Regenerative Medizin Biologie

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  • Regenerative Medizin und BiologieDie Heilungsprozesse unseres Krpers verstehen und nutzen

  • Impressum

    Herausgeber

    Bundesministerium fr Bildung und Forschung (BMBF)

    Referat Publikationen; Internetredaktion

    11055 Berlin

    Bestellungen

    schriftlich an den Herausgeber

    Postfach 30 02 35

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    (0,12 Euro/Min. aus dem deutschen Festnetz)

    E-Mail: [email protected]

    Internet: http://www.bmbf.de

    Redaktion

    Dr. Karsten Schrrle

    Autoren

    Dr. Rdiger Marquardt,

    Dr. Karsten Schrrle,

    DECHEMA e. V., Frankfurt/M.

    Gestaltung

    Christian Beck, Frankfurt/M.

    Druckerei

    Druckhaus Mnster, Kornwestheim

    Bonn, Berlin 2005

    Gedruckt auf Recyclingpapier

    Bildnachweise Seite

    Autotissue GmbH, Berlin 37

    Christoph Blumrich, Blumrich Illustration, Greenlawn, New York 8, 9, 28

    B. Braun AG, Melsungen 18

    Bundesverband Medizintechnologie e.V., Berlin 15, 20, 42

    Angelo Cavalli/TIPS/Agentur Focus U1

    Co.don AG, Teltow 17, 24

    Deutscher Bundestag, Berlin 32

    Fischer Ski 16

    Dr. Andreas Emmendrffer, euroderm GmbH, Leipzig 15

    Flad & Flad - Communication GmbH, "Flad & Flad BioGene", Heroldsberg 12

    Fresenius Medical Care AG, Bad Homburg 29

    Prof. Dr. Christoph Gleiter, Universittsklinikum Tbingen 38

    GDE - Grafikdesign Erdmann, Bonn 23

    Dr. Andreas Haisch, Charit, Berlin 19

    Daniel Heuclin, BIOS, Paris 40

    Prof. Dr. Simon P. Hoerstrup, Universittsspital Zrich 19, 20

    Prof. Dr. Jeffrey Hubbell, Ecole Polytechnique Fdrale Lausanne 18

    Roman Jupitz, TU Hamburg-Harburg 23

    Prof. Dr. Veit Krenn, Charit, Berlin 42

    Deborah Maizels, Bertelsmann Lexikon Verlag GmBH, Gtersloh/Mnchen 7

    Max-Planck-Institut fr molekulare Genetik, Berlin 30

    Max-Planck-Institut fr molekulare Zellbiologie und Genetik, Dresden 41

    Medical Photographic Library, Wellcome Trust, London 7, 30

    Prof. Dr. Heike Mertsching, Fraunhofer-Institut fr Grenzflchen

    und Bioverfahrenstechnik, Stuttgart 27

    Prof. Dr. Stephen Minger, King's College, London 33

    Adriane Polak, DECHEMA e. V., Frankfurt 31

    Helmut Rohrer, MaxPlanckForschung, Mnchen 14

    Prof. Andrew Swift, Medical College of Georgia, Augusta 10, 11

    Teraklin AG, Rostock 29

    VasoTissue Technologies GmbH, Berlin 20

    VITA 34 AG, Leipzig 13

    Dr. Dr. P. H. Warnke, Klinik fr MKG-Chirurgie, Universitt Kiel 21, 26

  • Regenerative Medizin und BiologieDie Heilungsprozesse unseres Krpers verstehen und nutzen

  • deutschen Biotechnologiefirmen vermarktet. Diese Erfolge

    sind nur durch gemeinsame Anstrengungen, vor allem durch

    die Zusammenarbeit von Grundlagenforschung, Klinik und

    Industrie mglich.

    Das Bundesministerium fr Bildung und Forschung frdert

    gezielt die Ausschpfung der Potenziale der Biomedizin.

    Mit dem im Jahr 2000 geschaffenen Frderschwerpunkt

    Tissue Engineering untersttzte das Bundesministerium

    fr Bildung und Forschung mit 38 Millionen Euro wichtige

    Akzentsetzungen insbesondere bei jungen Unternehmen.

    Ziel ist es, in Deutschland aus den bestehenden Strukturen

    heraus ein international wettbewerbsfhiges Produkt- und

    Dienstleistungsspektrum zu etablieren. Daher werden vor

    allem Kooperationen zwischen kleinen und mittleren Unter-

    nehmen und Forschungseinrichtungen aus Medizin sowie

    Natur- und Ingenieurwissenschaften gefrdert. Zustzlich

    zu den genannten ffentlichen Frdermitteln konnten noch-

    mals etwa 26 Millionen Euro private FuE-Mittel mobilisiert

    werden.

    Darber hinaus wird in dem BMBF-Frderschwerpunkt Bio-

    logischer Ersatz von Organfunktionen das Potenzial von

    Stammzellen zur Therapie verschiedener volkswirtschaftlich

    relevanter Erkrankungen wie zum Beispiel Parkinson, Dia-

    betes, Osteoporose und Herzinfarkt ausgelotet. Mit einem

    Volumen von neun Millionen Euro fr drei Jahre ist der

    Frderschwerpunkt Mitte 2001 gestartet und umfasst der-

    zeit 32 laufende Projekte.

    Zur Fortfhrung dieser Frderung ist im September 2004 ein

    neuer Frderschwerpunkt zur Zellbasierten, regenerativen

    Medizin ausgeschrieben worden. Dabei soll das bisherige

    Frdervolumen mit einem Umfang von drei Millionen Euro

    im Jahr beibehalten werden. Die gefrderten Projekte wer-

    den sich berwiegend im Vorfeld der Anwendung bewegen

    zur Vorbereitung einer spteren klinischen Anwendung.

    Diese Broschre gibt einen berblick ber den Stand der Ent-

    wicklung, skizziert das Potenzial der Regenerativen Techno-

    logien und wagt einen Blick in die Zukunft. Die enormen

    Chancen, die sich dabei abzeichnen, mssen wir nutzen in

    unser aller Sinne: als mgliche Patienten und fr die wirt-

    schaftliche Leistungsfhigkeit Deutschlands.

    Edelgard Bulmahn

    Bundesministerin fr Bildung und Forschung

    Das Bundesministe-

    rium fr Bildung und

    Forschung frdert For-

    schung fr den Men-

    schen. Damit ist nicht

    nur gemeint, dass For-

    schungsergebnisse zu

    einer verbesserten

    Gesundheitsversor-

    gung beitragen kn-

    nen. Forschung fr

    den Menschen bedeu-

    tet auch und dies gilt

    in besonderer Weise bei den Entwicklungen der modernen

    Biomedizin dass sie in einem angemessenen ethischen und

    rechtlichen Rahmen stattfindet.

    Regenerative Technologien gehren zu den innovativsten

    Zukunftsfeldern der modernen biomedizinischen und bio-

    logischen Forschung und Anwendung. Die Mglichkeit, die

    Selbstheilungskrfte des Krpers gezielt zur Behandlung

    von Krankheiten zu mobilisieren, ist fr die Gesundheit

    vieler Menschen eine beraus wichtige, wirtschaftlich sehr

    viel versprechende und wissenschaftlich hchst faszinierende

    Perspektive.

    Konkret umfassen die Regenerativen Technologien die Er-

    haltung beziehungsweise Wiederherstellung der Leistungs-

    fhigkeit und damit Lebensqualitt bei Patienten auch bei

    bisher nicht therapierbaren Krankheitsbildern. Gleichzeitig

    birgt sie auf lngere Sicht betrachtet konomische Potenziale

    bei der Behandlung selbst: Wo es ber die Stimulierung kr-

    pereigener Mechanismen zu einer Reparatur im Sinne einer

    echten Regeneration kommt, kann auf Implantate aus Stof-

    fen, die dem Organismus fremd und unvertrglich sind, auf

    lange Sicht immer fter verzichtet werden. Auch aufwndige

    Folgebehandlungen wie Dialyse oder Folgeoperationen

    knnten in Zukunft unterbleiben. Vorbild ist dabei die Natur

    selbst: Sie liefert mit Wirbeltieren, bei denen ganze Organe

    oder Krperteile nachgebildet werden, die beeindruckends-

    ten Beispiele fr das dahinter stehende Potenzial.

    Schon heute zeigen sich erstaunliche Beispiele, unter ande-

    rem die Mglichkeit, Hautverbrennungen durch aus Zellen

    nachgezchtete Haut zu heilen oder die Option, patienten-

    eigenen Knorpel zu zchten, um ihn in verletzte Gelenke

    oder als Bandscheibenersatz zu transplantieren. Diese An-

    stze sind bereits praxistauglich. Sie wurden von Forscher-

    gruppen in Deutschland entwickelt und werden auch von

    VORWORT

    Vorwort

  • 4 INHALTSVERZEICHNIS

    Vorwort 3

    Einleitung 5

    Medizinische Grundlagen 6

    Zellen- und Differenzierungspotenziale 7

    Immunologie 8

    Stammzellen 11

    Reproduktives und therapeutisches Klonen 14

    Tissue Engineering in der Praxis: einige Beispiele 15

    Haut 15

    Gelenkknorpel 16

    Bandscheiben 17

    Knochenmark und Blutzellen 17

    Extrazellulre Trgermaterialien Grundlage des Fortschritts 18

    Ohren 19

    Herzklappen 19

    Gefe 20

    Anstze mit Stammzellen 21

    Knochen 21

    Entwicklung der Methoden der modernen Medizin 22

    Die Zchtung von Zellen und Geweben 24

    Herzmuskel 26

    Luftrhre 27

    Pankreas 28

    Niere 28

    Leber 29

    Nerven 30

    Embryonale Stammzellen die internationale Situation 32

    Nationale und internationale Frderaktivitten 35

    Die Zulassung von Tissue-Engineering-Produkten 36

    Fallbeispiel fr die Zulassung eines TE-Produkts 37

    Interview mit Prof. Dr. Christoph Gleiter 38

    Regenerative Medizin die Zukunft hat schon begonnen 40

    Wird sich die regenerative Medizin durchsetzen? 42

    Glossar 43

    Inhaltsverzeichnis

  • 5EINLEITUNG

    Gegenwrtig sind die komplexen Kausalitten der biologi-

    schen Regenerationsmechanismen noch weitgehend unver-

    standen. Hier steht die biomedizinische Grundlagenfor-

    schung gerade erst am Anfang. Vieles bleibt aufzuklren,

    zum Beispiel wie nah adulte, embryonale oder Nabelschnur-

    blutstammzellen an das jeweilige Therapieziel heranfhren.

    Diese spannenden Fragen mssen ergebnisoffen, nchtern

    und bei Wahrung der ethischen Grundstze angegangen

    werden, die notwendigen materiellen und rechtlichen Vor-

    aussetzungen dafr sind gegeben.

    Der "Heilige Gral" der Regenerativen Medizin ist schlielich

    die Bildung bzw. Zchtung von ganzen Ersatzorganen und

    Gliedmaen aus Zellen der Patienten. Auch wenn dieses Ziel

    noch in sehr weiter Ferne liegt, werden jetzt die ersten Schrit-

    te dahin gemacht. Denn die Natur hat uns bei Wirbeltieren

    wie Reptilien und Amphibien bereits vorgemacht, dass dies

    mglich ist.

    Die Medizin steht vor groen Entwicklungen. Dank der ra-

    sant wachsenden Einblicke in zellulre Prozesse verstehen

    wir die molekularbiologischen Mechanismen hinter den

    Selbstheilungskrften unseres Krpers zunehmend besser.

    Diese Selbstheilungskrfte gezielt zu nutzen, bedeutet eine

    wesentliche Erweiterung der Heilkunst um therapeutische

    Optionen, die oft unter dem Schlagwort der Regenerativen

    Medizin zusammengefasst werden.

    Einige Anwendungen wurden bereits Realitt. Dazu zhlen

    Knorpel- und Hautersatz, die durch das Tissue Engineering

    das heit die intelligente Kombination von Hightechmateri-

    alien und Zellkulturen verfgbar wurden. Hier haben ins-

    besondere deutsche Forschergruppen und Biotechunterneh-

    men viel geleistet. Trotz der Verfgbarkeit dieser Produkte

    sind aber manche Probleme auf dem Weg zum Markterfolg

    noch nicht gelst worden. So leidet die Kommerzialisierung

    unter den in Europa uneinheitlichen Zulassungsregularien

    und der zgerlichen Erstattungspraxis der Krankenversiche-

    rungen, wodurch letztlich die Aussichten der jungen Unter-

    nehmen auf Einnahmen schwinden und sich Investoren oft-

    mals verhalten zeigen.

