Reiseinfektionen (Parasiten, viral, bakteriell) - Springer · Kap. Malaria verwiesen. 2...

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Reiseinfektionen (Parasiten, viral, bakteriell) Jakob P. Cramer* Abteilung Klinische Forschung, Bernhard-Nocht-Institut fur Tropenmedizin, Hamburg, Deutschland 1 Einleitung Nicht selten wird die Reisemedizin gleichgesetzt mit Reisen in tropische oder subtropische Gebiete. Dabei zeigt bereits der Blick auf Deutschland, dass Infektionsrisiken durchaus bereits im heimischen Umfeld geographisch variieren genannt seien die Verbreitungsgebiete des Fruhsommer- Meningenzephalitis-Virus (FSME-Virus) und des Bandwurmes Echinococcus multilocularis (Erreger der alveol aren Echinokokkose). Gleichfalls ist eine Reduktion der Reisemedizin auf Infektions- krankheiten an sich unzutreffend: Gesundheitliche Risiken am (fernen) Reiseziel ergeben sich hauger noch z. B. durch Verletzungen wie Verkehrsunfalle, Tierbisse und Gewalt oder klimatische Einusse wie Dehydrierung und Sonnenbrand. Weitere Risiken sind ggf. verbunden mit Umwelteinussen (z. B. Überutungen, Sturm, Vulkanausbruche), ungewohntem/ubermassigem Alkohol- oder Drogenkonsum, kriminellen Handlungen (z. B. Diebstahl), Stressfaktoren (z. B. durch unbekanntes Terrain, sprachliche Barrieren), aber auch durch die Reise selbst (Schlaosigkeit durch Zeitverschiebungen, Thrombose/ thrombembolische Komplikationen durch Langstreckenuge). Auch Komplikationen bereits vorhandener Grunderkrankungen können eine relevante Bedeutung erlangen (Dekompensation einer chronischen Lungenkrankheit durch Sauerstoffmangel oder eines Diabetes mellitus durch ver anderte Nahrungsaufnahme bzw. ver anderte Abst ande der Insulinanwendung aufgrund Zeitunterschiede oder schlicht durch vergessene/verlorene Medikamente). Dieser skizzierte Hintergrund zeigt das Spektrum möglicher Gesundheitsrisiken fur den Reisenden. Aufgabe des Reisemediziners ist es, dem Reisenden Reiseart- und Reiseziel-spezische Informationen zu den o. g. Reiserisiken zur Verfugung zu stellen. Da sich die Versorgung krank zuruckkehrender Reisender (post-travel) sowie expositionsprophylaktische und medikamentös-prophylaktische Maßnahmen (pre-travel) in der Reisemedizin zum großen Teil auf Infektionskrankheiten beziehen, soll im Folgenden hauptsachlich auf Reiseinfektionen eingegangen werden; dargestellt werden in diesem Rah- men die wichtigsten Tropenkrankheiten. Auf die Malaria wird hier nur vereinzelt eingegangen und auf das Kap. Malaria verwiesen. 2 Pathophysiologie Auch auf Reisen bzw. in Bezug auf reiseassoziierte Infektionen spielt das Immunsystem eine wichtige Rolle. Nach wiederholten Malariaepisoden bereits in der fruhesten Kindheit beispielsweise erwerben Menschen in Hochendemiegebieten eine partielle Immunit at, die sie zwar nicht vor erneuten Infektionen mit Plasmodien schutzt, die aber mit einem Schutz vor schweren, lebensbedrohlichen Krankheits- verl aufen einhergeht. Eine komplizierte, lebensbedrohliche Malaria tritt daher hauger bei nicht immunen Touristen auf als beispielsweise bei aus Afrika stammenden VFR-Reisenden (VFR = visiting friends and relatives) auch wenn sich diese Teilimmunitat nach Verlassen des Endemiegebietes mit der Zeit wieder verliert. *Email: [email protected] SpringerReference Innere Medizin DOI 10.1007/978-3-642-54676-1_547-1 # Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 Seite 1 von 13

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Reiseinfektionen (Parasiten, viral, bakteriell)

Jakob P. Cramer*Abteilung Klinische Forschung, Bernhard-Nocht-Institut f€ur Tropenmedizin, Hamburg, Deutschland

1 Einleitung

Nicht selten wird die Reisemedizin gleichgesetzt mit Reisen in tropische oder subtropische Gebiete.Dabei zeigt bereits der Blick auf Deutschland, dass Infektionsrisiken durchaus bereits im heimischenUmfeld geographisch variieren – genannt seien die Verbreitungsgebiete des Fr€uhsommer-Meningenzephalitis-Virus (FSME-Virus) und des Bandwurmes Echinococcus multilocularis (Erregerder alveol€aren Echinokokkose). Gleichfalls ist eine Reduktion der Reisemedizin auf Infektions-krankheiten an sich unzutreffend: Gesundheitliche Risiken am (fernen) Reiseziel ergeben sich h€aufigernoch z. B. durch Verletzungen wie Verkehrsunf€alle, Tierbisse und Gewalt oder klimatische Einfl€usse wieDehydrierung und Sonnenbrand. Weitere Risiken sind ggf. verbunden mit Umwelteinfl€ussen (z. B.Überflutungen, Sturm, Vulkanausbr€uche), ungewohntem/€uberm€assigem Alkohol- oder Drogenkonsum,kriminellen Handlungen (z. B. Diebstahl), Stressfaktoren (z. B. durch unbekanntes Terrain, sprachlicheBarrieren), aber auch durch die Reise selbst (Schlaflosigkeit durch Zeitverschiebungen, Thrombose/thrombembolische Komplikationen durch Langstreckenfl€uge). Auch Komplikationen bereitsvorhandener Grunderkrankungen können eine relevante Bedeutung erlangen (Dekompensation einerchronischen Lungenkrankheit durch Sauerstoffmangel oder eines Diabetes mellitus durch ver€anderteNahrungsaufnahme bzw. ver€anderte Abst€ande der Insulinanwendung aufgrund Zeitunterschiede oderschlicht durch vergessene/verlorene Medikamente).

