Reisetagebuch Israel und Palästina - theologie.uni-rostock.de · Benjamin Blum, Kris Seidel,...

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Exkursion der Theologischen Fakultät der Universität Rostock 6. bis 13. Oktober 2013 ISRAEL P ALÄSTINA

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Exkursion

der Theologischen Fakultät

der Universität Rostock

6. bis 13. Oktober 2013

ISRAEL –

PALÄSTINA

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IINNHHAALLTT

DIE AUSSCHREIBUNG DER ECC STUDIENREISE – WIE SIE GEPLANT WAR 2

… UND WIE SIE WIRKLICH ABLIEF:

UNSER WEG DURCHS HEILIGE LAND – DIE REISEROUTE 4

UNSERE REISEGRUPPE 5

SONNTAG, 06.10.2013 – ANREISE, ERSTER SPAZIERGANG DURCH DIE JERUSALEMER ALTSTADT

!GUTEN MORGEN, JERUSALEM - בוקר טוב ירושלים! 6

MONTAG, 07.10.2013 – ÖLBERG UND ALTSTADT

"BIBEL, BIBEL, BIBEL!" 9

DIENSTAG, 08.10.2013 – TEMPELBERG, OPHEL, TUNNEL

VON HÖHEN UND TIEFEN, VON HEILIGTÜMERN UND ABWASSERKANÄLEN 17

MITTWOCH, 09.10.2013 – HADASSAH-KRANKENHAUS, ISRAEL-MUSEUM, YAD VASHEM

DAS NEUE JERUSALEM (DIE NEUSTADT, NICHT DAS DER OFFENBARUNG) 20

DONNERSTAG, 10.10.2013 – TUNNEL, TEMPLE MOUNT SIFTING PROJECT, QUMRAN, TOTES MEER

"ANY QUESTIONS? NO? GOOD!" 24

FREITAG, 11.10.2013 – EIN GEDI, MASSADA, BET JALA

"AUCH WER NICHT WILL, HAT GELERNT" 28

SAMSTAG, 12.10.2013 – TALITAH KUMI, HERODION, HEBRON, BETHLEHEM

"OH JE, DU FRÖHLICHE… " 35

SONNTAG, 13.10.2013 – RÜCKREISE

AUF EIN WIEDERSEHEN! 39

OUTTAKES, ODER: WISST IHR NOCH… 42

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ECC-Studienreisen Kirchliches und Kulturelles Reisen

ISRAEL / PALÄSTINA

"Jerusalem – Heilige Stadt für Juden, Christen und Muslime"

06.10.-13.10.2013

Leitung: Prof. Dr. Martin Rösel, Universität Rostock

1. Tag: So. 06.10.13Linienflug mit LUFTHANSA von Berlin-Tegel nach Tel Aviv. Empfang durch die Vertretung unsere Agentur. Transfer nach Jerusalem. Erste Besichtigungen, z. B. Gang durch das armeni-sche und jüdische Viertel zum Cardo und zum Zionsberg: Abendmahlsaal, Dormitio-Abtei. Evtl. Gang über einen Teil der Stadtmauer. Abendessen und Übernachtung Jerusalem.

2. Tag: Mo. 07.10.13Fahrt auf den Ölberg, Panoramablick auf Jerusalem. Besichtigung der Himmel-fahrtskirche im Augusta-Viktoria-Pilgerzentrum. Zu Fuß den Ölbergweg hinun-ter zur Dominus-Flevit-Kapelle und zum Garten Getsemane. Gang durch das Löwentor in die Altstadt: Annenkirche, Bethesdateich, Antoniafestung (Li-thostrotos), Via Dolorosa, Grabeskirche. Gang in das jüdische Viertel und Besichtigung des Archäologischen Museums Wohl. Abendessen und Übernachtung Jerusalem.

3. Tag: Di. 08.10.13Gang zur Westmauer des Tempels („Klagemauer“) und zum Tempelberg mit Felsendom und Al-Aqsa-Moschee (beide Moscheen können z. Z. nur von außen besichtigt werden). Gang zum Ophel: Ausgrabungen und Tempeltreppe, David-stadt, Warrens Schacht. 14.00 h Gang durch Hezekiah‘s Tunnel (feste Schu-he, kurze Hose, Taschenlampe – ca. 1,2 Std. Gang durch Wasser, das bis zur Hüfte reichen kann!), Teich Siloah. Freie Zeit in der Altstadt. Abendessen und Übernachtung Jerusalem.

4. Tag: Mi. 09.10.13Fahrt nach West-Jerusalem: Chagall-Fenster im Hadassah-Krankenhaus, Knesset (von außen), Regierungsviertel, Herzl-Berg. Besuch des Israel-Museums (nach umfangreicher Renovierung neu eröffnet) mit dem Schrein des Buches und dem Groß-Modell von Jerusalem. Besuch der Gedenkstätte Yad Va-shem. Abendessen und Übernachtung Jerusalem.

5. Tag: Do. 10.10.1307.30 h Führung durch den archäologischen Tunnel an der Westmauer. Fahrt nach Emek Tzurim und Teilnahme von 10.00 h bis 12.00 h am „Temple Mount Sifting Project“ der Hebräischen Universität (Ausgrabungen). Anschließend Fahrt an das Tote Meer. Besichtigung von Qumran, Fundort der berühmten

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Schriftrollen vom Toten Meer (kleines Museum mit Licht- und Tonschau, Gang durch die Ausgrabungen). Bademöglichkeit im Toten Meer. Fahrt nach Jericho. Abendessen und Übernachtung Jericho.

6. Tag: Fr. 11.10.13Fahrt zur Oase Ein Gedi, Wanderung zur Davidsquelle. Weiterfahrt nach Mas-sada. Besichtigung der herodianischen Felsenfestung (Auffahrt mit Seilbahn, Abstieg über die römische Rampe). Fahrt in den nördlichen Negev und weiter in das autonome palästinensische Gebiet über Hebron nach Bethlehem und weiter in den Nachbarort Bet Jala. Bezug des komfortablen Gästehauses der ev.-luth. Kirche „Abrahams Herberge.“ Am Abend ist ein Gespräch mit dem Pfarrer der Gemeinde oder seinem Sekretär vorgesehen. Abendessen und Übernachtung Abrahams Herberge.

7. Tag: Sa. 12.10.1307.30 h – 09.00 h Gespräch in Talitha Kumi mit Lehrern und Schülern. Treffen mit dem palästinensischen Reiseführer. Fahrt nach Bethlehem. Besuch der Geburtskirche mit Geburtsgrotte und der angrenzenden Katharinenkirche mit der Hieronymos-Grotte. Weiterfahrt zu den Hirtenfeldern und zum Hero-dion (herodianische Festung, Bar-Kochba-Höhlen), herrlicher Rundblick, bei klarer Sicht bis zum Toten Meer. Falls es die politische Situation erlaubt, Fahrt nach Hebron (Kiriat Arba). Besuch der Abrahams-Moschee mit den Patriar-chengräbern und der Höhle Machpela. Abendessen und Übernachtung Abrahams Herberge.

8. Tag: So. 13.10.13Fahrt zum Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv und Rückflug mit LUFTHANSA nach Berlin-Tegel.

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UUNNSSEERREE RREEIISSEEGGRRUUPPPPEE

von links nach rechts:

Margarete Holtfoth, Sascha Weißing, Thomas Meyer Bohe, Marja Leena Röcke, Werner Röcke, Henrike Dilling, Annemarie Gelse, Konstanze Petzoldt,

Almut Wenck, Juliane Rütz, Stefanie Jährling, Tom Kupetz, Laura Mohr, Martin Rösel, Christian Pieritz, David Walter, Marie-Sophie Meyer,

Benjamin Blum, Kris Seidel, Margarethe Kelm, Kerstin Ehrich, Juliane Renken, Rebekka Rahel Tibbe, Birk Hannemann, Hendrik Krüger, Kristin Bartens,

Juliane Ost, Melanie Lange, Jonas Löffler, Petra Kretschmer, Oliver Erckens

Unsere Reiseleiter:

Ruth Eisenstein Kamal Mukarker

in Israel: in Palästina:

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SONNTAG, 06.10.2013 – ANREISE, ERSTER SPAZIERGANG DURCH DIE JERUSALEMER ALTSTADT

בוקרבוקר טובטוב ירושליםירושלים!!-- GGUUTTEENN MMOORRGGEENN,, JJEERRUUSSAALLEEMM --

„Das Flugzeug landet hier zwar auf dem Ben-Gurion-Airport,

und der Pilot behauptet, man sei in Israel – aber so einfach ist das nicht. Nein. So einfach nicht.

Du bist hier angekommen in einem Zirkus, einem Drama, das eigentlich ins Theater gehört, im Disneyland der Religionen, im Frontstaat des Liberalismus.

Von außen bunt, laut, spannend. So herrlich gefährlich."

(aus: Markus Flohr, Wo samstags immer Sonntag ist. Ein deutscher Student in Israel,

Hamburg 2001, S. 11f.)

Der Wind pfeift, die Blätter fallen, der Nebel steigt auf und die Temperatur kriecht in Richtung Nullpunkt. Was macht der vernünftige Theologiestudent da? Richtig, er spielt „Reise nach Jerusalem“. Man hat gehört, dass es dort warm, trocken und sonnig ist. Genau das Richtige für 31 Rostocker. Und weil wir nicht alles glauben, was man uns erzählt und was so in den Büchern steht, wollten wir uns selbst davon überzeugen.

Alles begann zu einer unchristlichen Zeit, 5:45 Uhr in Berlin Tegel. Fast alle wa-ren pünktlich, der Rest hatte gute Gründe. Schlafmangel – das Stichwort des Tages. Nachdem sich alle Schäfchen zusammengefunden hatten, checkten wir ein. Trotz zahlreicher Schauergeschichten über nichtmitreisende Koffer fassten doch alle den Mut, ihr Hab und Gut am Schalter aufzugeben. Hatte jeder den richtigen Pass dabei? Hoffentlich piept keiner. Aber alles lief bestens!

Die Zeit verging wie im Flug. Schon saßen wir im Flieger. Beim ersten Blick aus dem Flugzeugfens-ter: Nebel. „Das ist ja, als ob man im Dunkeln fährt. Nur das hier ist fortgeschrittene Dunkelheit!“ Die ersten Anzeichen einer Flugangst machten sich breit. Mit knurrenden Mägen und hängenden Au-genlidern erwarteten wir sehnsüchtig das Frühs-tück und den Tomatensaft. Begierig wurde Schlaf nachgeholt. Nur wurde der gestört von der Frage: „Was möchten Sie essen? Wir haben heute Panca-kes mit Vanillesauce und Kirschen oder die Eier mit Käse und Spinat und Tomaten im Angebot. Süß oder herzhaft?“ „Ähhhhhm… süß.“ „Was möchten Sie trinken?“ „Einen Tomatensaft, bitte.“ „Möchten Sie noch ein Wasser dazu?“

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„Ja!“ Essen, Trinken, Weiterschlafen. Nachdem wir über 4 Stunden geflogen sind, war endlich israelisches Land in Sicht. Wir drückten uns die Nasen an den Scheiben platt, um erste Blicke zu erhaschen.