    Dennoch hat die Regenerative Medizin ihre Zukunft noch vor

    sich. Die aufregenden Ergebnisse haben bereits viel verspre-

    chende Projekte etwa zur Reparatur defekter Gewebeberei-

    che angestoen, die langfristig zur Therapie schwerer und

    weit verbreiteter Krankheiten wie Herzinfarkte, Neurodege-

    nerativer Erkrankungen und Diabetes geeignet sein drften.

    Das konomische Potenzial derartiger Therapien wird als be-

    achtlich eingeschtzt nicht zuletzt in der Entlastung der

    Gesundheitssysteme.

    Einleitung

  • 6 MEDIZINISCHE GRUNDLAGEN

    zahl einzelner Zellen aufgebaut sind. Die Zelle ist das verbin-

    dende Element aller Lebewesen, von den einzelligen Urtier-

    chen, die schon Leuwenhook unter dem Mikroskop beobach-

    tet hatte, bis hin zum Elefanten oder Wal. Diese Erkenntnisse

    und das zunehmende Verstndnis der Organe und Funktio-

    nen des menschlichen Krpers ermglichten eine neue Vor-

    stellung von Krankheit und neue Konzepte fr Therapien. So

    konnte Rudolf Virchow, ein Berliner Arzt und Politiker, unter

    anderem den zellulren Ursprung vieler Krankheiten erken-

    nen. Virchow setzte sich auch sehr fr den Aufbau eines staat-

    lichen Gesundheitswesens ein.

    Das 19. Jahrhundert erwies sich insgesamt als technik- wie

    forschungsfreundlich und verhalf auch der Medizin zu wich-

    tigen Fortschritten. So ist das Stethoskop, noch heute ein

    Standard-Utensil der rzte, eine Erfindung des frhen 19.

    Jahrhunderts. Auch fanden in der ersten Hlfte dieses Jahr-

    hunderts Schmerzmittel wie Morphin als aktiver Bestandteil

    des Opiums identifiziert, oder Narkosemittel wie Lachgas,

    ther und Chloroform erstmals breite und gezielte Anwen-

    dung. Das ermglichte wiederum umfangreiche und schwie-

    rige chirurgische Eingriffe. Die Medizintechnik, also die Ent-

    wicklung und der Einsatz speziell entwickelter Gerte fr

    Diagnostik und Therapie, machte seit dieser Zeit groe Fort-

    schritte. Eine moderne medizinische Versorgung greift ja wie

    selbstverstndlich auf Katheter, knstliche Gelenke, Herz-

    schrittmacher, Zahnimplantate und vieles mehr zurck.

    Auch mikrochirurgische Verfahren knnen nur dank der Ent-

    wicklung neuer Gerte eingesetzt werden. In der Pharmazie,

    bei der Entwicklung und Bereitstellung von Medikamenten,

    wurden gleichfalls groe Fortschritte gemacht.

    Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte man bereits Metho-

    den, um Organe auerhalb eines Krpers funktionstchtig zu

    halten. Dazu wurden die isolierten Organe nicht mit Blut,

    sondern mit speziell dafr entwickelten Nhrlsungen durch-

    splt. Auch die Transplantation menschlicher und tierischer

    Organe versuchte man. Allerdings scheiterten diese und auch

    sptere Versuche an den oft heftigen und bis dahin unverstan-

    denen Abstoungsreaktionen der Empfnger. Erst in den

    1950er Jahren gelang rzten in Boston eine erfolgreiche Nie-

    rentransplantation beim Menschen, wobei Spender und

    Empfnger eineiige Zwillinge waren und daher Abstoungs-

    reaktionen unterblieben. Die eigentliche ra der Organtrans-

    plantationen begann im Jahr 1967 mit der erfolgreichen Ver-

    Die ersten berlieferten Anstze einer rationalen Ausein-

    andersetzung mit menschlichen Krankheiten, zumindest im

    abendlndischen Raum, werden hufig Hippokrates zuge-

    schrieben, der rund 400 Jahre vor Christus gewirkt und eine

    eigene Lehre begrndet hat. Der Hippokratische Eid der

    Mediziner erinnert noch heute an ihn. Hippokrates und sei-

    nen Schlern ist es zu verdanken, dass Krankheiten nicht

    mehr als gttliche Strafe oder als Wirken von Dmonen

    begriffen wurden, sondern als Fehlfunktionen des Krpers,

    die man behandeln konnte. Fr Hippokrates ging es darum

    die Patienten genau zu beobachten und sie entsprechend zu

    pflegen, also die Selbstheilungskrfte des Krpers gezielt zu

    untersttzen angesichts des fehlenden Verstndnisses fr

    Krankheitsursachen keine schlechte Methode.

    Erst um das Jahr 1840 herum setzte sich die Erkenntnis durch,

    dass Pflanzen, Tiere und der Mensch aus einer groen Viel-

    Medizinische Grundlagen

    Bereits Hippokrates erkannte die Bedeutung der Selbst-

    heilungskrfte des Krpers fr die Therapie von Krank-

    heiten. Dass Zellen bei Krankheits- und Heilungsprozes-

    sen im Mittelpunkt stehen, wurde im 19. Jahrhundert klar.

    Heute versteht man viele ihrer Mechanismen und lernt,

    sie gezielt fr die Therapie zu aktivieren und zu nutzen.

    Aderlass

  • 7MEDIZINISCHE GRUNDLAGEN Zellen und Differenzierungspotenziale

    pflanzung eines menschlichen Herzens durch Christian Bar-

    nard. Mittlerweile hatte man gelernt, Spender und Empfn-

    ger hinsichtlich einer mglichst guten Gewebevertrglich-

    keit zu klassifizieren und man setzte radioaktive Bestrah-

    lungen oder Zytostatika ein, um die Immunantwort des

    Empfngers zu unterdrcken. Es bedurfte allerdings noch

    der Entwicklung besserer Medikamente, mit denen die

    Immunabwehr ohne allzu gravierende Nebenwirkungen

    kontrolliert werden konnte, bevor die Methode der Organ-

    transplantation ihren Siegeszug antrat.

    Die Medizin hat sich in den letzten 200 Jahren enorm

    entwickelt und es ist fr uns heute

    selbstverstndlich, dass hoch-

    moderne Techniken und Medika-

    mente zur Verfgung stehen, mit

    denen Verletzungen versorgt,

    Krankheiten gelindert oder geheilt

    werden knnen. Viele Erkrankun-

    gen kann man allerdings nur in

    den Symptomen, nicht aber in den

    Ursachen bekmpfen. Bei Organ-

    transplantationen ist die Nachfra-

    ge heute weit grer als das ver-

    fgbare Angebot. Leiden wie

    Krebs, Schlaganfall und Herzin-

    farkt knnen nur unzureichend

    behandelt werden. Die steigende

    Lebenserwartung fhrt dazu, dass

    altersbedingte Krankheiten eine

    immer grere Rolle spielen, wor-

    aus neue Anforderungen an die

    medizinische Versorgung resultie-

    ren. Dank des Wissens um den Auf-

    bau und das Funktionieren des

    menschlichen Krpers erffnet

    sich nun auch die Mglichkeit, das hohe Leistungspotenzial

    menschlicher Krperzellen fr therapeutische Zwecke zu nut-

    zen. Was die Schule des Hippokrates begrndet hat, nmlich

    die Untersttzung der Selbstheilungskrfte des Krpers, wird

    von der modernen Medizin in verblffender Weise aufge-

    nommen und weiterentwickelt.

    Zellen und Differenzierungspotenziale

    Die erste Hlfte des 19. Jahrhunderts hatte nicht nur die Er-

    kenntnis gebracht, dass Organismen aus einer Vielzahl

    einzelner Zellen aufgebaut sind. Man hatte auch die Eizelle

    entdeckt und untersucht, wie sich aus dieser einzelne Gewe-

    beschichten und schlielich ganze Lebewesen entwickeln

    konnten. Trotz dieser frhen Einsicht gehrt es noch heute

    zu den grten und spannendsten Herausforderungen in den

    Lebenswissenschaften zu verstehen, wie dieser Vorgang

    genau abluft. Auch der menschliche Organismus entsteht in

    seiner komplexen Gesamtheit mit rund 60 Billionen Zellen

    aus nur einer einzigen Zelle, der befruchteten Eizelle. Im Men-

    schen bilden sich ber 200 Zelltypen aus, die unterschiedlich

    spezialisiert sind und verschiedene Aufgaben wahrnehmen.

    Es leuchtet sofort ein, dass eine Leberzelle anders funktionie-

    ren muss als eine Herz- oder Hautzelle und dass rote Blutkr-

    perchen andere Funktionen haben als weie. Wie es zu dieser

    Spezialisierung kommt ist noch nicht endgltig geklrt. Klar

    ist aber, dass alle Zellen eines Organismus grundstzlich ber

    die gleiche genetische Ausstattung verfgen und damit im

    Prinzip jede Aufgabe bernehmen knnten. Die unterschied-

    Mitochondrium

    Kernhlle

    Zellkern

    Golgi-Apparat

    Zellmembran

    Glattes endo-plasmatisches

    Retikulum

    Raues endoplasma-tisches Retikulum

    Ribosom

    Kern-krperchenZentral-krperchenGlykogen-trpfchen

    Freie Ribosomen

    Zytoplasma

    MikrotubulusZille

    Golgi-Veskel

    Herz-OP

  • 8 Zellen und Differenzierungspotenziale MEDIZINISCHE GRUNDLAGEN

    ImmunologieNoch als Student hatte der sptere Nobelpreistrger Karl Land-steiner zu Anfang des 20. Jahrhunderts das menschliche Blut invier Hauptgruppen unterteilen knnen, die untereinander ver-trglich waren. Menschen mit der gleichen Blutgruppe knnensich gegenseitig Blut spenden, ohne dass dies beim jeweiligenEmpfnger zu Problemen fhrt. Stimmen die Blutgruppendagegen nicht berein, dann kann es je nach Kombination zuVerklumpungen und schweren Problemen bis hin zum Tod desEmpfngers kommen. Diese Tatsache hatte dazu gefhrt, dassdie immer wieder einmal versuchten und gelegentlich sogarerfolgreichen Bluttransfusionen vor der Entdeckung Landstei-ners in Europa meist verboten waren. Landsteiner beschriebbrigens knapp 40 Jahre nach Entdeckung der vier hauptsch-lichen Blutgruppen zusammen mit Alexander Wiener auch denRhesusfaktor, ein weiteres wichtiges Blutgruppen-Merkmal.Ursache fr die Unterschiedlichkeit der Blutgruppen sind Struk-turen auf den Oberflchen der Blutzellen, die man als Antigenebezeichnet. Landsteiner setzte seine Forschungen Anfang des20. Jahrhunderts fort und entwickelte gemeinsam mit anderendie Theorie, dass die Antigene von bestimmten Eiweien im Blut,den Antikrpern, erkannt und gebunden werden. Als Antigenekonnten dabei nicht nur Strukturen auf Zelloberflchen dienen,sondern ein riesiges Reservoir fast beliebiger Substanzen. Das Immunsystem des Menschen ist auerordentlich komplex.Unablssig berprfen spezialisierte Zellen, ob fremde Stoffe inden Krper eingedrungen sind. Ist dies der Fall, dann wird eineKaskade von Aktivitten gestartet in deren Folge die Fremdstof-fe unschdlich gemacht werden. Auch wenn es sich bei denfremden Stoffen um Viren und Bakterien handelt, die Krper-zellen infizieren und sich dort quasi verstecken, werden sie vonden Immunzellen aufgesprt. Dabei erkennen die Immunzel-len vernderte Strukturen auf den Oberflchen der befallenenZellen und tten diese Zellen ab. Die Vermehrung der Bakterienund Viren wird dadurch unterbunden. Unser Immunsystem kann praktisch jede beliebige molekulareStruktur erkennen und mit ihr wechselwirken. Whrend einneuer Mensch heranwchst, lernen die Immunzellenzunchst, die Zellen des eigenen Krpers als nicht fremd zubehandeln. Tatschlich sieht dieser Lernprozess so aus, dass ineiner definierten Entwicklungsphase alle Immunzellen, die mit

    Mehr als ein Dutzend verschiedener Immunzellen, fnfzig Botenstoffe(Zytokine) und zahlreiche weitere Substanzen arbeiten im ebenso kom-plexen wie intelligenten Netzwerk des Immunsystems zusammen, umunseren Organismus gegen verschiedenste Arten von Eindringlingen undAmoklufern zu schtzen. Fresszellen nehmen bakterielle Eindringlinge ins Zellinnere auf und zer-stren sie dann. B-Zellen tragen auf ihrer Oberflche gleiche, aber von Zelle zu Zelle ver-schiedene Antikrper.Nach der Aktivierung durch ein Antigen vermehrt sich eine B-Zelle undbildet Hunderte von so genannten Plasmazellen, von denen jede dengegen den Eindringling passenden Antikrper in groer Menge etwa2.000 Antikrper pro Sekunde produziert. Antikrper heften sich anfreie Antigene der Erreger und markieren diese damit zur Vernichtungdurch Fresszellen. Die Markierung wird durch zustzliche Anhaftung vonKomplementfaktoren, das sind immunologische Wirksubstanzen ausder Leber, verstrkt. Die Fresszellen Makrophagen oder Granulozy-ten werden durch Botenstoffe der T-Zellen aktiviert.