Dieser skizzierte Hintergrund zeigt das Spektrum möglicher Gesundheitsrisiken f€ur den Reisenden.Aufgabe des Reisemediziners ist es, dem Reisenden Reiseart- und Reiseziel-spezifische Informationen zuden o. g. Reiserisiken zur Verf€ugung zu stellen. Da sich die Versorgung krank zur€uckkehrender Reisender(„post-travel“) sowie expositionsprophylaktische und medikamentös-prophylaktische Maßnahmen(„pre-travel“) in der Reisemedizin zum großen Teil auf Infektionskrankheiten beziehen, soll imFolgenden haupts€achlich auf Reiseinfektionen eingegangen werden; dargestellt werden in diesem Rah-men die wichtigsten Tropenkrankheiten. Auf dieMalaria wird hier nur vereinzelt eingegangen und auf dasKap. ▶Malaria verwiesen.

2 Pathophysiologie

Auch auf Reisen bzw. in Bezug auf reiseassoziierte Infektionen spielt das Immunsystem eine wichtigeRolle. Nach wiederholten Malariaepisoden bereits in der fr€uhesten Kindheit beispielsweise erwerbenMenschen in Hochendemiegebieten eine partielle Immunit€at, die sie zwar nicht vor erneuten Infektionenmit Plasmodien sch€utzt, die aber mit einem Schutz vor schweren, lebensbedrohlichen Krankheits-verl€aufen einhergeht. Eine komplizierte, lebensbedrohliche Malaria tritt daher h€aufiger bei nichtimmunen Touristen auf als beispielsweise bei aus Afrika stammenden VFR-Reisenden(VFR = „visiting friends and relatives“) – auch wenn sich diese Teilimmunit€at nach Verlassen desEndemiegebietes mit der Zeit wieder verliert.

*Email: [email protected]

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Eine insbesondere zellul€are Immunschw€ache auf der anderen Seite (z. B. bei einer HIV-Infektion) kannmit besonders ausgepr€agten Krankheitsverl€aufen einhergehen. Zu nennen sind hier beispielsweisekomplizierte Verl€aufe einer kutanen oder auch viszeralen Leishmaniasis. Zu bedenken ist bei Reisendenmit angeborener, erworbener oder auch medikamentös-induzierter Immunschw€ache ferner, dassImpfungen eine abgeschw€achte Immunantwort induzieren oder gar wie im Falle von Lebendimpfstoffenwie Gelbfieber g€anzlich kontraindiziert sind.

3 Epidemiologie

Eine wesentliche Besonderheit der Reisemedizin ist, dass Daten zur H€aufigkeit einer Infektionser-krankung, zu Infektionsrisiken sowie zur Effektivit€at therapeutischer oder prophylaktischer Maßnahmenf€ur den individuellen Reisenden bzw. Reiser€uckkehrer nur sehr eingeschr€ankt oder €uberhaupt nicht zurVerf€ugung stehen, eine klassische evidenzbasierte Medizin daher nur eingeschr€ankt betrieben werdenkann – insbesondere zu prophylaktischen Maßnahmen (Abschn. 9). Epidemiologische Daten aus dereinheimischen Bevölkerung entfernter Regionen können in der Regel nicht direkt auf Reisende genera-lisiert werden, da sich Reisende von Einheimischen oftmals durch genetische Faktoren(z. B. Sichelzellveranlagung in Bezug auf die Malaria) oder bestehende/fehlende Immunit€at(Abschn. 2) aus vorangegangenen Infektion unterscheiden.

Reisende verhalten sich in der Regel aber auch anders als die Lokalbevölkerung, weshalbExpositionsrisiken nicht vergleichbar sind. Auch wenn zwar beispielsweise Daten zu krankzur€uckkehrenden Reisenden (z. B. €uber Sentinel-Surveillance-Netzwerke wie GeoSentinel) erfasst wer-den können, bleibt meist die f€ur eine Risikoberechnung erforderliche Gesamtzahl der Exponierten(Reisenden) z. B. in eine bestimmte Region unbekannt. Auch stellen Reisende eine €uberaus heterogenePopulation dar, woraus sich Besonderheiten f€ur Infektionsrisiken ergeben, die sowohl f€ur differenzial-diagnostische Erw€agungen bei krank zur€uckkehrenden Reisenden als auch bei der reisemedizinischenBeratung vor Abreise von Relevanz sind. Tabelle 1 gibt eine Übersicht €uber unterschiedlicheReisegruppen und Charakteristika mit risikomodifizierenden Eigenschaften, Abb. 1 fasst die zehnh€aufigsten Diagnosen der unterschiedlichen Reisegruppen zusammen.

4 Klinik

H€aufige, den Reiser€uckkehrer zum Arzt f€uhrende Beschwerden sind Durchfall, Fieber, Gelenkschmerzenoder Ver€anderungen der Haut.