Und dann, ein Luftloch, rums. Die ers-ten springen auf den Schoß ihrer Nachbarn. Und wieder ein Luftloch, rums. Doch die Landung ging trotzdem reibungslos vonstatten. Nachdem die Koffer zusammengesucht waren und Geld getauscht worden war, wollten die Raucher ihrer wohlverdienten Ziga-rette frönen. So ließen sie ihr Gepäck bei Freunden und gingen auf Entde-ckungstour. Erste Lektion im Orient: Lass niemals deine Koffer einfach so herumstehen und habe immer deinen Pass am Mann! Denn es stellte sich heraus, dass der Besitz in einer Zone zurückgeblieben war, in die man nicht wieder hineinkam. Dumm gelaufen. Nach der Rückkehr der Raucher be-gann also die Jagd nach dem verlore-nen Gepäck, teils mit Pass, teils ohne. Nach gelernter Lektion ging es dann endlich in die Richtung der Heiligen Stadt.

Schließlich in Jerusalem angekommen, in der Herberge Casa Nova, hieß es: Zimmer beziehen! Zweite Lektion an diesem Tage: Ein „Gleich“ im Orient bedeutet ca. anderthalb Stunden. So warteten wir in der Lobby auf unsere Zimmer. Als es soweit war, ging es oh-ne Verschnaufpause gleich auf Erkun-dungstour. Herr Rösel vorne weg, dicht gefolgt von Benjamin, versuchten wir auf die Stadtmauer zu gelangen. Hat nicht funktioniert. Wir erhaschten erste Blicke auf den Felsendom und den Öl-

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berg, dabei konnten wir den Gebetsrufen des Muezzins lauschen – bis einige Juden im Kontrast dazu auf ihrem Schofarhorn bliesen. Der erste Kontakt mit „interreligiösen Dialogen“. Kurz entschlossen ging es dann zur Dormitio-Abtei, dann auf die Jagd nach dem Abendmahlssaal, bis wir uns – erschöpft von dem Tempo unseres Professors – trennten. Eine Gruppe folgte Herrn Rösel, die sich einen alten Teil der Stadtmauer anschaute, und die andere Gruppe ging mit Benjamin zur Klagemauer. Frauen und Männer getrennt natürlich – und wehe, ihr seid nicht züchtig bedeckt!

Rückzug, Wasser kaufen! Dritte Lektion: Wasser ist wichtig, Wasser ist Macht! Diese Lehre durften wir im späteren Verlauf der Reise immer weiter vertiefen. Endlich ist es soweit, etwas Richtiges zu essen. Der Beginn einer Woche voller Falafel, Fladenbrot und Hummus. Gemeinsam ließen wir den ersten Tag Revue passieren, wobei die ersten Flaschen Wein verkostet wurden, bis in die frühen Morgenstunden. Dabei wurde ausgiebig das frisch erlernte Hebräisch praktiziert: Lechajim.

Der Beginn einer aufregenden, lehrreichen und angereicherten Reise mit sehr wenig Schlaf ward gemacht. Mazel tov!

Henrike Dilling und Laura Mohr

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MONTAG, 07.10.2013 – ÖLBERG UND ALTSTADT

„„BBIIBBEELL,, BBIIBBEELL,, BBIIBBEELL!!““

Und als er in Bethanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Glas mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl,

und sie zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt. Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls?

Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben.

Und sie fuhren sie an. Jesus aber sprach:

Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun;

mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis.

Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat.

(Mk 14,3-9)

Nachdem wir die erste Nacht gut überstanden haben, finden sich alle beim Frühstück ein. Erste Eindrücke und Erwartungen werden ausgetauscht, und gut ge-stärkt werden die Herausforderungen des Tages ange-gangen. Dieser steht unter dem Titel: “Der letzte Weg Jesu”, und die Bibelstelle, die Herr Rösel her-ausgesucht hat, ist Mk 14,3-9, “Salbung in Betha-nien”.

Bevor es losgeht, lernen wir unsere Reiseleiterin Ruth Eisenstein kennen, die uns in der kommenden Zeit begleiten wird. Sie sorgt auch dafür, dass unsere Gruppe ein „Schlusslicht“ erhält. Ohne zu zögern übernimmt Margarete diese Aufgabe und somit viel Verantwortung für die Gruppe insgesamt.

Dann heißt es: LOS! Im Bus, auf dem Weg zur Him-melfahrtskirche im Auguste–Viktoria–Pilgerzentrum hat Ruth viele spannende Dinge zu berichten, z.B. über die starke Durchmischung von Politik und Religion im Land oder über die Einwohnerzusammensetzung.

Die Fahrt führt vorbei an der eindrucksvollen Land-schaft und erlaubt auch einen ersten Blick auf die Hebräische Universität, die seit langer Zeit eine Ko-operation mit der Universität Heidelberg pflegt.

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An der Himmelfahrtskirche angekommen, wartet der Aufstieg auf den Turm auf uns. Nachdem alle den Weg gefunden haben und dieser bezwungen ist, wird jeder durch einen herrlichen Ausblick, der heute sogar bis zum Toten Meer reicht, belohnt.

Auf dem Weg zur nächsten Sehenswürdigkeit berichtet Ruth darüber, dass viele Ausdrücke, die wir heute im Deutschen verwenden, auf hebräische Wurzeln zu-rückgehen, so z.B. die Begriffe “Maloche”, das mit “Arbeit” übersetzt werden kann, und “Schlamassel”, welches auf das hebräische Wort “mazal” zurückgreift und “Glück” bedeutet.

Der weitere Verlauf des Tages führt uns zu einer Grotte, die insgesamt 50 Grä-ber umfasst. Vermutlich war hier eine Großfamilie begraben, wenn auch die le-gendarische Ausgestaltung erzählt, dass sich darunter die Propheten Haggai, Maleachi und Sacharja befinden. Der Rundgang durch dieses Gewölbe vermittelt die großräumige Aufmachung, und nahezu jeder ist beeindruckt, auch wenn ei-nige etwas schmerzerfüllt das Gesicht verziehen, da die kleinen Kerzen, die am Eingang der Grotte ausgeteilt wurden, die Finger mit heißem Wachs beträufeln.

Wenige Schritte weiter befindet sich der Ölberg. Von hier aus bietet sich eine Sicht über die jüdischen Gräber hin zum Goldenen Tor. Ruth erklärt uns die Traditionen eines jüdischen Begräbnisses, und wer etwas Glück hat, hat schon ein Foto gemacht, denn weitere werden uns von einem Aufseher untersagt. Aber auch der Felsendom und die Maria–Magdalena–Kirche sind von hier aus zu sehen und in unserem Rücken befindet sich die Dominus–Flevit–Kapelle.

Bei der Letztgenannten haben wir sogar noch die Möglichkeit, einen kurzen Blick ins Innere zu werfen.

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Von hier aus kann man einen wunderbaren Blick durch ein großgestaltetes Fenster genießen, das direkt den Felsendom einfängt.

Nachdem wir die Dominus-Flevit-Kapelle verlas-sen haben, kommen wir nach wenigen Schritten an einer Grabhöhle aus dem 2./3. Jh. n. Chr. zum Stehen, in der sich nur kleine Steinkisten befinden. Ruth erklärt uns, dass die Leichname zu dieser Zeit zuerst für 2 Jahre in große Särge gelegt wurden. Nach ihrer Verwesung konnten danach ihre Knochen entnommen und in die kleinen Kisten gelegt werden. Charmant ergänzt Hr. Rösel Ruths Ausführungen, indem er den Namen dieser „Knochenkisten“ nennt: Ossuare. Viele von uns setzen das „Schon-mal-gehört“-Gesicht auf und nicken zustimmend, da dieses Wort schließlich auch schon im Vorbereitungsse-minar gefallen ist.

Unterwegs zur nächsten Station gehen wir an vielen stark befahrenen Straßen entlang und werden zum ersten Mal aktiv Zeuge von dem Hupkonzert auf orien-talischen Straßen. In diesen ersten Tagen dreht sich beinahe noch jeder aus Gewohnheit bei einem Hupen um, da es uns als Zeichen herannahender Gefahr bekannt ist. Nach einigen Tagen jedoch fühlt sich kaum einer angesprochen, da

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die Tatsache, dass es keinen ersichtlichen Grund für ein Hupen geben muss, hingenommen wurde.

Auf dem Ölberg sehen wir ein paar wenige anti-ke Ölbäume, die vielleicht 1000 Jahre oder sogar noch älter sind. Ausgeschildert ist dieser Ort als Garten Gethsemane, was von der Wortherkunft "Ölpresse" bedeutet. Anbei steht die Kirche aller Nationen, vor der sich viel zu viele Menschen drängen und umherschupsen und es ist nicht klar, warum sie weder rein- noch rausgehen, sondern einfach den einzigen Ein-/Ausgang blo-ckieren. Dieses Gefühl von unbehaglicher Nähe sollte für diesen Tag unser Begleiter sein.

Wir verlassen den Garten und durchqueren das Löwentor. Ruth nennt das Tor ein „Mosaik der Zeiten“, da es aus Steinen unterschiedlicher Ge-

bäude aus unterschiedlichen Jahren besteht. Desweiteren erwähnt sie das Muni-zipalgesetz, das vorschreibt, dass alle Außenfassaden eine sandfarbene Stein-optik haben müssen, um ein einheitliches Stadtbild von Jerusalem zu erhalten. Unterwegs müssen wir oft warten, da manche jede Gelegenheit ergreifen, sich Wasser zu kaufen, um es bei dem ewigen Bergauf- und -ablaufen und dieser Wärme auszuhalten – ich schreibe bewusst nicht Hitze, denn wie sich diese an-fühlt, sollten wir an anderen Tagen erfahren.

Vor der Sankt-Anna-Kirche, wo nach der Legende Maria geboren worden sei, setzen sich einige von uns in den Halbschatten eines Pfefferbaumes und ruhen sich kurz aus.

Sascha: „Pfeffer schmeckt süß. Schreib das auf!“

In der Kirche selbst herrscht eine wunderbare Akustik. Als wir dort ankommen, wird schon gesungen. Nach einer Weile stimmt jemand aus unseren Reihen „Dona nobis pacem“ an.

Nebenan befinden sich die Wasserteiche von Bethesda. Ruth erklärt ihren Zweck folgen-dermaßen:

„Dreckig kann man nicht heilig werden. Wenn man drei Tage auf einem Esel geritten ist, riecht man selbst wie ein Esel.“

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Hier ist es verblüffend ruhig. So ruhig, dass man sogar Vögel zwitschern hört. Es ist erstaunlich, dass man nur wenige Minuten gehen muss, um ein so ande-res Gesicht von Jerusalem sehen zu können.

