Rems-Murr Liberal Nr. 2 (5/2005)

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Harald Leibrecht, MdB berichtet S. 2 Landrat Johannes Fuchs zum B14-Ausbau S. 3 Bundesparteitag in Köln S. 4 Seibold ist neuer Vorsitzender in Schorndorf S. 6 Ina Lenke, MdB besucht Frauenhaus S. 7 Dreikönigsrede von Prof. Dr. Ulrich Goll S. 8 Jürgen Hofer, MdL zum Image der Region S. 10 FDP Schorndorf - Aktiver Ortsverband S. 11 Notfallopfern besser helfen - Hartfrid Wolff S. 12 FDP Waiblingen zum „Alten Postplatz“ S. 14 Krankenhausneubau Ja oder Nein? S. 16 Prof. Goll zum Landtagskandidaten gewählt S. 18 Brunhilde Meßmer zur Bauplanung S. 18 Dieter Kleinmann, MdL zum Landtagshaushalt S. 19 Stefanie Bermanseder zur Bildungspolitik S. 20 Besuch bei der Börse in Stuttgart S. 23 Theodor Heuss im Wahlkreis Backnang S. 24 Olaf Bentlage: Die Landesgeschäftsstelle S. 28 Impressum S. 28 IN DIESEM HEFT S ehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freunde, NRW ist oft Gradmesser für die Bundespolitik gewesen. Das war 1956 so, das ist heute so. Nachdem jetzt auch in Düsseldorf eine CDU/ FDP-Regierung die Landespolitik gestalten wird, hat die Bundesregierung endlich ihre Handlungsunfähigkeit eingestanden und gibt auf. Am 1. Juli 2005 wird der Bundeskanz- ler im Deutschen Bundestag aller Voraussicht nach die Vertrauensfrage stellen und sie plan- mäßig verlieren. Es obliegt dann dem Bundes- präsidenten, ob er das Parlament auflöst und Neuwahlen ausschreibt oder nicht. Da sich aber alle entscheidenden politischen Kräfte einig sind, dass Deutschland eine handlungs- fähige Regierung braucht, wird der Deutsche Bundestag wohl aufgelöst und am 18. Sep- tember 2005 neu gewählt werden. In kürzes- ter Zeit werden wir Freien Demokraten einen Wahlkampf bestreiten müssen, der intensiv sein wird. Am 20. Juni 2005 wird im Wahlkreis Backnang-Schwäbisch Gmünd und am 21. Juni 2005 wird im Wahlkreis Waiblingen ein Kandidat für die Bundestagswahl aufgestellt. Bereits am 16. Juli 2005 wird in Heilbronn in der „Harmonie“ die Landesvertreterver- sammlung zur Auf- stellung der Landes- liste stattfinden. Die FDP ist bereit. Ein Sonder-Bun- desparteitag wird zur Verabschiedung eines Wahlprogram- mes abgehalten und wir werden wohl auf der Basis der Wiesbadener Grundsätze in die Bundestagswahlen ziehen. Die Wahl ist noch nicht gewonnen. Wir müssen alle Kraft und Energie in den Wechsel für Deutschland ste- cken, damit der politische Irrtum Rot-Grün endlich ein Ende hat in Deutschland. Nichts desto trotz werden wir weiterar- beiten, um auch bei der Landtagswahl am 26. März 2006 gut abzuschneiden und viele Stimmen zu bekommen. Die inhaltliche Aus- richtung und Gestaltung der nächsten Legis- laturperiode, in der die FDP/DVP wieder eine Regierungsbeteiligung an der Seite der CDU anstrebt, hat die inhaltliche Positionierung unserer Partei auf Hochformen gebracht. Personell sind wir auf einem sehr guten Wege. Im Landtagswahlkreis 15 (Waiblin- gen) wird sich Prof. Dr. Ulrich Goll zur Wahl stellen. Nachdem unser bisheriger Abgeord- neter Jürgen Hofer, MdL erklärt hat, dass er in Schorndorf (Wahlkreis 16) nicht wieder kandidieren wird, sind derzeit Gespräche mit möglichen Kandidaten im Gange. Im Wahl- kreis 17 (Backnang) hat sich der Welzheimer Ortsvorsitzende Ekkehard Dietz zu einer Kan- didatur bereiterklärt. Ich grüße Sie alle sehr herzlich und hoffe auf gute Lektüre des Rems-Murr Liberal und hoffe auf rege Teilnahme mit Beiträgen bei der nächsten Ausgabe. Vor allem aber setze ich auf Sie im Wahlkampf. Helfen Sie mit, damit Deutschland eine bessere Regierung erhält. Jörg Brehmer Vorsitzender der FDP/DVP im Rems-Murr-Kreis. Für Freiheit in Verantwortung. 07.06.2005 Podiumsdiskussion mit MdB Daniel Bahr in Backnang: „Generatio- nengerechtigkeit“ AWO-Keller. 19.30 Uhr. 11.06.2005- 12.06.2005 FDP Remshalden: Beteiligung am Straßen- fest in Geradstetten. 17.06.2005 FDP/FW Remshalden: Spiel ohne Grenzen, 14 Uhr. 18.06.2005 Landesparteitag in Baden-Baden. Nominie- rung des Spitzenkandida- ten zur Landtagswahl 20.06.2005 Wahlkreiskonferenz zur Bundestagswahl im WK Backnang. 21.06.2005 Wahlkreiskonferenz zur Bundestagswahl im Wahlkreis Waiblingen. Schorndorf, Kesselhaus. Beginn: 19 Uhr. anschl. Kreisparteitag um 20 Uhr. Wahl der Delegierten zur Landesvertreterversamm- lung. 05.07.2005 Diskussionsveranstaltung mit Dr. Max Stadler, MdB 16.07.2005 Landesvertreterversamm- lung Bundestagswahl in Heilbronn. 26.07.2005 Lesung von Magda Maier im Heuss-Haus in Stutt- gart, 19 Uhr 16.09.2005 Kreisparteitag mit Dele- giertenwahlen Weitere Termine im Internet unter: http://www.fdp-rems-murr.de/termine Termine REMS-MURR LIBERAL Das Mitgliedermagazin des FDP/DVP-Kreisverbandes im Rems-Murr-Kreis �� LV Baden-Württemberg Jörg Brehmer Vorsitzender FDP/DVP im Rems-Murr-Kreis www.fdp-rems-murr.de Nr. 2 - 2005 Ausgabe: Frühjahr/Sommer

