systeme

Die Analyse- und Entwurfsmethoden zur Automatisierung linearer Systeme sind amweitesten fortgeschritten. Verantwortlich hiefür ist das Superpositionsgesetz, das die ma-thematische Behandlung dieser Klasse dynamischer Systeme wesentlich erleichtert. Diephysikalischen Grundgesetze (z.B. Kreisel) beinhalten aber vielfach wesentliche Nichtlinea-ritäten. Können diese nicht mehr vernachlässigt werden, muss man auf die Methoden dernichtlinearen Regelungstechnik zurückgreifen.

Infolge des Superpositionsgesetzes fallen bei linearen Systemen lokale und globaleEigenschaften zusammen. Bei nichtlinearen, dynamischen Systemen gilt dies nicht mehr.Beschränkt man sich bei nichtlinearen Systemen auf lokale Eigenschaften, dann könnenvielfach nach Linearisierung der Systemgleichungen noch lineare Methoden zum Ziel führen.Ist man jedoch an globalen Eigenschaften wie Stabilität im Großen, etc. interessiert, mussman das nichtlineare mathematische Modell untersuchen.

Eine große Klasse nichtlinearer, dynamischer Systeme kann durch mathematischeModelle von nichtlinearen Differentialgleichungen erster Ordnung beschrieben werden. Fürdiese Modelle steht jedoch kein einfaches Hilfsmittel zur Ausgangs/Eingangsbeschreibung,wie das der Laplace-Transformation, im linearen Fall zur Verfügung. Die Analyse solcherSysteme erfolgt daher vorzugsweise im Zustandsraum.

1.1 Lineare, nichtlineare Systeme

Die Beziehungx = Ax (1.1)

1

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beschreibt ein lineares, autonomes System n-ter Ordnung mit konzentrierten Parame-tern. Neben dem Überlagerungsprinzip kann das System durch weitere Eigenschaftencharakterisiert werden.

Die Ruhelagen von Gl. 1.1 sind Lösungen der Gleichung

0 = Axs . (1.2)

Es sei {z1, z2, . . . , zk} eine Basis des durch Gl. 1.2 gegebenen k-dimensionalen, linearenUnterraums des Rn. D.h., es gilt

xs =k∑i=1

aizi mit ai ∈ R .

Im Falle det(A) 6= 0 hat das System genau eine Ruhelage (xs = 0), anderenfalls besitzt esbeliebig viele Ruhelagen.

Mit der TransitionsmatrixΦ(t) = eAt

lautet die Lösung des Anfangswertproblems

x(t) = Φ(t) x0 .

Man überzeugt sich leicht, dass x(t) der Abschätzung

a1e−α1t ≤ ‖x(t)‖ ≤ a2e

α2t

mit reellen Zahlen a1, a2, α1, α2 > 0 genügt. D.h., das System Gl. 1.1 kann in endlicherZeit weder in die Ruhelage xs = 0 einlaufen noch kann ‖x(t)‖ in endlicher Zeit über alleGrenzen wachsen.

Obige Eigenschaften müssen auf ein nichtlineares, autonomes System n-ter Ordnung

x = f(x) (1.3)

nicht mehr zutreffen. Die Ruhelagen dieses Systems sind nun Lösungen von

0 = f(xs) . (1.4)

Über die Lösungsmenge Xs von Gl. 1.4 kann keine allgemeine Aussage gemacht werden.So kann Xs genau ein Element, eine endliche Anzahl von Elementen oder eine beliebigeAnzahl von Elementen umfassen.

Nichtlineare Systeme können auch in endlicher Zeit in die Ruhelage einlaufen. Hiezubetrachte man die Gleichung

x = −√x mit x0 > 0 , (1.5)

2

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die sehr vereinfacht das Ausrinnen einer Badewanne beschreibt. Für die Lösung diesesSystems gilt

x(t) =

(√

x0 − t2

)2fur 0 ≤ t ≤ 2√x0

0 sonst.

Man beachte, dass hier die physikalisch sinnvolle Lösung gewählt wurde, denn es gibt diebeiden Lösungen

x1(t) =(√

x0 −t

2

)2, x2(t) = 0 , fur t ≥ 2√x0 .

Die Lösung nichtlinearer Systeme muss also nicht eindeutig sein.Die Lösung eines nichtlinearen Systems kann auch in endlicher Zeit über alle Grenzen

wachsen. Hiezu wird das System

x = 1 + x2 , x0 = 0 (1.6)

betrachtet. Seine Lösung ist

x(t) = tan(t) fur 0 ≤ t <π

2 .

Für t ≥ π2 existiert keine Lösung.

Man beachte, dass die Systeme Gl. 1.5, 1.6 so einfach sind, dass man ihre Lösungin symbolischer Form angeben kann. Im Allgemeinen wird man sich aber mit dem Satzüber die Existenz bzw. über die Eindeutigkeit der Lösung zufrieden geben müssen. Einenumerische Lösung zu konstruieren ist aber nur dann sinnvoll, wenn sowohl die Existenzwie auch die Eindeutigkeit der Lösung gesichert ist.

1.2 Satellitenregelung

Bild 1.1 zeigt einen Nachrichtensatelliten. Wird der Satellit als starrer Körper aufgefasst,dann kann seine Drehbewegung durch die Beziehung

Θz = −z× (Θz) + M

mit

z =

ω1ω2ω3

, Θ =

Θ11 Θ12 Θ13Θ12 Θ22 Θ23Θ13 Θ23 Θ33

, und M =

M1M2M3

beschrieben werden. z bezeichnet den Vektor der Winkelgeschwindigkeiten, Θ die Matrixder Trägheitsmomente und M den Vektor der Momente. Die Größen z, Θ und M werden

3

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z

y

x

x1

x2

x3

Bild 1.1: Zur Drehbewegung eines Satelliten

dabei auf ein satellitenfestes Koordinatensystem im Schwerpunkt bezogen. Legt man diesesSystem in die Hauptachsen des Satelliten gilt

Θ =

Θ11 0 00 Θ22 00 0 Θ33

,

womit sich obiges System zu

Θ11ω1 = − (Θ33 −Θ22)ω2ω3 +M1

Θ22ω2 = − (Θ11 −Θ33)ω1ω3 +M2

Θ33ω3 = − (Θ22 −Θ11)ω1ω2 +M3

vereinfacht. Dieses System hat genau die Ruhelage

zs = 0 , fur M = 0 .

Linearisiert man das System noch um diese Ruhelage, dann folgt

Θ11∆ω1 = M1

Θ22∆ω2 = M2

Θ33∆ω3 = M3 .

Es zerfällt also in drei Integratoren, die Kopplungen zwischen den einzelnen Achsenverschwinden. Z.B. ist für M1 = 0 das linearisierte System sicher nicht erreichbar. Giltdies auch für das nichtlineare System?

4

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r

ψϕ2

r0

ϕ1x2

M

x1

Bild 1.2: Balken mit rollender Kugel

1.3 Balken mit Kugel

Eine Kugel rollt auf einem drehbar gelagerten Balken (Bild 1.2). Mittels eines am Drehpunktdes Balkens eingebrachten Momentes wird die Einrichtung beeinflusst. Es gelten diegeometrischen Beziehungen

x1 = r cos(ϕ1)− r0 sin(ϕ1)x2 = r sin(ϕ1) + r0 cos(ϕ1)

sowie

ψ = ϕ1 − ϕ2

r = r0ϕ2 .

Vernachlässigt man die Reibungskräfte, dann lautet die Lagrangefunktion

L(ϕ1, ϕ1, r, r) = 12

(Θ1ϕ

21 +m2

(x2

1(ϕ1, ϕ1, r, r) + x22(ϕ1, ϕ1, r, r) + 2

5r20

(ϕ1 −

r

r0

)2))−m2 g x2(ϕ1, ϕ1, r, r) .

Das mathematische Modell erhält man aus den Beziehungen

ddt

(∂

∂rL(ϕ1, ϕ1, r, r)

)− ∂

∂rL(ϕ1, ϕ1, r, r) = 0

ddt

(∂

∂ϕL(ϕ1, ϕ1, r, r)

)− ∂

∂ϕL(ϕ1, ϕ1, r, r) = M .

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Um zu einfacheren Ergebnissen zu gelangen, wird der Grenzübergang r0 → 0 durchgeführt.Für die Lagrangefunktion folgt dann

L(ϕ1, ϕ1, r, r) = 710m2r

2 + 12m2 (rϕ1)2 + 1

2Θ1ϕ21 − gm2r sin(ϕ1) ,

und damit lautet das mathematische Modell

ϕ1 = 1m2 r2 + Θ1

(−2m2rrϕ1 − gm2r cos(ϕ1) +M)

r = 57(rϕ2

1 − g sin(ϕ1)).

Die Ruhelagen dieses Systems sind durch

ϕ1,s = 0Ms = gm2rs

gegeben.

1.4 Eine Positionieraufgabe

Eine Masse m gleitet auf einer Fläche. Auf sie wirkt eine Federkraft FF und eine Reibungs-kraft FR (siehe Bild 1.3). Das mathematische Modell lautet

x = v

v = −cx− FR ,

wobei FR den Beziehungen

FR + cx = 0 fur v = 0 und |x| ≤ rc

FR = rsgn(v) sonst.

FR

xx0

FF

Bild 1.3: Ein-Masse-Feder-System mit Coulombreibung

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genügt. Die Lösung für r = c = 1 lautet

x(t) = v0 sin(t) + (x0 + 1) cos(t)− 1v(t) = (−x0 − 1) sin(t) + v0 cos(t)

}fur v(t) > 0

x(t) = v0 sin(t) + (x0 − 1) cos(t) + 1v(t) = (1− x0) sin(t) + v0 cos(t)

}fur v(t) < 0

x(t) = x0v(t) = 0

}fur |x0| ≤ r

c.

Im Bereich |x| > rcund v = 0 dürfen obige Lösungen stetig aneinander gesetzt werden. Der

prinzipielle Verlauf einer Trajektorie ist Bild 1.4 zu entnehmen. Man beachte, dass mandiese Konfiguration auch als ein hybrides System auffassen kann, das beim Nulldurchgangder Geschwindigkeit v von einem System zum anderen schaltet.

−5.2 −1.2 −0.8−1 1

3.2 7.2x(t)

v(t)

Bild 1.4: Skizze der Lösung in der Zustandsebene

1.5 Gleichstrommaschinen

Eine fremderregte Gleichstrommaschine (Bild 1.5) kann näherungsweise durch folgendeGleichungen beschrieben werden:

LAiA +RA iA + k iF ω = uA

LF iF +RF iF = uF

Θω = k iF iA −ML

Mit A werden dabei die Größen des Ankerkreises, mit F Größen des Feldkreises und mit

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uA

iA

iF

LF

RF

uF

RA LA

ML

ω

Bild 1.5: Fremderregte Gleichstrommaschine

ML das Lastmoment bezeichnet. Einflüsse infolge von Hysterese und infolge der Kopplungvon Anker und Feldkreis werden dabei vernachlässigt. Die Spannungen uA und uF dienenals Stellgrößen. Gilt

ddtiF = 0

wird das mathematische Modell linear (konstant erregte Maschine)

LA ˙iA = −RA iA − k iF,s ω + uA

Θω = k iF,s iA −ML .

RA LA

LFRF

uA

iA

ML

ω

Bild 1.6: Reihenschlussmaschine

Wählt man eine Schaltung nach Bild 1.6 (Reihenschlussmaschine), erhält man dasModell

(LA + LF ) iA = − (RA +RF ) iA − k iAω + uA

Θω = k i2A −ML .

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Schaltet man Erreger- und Ankerwicklung parallel (Bild 1.7), erhält man die Neben-schlussmaschine mit dem mathematischen Modell

LAiA +RA iA + k iF ω = uA

LF iF +RF iF = uA

Θω = k iF iA −ML .

ML

ω

uA

RF LF

RA LA iA

Bild 1.7: Nebenschlussmaschine

1.6 Linearer, nichtlinearer Oszillator

Der einfachste, lineare Oszillator mit einer Kreisfrequenz von ω0 wird durch ein Gleichungs-system der Form

x1 = ω0x2

x2 = −ω0x1

beschrieben.

−2 0 2 −2 0 2x1x1

2

0

−2

x2

2

0

−2

x2

Bild 1.8: Vergleich linearer, nichtlinearer Oszillator

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Ein prinzipieller Nachteil dieses Oszillators ist, dass Störungen die Amplitude verändernkönnen (siehe Bild 1.8). Es ist naheliegend den linearen Oszillator so zu erweitern, dassdie Amplitude „stabilisiert“ wird. Eine Möglichkeit zeigt das nachfolgende System

x1 = ω0x2 − x1(x2

1 + x22 − 1

)x2 = −ω0x1 − x2

(x2

1 + x22 − 1

).

Bild 1.8 sind der Einfluss der nichtlinearen Terme zu entnehmen.

1.7 Fahrzeugmanöver

Bild 1.9 zeigt ein drastisch vereinfachtes Modell eines Fahrzeugmanövers. Als Stellgrößenwerden die Rollgeschwindigkeit u1 und die Rotationsgeschwindigkeit der Achse betrachtet.Dann lautet das mathematische Modell

x1

u1

x3

u2

x2

Bild 1.9: Ein einfaches Modell für ein Fahrmanöver

x1x2x3

=

− sin(x3)cos(x3)

0

u1 +

001

u2 .

Linearisiert man das Modell um eine Gleichgewichtslage

xs =

x1,sx2,sx3,s

mit us =[

00

],

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erhält man das Modell

∆x =

0 0 00 0 00 0 0

∆x +

− sin(x3,s)cos(x3,s)

0

∆u1 +

001

∆u2 .

Man überzeugt sich leicht, dass die Matrix[B AB A2B

]den Rang zwei hat. Das um eine beliebige Gleichgewichtslage linearisierte Modell ist alsonicht erreichbar. Aus der Erfahrung ist aber bekannt, dass dies auf das ursprünglicheSystem nicht zutreffen kann.

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1.8 AufgabenAufgabe 1.1. Berechnen Sie von den Maschinen von Abschnitt 1.5 das Kennlinienfeld

M = M(ω, ?)

des elektrischen Momentes für den stationären Fall. Welche Größen aus {uA, uF , iA, iF}eignen sich als Parameter dieses Kennlinienfeldes ?

Aufgabe 1.2. Geben Sie zum nichtlinearen Oszillator von Abschnitt 1.6 die allgemeineLösung an. Führen Sie hiezu die neuen Größen

x1 = r cos(ϕ)x2 = r sin(ϕ)

ein.

Aufgabe 1.3. Wieviel prinzipiell verschiedene Gleichgewichtslagen können Sie für denSatelliten von Abschnitt 1.2 für

M = 0

angeben?

Aufgabe 1.4. Zeigen Sie, dass die Trajektorien von Bild 1.4 sich aus Halbkreisen zusammen-setzen. Berechnen Sie die Tangenten an die Trajektorie. Überprüfen Sie, ob der Winkel,den die Tangenten mit der x-Achse einschließen, eine stetige Funktion der Zeit ist.

Aufgabe 1.5. Ersetzen Sie im Beispiel Balken und Kugel von Abschnitt 1.3 die rollendeKugel durch einen reibungsfrei gleitenden Körper mit der Masse m2 und dem Trägheitsmo-ment Θ2. Geben Sie zu diesem Modell die Lagrangefunktion und die Bewegungsgleichungenan.

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Literaturverzeichnis

[1] Föllinger O.: Nichtlineare Regelung I+II, Oldenbourgverlag, 1993.

[2] Luenberger D.G.: Introduction to Dynamic Systems, John Wiley & Sons, 1979.

[3] Slotine E., Li W.: Applied Nonlinear Control, Prentice–Hall, Inc. 1991.

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Kapitel 2

Dynamische Systeme undDifferenzialgleichungen

Zeitinvariante, dynamische Systeme ohne Eingänge können in natürlicher Weise als Punkt-abbildungen einer gewissen Menge auf sich selbst aufgefasst werden, wobei jede dieserAbbildungen durch einen reellen Parameter charakterisiert wird. Oftmals ist in der Au-tomatisierungstechnik diese Menge durch die Zustandsmenge X , die Punkte durch dieZustände x ∈ X und der Parameter durch die Zeit t ∈ T ⊂ R . Kann als Menge derZustände X =Rn gewählt werden, und existieren die Abbildungen für alle t ∈ R, dann istdurch ein autonomes, dynamisches System eine Abbildung

Φt(x) : Rn × R→ Rn

mitx(t) = Φt(x0)

gegeben. Aus der Beziehungx0 = Φ0(x0)

folgt, dass Φ0 die identische Abbildung I mit x = I(x) sein muss. Aus den Beziehungen

x(t) = Φt(x0)x(s+ t) = Φs(x(t))x(s+ t) = Φs+t(x0)

erhält manx(s+ t) = Φs(Φt(x0)) = Φs+t(x0)

oderΦs ◦Φt = Φs+t ,

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wobei ◦ die Komposition der Abbildungen Φs und Φt bezeichnet. Durch Vertauschen derReihenfolge in obigen Überlegungen folgt

Φs+t = Φs ◦Φt = Φt ◦Φs ,

wodurch die Schreibweise Φs+t gerechtfertigt wird. Im Weiteren wird noch vorausgesetzt,dass Φt(x) eine stetig (nach x) differenzierbare Abbildung ist.Definition 2.1. Ein einfaches, autonomes, dynamisches System ist eine C1 (stetigdifferenzierbare) Abbildung

Φt(x) : Rn × R→ Rn ,

die folgenden Bedingungen genügt:

1. Φ0 ist die identische Abbildung I und

2. die Komposition Φs(Φt(x)) erfüllt die Beziehungen

Φs+t = Φs ◦Φt = Φt ◦Φs

für alle s, t ∈ R.

Man beachte, dass aus obiger Definition unmittelbar

Φ−s(Φs(x0)) = Φ0(x0) =(Φ−1s ◦Φs

)(x0) = x0

folgt. Die Abbildung Φt erfüllt also folgende Bedingungen:

1) Φ0 = I2) Φs+t = Φs ◦Φt = Φt ◦Φs

3) Φ−1s = Φ−s

Ein dynamisches System nach Definition 2.1 ist nun eng mit einem System von Differenzi-algln. verbunden. Aus

x(t) = lim∆t→0

1∆t (Φt+∆t(x0)−Φt(x0))

=(

lim∆t→0

1∆t (Φ∆t − I)

)◦Φt(x0)

=(∂

∂tΦt

)t=0◦Φt(x0)

=(∂

∂tΦt

)t=0

(x(t))

folgt

x(t) = f(x (t)) mit f(x) = ∂

∂tΦt(x)

∣∣∣∣∣t=0

.

15

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x

x

w

Bild 2.1: Bewegung auf einer Kugel

Damit erfüllt ein dynamisches System noch die Beziehung

4) ∂

∂τΦτ (x)

∣∣∣∣∣τ=t

= f ◦ (Φt(x)) .

Als Beispiel wird die Bewegung eines Punktes x0 ∈ R3 auf einer Kugel mit Mittelpunktim Ursprung und Radius 1 betrachtet (siehe Bild 2.1). Eine (stetige) Transformation, diePunkte der Einheitskugel wieder auf diese abbildet, hat die Form

x(t) = D(t, x0) x0

mit einer 3× 3 Matrix D, die den Bedingungen

DT D = D DT = E

genügt (Warum?). Damit diese Transformation ein dynamisches System ist, muss noch

D(0,x) = ED(s+ t,x) = D(s,D(t,x) x) D(t,x) = D(t,D(s,x) x) D(s,x))

gelten. Um die Differentialgl. zu diesem System zu bestimmen, beachte man, dass

ddtx(t) =

(∂

∂tD(t,x0)

)x0

gilt. Aus∂

∂t

(D DT

)=(∂

∂tD)

DT + D(∂

∂tDT

)= 0

16

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folgt (∂

∂tD)

DT = −D(∂

∂tDT

).

Die Matrix W mit

W =(∂

∂tD)

DT

= lim∆t→0

1∆t (D(t+ ∆t,x0)−D(t,x0)) DT (t,x0)

= lim∆t→0

1∆t (D(∆t,x(t))− E) D(t,x0) DT (t,x0)

= ∂

∂tD(t,x)

∣∣∣∣∣t=0

ist also schiefsymmetrisch, und für sie schreibt man üblicherweise

W(x) =

0 −ω3(x) ω2(x)ω3(x) 0 −ω1(x)−ω2(x) ω1(x) 0

.

Es gilt alsox = W(x) Dx0 = W(x) x

oderx = w(x)× x

mit

w(x) =

ω1(x)ω2(x)ω3(x)

.

Beschreibt ein dynamisches System die Bewegung eines Punktes auf einer Kugel, dannerhält man bei der differentiellen Form das Kreuzprodukt. Da nun W im Allgemeinenn (n− 1) /2 Komponenten hat, kann W nur in einem n = 3 dimensionalen Raum als Vektordargestellt werden. Das Kreuzprodukt ist daher auf diesen Fall beschränkt. Es soll nochangemerkt werden, dass das Kreuzprodukt lediglich ein Spezialfall des antisymmetrischenGrassmannproduktes ist, für das diese Einschränkungen nicht gelten.

2.1 Differentialgleichungen

Durch ein dynamisches System nach Definition 2.1 ist also ein System von Diff.gln. ersterOrdnung festgelegt. Wann eine Differentialgleichung der Form

x = f(x) (2.1)ein einfaches dynamisches System im obigen Sinne beschreibt, wird im Folgenden untersucht.Hiezu muss nämlich die Lösung nicht nur existieren, sondern auch eindeutig sein, und dasfür alle t.

17

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2.1.1 Hilfssätze und Begriffe

Im Folgenden werden einige grundlegende Begriffe und Sätze zusammengefasst. Wirbeginnen mit der Stetigkeit.Definition 2.2. Eine Funktion f : S1 → S2 mit S1 ⊂ Rn und S2 ⊂ Rm ist stetig amPunkt x ∈ S1, wenn zu jedem ε > 0 ein δ(ε,x) > 0 so existiert, dass aus

‖x− y‖ < δ(ε,x) folgt ‖f(x)− f(y)‖ < ε

mit y ∈ S1, f(x) , f(y) ∈ S2. Gilt noch δ(ε,x) = δ(ε), dann heißt f gleichmäßig stetig.

Man beachte, dass hier die Stetigkeit von der Wahl der speziellen Norm nicht abhängt(Warum?). Analoges gilt für die folgende Definition.Definition 2.3. Eine Folge von Punkten (xk) des Rn heißt konvergent gegen einenGrenzwert x ∈ Rn, man schreibt auch xk → x, wenn

limk→∞‖xk − x‖ = 0

gilt.