Als wir selbst dazwischen umhergehen, können wir die unterschiedlichen Schichten der Ruinen und Überbleibsel der gewaltig tiefen Wasserbecken der Badeanlage und Kirchen sehen.

Bevor wir anschließend die Via Dolorosa begehen, bemüht sich Herr Rösel um eine Motivation:

„Danach gehen wir essen.“ Begeisterter Zuruf aus der Menge: „JA!“

Die meisten von uns schleppen sich müde zur letzten Etappe vor dem Mittages-sen – in der Hoffnung, dass es auch wirklich die letzte ist. Ein Blick in die Runde bietet kein Lächeln. Nur sonnenbrillenverdeckte Augen und zusammengepresste Münder. Auch die Foto-Manie ist verschwunden. Unterwegs ertönt ein Gebet über Lautsprecher. Wir erreichen die Antonia-Festung und gehen durch einen gefliesten Gang, der eine Schwimmbad-Atmosphäre verbreitet. Wir wollen uns eine Zisterne ansehen, jedoch muss über die Hälfte von uns auf der Treppe da-vor stehenbleiben. Auf dem Rückweg entdecke ich ein Schild:

„TO THE CISTERN (LIMITED ACCESS) – Only 5 persons“

Nach weiteren Gängen mit tiefen Decken, an denen so manche Hüte entlang schaben, sitzen wir kurz und lassen uns eine antike Variante von Russisch Roulette erklären: das Basileus-Spiel. Als die Vermutungen fallen, dass die Idee für Jesu Verspottung von diesem Spiel herstamme und dass die Antonia-Festung genau hier gestanden hat, ergänzt Hr. Rösel:

„Es kann sein, muss aber nicht. Braucht der Glaube das, sich auf solche Aspekte zu stützen? Ich glaube: Nein.“

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Anschließend gehen wir zu einem Restau-rant, in dem Ruth für uns Plätze reser-viert hat. Auch wenn es relativ klein ist, finden alle Platz. Die Wände sind mit Tü-chern und Bildern gepflastert, und von den Decken hängen orientalisch ange-hauchte Lampen. Der Kellner, der sich anscheinend große Mühe gibt, uns zu un-terhalten, spricht einigermaßen gutes Deutsch und stellt uns fünf Gerichte vor, zwischen denen wir uns entscheiden kön-nen. Bei dem Wort „Hühnchen“ untermalt er dessen Bedeutung, indem er mit den Armen wackelt und „Kukuku“ sagt.

Gesättigt, glücklich und immer noch erschöpft bleiben wir noch einige Minuten sitzen.

Tom: „Jetzt ein halbes Stündchen Mittagsschläfchen.“ – Juliane: „Oh ja, ich könnte sofort!“

Nach dem Essen gehen wir weiter die Via Dolorosa entlang, und als ich meinen Müsliriegel auspacke, wird das sogleich von Herrn Rösel kommentiert:

„Sie müssen wissen, ich kontrolliere hier ALLES!“

Die Stationen der Via Dolorosa führen uns auch durch Straßen voller Verkaufs-stände, wo uns ein Besitzer von Holzschnitzereien auf Deutsch hinterherruft:

„Eine Frage – Winterschlussverkauf in meinem Laden.“

Das war nicht das letzte Mal, dass Verkäufer unser Herkunftsland erraten ha-ben. Leicht irritiert gehen wir weiter und drängen uns an vielen Menschen und Gerüchen vorbei, bis wir schlussendlich die Grabeskirche erreichen.

Dort präsentieren sich sechs Kon-fessionen, die ihren zugewiesenen Platz auch aufmerksam bewa-chen. Bevor Ruth uns die Legende von Salomo und der Königin von Saba erzählt, fragt sie uns:

„Liebe Jugend! Wieso gibt es äthi-opische Juden und Christen?“ – Niemand antwortet. – Ruth: „Bi-bel, Bibel, Bibel!“

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In der Grabeskirche selbst haben wir nur wenig Zeit für einen Kurzrundgang. Direkt nach dem Betreten befinden wir uns unter einer riesigen Kuppel, in der Tauben umher-fliegen. In den vielen Spenden-Schälchen liegen hauptsächlich Dollarscheine. Es sind unzählbar viele Menschen dort. Als bloßer Beobachter fühlt man sich etwas über-schwemmt von dem Frömmigkeitsmonsun, der von den vielen knienden, betenden, wie-nenden, steinküssenden Menschen ausgeht. In einer Grotte, in der sich die Kreuzauffin-dungskapelle befindet, die Ruth mal aus Versehen „Kreuzerfindungskapelle“ genannt hat, finden wir etwas Ruhe und Bewegungs-freiheit. Eine Stelle der Grotte ist mit einer Plastikwand abgedeckt. Sie gehört den Abessiniern, die so auf ihre Art und Weise ihren einzigen Anteil an der Grabeskirche schützen, da sie selbst nicht in der Kirche sein dürfen. Früher soll sich dort viel Müll befunden haben, jetzt ist allerdings alles wieder sauber.

Beim weiteren Rundgang können wir den Grabeskasten, der von unserem Kontrolleur als „hässlich“ befunden wird, unter der Ana-stasis-Kuppel sehen. Dort stehen Hunderte von Menschen an. Wir gehen weiter zum Katholikum, wo wir eine Art Segnung eines jungen Mannes von einer russisch-orthodo-xen Gruppe beobachten können.

Wir verlassen die Grabeskirche, durchque-ren das neu aufgebaute jüdische Viertel und landen im Wohl-Museum.

Jonas: „Einfach mal ein paar Steine im Kel-ler.“

Nach solch einem Tag ist es nicht mehr so einfach, sich um 16 Uhr viele Einzelheiten über das Luxusviertel zur Zeit des herodianischen Jerusalems zu merken. Den-noch erzählt Ruth wie immer lebhaft und

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farbenfroh, z.B. wenn es um Badezimmer und Reinigungsbäder geht:

„Dass wir alle Duschen haben, und kaltes und warmes Wasser kommt, wie wir wollen – Kinder, das ist alles neu!“

„Man muss sich auch immer die Hände und Füße waschen. Warum Hände wa-schen? – Wir haben geschlafen! Wer weiß, wo die Hände waren…“

Anschließend sehen wir uns noch Funde aus vorexilischer Zeit an, unter ande-rem die verschiedenen weiterentwickelten Öllampen. Die Aufnahmebereitschaft sinkt mit jeder Minute, während der Wunsch nach einer Sitzmöglichkeit steigt. Am Ende der Ausstellung sind alle Bänke mit müden Studenten besetzt.

Ruth: „Wir sind bald fertig mit dem Programm – ihr seid jetzt schon fertig.“

Am Ende der Führung mit Ruth danken wir ihr mit klatschendem Beifall und zerstreuen uns in kleineren Gruppen.

Beim Spazieren durch die Straßen, kommt mir der Gedanke, dass man in Jeru-salem wegen der alten gepflasterten Straßen nicht mit Inlinern fahren kann.

Vor dem Abendessen um 19.30 Uhr im Hotel macht sich eine kleinere Gruppe ein zweites Mal auf den Weg zur Grabeskirche, wo sie überraschenderweise Zeuge eines romantischen Zusammentreffens werden: die Verlobung von Julia-ne Rütz.

Am Abend starten wir noch eine kleine Umfrage: Was hat bei dir den stärksten Eindruck hinterlassen?

„Die Grabeskirche. Ich habe noch nie so einen unheiligen Ort gesehen.“

„Die Flexibilität der Preise. Manchmal wird man echt beschissen.“

„Die Grabeskirche. Die führen sich auf wie Kinder, denen man das Spielzeug weggenommen hat.“

„Müllmänner, die für uns getanzt haben.“

Stefanie Jährling und Margarethe Kelm

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DIENSTAG, 08.10.2013 – TEMPELBERG, OPHEL, TUNNEL

VVOONN HHÖÖHHEENN UUNNDD TTIIEEFFEENN,, VVOONN HHEEIILLIIGGTTÜÜMMEERRNN UUNNDD AABBWWAASSSSEERRKKAANNÄÄLLEENN

Dies ist das Wort, das vom HERRN geschah zu Jeremia:

Tritt ins Tor am Hause des HERRN und predige dort dies Wort und sprich: Hört des HERRN Wort, ihr alle von Juda, die ihr zu diesen Toren eingeht, den HERRN anzubeten!

So spricht der HERR Zebaoth, der Gott Israels: Bessert euer Leben und euer Tun, so will ich bei euch wohnen an diesem Ort.

Verlasst euch nicht auf Lügenworte, wenn sie sagen: Hier ist des HERRN Tempel, hier ist des HERRN Tempel, hier ist des HERRN Tempel!

Sondern bessert euer Leben und euer Tun, dass ihr recht handelt einer gegen den andern und keine Gewalt übt gegen Fremdlinge, Waisen und Witwen und nicht unschuldiges Blut ver-

gießt an diesem Ort und nicht andern Göttern nachlauft zu eurem eigenen Schaden, so will ich immer und ewig bei euch wohnen an diesem Ort,

in dem Lande, das ich euren Vätern gegeben habe.

(Jer 7,1-7)

Gerade als wir uns an die Enge der Jerusalemer Altstadt gewöhnt hatten, fanden wir nach nur 30-minütigem Schlangestehen auf dem Tempelberg eine Weite vor, die wir noch sehr schätzen lernen sollten an diesem Tag. Der Felsendom und die al-Aqsa-Moschee wurden zügig und züchtig besichtigt, nur leider (trotz einiger waghalsiger Ideen) nicht von innen. Dafür sahen wir, wo die muslimische Tempelverwaltung den Schutt ausgegraben hatte, den wir zwei Tage später mit viel Goldgräber-stimmung beim „Temple Mount Sifting Project“ sieben sollten.

Nachdem unsere israelische Reiseleiterin Ruth noch in den Genuss einer Hebräisch-Nachhilfestunde von Herrn Rösel kam (kommt Moria von ארי oder האר?), zogen wir weiter zu den archäologischen Gärten di-rekt unterhalb der Tempelplattform (Ophel). Die dortigen Ausgrabungen zeigten, wie kontinuierlich und doch unterschiedlich dieser Höhenzug südlich der Tempelmauer besiedelt war. Außerdem konnte man auf den Treppenanlagen zum Tempelplatz die Sonne bestens genießen. Die Davidstadt, als histori-sche Keimzelle Jerusalems, bewunderten wir dann teilweise in Badehosen, weil wir kurz darauf den Hiskija-Tunnel erkunden würden.