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Rems-Murr Liberal, Ausgabe Nr. 2 vom 25.5.2005. FDP Mitgliedermagazin Rems-Murr in der Region Stuttgart

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Page 1: Rems-Murr Liberal Nr. 2 (5/2005)

Harald Leibrecht, MdB berichtet S. 2

Landrat Johannes Fuchs zum B14-Ausbau S. 3

Bundesparteitag in Köln S. 4

Seibold ist neuer Vorsitzender in Schorndorf S. 6

Ina Lenke, MdB besucht Frauenhaus S. 7

Dreikönigsrede von Prof. Dr. Ulrich Goll S. 8

Jürgen Hofer, MdL zum Image der Region S. 10

FDP Schorndorf - Aktiver Ortsverband S. 11

Notfallopfern besser helfen - Hartfrid Wolff S. 12

FDP Waiblingen zum „Alten Postplatz“ S. 14

Krankenhausneubau Ja oder Nein? S. 16

Prof. Goll zum Landtagskandidaten gewählt S. 18

Brunhilde Meßmer zur Bauplanung S. 18

Dieter Kleinmann, MdL zum Landtagshaushalt S. 19

Stefanie Bermanseder zur Bildungspolitik S. 20

Besuch bei der Börse in Stuttgart S. 23

Theodor Heuss im Wahlkreis Backnang S. 24

Olaf Bentlage: Die Landesgeschäftsstelle S. 28

Impressum S. 28

IN DIESEM HEFT

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freunde,

NRW ist oft Gradmesser für die Bundespolitik gewesen. Das war 1956 so, das ist heute so. Nachdem jetzt auch in Düsseldorf eine CDU/FDP-Regierung die Landespolitik gestalten wird, hat die Bundesregierung endlich ihre Handlungsunfähigkeit eingestanden und gibt auf. Am 1. Juli 2005 wird der Bundeskanz-ler im Deutschen Bundestag aller Voraussicht nach die Vertrauensfrage stellen und sie plan-mäßig verlieren. Es obliegt dann dem Bundes-präsidenten, ob er das Parlament auflöst und Neuwahlen ausschreibt oder nicht. Da sich aber alle entscheidenden politischen Kräfte einig sind, dass Deutschland eine handlungs-fähige Regierung braucht, wird der Deutsche Bundestag wohl aufgelöst und am 18. Sep-tember 2005 neu gewählt werden. In kürzes-ter Zeit werden wir Freien Demokraten einen Wahlkampf bestreiten müssen, der intensiv sein wird. Am 20. Juni 2005 wird im Wahlkreis Backnang-Schwäbisch Gmünd und am 21. Juni 2005 wird im Wahlkreis Waiblingen ein Kandidat für die Bundestagswahl aufgestellt. Bereits am 16. Juli 2005 wird in Heilbronn in

der „Harmonie“ die Landesvertreterver-sammlung zur Auf-stellung der Landes-liste stattfinden. Die FDP ist bereit.

Ein Sonder-Bun-desparteitag wird zur Verabschiedung eines Wahlprogram-mes abgehalten und wir werden wohl auf

der Basis der Wiesbadener Grundsätze in die Bundestagswahlen ziehen. Die Wahl ist noch nicht gewonnen. Wir müssen alle Kraft und Energie in den Wechsel für Deutschland ste-cken, damit der politische Irrtum Rot-Grün endlich ein Ende hat in Deutschland.

Nichts desto trotz werden wir weiterar-beiten, um auch bei der Landtagswahl am 26. März 2006 gut abzuschneiden und viele Stimmen zu bekommen. Die inhaltliche Aus-richtung und Gestaltung der nächsten Legis-laturperiode, in der die FDP/DVP wieder eine Regierungsbeteiligung an der Seite der CDU anstrebt, hat die inhaltliche Positionierung unserer Partei auf Hochformen gebracht.

Personell sind wir auf einem sehr guten Wege. Im Landtagswahlkreis 15 (Waiblin-gen) wird sich Prof. Dr. Ulrich Goll zur Wahl stellen. Nachdem unser bisheriger Abgeord-neter Jürgen Hofer, MdL erklärt hat, dass er in Schorndorf (Wahlkreis 16) nicht wieder kandidieren wird, sind derzeit Gespräche mit möglichen Kandidaten im Gange. Im Wahl-kreis 17 (Backnang) hat sich der Welzheimer Ortsvorsitzende Ekkehard Dietz zu einer Kan-didatur bereiterklärt.

Ich grüße Sie alle sehr herzlich und hoffe auf gute Lektüre des Rems-Murr Liberal und hoffe auf rege Teilnahme mit Beiträgen bei der nächsten Ausgabe. Vor allem aber setze ich auf Sie im Wahlkampf. Helfen Sie mit, damit Deutschland eine bessere Regierung erhält.

Jörg BrehmerVorsitzender der FDP/DVPim Rems-Murr-Kreis.Für Freiheit in Verantwortung.

07.06.2005 Podiumsdiskussion mit MdB Daniel Bahr in Backnang: „Generatio-nengerechtigkeit“ AWO-Keller. 19.30 Uhr.

11.06.2005-12.06.2005

FDP Remshalden: Beteiligung am Straßen-fest in Geradstetten.

17.06.2005 FDP/FW Remshalden:Spiel ohne Grenzen, 14 Uhr.

18.06.2005 Landesparteitag in Baden-Baden. Nominie-rung des Spitzenkandida-ten zur Landtagswahl

20.06.2005 Wahlkreiskonferenz zur Bundestagswahl im WK Backnang.

21.06.2005 Wahlkreiskonferenz zur Bundestagswahl im Wahlkreis Waiblingen.Schorndorf, Kesselhaus.Beginn: 19 Uhr. anschl.Kreisparteitag um 20 Uhr.Wahl der Delegierten zur Landesvertreterversamm-lung.

