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Regulierung durch Regulierung durch Spielhallengesetze Prof Dr Tilman Becker Prof. Dr . Tilman Becker Geschäftsführender Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel der Universität Forschungsstelle Glücksspiel der Universität Hohenheim

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Regulierung durchRegulierung durch Spielhallengesetze

Prof Dr Tilman BeckerProf. Dr. Tilman BeckerGeschäftsführender Leiter der

Forschungsstelle Glücksspiel der UniversitätForschungsstelle Glücksspiel der Universität Hohenheim

Gliederung

1. Hintergründe2. Ansatzpunkte einer Regulierung3. Maßnahmen zur Prävention4. Bewertung der Maßnahmen aus Sicht der

SuchtpräventionSuchtprävention

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Hintergrund: Europarecht

Entscheidungen des Europäischen Gerichtshof vom 8. September 2010 (Markus Stoß Carmen Media):September 2010 (Markus Stoß, Carmen Media):

• Monopol zur Angebotsbegrenzung bei Glücksspielen mit geringem Suchtgefährdungspotential und Politik der Angebotserweiterung bei Glücksspielen mit hohen Suchtgefährdungspotential, um insbesondere die Einnahmen zu maximieren, ist nicht kohärent.

• Dass die Glücksspiele, die Gegenstand des genannten Monopols sind, in die Zuständigkeit der regionalen Behörden fallen während für die anderen Arten von Glücksspielen diefallen, während für die anderen Arten von Glücksspielen die Bundesbehörden zuständig sind, ist dabei unerheblich.

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Hintergrund: Kompetenzverteilung

• Bund zuständig für Pferdewetten• Länder zuständig für Sportwetten• Länder zuständig für Sportwetten

• Bund zuständig für technische Ausgestaltung der Geldspielgeräte

• Länder zuständig für „örtlich radizierte“ Ausgestaltung der SpielstättenSpielstätten

Kompetenzwirrwarr

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Hintergrund: Glückspielsucht

• Verhalten, welches trotz negativer Konsequenzen aufrecht erhalten wirdaufrecht erhalten wird

• Wunsch, das Verhalten zu ändern und erfolglose Versuche dies zu tunVersuche, dies zu tun

Negative Konsequenzen:Negative Konsequenzen:• Verschuldung• Vernachlässigung anderer Aktivitäten• Vernachlässigung anderer Aktivitäten

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Hintergrund: Glückspielsucht

PAGE-Studie:

• Etwa die Hälfte aller problematischen Spieler und Dreiviertel• Etwa die Hälfte aller problematischen Spieler und Dreiviertel aller pathologischen Spieler haben bzw. hatten eine psychische Erkrankung (ohne Suchtstörung)

• Rate in der allgemeinen Bevölkerung bei etwa 15 Prozent

• 78 Prozent der problematischen und 95 Prozent der pathologischen Spieler haben (bei Berücksichtigung vonpathologischen Spieler haben (bei Berücksichtigung von Suchtstörungen) mindestens eine weitere psychische Störung

• Rate in der allgemeine Bevölkerung bei etwa 35 Prozent

Komorbidität: Ist ein pathologisches Spielverhalten Symptom oder Ursache für andere psychische Störungen?

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Hintergrund: Spielorte

• Spielhallen• Gaststätten und Imbissbuden• Internet

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Ansatzpunkte einer Regulierung

• Eingriffe in die Spielstruktur (technische Ausgestaltung der Spielgeräte)Ausgestaltung der Spielgeräte)

Verringerung SuchtgefährdungspotentialV i d S h d (G ld l ) Verringerung des Schadens (Geldverluste)

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Ansatzpunkte einer Regulierung

• Schutz gefährdeter Spieler

Möglichkeit der Selbstsperre (für eine begrenzte und selbst gewählte Zeitdauer)

Setzen von Limits (Zeitdauer des Spiels und Ausgaben)g )

Korrektur von kognitiven Irrtümern (Spielhistorie)

Früherkennung einer Suchtgefährdung (Spielhistorie) bzw. Risikobewertung

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Ansatzpunkte einer Regulierung

• Aufklärung und Information der Spieler und MitarbeiterMitarbeiter

Korrektur von kognitiven Irrtümern (Unkenntnis der Ausschüttungsquote und von statistischenAusschüttungsquote und von statistischen Wahrscheinlichkeiten)

Früherkennung einer Suchtgefährdung

„Richtiger“ Umgang mit problematischen Spielern„ g g g p p

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Ansatzpunkte einer Regulierung

• Einschränkung der Verfügbarkeit Mindestabstandregel

Verbot der Mehrfachkonzessionen Verbot der Mehrfachkonzessionen

(Ausdehnung der) Sperrzeiten

Einlass-/Identitäts-/Alterskontrollen

Vorgaben für Außendarstellung der Spielhallen Vorgaben für Außendarstellung der Spielhallen