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Das sollte eines der Abenteuer unserer Reise werden, und so wateten knapp dreißig zwergen-artige Gestalten (der Tunnel war oft kaum höher als 1,60m), mit Taschenlampen bewaffnet, durch knöcheltiefes Wasser. Am Siloahteich an-gekommen, wollten wir über eine römische Straße den Weg in die Altstadt zurücklegen. Wir hatten allerdings nicht mit Ruths Extrapro-gramm für uns gerechnet. Die römische Straße entpuppte sich zunächst als ein breiter Tunnel. Doch schon nach kurzer Zeit bogen wir in die Kanalisation der herodianischen Zeit ab. So wanderten wir ohne Aussicht auf ein Ende erneut durch einen Tunnel, der zwar meist knapp 1,80m hoch, dafür aber auch nur schul-terbreit war. Netterweise erfuhren wir während-dessen spannende Hintergrundinfos über diese Abwasserleitung – etwa, dass sie teilweise noch heute Abwasser führt. Nach gefühlten Stunden im Untergrund musste kein Fluch mehr unter-drückt werden, weil sich jede Hoffnung, das Tageslicht wiederzusehen, verflüchtigt hatte. Umso größer war unsere Überraschung, als wir an der Ecke der Westmauer aus der Kanalisation krochen und uns wieder dort befanden, wo un-ser Tag begonnen hatte. Für diese wirklich überraschten Gesichter haben wir große An-strengungen auf uns genommen und wurden fürstlich belohnt.

Nach diesem offiziellen Tagesprogramm zogen viele in kleinen Grüppchen zu weiteren Sehenswürdigkeiten. So führte Benni eine kleine Reisegruppe zum Gartengrab, das im Vergleich zum Trubel in der Altstadt eine typisch protestantische Besinnlichkeit ausstrahlte. Auch das jüdisch-orthodoxe Viertel Mea Shearim mussten wir einmal gesehen haben. Die kleine Gruppe teilte sich in noch kleinere Grüppchen, um möglichst unauffällig diesen Stadtteil zu besichtigen. Noch züchtiger als am Vormittag zogen wir los, um eine besondere jüdische Lebensart kennenzulernen. So bekamen wir

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durch die Unmenge an Schläfenlocken und typischer Kleidung noch einmal ei-nen ganz neuen Eindruck von Jerusalem. Die Einheitskleidung konnte jedoch

nicht über einen bunten Austausch auf den Straßen und Gassen hinwegtäuschen. Kinder spielten auf einer riesigen Kabeltrommel, und auch, als der Seitenspiegel eines Autos zu Bruch ging, waren die Anwohner eher ge-neigt, die spielenden Kinder zu fotografieren als zu schimpfen.

So ging langsam ein Tag zu Ende, der von ganz unterschiedlichen Impressionen geprägt war: Von der Weite des Tempelplatzes und der Enge der Tunnel. Von archäologischen Einsichten und gelebtem orthodoxem Juden-tum. Von touristischen Attraktionen und inne-rer Einkehr am Gartengrab.

Christian Pieritz und Oliver Erckens

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MITTWOCH, 09.10.2013 – HADASSAH-KRANKENHAUS, ISRAEL-MUSEUM, YAD VASHEM

DDAASS NNEEUUEE JJEERRUUSSAALLEEMM ((DDIIEE NNEEUUSSTTAADDTT,, NNIICCHHTT DDAASS DDEERR OOFFFFEENNBBAARRUUNNGG))

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne. Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht,

und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe. Du aber bist heilig,

der du thronst über den Lobgesängen Israels. Unsere Väter hofften auf dich;

und da sie hofften, halfst du ihnen heraus. Zu dir schrien sie und wurden errettet,

sie hofften auf dich und wurden nicht zuschanden.

Rühmet den HERRN, die ihr ihn fürchtet; ehret ihn, ihr alle vom Hause Jakob,

und vor ihm scheuet euch, ihr alle vom Hause Israel!

Denn er hat nicht verachtet noch verschmäht das Elend des Armen und sein Antlitz vor ihm nicht verborgen;

und als er zu ihm schrie, hörte er's. Dich will ich preisen in der großen Gemeinde,

ich will mein Gelübde erfüllen vor denen, die ihn fürchten. Die Elenden sollen essen, dass sie satt werden;

und die nach dem HERRN fragen, werden ihn preisen; euer Herz soll ewiglich leben.

Es werden gedenken und sich zum HERRN bekehren aller Welt Enden und vor ihm anbeten alle Geschlechter der Heiden.

Denn des HERRN ist das Reich, und er herrscht unter den Heiden.

Ihn allein werden anbeten alle, die in der Erde schlafen; vor ihm werden die Knie beugen alle, die zum Staube hinabfuhren

und ihr Leben nicht konnten erhalten. Er wird Nachkommen haben, die ihm dienen;

vom Herrn wird man verkündigen Kind und Kindeskind. Sie werden kommen und seine Gerechtigkeit predigen

dem Volk, das geboren wird. Denn er hat's getan.

(Ps 22,2-6.24-32)

„Jacken – Jecken – Juden“

Unser Tag stand ganz im Zeichen des „neuen“ Jerusalems. Erstes Ausflugsziel war das Hadassah-Krankenhaus mit den Chagall-Fenstern – die Busfahrt dorthin führte uns durch das Viertel Rehavia, wo uns unsere Reiseleiterin Ruth die recht abenteuerliche Etymologie „Jacken – Jecken – Juden“ nahezubringen versuchte: Deutschsprachige Juden trugen Jacken und wurden daher Jecken genannt. Wei-ter ging es, vorbei an Klöstern, die trotz eines zunehmenden Verfrom-mungstrendes überraschenderweise mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen ha-ben; dito an Hotelanlagen ohne Baugenehmigung („Korruption: Alles läuft wie geschmiert.“ – Oliver Tietze), sowie an einem Kinderspielplatz mit einer künst-

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lerisch gestalteten Rutsche, die der Volksmund nur „das Monster“ nennt. Ein vorbeireisender Kaplan bemerkte einmal, dass diese wie die klassische Schwie-germutter aussehe - was er von Schwiegermüttern wüsste, konnte er nicht er-klären.

Kunst im Krankenhaus – „No Pictures! No Pictures! No Pictures!“

Bei den Chagall-Fenstern, geschaffen von Marc Chagall anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Hadassah-Kran-kenhauses 1962, angekommen, kamen wir zunächst in den fraglichen Genuss amerikanischer Gegenwartskultur in Form einer Seniorenreisegruppe unter Führung einer von uns, aufgrund ihrer visuellen und akustischen Darbietung „Ente“ genannten Reiseleiterin. An-schließend gab es noch ein Tonband mit der deutschen Erklärung, die uns die Details dieses außergewöhnlichen Kunstwerkes – zwölf Bleiglasfenster, die den Segen Jakobs über seine Kinder, die zwölf Stämme Israels, darstellen (nachzulesen in Genesis 49) – näher-brachte.

„Zwei Israelis – drei Meinungen“

Weiter ging es zum „besten Theater Israels“ – der Knesset. Die Konsensbildung in diesem Regierungsgebäude gestaltet sich recht schwierig, da traditionell zwei Israelis drei Meinungen vertreten – und das in bemerkenswerten 122 Parteien. Das Gelände wird gesäumt von einem stilisierten Zaun (Dornengeflecht), der mahnt, die Unabhängigkeit des Staates (proklamiert am 14. Mai 1948 durch David Ben-Gurion) nicht als selbstverständlich hinzunehmen, wie es heute von vielen jungen Israelis getan wird. Vor dem Haupttor befindet sich eine ca. 4 Me-ter hohe Menora, auf deren Armen anstelle der Mandelblüten (Exodus 25,31-40) einzelne Momente der Geschichte des Volkes Israel dargestellt sind. Auf dem äußersten Arm steht geschrieben: „Nicht durch Macht und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist, spricht der HERR“ (Sacharja 4,6); dies soll die, Ruth zufolge, friedliche Gründung des Staates versinnbildlichen.

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Von „Klohacken“, alten Büchern und frommen Liedern…

Einen kleinen Spaziergang später hatten wir einen großen Schritt in die Vergan-genheit getan und blickten auf das Jerusalem zur Zeit Herodes des Großen. Am Modell konnten wir unter Anleitung des geschulten Fachmannes der Organisati-on „Rösel-Reisen“ das Gesamtensemble der antiken Stadt nachvollziehen – auf kleinere Ungenauigkeiten (Lokalisierung der Festung Antonia, Hippodrom etc.) wurden wir gezielt aufmerksam gemacht. Unser weiterer Weg führte uns in den „Schrein des Buches“, wo Kopien und Originale der Funde aus Qumran ausge-stellt werden. Neben den berühmten Schriftrollen vom Toten Meer gab es auch Dinge wie eine „Klohacke“, einen Kamm – Läuse gab es offenbar auch zu dieser Zeit schon –, sowie auch eine Scheibe zur Bestimmung des qumranischen Ka-lenders, die, so Ruth, „sehr kompliziert aussieht“. Während unseres Besuches begegneten wir einer recht uniformen Gruppe der Methodistenkirche Zimbab-wes, die es schafften, die Gesamtheit der Ausstellungsstücke binnen 30 Sekun-den zu erfassen, um rasch wieder ein frommes Lied anstimmen zu können.

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Road-Runner-Rösel-Reisen

Nach einer kurzen koscheren Köstlichkeit bekamen einige Studierende noch ei-ne Führung durch oben genannten Fachmann in wahrlich atemberaubendem Tempo entlang der Highlights des Israel-Museums (Pilatus-Inschrift, David-Stele, der aus dem Seminar wohlbekannte Kultständer).

ושם יד

Die anschließende Busfahrt beförderte uns aus der fernen in die jüngere Ver-gangenheit. Die israelische Shoah-Gedenkstätte Yad Vashem schildert auf ein-drückliche, ergreifende Weise das Schicksal der Juden im Nationalsozialismus. Die Eindrücke und Erfahrungen des Nachmittages sind nicht angemessen in Worte zu fassen – das sich aus der Shoah ergebende Trauma für das gesamte Judentum ist jenseits aller Vorstellungskraft. Uns bleibt an dieser Stelle nichts weiter zu sagen, als der Hoffnung Ausdruck zu verleihen, wie es auch über dem Tor zur Gedenkstätte geschrieben steht:

„Und ihr werdet erkennen, dass ich der HERR bin, wenn ich eure Gräber öffne und euch, mein Volk, aus euren Gräbern steigen lasse.

Und ich werde meinen Geist in euch legen, und ihr werdet leben,

und ich werde euch auf euren Boden bringen, und ihr werdet erkennen, dass ich der HERR bin.

Ich habe gesprochen, und ich werde es tun!“ (Ezechiel 37,13f.)

Benjamin Blum und Hendrik Krüger

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DONNERSTAG, 10.10.2013 – TUNNEL, TEMPLE MOUNT SIFTING PROJECT, QUMRAN, TOTES MEER

„„AANNYY QQUUEESSTTIIOONNSS?? NNOO?? GGOOOODD!!““

Als nun das Volk aus seinen Zelten auszog, um durch den Jordan zu gehen, und als die Priester die Bundeslade vor dem Volk hertrugen

und an den Jordan kamen und ihre Füße vorn ins Wasser tauchten – der Jordan aber war die ganze Zeit der Ernte über alle seine Ufer getreten –,

da stand das Wasser, das von oben herniederkam, aufgerichtet wie ein einziger Wall, sehr fern, bei der Stadt Adam, die zur Seite von Zaretan liegt;

aber das Wasser, das zum Meer hinunterlief, zum Salzmeer, das nahm ab und floss ganz weg. So ging das Volk hindurch gegenüber von Jericho.