05.07.2005 Diskussionsveranstaltung mit Dr. Max Stadler, MdB

16.07.2005 Landesvertreterversamm-lung Bundestagswahl in Heilbronn.

26.07.2005 Lesung von Magda Maier im Heuss-Haus in Stutt-gart, 19 Uhr

16.09.2005 Kreisparteitag mit Dele-giertenwahlen

Weitere Termine im Internet unter:http://www.fdp-rems-murr.de/termine

Termine

REMS-MURRLIBERAL

Das Mitgliedermagazin des FDP/DVP-Kreisverbandes im Rems-Murr-Kreis

���������LV Baden-Württemberg

Jörg BrehmerVorsitzender FDP/DVPim Rems-Murr-Kreis

w w w . f d p - r e m s - m u r r . d eNr. 2 - 2005 Ausgabe: Frühjahr/Sommer

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�Harald Leibrecht

Mitglied des Deutschen Bundestages - FDP Fraktion -

� D-11011 BerlinPlatz der Republik 1

Dienstgebäude: D-10117 Berlin Unter den Linden 50, Zi. 2.005 Telefon: (030) 2 27-7 51 33 Telefax: (030) 2 27-7 63 82 E-Mail: [email protected]

Wahlkreisbüro: D-74379 Ingersheim Schlossstraße 32 Telefon: (07142) 91 91 92 Telefax: (07142) 91 91 84 E-Mail: [email protected] Homepage: http://www.leibrecht.de

Lieber Jörg,

REMS-MURR L IBERAL

Liebe Parteifreundinnen und -freunde, sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich, dass ich, als Ihr Betreuungs-abgeordneter, Ihnen heute zum zweiten Mal von meinen aktuellen Aktivitäten aus dem Deutschen Bundestag berichten kann.

Viele Menschen fragen sich oft, wo ein Abgeordneter, der sich, wie dies bei mir der Fall ist, in erster Linie mit Außenpolitik be-schäftigt, eine Verbindung sieht zu den Din-gen, die die Menschen aus seiner Heimatre-gion bewegen.

Für mich ist dieser Zusammenhang ganz deutlich. Schließlich geht es uns allen doch um die Förderung und Vermittlung grundle-gender menschlicher Werte, sowohl für uns selbst in der Heimat als auch für unsere Mit-menschen im Ausland.

So setze ich mich von Berlin aus für die Respektierung der grundlegenden Menschen-rechte im Ausland ein. Ein Beispiel dafür ist mein Engagement für das tibetische Volk. Ich unterstütze die Einhaltung der Menschen-rechte, Religionsfreiheit und die Selbstbestim-mung des tibetischen Volkes und bin Mitglied des Gesprächskreises Tibet. Es ist mir ein An-liegen, mein Engagement in verschiedenen Initiativen und Aktionen ganz konkret aus-zudrücken. Derzeit plane ich beispielsweise eine Gesprächsrunde mit der 27-jährigen tibe-tischen Nonne Ngawang Sangdrol, die 11 Jah-re ihres jungen Lebens in chinesischer Haft verbringen musste. Meiner Ansicht nach ist regelmäßiger, direkter Austausch mit Betrof-fenen ganz wichtig. Daher werde ich auch

im Juni beim Besuch des Dalai Lama in Ber-lin das Thema Tibet aktiv in Form von Ge-sprächen und parlamentarischen Aktivitäten begleiten.

Als Zeichen meiner Unterstützung für eine Verbesserung der Menschenrechtslage in Ti-bet hisse ich zudem am 10. März, dem Jah-restags des tibetischen Aufstandes von 1959, die tibetische Fahne. Ich weiß, dass auch un-ter den Mitbürgern und Gemeinden im Rems-Murr-Kreis das Mitgefühl für das Schicksal des tibetischen Volkes groß ist, und ich freue mich, dass auch dieses Jahr sich die Stadt Backnang dazu entschieden hat, für Tibet „Flagge zu zeigen“.

Im Rahmen meiner Arbeit als Außenpoli-tiker setze ich mich für die allgemeine Stär-kung von Zivilgesellschaften und Bürgeri-nitiativen ein – so beispielsweise auch für Belarus (Weißrussland). Belarus, inzwischen direkter Nachbar der Europäischen Union, wird unter dem autoritären Regime von Prä-sident Lukaschenka immer weiter in die inter-nationale Isolation getrieben. Fundamentale Menschenrechte, wie Meinungs- und Presse-freiheit, werden heute in Belarus mit den Fü-ßen getreten. Unter dem Isolationskurs Luka-schenkas leiden vor allem auch Kinder und Jugendliche, die von der Tschernobyl-Kata-strophe schwer betroffen sind.

Davon sind auch die wichtigen deutschen Initiativen zur Hilfe der Kinder von Tscherno-byl betroffen. Vor diesem Hintergrund freue ich mich besonders, dass das Engagement der Bürger des Rems-Murr-Kreis für diese Kinder ungebrochen bleibt. Als Beispiel sei hier die

Vor 40 Jahren wurde Erna Enßle Mitglied bei den Freien Demokraten.

Der FDP Ortsvorsitzende Hans-Joachim Haller und der Kreisvorsitzende Jörg Breh-mer überbrachten aus diesem Anlass dem Ehrenmitglied der Rems-Murr-Liberalen Blu-men, eine Urkunde und eine Medaille mit dem Profil von Theodor Heuss. Erna Enßle ist trotz ihrer 84 Jahre geistig voll da. Über aktuelle politische Fragen ist sie bestens infor-miert und diskutiert noch gerne mit. Als Erna Enßle am 15. März 1965 Mitglied der Freien Demokraten wurde, war dies eine völlig freie Entscheidung. „Ich bin von niemandem ge-worben worden. Für uns Selbstständige kam ja gar nichts anderes in Frage als die FDP“, betonte Erna Enßle. Der Großvater Johann Adam Bahnmüller war schon Demokrat und organisierte 1919 die DDP in Rommelshau-sen. Mit ihrer Gärtnerei hatte das Ehepaar Enßle viel zu schaffen. Trotzdem engagierten sich beide Ehegatten in der Politik. Hermann Enßle war FDP-Stadtrat in Waiblingen.

„In den 40 Jahren gab es viele Hochs und Tiefs für die Liberalen. - Austritt kam für mich aber nie in Frage. Und jetzt bin ich schon 40 Jahre dabei“, sagt Erna Enßle.

Erna Enßle ist 40 Jahre in der FDP

Unser Ehrenmitglied Erna Enßle aus Waiblingen. 40 Jahre lang hielt sie Ihrer FDP die Treue. Am 15. März 1965 ist Erna Enßle in die FDP einge-treten. Im Kreisvorstand ist sie noch aktiv dabei. Danke Erna Enßle! Foto: Kiessling

Mein Name ist Cornelia Sperling.(Architektin, verheiratet, 3 Kinder).Seit dem 12. Februar 2005 bin ich Mitglied der FDP.Vor meinem Antrag auf Mitgliedschaft habe ich mich im Internet eingehend informiert. Auch den Antrag habe ich via Internet ab-gesendet.Das war alles recht unpersönlich. Hat sich aber durch meine Teilnahme an der Klausur-sitzung in Urbach grundlegend geändert.Für die freundliche Begrüßung und Aufnah-me möchte ich mich hiermit nochmals be-danken.