    Plasmazellengehen aus B-Zellenhervor und produ-zieren wie dieseAntikrper.

    Folikulre dendritischeImmunzellenprsentieren denB-LymphozytenAntigene undregen sie zur Bil-dung von Antikr-pern an.

    Neutrophile Granulozytenattackieren Bak-terien und setzenEntzndungs-stoffe frei.

    Basophile Granulozytensind fr allergi-schen Reaktionenim Blut verant-wortlich.

    Mastzellensind an derAuslsungallergischerReaktionenim Gewebebeteiligt.

    T-Lymphozytenzerstren vonViren befallene Zel-len und regulierendie Immun-antworten.

    Eosinophile Granulozytensind vor allem ander Abwehr vonWrmern beteiligtund verantwort-lich fr Entzn-dungen bei allergi-schem Asthma.

  • 9MEDIZINISCHE GRUNDLAGEN Zellen und Differenzierungspotenziale

    bestimmten Oberflchenstrukturen auf den normalen Krper-zellen interagieren, absterben. Dadurch wird erreicht, dass dienormalen, unvernderten Zellen des Krpers fr das eigenenImmunsystem unsichtbar werden. Aus der Vielzahl an Struktu-ren, die unser Immunsystem dann ein Leben lang erkennt, wer-den zunchst einmal diejenigen gezielt entfernt, die fr dasjeweilige Individuum typisch sind. Diese Strukturen bezeichnet man auch als Gewebsantigene. Sowie sich ein Mensch vom anderen unterscheidet, unterscheidensich auch die Gewebsantigene voneinander. Jeder Mensch hatseine ganz eigenen, individuell geformten Gewebsantigene.Ausnahmen sind hier nur genetisch identische Individuen wieeineiige Zwillinge bei der Diskussion um das therapeutischeKlonen werden wir auf diesen Umstand zurckkommen. DieGewebespezifitt ist bei Transplantationen sehr problematisch,da das Immunsystem ja nur eigene Krperzellen toleriert, dieZellen des Spenderorgans dagegen als fremd erkennt undangreift. Als Folge davon kommt es zu Abstoungsreaktionen.Man ist heute in der Lage, die Vertrglichkeit von Gewebenunterschiedlicher Individuen aufgrund einer Klassifizierungder Gewebsantigene vorherzusagen die Heftigkeit einerImmunreaktion kann je nach Typ dieser Gewebsantigene sehrunterschiedlich sein. Der Erfolg einer Transplantation hngtdeshalb von der richtigen Typisierung der Gewebe ab. Aberauch davon, dass eine immer noch vorhandene Immunreaktiondurch Medikamente unterdrckt wird.Der aufmerksame Leser wird sich vielleicht fragen, warum esbeim Blut dann nur so wenige Hauptgruppen gibt. Auch hiermssten sich die Blutzellen ja eigentlich von Individuum zuIndividuum unterscheiden. Grund dafr ist die Tatsache, dassdie roten Blutkrperchen, die Erythrozyten, als einziger Zelltypkeine Gewebsantigene mehr auf der Oberflche tragen. Des-wegen spielen hier nur zwei andere Antigene eine Rolle, dieman als A und B bezeichnet. Die Erythrozyten tragen entwedernur das A-Antigen (Blutgruppe A), das B-Antigen (BlutgruppeB), beide Antigene (Blutgruppe AB) oder keines dieser Antigene(Blutgruppe 0) auf der Oberflche.Eine andere Besonderheit stellt die Transplantation der Horn-haut des Auges dar. Die fehlende Abstoung beruht hier darauf,dass in der klaren Hornhaut keine Blutgefe und daher auchkeine Immunzellen vorhanden sind, da die Ernhrung derHornhaut ber das Trnensekret erreicht wird.

    liche Spezialisierung wird dadurch festgelegt, dass in jedem

    Zelltyp nur eine definierte Teilmenge der verfgbaren Gene

    aktiv ist.

    Trotz ihrer unterschiedlichen Aufgaben verfgen menschli-

    che Zellen ber gemeinsame Elemente. Dazu gehrt eine

    Membran, die den Zellinhalt, das Zytoplasma, von der Umge-

    bung abgrenzt und der Zelle die Form gibt. Weiterhin verf-

    gen die Zellen ber einen Zellkern, in dem die genetische

    Information gespeichert ist und aus dem diese Information,

    je nach Bedarf, abgerufen wird (die roten Blutkrperchen

    sind hier einzigartig, weil sie im Zuge ihrer Spezialisierung

    den Zellkern verlieren). Auerdem verfgen die Zellen ber

    Ribosomen, die so genannten Proteinfabriken, an denen die

    genetische Information in Eiweie, die Proteine, bersetzt

    wird. Und weil alle Prozesse Energie verbrauchen gibt es Mi-

    tochondrien, in denen die biochemische Energie mit Hilfe

    von molekularem Sauerstoff erzeugt wird. Zwei weitere wich-

    tige Zellelemente sind das Endoplasmatische Reticulum, eine

    Art Transportnetz innerhalb der Zelle und der Golgi-Apparat,

    mit dessen Hilfe beispielsweise festgelegt wird, ob ein neu

    hergestelltes Eiwei im Zellkern, in der Zellmembran oder in

    einem anderen Teil der Zelle landet oder von der Zelle in

    die Umgebung abgegeben wird.

    Die einzelnen Zelltypen unterscheiden sich in Funktion und

    Gestalt teils ganz erheblich. Die menschliche Zelle mit dem

    grten Zellkrper ist die weibliche Eizelle, die mit 200

    Mikrometer Durchmesser dem Fnftel eines Millimeters

    sogar mit bloem Auge gerade noch erkannt werden kann.

    Nervenzellen knnen, mit den zur Signalleitung notwendi-

    gen langen Fortstzen, den Axonen, sogar bis zu einem

    Meter lang werden. Die Beschreibung der rund 200 unter-

    schiedlichen Zelltypen wrde den Rahmen dieser Broschre

    sprengen. Erwhnt seien aber noch die unterschiedlichen

    Zelltypen im Blut. Der wohl bekannteste Typ, das rote Blut-

    krperchen wissenschaflich als Erythrozyt bezeichnet

    ist fr den Transport von Sauerstoff und

    Kohlendioxid zustndig. Das eisenhal-

    tige Protein Hmoglobin, das dies

    bewerkstelligt, ist fr die rote Frbung

    der Zellen und damit des Bluts verant-

    wortlich. Die anderen rund zehn

    Typen, die summarisch als weie Blut-

    krperchen bezeichnet werden, stellen

    das Abwehrsystem des Krpers gegen

    Eindringlinge wie Bakterien und Viren

    dar oder sind als Blutplttchen an der

    Blutgerinnung beteiligt.

    Die roten Blutkrperchen verlieren im Zuge ihrer aueror-

    dentlich hohen Spezialisierung ihren Zellkern. Das Vorhan-

    densein genetischer Information, die im Zellkern lokalisiert

    ist, stellt allerdings eine zwingende Voraussetzung fr die

    Teilung und damit Vermehrung der Zellen dar. Die Erythro-

    Natrliche Killerzellengreifen entarteteund viral infizier-te Zellen an.

    Makrophagenvernichten haupt-schlich bakteriel-le Eindringlinge.

    Dendritische Zellen in Gewebennehmen Antigeneauf, die sie T-Lym-phozyten prsen-tieren.

    Rote Blutzellen

  • 10 Zellen und Differenzierungspotenziale MEDIZINISCHE GRUNDLAGEN

    der Stammzellen entscheidet darber, in welche Richtung sie

    sich nach ihrer Aktivierung entwickeln. Dabei vollzieht sich

    diese Entwicklung in mehreren Schritten. Aus einer Blut-

    stammzelle gehen beispielsweise lymphoide und myeloide

    Vorluferzellen hervor, die nicht mehr alle, aber doch noch

    verschiedene Zelltypen des Bluts generieren knnen. Viele

    der Faktoren, die fr eine solche Reifung wichtig sind, kennt

    man heute. Verwiesen sei hier nur auf das Erythropoietin,

    oder kurz EPO1, das fr die Bildung der roten Blutkrperchen

    von entscheidender Bedeutung ist. Wie bei zahlreichen an-

    deren solcher Faktoren handelt es sich bei EPO um ein Protein,

    das mit Rezeptoren auf der Oberflche der Blutstammzellen

    interagiert und damit die Reifung der Zellen beeinflusst.

    Die meisten Gewebe sind in der Lage, sich zu regenerieren

    und verfgen ber entsprechende Stammzellen. Man

    bezeichnet solche gewebespezifischen Stammzellen auch als

    adulte Stammzellen. Selbst im Gehirn, das man noch bis vor

    kurzem fr nicht regenerationsfhig gehalten hatte, wurden

    1 Da EPO in der Niere gebildet wird leiden viele Nierenkranke an einer Anmie, also einer zu geringen Zahl von roten Blutkrperchen. Unter

    Einsatz molekularbiologischer und biotechnischer Methoden kann EPO seit einigen Jahren als Medikament zur Verfgung gestellt und die-

    sen Menschen dadurch wirksam geholfen werden. EPO hat sich zu einem der umsatzstrksten Medikamente berhaupt entwickelt. Die

    blutbildenden Eigenschaften bergen aber auch die Gefahr von Missbrauch zum Beispiel im Leistungssport.

    zyten haben zwar eine recht lange Lebenszeit, doch sterben

    sie nach rund 120 Tagen ab und mssen ersetzt werden. Man

    hat errechnet, dass pro Minute rund 350 Millionen neue rote

    Blutkrperchen gebildet werden. Hier zeigt sich, dass die

    neuen Eythrozyten aus so genannten Vorluferzellen entste-

    hen, die man auch als Stammzellen bezeichnet. Stammzellen

    sind undifferenzierte Zellen, die sich in den unterschied-

    lichen Geweben finden und die Fhigkeit haben, sich in alle

    Zelltypen des jeweiligen Gewebes entwickeln zu knnen. Die

    Blutstammzellen sind im Knochenmark lokalisiert wir wer-

    den ihnen in dieser Broschre noch hufiger begegnen.

    Neben den Blutstammzellen findet sich im Knochenmark

    brigens noch ein weiterer Typ von Stammzellen, aus denen

    Stroma-, Fett-, Knorpel- und Knochenzellen entstehen kn-

    nen.

    Aus den Blutstammzellen des Knochenmarks gehen aber

    nicht nur die roten Blutkrperchen hervor, sondern auch

    alle anderen Zelltypen des Bluts. Das umgebende Milieu

    Zwei Arten adulter

    Stammzellen gibt es

    im Knochenmark:

    Blutstammzellen, aus

    denen sich die Vorlu-

    fer der verschiedenen

    Blutzellen bilden, und

    Stromazellen, aus

    denen Fett-, Knorpel-

    und Knochenzellen

    hervorgehen. Stroma-

    zellen knnten auch

    die Vorlufer der

    mesenchymalen

    Stammzellen und der

    multipotenten adul-

    ten Vorluferzellen

    (MAPCs) sein, sie sind

    vielleicht sogar mit

    ihnen identisch. Adul-

    te Zellen, denen

    Stammzelleigenschaf-

    ten zugeschrieben

    wurden, hat man mitt-

    lerweile in vielen Geweben gefunden: Gehirn, Haut, Muskel, Leber, Zahnpulpa, Auge, Pankreas, Blutgefe und im Magen-

    Darm-Trakt. Noch ist unklar, ob es sich um organtypische Stammzellen oder um eingewanderte Blutstammzellen aus dem

    Knochenmark handelt.

    dendritische Zelle

    B-Lymphozytnatrliche Killerzelle

    T-Lymphozyt

    lymphoideVorlufer-

    zelle

    myeloideVorlufer-zelle

    neutrophileZelle

    mesenchymaleStammzelle

    MAPC

    Osteoblast

    Fettzelle

    Stroma-zelle

    Blutstamm-zelle

    Knochen-mark

    rote Blut-krperchen

    Monozyt

    eosinophilerGranulozyt

    basophilerGranulozyt

    Megakaryozyt

    Blutplttchen

    multipotenteStammzelle

  • 11MEDIZINISCHE GRUNDLAGEN Stammzellen

    diese Unterscheidung zwischen Pluripotenz und Totipotenz

    wird bei der Diskussion der rechtlichen Rahmenbedingun-

    gen (siehe Seite 32) noch eine wichtige Rolle spielen.