Und die Priester, die die Lade des Bundes des HERRN trugen, standen still im Trockenen mitten im Jordan.

Und ganz Israel ging auf trockenem Boden hindurch, bis das ganze Volk über den Jordan gekommen war.

(Jos 3,14-17)

Nachdem uns die lieblichen Klänge des allmorgendlichen, automatischen Weck-anrufs sanft aus den Betten geklingelt hatte, machten wir uns nach der letzten Nacht im Casa Nova Hotel auf den Weg zur Westmauer.

Dort angekommen schleifte uns der Guide einmal schnell durch den Tun-nel, der uns über eine Länge von 485m den unterirdischen Teil der Westmauer des Tempelberges ent-langführte. Die uns bereits bekann-ten, typisch herodianischen Stein-quader der Mauer konnten uns wohl, trotz ihrer imposanten Größe, nicht beeindrucken. Aber die Überlegung, dass sich über einem das muslimi-sche Viertel der Jerusalemer Altstadt mit ihren Wohnhäusern und Geschäf-ten befindet, verschaffte ein ein-drückliches Bild, wie sehr sich Jeru-salem in den letzten 2000 Jahren gewandelt haben muss. Einen weite-ren bleibenden Eindruck hat vielleicht auch die kleine Synagoge bei uns hinterlassen, die auf einmal mitten im Tunnel auftauchte. Hier sahen wir einige jüdische Frauen an dem Ort beten, der ihnen die größtmögliche Nähe zum Allerheiligsten bietet. Je-

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doch eilte unser Guide schnell weiter, zeigte uns eine Zisterne, das Warren-Tor und eine alte römische Straße, ging indes jedoch kein Risiko ein, sich von wo-möglich unsinnigen Fragen unsererseits behelligen zu lassen: „Any Questions? No? Good!“

Auf dem anschließenden Weg zum Temple Mount Sifting Project warnte Ruth ihre Reisegruppe und sprach: „Man arbeitet dort mit Wasser und bleibt nicht mehr ganz putzig!“ Und sie sollte Recht behalten, denn nach einer kurzen Einführung durch einen der Mitarbeiter vor Ort, versammel-ten wir uns in kleinen Gruppen um große Siebe und begannen, die Erde vom Tempelberg unter Einsatz von viel Wasser nach antiken Schätzen zu durchsuchen. „Wer sich keine Scherben angucken will, stellt sich an die Seite und reicht Wasser, Sonnencreme...die üblichen Diener-tätigkeiten eben.“ Obwohl diese, von Herrn Rösel vorgeschlagene, alterna-tive Beschäftigung auch recht reizvoll war, beteiligten sich alle an der Suche. Neben unzähligen Tonscher-ben (dem Plastik der Antike), Glas-scherben und Mosaiksteinen, brachte unsere Gruppe zwei Siegelringe und einen Teil eines Armreifs zutage. Auch wenn wir diese Funde nicht be-halten durften, so bekam doch jeder von uns ein Zertifikat, das bestätigt, bei der Enthüllung der antiken Ver-gangenheit Jerusalems geholfen zu haben. Wenn man damit seinen Le-benslauf nicht aufpolieren kann, wo-mit sonst?

Anschließend fuhren wir mit dem Bus zu den Höhlen von Qumran und Ruth warnte ihre Reisegruppe vor den Gefahren der Wüste und sprach: „Kopfbede-ckung ist Pflicht, und viel trinken!“

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Und tatsächlich, wir hörten auf Ruths Warnun-gen und waren nur leicht erschlagen von der Hitze, als wir aus dem Bus stiegen. Dort durf-ten wir zunächst ein cineastisches Meisterwerk bestaunen, anhand dessen uns das Leben der Essener nahegebracht wurde. Nach dem Film schob sich die Leinwand auch ohne „Sesam öffne dich“ beiseite und machte den Weg frei zu den sagenumwobenen Höhlen von Qumran. Bei 35°C im Schatten wanderten... schlichen wir durch die Überreste von Qumran. Auch der Kommentar von Ruth, dass hier sonst 40... ach!... 50°C herrschen, wollte bei uns nicht für kühle Gedanken sorgen.

Von Qumran aus fuhr Amir einen Bus voll ver-schwitzter Wüstenbesucher zu den Stränden des Toten Meeres. Die Gruppe stürzte sich, wenn auch vorsichtig, in die Fluten. Plötzlich entdeckten einige furchtlose Schwimmer mys-teriösen Schlamm auf dem Grund des Meeres. Innerhalb weniger Minuten schwammen schwarze Mitteleuropäer durch tödliche orien-talische Gewässer. Dabei wurde auch die ein oder andere sinnliche Erfahrung ganz eigener, schlammiger Art gemacht.

Nach dieser Beauty-Kur brachte uns Amir zum Hotel in Jericho, welches schon von Weitem erahnen ließ, welchen Luxus wir dort erwarten konnten. Gleich nach der Ankunft sammelte sich ein Teil der Gruppe am Pool, plantschte und zog seine Bahnen. Als die Kunde vom Abendessen an unser Ohr drang, verlie-

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ßen wir das kühle Nass um unsere darbenden Leiber zu füllen. Auffallend war die hohe Anzahl von Hotelangestellten, die sich rund um das üppige Buffet postiert hatten. Nach dem köstlichen Schmaus scho-ben wir ein paar Tische auseinander und bildeten einen Stuhlkreis. Obwohl unsere Tischnachbarn andächtig lauschten, was wir wohl zu bereden hätten, kam die Runde nicht über zwei Wortmeldungen hinaus. Es wollte eben keiner von uns die Gruppe aus Deutschland durch eine brüllende, alles übertönende Runde repräsentiert wissen. Deshalb zogen wir in einen gemütlicheren und leiseren Raum, wo ein jeder Gehör fand. Und als ob die allgemein schon heitere Stimmung nicht bereits Grund genug zum Feiern gewesen wäre, gab es noch auf einen Geburtstag anzustoßen.

Aber wie heißt es so schön: What happens in Jericho, stays in Jericho.

David Walter und Birk Hannemann

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FREITAG, 11.10.2013 – EIN GEDI, MASSADA, BET JALA

""AAUUCCHH WWEERR NNIICCHHTT WWIILLLL,, HHAATT GGEELLEERRNNTT""

Zu der Zeit kam Johannes der Täufer und predigte in der Wüste von Judäa und sprach: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!

Denn dieser ist's, von dem der Prophet Jesaja gesprochen und gesagt hat: »Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste:

Bereitet dem Herrn den Weg und macht eben seine Steige!« Er aber, Johannes, hatte ein Gewand aus Kamelhaaren an und einen ledernen Gürtel um seine

Lenden; seine Speise aber waren Heuschrecken und wilder Honig. Da ging zu ihm hinaus die Stadt Jerusalem und ganz Judäa und alle Länder am Jordan

und ließen sich taufen von ihm im Jordan und bekannten ihre Sünden. Als er nun viele Pharisäer und Sadduzäer sah zu seiner Taufe kommen, sprach er zu ihnen:

Ihr Schlangenbrut, wer hat denn euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet? Seht zu, bringt rechtschaffene Frucht der Buße!

Denkt nur nicht, dass ihr bei euch sagen könntet: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott vermag dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu erwecken.

Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. Darum: jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.

Ich taufe euch mit Wasser zur Buße; der aber nach mir kommt, ist stärker als ich,

und ich bin nicht wert, ihm die Schuhe zu tragen; der wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.

(Mt 3,1-11)

Es ist 6.30 Uhr israelischer Zeit, der Wecker klingelt, um die wissensdurstigen Reisenden zu einem neuen, aufregenden, vielversprechenden Tag zu wecken. Von diesem ahnen sie jedoch noch nichts, denn der gestrige Tag endete für die meisten erst in den frühen Morgenstunden, und das Bett im 5-Sterne-Luxus-Hotel lädt einfach zum Liegenbleiben ein.

Bis zu dem Treffen um 8.15 Uhr packen einige erst einmal (mehr oder weniger gewaltsam) ihre Koffer, andere schleppen sich tapfer, nach Kaffee lechzend, zum Frühstück, um dort festzustellen, dass die Kaffeeversorgung durch die be-mühten Kellner sehr sparsam geschieht.

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Nachdem sich alle zusammengefunden haben, brechen wir auf, die älteste Stadt der Welt zu erkunden, beginnend bei der archäologischen Grabungsstätte Tell es-Sultan. Auf der Fahrt dorthin versorgt Ruth uns mit den wichtigsten Fakten zur Stadt Jericho, außerdem singen wir dem Geburtstagskind Annemarie ein Ständchen.

Als wir schon auf dem Parkplatz stehen, bemerkt die Reiseleitung, dass sie sich aufgrund der Zeitverschiebung vertan hat und die Ausgrabungsstätte noch ge-schlossen ist („Oh, dann hätten Sie ja eine Stunde länger schlafen können...“), sodass Ruth kurzerhand improvisiert und uns den Ausblick auf den Berg der Versuchung zeigen will. Wir fahren mit dem Bus durch Jericho, Ruth erzählt uns, dass die Stadt seit 1997 zum palästinensischen Autonomiegebiet gehört. Jericho sei modern, aber zerrissen. Herodes, der unter Größen- „mit“ Verfol-gungswahn gelitten haben soll, sei hier gestorben. Ruth weist auf die Symbolik seiner tatsächlichen Todesursache hin: Er soll von innen zerfressen worden sein.

Am Berg der Versuchung – es sind gefühl-te (oder wirkliche, wer weiß das schon) 40°C im Schatten – zeigt Ruth uns das verlassene Kloster. Doch besonders die spontanen Eindrücke wirken auf unsere Gruppe: Eine kleine amerikanische Reisegruppe liefert eine spontane Gospel-Einlage („Hallelujah!“), Tierfreunde wer-den durch ein touristenfreundliches Kamel abgelenkt, was Ruth auch gleich dazu anregt, einen kleinen Kamel-Exkurs zu machen:

Die Kamele haben ja sehr besondere Ei-genschaften, mit ihren Höckern und so, können voll lange ohne Wasser auskom-men, und WENN sie doch mal Nahrung entdecken, machen sie das auch total ausgebufft, dass sie nämlich mal hier, mal dort was abknabbern, damit sie die Sträucher nicht völlig zerfressen. (Frei nacherzählt)

Einfach schlau! Und obwohl mancherorts Kamelfleisch gegessen wird, essen die Beduinen, die oft Kamele als Begleiter haben, sie eben nicht. Denn: „Ein Bedui-ne isst nicht seinen Freund.“ Margarete reitet zu guter Letzt sogar noch kurz auf dem Kamel, alle Tierfreunde wollen noch anfassen und fotografieren. Dann fah-ren wir zurück zu den Ausgrabungen.

