Rekonstruktive Sozialarbeitsforschung und Biografie, München 2008 Gelingendes Arbeitsbündnis –...
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Rekonstruktive Sozialarbeitsforschung und Biografie, München 2008
Gelingendes Arbeitsbündnis – Passung
der Metaphern?
Metaphernanalyse in der qualitativ-empirischen Professionsforschung
Rekonstruktive Sozialarbeitsforschung und Biografie, München 2008
Themen & Thesen
• Kindesinteressen und advokatorische Dilemma – Skizze des Arbeitsfeldes
• Das kindschaftsrechtliche Verfahren: Pädagogisierende ‚Friedensstiftung‘ statt ‚Rechtsverfahren‘
• Kindesinteressenvertretung als juristisch-psychosozial-pädagogisches Arbeitsfeld
Arbeitsbündnis mit den Bezugspersonen - eine
metaphernanalytische Annäherung
Rekonstruktive Sozialarbeitsforschung und Biografie, München 2008
Juristisch-struktureller Rahmen für das Arbeitsfeld
‚Kindesinteressenvertretung`
seit 1998 kein Konsens zum Aufgabenprofil der Kindesinteressenvertretung
Entstehung zweier gegensätzlicher Lager zur Funktionsbestimmung von Verfahrenspflegschaft: „Sprachrohr des Kindes“ oder ...?
Rekonstruktive Sozialarbeitsforschung und Biografie, München 2008
§ 50 FGG [Pflegerbestellung]
(1)Das Gericht kann dem minderjährigen Kind einen Pfleger für ein seine Person betreffendes Verfahren bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist.
(2) ...
Rekonstruktive Sozialarbeitsforschung und Biografie, München 2008
Qualitativ-empirische Forschungsfragen
Was ist in dem Feld ‚Kindesinteressen und deren Vertretung‘ der „Fall“?
Welches professionelle Selbstverständnis, welche Berufspraxis haben Verfahrenspfle-gerInnen und RichterInnen entwickelt?
Welche Erwartungen haben jeweils andere Verfahrensbeteiligten (Kinder, Elternteile, Professionelle)?
Rekonstruktive Sozialarbeitsforschung und Biografie, München 2008
Grounded Theory (GT) als Forschungsmethodologie
Erhebung empirischer Daten
• ca.25 Problemzentrierte Interviews mit Familienrichtern, Verfahrenspflegern, Jugend-amtsmitarbeitern, betroffenen Kindern und Elternteilen (inkl. zweier Fallstudien)
• ca. 20 Rechtsdokumente
• Teilnehmende Beobachtung (zur „Theoretischen Sensibilisierung“ i.S.d. GTM)
Auswertungsmethoden
• Kodieren gemäß GT-Methode (nach Strauss/ Corbin)
• bei Teilen des Interviewmaterials:Systematische Metaphernanalyse (nach Schmitt)
•Auswertung in ForschungswerkstättenTriangulation von Daten, Perspektiven und
Methoden
Rekonstruktive Sozialarbeitsforschung und Biografie, München 2008
Was sind Kindesinteressen?
Umfassen Kindeswille und Kindeswohl;
Anerkennung der Individualität und des
Subjektstatus der Kinder;
Berücksichtigung ihrer Verwiesenheit
auf die erwachsenen Bezugspersonen
Rekonstruktive Sozialarbeitsforschung und Biografie, München 2008
These: Kindesinteressenvertretung als ‚advokatorisches Dilemma‘
Kindesinteressen
spannungsreiche Bipolarität von Autonomie und familialer Verwiesenheit
Kindesinteressenvertretung als Balance zum Schutz von Autonomie und Bindung
Rekonstruktive Sozialarbeitsforschung und Biografie, München 2008
§ 1627 BGB [Ausübung der elterlichen Sorge]
(1) Die Eltern haben die elterliche Sorge in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohle des Kindes auszuüben.
(2) Bei Meinungsverschiedenheiten müssen sie versuchen, sich zu einigen.
Rekonstruktive Sozialarbeitsforschung und Biografie, München 2008
These: Das kindschaftsrechtliche Verfahren als ‚kindzentrierte
Friedensstiftung'• Das Familiengericht greift als ‚soziale
Kontrollinstanz‘• aufgrund der Leitnorm Kindeswohl• in den elterlichen Konflikt ein, • mit dem Ziel - entsprechend den
subjektiven Bedürfnissen der Kinder -• eine adäquate Befriedung zu bewirken.
