Reisebericht Russland

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Russland Einmal und retour

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Reise Russland Motorrad

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RusslandEinmal

und retour

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Bitte einmal Russland und retour.

Ich will Russland sehen, ziemich viel davon. Aber nicht in einem vollen Zugsabteil oder einem Omnibus, ein-gepfercht zwischen vielen Leuten und ohne Einfluss auf den Ablauf. Ich denke da eher an ein Sonderarran-gement mit Motorrad und mit persönlichen Entscheidungsmöglichkeiten. Die grundsatzliche Route kann ich ihnen schon beschreiben, aber wenn durch das Wetter oder durch andere Bedingungen Abänderungen nötig sind, so muss es schon einen Handlungsspielraum geben.

Wichtig ist mir klarerweise Moskau, dann soll die Strecke bis zum Ural führen. Wenn es die Kondition und die Umstände erlauben, wäre ein Abstecher nach Sibirien sehr erwünscht. Das wird dann in Ekaterinburg ent-schieden. Zurück wieder zum Ural und dann wieder an die Wolga. Ufa, Samara, Saratow, so schön klingende Namen. Für diese Städte sollte schon etwas mehr Zeit sein. In Wolgograd schwenke ich dann auf Westkurs, geradewegs nach Hause, nicht ganz genauso, aber fast. Kiew sollte auch dabei sein, oder Odessa, beides geht nicht.

Über Lemberg nach Budapest, da schließt sich dann der Bogen.Sowas gibts nicht, davon dürfen Sie träumen, das können Sie sich nicht kaufen.

Da bleibt nur eines: Täumen - planen - selber fahren.

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Noch bin ich in Polen, die Alpenrepublik ist schon so weit weg. Ich spüre aber schon die weiten Ebenen, die sich von hier endlos weit bis nach Asien erstre-cken.

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Die Reise, wie sie entstand.

Vor Jahren habe ich einmal beschlossen nach Russ-land zu fahren. Aufgrund eines Reiseberichtes war mir klar: das will ich auch erleben. Der Wunsch wirk-te ziemlich unrealistisch. Doch habe ich den Wunsch nie aus den Augen verloren. Beim Kauf eines Motor-rades habe ich darauf geschaut, dass es auch für die Straßen in Russland geeignet ist, Reiseberichte habe ich einige gelesen.

Jetzt bin ich unterwegs, viel hat sich in der Zwischen-zeit verändert. Über Tschechien, Polen, Litauen und Lettland fahre ich nach Russland.

Phasenweise hatte ich einen vorbeiziehenden Ge-danken, muss das sein, so eine weite Reise zu unter-nehmen? Könntest ja noch absagen, niemand würde es dir übel nehmen. Könntest ja Belastungen für die Gesundheit in den Vordergrund schieben. Oder die schlechten Nachrichten aus Russland.... Das was frü-her eine richtige Reise für mich war, Warschau, Vil-

nius, Riga, das ist jetzt die Anfahrt zum erträumten Abenteuer. Schon in Polen beginnen sie die weiten Ebenen, die für mich die Vorboten sind für Russland. Die Russen beschreiben, diese Weite des Landes, der nicht fassbare Horizont, das hat mich so geprägt. Ich muss mir das selber anschauen, ich kann nicht nur planen und Karten anschauen.Lodz ist heuer ganz anders als dazumal 2004. Die Stadt wirkt sauberer, heller, aktiver. An vielen Stellen wird abgerissen und gebaut. Ich habe auch eine schönere Unterkunft gefunden im Vergleich zu damals.Das Motorrad kann ruhig auf der Strasse bleiben. Auf dem Weg zur Fußgängerzone sehe ich einen Media Markt, genausowas brauche ich, das Ladekabel fürs Handy ist kaputt. Wer glaubt, dass es etwas im Po-len nicht gibt, das es bei uns gibt, der liegt falsch. Alle Kabel und Adapter, Flatsceen, gutes Essen, flotte Mode.Ostblock – den gibts nicht mehr, doch, in unseren Köpfen, da hat er noch einen geschützten Platz.Hier Frühstück in Vilnius. Ich muss auch schauen, ob genüg Öl für den Kettenöler eingefüllt ist, bin ja