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Nach kurzem Treppenaufstieg können wir den ältesten Turm der Welt betrach-ten. Ruth erzählt von Kathleen Kenyon, die die Archäologie mit ihrer Arbeit be-gründet hat. Wir sprechen über die Problematik für Fundamentalisten, die Fun-de anzuerkennen, die so gesehen älter als die Weltschöpfung sind.

„Gott hat Dinosaurier-Knochen als Fossile geschaffen, um unseren Glauben zu testen.“

Am höchsten Punkt erhalten wir einen Blick auf das klassische Jericho: Überall wird Landwirtschaft betrieben. Ruth nennt Orte bei Jericho, die in biblischen Ge-schichten vorkommen.

Wir fahren weiter zur Taufstelle Jesu. Der Jordan sei immer schon wichtig für die Leute gewesen, denn durch ihn wären sie in Sommer und Winter mit Wasser versorgt. An der Taufstelle, die wir besuchen, sei nach der Elijah-Tradition die Auffahrt in den Himmel lokalisiert. Am Jordan haben wir 20 Minuten Zeit und können mehrere „Taufen“ beobachten. Der Fluss ist zugleich die Landesgrenze; auf der anderen Seite sind Soldaten zu sehen, obwohl seit 1995 Frieden mit

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Jordanien herrscht. Die Stelle auf jordanischer Seite ist in schlechterem Zu-stand. Einige erinnern sich an die Exkursion nach Jordanien, auf der sie am an-deren Ufer standen.

Wir machen uns zur Weiterfahrt nach Ein Gedi auf. Herr Rösel bedankt sich bei Ruth, dass die Reise durch das palästinensische Autonomiegebiet und spontane Planänderungen mit ihr so unproblematisch möglich sind. Als Annemarie Herrn Rösel die landestypische Nussmischung anbietet, lehnt er ab:

„Wenn der liebe Gott gewollt hätte, dass wir DAS essen, hätte er uns Schnäbel wachsen lassen.“

Hendrik blickt sich um und stellt mit Entsetzen fest, dass Olli ein ominöses Heißgetränk im Pappbecher in der Hand hält.

„IST DAS KAFFEE?!?!?“ – „Kannst was abhaben.“

Sie einigen sich auf den letzten Schluck. Wenige Minuten später:

„Oh. Jetzt habe ich ihn doch ausgetrunken.“

Ruth erklärt uns, was wir aus dem Bus heraus sehen können: weite, weite Landschaft! Sie erzählt uns die David-Geschichte, erklärt die „Schlucklöcher“, wo einst das Tote Meer war, ernennt das Heilige Land zum fünften Evangelium. Außerdem möchte sie sichergehen, dass wir die Bibeltexte (Gott, du gibst mir Schatten) jetzt, wo wir leiblich im Heiligen Land sind, auch richtig verstehen, denn dankbar für Schatten sind wir alle.

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In kleinen Gruppen oder jeder für sich durchwandern wir die vielfältige, wun-derschöne Oase Ein Gedi. Ruth zeigt uns kleine Klippschliefer, deren Abstam-mung vom Elefanten und putzige Art alle begeistert. Selbst Bilder können nicht beschreiben, wie herrlich die dortige Natur ist, und wie lebendig man sich fühlt, mitten darin.

Mittagspause. Nachdem alle sich nach und nach wieder eingefunden und mit Sandwich und/oder Eis gestärkt haben, fahren wir weiter nach Massada. He-rauszubekommen, wer mit welchem Fortbewegungsmittel den Berg erklimmen möchte, raubt Herrn Rösel fast den letzten Nerv. Am Ende machen sich einige Wahnsinnige zu Fuß auf, bei 35°C in der prallen Sonne den Schlangenpfad zu erklimmen. Die geistig Gesunden nehmen, nach anspruchsvollem, 10 Minuten füllendem und – gelinde gesagt – melodramatischem Film, die Seilbahn und ge-nießen den Blick aus ebendieser.

Manche nehmen den Anstieg leicht hin, andere brauchen länger, quälen sich mühevoll und sind, oben angekommen, trotzdem froh, gelaufen zu sein. – Ver-rückte! Von einem amerikanischen Guide schnappen die Wartenden die Bestzeit des amtierenden Champions des Schlangenpfad-Aufstieges auf, woraus sich fol-gendes Ranking ergibt:

1 Champion: 18 Minuten!

2 Benni: 20 Minuten!

3 Kris: 20:30 Minuten

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Die meisten erholen sich keuchend, während wir noch auf die letzte Kommilito-nin warten, die von dem äußerst geduldigen Herrn Rösel von oben einen letzten Motivationsschub für die letzten Meter zugerufen kriegt:

„Kommen Sie bitte! Wir warten auf Sie!“

Als alle da sind, machen wir uns auf. Wir schauen zunächst das Modell der An-lage, riesige Lagerräume, die festungseigene Saunalandschaft und den Aus-sichtspunkt an. Ruth möchte uns wohl den bereits erwähnten Größenwahn il-lustrieren, verfolgungswahntechnisch spricht Massada ja für sich. Da uns nicht mehr allzu viel Zeit bleibt, mahnt sie zwischendurch:

„Nicht trotteln!“, und richtet sich dabei wohl an die Trödelnden.

Zum Schluss wollen wir uns in der Synagoge versammeln, eine der ältesten Sy-nagogen der Welt, in der sich noch eine andere Reisegruppe aufhält. Rösel ist die Ruhe selbst:

„Dass man da immer so lange erklären muss!“

Als die anderen dann gehen, sagt Ruth schuldbewusst:

„Hoffentlich haben wir nicht gestört...“

„Und wenn!!“ ist Herrn Rösels Sicht der Dinge.

Als Ruhe eingekehrt ist, weist Ruth rührend auf die Botschaft der Festung Mas-sada für das jüdische Volk hin. „Wir sind stark, frei und stolz, wir lassen uns nicht verdrängen, wir wehren uns.“ sagt sie. Dann verabschieden wir uns herz-lich voneinander, wir von unserem liebenswerten Guide, sie von ihrer „Jugend“.

„Auch wer nicht will, hat gelernt!“, meint Ruth.

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Wir besprechen kurz den kommenden Abend, mit einigen Furchtlosen beharrt Herr Rösel darauf, trotz nahender Schließung der Anlage und Verbot des Auf-sichtspersonals, noch den Palast an der Nordspitze zu besichtigen. Die anderen treten den Rückweg an. Als alle unten sind, machen wir uns mit dem Bus auf die Fahrt nach Bet Jala. Kris bietet Hendrik etwas zu Essen an, der greift ver-trauensvoll zu und fragt dann:

„Was ist das überhaupt?!?“

„Vollkornbrot.“

Hendrik gibt es erschreckt zurück.

„Ach Gott! Ich dachte, das wär'n Keks!! … So dringend ist es dann doch nicht!“

Als wir endlich Abrahams Herberge erreichen, verteilen wir schnell die Zimmer, essen bald Abendbrot, um uns danach in der obligatorischen Abend-Runde zu versammeln. Die Eindrücke sind gewaltig, alle sind überwältigt und erschöpft nach diesem ereignisreichen Tag. Danach zerstreuen sich alle in kleine Runden und lassen den Abend gemütlich, bei einem Bier, oder zwei, oder drei, oder vier, oder

fünf, ausklingen.

Angaben und Eindrücke sind stark subjektiv und ohne Gewähr!

Rebekka Tibbe und Kristin Bartens

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SAMSTAG, 12.10.2013 – TALITHA KUMI, HERODION, HEBRON, BETHLEHEM

""OOHH JJEE,, DDUU FFRRÖÖHHLLIICCHHEE……""

Als Jesus geboren war in Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen:

Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten.

Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem, und er ließ zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes

und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte. Und sie sagten ihm:

In Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten »Und du, Bethlehem im jüdischen Lande,

bist keineswegs die kleinste unter den Städten in Juda; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.«

(Mt 2,1-6)

Froh und munter ging es – nach kleineren Problemen mit dem arabischen Zeit-management - um 7.20 Uhr los: zur ältesten evangelischen Schule Talitha Kumi in Bet Jala zum Gespräch mit Lehrern über dieses besondere Projekt und die damit verbundenen Probleme und Hoffnungen. Der steile Anstieg zu der auf ei-nem Berg gelegenen Schule brachte nicht nur den Kreislauf in Schwung, son-dern auch unbeschreibbare Freude in die Gesichter der Reisenden, zumindest bis unser Bus uns mit einem lachenden Amir am Steuer überholte. Oben ange-kommen, wurden wir sogleich von Herrn Zaki Issa, einem der Deutschlehrer, empfangen und zum Gespräch eingeladen. Der aramäische Name „Talitha Ku-mi“ – „Mädchen, steh auf!“ (Mk 5,41) – deutet schon an, worum es sich hier dreht: 1851 gegründet als Mädchenwaisenhaus und -internat (seit etwa 30 Jah-ren werden nun auch Jungen betreut), ist die ev.-luth. deutsch-palästinensische Privatschule mit 850 Schülern (40 % Muslime, 60 % Christen) heute nicht nur Bildungs-, sondern auch Begegnungszentrum. Besonders deutlich wurde dies an den beiden Eingangstoren zur Schule. Während sich das Osttor zur palästinensi-schen Zone A öffnet, liegt das Westtor an der israelisch verwalteten Zone C…

Eindrücklich war das merklich gelebte Leitbild „Bildungsarbeit ist Friedensarbeit“, das Zaki Issa mehrmals mit den Worten „Friede passiert von unten nach oben“ bekräftigte. Man darf ge-spannt sein, wer aus unserer Gruppe der Einladung Zakis folgt und zum Freiwilligendienst an der Schule zurückkehrt.

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Nachdem unser neuer Guide Kamal auf-gelesen worden war, ging es unter gewohnt strahlend blauem Himmel zu Herodes‘ Lust-palast, dem Herodion. Nach überraschend kurzem Aufstieg – das Massada-Trainings-lager schien sich auszuzahlen – genossen wir die großartige Aussicht über wahlweise lega-le, halblegale oder auch ganz illegale isra-elische Siedlungen. Beeindruckend war zu se-hen, wie viele der biblischen Geschichten in Sichtweite stattgefunden haben/haben sollen. Bei der anschließenden Sightseeing-Tour in-klusive erdbebensicherer Sauna und Synago-ge wurde teils eher gedämpfte Freude über den x-ten Tunnel geäußert, den wir auf unse-rer Reise betreten mussten. Zu guter Letzt gab es noch ein wahres Oscar-reifes Histori-enepos zur Person Herodes im Kino, beson-ders die Synchronisation wusste hier zu ge-fallen.

