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Friction coefficient measurement of deep drawing tools, German

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    p E R I p H E R E t H E M E N

    Reibzahlmessung im Tiefziehwerkzeug

    Z. Hu, H. Schulze Niehoff, F. Vollertsen

    Das Tiefziehen ist ein etablierter Produktionsprozess fr die Herstellung von Blechprodukten in der

    industriellen Fertigung. Eine wesentliche Beeinflussung erfhrt dieser Prozess durch die Reibung zwischen

    Werkstck und Werkzeug. Insbesondere Bodenreier und Oberflchenschden an den Bauteilen knnen bei

    zu groer Reibung auftreten. Daher ist die genaue Kenntnis der Reibung ein entscheidender Qualittsfaktor,

    der intensiv erforscht wird. Standardmig wird die Reibung nicht direkt im Prozess, sondern mit Hilfe eines

    vereinfachten Prinzips, z.B. dem Streifenzugversuch, untersucht. Hierbei kann allerdings der Spannungs-

    zustand beim Tiefziehen nicht vollstndig abgebildet werden, sodass die Reibung nur nherungsweise

    bestimmt werden kann [1]. Problematisch ist darber hinaus die Druckabhngigkeit der Reibung, die in der

    Regel nicht bercksichtigt wird, aber aufgrund der groen Drucknderungen whrend des Tiefziehprozesses

    fr eine korrekte Analyse der Reibung unumgnglich ist [2]. Whrend die Ermittlung von druckabhngigen

    Reibfunktionen im Ziehwerkzeug noch schwierig ist, stehen die notwendigen Analysewerkzeuge schon zur

    Verfgung. Kommerzielle Simulationsprogramme, wie ABAQUS, bieten bereits heute die Mglichkeit

    druckabhngige Reibzahl einzusetzen. Daher wurde am Bremer Institut fr angewandte Strahltechnik eine

    neue Methode entwickelt, mit der die Reibzahl bzw. Reibfunktion im Tiefziehwerkzeug auf Grundlage des

    Stempelkraft-Weg-Verlaufs ermittelt werden kann, ohne dass gesonderte Versuchsstnde notwendig sind.

    Versuchsprinzip

    Die der Vorgehensweise zugrunde lie-gende Idee ist es, die Reibzahl aus dem experimentell gemessenen Stempel-kraft-Weg-Verlauf des Tiefziehpro-zesses zu berechnen. Grundlagen da-fr sind die mechanischen Bezie-hungen im Tiefziehprozess. Daraus ergibt sich, dass die Stempelkraft von den Faktoren Werkzeuggeometrie, Werkstckgeometrie, Flieverhalten des Werkstckwerkstoffs und der Rei-bung zwischen Werkstck und Werk-zeug bestimmt wird. Eine mathema-tische Beziehung zwischen der Stem-pelkraft und allen anderen Parametern kann dann mithilfe eines analytischen Modells hergestellt werden. Die Tangen-tialspannungen im Flansch (Bild 1a), machen diese Beziehung jedoch sehr komplex. Der Tiefziehprozess wird da-her zunchst dahingehend vereinfacht, die Tangentialspannung zu vermeiden, wie beispielsweise beim Streifenziehen mit doppelten Umlenkungen einge-setzt (Bild 1b). Zum Vergleich mit dem standardmigen Streifenzugver-

    in [1] als Reibfunktion eingefhrt wur-de. Darin wurde die Reibfunktion zu-nchst manuell berechnet. Um diesen sehr aufwndigen Berechnungsprozess zu verkrzen und zu verbessern, hat das BIAS in Zusammenarbeit mit dem Zentrum fr Technomathematik an der Universitt Bremen ein Berech-nungsprogramm fr die Reibfunktion beim Streifentiefziehen entwickelt. Dabei wird die Berechnung der Reib-zahlen und die Ermittlung der Reib-funktion miteinander kombiniert: Das Programm liest die experimentellen Daten ein und gibt eine mathema-tische Funktion aus, die die Abhngig-

    such (Bild 1c) kommt es hier jedoch am Ziehradius zum gleichzeitigen Bie-gen und Flieen in die Ziehmatrize unter Einwirkung der Reibung.

    Ermittlung der Reibfunktion

    Das analytische Berechnungsmodell, mit dem die Reibzahlen fr den gesam-ten Prozessverlauf aus den experimen-tellen Daten berechnet werden kn-nen, wurde in [1] beschrieben. Diese Reibzahlen zeigen eine Beziehung zwi-schen der Reibzahl und dem normalen Druck. Diese Beziehung kann durch eine Funktion beschrieben werden, die

    Schematische Darstellung der Krfte am Tiefziehteil und im StreifenzugversuchBild 1