Rekonstruktive Sozialarbeitsforschung und Biografie, München 2008
Kindschaftsrechtliches Verfahren als kindzentrierte friedensstiftende
Intervention
Kontrollinstanz: Macht und Pflicht zur Intervention
(Äusserer Druck)
Beratung und mediative Elemente
(Psychosoziale Hilfe)
Ziel: Entwicklungschancen der Kinder sichern• gemäß den subjektiven Bedürfnissen des Kindes
• bei den Bezugspersonen entsprechende ‚Lern- und Veränderungsprozesse‘ anzuregen
Konstitutive Verknüpfung von
Handlungsmodell Verfahrenspflegschaft
(1) Anwaltliche Vertretung des Kindes
(2) Aufdecken der Fallkonstellation
(3) Sozialgeflechtsarbeit
Handlungsmodell Kindesinteressenvertretung
... neues Feld Sozialer Arbeit
Fallstudie Familie Menzel (Interview mit Tochter Lisa, Mutter, Vater, Verfahrenspflegerin,
Familienrichterin)
Rekonstruktion der Trennungsgeschichte • Trennung vor 6 Jahren• Tochter Lisa (damals 8) lebte bei Mutter• Seither mehrere Verfahren um Umgang und
Sorgerecht Mutter alleiniges Sorgerecht• Lisa (nun 14) wünscht Wechsel zum Vater• Mutter nicht einverstanden Neues
Verfahren mit Bestellung der Verfahrenspflegerin Frau Moritz
führte zu Veränderungsprozessen bei Mutter
Rekonstruktive Sozialarbeitsforschung und Biografie, München 2008
Fallstudie zu Familie Menzel
Metaphernanalytische Feinauswertung Metaphorische Konzepte bei Mutter und
Verfahrenspflegerin
subjektive Deutung zu Trennung und Erwartungen an prof. Bearbeitung
Gelingendes Arbeits-bündnis – Passung der metaphorischen Konzepte?
Rekonstruktive Sozialarbeitsforschung und Biografie, München 2008
Metaphorische Konzepte der Mutter
• die Familie ist ja nur noch aus Teilen bestehend
• wenn eine Familie jetzt zerbricht • wenn das jetzt bei uns zerbrochen ist • Und da (durch das Gespräch mit der
Professionellen, Anm. HS) begann das dann so allmählich, dieses Kaputte wieder sich aufzubauen
Trennungsfamilie als 'zerbrochenes Objekt'
• aber in der Familie, man braucht da keine amtlichen Personen rein holen. Amtliche Personen - hab ich mir gesagt - holen nur die rein, die keine Familie haben, die asozial sind. Wo es wirklich total kaputt ist - die holen das rein!
• eine Familienpflegerin versucht, dieses Dreieck Mutter-Kind-Vater wieder in eine Reihe zu bekommen. Nicht ähnlich wie eine Ehe, aber dass das Kind eine gewisse - na ja Geborgenheit nicht - aber so ein Fundament hat
• Sie vertritt die Interessen von der Lisa und der Herr Taube hilft Ihnen auf der Elternebene
• Und der Herr Taube hat da eine Linie rein gebracht.
Trennungsfamilie als ‚unaufgeräumte Häuser mit Fundament und mehreren
Ebenen‘
• wenn ich ruhiger gewesen wäre und vielleicht aber auch, wenn die Frauen ein bissel anders reagiert hätten, wäre es vielleicht auch ein bissel besser gelaufen.
• Ich wollte überhaupt keine Gespräche haben. Ich wollte erst mal meine Ruhe haben.
• Wir haben das ja so geregelt, dass die Kinder jedes Wochenende auch zusammen sind. Also dass da - wenn sie auch da und dort sind - aber doch gewisse Ruhe ist. Da hätte ich jetzt Ruhe für mich.
• Und da merke ich jetzt auch, dass jetzt aufgrund der Verfahrenspflege von der Frau Moritz eine gewisse Ruhe rein gekommen ist.
• Der Herr Taube hilft Ihnen auf der Elternebene, denn das muss da sein; das Kind kriegt dann mehr Ruhe!
Trennungskonflikt ist Lärm - Ruhe ist Frieden
Rekonstruktive Sozialarbeitsforschung und Biografie, München 2008
Implikationen aus den metaphorischen Konzepten an das Handeln der
Professionellen
• Die Familie ist ja nur noch aus Teilen bestehend; eine Familienpflegerin schafft das noch im gewissen Sinne zu erhalten.
• Und die Frau Moritz hat (...) also die Lisa da schon so vertreten, dass also beide (Elternteile, Anm. HS) nicht verletzt sind.
• Wenn eine Familie jetzt zerbricht (...) versucht eine Familienpflegerin
Professionelle sollen ‚heilen‘
• Mit den Gesprächen, die jetzt mit dem Herrn Taube sind, merke ich, dass da jetzt wieder Struktur rein kommt.
• Eine Familienpflegerin versucht, dieses Dreieck Mutter-Kind-Vater wieder in eine Reihe zu bekommen.
• Und da merke ich jetzt auch, dass jetzt aufgrund der Verfahrenspflege von der Frau Moritz eine gewisse Ruhe rein gekommen ist.
• Der Herr Taube hilft Ihnen auf der Elternebene, denn das muss da sein; das Kind kriegt dann mehr Ruhe!