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schon 1000 km gefahren. Das Frühstück war umfang-reich, war sogar für mich etwas dabei. Das Frühstück außerhalb der Heimat kann unerwartet ausfallen, zu wenig Brot, zu viel Fleisch, überhaupt zu wenig, ir-gendwetwas fehlt.In Vilnius treffe ich mich mit Raimundas, den ich vor5 Jahren beim letzten Vilniusbesuch kennengelernt habe. In der Zwischenzeit hat er seinen Master an der Universtität gemacht, hat ein Auto, nur die richtige Arbeit fehlt noch. Er wohnt noch bei den Eltern, klar, woher soll das Geld denn kommen?Das Kunstmuseum in Vilnius wurde jahrelang reno-viert. Jetzt ist es wieder geöffnet und zeigt eine Aus-stellung über die Frau in der Kunst: „Die Frau als Ar-beiterin und Heldin“. Die Frau als Mutter, die Frau als Sanitäterin und Retterin bei den Soldaten, die Frau als Heldin der Arbeit in der Schweinezucht.

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Besuch beim abgeschalteten Atomkraftwerk Ignalina, der gleiche Reaktortyp wie in Tschenobyl, für Besu-cher nichts zu sehen als einem Schauraum mit farbi-gen Bildern. Das Kraftwerk produziert nach wie vor Wärme, allerdings aus Öl. Das Kraftwerk wird jetzt außer Dienst gestellt, immer noch können 2500 Arbei-ter hier arbeiten. Seit es abgeschaltet wurde, gibts nur noch Zugang für Wissenschaftler, Techniker und Politiker. Die Leute aus der Umgebund des Atomkraft-werkes verstehen nicht, wie die EU so rücksichtslos sein kann und das Karftwerk als Energieliferant und Arbeitgeber einfach so abwürgt. Wer die Geschich-te der Errichtung gelesen hat, wundert sich, dass es überhaupt so lange funktioniert hat.

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Überlegungen am Rande

So eine Reise erfordert einiges an Überlegungen und Planung. Initial zündend war der Reisebericht von Doris Wiedemann, „Taiga Tour“, in dem sie ihre Rei-se nach Wladiwostok beschreibt. Sie berichtet dabei auch von den Warnungen und Befürchtungen, wenn sie von ihrem Plan erzählte. Im Endeffekt war alles ganz anders. Ich habe viel überlegt wieviel Russland in meinen meinen begrenzeten Zeitrahmen passt. Weiteres gab es noch eine weitere Motivation: Die Weite, einfach weit fahren und etwas sehen, das nicht alltäglich ist und nicht einfach zu erreichen ist. Das geht nicht ohne Unsicherheiten und Überlegun-gen, wie gescheit ist das eigentlich? Wäre nicht ein Ausflug in die Slowakei oder ein Herumstreifen und Fahren entlang der kroatischen Küste ausreichend? Nein ist es eben nicht. Diesem Angsthasen in mir muss gezeigt werden, dass er nicht recht hat und sich im-mer zur falschen Zeit meldet.

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Grenzübertritt

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Grenzübertritt

Jetzt komme ich an eine Grenze, die bedeutungsvol-ler ist als die bisherigen Grenzen: Die russische Gren-ze. Hier in Lettland grenzt die EU direkt an Russland.

Ich reise problemlos aus Lettland aus und als ich zur russischen Kontrolle komme, finde ich den Zulas-sungsschein fürs Motorrad nicht mehr. Ich hatte das kleine gelbe Dokument ja noch vor 10 Minuten, bei der Ausreise aus Lettland. Ich geniere mich, nicht einmal auf meine Dokumente habe ich unter Kont-rolle. Die Beamtin telefoniert und meint, ich solle warten. Nach einer Viertelstunde kommt jemand und bringt meine Zulassung. Wo die wohl war? Die füllige Beamtin rügt mich dann noch mütterlich streng, ich soll besser aufpassen auf die Papiere. Dann stempeln sie das Visum. Darf ich jetzt wirklich nach Russland? Alles mit der Ruhe, jetzt kommt der Zoll. Für mich als Außenstehenden sind die Bedürf-nisse eines Zöllners hier ja unbekannt, ich sehe nur eine Reihe von Kontrollposten und verschiedenfarbi-

ge Uniformen. Der eine interessiert sich für das Vi-sum, der Inhalt der Koffer ist ihm egal. Der nächste interessiert sich für meinen Besitz, die Dokumente weniger. Wieso das nicht einfacher geht. Jeder kont-rolliert einen kleinen Teil.