    Auf dem Gebiet der Stammzellforschung werden laufend

    neue Erkenntnisse gewonnen und die bisherigen Lehrmei-

    nungen geraten ins Wanken. Auch die Aussage, dass sich aus

    embryonalen Stammzellen keine Keimzellen entwickeln

    knnen, stimmt so nicht mehr. Der deutsche Forscher Hans

    Schler und sein Team konnten krzlich in den USA Kulturen

    von embryonalen Stammzellen der Maus zur Bildung von

    sie entdeckt. Allerdings diskutieren die Fach-

    leute noch darber, ob die adulten Stammzel-

    len tatschlich in den entsprechenden Gewe-

    ben bevorrated werden, oder nicht vielleicht

    aus dem Knochenmark stammen also viel-

    leicht eigentlich Blutstammzellen sind und in

    die jeweiligen Gewebe einwandern. Unter dem

    Einfluss der dortigen Umgebung knnten sie

    dann umprogrammiert werden und zur Bil-

    dung der gewebespezifischen Zelltypen fh-

    ren.

    Daneben haben manche, besonders mesenchy-

    male, Gewebe die Fhigkeit zur Dedifferenzie-

    rung. Ausdifferenzierte Zellen knnen im Falle

    einer vernderten Mikroumgebung stillgeleg-

    te Funktionen reaktivieren und sich auch wie-

    der teilen. Beim Menschen ist diese Fhigkeit

    im Fall von Lsionen oder Knochenbrchen fr

    die Wundheilung oder das Zusammenwachsen

    der Knochen von ausschlaggebender Bedeu-

    tung. Bei manchen niederen Tieren knnen

    sogar ganze Gliedmaen nachgebildet werden.

    Die Diskussion darber, welche Zellen und Zell-

    typen an diesen Phnomenen beteiligt sind, ist

    wissenschaftlich sehr interessant. Sie hat auch

    medizinische Konsequenzen wenn es um die

    Beantwortung der Frage geht, welche Verfah-

    ren zur Behandlung von Krankheiten entwi-

    ckelt und eingesetzt werden sollen.

    Stammzellen

    Zu Beginn des Wachstums von Sugetieren, wenn aus der

    befruchteten Eizelle durch die ersten Teilungen acht Zellen

    entstanden sind, hat jede dieser Zellen noch die Fhigkeit,

    einen vollstndigen Organismus zu bilden. Diese Zellen

    bezeichnet man als totipotent. Wenn sich durch weitere Tei-

    lungen die Zahl der Zellen erhht, beginnen sie sich zu spezi-

    alisieren. In der so genannten Blastozyste, einer kugelfrmi-

    gen Masse von rund 150 Zellen, lassen sich bereits eine

    uere und eine innere Zellmasse unterscheiden. Bei einer

    Schwangerschaft entwickeln sich aus der ueren Zellgrup-

    pe nach Einnistung der Blastozyste in die Gebrmutter Pla-

    zentaanteile, aus der inneren Zellmasse entwickelt sich der

    eigentliche Ftus.

    Die Zellen der inneren Zellmasse werden als embryonale

    Stammzellen bezeichnet. Sie sind in den Blickpunkt des Inter-

    esses geraten, weil sie sich in Kulturschalen vermehren lassen

    und in praktisch alle Zelltypen eines Organismus ausdifferen-

    zieren knnen. Diese Fhigkeit nennt man Pluripotenz. Die

    embryonalen Stammzellen knnen zwar noch fast alle Zellty-

    pen bilden, aber keinen vollstndigen Organismus mehr;

    Etwa eine Woche nach Befruchtung der Eizelle ist der menschli-

    che Keim zu einer Art Hohlkugel aus 100 bis 150 noch undifferen-

    zierten Zellen, dem so genannten Blschenkeim (Blastozyste),

    gewachsen. Dessen innere Zellen sind noch pluripotent, d.h. aus

    ihnen kann jeder Zelltyp des Krpers hervorgehen. Man kann sie

    als "embryonale Stammzellen" im Labor kultivieren. Aus der

    Schale des Blschenkeims entwickelt sich spter die Plazenta. In

    der dritten Woche beginnen die Zellen im Inneren des nun

    Becherkeim genannten Gebildes drei Zellschichten, die Keimblt-

    ter, auszubilden. Aus den drei Keimblttern gehen schlielich die

    verschiedenen Organe und Gewebe hervor.

    Entoderm(inneres Keim-blatt)Bauchspeicheldr-se, Leber, Schild-drse, Lunge,Blase, Harnrhre

    Mesoderm (mitt-leres Keimblatt)Knochenmark,Skelettmuskeln,glatte Muskulatur,Herzmuskel, Blut-gefe, Nierenk-anlchen

    Ektoderm (u-eres Keimblatt)Haut, Neuronen,Hypophyse,Augen, Ohren

    embryonale Keim-bltter und einigedavon abstam-mende Gewebeund Organe

    befruchteteEizelle (1. Tag)

    Blschenkeim(5.-6. Tag)

    Wandzellen

    innere Zellmasse

    wachsende Kolonienvon embryonalenStammzellen

    Becherkeim(14.-16. Tag)

  • 12 Stammzellen MEDIZINISCHE GRUNDLAGEN

    Befruchtung ist man heute in der Lage, menschliche Embryo-

    nen auerhalb des Mutterleibes zu erzeugen. Doch nicht nur

    das. Man kann heute auch das genetische Material einer

    Eizelle gegen das genetische Material einer Krperzelle aus-

    tauschen und diese so vernderte Eizelle zu weiteren Tei-

    lungsschritten anregen. Dass mit dieser Methode das Klonen

    gelingt und sich gesunde Organismen entwickeln, hatte man

    bis zur Geburt des Klonschafs Dolly im Juli 1996 bei Wirbeltie-

    ren fr unmglich gehalten. Auch eineiige Zwillinge sind

    zwar genetisch identisch, entstehen aber dadurch, dass sich

    eine normal befruchtete Eizelle zu teilen beginnt und in

    einer frhen Phase zwei getrennte Zellverbnde entstehen,

    die sich dann zu eigenen Individuen entwickeln. Die Zwillin-

    ge sind zwar genetisch identisch, von Mutter und Vater aber

    sind sie genetisch so verschieden wie andere Kinder auch.

    Dolly dagegen war die genetische Kopie nur eines Eltern-

    teils. Anfang 2004 hat eine koreanische Forschergruppe

    gezeigt, dass die bei Dolly angewandte Methode prinzipiell

    auch beim Menschen zu funktionieren scheint.

    Mit den beschriebenen Verfahren lassen sich im Gedanken-

    experiment fr jedes menschliche Individuum embryonale

    Stammzellen herstellen, die genetisch mit ihm identisch

    sind. Man bentigt dazu eine Eizelle, aus der der Kern ent-

    fernt wird, und fhrt statt dessen einen Zellkern ein, den man

    Follikeln und von Eizellen anregen. Einer japanischen For-

    schergruppe gelang es kurz darauf aus embryonalen Stamm-

    zellen Spermien herzustellen. Diese Experimente bedeuten

    nicht nur wissenschaftlichen Erkenntniszuwachs, sondern

    werfen auch fr Juristen und Ethiker neue Fragen auf. Denn

    die Grenze zwischen Pluripotenz und Totipotenz ist womg-

    lich weniger eindeutig zu ziehen als bisher angenommen.

    Die meisten Erkenntnisse hinsichtlich der Bedeutung von

    embryonalen Stammzellen verdanken wir der Forschung an

    tierischen Zellen. Ihr hohes Differenzierungspotenzial macht

    diesen Zelltyp nun aber auch fr medizinische Anwendun-

    gen sehr interessant, da man sich vorstellen kann, dass em-

    bryonale Stammzellen die Funktion geschdigter Gewebe-

    teile bernehmen knnen. Fr einen solchen Einsatz sind

    tierische Zellen wegen der bekannten Abstoungsreaktionen

    ungeeignet und man muss mit menschlichen Zelllinien ar-

    beiten. Von experimentellen Schwierigkeiten einmal ganz

    abgesehen, ergeben sich bei der Forschung an menschlichen

    Zellen nun auch eine ganze Reihe ethischer Fragen. Denn um

    embryonale Stammzellen zu gewinnen muss man die Blasto-

    zyste zerstren und ttet damit den Embryo ab. Die recht-

    lichen und ethischen Aspekten der embryonalen Stammzell-

    forschung werden in einem der nachfolgenden Kapitel

    behandelt (siehe Seite 32 ). Dank der Methoden der in vitro

  • 13MEDIZINISCHE GRUNDLAGEN Stammzellen

    aber auch mit Blick auf die embryonalen Stammzellen noch

    nicht beantwortet. Man muss bei den Diskussionen ber die

    Verwendung der einen oder anderen Stammzelllinie immer

    bedenken, dass wir uns noch in einer frhen Phase der Erfor-

    schung befinden. Bezeichnungen wie Stammzelltherapien,

    die man immer wieder hrt und liest, suggerieren einen fort-

    geschrittenen Entwicklungsstand, den es so nicht gibt.

    Womglich muss man gar keine Stammzellen isolieren, um

    ihre prinzipiellen Fhigkeiten dennoch zu nutzen. Alle Kr-

    perzellen (mit Ausnahme der Keimzellen) verfgen ja ber

    die gleiche genetische Ausstattung und damit auch ber das

    gleiche genetische Potenzial. Wie das Beispiel des Somati-

    schen Zellkerntransfers belegt, ist der Kern einer ausdifferen-

    zierten Zelle noch einmal zu einem vlligen Neustart in der

    Lage. Deshalb ist es theoretisch vorstellbar, dass man Zellen

    oder Zellverbnde in einem Organismus quasi vor Ort repro-

    grammiert und zunchst dedifferenziert, um sie dann

    durch nachfolgendes Wachstum und eine vom Umfeld neu

    induzierte Differenzierung eventuelle Schden ausgleichen

    zu lassen. Dies wrde dann unmittelbar im betroffenen Orga-

    nismus geschehen. Dass der Krper ber das Potenzial ver-

    fgt, kleinere Schden selbst zu reparieren, sehen wir am

    Beispiel eines Muskelfaserrisses. Vielleicht lsst sich dieses

    Potenzial einmal auf grere verletzte Areale ausdehnen und

    auf Gewebetypen, die sich normalerweise nicht selbst rege-

    nerieren knnen. Aus heutiger Sicht sind dies rein theoreti-

    sche Optionen, die aber zeigen, welch vielfltige Mglichkei-

    ten sich aus unserer wachsenden Kenntnis zellulrer Ablufe

    einmal ergeben knnten.

    aus einer Krperzelle des jeweiligen Individuums gewonnen

    hat. Die Eizelle wird zur Teilung angeregt und aus der sich bil-

    denden Blastozyste werden dann die Stammzellen gewon-

    nen. In der therapeutischen Vision lassen sich anschlieend

    aus den Stammzellen beliebige Zelllinien erzeugen, die zu

    keinerlei immunologischen Abstoungsreaktionen mehr

    fhren. Wenngleich bei dieser Vorgehensweise nicht daran

    gedacht ist, fertige Menschen zu klonen, sondern allein die

    Gewinnung der embryonalen Stammzellen das Ziel ist, ste-

    hen ihr doch schwer wiegende ethische Bedenken entgegen.

    In Deutschland ist dieses therapeutische Klonen, wie in zahl-

    reichen anderen Lndern auch, verboten. In anderen Staaten

    dagegen ist es unter Auflagen erlaubt (s. Seite 32 ).

    Bereits seit einigen Jahren wird das Einfrieren von Stamm-

    zellen praktiziert, die im Nabelschnurblut enthalten sind.

    Unmittelbar nach der Geburt eines Kindes wird Nabelschnur-

    blut gewonnen und nach entsprechender Behandlung einge-

    froren. Dieses Blut enthlt relativ viele Stammzellen, deren

    Differenzierungspotenzial derzeit Thema intensiver For-

    schungen ist. Einleuchtend ist, dass die Stammzellen aus die-

    sem Blut fr das Individuum spter von Nutzen sein knnen,

    sollte es an einer Erkrankung wie Leukmie leiden, die ja

    Blutzellen betrifft. Womglich knnen diese Stammzellen

    aber auch bei anderen Erkrankungen eingesetzt werden, je

    nachdem, ber welches Differenzierungspotenzial sie tat-

    schlich verfgen. Sie scheinen sich sogar fr die bertra-

    gung auf andere Individuen recht gut zu eignen, da sie aus

    noch nicht gnzlich verstandenen Grnden weniger immu-

    nogen sind als andere Zellen. Allerdings zeigt sich hier auch

    sehr deutlich, dass die Forschung an und mit Stammzellen,

    gleich welchen Ursprungs sie sind, noch ganz am Anfang

    steht.