Diarrhö Der Reisedurchfall als eine der h€aufigsten Beschwerden w€ahrend oder nach einer Reise in dieTropen und Subtropen €außert sich als w€assrige bis breiige Diarrhö w€ahrend oder – zeitlichassoziiert – nach einer Reise. Zumeist verl€auft die Reisediarrhö unkompliziert und selbstlimitierend.Liegen zus€atzlich Blutabgang, Fieber oder Zeichen einer Enteritis bzw. Dysenterie vor, ist dieReisediarrhö als kompliziert zu werten, was ein unterschiedliches diagnostisches und therapeutischesVorgehen erforderlich macht. Blutige Durchf€alle können z. B. bei einer Amöbenruhr oder auch einerInfektion mit enteroh€amorrhagischen Escherichia coli (EHEC) auftreten. Prolongiert verlaufendeDiarrhöen bzw. Stuhlunregelm€aßigkeiten können auf eine intestinale Helminthose, aber auch eineInfektion mit Protozoen, z. B. Giardia lamblia, hinweisen. Durchfall kann aber auch begleitendesSymptom systemischer fieberhafter Infektionen sein, auch z. B. bei einer Malaria.

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Fieber Die Malaria als eine der wichtigsten fieberhaften Erkrankungen bei Reiser€uckkehrern kann miteiner Reihe weiterer Symptome einhergehen und wird im Kap.▶Malaria beschrieben. Weitere Ursachenf€ur Fieber nach Tropenaufenthalten können durch M€ucken €ubertragene Virusinfektionen sein wie dasDengue- oder Chikungunyafieber. Oftmals treten bei diesen Arbovirusinfektionen (Akronym f€ur„arthopod-borne virus“, im Wesentlichen Togaviridae, Flaviviridae, Bunyaviridae) teils sehr charakte-ristische Hauterytheme oder Exantheme auf. Auch sind Gelenkschmerzen oft sehr ausgepr€agt (sieheunten). Kopf- und Gliederschmerzen sowie starkes Krankheitsgef€uhl sind hingegen wiederum z. B. nichtvon einer Malaria abgrenzbar.

Ebenfalls wie die Malaria sind Arbovirusinfektionen laborchemisch gekennzeichnet durch eine teilsausgepr€agte Thrombopenie sowie leicht erniedrigte bis normwertige Leukozyten und Erythrozyten. Einebegleitende Hepatitis mit erhöhten Transaminasen kommt nicht selten vor. Fieber in Verbindung mitz. B. konfluierendem, stammbetontem Hautausschlag sollte jedoch auch dazu veranlassen, sogenannteKinderkrankheiten wie Masern in Erw€agung zu ziehen, da oftmals bei Reisenden kein ausreichenderImmun- bzw. Impfschutz besteht und diese Erkrankungen in etlichen popul€aren tropischen Reisezielennoch vergleichsweise h€aufig vorkommen. Hohe Fieberkontinua sollten insbesondere beiReiser€uckkehrern aus dem indischen Subkontinent dazu veranlassen, einen Typhus oder Paratyphusauszuschließen. Im Gegensatz zu enteritischen Salmonellen ist bei typhösen Salmonellen Durchfallmeist nicht das f€uhrende Symptom. Bei Fieber sowie Schmerzen im rechten Oberbauch, diesonographisch auf eine zystische Struktur in der Leber zur€uckgef€uhrt werden können, ist an einenAmöbenleberabszess zu denken (Entamoeba histolytica).

Subakut einsetzende subfebrile Temperaturen und Fieber in Verbindung mit einer Hepatospleno-megalie sowie Blutbildver€anderungen (oft Panzytopenie) stellen die typische Symptomkonstellationeiner viszeralen Leishmaniasis dar. Mit Fieber (und einer Eosinophilie) einhergehen kann aberz. B. auch eine frische Infektion mit Schistosomen, die akute Bilharziose wird auch als Katayamafieberbezeichnet. Treten neben hohem Fieber auch Blutungskomplikationen auf und/oder berichtet der Patientvon einer Reise in entsprechende Ausbruchsgebiete, so sind in diesem Fall auch virale h€amorrhagische

Tab. 1 Risikomodifizierende Charakteristika unterschiedlicher Gruppen von Reisenden

CharakterisierendesMerkmal Klassifikation

Reisegrund Tourismus

Besuch einheimischer Freunde und Verwandte bei Menschen mit Migrationshintergrund („visitingfriends and relatives“, VFRs)

Missionare, Freiwilligendienst, Forschungsaufenthalte, humanit€are Hilfe bzw. „Entwicklungshilfe“

Gesch€aftsreisende

Studenten, Ausbildung

Milit€areins€atze

Reisedauer Sehr kurze Reisen (z. B. weniger als eine Woche)

Kurzreisen – i. d. R. entsprechend normaler Urlaubsreisen (meist weniger als ein Monat)

Intermedi€are Reisen (z. B. ein bis drei Monate)

Langzeitreisende (z. B. l€anger als drei Monate)

Sog. Expatriates (permanenter Aufenthalt bzw. gegenw€artiger Lebensmittelpunkt im Zielland)

Reisebudget „Low-budget“-Reisende, Rucksackreisende (teilweise unvollst€andige Impfungen, keine/unzureichende Malariaprophylaxe, kein/begrenzter M€uckenschutz, niedrige Hygienestandards)