Ein weiterer Zöllner kommt gerade in den Dienst, halb neun, schon längst Zeit für den Dienstbeginn denke ich, von ihm erhoffe ich mir eine Beschleuni-gung meiner Einreise. Er startet seinen PC, Windows XP, Bilder von Eisenbahnen im Hintergrund, mehrere Zusatzprogramme, Flatscreen. Richtig modern dieses Russland, so unerfahren diese Reisenden, die so viele Bilder und Vorurteile über Russland aus den Nach-richten im Kopf haben, die sie dann in der Wirklich-keit nicht antreffen. Bilder aus der kommunistischen Zeit, die schon längst überholt sind. Obwohl es Gor-batschow gegeben hat, obwohl Jelzin tief in die al-ten Strukturen eingegriffen hat un dumgebaut hat, obwohl sich so viel geändert hat.

Das Formular für den befristeten Import des Fahr-

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zeugs ist in Deutsch, damit kann ich etwas anfangen. Der Zöllner wendet das Blatt, und noch einmal, da fehlt etwas, da noch ein zweites Mal unterschreiben und als krönender Abschluss ein Ettiket mit einem Barcode. Schließlich stehe ich am Schranken, wo die Reisenden noch einmal kontrolliert werden, Vertrau-en ist gut, Kontrolle viel besser, und verschafft vie-le langweilige Arbeitsplätze. Es schaut gut aus, es schaut wirklich gut aus, nur noch der Schranken, drü-ben sehe ich schon das Schild „Pskovskaja Oblast“,

auf Österreich übertragen etwa „Land Niederöster-reich“. Das wars, hat nur Zeit gekostet, sonst nichts. Wozu die ganze Aufregung.

Jetzt liegen die langen geraden Straßen vor mir mit viel Wald und wenigen kleinen Siedlungen. Ich habe noch Geld vom Herbst stoppe bei einem Cafe. Drei Burschen sitzen vor dem Cafe, neben ihnen ihr Trans-porter, voll mit Werkzeugen und Ausrüstung. Ja ja, das Essen ist gut hier, sie sind Berufstaucher und haben etwas mit St. Petersburg zu tun. Was bestelle ich jetzt? Ich bekomme eine weitverbreitete Soljanka Suppe, eine Eintopfsuppe, die mir sehr gut schmeckt.

In Veliki Luki mache ich einen Bildungsstopp und besuch das Museum der Stadt. Als ich unschlüssig die Karte studiere, bleibt ein Autofahrer stehen, er wohnt gleich da im nächsten Haus und holt seine Fa-milie ab. Er sieht sofort am Kennzeichen, dass ich aus Österreich komme, gibt mir die Hand uns stellt sich vor. Einfach, freundlich, direkt. Ich denke, von Veliki Luki will ich etwas sehen und im Geiste mitnehmen.

Die endlose Strasse führt durch kaum besiedeltes Land, immer weiter, irgendwo kommen Städte, dann Moskau, und dahinter geht es noch weiter, bis an den Ural, und noch weiter, Tausende Kilometer, keine Zollkontrolle, gelegentlich ein Milizposten, immer wieder Tankstellen und Cafes für den Reisen-den, dann wieder Einsamkeit, ohne Grenze an das Schwarze Meer, bis zum Weissen Meer, oder auch bis zum Japanischen Meer, ohne Landesgrenzen und überall wird russisch gesprochen.

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Also ich will ein Museum besuchen. Fahr mir nach, ich zeig dir den Weg.

Ich bin erst wenigen Stunden in Russland und muss herausfinden, was kann ich problemlos machen, wie funktioniert das Leben hier. Das ist kein Problem, das für Russland spezifisch ist, wenn ich nach Bulgari-en oder in die Türkei käme, würde es mir genauso ge¬hen. Es gibt da einfache grundsätzliche Fragen: Wie verhalte ich mich, wenn ich einkaufen gehe? Lass ich das Motorrad einfach draussen stehen? Muss ich es absperren? Es könnte ja sein, dass es gefährlich ist. Anfänglich sprerre ich das Motorrad ab, doch später betrachte ich das viel entspannter. Ich sprerre nichts ab, ich parke und gehe einkaufen. Ich schaue aus der Entfernung, wie die Umgebung auf das Motorrad re-agiert, alle Leute gehen vorbei, niemand interessiert sich für dieses Vehikel aus einem fremden Land. Es gibt in der Zwischenzeit auch in Russland eine ge-wisse Anzahl an Motorrädern und Touristen auch. So mache ich es die ganze Zeit in Russland, wenn ich Vertauen habe, dass das Leben normal funktioniert.