    Eine weitere Quelle fr Stammzellen knnen menschliche

    Ften sein. Insbesondere aus den sich bildenden Geschlechts-

    drsen der Ften knnen Stammzellen gewonnen werden,

    die in ihren Eigenschaften den embryonalen Stammzellen

    sehr hneln. Diese ftalen Stammzellen sind in der Lage, wie

    embryonale Stammzellen in die Zelltypen aller drei Keim-

    bltter zu differenzieren. Die Gewinnung und Verwendung

    solcher ftalen Stammzellen wird nicht nur unter wissen-

    schaftlichen, sondern auch unter ethischen Gesichtspunkten

    kritisch diskutiert.

    Embryonale Stammzellen sind wegen ihrer Pluripotenz

    besonders interessant, hinsichtlich ihrer Gewinnung aber

    auch besonders umstritten. Nicht zuletzt deshalb sind die

    adulten Stammzellen, beispielsweise die Blutstammzellen, in

    den Fokus des Interesses gerckt. Unter ethischen Aspekten

    wird die Verwendung von adulten Stammzellen als unkri-

    tisch gesehen, allerdings ist unklar, ob ihre Eigenschaften fr

    einen klinischen Einsatz ausreichend sind. Diese Frage ist

    Auch Nabelschnurblut ist eine Quelle fr Stammzellen

  • 14 Reproduktives und therapeutisches Klonen MEDIZINISCHE GRUNDLAGEN

    Reproduktives und therapeutisches KlonenBei der Befruchtung dringt ein Spermium in eine Eizelle ein. Der mnnliche Zellkern (mit einem einfachen Chromosomen-

    satz) verschmilzt mit dem weiblichen (ebenfalls mit einfachem Chromosomensatz) und generiert damit den Zellkern der

    befruchteten Eizelle, der nun ber einen doppelten Chromosomensatz verfgt. Das neu entstehende Individuum erhlt so

    eine einzigartige genetische Ausstattung, die aus einer Kombination der mtterlichen und vterlichen Erbsubstanz besteht.

    Der nun vorhandene doppelte Chromosomensatz wird bei allen nachfolgenden Teilungen der Eizelle gleichmig auf die

    Tochterzellen verteilt. 1Beim Klonen wird das Spiel der Natur um neue Erbgutvarianten umgangen und eine bereits vorhan-

    dene Erbinformation gezielt eingesetzt und vervielfltigt. Dazu wird aus einer Eizelle der ursprngliche Zellkern entfernt. In

    diese entkernte Eizelle setzt man anschlieend den Zellkern ein, den man zuvor aus einer normalen Krperzelle desselben

    oder eines anderen Individuums isoliert hat. Die Erbinformation, ber die eine so behandelte Eizelle verfgt, ist identisch mit

    der Erbinformation des Spen-

    ders. Somit wird auch das Indi-

    viduum, das nach der beschrie-

    benen Methode entsteht, mit

    dem Spender genetisch iden-

    tisch sein. Die Methode wird als

    Somatischer Kerntransfer

    bezeichnet.

    Mit dieser Methode sind im

    Tierversuch bereits zahlreiche

    Klone generiert worden. Beim

    Menschen ist man sich welt-

    weit einig, das reproduktive

    Klonen das eine Schwanger-

    schaft und die Geburt geklon-

    ter Menschen zum Ziel htte

    zu chten (siehe Seite 32). Beim

    therapeutischen Klonen gehen

    die Meinungen dagegen aus-

    einander. Das therapeutische

    Klonen zielt nicht auf Schwan-

    gerschaft und Geburt ab, son-

    dern auf die technische Gewin-

    nung embryonaler Stamm-

    zellen, die sich ber die Metho-

    de des somatischen Zellkern-

    transfers herstellen lassen.

    Diese embryonalen Stammzel-

    len wren mit den Spenderzel-

    len genetisch identisch und bei

    einem medizinischen Einsatz

    am Spender wre nicht mit

    immunologischen Absto-

    ungsreaktionen zu rechnen.

    1 Eine Ausnahme sind nur die Keimzellen, also Samen- oder Eizellen; bei deren Bildung wird der doppelte Chromosomensatz unter viel-

    fltigen Umlagerungen des Erbguts wieder auf die Hlfte reduziert.

  • 15TISSUE ENGINEERING Haut

    diesem Vermehrungsprozess sind die Vorluferzellen fr

    epidermale Keratinozyten, jene Zellen aus denen die Ober-

    flche unserer Haut besteht. Die Vorluferzellen beginnen

    sich nach wenigen Tagen zu vermehren. Unter organtypi-

    schen Kulturbedingungen differenzieren sie dann aus und

    bilden in einem komplexen Prozess innerhalb von zwei

    Wochen ein Gewebe, das in seinem dreidimensionalen Auf-

    bau der menschlichen Epidermis weitgehend entspricht. Die

    Mediziner knnen das Ersatzgewebe dann auf die vorbehan-

    delte Wunde aufbringen.

    Zur Hautregeneration bei tiefen Wunden erforscht man

    mit dem semisynthetischen Hautersatz gegenwrtig eine

    Methode, die die Regenerationsfhigkeit des Krpers nutzt.

    Hier wird eine bioabbaubare porse Matrix verwendet, in die

    Makrophagen, Fibroblasten, Lymphozyten und Gefe ein-

    dringen knnen. Diese Komponenten sind fr die Wundhei-

    lung wichtig. Man legt eine Schicht dieses Materials auf die

    Wunde und schliet sie vorbergehend durch eine luft- und

    wasserdurchlssige Silikonfolie nach auen ab. Nachdem

    sich die Gewebebasis regeneriert hat, entfernt man die Sili-

    konschicht und transplantiert darauf schlielich eine in vitro

    kultivierte Ersatzhaut.

    Erfolgreich trans-

    plantierte Ersatz-

    hute erfllen

    zumindest ihre

    wichtigste Funk-

    tion, das darunter

    liegende Gewebe

    von der Umwelt

    abzuschirmen.

    Allerdings ist das Erscheinungsbild anders als das der nor-

    malen Haut. Die neue Haut hat meistens eine andere Textur

    und hnelt eher Narbengewebe. Bis jetzt muss man bei Haut-

    transplantationen

    auch das Fehlen

    sowohl von Haar

    und Schweidrsen

    als auch Pigmenten

    in Kauf nehmen.

    Vielleicht aber

    nicht mehr lange:

    In den Haarfollikeln

    von Musen fanden

    sich nmlich Stamm-

    Haut

    Die Behandlung von groflchigen Hautverletzungen ist das

    bislang erfolgreichste Anwendungsgebiet fr das Tissue

    Engineering. Jedes Jahr verlieren Tausende Menschen durch

    Verbrennungen oder Vertzungen groe Flchen ihrer Haut.

    Auf noch grere Fallzahlen summieren sich die schweren

    Formen des Diabetes mellitus mit Entzndungen an den

    Extremitten, denen viel Haut zum Opfer fllt. In diese Fllen

    wird die Transplan-

    tation von Ersatz-

    haut" notwendig,

    die idealerweise

    vom Patienten

    stammt und daher

    nicht abgestoen

    wird.

    Kleinere Verletzun-

    gen werden routinemig durch Transplantation von Haut-

    gewebe aus intakten Krperregionen behandelt. Sind gre-

    re Flchen betroffen, muss aber Ersatzgewebe gezchtet

    werden. Dabei wer-

    den Zellen aus

    einer briefmarken-

    groen Hautbiop-

    sie in vitro kulti-

    viert, bis sie auf

    eine Flche von

    etwa Spielkarten-

    gre herange-

    wachsen ist. Ent-

    scheidend bei

    Schon heute leben schtzungsweise 25.000 Menschen in

    Europa mit in vitro gezchteten Haut-, Knorpel- oder

    Knochenzellen. Zudem sind viele neue Anstze in der

    klinischen Forschung darunter auch Verfahren, die

    das Potenzial von adulten Stammzellen nutzen.

    Bioreaktor mit EndproduktGezchteter Hautersatz

    Haut, histologisch Hautscheibe

    Tissue Engineering in der Praxis: einige Beispiele

  • 16 Gelenkknorpel TISSUE ENGINEERING

    die hartgummiartige Beschichtung der Gelenkknochen

    naturgem ausgesetzt ist, vergrern sich die Schden.

    Hufig entsteht eine schmerzhafte Arthrose und oft wird

    der Einbau eines knstlichen Gelenks unvermeidlich.

    Doch es gibt therapeutische Alternativen mit Hilfe des Tissue

    Engineering von Knorpelgewebe. Seit etwa zehn Jahren ist

    das als Autologe Chondrozyten-Transplantation (ACT)

    bekannte Verfahren etabliert. In der Praxis gibt es mittler-

    weile zahlreiche Varianten, die oftmals von Kleinen und Mitt-

    leren Unternehmen (KMU) entwickelt und auf den Markt

    gebracht wurden. Das Prinzip ist recht einfach: Aus einer klei-

    nen, chirurgisch entnommenen Probe des Kniegelenk-Knor-

    pelgewebes werden im Labor Chondrozyten (Knorpelzellen)

    isoliert und in eine Nhrlsung gegeben. Denn im Knie selbst

    teilen sich Knorpelzellen sehr selten nur alle paar Monate

    oder Jahre. Durch das Herauslsen aus dem Zellverband

    dedifferenzieren Chondrozyten zu fibroblastoiden Zellen, die

    in der Lage sind, sich zu teilen. Danach werden diese Zellen

    in den Gelenkknorpel transplantiert. In der intakten Umge-

    bung des erhaltenen Knorpels differenzieren sie dann wieder

    zu Chondrozyten und produzieren Kollagen II. Die dediffe-

    renzierten Zellen knnen auch zu Fettzellen oder Osteoblas-

    ten ausdifferenzieren.

    Damit sind die Voraussetzungen fr die Reparatur des Ge-

    lenkknorpels geschaffen, fr die zahlreiche Verfahrensvari-

    anten entwickelt wurden: Die Chirurgen entfernen zunchst

    das schadhafte Knorpelgewebe. In manchen Anstzen ber-

    zieht man dann die Stelle mit Knochenhaut, die an anderer

    Stelle entfernt wurde. In den Hohlraum injizieren sie dann

    eine Lsung der gezchteten Zellen. Dort bildet sich inner-

    halb der folgenden Wochen wieder Knorpelgewebe

    zellen, aus denen sich auch Haar entwickelt. Einzelne dieser

    Stammzellen lieen sich zu Tausenden von identischen Toch-

    terzellen vermehren, die nach der Transplantation in haarlo-

    ses Hautgewebe ein Fell bildeten. Wie das natrliche Vorbild

    bestand es aus Haut, Follikeln, Haar und Fett absondernden

    Drsen, was beweist, dass die Stammzellen in verschiedene

    Zelltypen der Haut ausdifferenzieren knnen. Wenn sich die

    Experimente beim Menschen erfolgreich wiederholen las-

    sen, kme man der perfekten Ersatzhaut ein gutes Stck

    nher.

    Seit mehr als 20 Jahren bieten spezialisierte Unternehmen

    die Erzeugung von Ersatzhaut an. In Deutschland sind es klei-

    ne und mittlere Unternehmen (KMU) aus dem Biotechnolo-

    giesektor. Ihre Technologie variiert in den Herstellungsver-

    fahren und Applikationsformen. Ein Unternehmen

    beispielsweise zchtet die Ersatzhaut aus Keratinozyten-Vor-

    luferzellen, die in den Haarwurzeln vorkommen. Eine ande-

    re Firma entwickelte Haut aus der Tube": Die aus der In-

    vitro-Kultur gewonnenen, noch teilungsfhigen Hautzellen

    werden mit einem biologischen Kleber in die verletzte

    Region injiziert, wo sie weiterwachsen und die Wunde ver-

    schlieen.