Für eine stetige Funktion gilt

xk → x ⇒ f(xk)→ f(x) .

Obige Definitionen sind einfach vom Rn auf normierte Vektorräume zu übertragen.Definition 2.4. Es seien X1, X2 normierte Vektorräume mit Normen ‖·‖X1

, ‖·‖X2. Eine

Abbildung f : S1 → S2 mit S1 ⊂ X1, S2 ⊂ X2 ist stetig am Punkt x ∈ S1, wenn zu jedemε > 0 ein δ(ε, x) > 0 so existiert, dass aus

‖x− y‖X1< δ(ε, x) folgt ‖f(x)− f(y)‖X2

< ε

mit y ∈ S1, f(x) , f(y) ∈ S2. Gilt noch δ(ε, x) = δ(ε), dann heißt f gleichmäßig stetig.

Allerdings ist nun die Wahl der Norm wesentlich, was auch für das Folgende gilt.Definition 2.5. Es sei X ein normierter Vektorraum mit Norm ‖·‖. Eine Folge vonPunkten (xk) mit xk ∈ X heißt konvergent gegen einen Grenzwert x ∈ X , man schreibtauch xk → x, wenn

limk→∞‖xk − x‖ = 0

gilt.

Man betrachte nun die Menge X = (0, 1] und die Folge (1/n)∞n=1. Offensichtlich gilt1/n→ 0 aber auch 0 /∈ X .

18

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Definition 2.6. Es sei X ein normierter Vektorraum mit Norm ‖·‖. Eine Menge S ⊂ Xheißt abgeschlossen, wenn für x ∈ X und xk ∈ S aus

limk→∞‖xk − x‖ = 0 folgt x ∈ S .

Die bisherige Definition der Konvergenz hat den Nachteil, der Grenzwert muss bekanntsein, damit man die Konvergenz einer Folge überprüfen kann. Die nachfolgende Definitionschafft hier Abhilfe.Definition 2.7. Es sei X ein normierter Vektorraum mit Norm ‖·‖. Eine Folge (xk) mitxk ∈ X heißt Cauchy Folge, wenn

limm,n→∞

‖xm − xn‖ = 0

gilt.

Jede konvergente Folge ist eine Cauchy Folge wegen

limm,n→∞

‖xm − xn‖ = limm,n→∞

‖(xm − x)− (xn − x)‖ ≤

≤ limm→∞

‖(xm − x)‖+ limn→∞

‖(xn − x)‖ = 0 .

Die Umkehrung gilt jedoch nur in speziellen normierten Vektorräumen.Definition 2.8. Ein normierter Vektorraum X heißt vollständig, wenn jede CauchyFolge gegen ein Element x ∈ X konvergiert. Ein vollständiger, normierter Vektorraumheißt auch Banachraum.

Zur Veranschaulichung dieser Begriffe wird die Folge stetiger Funktionen

fk(t) = tk

für 0 ≤ t ≤ 1 betrachtet. Wählt man für C ([0, 1]) als Norm

‖x‖2 =

0

x2(t) dt

1/2

,

dann folgt mit

‖tn − tm‖22 = 2 (n−m)2

(2n+ 1) (n+m+ 1) (2m+ 1)sofort

limn,m→∞

‖tn − tm‖2 = 0 .

19

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Die Grenzfunktion ist aber sicher nicht stetig. Wählt man jedoch als Norm

‖x‖∞ = max0≤t≤1

|x| ,

dann folgt aus ‖tn − tm‖∞ für den Spezialfall bereits∥∥∥tm − t2m∥∥∥∞

= 14 .

Diese Folge ist für die Norm ‖x‖∞ sicher keine Cauchy Folge. Man kann zeigen, dass derlineare Vektorraum C ([0, 1]) mit der Norm ‖·‖∞ ein Banachraum ist.

Während man für lineare Gleichungen sehr einfach feststellen kann, ob sie eine Lösungbesitzt, bzw. diese eindeutig ist, muss man sich im nichtlinearen Fall auf gewisse Spezialfälleeinschränken.Satz 2.1. S sei eine abgeschlossene Teilmenge eines Banachraumes X , und gegeben seieine Abbildung T : X → X mit T (S) ⊆ S. Wenn

‖T (x)− T (y)‖ ≤ ρ ‖x− y‖ , ∀x, y ∈ S , und 0 ≤ ρ < 1

gilt, dann hat die Gl.x = T (x)

genau eine Lösung, und die Folge xk+1 = T (xk) konvergiert für jeden Anfangswert x0 ∈ Sgegen diese Lösung. Man nennt T eine Kontraktion und x ∈ S einen Fixpunkt.

Die Eindeutigkeit der Lösung kann besonders einfach gezeigt werden. Es gelte T (x) = x,T (y) = y, dann folgt aus

T (x)− T (y) = x− y‖T (x)− T (y)‖ = ‖x− y‖

mit ρ = 1 sofort ein Widerspruch. Um die Konvergenz der Folge (xk), xk+1 = T (xk) zuzeigen, betrachte man die Abschätzungen

‖x2 − x1‖ ≤ ρ ‖x1 − x0‖‖x3 − x2‖ ≤ ρ2 ‖x1 − x0‖

...‖xk+1 − xk‖ ≤ ρk ‖x1 − x0‖ .

Aus

‖xn+d+1 − xn‖ = ‖(xn+d+1 − xn+d) + · · ·+ (xn+1 − xn)‖≤ ‖(xn+d+1 − xn+d)‖+ · · ·+ ‖(xn+1 − xn)‖≤

(ρn+d + · · ·+ ρn

)‖x1 − x0‖

≤ ρn1− ρd+1

1− ρ ‖x1 − x0‖

20

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folgt, dass ‖xn+d+1 − xn‖ eine Cauchy Folge ist, die in einem Banachraum gegen einenGrenzwert x konvergieren muss.

Es seien X , Y lineare Vektorräume, dann wird mit L (X ,Y) die Menge der linearenAbbildungen von X nach Y bezeichnet. Man überzeugt sich leicht, dass L (X ,Y) selbstwieder ein linearer Vektorraum ist (Wie wird L (X ,R) bezeichnet, wenn R der Skalarkörpervon X ist?). Sind X , Y noch normierte Vektorräume, dann kann man auf L (X ,Y) aufeinfache Art eine Norm einführen.Satz 2.2. Es seien X , Y normierte lineare Vektorräume mit den Normen ‖·‖X , ‖·‖Y ,dann ist mit T ∈ L (X ,Y) durch

‖T‖L(X ,Y) = sup‖x‖X=1

‖Tx‖Y

eine sogenannte Operatorennorm auf L (X ,Y) gegeben.

Man überzeugt sich leicht, dass eine Operatorennorm die Axiome einer Norm erfüllt.Zusätzlich gilt noch

‖ST‖L(X ,Z) ≤ ‖S‖L(Y,Z) ‖T‖L(X ,Y)

mit den nomierten Vektorräumen X , Y , Z und T ∈ L (X ,Y), S ∈ L (Y ,Z).Mit Hilfe folgender Ungleichung, sie heißt auch Gronwall’s Ungleichung, kann die

Lösung eines Differenzialgleichungssystems einfach abgeschätzt werden.Satz 2.3. Es gelte λ ∈ C ([0, δ]) sowie λ : [0, δ]→ R+. Ist mit C,K ≥ 0 auch

λ(t) ≤ C +tˆ

0

Kλ(τ) dτ

für alle 0 ≤ t ≤ δ erfüllt, dann gilt

λ(t) ≤ CeKt

für alle 0 ≤ t ≤ δ.

Um diesen Satz zu zeigen, wird zuerst der Fall C > 0 betrachtet. Aus

µ(t) = C +tˆ

0

Kλ(τ) dτ

folgt sofortµ(t) > 0 und λ(t) ≤ µ(t) .

Durch Differentiation folgtµ = Kλ

21

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sowieµ

µ= Kλ

µ

ddt ln(µ(t)) = Kλ(t)

µ(t)≤ K .

Durch Integration erhält man

ln(µ(t)) ≤ ln(µ(0)) +Kt ,

und mit µ(0) = C folgt dannλ(t) ≤ µ(t) ≤ CeKt .

Den Fall C = 0 erhält man durch Grenzübergang aus obiger Betrachtung.

2.1.2 Lokale Existenz und Eindeutigkeit des Anfangswertpro-blems

Die Lösung eines Systems von gewöhnlichen Differenzialgleichungen muss nicht eindeutigsein. Hiezu betrachte man das Beispiel

x = x1/3 mit x0 = 0 .

Man überzeugt sich leicht, dass

x(t) = 0 und x(t) =(2t

3

)3/2

Lösungen des Problems sind. Obwohl die rechte Seite der Differenzialgl. stetig ist, ist dieLösung nicht eindeutig. Tatsächlich garantiert die Stetigkeit die Existenz einer Lösung, fürdie Eindeutigkeit werden jedoch weitere Bedingungen benötigt. Im Folgenden wird daszeitvariante System

x = f(t,x) , x(t0) = x0 (2.2)untersucht, da damit auch der nichtautonome Fall abgedeckt ist.Satz 2.4. Für die Abbildung f : T × B → Rn von Gl. 2.2 mit T = [t0 − τ, t0 + τ ],B = {x ∈ Rn | ‖x− x0‖ ≤ r} gelte f(·,x) ∈ BV , und sie genüge der Abschätzung

‖f(t,x)− f(t,y)‖ ≤ L ‖x− y‖

∀x,y ∈ B und ∀t ∈ T . Dann existiert ein Intervall T ′ = [t0 − δ, t0 + δ], τ ≥ δ > 0 undgenau eine Funktion x : T ′ ×B → B mit x(t0) = x0 so, dass die Gl.

ddtx(t) = f(t,x(t))

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fast überall erfüllt ist.

Um obigen Satz zu zeigen, betrachten wir anstelle Gl 2.1 die Integralgleichung

x(t) = x0 +tˆ

t0

f(τ,x(τ)) dτ .

Eine Lösung dieser Gleichung erfüllt Gl. 2.2 offensichtlich fast überall. Weiters muss x (t)stetig in t sein. Der Beweis wird nur für das Intervall [t0, t0 + δ] geführt. Für [t0 − δ, t0]erhält man die entsprechenden Aussagen durch Rückwärtsintegration. Nun konstruierenwir mittels der Beziehung

(Px)(t) = x0 +tˆ

t0

f(τ,x(τ)) dτ (2.3)

vorerst eine Abbildung der Menge der stetigen Funktionen x : T ′ × Rn → Rn auf sichselbst. Man kann sich nun davon überzeugen, dass diese Menge mit

‖x(·)‖C = maxt∈T ′‖x(t)‖

ein normierter Vektorraum wird, wobei hier ‖·‖ eine Norm des Rn bezeichnet. Als ersteswird gezeigt, dass

(Px1)(t)− (Px2)(t) =tˆ

t0

f(τ,x1(τ)) dτ −tˆ

t0

f(τ,x2(τ)) dτ

für x1(τ) ,x2(τ) ∈ B, τ ∈ [t0, t0 + δ] eine Kontraktion (Satz 2.1) ist. Es gilt

‖(Px1)(t)− (Px2)(t)‖ ≤t

t0

‖f(τ,x1(τ))− f(τ,x2(τ))‖ dτ

≤t

t0

L ‖x1(τ)− x2(τ)‖ dτ

≤ Lδ ‖x1(·)− x2(·)‖C ,

wobei‖x1(·)− x2(·)‖C = max

t∈[t0,t0+δ](‖x1(t)− x2(t)‖)

gemeint ist. Durch geeignete Wahl von

δ < min(τ,

1L

)erhält man durch Gl. 2.3 also eine Kontraktion. Obige Abschätzung setzt voraus, dass

‖x(τ)− x0‖ ≤ r , τ ∈ [t0, t0 + δ]

23

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gilt, oder P bildet die Menge stetigen Funktionen x : T ′ ×B → B also auf sich selbst ab.Bezeichnet man die Menge aller Funktionen x, die dieser Abschätzung genügen mit S,dann verbleibt zu zeigen, dass P (S) ⊆ S gilt

‖(Px)(t)− x0‖ ≤t

t0

‖f(τ,x(τ))‖ dτ

≤t

t0

‖f(τ,x(τ))− f(τ,x0) + f(τ,x0)‖ dτ

≤t

t0

(‖f(τ,x(τ))− f(τ,x0)‖+ ‖f(τ,x0)‖) dτ

≤t

t0

(L ‖x(τ)− x0‖+ h) dτ

≤ δ (Lr + h)

mith = sup

t∈[t0,t0+δ](‖f(t,x0)‖) .

Wählt man nunδ ≤ r

Lr + h,

wird S durch P auf sich selbst abgebildet. Mittels der Beziehung

δ = min(τ,

r

Lr + h,ρ

L

)mit ρ < 1

ist dann die Existenz und Eindeutigkeit einer Lösung in S für t ∈ [t0, t0 + δ] gezeigt. Gibtes aber vielleicht Lösungen, die nicht in S enthalten sind? Bezeichnet man die Menge derstetigen, n-dimensionalen, vektorwertigen Funktionen x mit X mit der Norm

‖x‖C = maxt∈[t0,t0+δ]

(‖x(t)‖) , (2.4)

dann gilt mitS = {x ∈ X | ‖x− x0‖C ≤ r}

S ⊂ X . Die Frage ist, gibt es ein x mit x ∈ X aber x /∈ S? Da jede Lösung die Bedingungx(t0) = x0 erfüllt, müsste so die Gl.

‖x(t0 + µ)− x0‖ = r

eine Lösung µ mit µ < δ besitzen. Andererseits gilt

‖x(t)− x0‖ ≤t

t0

(‖f(τ,x(τ))− f(τ,x0)‖+ ‖f(τ,x0)‖) dτ

≤t

t0

(L ‖x(τ)− x0‖+ h) dτ

≤t

t0

(Lr + h) dτ

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oderr = ‖x(t0 + µ)− x0‖ ≤ (Lr + h)µ

bzw.µ ≥ r

Lr + h≥ δ .

Für jede Lösung gilt also

x(t) ∈ B fur t ∈ [t0, t0 + δ] ,

womit die Eindeutigkeit der Lösung in S die der in X zufolge hat.In vielen Fällen kann einfach nachgewiesen werden, dass die rechte Seite f von Gl. 2.2

stetig differenzierbar ist.Satz 2.5. Die Funktion f von Gl. 2.2 sei auf der Menge T ′ ×D mit T ′ = [t0 − δ, t0 + δ],D = {x ∈ Rn | ‖x− x0‖ ≤ r} für alle t ∈ T ′ stetig nach x differenzierbar. Dann gibt eseine Konstante L so, dass

‖f(t,x)− f(t,y)‖ ≤ L ‖x− y‖

auf T ′ ×D gilt.

Oftmals wird anstelle Gl. 2.2 das „autonome“ System

x′ = f(t,x)t′ = 1

betrachtet, wobei mit ′ die Ableitung nach dem Kurvenparameter, z.B. τ , der Lösung(t(τ) ,x(τ)) bezeichnet wird. Mit der Anfangsbedingung t(τ0) = t0, x(τ0) = x0 folgt dannτ = t. Man beachte aber, dass die Bedingungen von Satz 2.4 jetzt eine einschränkendereForm annehmen.

2.1.3 Globale Existenz und Eindeutigkeit

Um Satz 2.4 auf ein beliebiges Intervall [t0, t1] auszudehnen, werden zusätzliche Restriktio-nen für f von Gl. 2.2 benötigt, siehe dazu den folgenden SatzSatz 2.6. Für die Funktion f von Gl. 2.2 gelte f : T × Rn → Rn mit T = [t0 − τ, t0 + τ ]sowie f(·,x) ∈ BV , und sie genüge den Abschätzungen

‖f(t,x)− f(t,y)‖ ≤ L ‖x− y‖‖f(t,x0)‖ ≤ h

∀x,y ∈ Rn und ∀t ∈ T ′. Dann existiert genau eine Funktion x : T ′ × Rn → Rn mit

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x(t0) = x0 so, dass die Gl.ddtx(t) = f(t,x(t))

fast überall für ∀t ∈ T ′ erfüllt ist.

Die lokale Natur von Satz 2.4 ist eine Folge der Bedingung

δ = min(τ,

r

Lr + h,ρ

L

)mit ρ < 1 .

Da jetzt die Lipschitzbedingung global gilt, kann durch hinreichend große Wahl von robige Bedingung durch

δ = min(τ,ρ

L

)mit ρ < 1

ersetzt werden. Gilt τ ≤ ρList man fertig, anderenfalls unterteile man τ in endlich viele

Teile mit δ ≤ ρLund wiederhole obige Argumentation.

2.1.4 Abhängigkeit von den Anfangswerten

Nun wird untersucht, wie sich verschiedene Anfangswerte auswirken. Es gelte

x = f(t,x) x(t0) = x0

y = f(t,y) y(t0) = y0 .

Aus

x(t)− y(t) = x0 − y0 +tˆ

t0

(f(τ,x(τ))− f(τ,y(τ))) dτ

folgt

‖x(t)− y(t)‖ ≤ ‖x0 − y0‖+ L

tˆt0

‖x(τ)− y(τ)‖ dτ

und mittels Gronwall’s Ungleichung (Satz 2.3)

‖x(t)− y(t)‖ ≤ ‖x0 − y0‖ eL(t−t0) . (2.5)

Satz 2.7. Die Funktion f von Gl. 2.2 genüge den Bedingungen von Satz 2.6. Dannexistiert zu jedem ε mit

maxt∈[t0,t0+τ ]

‖x(t)− y(t)‖ ≤ ε

mit t ∈ [t0, t0 + τ ] ein δ(ε, t) > 0 mit ‖x0 − y0‖ < δ.

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Die durch die Diff.gl gegebene Abbildung x0 → x(t) ist also stetig, und sie hat auch einestetige Inverse. Letzteres folgt einfach durch Rückwärtsintegration.

Nun wird untersucht, wie sich kleine Abweichungen vom Anfangswert x0 auswirken,wenn f stetig nach x differenzierbar ist, also

f(t,x + ∆x) = f(t,x) + ∂

∂xf(t,x) ∆x + r(t,x,∆x)

mitlim

‖∆x‖→0

1‖∆x‖

r(t,x,∆x) = 0

für alle t gilt. Mitx = f(t,x) , x(t0) = x0y = f(t,y) , y(t0) = x0 + ∆x0z = ∂

∂xf(t,x) z , z(t0) = ∆x0

folgt

y(t)− x(t)− z(t) =tˆ

t0

(f(τ,y(τ))− f(τ,x(τ))− ∂

∂xf(τ,x(τ)) z(τ)

)dτ

und

‖y(t)− x(t)− z(t)‖ ≤tˆ

t0

∥∥∥∥∥f(τ,y(τ))− f(τ,x(τ))− ∂

∂xf(τ,x(τ)) z(τ)

∥∥∥∥∥ dτ .

Aus

‖y(t)− x(t)− z(t)‖ ≤tˆ

t0

∥∥∥∥∥ ∂∂xf(τ,x (τ)) [y(τ)− x(τ)− z(τ)] + r(τ,x(τ) ,∆x(τ))

∥∥∥∥∥ dτ

folgt

‖y(t)− x(t)− z(t)‖ ≤tˆ

t0

∥∥∥∥∥ ∂∂xf(τ,x(τ)) [y(τ)− x(τ)− z(τ)]

∥∥∥∥∥ dτ

+tˆ

t0

‖r(τ,x(τ) ,∆x(τ))‖ dτ .

Nun existiert sicher eine Konstante K wegen der stetigen Differenzierbarkeit von f so, dass∥∥∥∥∥ ∂∂xf(τ,x(τ)) [y(τ)− x(τ)− z(τ)]

∥∥∥∥∥ ≤ K ‖y(τ)− x(τ)− z(τ)‖

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gilt. Da die durch Gl. 2.2 gegebene Abbildung stetig ist (Satz 2.7) gibt es zu jedem ε mit

‖r(t,x,∆x)‖C ≤ ε ‖y− x‖C = ε ‖∆x‖Cein δ > 0 mit ‖∆x0‖ < δ so, dass man wegen Gl. 2.5 erhält

‖∆x(t)‖ ≤ ‖∆x0‖ eL(t−t0) ,

und damit die Abschätzung

‖y(t)− x(t)− z(t)‖ ≤ K

tˆt0

‖y(τ)− x(τ)− z(τ)‖ dτ +tˆ

t0

‖∆x0‖ eL(τ−t0)dτ

≤ K

tˆt0

‖y(τ)− x(τ)− z(τ)‖ dτ + C ‖∆x0‖ .

Mit Hilfe von Gronwall’s Ungleichung 2.3 folgt dann sofort

‖y(τ)− x(τ)− z(τ)‖ ≤ ‖∆x0‖CeK(t−t0)

und damit nachstehender Satz.Satz 2.8. Die Funktion f von Gl. 2.2 sei stetig nach x differenzierbar und genüge denBedingungen von Satz 2.6. Dann existiert für jedes t ∈ [t0, t0 + τ ] die Ableitung

∂x0x(t,x0) = X(t,x0)

und sie ist Lösung der Diff.gln.

x = f(t,x) , x(t0) = x0

X =(∂

∂xf)

(t,x) X , X(t0) = E .

2.1.5 Einfluss von Parametern

Vielfach möchte man den Einfluss von Parametern auf eine Diffgl. der Art

x = f(t,x,p) (2.6)

mit p ∈ Rd untersuchen. Da die Untersuchungen ein Spezialfall derer bezüglich derAnfangswerte sind, dazu betrachte man nur das System

x = f(t,x,p)p = 0

mit p(t0) = p0, werden hier nur die Ergebnisse zusammengefasst.

28

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Satz 2.9. Die Funktion f(t,x,p) von Gl. 2.6 sei stetig am nominellen Punkt p0 undgenüge für alle p mit ‖p0 − p‖ ≤ r den Bedingungen von Satz 2.6, dann existiert zujedem ε mit

‖x(t,p0)− x(t,p1)‖ ≤ ε

für alle t ∈ [t0, t0 + τ ] ein δ(ε, t) > 0 mit ‖p0 − p1‖ < δ.