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    keit der Reibzahl vom Kontaktdruck beschreibt. In einer Rckrechnung wird dann der Stempelkraft-Weg-Ver-lauf auf Grundlage der berechneten Reibfunktion ermittelt und mit dem experimentellen Verlauf verglichen. Bei unzureichender bereinstimmung der Messdaten mit der Modellfunk-tion wird dann die Reibfunktion in mehreren Schleifen optimiert. Dieses Vorgehen ist notwendig, da das analy-tische Modell als nichtlineare Bezie-hung nicht direkt lsbar ist. Zur L-sung dieser nichtlinearen Beziehung wurde ein Algorithmus, basierend auf der Sequentiellen Quadratischen Pro-grammierung (SQP-Methode), bei der Programmierung eingesetzt. Nach der nur wenige Sekunden dauernden Op-timierung erhlt man eine sehr gute bereinstimmung des experimentel-len und des berechneten Stempelkraft-Weg-Verlaufes, was man auf der Pro-grammoberflche (rechts oben) able-sen kann. Die Programmoberflche ist in Bild 2 a) vor und b) nach der Be-rechnung dargestellt. Sie zeigt jeweils:links oben: Druckverlauf am Ziehra-

    dius ber den Stempel-weg

    rechts oben: Experimentelle und be-rechnete Stempelkraft ber den Stempelweg

    links unten: Die Differenz der Flche aus den beiden Stempel-kraftkurven rechts oben, als Ma fr den Fehler der Optimierung (Fitting)

    rechts unten: Die Reibfunktion als Reibzahl ber den Druck

    In einem Praxisbeispiel wurden mit diesem Programm Reibfunktionen fr unterschiedliche Stempelgren vom Mikrobereich (1 mm) bis zum Makro-bereich (100 mm) hnlichkeitsgerechter Prozessskalierung [3] ermittelt. Dabei zeigte sich, dass allein die Gre der Werkzeuge schon einen Einfluss auf die Reibung hat, siehe Bild 3. Ursache da-fr sind so genannte Greneffekte [4].

    Integration der Reibfunktion in die FEM

    Die Reibfunktion wurde in eine FEM-Simulation des Streifenziehens mit doppelten Umlenkungen mit dem Si-mulationsprogramm Abaqus/Stan-dard 6.6-3 eingebunden. Dabei wurde die Reibzahl zwischen Proben und Werkzeugen nicht als konstant ange-

    Reibfunktion aus dem StreifenziehenBild 3

    Programmoberflche vor (a) und nach (b) der BerechnungBild 2

    Vergleich der simulierten und experimentell ermittelten Stempelkraft-Weg-VerlufeBild 4

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    sehen, sondern durch die ermittelte Reibfunktion in Abhngigkeit des Druckes bestimmt. Ein 2-D-Simula-tionsmodell wurde erstellt. In der Si-mulation wurden die Stempelkraft-Weg-Verlufe, bei verschiedenen, deut-lich unterschiedlichen Reibfunktionen, ermittelt. Bild 4 zeigt den experimen-tellen Stempelkraft-Weg-Verlauf bei einem Stempeldurchmesser von 1 mm (EXP-1) und die simulierten Verlufe unter Anwendung der Reibfunktionen bei einem Stempeldurchmesser von 1 mm (FEM-1) und 100 mm (FEM-100) sowie den Verlauf auf Basis des analytischen Modells (CM-1). Da die CM-1-Kurve auf die EXP-1-Kurve mit-tels des Parameters Reibfunktion opti-miert wurde, ist hier erwartungsge-m eine sehr groe bereinstim-mung zu sehen. Die so ermittelte Reib-funktion liegt dem FEM-1-Verlauf zugrunde, der zu der EXP-1-Kurve eine deutlich bessere bereinstimmung als es der FEM-100-Verlauf hat. Das zeigt, dass die tribologischen Greneffekte durch die analytische, druckabhngige Reibzahlermittlung in FEM-Simulati-onen bercksichtigt werden knnen.

    Ein Grund fr die noch verbleibende Differenz der Kurven FEM-1 und EXP-1 ist die Verteilung des Kontaktdrucks am Ziehradius. Im analytischen Mo-dell wurde angenommen, dass der Kontaktdruck am Ziehringradius gleichmig verteilt ist, was in der Pra-xis aber im Allgemeinen nicht beo-bachtet wird. Die Simulation zeigt ebenfalls eine ungleichmige Kon-taktdruckverteilung am Ziehradius, siehe Bild 5. Der Kontaktdruck erfhrt am bergang vom Flanschbereich zum Ziehringradius ein lokales Maxi-mum mit ca. 20 N/mm2 und fllt im weiteren Verlauf des Ziehringradius auf fast Null ab. Am bergang vom Ziehringradius zur Zarge erfhrt der Kontaktdruck ein weiteres Maximum mit ca. 60 N/mm2. Daher wird das ana-lytische Modell in weiteren Arbeiten mit der Annahme einer ungleichmigen Kontaktdruckverteilung ausgebaut.