    Gelenkknorpel

    Alter, bermiger Leistungssport oder bergewicht knnen

    auf die Gelenke gehen. Abnutzung und Degeneration von

    Gelenkknorpelgewebe sind in den Industrielndern weit ver-

    breitet. Allein in Deutschland sind 1,5 Millionen Menschen

    wegen degenerativer Gelenkerkrankungen in Behandlung

    und jhrlich erleiden 80.000 Menschen Verletzungen des

    Knorpels im Kniegelenk. Durch die hohe Belastung in Spit-

    zenwerten bis zum Siebenfachen des Krpergewichts der

    Fast ein Viertel unserer Krpereiweie sind Kollagene

    hochmolekulare Eiweie, die dem Binde- und Sttzgewe-

    be des Krpers Stabilitt geben. Auch die reifesten Seh-

    nen bestehen aus Kollagenfasern, deren Grundeinheit

    immer eine Dreifachhelix aus langen Aminosureketten

    ist. Bemerkenswert an diesen Ketten ist das hufige Vor-

    kommen der Aminosure Hydroxylprolin, deren Struk-

    tur die Dreifachwindung ermglicht. Man unterscheidet

    Typ1- und Typ2-Kollagene. Typ1-Kollagen ist der Hauptbe-

    standteil von Haut und Sehnen. Das aus miteinander ver-

    netzten Strngen (Fibrillen) bestehende Typ2-Kollagen

    bildet ein zhes dreidimensionales Netzwerk, aus dem

    der Knorpel aufgebaut ist. Der Gelenkknorpel besteht im

    Wesentlichen aus Knorpelzellen (Chondrozyten) und der

    extrazellulren Kollagenmatrix, die einen hohen Was-

    seranteil enthlt. Im gesunden Zustand besitzt der Knor-

    pel eine glatte Oberflche wichtig fr die 'reibungslose'

    Funktion des Gelenks.

    Extremsport kann zu Gelenkschden fhren

  • 17TISSUE ENGINEERING Bandscheiben

    delt man Bandscheibenvorflle durch Entfernen des ausge-

    tretenen Knorpelgewebes entweder minimal invasiv mit

    Hilfe des Endoskops oder durch eine Operation. In Deutsch-

    land sind es jhrlich mehr als 60.000 Operationen. Sie fhren

    meistens zum Abklingen der Beschwerden. Der Gewebever-

    lust kann aber von der Bandscheibe selbst nicht ersetzt wer-

    den und abgesehen davon, dass die Bandscheibe nun dn-

    ner" geworden ist, lsst sich durch die Operation die

    Degeneration nicht aufhalten. Weitere Verschleierschei-

    nungen fhren oft erneut zu Rckenschmerzen. Hier bietet

    das Tissue Engineering eine offensichtliche Therapiealterna-

    tive. Denn was fr kaputte Kniegelenke funktioniert, ist auch

    fr die Behandlung beziehungsweise die Regeneration von

    beschdigten Bandscheiben interessant. Schlielich beste-

    hen beide aus Knorpel. Im Sommer 2004 brachte ein Teltower

    Tissue-Engineering-Unternehmen ein Verfahren zur Autolo-

    gen Bandscheibenzelltransplantation ADCT (Autologous

    Disc Chondrocyte Transplantation) auf den Markt. Bei dieser

    Therapie von Bandscheibenvorfllen werden dem Patienten

    zunchst kleinste Mengen Bandscheibengewebe entnom-

    men und die Zellen in Kultur aufbereitet. Die Transplantation

    der krpereigenen Bandscheibenzellen erfolgt etwa drei

    Monate nach der Entnahme. Unter rtlicher Betubung inji-

    ziert man die Zellen in die Bandscheibe. Dort vermehren sie

    sich und gleichen den Gewebeverlust aus, der durch den

    Bandscheibenvorfall und die Operation entstanden war. Die

    Degeneration der Bandscheibe wird aufgehalten.

    Knochenmark und Blutzellen

    Die Transplantation von Knochenmark beziehungsweise

    Knochenmarkstammzellen ist ein wichtiger Schritt nach der

    Chemotherapie von Krebserkrankungen, um dabei zerstr-

    tes Knochenmark und Blutzellen zu regenerieren. Neben den

    Krebszellen als eigentlichem Ziel treffen Zytostatika vor

    allem die teilungsaktiven Zellen des Knochenmarks. Dieser

    Effekt ist bei der Behandlung von Leukmien sogar beabsich-

    tigt, um auszuschlieen, dass entartete Blutzellen berleben.

    Da auch Blutstammzellen zerstrt werden, versiegt die Quel-

    zunchst noch weich und wenig belastbar, dann immer bes-

    ser vernetzt und fester werdend. Das Verfahren, auch Peter-

    son-Verfahren genannt, ist bereits bei einigen Tausend

    Patienten erfolgreich eingesetzt worden. Aber es bleibt noch

    viel Raum fr Verbesserungen. Zum Beispiel hat der gezch-

    tete Knorpel nicht die Stabilitt des Originals. Das liegt daran,

    dass die in der Petrischale kultivierte Chondrozyten mit

    zunehmender Teilungszahl die Fhigkeit verlieren, das Knor-

    pelkollagen vom Typ2 zu bilden. Sie verhalten sich dann eher

    wie normale Bindegewebszellen. Biotechfirmen entwickel-

    ten daher Herstellungsverfahren fr komplette Matrices aus

    KollagenTyp2, die transplantiert werden knnen. Diese

    Anstze nutzten bereits vorgegebene Matrices aus Typ1-Kol-

    lagen, die zum Beispiel aus tierischen Sehnen prpariert wur-

    den. Unter In-vitro-Kulturbedingungen wachsen die isolier-

    ten Chondrozyten des Patienten in das Geflecht hinein,

    vermehren sich und wandeln das Typ1-Kollagen in eine Typ2-

    Kollagen-Matrix um. Die beschdigte Partie des Knorpels

    wird vor der Transplantation ausgestanzt und dann durch ein

    gleich groes Stck des Zuchtknorpels ersetzt, das in einigen

    Varianten noch mit Fibrinkleber fixiert wird. Die Patienten

    knnen die Gelenke bereits nach vier bis sechs Wochen wie-

    der belasten. In Deutschland werden pro Jahr rund 600 sol-

    cher Behandlungen vorgenommen.

    Bandscheiben

    Sie sind die Stodmpfer unserer Wirbelsule: Scheiben aus

    Knorpel mit hohem Wassergehalt, die, eingefasst von zh-

    elastischen Dichtungsringen, zwischen den Wirbelknochen

    sitzen. Sie knnen hohen Druck aushalten und sorgen damit

    fr die Flexibilitt des Knochenkunstwerks. Wenn der uere

    Faserring sprde und rissig wird, kann der innere gallertarti-

    ge Kern austreten und einen Bandscheibenvorfall verursa-

    chen. Quetscht die ausgetretene Knorpelmasse Nerven ein,

    sind Lhmungserscheinungen die Folge. Chirurgisch behan-

    Knorpelgewebekonstrukt

    Reinraumlabor

  • 18 Extrazellulre Trgermaterialien TISSUE ENGINEERING

    allogenen Transplantation Verwendung, da hier im Ver-

    gleich zur Blutstammzell-Transplantation eine niedrigere

    Rate an chronischen Abstoungsreaktionen beobachtet

    wurde.

    Extrazellulre Trgermaterialien Grundlagedes Fortschritts

    Die wichtigste Herausforderung beim Ersatz von Geweben

    und Organteilen, beispielsweise Herzklappen oder Adern, ist

    die Herstellung von dreidimensionalen Implantaten. Dafr

    bentigt man eine entsprechend geformte extrazellulre

    Matrix (EZM), die die neu wachsenden Gewebezellen beher-

    bergt. Die Trgermaterialien mssen hohen Ansprchen

    gengen: Sie sollen biovertrglich, steril, je nach Anwen-

    dung entweder langzeitstabil oder bioabbaubar und unter-

    schiedlich flexibel sein. Auerdem mssen sie manchmal

    auch pors sein, damit Zellen hinein wandern knnen und

    dabei noch fest genug, um nicht schon bei der ersten mecha-

    nischen Belastung zu zerreien. Als Ausgangsmaterial kom-

    men Kunststoffe (zum Beispiel bioabbaubare Poly-Hydroxye-

    ster), anorganische Substrate und aus biologischem Material

    gewonnene Gerstsubstrate, meistens Kollagen, infrage.

    Die Vielfalt der mglichen Konstrukte ist beeindruckend:

    schwammartige Schichten, wssrige und gummiartige Gele,

    le fr neue Blutzellen. Immunabwehr und Sauerstoffversor-

    gung des Krpers geraten in Gefahr.

    Voraussetzung fr das Gelingen einer Knochenmark-Trans-

    plantation ist die Gewebevertrglichkeit zwischen Spender

    und Empfnger. Dafr sind Eiweimolekle, die so genann-

    ten HLA-Molekle (Humane Leukozyten Antigene) auf der

    Oberflche jeder Krperzelle verantwortlich. Sie sind in ihrer

    Komposition fr ein Individuum einmalig und unverwech-

    selbar. Die Transplantation von einem Fremdspender (alloge-

    ne Knochenmark-Transplantation) ist nur mglich, wenn

    Spender und Empfnger in wichtigen Merkmalen

    des HLA-Musters bereinstimmen, was aber nur

    selten vorkommt. Abweichungen im HLA-Typ kn-

    nen zu heftigen Immunreaktionen fhren. Die

    allogene Knochenmarktransplantationen ist bei

    Leukmien der Standard, da eine autologe Trans-

    plantation wegen der Gefahr der bertragung von

    Leukmiezellen nicht sinnvoll ist. Zur Senkung der

    Sterblichkeitsraten durch Infektionen werden vom

    gleichen Spender auch virusspezifische T-Zellen

    isoliert, im Labor expandiert und dem Patienten

    zusammen mit den Stammzellen transplantiert.

    Mitte der 80er Jahre gelang es, auch Stammzellen

    aus dem Blut fr Transplantationen zu nutzen.

    Dabei halfen gentechnisch hergestellte blutbil-

    dende (hmatopoetische) Wachstumsfaktoren bei

    der Mobilisierung und Vermehrung der Stamm-

    zellen. Vor einer Krebs-Chemotherapie stimuliert

    man damit die Bildung der Blutstammzellen im

    Krper des Patienten. Dann wird ein Teil aus dem

    Blut isoliert, eingelagert und ihm nach der Chemo-

    therapie refundiert. Die rekombinanten Wachs-

    tumsfaktoren haben dieser Therapieform schnell

    zum Durchbruch verholfen. Im Jahr 2000 wurden

    in Deutschland 2.105 autologe und 1.438 allogene

    Stammzell-Transplantationen durchgefhrt. Als

    Stammzellquelle hat das Knochenmark bereits an

    Bedeutung verloren. Es findet fast nur noch bei der

    Synthetische Biomaterialien imitieren die Komplexitt der natrlichen extra-

    zellulren Matrices. Dargestellt sind Strategien zu ihrer Herstellung

  • 19TISSUE ENGINEERING Ohren

    an Typ2-Kollagen die gewnschte Bildung von ohrtypischem

    'Glas-Knorpel' (Hyalin-Knorpel) anzeigt. Die spektakulren

    Bilder gingen um die Welt.

    Freiburger Mediziner verpflanzten einem Patienten erfolg-

    reich einen im Labor hergestellten Ohrknorpel. Zur Rekon-

    struktion seines verstmmelten Ohres waren ihm zuvor

    Knorpelzellen aus einer Rippe entnommen worden. Die Zel-

    len wurden ber einige Wochen in Kultur vermehrt und

    zusammen mit Fibrin in eine Ohrform gegossen. Dabei ent-

    stand ein formstabiles Transplantat, das bei der Verpflanzung

    mit einem Hautlappen berzogen wurde.

    Herzklappen

    Herzklappen arbeiten als Einweg-Ventile. Sie verhindern,

    dass das Blut in die Herzvorhfe oder in die Kammern zurck-

    fliet. Etwa 2,5 Milliarden Mal ffnen und schliessen sie sich

    bis zum 70. Lebensjahr. Der Aufbau der drei Segel einer natr-

    lichen Herzklappe ist entsprechend angepasst: Die Oberseite

    ist mit Kollagen ver-

    strkt, die Unterseite

    besteht hauptschlich

    aus Elastin, damit sich

    die Segel in Flussrich-

    tung biegen und in

    die Gegenrichtung

    gut schlieen.

    Von Geburt an, nach

    Infektionen oder aus

    Altersgrnden knnen

    die Herzklappen Fehler

    aufweisen. Dann

    kommt es zu Ablage-

    rungen von Kalk und

    Zellmaterial und das

    fhrt schlielich zu Verwachsungen und zur Blockade der

    Klappe. Seit Jahren werden Herzklappenprothesen routine-

    mig in die Herzen von Betroffenen eingebaut weltweit

    etwa 275.000 pro Jahr. Als Ersatz dienen mechanische Kunst-

    stoff- und Metallherzklappen. Sie erleichtern und verlngern

    das Leben dieser Menschen, haben aber auch Nachteile: Zum

    Beispiel mssen die Betroffenen wegen des Risikos der

    Gerinnselbildung weiterhin Gerinnungshemmer einneh-

    men, was die Gefahr von Magen- und Hirnblutungen erhht.