Neu bei uns:

Am 12.2.2005 eingetreten: Cornelia Sperling aus Auenwald

wertvolle Arbeit der Evangelischen Gesamt-kirchengemeinde Winnenden genannt.

Ich bin zuversichtlich, dass unser aller Ar-beit und Engagement, im Kreis wie in Ber-lin, auch in Zukunft von gemeinsamen Wer-ten und Zielen geprägt sein werden. Lassen Sie uns diesen Weg weiter gemeinsam ver-folgen!

Dem Kreisvorsitzenden Jörg Brehmer und allen weiteren Engagierten möchte ich zum Schluß meinen Dank und Respekt für Ihre gute Arbeit ausdrücken! Und weiterhin viel Erfolg!

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Kreisvorsitzender Jörg Brehmer, Winnenden

Stellv. Kreisvorsitzender Hartfrid Wolff, Waiblingen

Stellv. Kreisvorsitzender Jürgen Schulte, Remshalden

Stellv. Kreisvorsitzende Dr. Ulrike Heßler, Schorndorf

Schatzmeister Dieter Schorr, Schorndorf

Schriftführerin Dieta Völker-Charzinski, Winnenden

Beisitzer: Brunhilde Meßmer, Schwaikheim

Manfred Kluge, Schorndorf

Joachim Kiessling, Winnenden

Michael Krüger, Winterbach

Heidi Hollo, Rudersberg

Ekkehard Dietz, Welzheim

Günter Schulz, Remshalden

Kevin Latzel, Plüderhausen

Peter Friedrichsohn, Winnenden

Anneliese Malle, Waiblingen

Andreas Knödler, Althütte

Elke Conradt, Remshalden

Ehrenvorsitzender: Ulrich Theurer, Schorndorf

Ehrenmitglied: Erna Enssle, Waiblingen

Kraft Amtes: Jürgen Hofer, MdL, Weinstadt

Ulrich Lenk, Fellbach

Gudrun Wilhelm, Kirchberg

Dr. Werner Schmidt-Hieber, Waiblingen

Kooptiert v. Junge Liberale Britta Aldinger, Fellbach (Kreisvorsitzende)

DER KREISVORSTAND

Die B 14 zählt zu den bedeutendsten Verkehrsadern im Nordosten der Regi-on. Sie erschließt den Rems-Murr-Kreis

für den überörtlichen Verkehr und ist tägli-che Fahrstrecke für Pendler und Reisende aus den Räumen Backnang und Schwäbisch Hall in die Landeshauptstadt. Täglich quälen sich bis zu 30.000 Fahrzeuge durch Winnenden, zur Rush-hour reicht bisweilen der Stau am Ende der 4-spurigen Ausbaustrecke vor den Toren der Großen Kreisstadt der Stau über mehrere Kilometer.

Um diese für Wirtschaft und Bürger unzu-mutbaren ökologischen und ökonomischen Belastungen zu mildern, mündeten die im Jahr 1957 im Kontext einer „Neckar-Alb-Au-tobahn“ begonnen Überlegungen zur Verbes-serung der Verkehrssituation zwischen den Autobahnen A 8 und A 81 1979 in Planun-gen eines B-14 Neubaus. Nach zahlreichen

Hiobsbotschaften in den vergange-nen Jahren - von der Insolvenz ei-ner Baufirma bis zum drohenden Torso aufgrund fi-nanzieller Schief-lage des Bundes-haushalts– ist der Knoten dank eines großen überpar-teilichen Engage-

ments am 25. Februar 2005 geplatzt und die Finanzierung des 91 Millionen Euro- Projekts gesichert.

Der erste Bauabschnitt bis zur Anschluss-stelle Winnenden Mitte mit der 465 Meter langen Zipfelbachtalbrücke wird bis Som-mer 2006 fertiggestellt sein, der Spatenstich für den 2. Bauabschnitt, dessen Herzstück der Tunnel Leutenbach ist, soll im Oktober dieses Jahres erfolgen. Die vom Rems-Murr-Kreis gebaute K 1898 soll in der Interimszeit

Gute Nachrichten:

B 14-Ausbau: Bis Nellmersbach gesichert■ Von Johannes Fuchs

Landrat des Rems-Murr-Kreises

Mehrbelastungen von der Gemeinde Leuten-bach fernhalten. Hinzu kommen verkehrslen-kende Maßnahmen, um die Ortsdurchfahrten von Leutenbach und Nellmersbach für den Schleichverkehr unattraktiv zu machen.

Nach Einführung der Lkw-Maut auf Au-tobahnen muss das Thema „Umfahrungs-druck“ thematisiert werden. Der B 14 als Teil der Lkw-Achse Hamburg-Mailand droht, insbesondere durch einen Ausbau des Au-tobahnzubringers nach Mundelsheim, eine deutliche Zunahme des Lkw-Verkehrs. Bereits jetzt erfassen Dauermessstellen in Backnang-Strümpfelbach und Remshalden-Hebsack den Verkehr auf den Bundesstraßen entlang des Rems-Murr-Kreises. Belastbare Zahlen wer-den für den April erwartet – Hochrechnun-gen, die der Ostalbkreis aufgrund eigener Zählungen erstellt hat, weisen einen deutli-chen Trend zu steigendem LkW-Verkehr.

Ihr Johannes FuchsLandrat des Rems-Murr-Kreises

Fraktionsvorsitzender:Ulrich Lenk, Fellbach

Stellv. Fraktionsvorsitzende:Jochen Haußmann, KernenBernd Brischke, OppenweilerGudrun Wilhelm, Kirchberg

Mitglieder:Alfred Bauer, BacknangManfred Herdle, WaiblingenJürgen Hofer, WeinstadtKarl-Heinz Payr, RemshaldenDr. Werner Schmidt-Hieber, WaiblingenPeter Treiber, FellbachDr. Bernhard Weber, BacknangDr. Fritz Weller, PlüderhausenDr. Wolfgang Weigold, Schorndorf

Unsere Kreistagsfraktion der FDP/FW im Rems-Murr-Kreis:

Johannes Fuchs

REMS-MURR L IBERAL

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Delegiertenreihe des Kreisverban-des in Köln: Justizminister Prof. Dr. Ulrich Goll, Hartfrid Wolff aus Waiblingen, Jörg Brehmer aus Winnenden und Wolfhardt Warneck aus Oppenweiler.