Anschließend ging es weiter gen Hebron und direkt ins Getümmel des Altstadtmarktes. Klar im Vorteil waren jene von uns mit guter Sehschärfe, um Kamals angeblich wegwei-senden Disney-Luftballon nicht aus den Au-gen zu verlieren. Es folgte eine 20-minütige Sinnesexplosion mit teilweise recht intensi-vem Körperkontakt mit Verkäufern, Musik, Geschrei, Tausenden von Kindern, Eseln, Au-tos und uns als Hauptattraktion mitten drin, begleitet von zahlreichen „Welcomes“, „Bar-bie, Barbie, come here“ und „Ahhh, you from Dschörmennie? I make you good price!“ Zu-dem wurde festgestellt, dass doch viele Jungs dieselbe Mutter haben müssen, die nur für sie in liebevoller Handarbeit hübsche Palästina-Armreifen bastelt. Doch nicht nur im Ver-gleich zum Jerusalemer ultraorthodoxen Vier-tel Mea Shearim war dies eine völlig andere Welt, auch zur jüdischen Enklave ein paar Schritte weiter inmitten der Altstadt Hebrons war es ein Unterschied wie Tag und Nacht –

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zugegebenermaßen war ja aber auch gerade Sabbat. Erlebnispädagogischen Ansätzen für die Damen folgend ging es in blauer Arbeitsschutzkleidung in die Moschee zu den Gräbern der Patriarchen (Machpela), in der 1994 der jüdische Extremist Baruch Goldstein 29 betende Muslime getötet und um die 200 weitere verletzt hatte. Dass es in einer israelischen Nachbarsiedlung ein Denkmal für eben jenen Mann gibt, sowie der von Soldaten, Kontrollen und Bände sprechen-den Wandbildern gesäumte Weg zurück ins palästinensische Hebron zeigt bes-ser als jedes Museum oder jede Dokumentation die Dramatik, die Härte und den Wahnsinn dieses Konflikts.

Auf dem Rückweg ging es in Kolonialherrenmanier zur Mittagspause ins Restau-rant Zalloum. Nachdem die halbe Kundschaft für uns rausgescheucht oder um-gesetzt worden war, gab es schließlich unter rotblinkenden Deckenherzen „Schawerma“ und für die Vegetarier ein interessantes Käsebrötchen.

Die Kritiker gaben sich ob des Essens und des doch recht rüden Einmarsches uneinig: „Hätt‘ ein bisschen mehr sein können. War aber lecker!“ „Wär‘ am liebsten draußen geblieben.“ Obwohl wir wieder die Attraktion des Tages waren – außer uns wurden in Hebron nur drei weitere offensichtliche Touristen gesich-tet –, gab es eine lockere und fröhliche Atmosphäre im quasi ausschließlichen Frauenpublikum und vor allem auch einen Einblick in ein Stück palästinensische Alltagskultur.

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Am späten Nachmittag ging es letztendlich noch zur Geburtskirche nach Bethlehem. Highlights waren neben den Nürnberger Kronleuchtern mit Energiesparlampen von verschiedenstem Design sicher die Bodenmosaike und die, besonders im Vergleich zur Grabeskirche, selbst beim Geburts-stern im orthodoxen Teil geradezu andächtige und entspannte Stimmung. Nur ein „Avanti!“ hier und da oder ein geflötetes „Oh du fröhliche!“ sorgte zwischendurch für Irritation und Schmun-zeln. Abgerundet wurde unsere Tour schließlich von einer Tupper-Party bei Kamals Freunden, bei welcher es dann zwar irgendwie doch nichts zu trinken, dafür aber viel echte Handarbeit mit Ra-batt (satte 20 %!) gab. Und schöne Andenken für den Reiseleiter, welcher vorherige wiederholte Anpreisungen von Straßenverkäufern doch recht vernichtend mit einem „Nein, das sieht sch***** aus!“, abgewehrt hatte.

Zu Abend, wieder zurück im Hotel in Bet Jala, trafen wir uns zum Gespräch mit Mohammed. Wir lernten das evangelisch-lutherische Friedenspro-jekt „Abrahams Herberge“ näher kennen, einen Begegnungsort für Muslime, Juden und Christen. Hier finden u.a. Gottesdienste und nachmittägli-che Angebote für Jugendliche statt, insbesondere für sozial benachteiligte. Bewegend und beklem-mend zugleich war es, den Ausführungen über den Nahost-Konflikt und die Folgen der zwei Inti-fadas eines unmittelbar Betroffenen zuzuhören. Die Aussicht auf einen möglichen dritten Aufstand Palästinas gegen Israel oder z.B. die Tatsache, dass 400 israelische Siedler in Hebron von 2000 Soldaten bewacht werden, machen die verhärte-ten Fronten sichtbar. Dessen ungeachtet betont Mohammed unermüdlich „Hope is everything“ und schloss mit den Worten, mit denen uns Zaki Issa morgens in das Friedensprojekt Talitha Kumi einführte: „Peace from bottom to top – Friede passiert von unten nach oben“.

Juliane Renken und Kris Seidel

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SONNTAG, 13.10.2013 – RÜCKREISE

AAUUFF EEIINN WWIIEEDDEERRSSEEHHEENN!!

"Jerusalem, das in vielerlei Hinsicht so liebenswert, in anderer so hasserfüllt ist, nur so strotzt von Heiligem und Taktlosem, von grotesk Vulgärem und ästhetisch Erlesenem, scheint intensi-

ver zu leben als jeder andere Ort; alles bleibt gleich, und doch steht nichts still. […]

Es ist eine Stunde vor Morgengrauen in Jerusalem. Der Felsendom ist geöffnet: Muslime beten. Die Westmauer ist immer zugänglich: Die Juden beten.

Die Grabeskirche ist geöffnet: Die Christen beten in mehreren Sprachen. Über Jerusalem geht die Sonne auf, die Strahlen lassen die hellen herodianischen Steine der

Westmauer fast schneeweiß leuchten – genau wie Josephus es vor zweitausend Jahren be-schrieben hat – und treffen auf das herrliche Gold des Felsendoms, das in der Sonne funkelt.

Die göttliche Esplanade, wo Himmel und Erde sich treffen und Gott dem Menschen begegnet, ist noch ein Reich, das sich menschlicher Kartographie entzieht. Das können nur die Sonnenstrah-

len leisten, und endlich fällt das Licht auf das erlesenste, mysteriöseste Bauwerk Jerusalems. Sobald es im Sonnenlicht glänzt, verdient es seinen Namen. Aber das Goldene Tor bleibt ver-

schlossen, bis der Jüngste Tag anbricht."

(aus: Simon Sebag Montefiore, Jerusalem – Die Biographie, Frankfurt 22012, S. 725.731)

Der letzte Tag einer sehr eindrucksvollen Reise begann für den größten Teil der Reisegruppe, mit dem Frühstück um 7.30 Uhr, etwas zu früh. So hatten doch viele den letzten Abend der Reise in "Abrahams Herberge" in Bet Jala genutzt und haben noch einmal in gemütlichen Runden, teilweise bis tief in die Nacht hinein, zusammengesessen.

In einer Andacht wurden um 8.30 Uhr an die Höhepunkte der Reise erinnert und auch erneut auf die angespannte Lage zwischen Israel und Palästina hingewie-sen. In einer Geschichte von drei Bäumen, welche auf Erwartungen, Enttäu-schungen und eine schließlich positive Wendung anspielt, wurden für jeden Pa-rallelen zu den eigenen Reiseerfahrungen deutlich. Dem abgewandelten Schlusszitat aus Johannes 3,13 – "Niemand fährt weg, wie er gekommen ist" – wurde eine Brücke geschlagen, welche die Eindrücke aller beschreibt. So ist doch diese Reise mit ihren vielseitigen kulturellen Eindrücken an niemandem spurlos vorübergegangen. Besonders auf die vielseitigen Unterschiede zwischen Palästina und Israel und dem ungewissen Ausgang dieses Konfliktes wurde zum Ende der Andacht eingegangen. Gemeinsam wurde "Shalom Chaverim" gesun-

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gen und noch einmal ausgedrückt, was man sich für die Zukunft dieser in Span-nung lebenden Region wünscht: Frieden!

Nach der Andacht hieß es, den Zeitplan einzuhalten, und so versuchte jeder schnellstmöglich mit seinem Gepäck vor das Hotel zu gelangen. Planmäßig setz-te unser Busfahrer Amir um 9.10 Uhr zur Fahrt an, als erneutes Zählen der Rei-segruppe wieder belegte, dass zwei Personen fehlten! Doch als der Busfahrer den Bus rückwärts aus der engen Haltebucht steuerte, verließen für alle gut sichtbar die letzten beiden Personen das Hotel. Nachdem diese eingesammelt waren, konnte die lange Rückreise nach Deutschland mit 5 Minuten Verspätung beginnen.

Die erste Etappe von etwa 60 Kilometern führte von Bet Jala zum Flughafen Ben-Gurion bei Tel Aviv. Von den engen Straßen der Altstadt Bet Jalas gelang es, dank der erhöhten Sitzposition im Bus, den einen oder anderen Blick in westjordanische Häuser zu werfen. Der Anblick von schwer bewaffneten Solda-ten am Checkpunkt der israelischen Sperranlagen war mittlerweile schon fast zur Gewohnheit geworden. Ohne Komplikationen war es uns möglich, was den Bewohnern im Westjordanland verboten ist: Die Sperranlagen frei zu durchque-ren. Auf der israelischen Seite der Sperranlagen wurden die Straßen breiter und mehrspurig. Man hatte in vielerlei Hinsicht das Gefühl, von jetzt auf gleich in einer anderen Welt gelandet zu sein! Wie ein Sprung vom Orient direkt in ein westeuropäisches Land der Mittelmeerküste. Umgehungsstraßen und Autobahn, ähnlich ausgebaute Fernverbindungsstraßen, stimmten die Gruppe auf einen baldigen Abschied von Israel ein. Im Bus schrieben einige noch die von den Da-heimgebliebenen sehnsüchtig erwarteten Postkarten.

Vor Erreichen des Flughafens herrschte ein Anflug von Verwirrung und Ratlosigkeit unter den Reisenden. Es wurde von Befragungen seitens des israelischen Zolls berichtet, bei denen man als Aufenthaltsort nicht Orte im Westjordanland angeben sollte. Würde der Verdacht auf einzelne Personen fallen, so hätten diese mit verschärf-ten Sicherheitskontrollen zu rechnen. Es wurde sich darauf verständigt, dass bei den Aufenthaltsorten erst einmal Jerusalem angegeben werden sollte, um die Zöllner nicht unnötig auf die Gruppe aufmerksam zu machen. Die gesamte Reisegruppe hatte es aller-

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dings bis 12.10 Uhr geschafft, ohne umfangreichere Kontrollen für den Flug LH 683 von Tel-Aviv nach Berlin einzuchecken.