    Ihre Haltbarkeit ist meistens begrenzt und vor allem bei Kin-

    dern werden Mehrfachoperationen erforderlich, da die

    Kunstklappen nicht mitwachsen. Biologisch gewonnene

    Herzklappen stammen von Schweinen und Rindern. Sie

    machen Gerinnungshemmer berflssig, aber es besteht

    immer ein Risiko, dass sich der Organismus gegen die Fremd-

    krper wehrt.

    Aus diesen Grnden suchen Tissue-Ingenieure nach Alterna-

    tiven. Viele Versuche zielen darauf ab, krpereigene Herz-

    zementharte Trger und flexible, faserhaltige Rhren der

    Zusammenarbeit von Materialwissenschaft und Medizin sind

    kaum Grenzen gesetzt. Neuartige Trgermaterialien sondern

    sogar Botenstoffe ab, die Vorluferzellen anlocken oder das

    Wachstum der hinzugefgten Zellen anregen und beschleu-

    nigen.

    Mittlerweile gibt es zahlreiche Tissue-Engineering-Produkte,

    die auf extrazellulren Trgermaterialien basieren. Um die

    Probleme mit der Struktur und Durchblutung der Ersatzge-

    webe gleichzeitig zu lsen, nutzt man zur Erzeugung der

    besiedelten Matrices eine Art dreidimensionaler Tinten-

    strahldrucker: Der Druckkopf wird mit einem Gemisch aus

    Zellen und Fllmitteln geladen und spritzt dann Schicht fr

    Schicht Zellen in beliebige Formen. Gegenwrtig testet man

    das Verfahren bei der Regeneration von fehlenden Knochen.

    Nach genauer Vermessung der Lcke im Tomografen wan-

    delt ein Computerprogramm die zweidimensionalen Rnt-

    genbilder in ein dreidimensionales Modell um. Auf Grundla-

    ge dieser Mae wird das gesuchte Implantat entworfen und

    hergestellt.

    Ohren

    Paradebeispiel fr die Wiederherstellung eines ganzen Kr-

    perteils durch Tissue Engineering ist das Ohr. Ohren bestehen

    im Wesentlichen aus Knorpel. Daher liegt es nahe, eine aus

    geeignetem Material wie ein Ohr geformte Matrix mit patien-

    teneigenen Chondrozyten zu besiedeln. Forscher der Berliner

    Charit whlen hierfr stabile biokompatible Fasermateria-

    lien als Trger kombiniert mit Gelmatrices aus Agarose, Algi-

    nat und Hyaluronsure, in die zuvor kultivierte Chondrozy-

    ten gut hineinwachsen knnen. Auerdem umgibt aus dem

    Blut des Patienten gewonnenes Fibrin die Zellen als Klebstoff.

    Nach Transplantation unter die Haut einer Labormaus reift

    das Konstrukt zu einem kompletten Ohr heran, dessen Gehalt

    Ohrrekonstruktion: Silikonform (li.), rekonstruierter Ohrlappen.

    In vitro hergestellte dreiseglige Herz-

    klappe

  • 20 Gefe TISSUE ENGINEERING

    Blutdurchfluss, um den Bedingungen im lebenden Orga-

    nismus nahe zu kommen. Nach zwei Wochen im Bioreaktor

    haben sich die Zellen der Herzklappen in Schichten organi-

    siert und verstrkt. Werden solche Klappen jungen Schafen

    eingepflanzt, hnelten sie im Verlauf von fnf Monaten

    immer mehr einer natrlichen Klappe: Sie werden dnner

    und strukturierter und unterscheiden sich makroskopisch

    nicht mehr von den natrlichen Herzklappen.

    Gefe

    Der Bedarf an transplantierbaren Adern nach Verletzungen,

    Bypassoperationen und schweren Thrombosen ist gro.

    Nicht immer gelingt es, ihn durch krpereigene, an anderen

    Stellen entnommene Gefe zu decken. Fr Bypass-Operatio-

    nen werden gewhnlich Teile aus Beinvenen des Patienten,

    aus Arterien seines Brustkorbs oder des Unterarms verwen-

    det. Bei etwa einem Fnftel der Patienten ist das jedoch nicht

    mglich, weil aufgrund von Entzndungen oder krankhafter

    klappensegel ausgehend von autologen Zellen zu zchten.

    Sie sind besonders fr die Behandlung von Kindern interes-

    sant, um die drei bis sieben Operationen bis zum Erwachse-

    nenalter zu vermeiden.

    Ein Ansatz nutzt die Kollagenmatrix von Schweine-Aorta-

    klappen als Gerst fr das neue Herzklappensegel. Sie sind in

    Geometrie und Abmessungen dem menschlichen Pendant

    vergleichbar bestehen ebenfalls aus einem mit Herzzellen

    bewachsenen Kollagen-Sttzgerst. Zur Umwandlung einer

    solchen Klappe in ein fr den Menschen vertrgliches Er-

    satzteil entfernt man mittels Chemikalien alle Zellen und

    -bestandteile aus dem Gewebe. Besonders wichtig ist die Zer-

    strung aller DNA-Molekle, um zu verhindern, dass mgli-

    cherweise Erbgut von Viren zurckbleibt. Die nun zellfreie

    Matrix aus Kollagen und Elastin hat immer noch eine fr die

    Transplantation geeignete Konsistenz. Einige Monate nach

    der Transplantation ist eine solche Klappe dann in vivo mit

    Fibroblasten und Endothelzellen besiedelt und verfgt ber

    die Fhigkeit zur Erneuerung. Das Konzept hat den Vorteil,

    dass man ein beinahe perfektes Klappendesign bernimmt

    und daher geeignete hmodynamische Bedingungen herr-

    schen. Das Verfahren ist bereits im klinischen Einsatz. Medizi-

    ner aus Zrich und Aachen entwickelten gemeinsam voll-

    stndig autologe Herzklappen mit Hilfe von bioabbaubaren

    Polymeren. Das Material ist in der Hitze formbar und wird

    von Zellen leicht besiedelt. Es ist chemisch so konzipiert, dass

    es sich bis zum Zeitpunkt der Implantation komplett aufge-

    lst hat. Dann besteht die Herzklappe nur noch aus autolo-

    gem Gewebe. Zur Besiedlung der Matrix im Bioreaktor ver-

    wenden die Forscher aus Blut- oder Nabelschnurstammzellen

    hervorgegangene Fibroblasten. Whrend des Wachstums

    belasten sie die entstehende Klappe mit einem knstlichen

    Echokardiografische Darstellung der Tissue Engineerten Herz-

    klappen acht Wochen nach Implantation

    Nach Einbau der knstlichen Herzklappe

    Teflonbypass

  • 21TISSUE ENGINEERING Anst ze mit Stammzellen

    Knochen

    Unflle oder Tumoren knnen Knochen schdigen und zum

    Verlust von Knochen fhren. Fr den Ersatz von Knochen

    sind gute Voraussetzungen durch das Tissue Engineering

    gegeben: Das Knochengewebe wird von speziellen Zellen,

    den Osteoblasten, gebildet. Die Osteoblasten selbst bilden

    sich aus Knochenmarkstammzellen. Als Gerstmaterial

    kommt die anorganische Knochensubstanz aus Calcium-

    phosphat/Hydoxyapatit in Frage. Besonders hilfreich ist hier

    die Mglichkeit, in der porsen Matrix bestimmte Knochen-

    wachstumsproteine oder -faktoren (bone morphogeneic fac-

    tor, BMP) einzulagern. Sie sorgen dafr, dass die Zellen ange-

    lockt werden und in das Material hineinwachsen. Die US-

    amerikanische Zulassungsbehrde Food and Drug Admini-

    stration (FDA) hat rekombinantes BMP-2 bereits fr ortho-

    pdischeAnwendungen zugelassen. Ein geradezu spektaku-

    Erweiterungen keine geeigneten Gefe vorhanden sind.

    Und die Gefprothesen aus Kunststoff haben ihre Tcken:

    40 Prozent solcher knstlichen Bypsse sind nach einem Jahr

    bereits nicht mehr durchgngig, da der Kunststoff zur

    Gerinnselbildung fhren kann.

    Also ein klarer Auftrag fr das Tissue Engineering, autologen

    Ersatz zu entwickeln. Ein frher Ansatz war echte Bastelar-

    beit: Ein zusammenhngender in vitro kultivierter Gewebe-

    mantel aus glatten Muskelzellen wurde zu einer Rhre

    gerollt. Die Auenflche der Rolle lie man anschlieend

    von Fibroblasten besiedeln, dann die Innenseite von Endo-

    thelzellen. Die dreischichtige Prothese konnte bereits Dr-

    cken von 2.000 mmHg standhalten. Mit Gefprothesen, die

    auf Polymergersten basieren sind wir heute bereits einen

    Schritt weiter. Paradebeispiel sind Kunststoffrhren aus PGA

    (Polyglycolsure 92Prozent /Milchsure 8Prozent), die mit

    Fibroblasten, glatten Muskelzellen und Endothelzellen besie-

    delt werden. Setzt man diese Konstruktionen whrend des

    Wachstums in einem Durchflussbioreaktorsystem pulsieren-

    den Flssen aus, erhlt man konditionierte Gefprothesen,

    die histologisch natrlichem Gefgewebe gleichen und bes-

    sere biomechanische Eigenschaften aufweisen als nicht-kon-

    ditionierte Konstrukte. Diese Gefprothesen, genauer auto-

    loge endothelialisierte Prothesen, sind bereits im klinischen

    Einsatz. Die Anforderungen an die Gerstsubstanz der Ersatz-

    gefe sind sehr hoch, so dass Alternativen zu PGA gesucht

    wurden. Zum Beispiel Polytetrafluorethylen (PTFE), vulgo

    Teflon. Es ist ein interessantes Material mit Blick auf Flexibi-

    litt, Druck- und Reifestigkeit. Zudem ist die Gefahr der

    Abstoung durch Abwehrreaktionen des Immunsystems sehr

    gering. Leider macht die Teflonoberflche, von der sprich-

    wrtlich alles abfllt, Schwierigkeiten, wenn es um die Besie-

    delung mit Zellen zur Befestigung an die vorhandenen Gef-

    e geht. Mittlerweile gelingt es, Schichten von glatten

    Muskelzellen und Endothelzellen darauf zu zchten. Man

    verwendet dafr unter definierten Strmungsbedingungen

    kultivierte autologe mikrovaskulre Endothelzellen (MVEC).

    Sie werden auf das mit Fibrinkleber prparierte Kunststoff-

    rhrchen aufgebracht und heften sich in der knstlichen

    Blutstrmung besonders gut an das Prothesenmaterial an.

    Die Eigenschaften dieser Ersatzgefe sind viel versprechend

    und erste klinische Versuche wurden bereits gestartet.

    Anstze mit Stammzellen

    ber das enorme Potenzial von embryonalen und adulten

    Stammzellen wurde bereits an anderer Stelle berichtet

    (siehe Seite 11). An dieser Stelle sollen einige fortgeschrittene

    Forschungsprojekte vorgestellt werden, die in Pilotversuchen

    die klinische Phase bereits erreicht haben.

    Konstruktion eines Ersatzkiefers

  • Grundlagenforschung

    Was ist eigentlich Grundlagenforschung? Definitionen gibt

    es viele, nicht zuletzt von der Europischen Kommission

    (Supplement zum Amtsblatt der Europischen Gemeinschaf-

    ten, Nr. C45/14 vom 17.02.1996), die dazu folgendes verlaut-

    bart: Unter Grundlagenforschung versteht die Kommission

    eine Erweiterung der wissenschaftlichen und technischen

    Kenntnisse, die nicht auf industrielle oder kommerzielle Ziele

    ausgerichtet sind. Diese Abgrenzung der Grundlagenfor-

    schung von der anwendungsorientierten Forschung gibt

    immer wieder Anlass zu interessanten Diskussionen. Relativ

    unstrittig ist, dass die Grundlagenforschung in erster Linie

    unseren Wissensdrang befriedigt und eine schlichte Konse-

    quenz der menschlichen Neugierde ist. Ziel der Grundlagen-

    forschung ist der Erkenntnisgewinn an sich ohne den Wert

    der Erkenntnis an eine sptere Verwertbarkeit zu knpfen

    oder zu fragen, ob die neuen Erkenntnisse in das herrschende

    Weltbild passen.