REMS-MURR L IBERAL

5.-7. Mai 2005 - Bundesparteitag in Köln

Bundesparteitag in Köln ist sehr gelungen■ Von Jörg Brehmer

[email protected]

FDP Rems-Murr stark vertreten

Zum dreitägigen Bundesparteitag der FDP waren die vier Delegierten des Rems-Murr-Kreises Dr. Ulrike Heßler

(Schorndorf), Wolfhardt Warneck (Oppen-weiler), Hartfrid Wolff (Waiblingen) und Jörg Brehmer (Winnenden) vollständig in Köln angekommen. Darüber hinaus waren auch der Waiblinger Landtagskandidat, Justizmi-nister Prof. Dr. Ulrich Goll, Prof. Karl Moer-sch und der Remshaldener Hans Karl Kemna zum Parteitag gefahren.

662 Delegierte aus ganz Deutschland ka-men in Köln zusammen. Der wichtigste Ta-gesordnungspunkt am ersten Tag waren Per-sonalentscheidungen. Dr. Guido Westerwelle (NRW) wurde mit 80,1 % wieder zum Bun-desvorsitzenden gewählt. Er konnte damit sein Ergebnis vom Bremer Parteitag 2003 um 0,3 % verbessern. Ein ehrliches Ergeb-nis, auch wenn der eine oder andere Medi-envertreter etwas hineininterpretiert. Die Frankfurter Rundschau (7.5.2005) sprach von „Tritten unterm Familientisch“. Es wur-de davon gesprochen, dass sich die FDP in Köln von Westerwelle inhaltlich emanzipiert habe. Es ist nicht ganz falsch, aber eben auch nicht ganz richtig. Westerwelle ist im neu-en Machtdreieck Westerwelle-Gerhardt-Nie-bel eben nur ein wichtiger Punkt. Es ist un-zweifelhaft ein „ungleiches Trio“ (Stuttgarter Nachrichten).

Als Stellvertreter wurden Rainer Brüderle (Rheinland-Pfalz), Andreas Pinkwart (NRW) und Cornelia Pieper (Sachsen-Anhalt) ge-wählt. Cornelia Pieper erhielt das schlech-teste Ergebnis. Lediglich 60,5 % stimmten für die ehemalige FDP-Generalsekretärin. Für Andreas Pinkwart stimmten 76,7 % und für Rainer Brüderle 81 %:

Westerwelle hatte in seiner Rede deut-lich gemacht, dass man sich mit dem „Klein-

Klein“ der rot-grünen Trippelschritte nicht zufrieden geben wolle. Rot-Grün ruiniere Deutschland, sagte Westerwelle und stellte fest: „Rot-Grün ist ein historischer Irrtum“. Er habe nichts gegen die Generation der Acht-undsechziger, rief Westerwelle, als er über die Grünen sprach. Baden-Württembergs Wirt-schaftsminister Ernst Pfister (Trossingen) fühlte sich hier zu einem Zwischenruf be-müßigt.: „Na hoffentlich“ Westerwelle sagte weiter, er habe bloß etwas gegen Achtund-sechziger, die 2005 immer noch dächten wie 1968. Da konnte auch Ernst Pfister zustim-mend nicken. Der FDP-Vorsitzende griff die Grünen und die Gewerkschaftsfunktionäre abermals scharf an und kritisierte die von Franz Müntefering angezettelte so genannte Kapitalismusdebatte.

Während der Bundesparteitag noch über die Anhebung über die Mindestmitgliedsbei-träge und die Verdoppelung der Bundesumla-ge diskutierte, wurde Dr. Hermann Otto Solms (Hessen) mit 90,5 % überzeugend zum Bun-desschatzmeister gewählt. Er wird es nicht leicht haben, die Bundesfinanzen der Freien Demokraten zu finanzieren.

Als Beisitzer ins Präsidium wurde unsere baden-württembergische Landesvorsitzen-de und Bundestagsabgeordnete Birgit Hom-burger gewählt. Sie erhielt 422 Ja-Stimmen (77,2 %). Sabine Leutheusser-Schnarrenber-ger (Bayern) konnte 420 Stimmen (76,3 %) für sich verbuchen. Überrascht hatte der Neu-ling im Präsidium, der FDP-Fraktionsvorsit-zende in niedersächsischen Landtag Philipp Auf dem Bundesparteitag: Karl Moersch ganz links im Bild, Wolfhardt Warneck, Jörg Brehmer.

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Erfolg hatte die Südwest-FDP bei der Wahl des Bun-desvorstandes: Stefanie Bermanseder (Böblingen) und OB Michael Theurer MdL (Horb a.N.) wurden als Beisitzer gewählt.

Delegiertenbesprechung des Landesverbandes Baden-Württemberg in Köln. Vorne Dirk Niebel, links Richard Drautz, MdL

Ulrike Heßler bei den Antrags-beratungen.

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Rösler mit 546 Ja-Stimmen und satten 94,9 %. Einen weiteren Erfolg hatte die Südwest-FDP mit der Wahl von Stefanie Bermanseder (Böblingen) und OB Michael Theurer MdL (Horb a.N.) zu verbuchen.

Dass man auf dem Bundesparteitag auf klare Aussagen ausgerichtet war, zeigte auch das Ergebnis des FDP-Fraktionschefs im schleswig-holsteinischen Landtag, Wolfgang Kubicki. Er fiel im ersten Wahlgang (ohne Gegenkandidat) als so genannter „Kurfürst“ durch. Erst im zweiten Wahlgang (auch ohne Gegenkandidat) konnte er die erforderliche Mehrheit (54,4 %) erreichen. Gegen ein all-zu intensives Herumzappeln zwischen Rot und Schwarz vor Wahlen ist die Bundespar-tei allergisch geworden. Der Kurs für 2006 steht klar auf eine bürgerlich-liberale Koali-tion in Berlin.

Der Heidelberger Bundestagsabgeordne-te Dirk Niebel wurde mit 92 % zum neuen Generalsekretär gewählt. Gerade mit seinem Profilbereich, der Arbeitsmarktpolitik, trifft Niebel kämpferisch den Kern der Zeit. Er zeigte, dass er ein mutiger und zupackender Generalsekretär sein wird. Dirk Niebel sag-te kämpferisch, er werde „raufen nach Re-geln“, um für einen fairen Umgang in der Politik zu sorgen.