Analog zu Satz 2.8 erhält man:Satz 2.10. Die Funktion f(t,x,p) von Gl. 2.6 sei stetig nach p differenzierbar undgenüge für alle p, ‖p0 − p‖ ≤ r den Bedingungen von Satz 2.6. Dann existiert für jedest ∈ [t0, t0 + τ ] die Ableitung

∂px(t,p) = X(t,p)

und sie ist Lösung der Diff.gln.

x = f(t,x,p) . x(t0) = x0

X =(∂∂xf

)(t,x,p)) X +

(∂∂pf

)(t,x,p) X(t0) = 0 .

Die Lösung obiger Gleichung nennt man auch die Empfindlichkeitsfunktion.

2.2 Der Fluss zu einem Differentialgleichungssystem

Im Folgenden wird nun wieder die autonome Diff.gl 2.1 betrachtet. Genügt Gl. 2.1 denBedingungen von Satz 2.6, dann ist durch sie (für festes t) eine eindeutige Abbildung

Φt : Rn → Rn , x0 7→ x(t) (2.7)

gegeben. Diese Abbildung ist umkehrbar eindeutig. Um dies zu zeigen, muss man dasSystem nur rückwärts integrieren. Wegen Satz 2.7 ist diese Abbildung stetig, und erfüllt siedie Voraussetzungen von Satz 2.8, dann ist sie sogar stetig nach x differenzierbar.Definition 2.9. Die durch Gl. 2.1 nach Satz 2.6 eindeutig bestimmte Funktion Φt(x),Φt : R× Rn → Rn, x0 7→ x(t) heißt Fluss der Diff.gl.. Die Funktion x(t) = Φt(x0) heißtIntegralkurve.

Ein Fluss hat nun ganz spezielle Eigenschaften.Satz 2.11. Gl. 2.1 möge die Voraussetzungen von Satz 2.6 erfüllen, dann gilt für den

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Fluss Φt(x) dieser Gl.

1) Φ0(x) = x2) Φs+t(x) = (Φs ◦Φt)(x) = (Φt ◦Φs)(x)3) Φ−1

s (x) = Φ−s(x)4) ∂

∂tΦt(x)

∣∣∣t=0

= f(Φt(x))|t=0 = f(x) .

Bezüglich der Komposition ◦ werden folglich die Bedingungen einer abelschen (kommuta-tiven) Gruppe erfüllt.

Dieser Satz besagt also, dass durch Gl. 2.1 ein dynamisches System gegeben ist, sofern esdie Bedingungen von Satz 2.6 erfüllt. Aus dem Grenzübergang

lim∆t→0

1∆t (Φt+∆t(x0)−Φt(x0)) = lim

∆t→0

1∆t (x(t+ ∆t)− x(t)) = f(x)

und dem Obigen ergibt sich sofort, dass Φt auch stetig nach t differenzierbar ist, und manerhält die Abbildung x 7→ f(x). Nun ist es zweckmäßiger anstelle dieser Abbildung IhrenGraphen x 7→ (x, f(x)) zu betrachten, und man erkennt hier die Idee eines Vektorfeldes.Gilt x ∈ Rn, dann folgt (x, f(x)) ∈ Rn × Rn.Definition 2.10. Es gelte x ∈ X = Rn sowie x ∈ Rn. Die mit den Koordinaten(x, x) ∈ X n×Rn versehene Menge T (X ) heißt das Tangentialbündel von X . Gegeben seieine Transformation F : X → X = Rn mit x = F(x) mit einer invertierbaren, zumindeststetig differenzierbaren Funktion, dann gilt für die Transformation DF : T (X )→ T

(X),

wobei nun die Koordinaten(x, ˙x

)für T

(X)verwendet werden,

x = F(x) , ˙x = ∂F∂x

(x) x .

Eine Abbildung Rn → T (X ) mit x 7→ (x, f(x)) heißt Schnitt von T (X ) oder auchTangenzialvektorfeld.

Diese Definition ist ein Sonderfall einer wesentlich allgemeineren, sie reicht aber für dieZwecke dieser Vorlesung aus. Man beachte, dass aus

∂x(F−1 ◦ F(x)

)= ∂

∂xx

∂xF−1 ◦ F(x) ∂

∂xF(x) = E(

∂xF)−1

∂xF(x) = E

nicht nur die Regularität von ∂xF folgt, sondern auch dass die Jacobi Matrix der inversenAbbildung F−1 mit der Inversen der Jacobi Matrix von F zusammenfällt. Dabei ist die

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Vorraussetzung, F(x) sei stetig nach x differenzierbar, wesentlich für diese Eigenschaft. Esist nun leicht zu zeigen, dass ein Fluss Φt(x) bei einem Übergang von x zu x sich gemäßder Vorschrift Φt(x) = F ◦Φt ◦ F−1(x) transformiert, wobei Φt wieder ein Fluss ist. Fürein Vektorfeld x 7→ (x, f(x)) folgt dann noch unmittelbar die Transformationsvorschrift(x, ˙x

)= (F(x) , (∂xF f) ◦ F−1(x)). Weiters zeigt die Rechnung

ddt x(t) = d

dtF(x(t))

= ∂F∂x

(x(t)) ddtx(t)

= ∂F∂x

(x(t)) f(x(t))

= ∂F∂x◦ F−1(x(t)) f ◦ F−1(x(t))

=(∂F∂x

f)◦ F−1(x(t)) ,

dass die Transformationsregeln für Schnitte des Tangentialbündels mit der von autonomenSystemen nach Gl. 2.1 übereinstimmen. Ist der Fluss x = Φt(x) noch stetig nach xdifferenzierbar, dann folgt aus

∂x(Φ−t ◦Φt(x)) = ∂

∂xx

∂xΦ−t ◦Φt(x) ∂

∂xΦt(x) = E(

∂xΦt

)−1∂

∂xΦt(x) = E

sofort der nachfolgende Satz.Satz 2.12. Gegeben sei ein Fluss Φt(x) auf X = Rn, wobei Φt(x) stetig nach x differen-zierbar sei, dann ist

(Φt(x) , ∂

∂xΦt(x) x)ein Fluss auf T (X ).

Man beachte wieder, dass die Vorraussetzung, Φt(x) sei stetig nach x differenzierbar,wesentlich für diesen Satz ist. Mit der Abkürzung

∂x0Φt(x0) = X(t,x0)

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sieht man nun sofort, das X Lösung der Gln.

x = f(x) , x(t0) = x0

X = ∂t∂

∂x0Φt(x0) = ∂

∂x0∂tΦt(x0) , X(t0,x0) = E

= ∂

∂x0f(Φt(x0))

= ∂

∂xf(Φt(x0)) ∂

∂x0Φt(x0)

= ∂

∂xf(x) X

ist, siehe dazu auch Satz 2.8.Die Definition eines Flusses ist hier global. Das ist sicher der Idealfall, aber Satz 2.4

zeigt, dass ein System nach Gl. 2.2 im Allgemeinen nur die lokale Existenz einer Lösunggarantiert. Gelten die obigen Eigenschaften der Funktion Φt(x) nur auf den MengenT = [t1, t2] ⊂ R sowie einer offenen Menge X ⊂ Rn, x0 ∈ X , dann nennt man Φt(x) einenlokalen Fluss definiert auf einer Umgebung von x0. Auch die durch ihn erzeugte abelscheGruppe existiert nur mehr lokal für t ∈ T .

2.3 Inverse und implizite Funktion

Wir haben bereits gezeigt, dass die Jacobi Matrix ∂xF zu einer stetig differenzierbarenund invertierbaren Abbildung F regulär ist. Der folgende Satz untersucht nun den Falleiner stetig differenzierbaren Abbildung F mit regulärer Jacobi Matrix ∂xF.Satz 2.13. Die Abbildung f : U → V sei in einer offenen Umgebung U = {x ∈ Rn|‖x− x0‖ < ε} eines Punktes x0 ∈ Rn zumindest einmal stetig differenzierbar. Weitersgelte

x0 = f(x0) sowie rank(∂

∂xf(x0)

)= n ,

dann existiert eine offene Umgebung U ′ = {x ∈ Rn| ‖x− x0‖ < ε′ ≤ ε} ⊆ U von x0 so,dass f−1 auf V ′ = f(U ′) existiert und mindestens 1 mal stetig differenzierbar ist.

Um diesen Satz, er heißt auch der Satz von der Existenz und Eindeutigkeit der Umkehr-funktion, zu zeigen, wird eine Kontraktion konstruiert. Dazu wähle man ein λ mit

2λ∥∥∥M−1

∥∥∥ = 1 , M = ∂xf(x0) .

Da f stetig differenzierbar ist gibt es eine Umgebung U = {x ∈ Rn| ‖x− x0‖ < ε ≤ ε} so,dass

‖∂xf(x)−M‖ < λ

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gilt. Zu jedem y ∈ f(U)bilden wir die Abbildung

G(x) = x + M−1 (y− f(x)) ,

und man sieht sofort, dass x mit y = f(x) ein Fixpunkt von G ist. Nun folgt aus

∂xG(x) = E−M−1∂xf(x)= M−1 (M− ∂xf(x))

‖∂xG(x)‖ =∥∥∥M−1 (M− ∂xf(x))

∥∥∥≤

∥∥∥M−1∥∥∥ ‖M− ∂xf(x)‖

≤ 12λλ = 1

2

die Abschätzung

‖G(x2)−G(x1)‖ ≤ maxλ∈[0,1]

‖∂xG(x2 − λ (x2 − x1))‖ ‖x2 − x1‖

≤ 12 ‖x2 − x1‖ ,

wobei hier eine Version des Mittelwertsatzes der Differenzialrechnung, siehe Aufgaben,benutzt wurde. Wir wählen nun eine Umgebung U = {x ∈ Rn| ‖x− x0‖ ≤ ε ≤ ε} für die‖y− y0‖ < λε zur Folge hat. Für so ein y folgt dann

‖G(x0)− x0‖ =∥∥∥M−1 (y− y0)

∥∥∥≤

∥∥∥M−1∥∥∥ ‖y− y0‖

≤ ε

2 .

Weiters gilt für jede x ∈ U die Abschätzung

‖G(x)− x0‖ = ‖G(x)−G(x0) + G(x0)− x0‖≤ ‖G(x)−G(x0)‖+ ‖G(x0)− x0‖

≤ 12 ‖x− x0‖+ ε

2

und damit12 ‖x− x0‖+ ε

2 ≤ ε

‖x− x0‖ ≤ ε .

Da U abgeschlossen ist, gilt G(U)⊂ U , und G ist eine Kontraktion, und so konvergiert

nach Satz 2.1 die Folge xn+1 = G(xn) gegen den Fixpunkt x mit f(x) = y.

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Verbleibt noch den zweiten Teil des Satzes zu zeigen. Aufgrund des Obigen folgt

∂yf−1(y) =

(∂

∂xf)−1

◦ f−1(y) .

Wegen der Voraussetzungen für ∂∂xf(x) ist ∂

∂xf(x) regulär in einer Umgebung von x0 unddamit hängt

(∂∂xf

)−1(x) dort sicher stetig von x ab. Es verbleibt also zu zeigen, dass die

Umkehrfunktion x = f−1(y) stetig ist. Nun folgt aus

G(x)−G(x0) = x− x0 + M−1 (f(x)− f(x0))

und dem Obigen ∥∥∥x− x0 −M−1(y− y0)∥∥∥ ≤ 1

2 ‖x− x0‖

mit y0 = f(x0), y = f(x). Damit diese Ungleichung halten kann, muss notwendigerweisegelten ∥∥∥M−1 (y− y0)

∥∥∥ ≥ 12 ‖x− x0‖ ,

und man erhält die Abschätzung

‖x− x0‖ ≤ 2∥∥∥M−1

∥∥∥ ‖y− y0‖ = λ ‖y− y0‖ .

Der Rest folgt aus

f−1(y)−f−1(y0)−M−1 (y− y0) = x−x0−M−1 (y− y0) = M−1 (M (x− x0)− (y− y0))

und‖f−1(y)− f−1(y0)−M−1 (y− y0)‖

‖(y− y0)‖ = ‖M−1 (M (x− x0)− (y− y0))‖‖(y− y0)‖

≤ 12‖f(x)− f(x0)−M (x− x0)‖

‖(x− x0)‖ ,

denn für y→ y0 folgt x→ x0. Da die rechte Seite der Ungleichung gegen 0 konvergiert,muss dies auch für ihre linke Seite gelten. Der folgende Satz ist nun eine Erweiterung desvorigen.Satz 2.14. Die Abbildung f : U × V → Rn sei auf einer offenen Umgebung U × V ,U = {x ∈ Rm| ‖x− x0‖ < εU}, V = {y ∈ Rn| ‖y− y0‖ < εV } eines Punktes (x0,y0) ∈Rm × Rn stetig differenzierbar. Weiters gelte

f(x0,y0) = 0 sowie rank(∂

∂yf(x0,y0)

)= n ,

dann existiert eine offene Umgebung U ′ × V ′, U ′ = {x ∈ Rn| ‖x− x0‖ < ε′U ≤ εU} ⊆ U ,V ′ = {y ∈ Rn| ‖y− y0‖ < ε′V ≤ εV } ⊆ V von (x0,y0) so, dass dort genau eine einmal

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stetig differenzierbare Funktion g : Rm → Rn mit y = g(x) und

f(x,g(x)) = 0

existiert.

Man überzeugt sich leicht, dass man diesen Satz, er heißt auch der Satz von der Existenzund Eindeutigkeit der impliziten Funktion, von Satz 2.13 erhält, wenn man die Beziehung

f(x) = (x, f(x,y)) = y = (y1, y2)

sowiex = (x1, x2) = f−1(y) = f−1(y1, y2)

fürx1 = x , x2= y , y1 = x , y2 = 0

auswertet. In umgekehrter Richtung führt die Gl.

f(x,y) = f(x)− y = 0

zum Ziel.

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2.4 AufgabenAufgabe 2.1. Durch

a(x) : Rn → Rn

b(x) : Rn → Rn

seien zwei lineare Abbildungen des Rn auf sich selbst gegeben. Ist die Komposition

(a ◦ b)(x) = a(b(x))

wieder eine lineare Abbildung? Gilt

a ◦ b = b ◦ a?

D.h., sind lineare Abbildungen bezüglich des Hintereinanderausführens kommutativ? DieAbbildungen a und b sind durch die Matrizen A und B mit

y = Ax und y = Bx

gegeben. Wie lauten die Matrizendarstellungen zu obigen Kompositionen?

Aufgabe 2.2. Wählen Sie das spezielle dynamische System

x(t) = eAtx0

oderΦt = eAt .

Interpretieren Sie jetzt die Eigenschaften der Transitionsmatrix neu.

Aufgabe 2.3. Leiten Sie die differentielle Beschreibung eines dynamischen Systems für dieBewegung eines Punktes auf dem Einheitskreis des R2 ab.

Aufgabe 2.4. Gegeben ist ein lineares Gleichungssystem der Form

Ax = b

mit einer n× n Matrix A. Es gelte

|aii| >∑i 6=j|aij| .

Zeigen Sie, dass das Gleichungssystem Ax = b eine eindeutige Lösung besitzt und diesemittels der Differenzengleichung

Dxk+1 = (D−A) xk + b mit k ≥ 0 und D = diag(a11, a22, . . . , ann)

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für jedes x0 ∈ Rn berechnet werden kann.

Aufgabe 2.5. Gegeben ist das Anfangswertproblem

x = f(t,x) mit x(t0) = x0 und f(t,0) = 0 .

Die Funktion f(t,x) erfülle auf der Menge [t0,∞)×D mit D = {x ∈ Rn | ‖x‖2 < r} dieLipschitzbedingung

‖f(t,x)− f(t,y)‖2 ≤ L ‖x−y‖2 ,

und die Lösung x(t) verbleibe für t ≥ t0 inD. Zeigen Sie, dass nachfolgende Ungleichungengelten.

1. ∣∣∣∣∣ ddtx

T (t) x(t)∣∣∣∣∣ ≤ 2L ‖x(t)‖2

2

2.‖x0‖2 e

−L(t−t0) ≤ ‖x(t)‖2 ≤ ‖x0‖2 eL(t−t0)

Aufgabe 2.6. Das mathematische Modell eines elektrischen Netzwerkes mit einer Tunnel-diode lautet[

x1x2

]=[ 1

C(−h(x1) + x2)

1L

(−x1 −Rx2)

]mit h(x1) = α0 − α1x1 − α2x

21 + α3x

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wobei α0, α1, α2 und α3 ∈ R+ gilt. Stellen Sie fest, ob die rechte Seite der Diff.gl.

• für hinreichend kleines r lokal Lipschitz,

• für endliches r lokal Lipschitz

• oder global Lipschitz

in x auf Dr = {x ∈ Rn | ‖x‖ < r} ist.

Aufgabe 2.7. Angenommen die Parameter R und C des mathematischen Modells vonobiger Aufgabe variieren um ihren Nominalwert. Wie lautet die zugehörige Empfindlich-keitsfunktion, bzw. deren Diff.gl.?

Aufgabe 2.8. Zeigen Sie, dass gilt

‖f(x2)− f(x1)‖ ≤ maxλ∈[0,1]

‖∂xf(x2 − λ (x2 − x1))‖ ‖x2 − x1‖

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für eine stetig differenzierbare Funktion f : Rn 7→ Rn. Hinweis: Benutzen Sie denMittelwertsatz der Differenzialrechnung.

Aufgabe 2.9. Beweisen Sie Satz 2.14 direkt, also ohne Rückführung auf Satz 2.13.

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Literaturverzeichnis

[1] Hirsch M., Smale S.: Differential Equations, Dynamical Systems and Linear Algebra,Academic Press, 1974.

[2] Khalil H.K.: Nonlinear Systems, MacMillan Publishing Company, 1992.

[3] Luenberger D.G.: Introduction to Dynamic Systems, John Wiley & Sons, 1979.

[4] Slotine E., Li W.: Applied Nonlinear Control, Prentice–Hall, Inc. 1991.

[5] Vidyasagar M.: Nonlinear Systems Analysis, Prentice Hall, 1993.

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Kapitel 3

Systeme zweiter Ordnung

Systeme zweiter Ordnung stellen insofern einen Sonderfall dar, da ihre Lösungen als Kurvenin der Zeichenebene darstellbar sind. Ein freies System wird durch die Diff.gl.

x1 = f1(x1, x2, t)x2 = f2(x1, x2, t)

mit x1(t0) = x1,0x2(t0) = x2,0 ,

(3.1)

ein autonomes durchx1 = f1(x1, x2)x2 = f2(x1, x2) mit x1(t0) = x1,0

x2(t0) = x2,0(3.2)

beschrieben. Als Zustandsraum zu obigen Systemen wird die Teilmenge der Zeichenebene(R2), wo die Lösungen wohl definiert sind, gewählt. Bezeichnet

x(t) = Φt(x) mit x =[x1x2

]

den Fluss zu Gl. 3.2, dann heißt der Graph von Φt(x) mit t, t ≥ t0 als Parameter Trajektorieder Lösung von Gl. 3.2.

3.1 Phasenebene

Hat das System Gl. 3.1 die spezielle Form

x1 = x2x2 = f2(x1, x2, t)

mit x1(t0) = x1,0x2(t0) = x2,0

, (3.3)

dann nennt man seinen Zustandsraum auch Phasenebene. Ist das System Gl. 3.3 nochzeitinvariant, kann aus dem Verlauf der Trajektorie einfach der Wert des Parameters termittelt werden. Mit

dt = 1x2

dx1

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folgtt = t0 +

ˆ

C

1x2

dx1 ,

wobei die Integration entlang der durch Φτ (x0) gegebenen Kurve C mit 0 ≤ τ ≤ t in derPhasenebene zu erfolgen hat, und x2 6= 0 auf C vorausgesetzt wird.

3.2 Das Vektorfeld

Vektorfelder von Systemen nach Gl. 3.1 lassen sich sehr einfach graphisch darstellen.Vektorfelder sind nicht nur die infinitesimalen Generatoren von Flüssen, sie treten auch inanderen Teildisziplinen der Mechatronik auf. Als Beispiel wird das elektrostatische Feldzweier, örtlich fester Punktladungen q1 und q2 im Raum betrachtet, siehe Bild 3.1. Befindetsich die Ladung q1 in der Position

xq1 =

xq1,1xq1,2xq1,3

,

dann wird jedem Punkt x ∈ R3 durch

E1(x) = q1

4πε0

(x− xq1)((xq1,1 − x1)2 + (xq1,2 − x2)2 + (xq1,3 − x3)2)3/2

q1 q2

E

E1E2

x

Bild 3.1: Ein durch Ladungen erzeugtes Vektorfeld.

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die Feldstärke E1 zugeordnet. Die Ladung q2 erzeugt analog dazu das Feld E2. BeideVektorfelder dürfen überlagert werden, und man erhält bekannterweise für die Kraft aufeine Testladung q am Ort x die Beziehung

F = qE1(x) + qE2(x) .

Man beachte, dass die Summe qE1(x1) + qE2(x2) für x1 6= x2 keine sinnvolle Operationdarstellt, dazu nachstehende Definition.Satz 3.1. Auf einer Menge M ⊂ Rn seien zwei Vektorfelder f1, f2 gegeben, derenKomponenten r-mal stetig differenzierbar sind. Dann ist f ,

f(x) = g1(x) f1(x) + g2(x) f2(x) , x ∈ S ,

mit den r-mal stetig differenzierbaren Funktionen g1, g2 : M → R ebenfalls ein Vektorfeldauf M , dessen Komponenten r-mal stetig differenzierbar sind.

Der sehr einfache Beweis ist eine Aufgabe.

3.3 Die Sätze von Bendixson und Poincaré

Diese Sätze von Bendixson und Poincaré sagen etwas über die Lösungsmenge von Gl.3.2 aus. Obwohl sie auf Systeme zweiter Ordnung beschränkt sind, werden zu derenFormulierung Begriffe benötigt, die auch für Systeme höherer Ordnung nützlich sind.

3.3.1 Grenzmengen

Wir betrachten hier autonome Systeme n-ter Ordnung

x = f(x) mit dem Fluss Φt(x) , (3.4)

und wollen Aussagen über ihr asymptotisches Verhalten treffen.Definition 3.1. Eine Menge M ∈ Rn heißt eine positiv invariante Menge des SystemsGl. 3.4, wenn

Φt(M) ⊆M

für t ≥ 0 gilt.

Einfache Beispiele positiv invarianter Mengen sind, die Menge {xs} mit xs als stationärenPunkt, die Menge der Punkte eines Grenzzykluses, etc.

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Definition 3.2. Eine Menge M heißt eine negativ invariante Menge des Systems Gl. 3.4,wenn Φ−t(M) positiv invariant ist.