• Die Richterin hat dort fest gelegt, also: Gespräche werden da geführt.
Prof. sollen ‚Ruhe und Ordnung rein bringen‘
Vergleich der metaphorischen Konzepte von Mutter und Verfahrenspflegerin
• VFP sieht ihren Auftrag darin, „den Eltern ein Stück deutlich zu machen, wo es hingeht“
• Und dass ich viel schneller als früher deutlich mache: Bis hierher und nicht weiter!“
• „Für`s Kind ist der Weg dazwischen, dazwischen geht‘s!. (...) So und so ist es! Und nicht anders! Punkt.“
• Die Eltern sollen „den Weg gedanklich und auch initiativ mitgehen“.
Professionelle zeigen, wo es lang geht!
VFP Frau Moritz: Also das ist auch etwas, was für die Richter wichtig ist, die sagen: "Wir brauchen keine dritte Streitpartei, die ihre Anträge stellen (...). Das bringt überhaupt keine Ruhe rein, sondern noch mehr Konflikt. Da kann ich beschließen, was ich will, das hat am Ende keinen Bestand. Das Verfahren kommt mir wieder rein. Also dann mache ich doch lieber und versuche so lange alles Mögliche, um die Eltern zu erreichen. Manchmal macht es ja Sinn!"
Ruhe & Einvernehmen ist Frieden Ziel
• Verfahrensziel: einvernehmliche Lösungen
VFP Frau Moritz: Und dass dann der Verfahrenspfleger durch die gewisse andere Position - der hat ja ein Stück mehr Macht als alle anderen - im Interesse des Kindes die auch ein Stück nutzen, sinnvoll nutzen, hier zu vermitteln zwischen denen und die zu erreichen (die Eltern, Anm. HS). Also das wäre für die Familienrichter eigentlich das Allheilmittel, dass der Verfahrenspfleger das macht.
Professionelle Helfer als 'Pfleger und Allheilmittel' I
VFP Frau Moritz: Aber der Richter ist das Allheilmittel: Irgendwann haut der mit der Faust auf den Tisch und sagt: „Nur so geht´s!“ ‚Und wenn ich (als Elternteil, Anm. HS) das habe, dann muss ich damit leben!' Haben mir auch schon viele Eltern gesagt.
Professionelle Helfer als 'Pfleger und Allheilmittel' II
Rekonstruktive Sozialarbeitsforschung und Biografie, München 2008
Kindschaftsrechtliches Verfahren als kindzentrierte friedensstiftende
Intervention
Kontrollinstanz: Macht und Pflicht zur Intervention
(Äusserer Druck)
Beratung und mediative Elemente
(Psychosoziale Hilfe)
Ziel: Entwicklungschancen der Kinder sichern• gemäß den subjektiven Bedürfnissen des Kindes
• bei den Bezugspersonen entsprechende ‚Lern- und Veränderungsprozesse‘ anzuregen
Konstitutive Verknüpfung von
Rekonstruktive Sozialarbeitsforschung und Biografie, München 2008
Analyse der Metaphorische Konzepte bei Betroffenen und Professionellen
Welche metaphorischen Konzepte zu Problem und professioneller Bearbeitung lassen sich finden?
Korreliert ein gelingendes
Arbeitsbündnis mit der Passung der metaphorischen
Konzepte?
...weitere metaphernanalytische Forschung zum professionellen Handeln
• ich hatte also Schwierigkeiten zu überwinden • als er die Trennung wollte, da kam er plötzlich mit
Jugendamtsgesprächen und ich war in dem Zeitpunkt überhaupt nicht bereit dafür. Ich hatte den Schritt überhaupt noch nicht vollzogen und hab die Erfahrung gemacht, dass im Jugendamt die Frauen, das nicht so verstanden haben
• wenn ich ruhiger gewesen wäre und vielleicht aber auch, wenn die Frauen ein bissel anders reagiert hätten, wäre es vielleicht auch ein bissel besser gelaufen.
• Also ich muss Ihnen jetzt ganz ehrlich sagen, ich bin deswegen zu den Beratungsgesprächen gegangen (...) weil das Gericht das beschlossen hat. Das war für mich auch eine ungeheure Überwindung.
Trennung als ‚Weg mit Hindernissen‘ ....
.... Professionelle müssen richtig auf einen ‚zugehen‘
* Liste der kulturell üblichen metaphorischen Konzepte; Vorkommen im Interview von Mutter und Professionellen
• a) Lernen ist etwas merken, fassen, begreifen b) Lernen ist Hören und Sagen
• c) Lernen ist besseres Sehen, Einsicht + Erklärung
• d) Lernen ist etwas bekommen und annehmen• e) Lernen ist etwas aufbauen und erarbeiten• f) Lernen ist Laufen, Schritte vollziehen und
Erfahrungen machen.
Metaphorische Konzepte für Lernprozesse im engen,
schulpädagogischen Sinne*