„Obenauf“ hatte die FAZ kommentiert und etwas verschnupft angemerkt, dass man sich schon etwas mehr Wettbewerb und ein bis-schen mehr Konkurrenz an der Spitze ge-wünscht hätte. Doch die FDP zeigte sich in kämpferischer Geschlossenheit. Keine Perso-nalquerelen! Westerwelles Rede wurde mit großem Beifall belohnt. Doch der heimliche Star des Parteitages war eindeutig Dr. Wolf-gang Gerhardt. Der Vorsitzende der FDP-Bun-destagsfraktion hat sich in den letzten Jahren konsequent und umfassend das Thema Au-ßenpolitik zu Eigen gemacht. Die Leipziger Volkszeitung titelte sogar: „FDP feiert Ger-

hardt-Rede zur Außenpolitik“. Das sachlich fundierte Referat von Wolfgang Gerhardt be-friedigt die liberalen Ansprüche nach Seri-osität.

Ohne offiziell zur Wahl zu stehen, brachte sich Dr. Gerhardt mit seiner Rede zur Außen-politik und einer besonderen Betonung des Schutzes der Bürgerrechte nachdrücklich ins liberale Bewusstsein zurück. Mehr Rücksicht auf die kleineren EU-Staaten, mehr Verständ-nis für die Bedeutung eines funktionierenden Verhältnisses zu den USA sowie eine deut-lich stärkere Achtung der Menschenrechte als Wertegerüst der Außenpolitik, das war Ger-hardts Botschaft. Er warnte vor der „Überdre-hung“ der EU, wenn es nur Vollmitgliedschaf-ten gäbe und signalisierte seine Präferenz für eine „privilegierte Partnerschaft“ mit der Tür-kei. Dr. Wolfgang Gerhardt ist der erste An-wärter auf das Amt des Außenministers in ei-ner schwarz-gelben Koalition. Er wäre dann nach Walter Scheel (1969-1974), Hans-Diet-

rich Genscher (1974-1992) und Klaus Kinkel (1992-1998) der vierte liberale Außenminister nach dem zweiten Weltkrieg und der sechs-te, wenn man Walther Rathenau (1922) und Gustav Stresemann (1923-1929) mitzählt. Wolfgang Gerhardt wird jetzt anders wahr-genommen.

Der Spiegel schrieb in seiner Ausgabe vom 9.5.2005: „Gerhardt hat noch denselben glatt gebügelten Scheitel wie damals. Er trägt die gleichen Nadelstreifenanzüge, er hat keine Rhetorikkurse belegt, streut keine Anglizis-men über seine Reden. Er spricht wie immer, nur dass heute als seriös gilt, was damals langweilig erschien, dass er als anständiger Kerl durchgeht, wo er früher als Auslaufmo-dell einer Politikergeneration abgestempelt wurde. Während seine Partei auf eine aben-teuerliche Reise ging, ist er einfach stehen ge-blieben. Jetzt ist das Wanderparteivolk wie-der bei ihm angekommen. Vielleicht tut es ihr leid, wie sie ihn behandelt haben. Auch deshalb feiern sie ihn so heftig. Sie versu-chen, ihr schlechtes Gewissen wegzuklat-schen. Am Tag zuvor stand Guido Wester-welle am Rednerpult. Der 18 Jahre jüngere war laut, aggressiv, ruderte mit den Armen. Wolfgang Gerhardt saß auf dem Podium und blickte nach lins. Links, da sprach Wester-welle, da saßen Cornelia Pieper und Rainer Brüderle, die notorisch gut gelaunte FDP, die Reste der Spaßpartei. Dann drehte Gerhardt den Oberkörper nach rechts, wo die drei alten Herren mit tiefen Falten und dicken Brillen saßen. Er griff eine weiße Kaffeekanne und schenkte den früheren Parteichefs Hans-Diet-rich Genscher, Otto Graf Lambsdorff und Wal-ter Scheel ein. Er pflegt die Tradition.“ Das ist eben die Solidität, die man vor allem im liberalen Südwesten so schätzt.

Als besonderer Gast, gerade zum Thema Außenpolitik und transatlantisches Bündnis, war der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger. Er hat auf dem Bundesparteitag für eine Intensivierung der deutsch-ameri-kanischen Beziehungen geworben. Kissinger erinnerte an die vertrauensvolle Zusammen-

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Frisch gewählter Heidelberger: Dirk Niebel wurde auf dem Bundesparteitag in Köln zum Generalsekretär gewählt.

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arbeit mit seinen ehemaligen Amtskollegen Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher. Angesichts neuer Bedrohungen, etwa durch die Verbreitung von Atomwaffen oder den internationalen Terrorismus bezeichnete er eine gemeinsame Politik seitens der westli-chen Demokratien als ausschlaggebend, um eine Katastrophe zu vermeiden. Der 81-jäh-rige Kissinger hielt seine Rede auf Deutsch und erhielt stehenden Applaus.

Einen inhaltlichen Erfolg konnte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger verbuchen. Nach dem neuesten Beschluss soll die Vi-deo- und Telefonüberwachung begrenzt wer-den. Über den von der Parteispitze vorgeleg-ten Leitantrag hinaus beschloss der Parteitag die Forderung, den von der FDP in der Koali-tion mit der Union 1998 eingeführten großen

Lauschangriff, also das Abhören von Privat-wohnungen, abzuschaffen.

„Liberale im Aufwind“ kommentierte Die Welt. Die Freien Demokraten haben bei die-sem Parteitag die Gelegenheit genutzt, um außenpolitisch den Gerhardt-Kurs nochmals zu bekräftigen. Im Mittelpunkt der Beratun-gen standen aber sozial- und gesellschafts-politische sowie finanz- und wirtschaftspo-litische Fragen. Es ist gelungen, so meinte Andreas Middel, sich thematisch glaubhaft zu erweitern. Die Bürgerrechte standen klar im Vordergrund dieses Parteitags. Der Staat darf nicht überall herumschnüffeln. Wichtig ist der Schutz von Privatheit.