Ebenso von Interesse sind Punkte, denen eine Trajektorie beliebig oft, beliebig nahekommt.Definition 3.3. Ein Punkt y ∈ Rn heißt ω-Grenzpunkt von x des Systems Gl. 3.4, wenneine Folge (ti) mit ti ∈ [0,∞) und limi→∞ ti →∞ so existiert, dass

limi→∞

Φti(x) = y

gilt. Die Menge aller ω-Grenzpunkte oder die ω-Grenzmenge von x, wird mit Lω(x)bezeichnet.

Äquivalent zu obiger Definition kann man Grenzpunkte und Grenzmengen für t < 0 undt→ −∞ betrachten.Definition 3.4. Ein Punkt y ∈ Rn heißt α-Grenzpunkt von x des Systems Gl. 3.4, wenneine Folge (ti) mit ti ∈ (−∞, 0] und limi→∞ ti → −∞ so existiert, dass

limi→∞

Φti(x) = y

gilt. Die Menge aller α-Grenzpunkte oder die α-Grenzmenge von x, wird mit Lα(x)bezeichnet.

Bild 3.2 veranschaulicht einige Grenzmengen. Ein Grenzzyklus ist grob gesprochen eine

Bild 3.2: Beispiele zu Grenzmengen

geschlossene Trajektorie von Gl. 3.4. Die Präzisierung dieser Vorstellung gelingt einfachmit Hilfe obiger Definitionen.Definition 3.5. Ein Grenzzyklus von Gl. 3.4 ist ein geschlossener Orbit γ, der denBedingungen γ ⊂ Lα(x) oder γ ⊂ Lω(x) für gewisse x /∈ γ genügt. Dabei wird untereinem Orbit γ von Gl. 3.4 einfach die Menge der Punkte

γ = {z ∈ Rn | z = Φt(x) , t ∈ R}

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verstanden.

3.3.2 Der Satz von Bendixson

Der Satz von Bendixson benutzt den folgenden Integrationssatz, wobei dieser nur einespezielle Version eines allgemeineren Satzes ist.Satz 3.2. Für das Gebiet A ⊂ R2 gelte, es ist das Bild der Einheitsscheibe D des R2 einerfast überall stetig differenzierbaren und umkehrbar eindeutigen Funktion g : R2 → R2,die noch det(Jg) > 0 auf D erfüllt. Die Funktionen f1, f2 : R2 → R seien auf A stetigdifferenzierbar, dann gilt

´∂A

(f1(x1, x2) dx1 + f2(x1, x2) dx2) =´A

(∂∂x1f2(x1, x2)− ∂

∂x2f1(x1, x2)

)dx1dx2

(3.5)

mit ∂A = g(∂D) dem mathematisch positiv orientierten Rändern von A und D, wobeimit dx1dx2 das positiv ausgerichtete Flächenelement von A bezeichnet wird.

Ein Gebiet A, das den Bedingungen von Satz 3.2 genügt, nennt man auch einfach zusam-menhängend. Um diesen Satz zu zeigen, benutzen wir Kreiskoordinaten so, dass für dieBeziehungen

x1 = g1(r, ϕ)x2 = g2(r, ϕ)

gilt g(r, 0) = g(r, 2π). Weiters gilt

dx1 = ∂rg1(r, ϕ) dr + ∂ϕg1(r, ϕ) dϕdx2 = ∂rg2(r, ϕ) dr + ∂ϕg2(r, ϕ) dϕ

dx1dx2 =∣∣∣∣∣ ∂rg1 ∂ϕg1∂rg2 ∂ϕg2

∣∣∣∣∣ drdϕ .Die Funktion

F (r) =2πˆ

0

(f1 ◦ g(r, ϕ) ∂ϕg1(r, ϕ) + f2 ◦ g(r, β) ∂ϕg2(r, ϕ)) dϕ ,

erfüllt nun

F (1) =ˆ

∂A

(f1(x1, x2) dx1 + f2(x1, x2) dx2)

F (0) = 0

44

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und damit

ˆ

∂A

(f1(x1, x2) dx1 + f2(x1, x2) dx2) =1ˆ

0

∂rF (r) dr .

Nun folgt aus

∂rF (r) =2πˆ

0

(∂x1f1 ◦ g∂rg1∂ϕg1 + ∂x2f1 ◦ g∂rg2∂ϕg1 + f1 ◦ g∂r∂ϕg1

+ ∂x1f2 ◦ g∂rg1∂ϕg2 + ∂x2f2 ◦ g∂rg2∂ϕg2 + f2 ◦ g∂r∂ϕg2) dϕ

=2πˆ

0

(∂x1f1 ◦ g∂ϕg1∂rg1 + ∂x2f1 ◦ g∂ϕg2∂rg1 + f1 ◦ g∂r∂ϕg1

+∂x2f1 ◦ g (∂rg2∂ϕg1 − ∂ϕg2∂rg1)) dϕ

+2πˆ

0

(∂x1f2 ◦ g∂rg2∂ϕg1 + ∂x2f2 ◦ g∂rg2∂ϕg2 + f2 ◦ g∂r∂ϕg2

+∂x1f2 ◦ g (∂rg1∂ϕg2 − ∂rg2∂ϕg1)) dβ

=2πˆ

0

(∂ϕ (f1 ◦ g∂rg1) + ∂x2f1 ◦ g (∂rg2∂ϕg1 − ∂ϕg2∂rg1)) dϕ

+2πˆ

0

(∂ϕ (f2 ◦ g∂rg2) + ∂x1f2 ◦ g (∂rg1∂ϕg2 − ∂rg2∂ϕg1)) dϕ

=2πˆ

0

(∂x1f2 − ∂x2f1) ◦ g (∂rg1∂ϕg2 − ∂rg2∂ϕg1) dϕ

und obigen Beziehungen Satz 3.2.Der Satz von Bendixson ist nun eine unmittelbare Anwendung obigen Integralsat-

zes.Satz 3.3. Gegeben sei das System Gl. 3.2 und eine Menge A ∈ R2, die den Bedingungenvon Satz 3.2 genügt. Verschwindet die Größe

∂x1f1(x1, x2) + ∂

∂x2f2(x1, x2)

weder auf A identisch, noch wechselt sie auf A das Vorzeichen, dann besitzt das Systemkeinen Grenzzyklus in A.

45

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Zum Beweis berechne man das Integral

J(∂A) =ˆ

∂A

(f1(x1, x2) dx2 − f2(x1, x2) dx1)

für einen Grenzzyklus ∂A, der das Gebiet A umschließt. Aus

J(∂A) = 0 =ˆ

A

(∂

∂x1f1(x1, x2) + ∂

∂x2f2(x1, x2)

)dx1dx2

erhält man unmittelbar obigen Satz.

3.3.3 Der Satz von Poincaré-Bendixson

Der Satz von Poincaré-Bendixson schränkt nun die Möglichkeiten für die Grenzmengeneines Systems Gl. 3.2 ein.Satz 3.4. L ⊂ R2 sei eine nicht leere, abgeschlossene und beschränkte Grenzmenge desSystems Gl. 3.2. Beinhaltet L keinen stationären Punkt, dann ist L ein geschlossenerOrbit.

Der Beweis zu obigen Theorem kann hier nicht gegeben werden, er ist aber in der angege-benen Literatur zu finden. Aus obigem Satz lassen sich noch weitere, nützliche Folgerungenherleiten.Satz 3.5. M ⊂ R2 sei nicht leer, abgeschlossen und beschränkt. Ist M eine positiv odernegativ invariante Menge des Systems Gl. 3.2, dann beinhaltet M mindestens einenstationären Punkt oder einen Grenzzyklus.

Satz 3.6. γ sei ein geschlossener Orbit des Systems Gl. 3.2. Dann besitzt die von γumschlossene, offene Menge einen stationären Punkt.

3.3.4 Probleme im R3

Das Theorem von Poincaré-Bendixson lässt sich leider nicht auf höher dimensionale Räumeübertragen. Eine der Ursachen ist, dass Grenzmengen hier weitaus komplexer aufgebautsein können als in der Ebene. Hiezu beachte man die Bewegung eines Punktes auf einemTorus der Art

x1 = (r1 + r2 cos(ω2t)) cos(ω1t)x2 = (r1 + r2 cos(ω2t)) sin(ω1t)x3 = r2 sin(ω2t)

46

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Bild 3.3: Bewegung eines Punktes auf einem Torus

mit r1 > r2. Sie ist Lösung des Systems

x1 =−ω2x1x3 − ω1x2

√x2

1 + x22√

x21 + x2

2

x2 =−ω2x2x3 + ω1x1

√x2

1 + x22√

x21 + x2

2

x3 = ω2

(√x2

1 + x22 − r1

)für

x0 =

r1 + r200

.Bild 3.3 ist die Lösung für r1 = 10 und r2 = 1 zu entnehmen. Ist das Verhältnis

ω1

ω2

rational, dann istLω(x0)

ein geschlossener Orbit. Im Falle eines irrationalen Verhältnisses ist Lω der Torus selbst.

47

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3.4 AufgabenAufgabe 3.1. Gegeben ist nachfolgendes System 2-ter Ordnung

x1 = x2

x2 = ax1 + bx2 − x21x2 − x3

1

mit den reellen Parametern a und b. Wie müssen a und b bestimmt sein, damit einGrenzzyklus ausgeschlossen werden kann?

Aufgabe 3.2. Skizzieren Sie die Trajektorienschar nachfolgender Systeme mittels derzugehörigen Vektorfelder:

a)

x1 = x2 cos(x1)x2 = sin(x1)

b)

x1 = (x1 − x2)(x2

1 + x22 − 1

)x2 = (x1 + x2)

(x2

1 + x22 − 1

)c)

x1 = 1− x1

x2

x2 = x1

x2

(1− x1

x2

)

Aufgabe 3.3. Gegeben ist nachfolgende Anordnung zweier unendlich langer, vom StromI durchflossener Leiter (siehe Bild 3.4). Das magnetische Feld B1 des ersten Leiters ineinem beliebigen Punkt (x, y, z) ergibt sich in x- und y-Richtung zu

B1,x = µ0Iy

4π (x2 + y2)

(z√

x2 + y2 + z2 − 1)

B1,y = − µ0Ix

4π (x2 + y2)

(z√

x2 + y2 + z2 − 1)

und das magnetische Feld B2 des zweiten Leiters in einem beliebigen Punkt (x, y, z)

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errechnet sich in x- und z-Richtung zu

B2,x = µ0Iz

4π (x2 + y2)

(y√

x2 + y2 + z2 + 1)

B2,z = − µ0Ix

4π (x2 + y2)

(y√

x2 + y2 + z2 + 1).

1. Berechnen Sie das magnetische Feld in einem beliebigen Punkt (x, y, z) zu Folgeder Wirkung beider Leiter.

2. Versuchen Sie die Formeln für das magnetische Feld herzuleiten. Suchen Sie dazuin der Literatur nach dem Biot–Savart’sche Gesetz.

y

z

I

(x, y, z)I

x

Bild 3.4: Leiteranordnung

Aufgabe 3.4. Leiten Sie die Beziehungen für die Trajektorienschar für die drei verschiedenenFälle im Abschnitt 3.4 her.

Aufgabe 3.5. Gegeben ist ein mechanisches System mit einer nichtlinearen Feder undeinem nichtlinearen Dämpfer, der Form

x1 = x2

x2 = −g(x1)− h(x2)

wobei x1 die Position der Masse, g(x1) die Rückstellkraft der Feder und h(x2) die Dämp-fungskraft bezeichnen. Angenommen g(x1) und h(x2) sind stetig differenzierbar, zeigen

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Sie mit Hilfe des Satzes von Bendixon, dass das System keine Grenzzyklen aufweist fallsddξh(ξ) 6= 0 für alle ξ 6= 0 gilt.

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Literaturverzeichnis

[1] Khalil H.K.: Nonlinear Systems, MacMillan Publishing Company, 1992.

[2] Slotine E., Li W.: Applied Nonlinear Control, Prentice–Hall, Inc. 1991.

[3] Vidyasagar M.: Nonlinear Systems Analysis, Prentice Hall, 1993.

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Kapitel 4

Flache Systeme

Man betrachte das einfache, lineare und zeitinvariante System

x = ax+ bu (4.1)

erster Ordnung mit dem Ausgang y = cx, c 6= 0. Die allgemeine Lösung lautet nun

x (t) = eatx0 +ˆ t

0ea(t−τ)bu (τ) dτ ,

wobei zu ihrer Bestimmung die Kenntnis von x0 ∈ R und u ∈ C ([0, t]) erforderlich ist.Wählt man andererseits einen Ausgang y = cx und eine Funktion y ∈ C1 ([0, t]), dannfolgen die Beziehungen

ddty (t) = c

ddtx (t) = cax (t) + cbu (t)

y (t) = cx (t)

oder

cx (t) = y (t)

bcu (t) = ddty (t)− ay (t) .

Damit legt die Wahl des Ausgangs y alle weiteren Systemgrößen x, u fest, falls b 6= 0 gilt(Welche Systemeigenschaft impliziert dies?). Zur Koordinate y für den Ausgang führenwir noch die ihrer Ableitung y1 ein, wobei dann die Zuweisung y (t) = f (t) die Zuweisungy1 (t) = ∂tf (t) zur Folge hat. Damit lässt sich obige Beziehung in der Form[

xu

]=

[1c

0− abc

1bc

] [yy1

]

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als lineare Koordinatentransformation zwischen (4.1) und dem System

y = y1 (4.2)

schreiben. Die Größe y wird dann als flacher Ausgang von (4.1) bezeichnet, wobei sie undihre Ableitung den Zustand und den Eingang von (4.1) festlegen. Man beachte, dass dasSystem (4.2) ein einfacher Integrator ist. Wir wählen nun a = b = c = 1 und führen (4.2)mittels yd (t) = t von der Ruhelage x0 = 0 in den Zustand x (1) = 1 über. Nun folgt sofort[

x (t)u (t)

]=[

1 0−1 1

] [t1

]

für das ursprüngliche System. Das Planen von Trajektorien für (4.2) ist also besonderseinfach. Ebenso einfach ist die Eigenwertvorgabe für (4.2), wie die Wahl y1 = λy zeigt.Aus [

xu

]=

[1c

0− abc

1bc

] [1λ

]y

folgt durch Elimination von y sofort das Regelgesetz

u = λ− ab

x .

Um die geplante Trajektorie yd zu stabilisieren, führen wir die Fehlerkoordinaten ∆y =y − yd (t), ∆y1 = y1 − ∂tyd (t) ein und erhalten das System

∆y = ∆y1 ,

das wegen der Linearität natürlich mit (4.1) übereinstimmt. Mit dem Regelgesetz ∆y1 =−λ∆y hat die Fehlerdynamik dann den Eigenwert λ.

In den folgenden Abschnitten wird der Flachheitsbegriff auf Systeme höherer Ordnungsowie auch auf nichtlineare Systeme übertragen. Dabei ist noch zu beachten, dass dieForderungen u ∈ C ([0, t]), f ∈ C1 ([0, t]) zu einschränkend sind, denn es reicht ausu ∈ BV ([0, t]), f ∈ BV 1 ([0, t]) zu verlangen, wobei BV 1 ([0, t]) die Menge aller Funktionenf : [0, t]→ R bezeichnet, für deren erste Ableitung gilt ∂tf ∈ BV ([0, t]). Mit BV l ([0, t])gilt diese Eigenschaft dann für die l-te Ableitung.

4.1 Flache LZI-Systeme

Ehe wir mit den Untersuchungen fortfahren können, benötigen wir einige neue Begriffeund beginnen mit einem neuen Äquivalenzbegriff.

53

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Definition 4.1. Zwei LZI-Systeme

x = Ax + Bu , z = Az + Bv

heißen äquivalent mit Zustandsrückführung, wenn eine reguläre Transformation[zv

]=

[T11 0T21 T22

] [xu

]

existiert, die beide Systeme ineinander überführt.

Man beachte, dass dim (x) = dim (z), dim (u) = dim (v) notwendige Bedingungen für eineÄquivalenz mit Zustandsrückführung sind. Bereits beim einleitenden Beispiel zeigte sich,dass Ableitungskoordinaten helfen das Problem der Flachheit und die mit flachen Syste-men verbundenen Methoden besonders einfach darzustellen. Die nachfolgende Definitionerweitert diese nun auf den allgemeinen Fall.Definition 4.2. Gegeben sei dasm-Tupel (y1, . . . , ym) von Koordinaten. Die Koordinatenykii , i = 1, . . . ,m, ki = 1, . . . , li heißen Ableitungskoordinaten, wobei die Zuweisungyi (t) = fi (t), f ∈ BV die weiteren Zuweisungen yki

i = ∂kit fi (t) zur Folge hat. Das Tupel

der Koordinaten(yi, y

1i . . . , y

lii

)wird mit yi in Vektorschreibweise, das aller Koordinaten(

y1, y1i . . . , y

l11 , · · · , ym, y1

m . . . , ylmm

)wird mit yL mit L = (l, . . . , lm) abgekürzt.

Man beachte, dass man mit diesen Koordinaten mittelsyi = y1

i

...yli−1i = ylii

sehr einfach m Ketten von Integratoren der Länge li − 1 mit Eingang ylii darstellen kann.Mit Hilfe des Flusses

x (τ) = eAτx

des autonomen Systemsx = Ax

kann man die Änderung einer linearen Funktion y = cTx entlang von x (τ) untersuchen.Es gilt

∂τy (µ) = ∂τcT eAτx∣∣∣τ=µ

= cTAeAµx

und damit auch∂τy (0) = cTAx .

54

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Definition 4.3. Gegeben sei das Tangenzialvektorfeld v : Rn → T (Rn) mit x = Axsowie eine lineare Funktion cTx : Rn → R. Der Ausdruck

LAx(cTx

)=

n∑i=1

n∑j=1

Aijxj

∂i n∑k=1

ckxk

=n∑i=1

n∑j=1

ciAijxj

= cTAx

heißt Lie- oder Richtungsableitung vom cTx entlang des von x = Ax generierten Flusses.Fasst man das Vektorfeld v als Differenzialoperator v = ∑n

i=1 vi∂ximit vi = ∑n

j=1Aijxjauf, dann gilt noch

LAx(cTx

)= v

(cTx

).

Man beachte, dass gilt

LAx(cTx

)∣∣∣x=eAtx0

= ∂τ(cT eAτx0

)τ=t

.

Da die Lie-Ableitung einer linearen Funktion cTx entlang des von x = Ax generiertenFlusses wieder eine lineare Funktion liefert, führen wir noch die Potenzschreibweise

L0Ax

(cTx

)= cTx

Lk+1Ax

(cTx

)= LAx

(LkAx

(cTx

))für k = 0, 1, 2, . . . ein.

4.1.1 Eingrößensysteme

Zuerst wird eine Definition der Flachheit benötigt, mit der die weiteren Untersuchungenmöglichst einfach durchführbar werden.Definition 4.4. Das LZI-Eingrößensystem

x = Ax + bu (4.3)

mit dim (x) = n heißt flach, wenn eine surjektive Transformation[xu

]=

[Tn

tn+1

]y = Ty (4.4)

55

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mit y =(y, y1, . . . , yl

)so existiert, dass aus

x−Ax− bu = 0Tny−ATny− btn+1y = 0

mit

y = y1

...yl = yl+1

bzw. der Abkürzung y = y+1 folgt

Tny+1 −ATny− btn+1y = 0 . (4.5)

Dabei wird die Zahl l ∈ N so klein als möglich gewählt.

Man beachte, dass die Beziehung (4.5) eine rein algebraische ist. Da die Transformation(4.4) surjektiv ist, muss T zeilenregulär sein. Ein einfacher Koeffizientenvergleich mit

T =[

t1 · · · tl tl+1tn,1 · · · tn,l tn,l+1

]

führt nun auf die Beziehungen

tl+1 = 0tl − btn,l+1 = 0

tl−1 −Atl − btn,l =...

t1 −At2 − btn,2 = 0−At1 − btn,1 = 0 .

Es folgt direkt tl+1 = 0, sowie durch rekursives Einsetzen die Beziehung(Altn,l+1 + Al−1tn,l + · · ·+ Atn,2 + Etn,1

)b = 0 .

Wählt man nun l = n und tn,k+1 = ak, k = 0, . . . , n mit ak als Koeffizienten des charak-teristischen Polynoms p (s) = ∑n

k=0 aksk, an = 1 von A, dann ist obige Gleichung erfüllt,

und die Spalten von Tn und damit von T können einfach berechnet werden. Allerdingsmüssen diese linear unabhängig sein, damit T eine surjektive Beziehung beschreibt. Damitkommen wir zum folgenden Schluss.

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Satz 4.1. Das LZI-Eingrößensystem (4.3) ist genau dann flach, wenn es erreichbar ist.

Der Satz kann einfach durch Berechnung von T gezeigt werden, denn es gilt

T =[ (∑n−1

j=0 Ajaj+1)

b · · · (Aan + Ean−1) b b 0a0 · · · an−1 1

].

Ebenso einfach erhält man noch das nachstehende Ergebnis, denn die Transformation (4.4)ist sogar invertierbar.Satz 4.2. Wenn das LZI-Eingrößensystem (4.3) flach ist, ist es auch äquivalent mitZustandsrückführung zu einer Kette von n Integratoren der Art

y = y1

...yn−1 = yn .

(4.6)

Für das Weitere ist noch die nachfolgende Definition nützlich, denn sie erlaubt die Flachheitvon (4.3) durch eine weitere Eigenschaft zu charakterisieren.Definition 4.5. Das LZI-Eingrößensystem

x = Ax + buy = cTx (4.7)

mit dim (x) = n hat den relativen Grad s, wenn gilt

LbLkAx

(cTx

)= 0 für k = 0, . . . , s− 2

LbLs−1Ax

(cTx

)6= 0 .

Man überzeugt sich nun leicht, dass für (4.7) gilt

cT[

b · · · As−2b]

= 0

cTAs−1b 6= 0 .

Wir zeigen nun, dass flache LZI-Eingrößensysteme Ausgänge mit relativem Grad n besitzenmüssen. Wenn nun das System (4.3) erreichbar ist, dann gilt[

xu

]= Ty

=[ (∑n−1

j=0 Ajaj+1)

b · · · b 0a0 · · · an−1 1

]y .