Ich mache es wie zu Hause, Schlüssel abziehen, Kof-fer sperren, den Helm muss ich mitnehemen. Soviel Platz habe ich ja auch wieder nicht in den Koffern.

Vor dem Museum steht das Denkmal eines laufenden Matrosen im dicken Mantel und mit einem leichten Maschinengewehr in der Hand, das berühmte PPsh mit dem Trommelmagazin. Im Museum gehts weiter, nicht nur Urgeschichte, sondern auch viel über die Helden der Kriege, die zur Rettung des Vaterlandes beige-tragen haben. Der zweite Weltkrieg, der auch der „Große Vaterländische Krieg“ genannt wird, hat über-haupt eine große Anzahl von militärischen und zivilen Opfern gefordert. Das Schiksal hat auch viele junge Leben hier ausgelöscht, nicht nur im Zweiten Welt-krieg, sondern in Afghanistan und Tschetscheni¬en. Das ist der Auftakt für eine lange Reihe von Begeg-nungen mit Kriegerdenkmälern, die überall hoch ge-ehrt und gepflegt werden. Viele Anläße sind begleitet oder werden abgeschlossen mit einem Besuch bei der ewigen Flamme des Kriegerdenkmals. Veliki Luki hat mir gefallen, so vergesse ich auf das Geldabheben

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und fahre weiter und weiter.

Ich beginne zu überlegen, wie suche ich eine Un-terkunft für die Nacht. Ich kann ja fragen bei der Gosti¬niza am Weg. 1500 Rubel hätten sie gerne, wür-de ich auch bezahlen, wenn ichs hätte, dabei ist der Preis überteuert. Was mir jetzt noch helfen kann, das ist ein Bankomat. Bei der nächsten Tankstelle gibt es einen, wird mir versichert, das ist nicht weit, etwa 20 Kilometer. Ich finde den Bankomat nicht, niemand hat ihn gesehen, so fahre ich weiter.

Es endet damit, dass ich um ein halbe Stunde vor Mit-ternacht in der Stadt Rzhev (Ржев) lande, erschöpft und überdreht. Wieviel kostet das Zimmer? Sie nennt mir einen Betrag in dem Neun vorkommt. Soll das heißen 900 oder 9000? Nur 900, ok.Ich hätte jetzt nicht die Kraft etwas anderes zu su-chen. Ein bißchen Kopfschütteln muss ich schon auch. Es gibt zwei Damen am Empfang, die Rezeptionistin

und die Kassierin. Fein säuberlich kopiert sie den Pass so, dass meine Details und das Visum auf ein Blatt Papier passen. Alle anderen Rezeptionistinnen haben sonst immer zwei Blätter Papier gebraucht. Dafür gab es in den anderen Unterkünften nur eine Person am Empfang. „Das Motorrad können Sie nicht hier stehen lassen, bringen sie es bitte in die Stojanka auf der anderen Straßenseite hinter dem Markt“. Was ich jetzt noch nicht weiss, neben dem Hotel fließt der Fluß Wolga, dem ich noch ein paarmal begegnen werde. „Ich bin total müde, soll ich wirklich schlafen gehn?“Die Disko spendiert mir Musik, die Jugend flaniert durch die Stadt.