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Maßnahmen zur Prävention

• Universelle PräventionG i lt P ä ti• Gezielte Prävention

• Indizierte Prävention

Verhaltens- und Verhältnisprävention

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Maßnahmen zur Prävention

• Alkohol und Tabak: Konsum ist generell mit negativen gesundheitlichen Folgen verbundennegativen gesundheitlichen Folgen verbunden (Schädigung der Organe)

universelle Prävention sinnvolluniverselle Prävention sinnvoll

• Glücksspiel: keine negativen gesundheitlichen• Glücksspiel: keine negativen gesundheitlichen Folgen (keine organischen Schädigungen)

gezielte und indizierte Prävention sinnvoll gezielte und indizierte Prävention sinnvoll

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Mindestabstandsregeln undMindestabstandsregeln undVerbot der Mehrfachkonzessionen

• Statistischer Zusammenhang zwischen räumlicher Verfügbarkeit und einem problematischen/pathologischen Spielverhalten möglich

• Verfügbarkeit wird theoretisch bestimmt von Angebot und NachfrageNachfrage

• Wo sind Geldspielgeräte zu finden?????

• Hoher Anteil glücksspielaffiner Personen: hohe Nachfrage• Hoher Anteil glücksspielaffiner Personen: hohe Nachfrage

• Personen mit einer Prädisposition für ein problematisches Spielverhalten: Männer, jüngere Personen, Personen mit einem

i Bild P i Mi i f hgeringen Bildungsstatus, Personen mit Migrationserfahrung oder –hintergrund, Arbeitslose (PAGE-Studie, Klienten von Suchthilfeeinrichtungen)

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Mindestabstandsregeln undMindestabstandsregeln und Verbot der Mehrfachkonzessionen

• Je geringer der sozio-ökonomische Status einer Region desto größer ist die Verfügbarkeit vonRegion, desto größer ist die Verfügbarkeit von Geldspielgeräten

• In sozial benachteiligten Regionen kann eine hohe so a be ac e g e eg o e a e e o eVerfügbarkeit die sozialen Probleme verschärfen

Keine Globalsteuerung, sondern Feinsteuerung g, g(Unterschied Stadtstaaten und Flächenstaaten)

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Mindestabstandsregeln undMindestabstandsregeln undVerbot der Mehrfachkonzessionen

• Mindestabstandregel von 250 bis 500 Meter hat keine positiven suchtpräventiven Auswirkungenkeine positiven suchtpräventiven Auswirkungen

• Wenn die Regel zu einer gleichmäßigeren Verteilung über den Raum führt, eher negativ zu beurteilenübe de au ü , e e ega u beu e e

• Wenn das Verbot der Mehrfachkonzessionen größere Unternehmen diskriminiert zu Gunsten gkleinerer Unternehmen, eher negativ zu beurteilen (Fixkostenargument)

Mindestabstandregel und Verbot der Mehrfachkonzessionen aus suchtpräventiver Sicht wirkungslos wenn nicht sogar negativ zu beurteilenwirkungslos wenn nicht sogar negativ zu beurteilen

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(Ausdehnung der) Sperrzeiten

• Wirkung hängt von der Reaktion der problematischen/pathologischen Spieler abproblematischen/pathologischen Spieler ab

• Werden problematische/pathologische Spieler weniger spielen?e ge sp e e

• Wenn eine Verlagerung des Spiels in Gaststätten (mit Alkoholausschank), zu illegalen Spielangeboten ( ) g p goder ins Internet (mit Spielen mit einem höheren Suchtgefährdungspotential) stattfindet, dürfte die Wirkung aus suchtpräventiver Sicht eherWirkung aus suchtpräventiver Sicht eher kontraproduktiv sein

• Feinsteuerung wäre Globalsteuerung vorzuziehenFeinsteuerung wäre Globalsteuerung vorzuziehen17/26

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Identitätskontrollen

• Spielerkarte gesetzlich vorgeschrieben in der kanadischen Provinz Nova Scotia für diekanadischen Provinz Nova Scotia für die Geldspielgeräte (video lottery terminals), in Schweden für die Teilnahme am Onlinespiel und für pLotterien und Bongo freiwillig, in Norwegen für Geldspielgeräte (video lottery terminals) und Onlinespiele gesetzlich vorgeschrieben und freiwillig für Lotterien, in Australien in einer Reihe von Staaten wie Victoria Queensland South Australia und Newwie Victoria, Queensland, South Australia und New South Wales.