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Da das Gleichungssystem

cT[ (∑n−1

j=0 Ajaj+1)

b · · · b]

=[

1 0 · · · 0]

cT[

An−1b · · · b]

=[

1 0 · · · 0]

genau eine Lösung hat, folgt aus[

cT 0] [ x

u

]=[

cT 0]Ty

die Beziehungy = cTx ,

wobei die Funktion cTx den relativen Grad n hat. Diese Untersuchungen fasst der nach-stehende Satz zusammen.Satz 4.3. Das LZI-Eingrößensystem (4.3) ist genau dann flach, wenn ein Ausgangy = cTx mit relativen Grad n existiert. Dieser Ausgang wird auch als flacher Ausgangbezeichnet, und es gilt

y = cTx...

yn−1 = cTAn−1xyn = cTAnx + cTAn−1bu .

Kennt man also einen flachen Ausgang, dann lässt sich die Inverse zur Transformation(4.4) ganz einfach angeben.

Trajektorienplanung ist nun für flache Systeme besonders einfach, wenn man dazu denflachen Ausgang verwendet. Gegeben sei der Startpunkt x (0) = x0 und der Endpunktx (T ) = xT , gesucht wird eine Trajektorie mit der zugehörigen Steuerung, die die beidenPunkte verbindet. Man beachte, dass es sich hier um ein Zweipunkt-Randwertproblemhandelt. Wegen Satz (4.2) ist ein flaches System der Art (4.3) äquivalent zu (4.6), wobeider flache Ausgang y von (4.6) dem flachen Ausgang cTx von (4.3) entspricht. Wegen derBeziehung (4.4) und des Vorigen gilt

x = Tny =[ (∑n−1

j=0 Ajaj+1)

b · · · b]

y...

yl−1

.Die Anforderungen für das System (4.3) lassen sich nun einfach an Anforderungen für(4.6) übersetzten. Man überzeugt sich nun einfach, dass das Polynom yd (t), mit ai ∈ R,

yd (t) =2n−1∑i=0

aiti , ∂ityd (0) = yi (0) , ∂ityd (T ) = yi (T ) , i = 0, . . . , n− 1

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bereits diese Aufgabe löst. Selbstverständlich gibt es beliebig viele Funktionen yd (t), diedieses Problem lösen, jedoch muss für alle yd ∈ BV n ([0, T ]) gelten. Um die geplanteTrajektorie yd zu stabilisieren führen wir die Fehlerkoordinaten ∆yi = yi − ∂ityd (t),i = 0, . . . , n ein und erhalten das System

∆y = ∆y1 ,...

∆yn−1 = ∆yn ,

das wegen der Linearität natürlich mit (4.6) übereinstimmt. Mit dem Regelgesetz ∆yn =−∑n−1

i=0 αi∆yi hat die Fehlerdynamik dann das charakteristische Polynom p (s) = ∑ni=0 αis

i,αn = 1. Sollte der Zustand nicht messbar sein, sondern nur y, dann kann man ihnselbstverständlich wegen des Separationsprinzips mit einem Beobachter schätzen.

4.1.2 Mehrgrößensysteme

Im linearen und zeitinvarianten Fall lassen sich die für den Eingrößenfall gewonnenen Ergeb-nisse geradlinig auf den Mehrgrößenfall übertragen, allerdings werden die Untersuchungenund damit auch die Ergebnisse komplexer. Aus diesem Grund wird hier auf deren Herleitungverzichtet, es werden nur die wichtigsten Definitionen und Sätze angegeben.Definition 4.6. Das LZI-Mehrgrößensystem

x = Ax + Bu (4.8)

mit dim (x) = n, dim (u) = m heißt flach, wenn eine surjektive Transformation[xu

]=

[Tn

Tn+1

]y = Ty

mit yL, L = (l1, . . . lm) so existiert, dass aus

x−Ax−Bu = 0TnyL −ATnyL −BTn+1yL = 0

mit

yk = y1k

...ylk = ylk+1 ,

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k = 1, . . .m, bzw. der Abkürzung yL= y+1L folgt

Tny+1L −ATnyL −BTn+1yL = 0 . (4.9)

Dabei wird die Zahl ∑mi=1 li ∈ N so klein als möglich gewählt.

Die Untersuchungen könnten nun analog zum Eingrößefall erfolgen, allerdings wird hierdarauf verzichtet, da etwas erweiterte Kenntnisse aus dem Gebiet der linearen Algebraerforderlich sind, aber das zentrale Ergebnis zeigt der folgende Satz.Satz 4.4. Das LZI-Mehrgrößensystem (4.8) ist genau dann flach, wenn es erreichbar ist.

Das Gegenstück zu Satz 4.2 präsentiert der folgende Satz.Satz 4.5. Wenn das LZI-Mehrgrößensystem (4.8) flach ist, ist es auch äquivalent mitZustandsrückführung zu m Ketten von li, i = 1, . . . ,m Integratoren der Art

yi = y1i

...yl−1i = ylii

mit n = ∑mi=1 li.

Mit Hilfe dieses Satzes lassen sich nun die Entwurfsmethoden, entwickelt für den Eingrö-ßenfall, geradlinig auf den Mehrgrößenfall übertragen. Dies trifft ebenso auf die Trajek-torienplanung, die Stabilisierung von Trajektorien, wie auch auf die Erweiterung durchBeobachter zu.

4.2 Flache nichtlineare Systeme

Da der Ausdruck „nichtlinear“ nur das Fehlen einer Eigenschaft bezeichnet, aber nichtwodurch sie ersetzt wird, müssen wir die Klasse der nichtlinearen Systeme, die hieruntersucht werden, festlegen.Definition 4.7. Ein System der Form

x = a (x) +∑mk=1 bk (x)uk

= a (x) + B (x) u (4.10)

mit dim (x) = n, dim (u) = m heißt AI-System, wobei AI eine Abkürzung für „affineinput“ ist

Der Name AI-System drückt aus, dass der Ausdruck (x, a (x) + B (x) u) eine affine Man-nigfaltigkeit im Tangenzialbündel beschreibt. Um im Weiteren diverse Fallunterscheidungen

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zu vermeiden, setzen wir voraus dass alle Elemente von a (x), B (x) glatte Funktionen1

sind. Sollte dies nicht der Fall sein, dann bleiben die hier vorgestellten Methoden prinzipiellanwendbar, allerdings sind dann weitere Fallunterscheidungen nötig.

Ehe wir mit den Untersuchungen fortfahren können, benötigen wir eine Erweiterungdes Äquivalenzbegriffs von Definition 4.1 auf AI-Systeme.Definition 4.8. Zwei AI-Systeme

x = a (x) + B (x) u , z = a (z) + B (z) v

heißen äquivalent mit Zustandsrückführung in der Umgebung eines Punktes x, wenn dorteine glatte Transformation[

zv

]=

[t11 (x)t21 (x) + T22 (x) u

]

mit glatter Inverser existiert, die die beide Systeme ineinander überführt.

Man beachte, dass dim (x) = dim (z), dim (u) = dim (v) wieder notwendige Bedingungenfür eine Äquivalenz mit Zustandsrückführung sind. Auch können wir nur verlangen, dassdie Transformation lokal existiert. Die Beziehungen

z = Jt11 (x) x= Jt11 (x) (a (x) + B (x) u)= Jt11 (x)

(a (x) + B (x) T−1

22 (x) (v− t21 (x)))

=(Jt11 (x)

(a (x)−B (x) T−1

22 (x) t21 (x)))◦ t−1

11 (z)

+(Jt11 (x) B (x) T−1

22 (x))◦ t−1

11 (z) v

zeigen nun wie die Transformation von Definition 4.8 zu berechnen ist. Offensichtlich gilt

a (z) =(Jt11 (x)

(a (x)−B (x) T−1

22 (x) t21 (x)))◦ t−1

11 (z)

B (z) =(Jt11 (x) B (x) T−1

22 (x))◦ t−1

11 (z) .

Mit Hilfe des Flusses

x (τ) = Φτ (x)

des autonomen Systems

x = a (x)1Eine Funktion f : Rn → R heißt glatt, wenn jede Ableitung beliebiger Ordnung stetig ist. Man schreibt

dann auch f ∈ C∞(R).

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kann man die Änderung einer glatten Funktion y = c (x) entlang von x (τ) untersuchen.Es gilt

∂τy (µ) = ∂τ (c ◦Φτ (x))|τ=µ

= (Jc (x) a (x)) ◦Φµ (x)

und damit auch

∂τy (0) = Jc (x) a (x)

=n∑i=1

∂xic (x) ai (x)

Definition 4.9. Gegeben sei das Tangenzialvektorfeld v : Rn → T (Rn) mit x = a (x)sowie eine glatte Funktion c ∈ C∞ (Rn). Der Ausdruck

La(x) (c (x)) =n∑i=1

∂xic (x) ai (x)

= Jc(x)a (x)

heißt Lie- oder Richtungsableitung von c (x) entlang des von x = a (x) generierten Flusses.Fasst man das Vektorfeld v als Differenzialoperator v = ∑n

i=1 ai (x) ∂xiauf, dann gilt

noch

La(x) (c (x)) = v (c (x)) .

Man beachte, das wieder gilt

La(x) (c (x))∣∣∣x=Φt(x0)

= ∂τ (c (Φτ (x0)))τ=t .

Da die Lie-Ableitung einer glatten Funktion c (x) entlang des von x = a (x) generiertenFlusses wieder eine glatte Funktion liefert, können wir die Potenzschreibweise

L0a(x) (c (x)) = c (x)

Lk+1a(x) (c (x)) = La(x)

(Lka(x) (c (x))

)für k = 0, 1, 2, . . . direkt vom linearen Fall übernehmen.

4.2.1 Eingrößensysteme

Auch im nichtlinearen Fall wird adequate Definition der Flachheit benötigt, auf der dieweiteren Untersuchungen basieren.

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Definition 4.10. Das AI-Eingrößensystem

x = a (x) + b (x)u (4.11)

mit dim (x) = n heißt flach, wenn eine surjektive Transformation[xu

]=[

tn (y)tn+1 (y)

]= t (y) (4.12)

mit y =(y, y1, . . . , yl

)so existiert, dass aus

x− a (x)− b (x)u = 0Jtn (y) y− a ◦ tn (y)− b ◦ tn (y) tn+1 (y) = 0

mit

y = y1

...yl = yl+1

bzw. der Abkürzung y = y+1 folgt

Jtn (y) y+1 − a ◦ tn (y)− b ◦ tn (y) tn+1 (y) = 0 . (4.13)

Dabei wird die Zahl l ∈ N so klein als möglich gewählt.

Man beachte, dass die Beziehung (4.13) wieder eine rein algebraische ist. Da aber dieUntersuchungen mathematischer Methoden bedürfen, die nicht Teil dieser Vorlesung sind,wir auf diese hier verzichtet. Ein paar Eigenschaften lassen sich aber einfach angeben. Sofolgt aus

l∑i=0

∂yit (y) yi+1 − a ◦ tn (y)− b ◦ tn (y) tn+1 (y) = 0

und der Tatsache, dass Jt (y) zeilenregulär sein muss, sofort das folgende Resultat.Satz 4.6. Für die Transformation t von (4.12) gilt ∂yltn (y) = 0 sowie ∂yltn+1 (y) 6= 0 ineiner Umgebung um den Punkt x.

Im linearen und zeitinvarianten Fall fallen die Eigenschaften Flachheit und Erreichbarkeitzusammen. Nun gibt es eine Erweiterung des Erreichbarkeitsbegriffs auf AI-Systeme, derfür lineare und zeitinvariante Systeme genau auf die bekannten Kriterien führt. Allerdingsimpliziert im AI-Fall Flachheit „Erreichbarkeit“, die Umkehrung gilt jedoch nicht. Dahergibt es zu Satz 4.1 keinen entsprechenden im nichtlinearen Fall. Dies gilt jedoch nicht

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für den Satz 4.2, wie der folgende Satz zeigt, wobei hier auf seinen Beweis verzichtetwird.Satz 4.7. Wenn das AI-Eingrößensystem (4.11) flach ist, ist es auch äquivalent mitZustandsrückführung zu einer Kette von n Integratoren der Art

y = y1

...yn−1 = yn

(4.14)

in einer Umgebung um den Punkt x. Weiters ist die Transformation (4.12) dort invertier-bar.

Interessanter Weise ist auch im nichtlinearen Fall die Eigenschaft der Flachheit mit derExistenz von Funktionen mit einem gewissen relativen Grad verbunden. Die nachfolgendeDefinition ist die Erweiterung von Definition 4.5 auf den AI-Fall.Definition 4.11. Das AI-Eingrößensystem

x = a (x) + b (x)uy = c (x) (4.15)

mit dim (x) = n hat den relativen Grad s in eine Umgebung um den Punkt x, wenn dortgilt

Lb(x)Lka(x) (c (x)) = 0 für k = 0, . . . , s− 2

Lb(x)Ls−1a(x) (c (x)) 6= 0 .

Man beachte, dass es AI-Systeme gibt, die keinen (wohl definierten) relativen Grad besitzen.Ein Beispiel wäre

x = u

y = x2 ,

denn in der Umgebung um x = 0 besitzt es keinen relativen Grad.Satz 4.8. Das AI-Eingrößensystem (4.11) ist genau dann flach, wenn ein Ausgangy = c (x) mit relativen Grad n in der Umgebung des Punktes x existiert. Dieser Ausgangwird wieder als flacher Ausgang bezeichnet, und es gilt

y = c (x)...

yn−1 = Ln−1a(x)c (x)

yn = Lna(x)c (x) + Lb(x)Ln−1a(x)c (x)u .

(4.16)

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Kennt man also einen flachen Ausgang, dann lässt sich die Inverse zur Transformation(4.12) wieder ganz einfach angeben. Es bleibt die Frage offen, ob eine geeignete Funktionc (x) existiert. Diese Frage kann mit Methoden der Differenzialgeometrie beantwortetwerden, allerdings muss hier darauf verzichtet werden. Man kann aber einfach zeigen,dass für ein flaches System so eine Funktion exisitieren muss. Wegen Satz 4.6 hat dieTransformation (4.12) die Form

x = tn(y, . . . , yn−1

).

Durch Elimination der Variablen y1, . . . , yn−1, dies ist zumindest lokal immer möglich(warum?), erhält man die gewünschte Beziehung y = c (x) vollkommen analog zu linearenFall.

Trajektorienplanung ist für flache AI-Systeme besonders einfach, wenn man dazu denflachen Ausgang verwendet. Im Wesentlichen kann die Vorgehensweise des LZI-Fall direktübernommen werden. Man plant also die Trajektorie für das System (4.14) und entwirftfür dieses System einen stabilisierenden Zustandsregler. Mithilfe von (4.12) oder (4.16)wird dann das Regelgesetz in die Koordinaten des ursprünglichen Systems übersetzt. Sollteder Zustand allerdings nicht messbar sein, sondern nur y, dann existiert im Gegensatzzum linearen Fall keine einfache Entwurfsmethode für einen Beobachter. Hier hilft auchdie Tatsache, dass (4.14) ein lineares System ist nicht weiter (warum?). In manchen Fällenlöst ein sogenannter Trajektorienfolgebeobachter das Problem zumindest näherungsweise.Da man aber dann einen Beobachter für ein lineares aber zeitvariantes System entwerfenmuss, wird hier auf die Vorstellung dieses Verfahrens verzichtet.

4.2.2 Mehrgrößensysteme

Auf die Diskussion des Mehrgrößenfalls für AI-Systeme muss hier verzichtet werden, dadie Komplexität und der mathematischer Aufwand nochmals drastisch zunehmen. ImLZI-Fall zeigte es sich, dass die Eigenschaften Erreichbarkeit, Flachheit und Äquivalenzmit Zustandsrückführung zu m Ketten von Integratoren mit Summenlänge n gleichwertigsind. Für AI-Systeme mit einem Eingang sind nur mehr Flachheit und Äquivalenz mitZustandsrückführung zu einer Kette von Integratoren mit Länge n gleichwertig. FürAI-Systeme mit mehr als einem Eingang gilt auch dies nicht mehr.

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4.3 AufgabenAufgabe 4.1. Gegeben seien die beiden LZI-Systeme

x1 = Ax1 + Bu1y1 = Cx1 + Du1

,x2 = Ax2 + Bu2y2 = Cx2 + Du2 .

Berechnen sie

1. die Parallelschaltung mit u = u1 = u2 und y = y1 + y2,

2. die Reihenschaltung mit u = u1, u2 = y1 und y = y2,

3. die Rückkopplung mit u1 = u− y, u2 = y1, y = y2 und D = 0,

4. sowie das zum ersten System inverse System, wobei D invertierbar sei.

Aufgabe 4.2. Gegeben seien die beiden AI-Systeme

x1 = a (x1) + B (x1) u1y1 = c (x1) + D (x1) u1

,x2 = a (x2) + B (x2) u2y2 = c (x2) + D (x2) u2 .

Zeigen oder widerlegen Sie nachfolgende Behauptungen:

1. Die Parallelschaltung mit u = u1 = u2 und y = y1 + y2 ist ein AI-System.

2. Die Reihenschaltung mit u = u1, u2 = y1 und y = y2 ist ein AI-System.

3. Die Rückkopplung mit u1 = u− y, u2 = y1, y = y2 und D = 0 ein AI-System.

4. Es gelte D sei invertierbar. Das zum ersten System inverse System ist kein AI-System.

Aufgabe 4.3. Gegeben seien die beiden AI-Eingrößensysteme

x1 = a (x1) + b (x1)u1y1 = c (x1) ,

x2 = a (x2) + b (x2)u2y2 = c (x2) .

mit relativen Graden r1 und r2. Beantworten Sie folgenden Fragen:

1. Wie groß ist der relative Grad der Parallelschaltung mit u = u1 = u2 und y = y1+y2?

2. Wie groß ist der relative Grad der Reihenschaltung mit u = u1, u2 = y1 und y = y2?

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3. Wie groß ist der relative Grad der Rückkopplung mit u1 = u− y, u2 = y1, y = y2?

Aufgabe 4.4. Wegen Satz 4.6 hat die Transformation (4.12) die Form

x = tn(y, . . . , yn−1

).

Einen flachen Ausgang y = c (x) berechnet man durch Elimination der Variableny1, . . . , yn−1 von diesen Beziehungen. Zeigen Sie, dass für die Jacobi-Matrizen Jc(x),Jtn(y,...yn−1) die Beziehung

Jc(x)Jtn(y,...yn−1) ◦ t−1n (x) =

[h (x) 0 · · · 0

]mit einer Funktion h ∈ C∞ (Rn) gilt, wobei h noch die Bedingung h (x) 6= 0 in einergewissen Umgebung um den Punkt x erfüllt.

Aufgabe 4.5. Zeigen Sie, dass ein mechanisches System der Form

x = vM (x)v + C (x,v) v = u

mit positiv definiter Massenmatrix M (x) in einer Umgebung um den Punkt x dort immerflach ist.

Aufgabe 4.6. Zeigen Sie, dass das AI-Eingrößenystem

x1 = x2...

xn−1 = xn

xn = a (x1, . . . , xn) + b (x1, . . . , xn)u

n-ter Ordnung in der Umgebung eines Punktes x flach ist, wenn dort gilt b (x) 6= 0.

Aufgabe 4.7. Zeigen Sie, dass das Eingrößensystem

x1 = x2...

xn−1 = xn

xn = f (x1, . . . , xn, u)

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n-ter Ordnung in der Umgebung eines Punktes (x1, . . . , xn, u) flach ist, wenn dort gilt∂uf (x1, . . . , xn, u) 6= 0.

Aufgabe 4.8. Gegeben seien die beiden flachen AI-Eingrößensysteme

x1 = a (x1) + b (x1)u1y1 = c (x1) ,

x2 = a (x2) + b (x2)u2y2 = c (x2) .

mit zugehörigen flachen Ausgängen y1 und y2. Zeigen oder widerlegen Sie nachfolgendeBehauptungen:

1. Der Parallelschaltung mit u = u1 = u2 und y = y1 + y2 ist im Allgemeinen einflaches System mit flachem Ausgang y.

2. Die Reihenschaltung mit u = u1, u2 = y1 und y = y2 ist im Allgemeinen ein flachesSystem mit flachem Ausgang y.

3. Die Rückkopplung mit u1 = u− y, u2 = y1, y = y1 ist im Allgemeinen ein flachesSystem mit flachem Ausgang y.

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Literaturverzeichnis

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[2] Isidori A.: Nonlinear Control Systems II, Springer, London, UK, 1999.

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[4] Nijmeijer H., van der Schaft A.: Nonlinear Dynamical Control Systems, Springer,New York, USA, 1990.

[5] Sastry S.: Nonlinear Systems Analysis, Stability and Control, Springer, New York,USA, 1999.

[6] Slotine E., Li W.: Applied Nonlinear Control, Prentice-Hall, Inc. 1991.

[7] Vidyasagar M.: Nonlinear Systems Analysis, Prentice-Hall, 1993.

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Kapitel 5

Liapunov Theorie I

Das Verhalten dynamischer Systeme höherer Ordnung als zwei kann nicht mehr einfachim Zustandsraum beurteilt werden. Zwar kann durch Linearisierung eines Systems umseine Ruhelage sein Verhalten in einer Umgebung um diese beurteilt werden. Prinzipiellleidet diese Vorgangsweise unter dem Nachteil, dass nicht bekannt ist, wie weit man sichvon der Ruhelage entfernen darf. Es gibt jedoch Systeme, die einfach die Beurteilung desCharakters einer Ruhelage erlauben. Hiezu wird das Feder-Masse-System mit

FD = −dx und FF = −f(x) mit f(0) = 0

betrachtet. Ausmx+ dx+ f(x) = 0

erhält man die Standardform

x = v

v = − d

mv − 1

mf(x) .

f(x)

xx

FD

FF

m

Bild 5.1: Feder-Masse-System.

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Um die Feder von 0 weg zu x auszulenken, muss die Arbeit

w(x) =xˆ

0

f(z) dz

geleistet werden. Die Gesamtenergie ist nun

E(x, v) = mv2

2 + w(x) .

Es sei x (t) = Φt (x), xT =[x v

]der Fluss des obigen Systems, beträgt Wert von E

zum Zeitpunkt t

E(x(t) , v(t)) = E ◦Φt (x)

= mv2(t)

2 + w(x(t)) .

Ihre zeitliche Änderung entlang obigen Flusses ist nun mit v (x) = ∂τΦτ (x)|τ=0 durchddtE(x(t)) = ∂τE ◦Φt (x)

=(Lv(x)E (x)

)◦Φt (x)

= E(x) ◦Φt (x)

mit Hilfe der Abkürzung

E(x) = Lv(x)E (x)

gegeben. Im Speziellen gilt

E(x, v) = f(x) v − dv2 − f(x) v = −dv2 .