BorodinoUm nach nach Borodino zu kommen biege ich von der Magistrale nach Moskau ab. Die Ladekontrollampe leuchtet auf, als ich gerade über einen Bahnübergang fahre. Ich hab ein Problem. Die Lampe erlischt wie-der. Ich hab trotzdem ein Problem. Vor mir die einsa-

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me Strecke nach Borodino und ich will keine Niederlage in den Wei-ten Russlands erleben. Ein Taxifahrer sagt zu mir: „Drüben wo Мойка steht ist eine Werkstät-te, die können dir helfen“„Wir reparieren nur Autos“„Ich brauche nur ein etwas Werk-zeug, die Batterie kann ich kann selber kontrollieren. Mir fällt gar nicht auf, dass Sonn-tag ist, alle Geschäfte sind offen, Russland ist so richtig kapitalis-tisch. Die Mechaniker helfen mir teilwei-se aus Neugier, so ein BWM Edelmo-torrad haben sie noch nie gesehen. Im Endeffekt kommt nur heraus, die Batterie wird geladen, nur ist

sie nicht voll geladen. Möglicher-weise liegt eine Fehlbedienung von mir vor und ich habe die Batterie mit meinem Ladegerät fürs Handy zu sehr gefordert.

Hier steht ein Denkmal für den Ge-neral, der durch eine Kriegsverlet-zung nur auf einem Auge sah, der so dick war, dass er kaum aufs Pferd steigen konnte und der bei Bespre-chungen einschlief, der verlacht und beschimpft wurde, weil er Moskau nicht verteidigte, der Na-polen eine entscheidende Schlacht lieferte und dann doch wieder als Held gefeiert wurde:General Kutusow.

Die Umgebung des Schlachtfeldes und eine Gedenktafel für Kutusow

Der Rote Platz: So einen großen beeindruckenden Platz sieht man nicht oft, daher muss jeder davon mehrere Bilder machen, ich natür-lich auch.

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Die Ausfahrt von Moskau ist verstopft, kilometer-langer Stau, schließlich auf der M 7, der Magistrale in den Osten. Sie führt über Nishni Novgorod, Ka-zan nach Ufa. Sie ist eine Haupschlagader des russi-schen Transports. Tausende Fernlaster sind Tag und Nacht unterwegs. Hunderte Geschäfte, Tankstellen, Gostinizas leben davon.Reifen, Radkästen, Werkzeug, Kabel, Ladegeräte, CD-Player, Duftbäume fürs Auto, hier gibt es alles für den Reisenden. Bei Bedarf wird der Reifen auch gleich montiert.

Nižnij Novgorod am Zusammenfluß von Wolga und Oka. Während der sowwjetischen Zeit wurde es Gokij genannt und war wegen der Rüstungsbetriebe eine geschlossene Stadt. Wenn man heute das pulsierende Leben sieht, kann man das nicht glauben, auch nicht, dass von 1980 bis 1986 die Stadt der Verbannungsort des Atomphysikers Andrei Sacharow war.

Moskau ist eine riesige Stadt, im Zentrum nur tolle Geschäfte, moderne Autos, wichtige Leute. Alleine die Einfahrt ist mehr als 20 km lang. Ich wohne zent-ral, den Roten Platz erreiche ich in einer Viertelstun-de Fußmarsch.

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den jungen Mann, was hast du vor, wohin fährst du? Wieso kaufst du so ein Auto?Er ist aus Jekaterinburg und hat den 3er BMW in Mos-kau gekauft. Ich kenne die Marktverhältnisse nicht und wundere mich. In Jekaterinburg gibt es eben nur eine Handvoll BMW und in Moskau viel mehr davon. Deshalb nimmt er die Reise von fast 2000 km auf sich und sucht sich das Auto seiner Träume aus. Ich bin Mechaniker und ich werde das Auto neu lackieren, es wird wunderschön werden. Ein anderer Autofahrer bleibt stehen, er studiert die Karte, wie er am Besten nach Ufa kommt. Er fährt ein kleineres Auto, dafür hat er größeres vor: Er hat das Auto überholt und bringt es seinem Freund in Ir-kutsk. Das ist ja eine weite Strecke. Ach, sagt er, ich bin ja Pensionist. Am nächsten Tag treffe ich ihn wieder, als ich in der Mittagshitze bei einem Reifenschuster sitze und den Wasserverlust mit Bonaqua ersetze. Wo er übernachtet habe, fage ich ihn. Im Auto natür-lich meint er lachend. Als ich erzähle, dass ich 1000 Rubel für eine Nacht bezahlt habe, lachen sie mich

Der gemütliche Herr in den karierten Hosen is der Fahrer des Kamaz im Hintergrund. Leider ist der Motor am Ende seines arbeitsreichen Lebens und seit vier Tagen wartet er hier in der Nähe von Nishni Novgorod auf das Eintreffen des Ersatzmotors, der aus Moskau kommen soll. Moskau ist nur Es spricht mich gleich an auf das Motorrad, das ist wirklich ein Blickfänger. Das Warten ist mühsam bei fast 40 Grad im Schatten und ich warte auch bis die Hitze nachläßt.