Gehobener Standard (vollst€andige Impfungen, kontinuierliche Malariaprophylaxe, klimatisierteHotelzimmer, hohe Hygienestandards)

Abstufungen zwischen diesen beiden Extremen

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Fiebererkrankungen differenzialdiagnostisch in Erw€agung zu ziehen (z. B. Ebolavirus bzw.Marburgvirus in Subsahara- inkl. Westafrika). Aber auch andere Viren können h€amorrhagischeKrankheitsbilder hervorrufen (z. B. Flaviviren wie das Gelbfiebervirus – Abb. 2, Bunyaviren wie dasin Ostafrika, T€urkei, S€udosteuropa bis hin zum indischen Subkontinent vorkommende Krim-Kongo-H€amorrhagisches-Fiebervirus sowie Arenaviren wie das vor allem in Westafrika vorkommendeLassavirus oder die in Teilen S€udamerikas beheimateten Vertreter wie das Junin-, Guanarito-, Machupo-oder Sabinvirus). Insbesondere in k€alteren Jahreszeiten ist aber auch an eine Influenza und an einenunspezifischen grippalen Virusinfekt zu denken, die z. B. auch am Flughafen und nicht im Reiselandselbst erworben sein können.

Gelenkschmerzen Gelenkschmerzen sind nicht immer auf einen akuten bzw. floriden Infektzur€uckzuf€uhren. Nicht selten treten bei Reiser€uckkehrern in Assoziation mit Durchfallerkrankungenoder Harnwegsinfekten bzw. Urethritiden aseptische Gelenkentz€undungen im Sinne einer reaktivenArthritis auf. Diese können gelegentlich verzögert abklingen und dabei €uber Wochen, selten Monateanhalten. Typischerweise mit heftigen Gelenkschmerzen einhergehend ist das Chikungunyafieber zunennen. W€ahrend fr€uher €uberwiegend F€alle aus dem östlichen Afrika bzw. den vorgelagerten Inselnregistriert wurden, hat es in den letzten Jahren mehrere größere Ausbr€uche auch nördlich des IndischenOzeans (z. B. 2007 in Indien sowie ab Dezember 2013 erstmalig auch in der Karibik) gegeben. Ebenfallsein Vertreter der Familie der Togaviridae und ebenfalls mit Gelenkschmerzen einhergehend ist z. B. das inAustralien vorkommende Ross-River-Virus.

Kutane Larva migrans

Campylobacter

Dengue

Giardia

P. falciparum

P. vivax

Strongyloides

Anteil

Enterisches Fieber

Schistosomiasis

Tuberkulose (Lunge oder andere)

Tourismus(n = 23 485)

Geschäfts-reisende(n = 5728)

Missionare,Freiwilligen-dienst,Forschungs-aufenthalte(n = 4893)

Studenten(n = 1087)

BesucheinheimischerFreunde undVerwandte beiMenschen mitMigrationshinter-grund (n = 6523)

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Abb. 1 Proportionale Morbidit€at der zehn h€aufigsten, erregerspezifischen Diagnosen aufgeteilt nach Reisegruppe.(Modifiziert nach Leder et al. 2015)

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Hautver€anderungen Hautver€anderungen z€ahlen mit zu den h€aufigsten Beschwerden in der reisemedi-zinischen Praxis und f€uhren oft zu erheblicher Beunruhigung des Reisenden. Neben eher harmlosenVer€anderungen im Sinne einer prolongierten Iktusreaktion nach Insektenstichen oder kutanen Mykosen(„ringworm“) kann der Reisemediziner oftmals bei entsprechend geschultem diagnostischen Blick kutaneParasitosen wie eine Larva cutanea migrans (LCM, der Mensch als Fehlwirt f€ur kanine Ankylosto-malarven, Ancylostoma caninum u. a.), eine Tungiasis (Befall mit dem weiblichen Sandfloh Tungapenetrans) oder einer Myiasis (kutane Fliegenmade) ohne weitere Diagnostik erkennen (Abb. 3). Dieersten beiden Parasitosen werden erworben durch Kontakt der nackten Haut mit (bei der LCMHundef€akalien-kontaminierten) Sandstr€anden. Bei der Myiasis legt die afrikanische Tumbufliege(Cordylobia anthropophaga) ihre Eier auf z. B. feuchter W€asche ab, von wo aus die Larven dann indie Haut penetrieren, w€ahrend die s€udamerikanische Dasselfliege (Dermatobia hominis) ihre Eierblutsaugenden Insekten im Flug anheftet, die bei ihrer Blutmahlzeit dann die Eier auf die Haut desmenschlichen Wirtes aufbringen. Weitere kutane Manifestationen tropischer bzw. subtropischerInfektionskrankheiten sind die auch in S€udeuropa auftretende kutane Leishmaniasis. Typisch sind diesubakut entstehenden, teils ulzerierenden Hautl€asionenmit Randwall. Da sich Touristen €außerst selten mitFilarien infizieren, sind kutaneManifestationen von Filariosen (z. B. Onchozerkose, Loiasis) gelegentlicheinmal bei Migranten zu finden.