Man beachte, dassE(x, v) ≥ 0

undE(x, v) = 0 nur für x = 0, v = 0

erfüllt sind. Man sagt auch, E ist eine positiv definite Funktion. Weiters gilt E < 0 für v 6= 0und sonst E ≤ 0. E wird als negativ semidefinit bezeichnet. Die weitere Argumentationkann nun folgendermaßen erfolgen. Abgesehen von v = 0 muss E mit der Zeit abnehmen.Gilt v = 0 und x 6= 0 wird E wieder negativ. Wegen E ≥ 0 kann die Abnahme nurfür x = v = 0 zum Stillstand kommen. D.h., schlussendlich läuft die Trajektorie in dieRuhelage x = 0 ein.

Obige Betrachtungsweise kann nun leider nur in Ausnahmefällen direkt auf einenRegelkreis übertragen werden (Warum ?). Der Grundgedanke der Liapunov-Theorie istnun, diese Methode so zu erweitern, dass sie auch für eine größere Klasse dynamischerSysteme anwendbar ist.

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5.1 Stabilität der Ruhelage

Allen weiteren Betrachtungen liegt das autonome System

x = f(x) (5.1)

mit glattem f(x) zugrunde. Der Fluss wird wieder mit

Φt(x)

bezeichnet. Eine Ruhelage xs genügt der Beziehung

f(xs) = 0 bzw. Φt(xs) = xs .

Ohne Einschränkung der Allgemeinheit darf xs = 0 angenommen werden. Dies kann durcheine Koordinatentransformation immer erreicht werden.Definition 5.1. Der stationäre Punkt, die Ruhelage, xs = 0 von Gl. 5.1 heißt stabil (imSinne von Liapunov), wenn zu jedem ε > 0 ein δ > 0 so existiert, dass aus

‖x0‖ < δ(ε)

für alle t ≥ 0‖Φt(x0)‖ < ε

folgt.

Mitunter reicht obige Stabilitätsdefinition nicht aus. Dazu vorerst folgende Definiti-on.Definition 5.2. Der stationäre Punkt xs = 0 von Gl. 5.1 heißt anziehend, wenn zujedem t0 ≥ 0 eine reelle Zahl η(t0) so existiert, dass aus

‖x0‖ < η(t0)

folgtlimt→∞

Φt(x0) = 0 .

Man beachte, dass eine anziehende Ruhelage nicht stabil sein muss. Dazu muss z.B. nurdas System

x1 = x21 (x2 − x1) + x5

2

(x21 + x2

2)(1 + (x2

1 + x22)2)

x2 = x21 (x2 − 2x1)

(x21 + x2

2)(1 + (x2

1 + x22)2)

mit dem Vektorfeld nach Bild 5.2 betrachtet werden.

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0.0

2.0

−2.0−1.4 0.0 1.4

Bild 5.2: Vektorfeld eines instabilen aber anziehenden Punktes.

Definition 5.3. Der stationäre Punkt xs = 0 von Gl. 5.1 heißt asymptotisch stabil, wenner stabil und anziehend ist.

5.2 Liapunov Funktion

Die Idee von Liapunov ist, an die Stelle der Energiefunktion eine Funktion V mit entspre-chenden Eigenschaften zu setzen. Dazu folgende Definition.Definition 5.4. Es sei D eine offene Umgebung von 0 ∈ Rn, d.h., es gilt D ⊆ Rn und0 ∈ Rn. Eine Funktion V : D → R heißt lokal positiv (negativ) definit, wenn V stetigdifferenzierbar auf D − {0} ist und den Bedingungen

V (0) = 0

sowieV (x) > 0, (V (x) < 0) für x ∈ D − {0}

genügt. Gilt D = Rn, und gibt es eine Konstante r > 0 so, dass

inf‖x‖≥r

V (x) > 0(

sup‖x‖≥r

V (x) < 0)

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gilt, nennt man V positiv (negativ) definit. Genügt V lediglich den Bedingungen

V (x) ≥ 0, (V (x) ≤ 0) für x ∈ D − {0}

nennt man V (lokal) positiv (negativ) semidefinit.

Wie das einleitende Beispiel zeigt, sind von der Energiefunktion E lediglich die Eigenschaf-ten E ist positiv definit und E ist negativ semidefinit benutzt worden. Man versucht nun,zu Gl. 5.1 eine geeignete Funktion V (x) zu konstruieren. Für V , die zeitliche Änderungvon V entlang einer Trajektorie Φt(x0) gilt wegen Gl. 5.1

ddtV ◦Φt (x0) = d

d∆tV ◦Φ∆t

∣∣∣∣∣∆t=0

◦Φt (x0) =(Lf(x)V (x)

)◦Φt (x0)

oderV (x) = Lf(x)V (x) = ∂

∂xV (x) f(x) .

Bild 5.3 veranschaulicht dies mittels der Höhenlinien

V (x) = c .

V (x) = c

f(x)

∂∂xV (x)

Bild 5.3: Zur Konstruktion einer Liapunov Funktion.

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Satz 5.1. Es sei x = 0 ein stationärer Punkt von Gl. 5.1, und D eine offene Umgebungvon 0. Existiert eine Funktion V : D → R so, dass V auf D positiv definit und V (x) aufD negativ semidefinit ist, dann ist der Punkt x = 0 stabil. Ist V (x) sogar negativ definit,dann ist der Punkt x = 0 asymptotisch stabil.

Die Funktion V wird auch Liapunov Funktion genannt. Mit Hilfe der Höhenlinien von V(siehe Bild 5.3) kann die Aussage des obigen Satzes einfach veranschaulicht werden. Zum

Br

D

0

r

δ

Bild 5.4: Zum Stabilitätsbeweis.

Beweis des Satzes bildet man zu einem gegebenen ε die Menge

Br = {x ∈ Rn | ‖x‖ ≤ r}

mit r ∈ (0, ε] (siehe Bild 5.4). Nach Voraussetzung folgt für

α = min‖x‖=r

V (x)

α > 0. Für β ∈ (0, α) folgt, dass für die Menge

Lβ = {x ∈ Br | V (x) ≤ β}

gilt Lβ ⊂ Br (Bild 5.4). Jede Trajektorie, deren Anfangspunkt x0 in Lβ liegt, verbleibtnun sicher wegen

V (Φt(x0)) ≤ 0 und damit V (Φt(x0)) ≤ V (x0) ≤ β

für t ≥ 0 in Lβ. Da V stetig ist, und V (0) = 0 gilt, gibt es ein δ > 0 so, dass aus

‖x‖ ≤ δ folgt V (x) < β .

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Nun giltBδ ⊂ Lβ ⊂ Br ,

und damit folgt aus x0 ∈ Bδ auch x0 ∈ Lβ sowie Φt(x0) ∈ Lβ und schlussendlichΦt(x0) ∈ Br. D.h., aus ‖x0‖ < δ folgt ‖Φt(x0)‖ < ε für t ≥ 0, was zu beweisen war.Verbleibt noch die Eigenschaft bezüglich der asymptotischen Stabilität nachzuweisen.Aufgrund des Vorangegangenen muss nur für

limt→∞

V (Φt(x0)) = c

c = 0 nachgewiesen werden. Gilt nun c > 0, dann gibt es ein d so, dass

Bd ⊂ Lc

gemäß obiger Konstruktion gilt. D.h., kein Punkt der Trajektorie Φt(x0) liegt in Bd. Mit

γ = maxd≤‖x‖≤r

V (x) < 0

folgt

V (x (t)) = V (x0) +tˆ

0

V (x(τ)) dτ ≤ V (x0) + γt .

D.h. aber, dass V für gewisse t negativ werden müsste.Man beachte, dass aus dem Versagen eines Kandidaten für V nicht die Instabilität der

Ruhelage folgt. Mittels einer anderen Funktion lässt sich vielleicht die Stabilität nachweisen.Das Problem besteht also darin, eine geeignete Liapunov Funktion V zu finden. Dies istfür Systeme erster Ordnung nun leicht möglich. Es gelte

x = −f(x)

mit stetigem f

f(0) = 0 sowie xf(x) > 0, ∀x 6= 0 für x ∈ (−a, a) .

Siehe dazu auch die Kennlinie f(x) von Bild 5.1. Wählt man nun

V (x) =xˆ

0

f(z) dz ,

so ist V auf (−a, a) positiv definit. Für V gilt

V (x) = f(x) (−f(x)) = −f 2(x) < 0

für alle x 6= 0 ∈ (−a, a).

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Eine interessantere Klasse von Systemen sind Modelle der Art

x = f(x) = −S(x) h(x) mit hT (x) = ∂

∂xH(x) , ST (x) = S(x) ≥ 0 , ∀x ∈ Rn .

Solche Systeme werden auch verallgemeinerte Gradientensysteme genannt. Als Kandidatenfür eine Liapunov Funktion wird

V (x) = H(x)gewählt. Für V erhält man dann

V (x) = ∂

∂xH(x) (−S(x) h(x)) = −hT (x) S(x) h(x) ≤ 0 .

Ob V tatsächlich eine Liapunov Funktion ist, muss natürlich noch geprüft werden. Manbeachte, dass Systeme erster Ordnung deshalb so einfach zu behandeln sind, da sieGradientensysteme sind. Eine andere interessantere Klasse von Systemen sind Modelle derArt

x = f(x) = A(x) h(x) mit hT (x) = ∂

∂xH(x) , A(x) + AT (x) = 0 , ∀x ∈ Rn

Solche Systeme werden auch verallgemeinerte Hamiltonsche Systeme genannt. Als Kandi-daten für eine Liapunov Funktion wird wieder

V (x) = H(x)

gewählt. Für V erhält man dann

V (x) = hT (x) A(x) h(x) = 0 .

Ob V tatsächlich eine Liapunov Funktion ist, muss natürlich noch geprüft werden. Manbeachte, dass Systeme dieser Art nur stabil aber nie asymptotisch stabil sein können.Natürlich kann man beide Klassen kombinieren und erhält so

x = f(x) = (A(x)− S(x))(∂

∂xH(x)

)T.

Für die Wahl der Liapunov Funktion V ,

V (x) = H(x) ,

folgt dann noch

V (x) = ∂

∂xH(x) (A(x)− S(x))

(∂

∂xH(x)

)T

= − ∂

∂xH(x) S(x)

(∂

∂xH(x)

)T≤ 0 .

Man nennt diese Klasse von Systemen auch verallgemeinerte Hamiltonsche Systeme mitDissipation. Es stellt sich nun die Frage, welche Systeme eine solche Darstellung erlauben.Zur Beantwortung dieser Frage wird der folgende Satz benötigt.

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Satz 5.2. Für die Funktion f (x) gelte f ∈ C1 (Rn) sowie f (0) = 0, dann gibt es weiteren Funktionen ai ∈ C1 (Rn) so, dass

f (x) =n∑i=1

ai (x)xi

gilt.

Man beachte, dass die Funktionen ai nicht mit den partiellen Ableitungen ∂xif (x) über-

einstimmen. Dieser Satz beschreibt daher keine Reihenentwicklung. Er folgt nun direktaus den Beziehungen

f (x)− f (0) =ˆ 1

0∂τf (τx) dτ

=n∑i=1

ˆ 1

0∂xif (x)|x=τx dτ︸ ︷︷ ︸ai(x)

xi .

Mit Hilfe dieses Satzes erhält man auch direkt den folgenden.Satz 5.3. Für das System Gl. (5.1) gelte f (0) = 0 sowie fi ∈ C1 (Rn) für i = 1, . . . , n,dann existiert eine Matrix M (x) mit mij ∈ C1 (Rn), i, j = 1, . . . , n so, dass

x = f (x) = M (x) x

gilt.

Mit Hilfe dieses Satzes kann man nun das System Gl. (5.1), wenn es die Voraussetzungenerfüllt, sofort in der Form eines verallgemeinerten Hamiltonschen Systems mit Dissipationschreiben, denn es gilt

x =

12(M (x)−MT (x)

)︸ ︷︷ ︸

A(x)

− 12(−M (x)−MT (x)

)︸ ︷︷ ︸

S(x)

(∂

∂xH (x)

)T

H (x) = 12

n∑i=1

x2i .

Obwohl mit obigen Mitteln bereits die Stabilität einer Ruhelage beurteilt werden kann,ist von der erlaubten Auslenkung x0 aus der Ruhelage 0 nur bekannt, dass sie hinreichendklein sein muss.

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Definition 5.5. Es sei die Ruhelage x0 = 0 des Systems Gl. 5.1 asymptotisch stabil imSinne von Liapunov. Die Menge

D ={x ∈ Rn | lim

t→∞Φt(x) = 0

}heißt dann Einzugsbereich von x0 = 0.

Der günstigste Fall liegt offensichtlich vor, wenn D = Rn gilt. Ist der stationäre Punktx = 0 asymptotisch stabil und gilt D = Rn, nennt man ihn global asymptotisch stabil.Beim Nachweis der global asymptotischen Stabilität tritt nun die prinzipielle Schwierigkeitauf, dass für große c die Niveaumenge Lc,

Lc = {x ∈ Rn | V (x) ≤ c} ,

nicht mehr beschränkt und abgeschlossen sein muss. Ein Beispiel dazu wäre

−5 0 5

−1

0

1

Bild 5.5: Zur Abgeschlossenheit von Niveaumengen.

V (x) = x21

1 + x21

+ x22

(siehe Bild 5.5). Für kleines c sind die Niveaumengen abgeschlossen und beschränkt. Diesfolgt unmittelbar aus der Tatsache, dass positiv definit ist. Gilt nun

l = limr→∞

min‖x‖=r

V (x) <∞ ,

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dann ist die Menge Lc beschränkt und abgeschlossen für c < l. Für obiges Beispiel folgt

l = limr→∞

min‖x‖=r

(x2

11 + x2

1+ x2

2

)= lim|x1|→∞

x21

1 + x21

= 1 .

Um nun sicher zu stellen, dass die Niveaumengen Lc abgeschlossen und beschränkt sind,wird die zusätzliche Forderung

lim‖x‖→∞

V (x) =∞

aufgestellt1. Eine Funktion, die dieser Bedingung genügt, heißt radial unbeschränkt.Satz 5.4. Es sei x = 0 sei ein stationärer Punkt von Gl. 5.1. Existiert eine FunktionV : Rn → R so, dass V positiv definit, V (x) negativ definit und V (x) radial unbeschränktist, dann ist der Punkt x = 0 global asymptotisch stabil.

Zum Beweis bestimme man zu einem Punkt x ∈ Rn ein c so, dass

V (x) = c

gilt. Da V radial unbeschränkt ist, gibt es zu jedem c ein r so, dass V (x) > c für ‖x‖ > rgilt. D.h., es gilt Lc ⊂ Br und damit ist Lc beschränkt. Der Rest folgt aus dem Beweisvon Satz 5.7.

Mit Hilfe der Liapunov Theorie kann aber auch festgestellt werden, ob ein stationärerPunkt instabil ist. Dazu wird eine stetig differenzierbare Funktion V : D → R auf eineroffenen Umgebung D von x = 0 gesucht. Es gelte V (0) = 0 und V (x0) > 0 für einenbeliebig nahe bei 0 gelegenen Punkt x0. Man bildet nun für ein r > 0 die Menge U

U = {x ∈ Br | V (x) > 0}

mitBr = {x ∈ Rn | ‖x‖ < r} .

U ist eine offene, nichtleere Teilmenge von Br. Ihr Rand ist durch V (x) = 0 bzw. durch‖x‖ = r gegeben. Ebenso gehört der Punkt 0 zum Rand. Mit Hilfe dieser Konstruktionkommt man zu folgendem Satz.Satz 5.5. Es x = 0 ein stationärer Punkt von Gl. 5.1. V (x) sei eine stetig differenzierbareFunktion V : D → R auf einer offenen UmgebungD von 0, die den Bedingungen V (0) = 0sowie V (x0) > 0 für einen beliebig nahe zu 0 gelegenen Punkt x0 genügt. Ist auf derobigen Menge U die Bedingung V (x) > 0 erfüllt, dann ist der Punkt x = 0 instabil.

Zum Beweis beachte man, dass es ein x0 ∈ U mit V (x0) ≥ c > 0 gibt. Die TrajektorieΦt(x0) muss nun die Menge U verlassen. Dazu bestimme man

γ = infxV (x) mit x ∈ U , V (x) ≥ c .

1Die Schreibweise lim‖x‖→∞ wird benutzt, wenn der Grenzwert eindeutig und unabhängig vom jeweiligenGrenzübergang ist.

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Wegen γ > 0 und der Beschränktheit von V (x) auf U folgt aus

V (x(t)) = V (x0) +tˆ

0

V (x(τ)) dτ ≥ c+ γt

obige Behauptung. Nun kann die Trajektorie aber nicht den Rand V (x) = 0 schneiden, daV (x(t)) ≥ c gilt. Also muss sie den Rand ‖x‖ = r schneiden. Da dies für einen beliebignahe zu 0 gelegenen Punkt gilt, ist der Ursprung instabil.

Als Beispiel wird das System

x1 = x1 + g1(x1, x2)x2 = −x2 + g2(x1, x2)

mit|g1(x)| ≤ k ‖x‖2

2 und |g2(x)| ≤ k ‖x‖22

betrachtet (Was folgt daraus für g1(0, 0) bzw. g2(0, 0) ?). Man wählt nun die Funktion

V (x1, x2) = 12(x2

1 − x22

)(siehe Bild 5.6). Weiters gilt

V (x) = x21 + x2

2 + x1g1(x)− x2g2(x)

sowie|x1g1(x)− x2g2(x)| ≤ |x1g1(x)|+ |x2g2(x)| ≤ 2k ‖x‖3

2

und damitV (x) ≥ ‖x‖2

2 − 2k ‖x‖32 = ‖x‖2

2 (1− 2k ‖x‖2)Wählt man nun r so, dass Br ⊂ D und r < 1/ (2k) gilt, dann sind die Bedingungen obigenSatzes erfüllt. Der Ursprung ist also instabil.

5.3 Das Kotangentialbündel

In Bild 5.3 veranschaulichten wir mittels der Höhenlinie V (x) = c, warum man mittelsLiapunov-Funktionen die Stabilität der Ruhelagen beurteilen kann. Es liege nun der Punktx auf so einer Höhenlinie, dann beschreibt die Gleichung

∂xV (x) x = 0

eine Gerade im Tangenzialbündel, die Tangente an der Höhenlinie durch den Punkt x ist.Damit ist aber ∂xV (x) eine Lineare Abbildung die einem Tangenzialvektor am Punkt xeine reelle Zahl zuordnet. Nun konstruieren wir nun analog zur linearen Algebra, die zumTangenzialraum T (X ) duale Größe T ∗ (X ).

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x2x2 = x1

x1

x2 = −x1

UU

Br

Bild 5.6: Die Menge U .

Definition 5.6. Es gelte x ∈ X = Rn sowie x∗ ∈ (Rn)∗. Die mit den Koordinaten(x, x∗) ∈ X n × (Rn)∗ versehene Menge T ∗ (X ) heißt das Kotangentialbündel von X .Gegeben sei eine Transformation F : X → X = Rn mit x = F(x) mit einer zumindeststetig differenzierbaren Funktion, dann gilt für die Transformation DF∗ : T ∗

(X)→

T ∗ (X ), wobei nun die Koordinaten(x, ˙x∗

)für T

(X)verwendet werden,

x = F(x) , x∗ =(∂F∂x

)T(x) ˙x∗ .

Eine Abbildung Rn → T ∗ (X ) mit x 7→ (x,ω (x)) heißt Schnitt von T ∗ (X ) oder auchKotangenzialvektorfeld.

Diese Definition ist ein Sonderfall einer wesentlich allgemeineren, sie reicht aber für dieZwecke dieser Vorlesung aus. Man Vergleiche diese Definition mit Definition 2.10, wowir noch die Invertierbarkeit von F(x) fordern mussten. Es seien nun v, ω Vektor- bzw.Kovektorfelder, dann gilt

〈ω (x) , v (x)〉 = ωT (x) v (x)

= ωT ◦ F (x)(∂F∂x

)(∂F∂x

)−1

v ◦ F (x)

= 〈ω (x) ,v (x)〉

mit

ωT (x) = ωT ◦ F (x)(∂F∂x

)

v (x) =(∂F∂x

)−1

v ◦ F (x) .

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Das Produkt aus Vektor- bzw. Kovektorfelder ist also unabhängig von der Wahl derKoordinaten. Die Jacobi-Matrix JV (x) zu V (x) ist offensichtlich ein Kovektorfeld, aber sieist auch ein ganz spezielles.Definition 5.7. Gegeben sei ein Funktion f ∈ C1 (Rn). Das Differenzial df ist gegendurch

df (x) =n∑i=1

∂xif (x) dxi ,

wobei noch Jf(x) =[∂x1f (x) · · · ∂xnf (x)

]gilt. Das Differenzial erzeugt also aus f

das Kovektorfeld df .

Offensichtlich gilt mit dem Vektorfeld v (x) noch

Lv(x)g (x) = 〈dg (x) ,v (x)〉 .

Auf Basis des Obigen können wir nun über die Jacobi-Matrix JF(x) einer Transformation

x = F(x)

noch folgende Aussagen treffen. Offensichtlich ist eine Zeile JFi(x) nichts anderes als dasDifferential zu Fi. Wählt man nun das spezielle Vektorfeld xi = δij , und ist F invertierbar,dann folgt aus

˙xi = ∂xjFi (x)

˙vi (x) = ∂xjFi ◦ F−1 (x) ,

die Spalten von JF(x) entsprechen speziellen Vektorfeldern.

5.4 Das Invarianz-Prinzip

Für das einführende Beispiel, das Feder-Masse-System, kann mit Satz 5.1 nicht nachge-wiesen werden, dass es asymptotisch stabil ist, da V (x) lediglich negativ semidefinit ist.Andererseits ist es aus mechanischen Gründen einsichtig, dass infolge der Reibung dieGesamtenergie des Systems abnehmen muss, solange es in Bewegung ist. Diese Schwierigkeitkann mit Hilfe des (LaSalleschen) Invarianz-Prinzips behoben werden. Hiezu wird folgenderSatz benötigt.Satz 5.6. Die Lösung x(t) = Φt(x0) des Systems Gl. 5.1 sei beschränkt für t ≥ 0.Für die ω-Grenzmenge von x0 gilt dann, Lω(x0) ist eine nichtleere, beschränkte und

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abgeschlossene, positiv invariante Menge von Gl. 5.1 mit

limt→∞

Φt(x0) ⊂ Lω(x0) .