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Spielerkarte

• Aufzeichnung und Abrufung der historischen Spielaktivitäten (Zeitdauer des Spielens, Ausgaben für das Spielen),(Zeitdauer des Spielens, Ausgaben für das Spielen),

• Aufzeichnung und Abrufung der aktuellen Spielsitzung (Zeitdauer des Spielens, Ausgaben für das Spielen),

• Setzen von Limits (für die Spieldauer und für die Spielausgaben),

• Sperrzeit (freiwillige Spielersperre für eine begrenzte und selbstSperrzeit (freiwillige Spielersperre für eine begrenzte und selbst gewählte Zeitdauer),

• Risikobewertung (eine Bewertung des Risikos des Spielers für i h l i h S i l h l b i d f dein pathologisches Spielverhalten basierend auf dem

historischen tatsächlichen Spielverhalten keine Spielertracking und keine Geldkartenfunktion keine Spielertracking und keine Geldkartenfunktion

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Jugendschutz

• 64 Prozent der Jugendlichen (n = 3957) haben bereits an einem Glücksspiel teilgenommenbereits an einem Glücksspiel teilgenommen

• Bevorzugte Orte: 44 Prozent in Gaststätten und Imbissbuden 17 Prozent in Spielhallen und 17Imbissbuden, 17 Prozent in Spielhallen und 17 Prozent im Internet

J d h t i G t tätt d Jugendschutz in Gaststätten und Imbissbuden??????

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Aufklärung und Information

• Kognitive IrrtümerÜberschät ng der Wahrscheinlichkeit Überschätzung der Wahrscheinlichkeit unwahrscheinlicher Ereignisse,

verzerrte Wahrnehmung von Gewinn und Verlust verzerrte Wahrnehmung von Gewinn und Verlust, flexible Zuschreibung von Gründen des Gewinns und

VerlustsVerlusts, magische Vorstellungen,

V h l bhä i d bhä i Verwechslung von unabhängigen und abhängigen Ereignissen (gamblers fallacy),

Kontrollillusion Kontrollillusion21/26

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Therapieansätze

• Kognitive Umstrukturierung Korrektur der kognitiven Irrtümer

• Verhaltenstherapeutische Ansätze Aufhebung der Konditionierung, Erlernen von

Bewältigungsstrategien (Coping)g g g ( p g)

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Sozialkonzepte

• Information und Aufklärung der SpielerInformation und Schulung der Mitarbeiter• Information und Schulung der Mitarbeiter

• Umgang mit problematischen Spielern (Ansprache etc )etc.)

• Umgang mit gesperrten Spielern (Selbstsperre-Berater, Hinweise auf Hilfemöglichkeiten etc.)g )

• Zusammenarbeit mit Hilfeeinrichtungen• Evaluierung und kontinuierliche g

Qualitätsverbesserung Kostenintensiv und aufwendig

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Freiwillige Spielersperre

• entspricht dem Grundprinzip des selbstbestimmten Individuums• ermöglicht dem Individuum wieder die Kontrolle über sein e ög c de d duu ede d e o o e übe se

Verhalten zu gewinnen• Bei Spielbanken und Sportwetten ist bereits ein

spielübergreifendes Sperrsystem etabliertsp e übe g e e des Spe syste etab e t• Spielersperre für einzelne Spielorte bzw. Spielformen ist sinnvoll• Spielübergreifendes Sperrsystem versus Spielersperre für einzelne

Spielorte und Spielformen??? Wäre wissenschaftlich zuSpielorte und Spielformen??? Wäre wissenschaftlich zu untersuchen

• Freiwillige Spielersperre ist erwiesenermaßen die effektivste Maßnahme des SpielerschutzesMaßnahme des Spielerschutzes

• Freiwillige Spielersperre ist wirkungsvoll und zielgerichtet• Selbstsperre-Berater ist als niedrigschwelliges Angebot sehr

f l i herfolgreich24/26

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Spielerselbstsperre:Spielerselbstsperre: Handlungsbedarf des Gesetzgebers

BGH-Urteil vom 20. Oktober 2011: „Um Schadensersatzforderungen abzuwehren muss derSchadensersatzforderungen abzuwehren, muss der hinreichend sichere Nachweis erbracht werden, dass die Gründe, die zur Beantragung der , g gSelbstsperre geführt haben, nicht mehr vorliegen. Auskunft über finanzielle Situation des Spielers reicht nicht aus.

Wie kann dieser Nachweis erbracht werden?

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Visionen für die Zukunft

• Persönliche Spielerkarte mit Limits und S ö li hk it (fü ll S i lf dSperrmöglichkeit (für alle Spielformen und Spielorte)

• Vernetztes zentrales System von Geldspielgeräten zur Erhebung von Abgaben p g g gund zum Spielerschutz (gerade eingeführt in Österreich))

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