5 Diagnostik

In Bezug auf ein sinnvolles diagnostisches Vorgehen ist eine Ber€ucksichtigung des f€uhrenden Symptomssowie der Reiseroute, aber auch der Reisezeitr€aume entscheidend. So können beispielsweise aus demZeitpunkt der R€uckkehr sowie entsprechenden Inkubationszeiten wertvolle differenzialdiagnostischeHinweise abgeleitet werden. Bei unkomplizierter Reisediarrhö ist meist keine weitere Diagnostik

Abb. 2 (Fortsetzung)

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erforderlich. Bei prolongierter Diarrhö, bei Anhaltspunkten f€ur eine komplizierte Diarrhö (Abschn. 4)oder bei Personenkreisen mit Grunderkrankungen bzw. Risikofaktoren f€ur einen komplizierten Verlauf isteine weitergehende Diagnostik indiziert. Zur Abkl€arung von Einzellern und Helminthen ist einemikroskopische Stuhluntersuchung gerechtfertigt, zur Steigerung der Sensitivit€at erscheint die Verwen-dung dreier zu unterschiedlichen Zeitpunkten gewonnener Stuhlproben sinnvoll. Zur

Abb. 2 Gelbfieberendemiegebiete und entsprechende Impfindikation – entsprechend der Empfehlung der Weltgesundheits-organisation. (Aus WHO, International Travel and Health (ITH), WHO 2012/2014; mit freundlicher Genehmigung)

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Differenzialdiagnostik einer bakteriellen Enteritis, aber auch zur Bestimmung möglicher Antibiotikare-sistenzen kann eine Stuhlkultur angefordert werden.

Bei Fieber und (fraglichem) Aufenthalt in einem Malariagebiet ist immer ein unverz€uglicher Aus-schluss einer Malaria erforderlich (Kap. ▶Malaria). Zur Diagnostik von Arbovirusinfektionen stehenserologische Tests zur Verf€ugung (z. B. IgG- und IgM-ELISA). Zu beachten ist allerdings, dass Vertretereiner Virusfamilie untereinander kreuzreagieren (z. B. die Flaviviren Dengue-Virus, Gelbfiebervirus,Japanisches Enzephalitisvirus, Fr€uhsommer-Meningenzephalitis-Virus, Zika-Virus, Murray-Valley-Virus und andere) oder mit entsprechenden Impfungen (z. B. gegen Gelbfieber, Japanische Enzephalitis,FSME). Zur Schnelldiagnostik sind teilweise auch kommerzielle Antigentests erh€altlich (z. B. f€ur dasDengue-Virus). Bei Fieber mit unklarem Fokus sowie hohen Entz€undungswerten sollte insbesondere beiR€uckkehr aus dem indischen Subkontinent eine Infektion mit S. Typhi bzw. Paratyphi mittels Blut- undggf. auch Stuhlkultur ausgeschlossen werden. Fr€uher eingesetzte serologische Verfahren sindunzuverl€assig. Die Sicherung einer akuten Bilharziose bzw. eines Katayamafiebers (Abschn. 4) kannhingegen Schwierigkeiten bereiten. Aufgrund der Pr€apatenzzeit von bis zu drei Monaten ist einemikroskopische Stuhl- und Urindiagnostik auf Wurmeier initial h€aufig negativ – €uberhaupt ist ihreSensitivit€at zur Diagnostik einer Bilharziose recht gering. Serologische oder in einigen tropenmedi-zinischen Zentren verf€ugbare molekulargenetische Testverfahren können hier ggf. weiterhelfen.

In der Regel wird in der Reisemedizin routinem€aßig ein Differenzialblutbild angefordert. F€allt hierbeieine Eosinophilie auf (�600 Eosinophile/ml), ist auch ohne begleitende Beschwerden eine parasit€areInfektion abzukl€aren. Es bietet sich an, unter Ausnutzung von Kreuzreaktionen serologischeUntersuchungen zu jeweils einem Vertreter der Wurmklassen anzufordern (z. B. bei Nematoden Askaris,Strongyloides, bei Trematoden Schistosomen, bei Zestoden Echinokokkus oder Taenia solium) sowiedrei verschiedene Stuhlproben auf Wurmeier zu mikroskopieren. Bei Verdacht auf Zwergfadenwurm-infektion (Strongyloides stercoralis) ist neben der Serologie auch eine spezielle Stuhlfiltration nachBaermann in entsprechenden Laboren anzufordern. Zur Diagnostik einer Filariose sind neben einerSerologie speziesspezifische Techniken f€ur den Nachweis von Mikrofilarien erforderlich. Zu beachtenist, dass viele, €uber mehrere Jahre fortbestehende parasit€are Infektionen wie beispielsweise die Echino-kokkose oder auch die Bilharziose im chronischen Stadium regelhaft nicht (mehr) mit einer Eosinophilieeinhergehen und oftmals auch €uber viele Jahre keine oder nur sehr unspezifische Beschwerden verursa-chen. Auch erst k€urzlich erworbene parasit€are Infektionen gehen l€angst nicht immer mit einer Eosino-philie einher.

Kutane Tropenkrankheiten sind oft Blickdiagnosen wie eine Tungiasis, Myiasis oder auch die LCM(Abschn. 4). Bei vielen Befunden lohnt sich jedoch die Gewinnung einer Hautprobe zur weiteren

Abb. 3 Blickdiagnose: Kutane Larva migrans

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Diagnostik. H€aufig f€allt z. B. die Gewinnung von oberfl€achigen Proben (Abstriche, Hautschuppen) zurbakteriellen Kultur oder mikroskopischen Diagnostik unter anderem auf Pilze an. Bei Verdacht auf einekutane Leishmaniasis sollte eine Probeexzision aus dem Randwall zur mikroskopischen und molekular-genetischen (Speziesbestimmung) Untersuchung eingesandt werden. Weitere spezifischere Verfahrenfallen z. B. bei Verdacht auf eine Lepra (Mycobacterium leprae: „skin smear“) oder eine Onchozerkose(Onchocerca volvulus: „skin snips“) an.