    Fazit

    Das Streifenziehen mit doppelten Um-lenkungen wurde in verschiedenen Di-mensionen durchgefhrt. Ein mathema-tisches Model wurde entwickelt, mit dem die Reibfunktionen im Tiefzieh-werkzeug ermittelt werden knnen. Die

    Lokale Kontaktzonen am Ziehringradius beim StreifenziehenBild 5

    Reibfunktionen zeigen, dass das tribolo-gische Verhalten whrend der Prozesse in unterschiedlichen Dimensionen sich unterscheidet. Die Reibung im Prozess mit einem Stempeldurchmesser von 1 mm ist deutlich hher als mit einem Stempeldurchmesser von 100 mm.

    Die Reibfunktion wurde in die FEM-Simulation eingebunden, sodass die tribologischen Greneffekte in Blech-umformsimulationen bercksichtigt werden knnen. Der Stempelkraft-Weg-Verlauf aus der Simulation liegt jedoch etwas unter dem experimentellen Ver-lauf. Die Kontaktdruckanalyse zeigt, dass der Kontaktdruck am Ziehringra-dius ungleichmig verteilt ist, was im Berechnungsmodell als gleichmige Verteilung angenommen wurde. Dies ist eine wichtige Ursache fr den Unter-schied zwischen den simulierten und den experimentellen Ergebnissen und ein Arbeitspunkt fr die Zukunft. Da-rber hinaus wird das analytische Mo-dell um die Tangentialspannungen im Flansch erweitert werden, so dass auch die Reibfunktionen bei Napfziehprozes-sen berechnet werden knnen.

    Danksagung

    Die Autoren danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft fr die finan-zielle Untersttzung der vorgestellten Arbeiten im Projekt Vo530/6 Model-lierung von tribologischen Grenein-flssen bei Fertigungsprozessen

    Literatur

    [1] Z. Hu, H. Schulze Niehoff, F. Vollertsen, Determination of the Friction Coefficients in Deep Drawing, Process scaling, eds.: Vollertsen F., Hollmann, F., BIAS-Verlag, ISBN 3-933762-14-6, Strahltechnik 24, 2003, 27-34

    [2] F. Vollertsen, Z. Hu, Tribological Size Effects in Sheet Metal Forming Measured by a Strip Drawing Test, Annals of CIRP 2006, vol. 55/1, 291-294

    [3] O. Pawelski, hnlichkeitstheorie in der Umform-technik, Umformtechnik Plastomechanik und Werkstoffkunde, Hrsg.: Dahl, W., Kopp, R., Pawelski, O., Verlag Stahleisen, Dsseldorf, 1993

    [4] F. Vollertsen, Z. Hu, H. Schulze Niehoff, C. Theiler, State of the art in micro forming and investigations into micro deep drawing, Journal of Materials Processing Technology, 2004, 151, 70-79

    BIAS Bremer Institut fr Angewandte StrahltechnikKlagenfurter Strae 2D-28359 BremenTel.: +49 421 218-5018http://www.bias.uni-bremen.de

    n M.-Eng. Z. Hu studierte Maschinenbau am Har-bin Institute of Technology(China). Seit 2001 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Vollertsen, zunchst am Lehrstuhl fr umformende und spa-nende Fertigungstechnik an der Universitt Pader-born und seit 2003 am BIAS. Sein Forschungsge-biet ist die Mikroumformtechnik, insbesondere tribologischer Greneffekt bei Blechumformung.

    n Dipl.-Wirt.-Ing. H. Schulze Niehoff studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der Universitt Paderborn und am University College London (Grobritannien) sowie Volkswirtschaft an der Universit des Sciences et Technologies de Lille (Frankreich). Seit 2001 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Vollertsen, zunchst am Lehr-stuhl fr umformende und spanende Fertigungs-technik an der Universitt Paderborn und seit 2003 am BIAS. Sein Forschungsgebiet ist die Umform-technik insbesondere Innenhochdruckumformen und Blechumformen. Seit 2006 ist er Leiter der Gruppe Strukturierung, die sich in den Bereichen Tribologie, Mikroumformen, Laserschockumfor-men, Laserstrukturierung und Laserchemisches tzen etabliert hat. Zur Zeit arbeitet er an seiner Dissertation ber die Entwicklung einer hochdyna-mischen und hochprzisen Mikroumformpresse.

    n Prof. Dr.-Ing. Frank Vollertsen hat in Erlangen Werkstoffwissenschaften studiert, in der Fertigungs-technik promoviert und habilitiert. Von 1998 bis 2002 hatte er in Paderborn einen Lehrstuhl im Fach-bereich Maschinenbau. Seit 2003 ist er Instituts-leiter des BIAS und Professor im Fachbereich Pro-duktionstechnik an der Universitt Bremen. Er ist Mitglied in nationalen und internationalen Orga-nisationen, u. a. in der International Deep Drawing Research Group (IDDRG), der Wissenschaftlichen Gesellschaft fr Produktionstechnik (WGP), der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) und in der International Institution for Production Engineering Research (CIRP). Ausge-zeichnet wurde er u. a. mit dem BMW Scientific Award und dem Gotttfried-Wilhelm Leibniz-Preis.

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