Mit viel Humor aber dem gebotenen Ernst sprach Prof. Dr. Paul Kirchof über die radika-le Vereinfachung des deutschen Steuersys-

Am 10.5.05 wurde der Vorstand des Ortsver-bandes Schorndorf, Urbach, Winterbach neu gewählt. Der Vorstand setzt sich nun wie folgt zusammen: Vorsitzender: Marcus Seibold, Uhlandstraße 104, 73614 Schorndorf, Tel. 07181/93928-0, Fax: 07181/93928-22, email: [email protected]. Vorsitzender: Manfred KlugeStv. Vorsitzender: Peter ErdmannBeisitzer: Dr. Ulrike Hessler (07181) 991531, David Albanesie (07181) 68287, Roman Tschersich 01622064797, Peter Janssen (07181) 254346

Marcus Seibold ist der neue Vorsitzende in Schorndorf

FDP Schorndorf - Urbach - Winterbach

Schatzmeister: Karl Bühler (unverändert)Schriftführer: Dieter Schorr (unverändert)Ehrenvorsitzender: Ulrich Theurer (unver-ändert) Neuer Name des Ortsverbandes: Schorndorf, Urbach, WinterbachDer Ortsverband umfasst damit Schorndorf mit Teilorten Buhlbronn, Haubersbronn, Miedelsbach, Oberberken mit Unterberken, Schlichten, Schornbach mit Mannshaupten, und Weiler sowie die Gemeinde Urbach und Winterbach. Derzeitige Mitgliederzahl: 61 Kontakt bei Mitgliederinteresse: Marcus Sei-bold

Karl Moersch - Gedichte

Die Roten werden domm und dömmer.Die Grünen werden immer frömmer.Die Vögtin faselt von Boykott.Vor solchen Leuten schütz uns Gott!

Der arme Franz

Die Angst geht um im Sauerland,der flotte Franz hat‘s auch erkannt,wie einst die jungen Bengels,studiert er Marx und Engels.

Da staunt Frau Wirtin an der Lahn,wie so ein Gast sich wandeln kann,der gestern noch als froher Zecher,bei ihr geleert hat manchen Becher.

Sie ruft deshalb nach einem Dokter.Der Franz, sagt er, ist ein Verstockter,er denkt an Deutschland in der Nacht,ist häufig um den Schlaf gebracht.

Er redet viel und sieht Gespenster.Erst neulich sah er Ackermann,und rief im Traum: „Oh Mann, oh Mann!Ein Schweizer bei der Deutschen Bank,das macht mich krank, das macht mit krank.“

„Er leidet unter Angstneurose“,so lautet hier die Diagnose.Der Arzt sprach aus, was einer ahnte,der vorher oft den Franz ermahnte:Abstand zu nehmen von Rot-Grün,weil solches führe zum Ruin.

Der Franz ist kleinlaut jetzt und flüstert:„Ich fühl‘s, mein Kopf hat sich verdüstert,vielleicht bin ich tatsächlich krank -doch schuld ist nur die Deutsche Bank!So zieh ich halt weiter den schweren Kar-ren, auch wenn ich gehalten werd‘ für ei-nen Narren.“

tems. Er sagte: „Wenn Sie das deutsche Steu-errecht lesen wollen, werden sie schon beim § 2 scheitern. Ab da verstehen Sie nichts mehr. Das geht sogar mir so.“ Er beklagte, dass es nicht möglich ist, aus dem Gesetzestext klar zu erkennen, wie viel Steuern man eigentlich bezahlen muss. Er sprach sich für die Ab-schaffung sämtlicher Steuerprivilegien aus und forderte einen einheitlichen Steuersatz von 25 %. Sein Modell kommt dem Solms-Modell sehr nahe, das lediglich drei Steuer-sätze vorsieht: 15 %, 25 % und 35 %.

Gerade mit diesen Themen bekräftigt die Bundes-FDP ihren Anspruch und Willen auf einen Machtwechsel in Berlin.

Man kann zufrieden sein mit dem Parteitag in Köln.

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Ina Lenke, MdB (2. von rechts im Bild) besuchte das Frauenhaus in Ludwigsburg. Mit dabei war auch Gu-drun Wilhelm aus Kirchberg. (ganz rechts im Bild.)

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Nach Absprache mit Erika Schellmann, der Bezirksvorsitzenden Ludwigsburg der Libe-ralen Frauen (LIF) informierte sich jetzt Ina Lenke, MdB, Sprecherin für Frauen, Familie und Zivildienst der FDP-Bundestagsfrakti-on auf der gemeinsamen Geschäftsstelle des Ludwigsburger Frauenhaus und der Interven-tionsstelle in der Ludwigsburger Mühlstras-se über die aktuelle Situation. Erika Schell-mann, Remseck und LIF Vorstandsfrau Gerda Spindler aus Kornwestheim begleiteten die Bundestagsabgeordnete. Adelheid Herrmann, Leiterin des Frauenhauses Ludwigsburg freu-te sich, dass eine MdB „auch mal von sich aus das Frauenhaus besucht und sich für die Belange und Nöte interessiert, denn norma-lerweise ist der Gang immer von unten nach oben.“ Gerade weil von sehr vielen Politikern noch immer Frauenbelange als nicht so wich-tig angesehen werden, freue sie der Besuch und das Interesse um so mehr.

Baden-Württemberg hat als einzi-ges Land keine Frauenförderung

Seit fünfzehn Jahren engagiert sich Adel-heid Herrmann in Ludwigsburg und ist enga-gierte Leiterin des Frauenhauses. Sie ist 50% als Leiterin des Frauenhauses und die an-dere 50% für die Interventionsstelle ange-stellt. Dieser Synergieeffekt sei wichtig, um die knappen Ressourcen optimal zu nutzen. Die Interventionsstelle bietet Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, Beratung und Hilfe nach einer akuten Gewaltsituation an. Baden-Württemberg sei das einzige Bun-desland, das kein Frauenhausfinanzierungs-gesetz habe, es gibt zwar einzelne Zuschüsse, leider stehen im Moment auch diese weni-gen Gelder zur Disposition. Somit habe jedes Haus seine eigene Finanzierung, was die Sa-che nicht leichter mache. Viele Verhandlun-gen erweisen sich als sehr schwierig, gerade weil die eine oder andere Gesetzeslage noch nicht ausgereift sei. Adelheid Herrmann be-klagte auch die Hürden der Bürokratie. Die Arbeit im Frauenhaus sei ohne ehrenamtliche Mitarbeit überhaupt nicht möglich.