6 Differenzialdiagnostik

Der Reisemediziner wird oftmals zun€achst mit einem Hauptsymptom wie Durchfall, Fieber oderGelenkschmerzen konfrontiert. Neben ausf€uhrlicher Krankheitsanamnese und klinischer Untersuchungist die genaue Reiseanamnese (Reiseroute, Reisezeiten) wichtig, damit die Beschwerden mit der Epide-miologie im Reiseland abgeglichen werden können. Hinweise zu Jahreszeit (saisonale Variabilit€at derTransmission von Infektionskrankheiten) und insbesondere zum Reisezeitraum (Inkubationszeiten) lie-fern f€ur die Differenzialdiagnostik ebenfalls wichtige Hinweise.

Nicht selten jedoch steht das Beschwerdebild des Reiser€uckkehrers gar nicht in Zusammenhang miteiner Reise. Je l€anger die Reise zur€uckliegt und je subakuter die Beschwerden aufgetreten sind, destounwahrscheinlicher wird ein tropenmedizinischer oder infektiologischer Hintergrund. Oftmals stellensich in der reisemedizinischen Ambulanz Patienten mit eher unspezifischen Beschwerdebildern vor, dieim Rahmen einer ausf€uhrlichen medizinischen Abkl€arung bislang keiner Diagnose zugeordnet werdenkonnten, sodass nunmehr auch „exotische“ Ursachen nach oft lange zur€uckliegender Auslandsreiseabgekl€art werden sollen. Tabelle 2 gibt einen Überblick €uber wichtige Symptome und Symptomkonstel-lationen bei Reiser€uckkehrern sowie entsprechende infektiöse wie auch nicht infektiöse Differenzial-diagnosen, wobei die Liste nicht vollst€andig sein kann.

Eine wichtige Differenzialdiagnose einer Eosinophilie sind Allergien, weshalb die Allergieanamnesezur Interpretation entsprechender Laborbefunde in der Reisemedizin besonders wichtig ist.

7 Therapie

Eine unkomplizierte Reisediarrhö wird symptomatisch und di€atetisch behandelt. Falls sich Anzeicheneiner beginnenden Dehydrierung ergeben oder der Durchfall persistiert, kann bei fehlenden Zeichen einerinvasiven Enteritis auch ein rein intraluminal wirkendes Antibiotikum (z. B. Rifaximin) eingesetztwerden. Bei Anhaltspunkten f€ur eine komplizierte Diarrhö ist das weitere therapeutische Vorgehenauszurichten an der Diagnostik. Eine Amöbenruhr sollte mit Metronidazol 3 � 400 mg, ggf. auchintravenös, €uber 5–7 Tage behandelt werden. Anschließend sollte eine Eradikation möglicherweisepersistierender Zysten mit dem Paromomycin (3 � 500 mg €uber 7 Tage) erfolgen. Bei einer Enteritisdurch Campylobacter ist nur in komplizierten Verl€aufen eine antibiotische Behandlung indiziert, gutwirksam ist i. d. R. Azithromycin (als Einmalgabe 1 g oder 3 � 500 mg €uber 3 Tage), allerdings sindinsbesondere in S€udostasien Resistenzen beschrieben. Azithromycin kann auch initial zur kalkuliertenantibiotischen Therapie einer mutmaßlich durch andere Bakterien verursachten Enteritis eingesetztwerden. Gegen Ciprofloxacin werden zunehmend Resistenzen gegen typische Enteritiserreger wiepathogene Escherichia coli, Campylobacter, Salmonella und andere gramnegative Keime beschrieben.

Zur Therapie der Malaria siehe Kap. ▶Malaria. Beim Denguefieber oder Chikungunyafieber sindsymptomatische Maßnahmen hilfreich. Eine analgetische Therapie z. B. mit Paracetamol ist meisterforderlich, wie bei der Malaria darf aufgrund der typischerweise vorliegenden Thrombopenie keine

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Acetylsalicyls€aure (ASS) eingesetzt werden. Dar€uber hinaus sind vorsichtig rehydrierende Maßnahmensinnvoll – wie bei der Malaria auch ist aber das Risiko einer Ödembildung aufgrund potenziell gestörterEndothelfunktion zu ber€ucksichtigen. Bei bakteriellen Infektionen sollte wenn möglichantibiogrammgerecht behandelt werden, bei einer Infektion durch Salmonella Typhi bzw. Paratyphieignet sich in aller Regel Ceftriaxon, 2 g t€aglich, das nach Erhalt des Antibiogramms und klinischerBesserung auf ein orales Antibiotikum umgestellt werden kann.

Der Amöbenleberabszess wie auch Amöbenabszesse in anderen Organen werden wie die Amöbenruhrmit Metronidazol behandelt, sonographische Verlaufskontrollen, Entfieberung und Abfall deri. d. R. hohen Infektparameter zeigen den therapeutischen Erfolg an.

Zur Therapie der viszeralen Leishmaniasis kann intravenös zu verabreichendes liposomalesAmphotericin B eingesetzt werden. Alternativ kann eine orale Behandlung mit dem allerdings sehr teurenMiltefosin erwogen werden.