    Eine zwanghafte Entkoppelung von Grundlagenforschung

    und Verwertbarkeit ist allerdings nicht sinnvoll, ganz im

    Gegenteil. Die Grundlagenforschung ist fr die grten Inno-

    vationsschbe verantwortlich, da sie unverhofft Tren in vl-

    liges Neuland aufstt und damit Anwendungsgebiete erff-

    net, die zuvor nicht gesehen worden sind. Das gilt fr die

    Erfindung des Telefons ebenso wie fr die Entwicklung der

    Biotechnologie: Wer htte sich vor 40 Jahren trumen lassen,

    dass menschliche Gene in Mikroorganismen eingebaut und

    zur Herstellung hochwertiger Medikamente genutzt werden

    knnen? Heute arbeiten allein in der Biotechnologie-Indus-

    trie der USA, wo die neuen Mglichkeiten schnell in kommer-

    zielle Anwendungen umgesetzt worden sind, mehr als

    200.000 Menschen in meist hoch qualifizierten und gut

    bezahlten Jobs.

    Bedeutung gentechnischer Methoden

    Mit der Entwicklung gentechnischer Methoden um 1970

    erhielt auch die Medizin wichtige Impulse. Das betrifft zum

    einen die Produktion von Medikamenten auf Proteinbasis, die

    man Biopharmazeutika nennt. Zum anderen aber auch die

    Entwicklung diverser Zellkulturtechniken oder vllig neuer

    Anstze wie den der Gentherapie, auf den weiter unten noch

    kurz eingegangen wird. berragende Bedeutung haben gen-

    technische Methoden auch in der Diagnostik erlangt; die

    Mglichkeit zur Individualisierung der Medizin, von der

    heute immer wieder die Rede ist, wre ohne den Einsatz gen-

    technischer Methoden nicht denkbar. Auch der genetische

    Fingerabdruck, der beim Identifizieren von Personen heute

    fast schon routinemig eingesetzt wird, ist ein Resultat gen-

    technischer Arbeiten.

    Entwicklung der Methoden der modernen Medizin

    22

    Das erste Medikament aus gentechnischer Herstellung war

    das Humaninsulin, das von der Firma Genentech, dem ersten

    Biotechnologie-Unternehmen weltweit, entwickelt wurde.

    Die Pharmafirma Eli Lilly brachte es (in Zusammenarbeit mit

    Genentech) schon im Jahr 1982 auf den Markt. Die Gentechnik

    ermglicht den Austausch von Erbinformation ber die

    Artengrenzen hinweg; fr die Produktion von Humaninsulin

    war das menschliche Gen fr Insulin auf Bakterien bertra-

    gen worden, aus denen man nun in groen Mengen Vorlu-

    ferformen des Hormons gewinnen konnte. Das aktive Hor-

    mon konnte man dann aus diesen Vorluferformen mittels

    proteinchemischer Methoden herstellen. Das skizzierte Ver-

    fahren ist das bei der Herstellung von Biopharmazeutika bli-

    che Vorgehen. Man identifiziert die genetische Information

    fr ein menschliches Protein, isoliert diese und bertrgt sie

    dann auf Mikroorganismen oder Zellkulturen, von denen das

    entsprechende Protein in groen Mengen produziert werden

    kann. Natrlich muss man zunchst erst einmal wissen, wel-

    che Funktion das interessierende Protein hat und ob es sich als

    Biopharmazeutikum eignet. Gerade auch bei der Aufklrung

    dieser Sachverhalte sind gentechnische Verfahren unver-

    zichtbar geworden.

    Neben der Entwicklung gentechnischer Methoden kam es um

    1975 zu einer weiteren bahnbrechenden Neuerung. Den sp-

    teren Nobelpreistrgern Khler und Milstein gelang es erst-

    mals, Monoklonale Antikrper herzustellen. Antikrper sind

    Proteine, die von bestimmten Zellen des Immunsystems gebil-

    det und ins Blut abgegeben werden. Der Krper verfgt ber

    eine enorme Zahl Antikrper produzierender Zellen, die

    jeweils definierte und in der Struktur einzigartige Antikrper-

    varianten produzieren. Die Situation ist hier hnlich wie bei

    den Gewebsantigenen (siehe Seite 8). Findet einer dieser Anti-

    krper eine molekulare Struktur, ein Antigen, an das er bin-

    den kann, dann werden in einer Kaskade von Reaktionen die

    Prozesse ausgelst, die wir als Immunantwort bezeichnen. Als

    Teil dieser Immunantwort beginnt auch die Zelle, die den bin-

    denden Antikrper ursprnglich produziert hat, sich zu teilen

    und mit ihren Tochterzellen grere Mengen und weitere

    Varianten des Antikrpers zu produzieren. Diese Varianten

    sind wichtig, weil sie die Zielstruktur oft noch besser binden

    knnen als der ursprngliche Antikrper und die Immunant-

    wort dadurch noch effektiver wird.

    Im Blut zirkuliert zu jeder Zeit eine fast unberschaubare Zahl

    von Antikrpern unterschiedlicher Struktur, um jedes ein-

    dringende Virus oder Bakterium binden und in der Folge

    unschdlich machen zu knnen. Die komplexe Mischung der

    verschiedenen Antikrper und bestimmte Subklassen von

    ihnen konnte man schon seit lngerem isolieren und fr

    medizinische oder andere Zwecke einsetzen. Die passive Imp-

    fung basiert darauf. Hier infiziert man Spender, beispiels-

    weise Pferde, gezielt mit einem Antigen. Als Folge der Immun-

  • wie sich die Gene von gesunden und von

    kranken Menschen unterscheiden. Bei der

    Bluterkrankheit tritt beispielsweise eine

    Vernderung in dem Gen auf, das die Infor-

    mation zur Herstellung eines Proteins mit

    Namen Faktor VIII trgt. Dadurch wird das

    Protein fehlerhaft und kann seine wichtige

    Funktion in der Blutgerinnung nicht mehr

    ausben. Solche Vernderungen an Genen

    lassen sich heute relativ leicht nachweisen

    und sind die Grundlage moderner diagnos-

    tischer Verfahren. Es wird aber auch daran

    gearbeitet, in bestimmte Zellen der Patien-

    ten fehlerfreie Gene einzufhren, die dann

    zur Produktion eines funktionalen Proteins

    fhren sollten. Diese als somatische Genthe-

    rapie bezeichneten Verfahren sind interes-

    sant, weil sie eine Korrektur von Krankheits-

    ursachen ermglichen knnten. Allerdings

    ergeben sich bei klinischen Erprobungen immer wieder Pro-

    bleme, die vor einem breiteren Einsatz der Methode noch

    gelst werden mssen.

    Im Jahr 2000 wurde die Analyse der genetischen Gesamtinfor-

    mation des Menschen, des menschlichen Genoms, vorlufig

    beendet. Eine gewaltige wissenschaftliche Leistung, die gern

    mit der Mondlandung verglichen wird. In den Mittelpunkt

    des Interesses ist nun die Frage gerckt, welche genetische

    Information zu welchem Zeitpunkt in einer Zelle abgerufen

    wird und wie die einzelnen Gene und Proteine miteinander

    wechselwirken. Die

    Methoden sind so weit

    verfeinert worden, dass

    nun versucht wird den

    Zustand aller Gene in

    einer Zelle gleichzeitig

    zu analysieren. Die Akti-

    vitten gleicher Zellen

    unter unterschied-

    lichen Bedingungen

    werden studiert, kran-

    ke Zellen werden mit

    gesunden Zellen ver-

    glichen, und die ver-

    schiedenen Stadien in

    der Entwicklung eines Lebewesens werden untersucht. Damit

    nhert man sich auch der Beantwortung der Frage, warum

    bei grundstzlich gleicher genetischer Ausstattung die Zellen

    eines Organismus so viele unterschiedliche Funktionen ber-

    nehmen knnen.

    antwort reichern sich im Blut der Pferde verschiedene Anti-

    krper gegen dieses Antigen an, die man dann isolieren und

    fr eine passive Schutzimpfung verwenden kann.

    Khler und Milstein gelang es, ganz gezielt nur eine einzelne

    Zelle aus der Vielzahl Antikrper produzierender Zellen zu

    isolieren und anschlieend in Kultur zu vermehren. Die Nach-

    kommen dieser einen Zelle produzieren alle die exakt gleiche

    Antikrpervariante, so dass von dieser nun grere Mengen

    hergestellt werden knnen. Man spricht dann von Monoklo-

    nalen Antikrpern. Wichtig ist dabei, dass man die Bindungs-

    eigenschaften dieser Monoklonalen Antikrper durch geeig-

    nete Verfahren im voraus bestimmen kann. Da es sich um nur

    einen genau definierten Typ von Antikrper handelt, ist die

    Wechselwirkung mit seiner Zielstruktur hochselektiv und gut

    reproduzierbar im Gegensatz zu Ergebnissen, die man mit

    Mischungen unterschiedlicher Antikrpervarianten erhlt.

    Man kann die Bindungseigenschaften zum Beispiel technisch

    nutzen um andere Proteine zu binden und zu reinigen. Durch

    den Einsatz gentechnischer Methoden wurden die Eigen-

    schaften der Monoklonalen Antikrper immer weiter opti-

    miert; heute sind Monoklonale Antikrper und ihre Abkmm-

    linge auch die Basis fr uerst wirksame Medikamente, etwa

    gegen Krebs.

    Wichtige Aufschlsse wurden auch ber den molekularen

    Aufbau von Genen gewonnen. Man konnte nun vergleichen,

    Grundoperation der Gentechnik: Ein Stck fremder DNA (blau),

    das ein ganzes Gen enthalten kann, wird mit Hilfe von DNA-

    Scheren und DNA-Kleber in einen Ring aus bakterieller DNA,

    ein so genanntes Plasmid, eingefgt. Das Wirtsbakterium nimmt

    das rekombinante Plasmid auf , vermehrt es wie sein natrliches

    Erbgut und produziert die darauf codierten Proteine.

    23

  • Zunchst werden die autologen oder allogenen Zellen in

    Vorkulturen angezogen, um sie in Wachstumsphasen und

    in ausreichender Menge auf das entsprechend der Anwen-

    dung vorgeformte Trgermaterial auftragen zu knnen.

    Die geimpfte Matrix wird dann in stationrem Milieu kul-

    tiviert bis man die Anhaftung der Zellen an das Trgermate-

    rial feststellt. Hier kommt es darauf an, dass die Zellen opti-

    male Wachstumsbedingungen vorfinden. Dazu gehren

    die wichtigen Kontakte zur Matrix und zu anderen Zellen.

    Jeder Zelltyp stellt ganz individuelle, oftmals zeitlich varia-

    ble Ansprche an seine Umgebung, die durch die mg-

    lichst genaue Schaffung der natrlichen Mikroumge-

    bung der Zellen erfllt sein mssen.

    Nur wenn diese Anforderungen erfllt sind, lsst sich das

    Konstrukt schlielich in Reaktoren unter kontinuierlicher

    Nhrstoff- und Luftzufuhr zu funktionalen Geweben aus-

    reifen, wobei mglichst physiologische Bedingungen ein-

    zuhalten sind.

    Ausdifferenzierte Krperzellen lassen sich meistens nicht so

    ohne weiteres in vitro vermehren. Das liegt unter anderem

    daran, dass sie sich in den Geweben auch nicht beliebig teilen

    drfen. Andernfalls gbe es keine klar begrenzten Gewebe-

    strukturen und Organe. Die Ausnahme sind Tumorzellen, die

    sich bekanntermaen ungehemmt teilen und die Organe zer-

    stren. Diese Fhigkeit macht man sich in der Bioprozesstech-

    nik zunutze, indem man Immunzellen eines bestimmten Typs

    mit speziellen Tumorzellen (Myelomzellen) fusioniert. Die

    daraus resultierenden Hybridomazellen weisen die Eigen-

    schaften der Immunzellen auf, sind aber wie die Tumorzellen

    in der Zahl ihrer Teilungszyklen nicht begrenzt. Sie eignen

    sich deshalb fr groe Zellkulturen zur Produk-

    tion wertvoller Proteine, zum Beispiel rekombi-

    nanter Antikrper (siehe Seite 8). Fr Zellthera-

    pien sind die Zellen verstndlicherweise

    ungeeignet.

    Einige somatische Zelltypen sind in vitro ver-

    mehrbar und knnen therapeutisch zum Ersatz

    ausgefallener Gewebezellen genutzt werden.

    Dazu gehren zum Beispiel Knorpelzellen oder

    die Stammzellen des Knochenmarks. Eine In-

    vitro-Kultur frisch isolierter Zellen eines Gewe-

    bes wird als Primrkultur bezeichnet. Nachdem

    die Zellen sich ungestrt teilen und wachsen

    konnten, mssen sie sptestens wenn sie den

    Schalenboden komplett bedecken auf neue Kul-

    turgefe verteilt werden (Subkultivierung).

    Andernfalls stellen sie das Wachstum ein und

    sterben ab. Sind Zellen mehr als siebzigmal

    nach der Pr