Ich sehe einen jungen Mann an seinem Auto herum-werkt. Die Motorhaube geöffnet, sprüht er mit WD40 auf den Keilriemen, der quietscht. Dann nimmt er eine Ölflasche und lässt einen kleinen Strahl Öl hi-nunterfließen, ein Teil trifft die Riemenscheibe, ein Teil trifft den Motorblock. Ich beobachte interessiert die Wartungsvorgänge, da kann ich sicher etwas dazu lernen, Wartung auf Russisch. Das Quitschen läßt nach. Jetzt verbindet er ein Kabel mit der Karosserie, der Lüftungsmotor startet, jetzt wird auch der Motor gekühlt. Alles unter Kontrolle, beinahe automatisch. Das Auto ist im Motorraum total verdreckt. Ich frage

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aus. Da hat dich einer ausgenommen, weil du ein Tourist bist. 400 sind genug. Er erzählt, dass er bei der Armee war und wegen einer Kopfverletzung ausscheiden musste. Dann arbeitete er auf dem Bau. Von irgendwas musste er ja leben. Jetzt fährt er nach Irkutsk. Ich soll doch mitkommen, ist ja nicht weit von Jekaterinburg. Dann fahren wir auf der Lena mit dem Schiff und fangen große Fische.

Kazan die Hauptstadt der Republik Tatarstan. Das Zentrum ist ein Schmuckstück, mit einer schönen Promenade an der Wolga, mit Fontanen und Wasser-becken, mit einer einladenden Fussgängerzone, mit einem einzigartigen Kreml, mit einer Ubahn.

Doch außerhalb des Zentrums ist es staubig und rissig wie überall anders auch. Im zentralen GUM Kaufhaus ist das oberste Stockwerk leer. Als ich das Interetca-fe gefunden habe, ist alles schon geschlossen, dabei ist es erst 19h, die Leute promenieren auf der Ulitza Tatarstan. Doch um auf die andere Straßenseite zu

kommen müssen sie über die mehrsurige Straße het-zen. Eine Abzweigung, entweder geradeaus oder nach Norden. Geradeaus gehts nach Ufa, wenn ich nach Norden abbiege komme ich über Ischevsk nach Perm und Ekaterinburg. Dieser LKW-Fahrer aus Koper sieht mein österreichisches Kennzeichen und fühlt die Ver-bundenheit zum Nachbarland und fragt mich, wohin ich eigentlich will. Er kennt den besten Weg nach Jekaterinburg, er führt über Ishevsk, Chaikovsky, Osa, Kukustan, Kungur auf die Hauptstraße nach Jekaterinburg. Das ist wirkliche Hilfe in den Weiten Rußlands. Er transportiert Möbel oder Fliesen aus Slowenien in den Ural. Nach Hause fährt er leer.

In einem Ort namens Tschaikovski beschließe ich zu übernachten. Es ist ein staubiger Industrieort mit bröckelnden Fassaden. Langweilig und ungemütlich. Es gibt auch ein Kraftwek hier un deine Talsperre für einen Stausee. Ich sehe rostige Eisenträger, abblät-ternde Farbe, alte Frachtkähne. Hier treffe ich Ale-

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xeij der mich zu sich einlädt. Abends essen wir in einem geschmackvollen Restau-rant. Es ist so geschmackvoll hergerichtet, mit Dach-ziegeln und dirndlähnlicher Kleidung für die charman-ten Kellnerinnen, es wirkt es wie eine alpenländische Botschaft in einem ruhigen Winkel Russlands.

Alekseij ist vorne rechts, er ladet mich zu seinem Bruder ein. Wir haben uns eine Banja verdient meint er, nachdem wir über 500 km durch die Randhügel des Urals geritten sind.

Am 2. August 2010, am 86. Geburtstag meines Va-ters, kann ich im ihm zum Geburtstag gratulieren und gleichzeitig mitteilen, dass ich mit einem Fuß bereits in Asien stehe.

Links Europa, rechts Asien

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