Die Bilharziose durch S. mansoni, S. haematobium oder S. intercalatum wird mit Praziquantel(40 mg/kg Körpergewicht €uber 3 Tage) behandelt. Beim Normalgewichtigen sind meist 5–6 Tablettenerforderlich, die zur besseren Vertr€aglichkeit verteilt auf zwei Gaben im Abstand von z. B. sechs Stundeneingenommen werden können.

Eine reaktive Arthritis wie auch eine durch Arboviren verursachte Arthritis (Chikungunya, Ross-River)wird symptomatisch mit nicht steroidalen Antiphlogistika behandelt. Eine Belastung oder Entlastung derGelenke sollte vom Empfinden des Patienten abh€angig gemacht werden.

Tab. 2 H€aufige Symptome und Symptomkonstellationen bei Reiser€uckkehrern und ihre wichtigsten Differenzialdiagnosen

Symptom Zus€atzliche Zeichen/Symptome Differenzialdiagnosen

Durchfall Erst wenige Tage bestehend, unkompliziert Unkomplizierte Reisediarrhö (z. B. ETEC)

Durchfall mit enteritischen Beschwerden Campylobacter, Shigellen, enteritische Salmonellen

Durchfall mit blutig-schleimiger Diarrhö Amöbenruhr (Entamoeba histolytica), EHEC-Kolitis

Prolongierte Stuhlunregelm€aßigkeiten, Diarrhö mitEosinophilie

Intestinale Parasiteninfektion, z. B. durchStrongyloides stercoralis, Ascaris lumbricoides

Prolongierte oder rezidivierende Oberbauchkr€ampfe,Bl€ahungen, Stuhlunregelm€aßigkeiten

Lambliasis (Giardia lamblia)

Cryptosporidiasis

Anhaltende Stuhlunregelm€aßigkeiten (auch z. B. nacheiner akuten Reisediarrhö)

Postinfektiöses Reizdarmsyndrom

(Prolongierte) Laktoseintolleranz

Chronisch entz€undliche Darmerkrankungen

Fieber Fieber aus Malariaendemiegebieten Malaria

Fieber mit Hautausschlag, Gelenk- oderGliederschmerzen

Arbovirusinfektionen wie z. B. Dengue, Chikungunya,Ross-River

Fieber mit Panzytopenie und Hepatosplenomegalie Viszerale Leishmaniasis

Fieber mit Eosinophilie Akute Bilharziose (Katayamafieber)

Fieber mit Lymphknotenschwellung Akute HIV-Infektion (oftmals auch Virusexanthem)

Andere lymphotrope Viren wie z. B. EBV, CMV (oftmit Virusexanthem)

Lymphknotentuberkulose

Brucellose

H€amatologische Erkrankung (Lymphom)

Arthralgien Mit Hautausschlag Chikungunya-Virus, Ross-River-Virus, Dengue-Virus,andere Arboviren

Nach oder w€ahrend Durchfall oder Urethritis Reaktive Arthritis

CMV Zytomegalievirus, EBV Epstein-Barr-Virus, ETEC enterotoxische Echerichia coli, HIV humanes Immundefizienzvirus

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Ektoparasitosen wie die Tungiasis oder die Myiasis werden chirurgisch durch Exzision des Parasitenbehandelt (Abb. 4 und 5). Erleichtert werden kann die Entfernung einer kutanen Fliegenlarve auch durchVerschluss der Atempore z. B. durch Auftragen von Vaseline. In Bezug auf die kutane Leishmaniasisrichtet sich die Therapie nach der Ausdehnung sowie der Spezies, oft ist ein Abwarten der Spontanheilungoder aber eine lokale Behandlung ausreichend.

8 Verlauf und Prognose

Meist heilen tropenspezifische Infektionskrankheiten folgenlos aus. Entscheidend zur Verhinderung vonKomplikationen und ggf. Langzeitfolgen ist die rechtzeitig eingeleitete spezifische Diagnostik undwirksame Therapie – dies gilt insbesondere f€ur die Malaria. Als Folge einer akuten Reisediarrhö könnenfortbestehende Stuhlunregelm€aßigkeiten, Bl€ahungen und/oder Oberbauchkr€ampfe hinweisen auf einenweiteren oder persistierenden Erreger (z. B. eine intestinale Helminthose oder auch eine therapie-refrakt€are Lambliasis) oder – nach Ausschluss alternativer Ursachen – auch im Sinne einespostinfektiösen Reizdarmsyndroms interpretiert werden. Als Ursache f€ur Letzteres kommen z. B. eine(vor€ubergehend) gestörte Laktaseproduktion der Darmschleimhaut (Assoziation der persistierendengastrointestinalen Beschwerden mit Konsum von Milchprodukten?) oder eine gestörte Darmflora(versuchsweise Probiotika?) infrage. Bei virusbedingten Arthritiden wie z. B. dem Chikungunyafieberkönnen prolongiert verlaufende Gelenkschmerzen eine l€angerfristige analgetische Therapie (z. B. mitnicht steroidalen Antiphlogistika) erforderlich machen.