Zum Beweis siehe die angegebene Literatur.Satz 5.7. Es sei X eine positiv invariante Menge des Systems Gl. 5.1, die beschränktund abgeschlossen ist, und V : X → R eine stetig differenzierbare Funktion, die auf Xder Bedingung V (x) ≤ 0 genügt. Es sei Y jene Teilmenge von X , auf der V (x) = 0 gilt.IstM die größte, positiv invariante Menge von Y , dann folgt

Lω(X ) ⊆M .

Der Beweis obigen Satzes beruht auf der Tatsache, dass jede stetige Funktion V (x) aufeiner beschränkten und abgeschlossenen Menge X ⊂ Rn von unten beschränkt ist. FürV (Φt(x0)) mit x0 ∈ X existiert also der Grenzwert

limt→∞

V (Φt(x0)) = a .

Zu jedem ω-Grenzpunkt y von x0 ∈ X existiert eine Folge (ti) so, dass

limi→∞

Φti(x0) = y

gilt. Da V stetig ist, muss

limi→∞

V (Φti(x0)) = V (y) = a

gelten. Es gilt also V (x) = a für x ∈ Lω(x0). Da Lω(x0) eine positiv, invariante Menge ist(Satz 5.6), folgt V (x) = 0 für x ∈ Lω(x0). D.h., für x0 ∈ X gilt

Lω(x0) ⊆M ⊆ Y ⊆ X .

Da Φt(x0) für t ≥ 0 beschränkt ist, folgt wieder wegen Satz 5.6

limt→∞

Φt(x0) ⊂ Lω(x0) ⊆M ,

und damit obiger Satz. Man beachte, dass hier V (x) nicht positiv definit sein muss.Mit Hilfe des Invarianz-Prinzips kann nun das Stabilitätsverhalten der Ruhelage genauer

untersucht werden. D.h., man versucht nachzuweisen, dass die größte, positiv invarianteMenge von Y gleich {0} ist. Hiezu folgende Sätze.Satz 5.8. Es sei x = 0 ein stationärer Punkt von Gl. 5.1, und D eine offene Umgebungvon 0. Die Funktion V : D → R sei auf D positiv definit, und V (x) sei auf D negativsemidefinit. Für die Menge S =

{x ∈ D | V (x) = 0

}gelte, aus Φt(x) ∈ S für x ∈ S und

t ≥ 0 folgt x = 0, dann ist der Punkt x = 0 asymptotisch stabil.

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Analog zu Satz 5.4 muss für die globale, asymptotische Stabilität wieder die radialeUnbeschränktheit von V verlangt werden. Dazu nachfolgender Satz.Satz 5.9. Es sei x = 0 ein stationärer Punkt von Gl. 5.1, und D sei eine offene Umgebungvon 0. Die Funktion V : Rn → R sei radial unbeschränkt sowie positiv definit, und V (x)sei negativ semidefinit. Für die Menge S =

{x ∈ D | V (x) = 0

}gelte, aus Φt(x) ∈ S für

x ∈ S und t ≥ 0 folgt x = 0, dann ist der Punkt x = 0 global asymptotisch stabil.

Als erste Anwendung obiger Sätze, wird das Beispiel

x1 = x2x2 = −g(x1)− h(x2)

mit auf x ∈ (−a, a) stetigen g(x) und h(x) sowie

g(0) = 0 , x g(x) > 0 für x 6= 0 x ∈ (−a, a)h(0) = 0 , xh(x) > 0 für x 6= 0 x ∈ (−a, a)

untersucht. Als Kandidat für eine Liapunov Funktion wird

V (x) =x1ˆ

0

g(x) dx+ x22

2

verwendet. V (x) ist auf D = {(x1, x2) | −a < x1 < a,−a < x2 < a} positiv definit. Für Vfolgt

V (x) = g(x1) x1 + x2x2 = −x2h(x2) ≤ 0 .

Für S ={x ∈ D | V (x) = 0

}gilt

x2h (x2) = 0 oder x2 = 0 , da − a < x2 < a .

Aus x2 = 0 folgt aber x1 = 0, und damit x1 = c mit −a < c < a. Damit die Trajektoriein S verbleibt, muss x2 = 0 gelten, woraus g (c) = 0 oder c = 0 folgt. D.h. nur für x = 0verbleibt die Trajektorie Φt(x) in S, oder der Ursprung ist asymptotisch stabil. Gilt noch

lim|z|→∞

0

g(x) dx =∞

ist der Ursprung global asymptotisch stabil. Damit werden die Betrachtungen zum Beispiel„Feder-Masse“ gerechtfertigt.

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Verbindungs-

Verstärker

Invertierenderu1

u2

u2u1

C1 R1 C2 R2

i1 i2

Verstärker

widerstand

Bild 5.7: Ein ANN nach Hopfield.

5.4.1 Neuronale Netze

Als weitere Anwendung des Invarianz-Prinzips wird das ANN (artificial neural network)nach Bild 5.7 untersucht. Diese Art eines neuralen Netzwerkes wird auch Hopfield Modellgenannt.Das Netzwerk besteht aus R,C Zweipolen und Verstärkern, die die sigmoide Funktion

ui = gi(ui)

nach Bild 5.8 realisieren. Dabei gilt für eine sigmoide Funktion gi : R→ (−umax, umax) , giist stetig differenzierbar, monoton steigend und gi(ui) = 0 für ui = 0 sowie

limx→−∞

gi(x) = −umax und limx→+∞

gi(x) = umax .

Das Netzwerk wird durch die Gln.

Ci ˙ui =∑j

Tijuj −1riui + ii

mit1ri

= 1Ri

+∑j

1Rij

beschrieben, wobei Rij den Verbindungswiderstand zwischen dem Ausgang des j-tenVerstärkers und dem Eingang des i-ten Verstärkers bezeichnet (im Bild 5.7 durch dasSymbol • dargestellt). |Tij| ist der Leitwert von Rij, wählt man den invertierenden (nichtinvertierenden) Ausgang des j-ten Verstärkers, gilt Tij < 0 (Tij > 0). Als Zustandsgrößenxi werden die Ausgänge der Verstärker ui gewählt. Es gilt

xi = ddxgi(ui)

˙ui = ddxgi(ui)

1Ci

∑j

Tijxj −1riui + ii

.

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Mittels der Hilfsgrößehi(xi) = d

dxgi(g−1i (xi)

),

sie kann für sigmoide Funktionen immer eingeführt werden (warum ?), folgt

xi = hi(xi)Ci

∑j

Tijxj −1rig−1i (xi) + ii

mit

hi(xi) > 0 für xi ∈ (−umax, umax) .Die stationären Punkte des Netzwerks sind Lösungen des Gleichungssystems∑

j

Tijxj −1rig−1i (xi) + ii = 0

mit konstanten Strömen ii. Zur Vereinfachung der Untersuchung des Verhaltens desHopfield Netzwerkes wird vorausgesetzt, dass die Symmetriebedingung

Tij = Tji

erfüllt ist. Als Kandidat für eine Liapunov Funktion wird

V (x) = −12∑i

∑j

Tijxixj +∑i

1ri

xiˆ

0

g−1i (x) dx−

∑i

iixi

g(u)

0.6

0.2

0.0

−0.2

−0.6

−1.0−2.0 −1.0 0.0 1.0 2.0

u

Bild 5.8: Eine sigmoide Funktion für ein ANN

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untersucht. V (x) ist zwar stetig differenzierbar aber im Allgemeinen nicht positiv definitund damit keine Liapunov Funktion. Für die partiellen Ableitungen von V (x) gilt

∂xiV (x) = −

∑j

Tijxi + 1rig−1i (xi)− ii

und damit für die Netzwerksgleichung

xi = −hi(xi)Ci

∂xiV (x) .

Für V folgtV (x) = ∑

i

∂∂xiV (x) xi

= ∑i−hi(xi)

Ci

(∂∂xiV (x)

)2

und damitV (x) ≤ 0 .

Aus V (x) = 0 erhält man ∂∂xiV (x) = 0 und damit xi = 0. V (x) verschwindet also

ausschließlich an den stationären Punkten.Das Netzwerk wird nun mit Hilfe des Invarianz-Prinzips nach Satz 5.7 untersucht.

Hiezu wird die Menge X

X (ε) = {x ∈ Rn | − (umax − ε) ≤ xi ≤ (umax − ε) , i = 1, . . . , n}

für ein beliebig kleines ε > 0 untersucht. X (ε) ist beschränkt und abgeschlossen, und esgilt V (x) ≤ 0 für x ∈ X (ε). Es verbleibt zu zeigen, dass X (ε) positiv invariant ist. Für|xi| ≥ umax − ε gilt für g−1(x), ∣∣∣g−1(x)

∣∣∣ ≥ g−1(umax − ε) ,

undlim

|x|→umax

∣∣∣g−1(x)∣∣∣ =∞ .

(Nachprüfen !) Da xi und ii beschränkt sind (Warum xi ?) gilt für hinreichend kleinesε > 0 die Abschätzung

xi

∑j

Tijxi −1rig−1i (xi) + ii︸ ︷︷ ︸

xi

= xi∑j

Tijxi −1rixig−1i (xi) + xiii < 0

für umax − ε ≤ |xi| < umax wegen

lim|xi|→umax

xig−1i (xi) =∞ .

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Aus obiger Beziehung folgt

ddtx

2i (t) = 2xi (t) xi (t) < 0 für umax − ε ≤ |xi| < umax .

D.h., jede Trajektorie mit x0 ∈ X (ε) verbleibt in X (ε). Es gilt sogar, dass alle Trajektoriengegen X (ε) konvergieren, die in X (0)−X (ε) starten. D.h., alle anziehenden, stationärenPunkte liegen in X (ε). Da das Netz nur eine endliche Anzahl stationärer Punkte besitzt,läuft jede Trajektorie in einen stationären Punkt von X (ε) ein. Damit ist aber gesichert,dass das Netz nicht oszilliert.

5.5 Lineare Systeme

Die Untersuchung eines linearen Systems

x = Ax (5.2)

gestaltet sich besonders einfach, da

Φt(x0) = eAtx0

gilt. Mittels einer regulären Zustandstransformation

z = Px

kann das System auf Jordanformz = Jz

gebracht werden mit

J =

J1 0 · · · 00 J2

. . . ...... . . . . . . 00 · · · 0 Jn

.

Ein Jordanblock Ji hat dabei die Form

Ji =

ai 1 0 · · · 00 ai

. . . . . . ...... . . . . . . . . . 0... . . . ai 10 · · · · · · 0 ai

m×m

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für einen reellen Eigenwert λi = ai oder

Ji =

Ai E 0 · · · 00 Ai

. . . . . . ...... . . . . . . . . . 0... . . . Ai E0 · · · · · · 0 Ai

2m×2m

mitAi =

[ai −bibi ai

]für einen komplexen Eigenwert λi = ai + jbi.Satz 5.10. Der stationäre Punkt x = 0 von Gl. 5.2 ist genau dann stabil, wenn dieJordanform von Gl. 5.2 die Bedingung erfüllt. Für jeden Jordanblock Ji gilt

ai < 0 oder ai ≤ 0 und m = 1 .

Gilt sogar für jeden Jordanblock Jiai < 0 ,

ist das System (global) asymptotisch stabil.

Der Beweis folgt unmittelbar durch Ausrechnen der Lösung.Definition 5.8. Eine n× n Matrix A heißt Hurwitz-Matrix, wenn für alle Eigenwerte λivon A gilt, Re(λi) < 0 für i = 1, . . . n.

Zur Stabilitätsprüfung linearer Systeme bieten sich quadratische Funktionen an. Hiezufolgende Definition.Definition 5.9. Eine symmetrische n× n Matrix P heißt positiv definit, wenn

xTPx > 0 für alle x ∈ Rn − {0}

gilt. Im Falle von xTPx ≥ 0 nennt man P positiv semidefinit.

Wählt man nun als Kandidaten für eine Liapunov Funktion von Gl. 5.2

V (x) = xTPx

mit einer positiv definiten Matrix P, so folgt für V ,

V (x) = xTPx + xTPx= xT

(ATP + PA

)x

= −xTQx

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mit einer quadratischen Matrix Q. Q genügt dabei der Beziehung

ATP + PA + Q = 0 . (5.3)

Gl. 5.3 heißt Liapunov Gleichung (siehe Aufgaben). Ist Q positiv definit, ist das SystemGl. 5.3 asymptotisch stabil, und A ist eine Hurwitz-Matrix. Die Vorgangsweise hier istVorgabe von P und Prüfung von Q auf positive Definitheit. Bei linearen Systemen kannman nun diese Vorgangsweise umkehren. D.h., man gibt ein positiv definites Q vor undberechnet dazu P. Dazu der nachstehende Satz.Satz 5.11. Die Matrix A ist genau dann eine Hurwitz-Matrix, wenn die LiapunovGleichung Gl. 5.3 zu jeder positiv definiten Matrix Q eine positiv definite Lösung Pbesitzt. In diesem Fall ist P eindeutig bestimmt.

Zum Beweis beachte man, dass das Kriterium von Satz 5.11 mit der Liapunov FunktionV (x) = xTPx hinreichend ist. Für eine Hurwitz-Matrix A existiert nun sicher das Integral

P =∞

0

eAT tQeAtdt .

Ist Q positiv definit, muss das auch für P gelten, denn aus

xTPx = 0 folgt∞

0

xT eAT tQeAtx︸ ︷︷ ︸≥0

dt = 0

und damiteAtx = 0 oder x = 0

wegen der Regularität der Transitionsmatrix. Die Rechnung

ATP + PA =∞

0

AT eAT tQeAtdt+∞

0

eAT tQeAtAdt

=∞

0

ddte

AT tQeAtdt

= limt→∞

eAT tQeAt −Q= −Q

zeigt, dass P eine Lösung der Liapunov Gleichung Gl. 5.3 ist. Verbleibt noch die Eindeu-tigkeit der Lösung zu zeigen. Es sei P0 eine weitere Lösung von Gl. 5.3. Für die zeitlicheÄnderung von

F(X) = XTPX−XTP0X = XT (P−P0) X

91

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mit X als Lösung der Matrixdifferentialgl.

X = AX

folgtF(X) = XT

(ATP + PA︸ ︷︷ ︸

−Q

−(ATP0 + P0A

)︸ ︷︷ ︸

−Q

)X = 0 .

F(X) ist also entlang einer Trajektorie konstant. Aus

F(eAt

)= eAT t (P−P0) eAt

erhält man mit

limt→0

F(eAt

)= F(E) = (P−P0) = lim

t→+∞F(eAt

)= 0

die Eindeutigkeit der Lösung von Gl. 5.3. Die Bedeutung des Satzes 5.11 liegt nicht in derStabilitätsprüfung linearer Systeme, vielmehr eröffnet er Möglichkeiten zur Konstruktionvon Liapunov Funktionen.

92

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5.6 AufgabenAufgabe 5.1. Zeigen Sie, dass Definition 5.1 die Stetigkeit einer ganz speziellen Abbildungverlangt.

Aufgabe 5.2. Zeigen Sie, dass die Liapunov Gleichung Gl. 5.3 eine lineare Gleichung inden Elementen pij, i = 1, . . . n, j = i, . . . , n von P ist.

Aufgabe 5.3. Zeigen Sie, dass eine symmetrische Matrix P genau dann positiv (semi)definit ist, wenn für alle Eigenwerte λi von P gilt

λi > 0 (λi ≥ 0) mit i = 1, . . . , n .

Aufgabe 5.4. Suchen Sie in der Literatur nach dem Sylvester Kriterium, das einen einfachenTest auf positive Definitheit einer symmetrischen Matrix gestattet.

Aufgabe 5.5. Zeigen Sie, dass g : Rn → Rn genau dann die Ableitung einer skalarenFunktion V : Rn → R ist, wenn

∂gi∂xj

= ∂gj∂xi

i, j = 1, 2, . . . , n

gilt.

Aufgabe 5.6. Gegeben ist nachfolgendes dynamisches System

x1 = −6x1

u2 + 2x2

x2 = −2 (x1 + x2)u2

mit u = 1 + x21.

• Zeigen Sie, dass für alle x ∈ R2 gilt V (x) > 0 und V (x) < 0 für

V (x) = x21

1 + x21

+ x22 .

• Ist die Ruhelage global asymptotisch stabil?

93

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Aufgabe 5.7. Gegeben ist das nichtlineare, autonome System

x = f(x)

mit stetig differenzierbarem f(x). Für alle x ∈ Rn gelte

P∂f∂x

+(∂f∂x

)TP ≤ −E

mit der Jakobimatrix ∂f∂x und P = PT > 0.

• Zeigen Sie, dass der Punkt 0 die einzige Ruhelage ist.

• Zeigen Sie, das V (x) = fT (x) Pf(x) radial unbeschränkt ist.

• Gilt mit V (x) = fT (x) Pf(x) als Liapunov Funktion, dass der Punkt 0 globalasymptotisch stabil ist.

Aufgabe 5.8. Gegeben ist ein dynamisches System erster Ordnung

y = ay + u

mit einem adaptiven Regelgesetz

u = −kyk = γy2 mit γ > 0.

Überprüfen Sie mit Hilfe des LaSalleschen Invarianzprinzipes, ob die Ruhelage globalasymptotisch stabil ist.

Aufgabe 5.9. Das lineare System

x = Ax + Buy = Cx + Du

sei vollständig beobachtbar. Zeigen Sie, dass A genau dann eine Hurwitz-Matrix ist, wenndie Gleichung

PA + ATP + CTC = −0

für ein P = PT > 0 erfüllt ist. Zeigen Sie weiters, wenn A eine Hurwitz-Matrix ist,dann ist die Lösung obiger Gleichung eindeutig. Verwenden Sie dazu das LaSallescheInvarianzprinzip und die Tatsache, dass für das beobachtbare Paar (A,C) gilt, CeAtx = 0für alle t dann und nur dann, wenn x = 0 für alle t gilt.

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Literaturverzeichnis

[1] Föllinger O.: Nichtlineare Regelung I+II, Oldenbourgverlag, 1993.

[2] Khalil H.K.: Nonlinear Systems, MacMillan Publishing Company, 1992.

[3] Luenberger D.G.: Introduction to Dynamic Systems, John Wiley & Sons, 1979.

[4] Slotine E., Li W.: Applied Nonlinear Control, Prentice–Hall, Inc. 1991.

[5] Vidyasagar M.: Nonlinear Systems Analysis, Prentice Hall, 1993.

95

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Kapitel 6

Liapunov Theorie II

Die Theorie von Liapunov erlaubt es, den Stabilitätscharakter eines stationären Punkteszu beurteilen. In diesem Kapitel werden Methoden angegeben, eine geeignete LiapunovFunktion zu konstruieren, sofern dies möglich ist, oder nachzuweisen, dass ein stationärerPunkt instabil ist. Dabei benutzen viele dieser Methoden die Liapunov Gleichung, umAussagen für eine gewisse Umgebung um die Ruhelage zu gewinnen. Bei der indirektenMethode von Liapunov entfällt sogar die oft mühevolle Konstruktion dieser Funktionen.

6.1 Linearisierung

Allen weiteren Betrachtungen wird wieder das autonome System

x = f(x) (6.1)

mit dem stationären Punkt x = 0 zu Grunde gelegt. Die Funktion f(x) sei auf eineroffenen Umgebung D von 0 stetig differenzierbar, dann gilt für x ∈ D

f(x) = f(0) + ∂

∂xf(0) x + r(x) (6.2)

mitlim‖x‖→0

‖r(x)‖‖x‖

= 0 .

Da 0 ein stationärer Punkt ist, folgt

f(0) = 0 .

Bei vielen Systemen kann die Stabilität der Ruhelage an Hand des linearisierten Systemsbeurteilt werden. Diese Vorgangsweise heißt auch die erste oder indirekte Methode vonLiapunov.

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Satz 6.1. Es sei x = 0 ein stationärer Punkt des Systems Gl. 6.1, und f(x) sei auf eineroffenen Umgebung D von 0 stetig differenzierbar. Mit

A = ∂

∂xf(0)

folgt dann:

1. Gilt für alle Eigenwerte λi von A

Re(λi) < 0 ,

dann ist der Ursprung asymptotisch stabil.

2. Genügt ein Eigenwert λi von A der Bedingung

Re(λi) > 0 ,

dann ist der Ursprung instabil.

Zum Beweis des ersten Teils dieses Satzes wird V ,

V (x) = xTPx

mit positiv definiter Matrix P als Kandidat für eine Liapunov Funktion untersucht. FürV folgt wegen Gl. 6.2

V (x) = xTPf(x) + fT (x) Px= xTP (Ax + r(x)) + (Ax + r(x))TPx= xT

(PA + ATP

)x + 2xTPr(x) .

Da A eine Hurwitz-Matrix ist, hat die Liapunov Gl.

PA + ATP + Q = 0

für jedes positiv definite Q eine positiv definite Lösung P. Da f stetig differenzierbar ist,existiert zu jedem ε > 0 ein δ so, dass

‖r(x)‖2 < ε ‖x‖2 für ‖x‖2 < δ

gilt. Weiters erfüllt eine positiv definite Matrix X die Ungleichungen

xTXx ≥ λmin(X) ‖x‖22 und xTXx ≤ λmax(X) ‖x‖2

2 ,

wobei λmin(X) den kleinsten Eigenwert, λmax(X) den größten Eigenwert von X bezeichnen(siehe den Abschnitt Aufgaben). Damit genügt V der Abschätzung

V (x) ≤ −xTQx + 2ελmax (P) ‖x‖22

≤ (−λmin(Q) + 2ελmax(P)) ‖x‖22 ,

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und V ist fürε <

λmin(Q)2λmax(P)

sicher negativ definit. Damit ist aber wegen Satz 5.1 der Ursprung asymptotisch stabil.Zum Beweis des zweiten Teils von Satz 6.1 wird vorerst vorausgesetzt, dass A keineEigenwerte auf der imaginären Achse besitzt. Dann kann das System

x = Ax + r(x)

mittels einer Zustandstransformation

z = Tx

auf die Form [z1z2

]=[−A11 0

0 A22

] [z1z2

]+[

g1(z)g2(z)

]mit Hurwitz-Matrizen A11 und A22 gebracht werden. Die Liapunov Gln.