Im Duty-Free-Bereich nutzten viele noch einmal die Möglichkeit, sich mit Souvenirs einzudecken. Das Boarding konnte mit einer Verspätung von 20 Minuten schließlich um 14.20 Uhr beginnen. Nachdem alle Passagiere das Flugzeug betreten und ihre Plätze eingenommen hatten, gab der Flugkapitän den Grund für die Verspätung be-kannt: Es war ein System-Reset der Toiletten-Feuermelderanlage nötig, um starten zu können. Der Spruch "Ich habe mich entschieden den Flug mit benutzbaren Toiletten durchzuführen!" sorgte bei den Passagieren für allgemeine Erheiterung und auch Erleichterung. Der Flug verlief ohne grö-ßere Komplikationen, und so wurde mit der vorausgegangenen Verspätung von 20 Minuten um 17.45 Uhr in Berlin-Tegel zur Landung an-gesetzt.

Dank schneller Kofferrückgabe war es vielen möglich, rechtzeitig Busse und Bahnen in Richtung Rostock zu erreichen. Der letzte Tag, welcher durch die ca. 3.200 Kilometer lange Rückreise geprägt war, ging zu Ende.

Das Statement "Rösel-Reisen? Immer gerne wieder!" beschreibt wohl am bes-ten, was vielen unmittelbar nach ihrer Ankunft in Deutschland durch den Kopf ging. Viele Geschehnisse dieser Reise werden viele noch lange beschäftigen, und unvergängliche Erinnerungen an eine einzigartige Reise werden noch lange im Gedächtnis bleiben.

Tom Kupetz

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OOUUTTTTAAKKEESS,, OODDEERR:: WWIISSSSTT IIHHRR NNOOCCHH……

• Bei der Passkontrolle kurz vorm Sicherheitscheck in Berlin-Tegel fragte der Kontrollbeamte, der zufällig aus Plau am See stammte, einige von uns doch recht wirre Fragen: "Wo fliegen Sie hin? Über Jor-danien und Ägypten nach Israel? Oder doch über Ägypten und dann Jordanien? Was studieren Sie? Lehramt? Religion und Geschichte? Religion und Deutsch? Religion und … AWT?!"

• Herr Röcke (in der allabendlichen Runde nach dem Gang durch die beiden Tunnel): "Martin Rösel ist bestenfalls durchgeknallt!"

• "I make you good price! Because you are so beauti-ful!"

• Juliane Renken: "Excuse me, do you maybe have a trash can for my empty plastic glass?" Arabischer Händler: "Hmmmm... you want to buy something here?" – "Maybe, I'll have a look." Juliane durfte ihren Müll bei ihm entsorgen. Als sie letztendlich nichts kaufte und den Laden wieder verließ, schallte es durch den Suq: "This is all you leave me here? Your trash? You are trash!"

• Ruth: "Liebe Jugend! Ihr müsst trinken, trinken, trinken! Kopfbedeckung ist Pflischt, für alle! Und immer züschtisch anziehen!"

• Das Gerücht am Dienstag – Augenzeugen berich-ten: "Melanie geht in Burka, total verschleiert, nach Mea Shearim!"

• Jonas auf der Suche nach einem Flaschenöffner. M. Rösel: "Kann das nicht Olivers Handy?"

• "Was bist'n jetzt so?" (Hendrik)

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• Ruth über das Hadassah-Krankenhaus und die große Shopping-Mall dort: "Wenn man krank ist, hilft das Einkaufen vielleicht. Ein Buch, Zeitun-gen oder etwas anderes zu essen kann man dort kaufen."

• … wie wir in der Synagoge im Hadassah-Krankenhaus förmlich "Reise nach Jerusalem" gespielt haben? Immer, wenn die Musik lief, mussten wir aufstehen und die Plätze wech-seln… Zum Glück spielte die Entenfrau nicht mit, stimmt's, Hendrik?

• Im Suq im muslimischen Viertel in Jerusalem vor einer Schlachterei. M. Rösel: "So sehn Zie-gen aus, Schalalalala, so sehn Ziegen aus, Schaaaalalalalala!"

• M. Rösel auf der Fahrt zum Temple Mount Sif-ting Project: "Wer sich nicht mit den Scherben beschäftigen will, setzt sich an die Seite, macht kluge Kommentare, Fotos, reicht die Sonnen-creme – die üblichen Dienertätigkeiten eben."

• Ruth: "Beim Temple Mount Sifting Project be-schäftigt man sich mit Wasser, man bleibt also nicht ganz putzig."

• Beim Baden im Toten Meer. Um zu testen, wie viel Gewicht nötig ist, um Tom zu versenken, wird ihm von diversen Personen Schlamm auf den Bauch gestapelt. M. Rösel dazu: "Das ist der Turmbau zu Babel." Sascha: "Wohl eher der Turmbau zu Nabel…"

• M. Rösel zu jemandem mit USA-Basecap: "Scheiße Kappe!"

• Auf der Fahrt nach Ein Gedi. Ruth erklärt, dass der merkwürdige Geruch im Bus von den Schwefelquellen am Toten Meer herrührt. M. Rösel dazu: "Oder vom Sitznachbarn…"

• In Ein Gedi. Birk kommt am Aussichtspunkt oberhalb des Toten Meeres an. M. Rösel: "Na Birk, Sie alte Alpinkatze!"

• "Sie gucken immer so kritisch, Frau Gelse." (M. Rösel)

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• "Halt doch mal eben!" – der „Highländer“

• Kamal, unser palästinensischer Reiseleiter, im Kontext seiner Ausführungen zur Tem-pelentweihung durch Antiochus IV. Epipha-nes: "Die wollten ein Schwein im Tempel schlachten. Das war nicht ganz höflich!"

• Nach dem beschwerlichen und gefährlichen Gang durch den langen und engen Abwas-sertunnel aus herodianischer Zeit tauchen wir völlig unverhofft an der Westmauer des Tempels aus den Tiefen auf. Die Begeiste-rung in der Gruppe hält sich in Grenzen, aber M. Rösel kriegt sich gar nicht mehr ein: "Das ist echt geil, wenn ich das so sa-gen darf!"

• Bei der Auswertung des Tages abends in unserem 5-Sterne-Domizil in Jericho. Kers-tin berichtet von ihren Erfahrungen mit dem Schlamm aus dem Toten Meer: "Da ging mir voll einer ab... ich fand das Haptische so schön... es war schon alles ganz klit-schig... ich hab so lange mit den Fingern rumgespielt, es hat total gebrannt…“

• "Ihnen ist da was runtergefallen" – M. Rö-sels Allrounder…

• Christian zu Benjamin beim Baden im Toten Meer: "Du bist so hohl, du hast sogar Auf-trieb!"

• "Für die Inkontinenten: Hier ist die Toilet-te." (M. Rösel)

• Eine Etymologie von Ruth: Schlamassel = jiddisch ~ „Glück im Schlamm“

• In Notre Dame de Sion. Ruth: „Die Kreuzi-gung Jesu könnte man als Betriebsunfall der Geschichte bezeichnen.“

• "Die stehn hier voll auf mich!" – Birk in He-bron.

• Ruth in Massada vor dem Aufstieg: „Nicht trotteln!“

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• Melanie kopfschüttelnd nach dem Besuch der Grabeskirche: „Ich fühle mich in meinem Protestantisch-Sein heute sehr bestätigt.“

• Im Suq von Hebron. M. Rösel auf die Fra-ge, ob er ein Armband mit Palästina-Flagge kaufen will: „Nein! Das sieht scheiße aus!“ Der infantile Verkäufer der Armbänder: „Die hat meine Mutter selbst gemacht.“ [Hätte M. Rösel zu dem Zeitpunkt geahnt, dass er als Dankeschön am letzten Abend beinahe ein solches Armband bekommen hätte… Die Mutter des Verkäufers muss nämlich sehr fleißig sein, die Schmuck-stücke gab es sogar in Bethlehem zu kau-fen.]

• Der Sittenwächter auf dem Tempelberg/ Vorplatz der al-Aqsa-Moschee: „Nicht an-fassen!“

• Margarethe Kelm bei der abendlichen Ta-gesauswertung: „Der Hiskija-Tunnel war wie eine Pause mit Spaß.“

• M. Rösel: „Die Juden in Mea Shea-rim wirken irgendwie zufriedener als die Christen in der Grabeskirche…“

• M. Rösel auf dem Weg zum „Shrine of the Book“: „Hier geht es zunächst zu den Söhnen der Dunkelheit, da können sich ja einige zuordnen ... wir anderen gehen zu den Söhnen des Lichts, wo wir hingehö-ren.“

• „Zur Kreuzigung bitte hier entlang, aber jeder nur ein Kreuz!“ – M. Rösel in der Grabeskirche beim Einreihen in die Schlange zum Golgatha-Hügel

• "Wer im Wunderland nicht an Wunder glaubt, der ist kein Realist." (Kamal)

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(erschienen in der Ostsee-Zeitung, 29.10.2013)

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(erschienen in der Mecklenburgischen & Pommerschen Kirchenzeitung, 01.11.2013)

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"Jetzt stell dir vor, das ganze Land wäre dieses Scherut." "Dieses Scherut? Du bist betrunken."

"Nein. Hör zu: Mehr als sieben Millionen Menschen leben in Israel. Nimmst du die Westbank und Gaza dazu,

sind es sogar mehr als neun, fast zehn. Israel, dieses Land, die Idee des Zionismus, der palästi-nensischen Nation, des Heiligen Landes der Christen, dieser ganze Kram ist eigentlich der Ver-

such, diese zehn Millionen Menschen in ein, also in EIN Scherut zu setzen. Rein, Tür zu, ab geht's. Klappt natürlich nicht. Zehn Millionen in einem Scherut. Zu eng. Klar, oder?

Einer fängt an zu meckern, dass er die Beine nicht ausstrecken kann, dem Nächsten gefällt sein Nachbar nicht, der Dritte will am Fenster sitzen, der Vierte aber nicht am Gang.

Jeder bringt das beste Argument vor, warum er oder sie ein ewig-natürliches Recht auf genau diesen Platz in genau diesem Taxi hat. Sie schubsen sich, sie schlagen sich.

Schließlich kommt die Polizei in ihren hellblauen Uniformen, die verspiegelten Sonnenbrillen auf der Nase, das Hemd halboffen über der Brust. Sie zeigen nach links, rechts, unten, oben, die

eine Hand am Walkie-Talkie, in das sie nervös Befehle husten, die andere an der Waffe im Half-ter. Sie verzweifeln, weil ihnen klar wird, dass diese zehn Millionen niemals in dieses Taxi pas-sen werden. Die Stimmung wird schlechter, die Menschen prügeln sich um die lächerlich weni-

gen Plätze. Die Grenzpolizei rauscht auch noch an, in ihrem dunkelgrünen Kastenwagen. Einer ballert in die Luft, und die zehn Millionen laufen auseinander […]"

"Sag mal, wir haben doch das gleiche Bier getrunken, oder?" "Das ist nicht das Bier."

"Was dann?" "Das ist Israel."

(aus: Markus Flohr, Wo samstags immer Sonntag ist. Ein deutscher Student in Israel,

Hamburg 2001, S. 12f.)