9 Besondere Aspekte und Prophylaxe

Die Reisemedizin besch€aftigt sich zum einen mit der Erkennung und Behandlung von krankzur€uckkehrenden Reisenden („post-travel“). Oftmals dient die Konsultation eines Tropen- undReisemediziners aber auch nur dem Ausschluss einer potenziell lebensbedrohlichen tropenmedizinischenInfektion wie einer Malaria bei Vorliegen eines unspezifischen grippalen Virusinfektes nach einer Reise.Der zweite große Bereich in der Reisemedizin ist die Beratung und Durchf€uhrung von Maßnahmen zurPr€avention von reiseassoziierten Infektionskrankheiten vor Abreise durch Expositionsprophylaxe

Abb. 4 Entfernung eines Sandflohs (Tunga penetrans) am Fuß nach lokaler An€asthesie bei einem Brasilienr€uckkehrer

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(z. B. M€uckenschutz, Vermeiden von S€ußwasserkontakt in Bilharzioseendemiegebieten), Impfungen undden prophylaktischen und notfalltherapeutischen Einsatz von Malariamedikamenten („pre-travel“).

Tabelle 3 fasst Maßnahmen zum M€uckenschutz zusammen, wobei zu beachten ist, dassunterschiedliche M€uckenarten, die als Vektoren f€ur Infektionskrankheiten fungieren, zuunterschiedlichen Tageszeiten aktiv sind, Beispiele zeigt Tab. 4.

Inwieweit dem Reisenden dar€uber hinausgehende medikamentöse Maßnahmen wie Impfungen oderMalariamedikamente empfohlen werden sollen oder m€ussen, h€angt von der individuellenRisikobewertung in Bezug auf den Reisenden bzw. ggf. internationalen Reisebestimmungen ab. Dabeisetzt sich eine individuelle Risikobewertung aus folgenden drei sequenziellen Schritten zusammen, diedie Kenntnis von entsprechenden epidemiologischen Daten, aber auch eine Ber€ucksichtigung desindividuellen Wunsches nach Sicherheit voraussetzen:

1. Absch€atzen des Basisrisikos f€ur den durchschnittlichen Reisenden (Informationen zum absolutenRisiko erforderlich)

2. Abw€agen spezifischer Risikofaktoren f€ur den individuellen Reisenden, die das Durchschnittsrisikomodifizieren (Daten zum Expositionsrisiko sowie relatives Risiko und Odds-Ratio in Bezug aufpotenzielle Risikofaktoren erforderlich)

3. Risiko- und Nutzenbewertung prophylaktischer Interventionen wie Impfungen: Reiserisiko mit undohne Intervention möglichen Risiken und Nebenwirkungen gegen€uberstellen (Daten zu Basisrisikosowie zur Effektivit€at und zu Risiken der Intervention erforderlich)

Abb. 5 Myiasis-Insektenlarve. van Loghum 2013

Tab. 3 Übersicht €uber die Maßnahmen zum M€uckenschutz

Impr€agnierte Moskitonetze (z. B. Pyrethroide wie Permethrin)

Konsequentes Anwenden von Repellenzien (DEET 20–50 %, Picaridin 20 %) – ggf. wiederholen

Intakte Fliegengitter an den Fenstern (mit ausreichend kleiner Rasterung)

Klimatisierte (geschlossene) R€aume

Tragen lang€armeliger, enggewebter Kleidung

Vermeiden von Aufenthalten unter freiem Himmel w€ahrend der Hauptaktivit€at entsprechender Vektorm€ucken

Impr€agnieren von Kleidung (z. B. Pyrethroide wie Permethrin)

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Impfungen oder Malariamedikamente können durchaus einen relevanten Kostenfaktor im Gesamtrei-sebudget darstellen und die Bereitschaft des Reisenden f€ur oder gegen eine Impfung oder ein Malariame-dikament beeinflussen. Es sind auch l€anderspezifische Vorschriften zu beachten wie z. B. das Vorliegeneiner Gelbfieberimpfung (siehe WHO, Abschn. ▶ 11). Schließlich muss der ReisemedizinerBegleitumst€ande und Grunderkrankungen ber€ucksichtigen. So d€urfen Lebendimpfstoffe bei Immunsup-pression nicht oder nur unter besonderer Nutzen-/Risikobewertung verabreicht werden, gleiches gilt f€urImpfungen oder Malariamedikamente in der Schwangerschaft.

Literatur

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Diagnostik und Therapie der viszeralen Leishmaniasis (Kala Azar). Leitlinie der Deutschen Gesellschaftf€ur Tropenmedizin und Internationale Gesundheit. AWMF-Register Nr. 042/004: http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/042-004l_S2e__Viszerale_Leishmaniasis_Diagnostik_Therapie.pdf.Zugegriffen am 17.11.2014

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Internetadressenhttp://www.dtg.org (Deutsche Gesellschaft f€ur Tropenmedizin)

Tab. 4 Beispiele wichtiger Infektionskrankheiten und ihre zugehörigen Vektoren sowie deren tageszeitliche Aktivit€aten

Erreger Vektorm€ucke Tageszeitliche Aktivit€at

Plasmodium spp. Weibliche Anopheles (spp.) D€ammerungs-/nachtaktiv

Dengue-Virus Stegomyia (fr€uher Aedes) aegypti Tagaktiv

JapanischesEnzephalitisvirus

Culiciden, auch andere Überwiegend d€ammerungsaktiv

Chikungunya-Virus Stegomyia (fr€uher Aedes) aegypti und alpopictus, auchAnopheles, Culex, Mansonia

Je nach Vektor, Aedesvorwiegend tags€uber

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Tropenmedizin GmbH, Tropeninstitut Hamburg)http://www.crm.de (Centrum f€ur Reisemedizin)http://www.awmf.de (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften)http://www.geosentinel.org (Sentinel-Surveillance-Netzwerk)

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