P11A11+AT11P11+Q11=0 und P22A22+AT

22P22+Q22=0

sind für positive Matrizen Q11 und Q22 mit positiv definiten Matrizen P11 und P22 lösbar.Man untersucht nun die Funktion

V (z1, z2) =[

zT1 zT2] [ P11 0

0 −P22

] [z1z2

],

die im linearen Unterraum z2 = 0 der Bedingung V > 0 für z1 6= 0 genügt. Auf der Menge

U = {z ∈ Rn | ‖z‖ ≤ ε, V (z) > 0}

genügt V der Abschätzung

V (x) = −zT1(P11A11+AT

11P11)

z1 + 2zT1 P11g1(z)

−zT2(P22A22+AT

22P22)

z2 − 2zT2 P22g2(z)

= zT1 Q11z1 + zT2 Q22z2 + 2[

zT1 zT2] [ P11g1(z)−P22g2(z)

]≥ λmin(Q11) ‖z1‖2

2 + λmin(Q22) ‖z2‖22

−2 ‖z‖2

√λ2max(P11) ‖g1(z)‖2

2 + λ2max(P22) ‖g2(z)‖2

2︸ ︷︷ ︸>0

für‖z‖2 < ε und z 6= 0

mit hinreichend kleinem ε. Wegen Satz 5.5 ist der Ursprung aber instabil. Für den Fall,dass A Eigenwerte auf der imaginären Achse besitzt, siehe den Abschnitt Aufgaben.

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Besitzt das linearisierte System Eigenwerte λi mit Re(λi) = 0, dann erlaubt die indirekteMethode keine Aussage. Hiezu wird das System

x = ax3

betrachtet. Das linearisierte System lautet

x = 0 .

Als Kandidaten für eine Liapunov Funktion wählt man

V (x) = x4 .

Für V folgt dannV (x) = 4ax6 .

Man überzeugt sich leicht, dass der Ursprung im Falle a < 0 asymptotisch stabil, aberfür a > 0 instabil ist. Für a = 0 ist das System linear. Wegen Satz 5.10 ist der Ursprungstabil aber nicht asymptotisch stabil. Dieses System hat nun eine interessante Eigenschaft.Für a < 0 lautet seine Lösung

x (t) = x0

√1

1− 2ax20t.

Aus∣∣∣x (t)AeBt

∣∣∣ =∣∣∣∣∣Ax0

√e2Bt

1− 2ax20t

∣∣∣∣∣limt→∞

∣∣∣x (t)AeBt∣∣∣ = lim

t→∞

∣∣∣∣∣Ax0

√e2Bt

1− 2ax20t

∣∣∣∣∣ =∞

für alle A,B > 0 folgt, dass die Lösung für t → ∞ langsamer gegen Null strebt alsjede Funktion Ae−Bt. Diese Eigenschaft kann aber bei linearen Systemen nie auftreten(warum?).

6.2 Bestimmung des Einzugsbereichs

Für praktische Anwendungen ist es oft nicht notwendig nachzuweisen, dass ein System glo-bal asymptotisch stabil ist. Vielfach reicht es aus, einen hinreichend großen Einzugsbereich,dazu folgende Definition, zu finden.

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Definition 6.1. Es sei x = 0 ein stationärer Punkt des Systems Gl. 6.1, der asymptotischstabil ist.. Die Menge

DA ={x ∈ Rn | lim

t→∞Φt(x) = 0

}heißt Einzugsbereich von 0.

Der Einzugsbereich eines stabilen Punktes weist besondere Eigenschaften auf.Satz 6.2. Es sei x = 0 ein stationärer Punkt des Systems Gl. 6.1, der asymptotischstabil ist. Dann gilt für den Einzugsbereich DA, dass er eine offene, positiv invarianteMenge des Systems Gl. 6.1 ist. Der Rand von DA wird von Trajektorien des Systems Gl.6.1 gebildet.

Zum Beweis dieses Satzes muss hier auf die angegebene Literatur verwiesen werden. MitHilfe positiv invarianter Mengen kann der Einzugsbereich DA des Systems 6.1 einfachabgeschätzt werden. Hiezu werden die Mengen

Mc = {x ∈ Rn | V (x) ≤ c}

betrachtet. Diejenige zusammenhängende Komponente von Mc, die den Ursprung ent-hält, heißt Niveaumenge Lc. Bild 6.1 veranschaulicht diesen Sachverhalt. Mit Hilfe vonNiveaumengen und des Invarianzprinzips von Satz 5.8 kann einfach der Einzugsbereichabgeschätzt werden.

V (x)

Lc

c

x

Bild 6.1: Zur Niveaumenge Lc.

Satz 6.3. Es sei x = 0 ein stationärer Punkt des Systems Gl. 6.1, der asymptotischstabil ist, und D ein Gebiet auf dem V positiv und V negativ definit sind. Für einepositive Konstante c gelte

Lc ⊂ D

mit einer beschränkten Niveaumenge Lc, dann genügt der Einzugsbereich DA des Ur-

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sprunges der BedingungLc ⊂ DA .

Für den Fall, dass V nur negativ semidefinit ist, siehe den Abschnitt Aufgaben sowie Satz5.8.

Zur Veranschaulichung der obigen Sätze wird der Einzugsbereich des Systems

x1 = −x1 + 2x31x2

x2 = −x2

abgeschätzt. Als Kandidaten für eine Liapunov Funktion wird

V (x1, x2) = a x21 + b x2

2

mit positiven Konstanten a, b untersucht. Für V folgt

V = 2a x1x1 + 2b x2x2

= 2a x1(−x1 + 2x3

1x2)

+ 2b x2 (−x2)

= −2a x21

(1− 2x2

1x2)− 2b x2

2 .

Für

12x2

1

x1

2.01.00.0

0.0

2.5

5.0

x2

−1.0−2.0

Bild 6.2: Zur Abschätzung des Einzugsbereichs.

1− 2x21x2 > 0 oder x2 <

12x2

1

ist V negativ definit (siehe Bild 6.2). Zur Bestimmung eines möglichst großen Einzugsbe-reichs wird die größte Niveaumenge Lc gesucht, auf der V negativ definit ist. Legt man dasVerhältnis a/b fest, dann werden die Niveaumengen Lc durch Ellipsen begrenzt, die durch

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Streckung auseinander hervorgehen. Eine Teilmenge des Einzugsbereichs wird dann durchjene Ellipse beschränkt, die die Kurven x2 = 1

2x21berührt. Mit Hilfe dieser Vorgangsweise

wird man im Allgemeinen nur eine Teilmenge des Einzugsbereiches bestimmen. Dieserkann hier noch einfach exakt bestimmt werden, da die Lösung der Diff.gln durch

x1(t) =√

3et/2x1,0√3e3t − (4e3t − 4)x2

1,0x2,0

x2(t) = x2,0e−t

gegeben ist. Der Einzugsbereich folgt dann aus der Beziehung

x2,0 <3

4x21,0

.

Bild 6.3 veranschaulicht diesen Sachverhalt. Vergleichen Sie dieses Ergebnis mit Bild 6.2.Für

x2,0 = 34x2

1,0

folgtx1(t) = x1,0e

t/2 und x2(t) = x2,0e−t

und damitx2

1(t)x2(t) = x21,0e

tx2,0e−t = x2

1,0x2,0 = 34 .

Der Rand ist also Lösung der Diff.gln (siehe Satz 6.2). Das Problem bei der Abschätzung

2.01.00.0−1.0−2.00.0

2.5

5.0

x2

x1

34x2

1

Bild 6.3: Zum Einzugsbereich.

des Einzugsbereichs ist, dass sie zu konservativ ausfallen kann. Man ist daher an Me-thoden interessiert, Liapunov Funktionen zu finden, die eine gute Abschätzung erlauben.

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Exemplarisch zur Konstruktion von Liapunov Funktionen werden hier die Methode vonAiserman und die Methode des variablen Gradienten besprochen. Der dann folgende Satzvon Zubov ist vornehmlich von theoretischem Interesse.

6.2.1 Die Methode von Aiserman

Bei der Methode von Aiserman wird das System Gl. 6.1 in der Form

x = A(x) x

geschrieben. Wobei man annimmt, dass man A(x) in einen konstanten und einen nichtkonstanten Teil der Form

A(x) = A0 + AR(x)aufspalten kann. Als Kandidaten für eine Liapunov Funktion wählt man

V (x) = xTPx .

Für V folgt dann

V (x) = xT(AT (x) P + PA(x)

)x = −xTQ(x) x

mit−Q(x) = AT (x) P + PA(x) .

Die Matrix Q(x) kann wieder in einen konstanten und einen nicht konstanten Teil aufge-spalten werden. Es gilt

−Q(x) =(AT

0 + ATR(x)

)P + P (A0+AR(x))

= AT0 P + PA0 + AT

R(x) P + PAR(x)= −Q0 −QR(x)

mitAT

0 P + PA0 + Q0 = 0 und −QR (x) = ATR(x) P + PAR(x) .

Ist A0 eine Hurwitz-Matrix, dann hat die Liapunov Gleichung für jedes positiv definiteQ0 eine positiv definite Lösung P, und man erhält für V die Beziehung

V (x) = −xTQ0x− xTQR(x) x ,

wobei der erste Summand für x 6= 0 sicher negativ ist. Kann man nachweisen, dass obigesV in einem Gebiet D negativ ist, dann gehört D zum Einzugsbereich.

Als Beispiel zur Methode von Aiserman wird der Regelkreis nach Bild 6.4 untersucht.Es gilt

x1 = x2x2 = −x2 − f(x1) ,

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f(e) 1s(s+ 1)

yue

Bild 6.4: Einschleifiger Regelkreis mit nichtlinearer Kennlinie.

wobei die Kennlinie f(x) stetig und ungerade vorausgesetzt wird. Man wählt nun

A0 =[

0 1−ε −1

]und AR(x) =

[0 0

−f(x1)x1

+ ε 0

].

Für ε > 0 ist A0 eine Hurwitz-Matrix. Die Lösung der Liapunov Gl.[0 −ε1 −1

] [p11 p12p12 p22

]+[p11 p12p12 p22

] [0 1−ε −1

]+[ε 00 1

]= 0

ergibt sich zu

P =[ε+ 1

212

12 1

].

Man überzeugt sich leicht, dass P positiv definit ist. Mit

−QR(x) = ATR(x) P + PAR(x) = −

f(x1)x1− ε f(x1)

x1− ε

f(x1)x1− ε 0

folgt

V (x) = −xTQ0x− xTQR(x) x

= −εx21 − x2

2 −(f(x1)x1− ε

)x2

1 − 2(f(x1)x1− ε

)x1x2

oder

V (x1, x2) = −[x1 x2

] f(x1)x1

f(x1)x1− ε

f(x1)x1− ε 1

[ x1x2

].

Aus dem Silvester Kriterium erhält man nun die Bedingungen

f(x1)x1

> 0 und f(x1)x1

>

(f(x1)x1− ε

)2

.

Mit dem Grenzübergang ε→ 0 vereinfachen sie sich zu

0 < f(x1)x1

< 1 .

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6.2.2 Die Methode des variablen Gradienten

Bei der Methode des variablen Gradienten, es sollte eigentlich variables Differenzial heißen,macht man für ∂

∂xV den Ansatz

∂xV (x) =

[g1(x) g2(x) · · · gn(x)

].

Die Funktionen gi müssen dabei den Integrabilitätsbedingungen

∂xjgi(x) = ∂

∂xigj(x) für i = 1, . . . , n , j = 1, . . . , n

genügen. Die Funktion V erhält man dann z.B. aus

V (x) =x1ˆ

0

g1(z, 0, . . . , 0) dz +x2ˆ

0

g2(x1, z, . . . , 0) dz + · · ·+xnˆ

0

gn(x1, . . . , xn−1, z) dz .

Natürlich kann man auch einen anderen Integrationsweg wählen.Das Beispiel nach Bild 6.4 des vorigen Abschnitts wird nun mit dieser Methode

untersucht. Dann erhält man für V

V (x1, x2) = g1(x)x2 − g2(x) (f(x1) + x2) .

Für g wird der Ansatz

g(x) =[α(x1) + βx2βx1 + γ(x2)

]gewählt, der die Integrabilitätsbedingungen erfüllt. Damit folgt

V (x1, x2) = (α(x1) + βx2)x2 − (βx1 + γ(x2)) (f(x1) + x2) .

Wählt man nochα(x1) = f(x1) + βx1 und γ(x2) = x2 ,

vereinfacht sich obiger Ausdruck zu

V (x1, x2) = − (1− β)x22 − βx1f(x1) .

Ist f(x) wieder eine stetige, ungerade Kennlinie, ist für

0 < β < 1 und f(x1)x1

> 0

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obiger Ausdruck negativ definit. Für V folgt dann aus

V (x1, x2) =x1ˆ

0

(f(z) + βz) dz +x2ˆ

0

(βx1 + z) dz

= 12βx

21 + βx1x2 + 1

2x22 +

x1ˆ

0

f(z) dz ,

dass V positiv definit ist, sofern man 0 < β < 1 wählt. Hiezu beachte man, dass

βx21 + 2βx1x2 + x2

2 =[x1 x2

] [ β ββ 1

] [x1x2

]gilt, und benutze das Kriterium von Silvester.

6.2.3 Der Satz von Zubov

Mit Hilfe des Satzes von Zubov kann der Einzugsbereich des Ursprungs exakt bestimmtwerden.Satz 6.4. Zu dem System Gl. 6.1 existieren Funktionen V : Rn → R und h : Rn → Rauf einem Gebiet D so, dass gilt:

1. V ist auf D stetig differenzierbar, positiv definit und erfüllt die Ungleichung

0 < V < 1 für x ∈ D − {0} .

Die Niveaumengen Lc mit c < 1 sind beschränkt.

2. Am Rand von D gilt V (x) = 1, sofern D beschränkt ist. Ist D unbeschränkt, genügtD der Bedingung

lim‖x‖→∞

V (x) = 1 .

3. Die Funktion h : Rn → R ist auf D stetig und positiv definit auf Rn.

4. Für x ∈ D giltV (x) = ∂V

∂xf(x) = −h(x) (1− V (x)) .

Dann ist der Ursprung asymptotisch stabil und der Einzugsbereich gleich D.

Dass D Teilmenge des Einzugsbereiches ist, folgt aus dem Vorangegangenem. Es verbleibtzu zeigen, dass der Einzugsbereich gleich D ist. Hiezu wird der Rand von D, also dieMannigfaltigkeit (Fläche)

V (x) = 1 .

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untersucht. Damit die Trajektorie x(t) = Φt(x0) in einer Mannigfaltigkeit V (x) = cverbleibt, muss

∂V

∂x∂

∂tΦt(x0) = ∂V

∂xf(x) = 0

gelten. Wählt man nun x0 so, dass V (x0) = 1 gilt, dann sieht man sofort, dass Φt(x0) dieMannigfaltigkeit V (x0) = 1 nicht verlässt. Der Rand von D wird also von Lösungen desSystems Gl. 6.1 gebildet. Wegen Satz 6.2 ist D aber dann gleich dem Einzugsgebiet. DerSatz 6.4 besagt also, dass zu jedem asymptotisch stabilen, stationären Punkt zumindestprinzipiell der Einzugsbereich bestimmt werden kann. Der wesentliche Nachteil hier istjedoch, dass er die Lösung einer partiellen Diff.gl. verlangt.

6.3 Entwurf mittels Liapunov Funktionen

Mit Hilfe von Liapunov Funktionen können auch einfach Regelkreise entworfen werden.Hiezu werden zwei Beispiele betrachtet. Gegeben ist das lineare, zeitinvariante System

x = Ax + Bu ,

wobei A eine Hurwitz-Matrix ist. Als Kandidaten für eine Liapunov Funktion wählt manwieder

V (x) = xTPx .

Für V folgtV (x) = xT

(ATP + PA

)x + 2xTPBu .

Löst man wieder geeignet die Liapunov Gleichung

ATP + PA + Q = 0 ,

so muss das Regelgesetz u(x) der Bedingung

−xTQx + 2xTPBu(x) < 0

genügen. Soll die Stellgröße u z.B. noch die weiteren Bedingungen

|ui| ≤ 1

erfüllen, dann wäre eine mögliche Wahl für u

ui(x) = −sgn(fi) mit f =[f1 f2 · · · fm

]= xTPB .

Als zweites Beispiel wird die Stabilisierung eines Systems gekoppelter, starrer Körperuntersucht. Wirkt keine Gravitationskraft auf dieses System, wird es durch die Diff.gln.

D(q) q + C (q, q) q = u

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mit den verallgemeinerten Koordinaten q, dem Vektor der Stellgrößen u und der positivdefiniten Massenmatrix D(q) beschrieben. Mittels der neuen Koordinaten

x = q und v = q

folgtx = vv = D−1(x) (u−C(x,v) v) .

Für das Regelgesetz macht man den Ansatz

u = −Kp (x− xs)−Kdv

mit positiv definiten Matrizen Kp und Kd und der Solllage xs. Dieses Gesetz wird auchPD Gesetz genannt. Um die Stabilität des Punktes x = xs und v = 0 nachzuweisen, wirddie Funktion

V (x,v) = 12(vTD(x) v + (x− xs)T Kp (x− xs)

)untersucht. Für V folgt vorerst

V = vTD(x) v + 12vT D(x) v + xTKp (x− xs)

= −vTD(x) D(x)−1 (Kp (x− xs) + Kdv + C(x,v) v) + 12vT D(x)v + vTKp (x− xs)

= −vTKdv + 12vT

(D(x)− 2C(x,v)

)v .

Da die Matrix M = D(x)−2C(x,v) schiefsymmetrisch ist (siehe den Abschnitt Aufgaben),gilt

vTMv = 0

und damitV (x,v) = −vTKdv .

Mittels Satz 5.9 zeigt man aber sofort, dass der Punkt x = xs und v = 0 globalasymptotisch stabil ist.

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6.4 AufgabenAufgabe 6.1. Zeigen Sie, dass gilt

xTQx ≥ λmin(Q) ‖x‖22 und xTQx ≤ λmax(Q) ‖x‖2

2 ,

wobei λmin(Q) den kleinsten Eigenwert und λmax(Q) den größten Eigenwert von Qbezeichnet.

Aufgabe 6.2. Liegen die Eigenwerte der Matrix A im Gebiet

Re(λi) < δ > 0 ,

dann liegen die der Matrix A− δE im Gebiet

Re(λi) < 0 .

Die Liapunov Gl.P (A− δE) + (A− δE)T P + Q = 0

hat also für jedes positiv definite Q eine positiv definite Lösung P. Benutzen Sie dieseTatsache um den Beweis von Satz 6.1 zu vervollständigen.

Aufgabe 6.3. Vervollständigen Sie Satz 6.3 für den Fall, dass V lediglich negativ semidefinitist. Siehe hiezu die Sätze 5.8 und 5.9.

Aufgabe 6.4. L (q, q) sei die Lagrange Funktion des Starrkörpersystems von Abschnitt 6.3.Da angenommen wird, dass keine Gravitationskräfte wirken, gilt für L mit der positivdefiniten Massenmatrix D(q)

L(q, q) = 12 qTD(q) q .

Die Bewegungsgleichungen lauten dann

ddt

∂qL− ∂

∂qL = uT

oder in Koordinatenschreibweisen∑j=1

dij(q) qj +n∑j=1

n∑k=1

cijk(q) qj qk = ui für i = 1, . . . n

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mitcijk (q) = 1

2

(∂dik∂qj

+ ∂dij∂qk− ∂djk

∂qi

).

Benutzen Sie diese Beziehung, um nachzuweisen, dass

D(q)− 2C(q)

schiefsymmetrisch ist.

Aufgabe 6.5. Gegeben ist das dynamische System von Bild 6.5 mit T1 und T2 > 0.Bestimmen Sie mit Hilfe der Liapunov Funktion

V (x1, x2) = a2x21 + b2x2

2 mit a, b 6= 0

einen möglichst großen Einzugsbereich.

1

1

u1

u2

x1

x2x32

11 + T1s

11 + T2s

Bild 6.5: Blockschaltbild zur Aufgabe 6.5

Aufgabe 6.6. Gegeben ist das lineare, autonome, zeitinvariante Abtastsystem

xk+1 = Axk mit A ∈ Rn×n .

Zeigen Sie, dass die Beziehung

ATPA−P < 0 mit P ∈ Rn×n > 0

hinreichend dafür ist, dass mit V (x) = xTPx eine Liapunov Funktion gegeben ist.

Aufgabe 6.7. Betrachten Sie nachfolgendes nichtlineares, dynamisches System

x1 = f1(x1, x2) + uxr1x2 = f1 (x1, x2) + uxr2

mit f1 und f2 beliebig sowie r ∈ N+.

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• Zeigen Sie mittels einer geeigneten Liapunov Funktion, dass bei ungeradem r eineEingangsgröße u immer so existiert, dass das System in den Ursprung übergeführtwerden kann.

• Zeigen Sie mittels einer geeigneten Funktion, dass bei geradem r eine Eingangsgrößeu nicht immer existieren muss, dass das System in den Ursprung übergeführt werdenkann. Finden Sie dazu ein geeignetes Beispiel.

Aufgabe 6.8. Gegeben ist ein RLC-Netzwerk, welches durch nachfolgendes System vonDifferentialgleichungen[

xCxL

]= −

[C 00 L

]−1 [ R11 R12R21 R22

] [xCxL

]

beschrieben wird. xC beschreibt dabei den Vektor der Kondensatorspannungen und xL denVektor der Induktivitätsströme. Die Diagonalmatrix C beinhaltet alle Kondensatorwerteund die positiv definite Matrix L setzt sich aus den Haupt- und Gegeninduktivitätenzusammen. R11 und R22 seien symmetrisch und es gelte R12 = −RT

21. Zeigen Sie, dassdie totale gespeicherte Energie in den Kondensatoren und Induktivitäten ein geeigneterKandidat als Liapunov Funktion ist. Zeigen Sie weiters, dass der Punkt

[0 0

]Tbei

positiv definitem R11 und R22 global asymptotisch stabil ist.

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Literaturverzeichnis

[1] Föllinger O.: Nichtlineare Regelung I+II, Oldenbourgverlag, 1993.

[2] Khalil H.K.: Nonlinear Systems, MacMillan Publishing Company, 1992.

[3] Luenberger D.G.: Introduction to Dynamic Systems, John Wiley & Sons, 1979.

[4] Slotine E., Li W.: Applied Nonlinear Control, Prentice–Hall, Inc. 1991.

[5] Vidyasagar M.: Nonlinear Systems Analysis, Prentice Hall, 1993.

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