In der Interventionsstelle selbst, gibt es keine ehrenamtliche Mitarbeiter, denn dazu wird eine besondere Qualifikation benötigt. Die Wochenendtelefonbereitschaft wird je-doch von einer ehrenamtlichen Gruppe über-nommen: LUPO (Ludwigsburger Notruf)

Trägerverein des Frauenhauses Ludwigs-burg ist „Frauen für Frauen e. V.“ Der Ver-ein muss die Personalkosten für die gesamte Geschäftsstelle aus Eigenmitteln aufbrin-gen, dafür sind keine Fördermittel vorgese-

hen. Dies bedeute eine große finanzielle Be-lastung, gleichzeitig wäre der Fortbestand der gesamten Arbeit ohne eine funktionie-rende Geschäftsstelle gefährdet. Die finan-zielle Lage wurde durch Kürzungen der öf-fentlichen Zuschüsse durch die Stadt sowie durch die finanzielle Lage bei Land und Bund noch verschärft. Am stärksten negativ ausge-wirkt hat sich 2004 der deutliche Rückgang an Bußgeldern und Spenden.

Das Angebot des Notzimmers im Frauen-haus habe sich erneut als hilfreich erwiesen. Damit haben akut bedrohte Frauen und Kin-der wenigstens nachts und am Wochenende vorübergehend Schutz und Unterkunft. Am nächsten Werktag werden sie von der Mitar-beiterin der Interventionsstelle beraten und gegebenenfalls in ein anderes Frauenhaus weitervermittelt.

Das Frauenhaus war 2004 erneut ständig voll belegt. Fünf Zimmer – insgesamt 13 Plät-ze – dazu noch eine kleine Außenstelle. Nach wie vor mussten viele Frauen und Kinder ab-gewiesen werden, bedauerte Adelheid Herr-mann. Auch in diesem Bereich musste man finanzielle Einbußen öffentlicher Fördergel-der hinnehmen. Die Verweildauer im Frauen-haus sei sehr unterschiedlich, stehe natürlich auch im engen Zusammenhang mit der Situ-ation auf dem Wohnungsmarkt. Zumal die Stadt Ludwigsburg kaum noch eigene Woh-nungen besitze.

„Hartz IV“ habe die Situation der Frau-en noch schwieriger gemacht. So werde eine Frau in einem Frauenhaus in einer anderen Kommune ohne Kostenübernahme der Her-kunftskommune nicht aufgenommen. Wo-chenlange bürokratische Verhandlungen sei-en die Folge. Anderseits bedürfen die Frauen, meist mit Kindern, ja schneller Hilfe und Auf-nahme. Adelheid Herrmann sagte Ina Len-ke, dass sie die Umsetzung des Gewaltschut-zes sehr problematisch sehe. Der Schutz vor Gewalt wird zwar im neuen „Gewaltschutz-gesetz“ geregelt. Bei der Umsetzung gibt es noch Schwierigkeiten und Handlungssbedarf. So gebe es beim Platzverweis keine Vernet-zungsgremien.

Ina Lenke, MdB und LIF Bundesvorsitzen-de dankte Adelheid Herrmann für die aus-führlichen und teilweise nachdenklichen Berichte. Aufgeworfene Fragen des Infor-mationsgesprächs wie z.B. zu den Themen „Hartz IV“ oder„Stalking“ notierte sich die Bundestagsabgeordnete und versprach, Adel-heid Herrmann darüber zu informieren.

Liberale Frauen(LIF) stehen dem libera-len Gedankengut nahe, sind allerdings keine Parteiorganisation, sondern eigenständig. LIF Ludwigsburg wurde von Erika Schellmann initiiert und am Weltfrauentag 2001 in Rems-eck gegründet. Bei den Veranstaltungen des Frauenforums Ludwigsburg ist LIF regelmä-ßig beteiligt. Kontakt möglich unter email: [email protected]

Ina Lenke, MdB besucht Ludwigsburger Frauenhaus

Frauenhausfinanzierungsgesetz fehlt

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Rede des Justizministers des Landes Ba-den-Württemberg Prof. Dr. Ulrich Goll (FDP) aus Anlass des Dreikönigstreffens der FDP Baden-Württemberg am 6. Januar 2005 in Stuttgart

Meine sehr geehrten Damen und Her-ren, auch ich begrüße Sie ganz herz-lich und freue mich, dass Sie auch in

diesem Jahr wieder an unserer Kundgebung teilnehmen!

Ich selbst habe ja mal ein Jahr ausgesetzt - und als ich wieder kam, hat mancher ge-schmunzelt, weil ich mich in der Zeit außer-halb der professionellen Politik ausgerechnet mit Insolvenzen bzw. natürlich auch damit, wie man sie vermeidet, beschäftigt habe.

Aber in jedem Scherz steckt auch ein Stück Ernst - und in der Tat ist es so: Wenn ein Un-ternehmen seine Kosten so im Griff hätte wie bei uns immer mehr Gemeinden, Länder und vor allem der Bund, dann wäre dieses Un-ternehmen im wirklichen Leben längst drei Mal pleite!

Auch unser Landeshaushalt hat - selbst-kritisch angemerkt - nur mit einiger Bilanz-kosmetik den roten Bereich der Verfassungs-widrigkeit vermieden.

Dabei würden Sie Ihren Kindern auch nicht eines Tages sagen wollen: „Wir haben nur so viele Schulden gemacht, wie gesetz-lich gerade noch erlaubt war!“

Die Ziele müssen andere sein, und des-halb brauchen wir vor allem einen Staat, der nur das macht, was privat nicht genauso gut oder besser gemacht werden kann - mit an-deren Worten, wir brauchen einen liberalen Staat, einen Staat, wie wir ihn immer gefor-dert haben - und hätte man früher und konse-quenter auf die liberale Stimme gehört, dann wären wir heute auch nicht in der verhee-renden Situation mit unseren öffentlichen Haushalten.

Der Staat soll sich auf seine klassischen Aufgaben konzentrieren, auf die Herstellung von Sicherheit und Chancengleichheit, von Entfaltungsmöglichkeiten für die Menschen - und deshalb geht es auch nicht nur um den Rückbau des Staates, sondern - Zug um Zug - um die Wiederherstellung von Freiheit.

Meine Damen und Herren, wir sind die Partei der Freiheit und der Bürgerrechte und wir werden uns in dieser Aufgabe auch ver-lässlich beweisen.

Ausgerechnet die Grünen haben in letzter Zeit versucht, uns diese angestammte Rolle streitig zu machen, aber wie denn und wo denn?

Der einzige besondere Beitrag der Grünen zum Thema Bürgerrechte, der mir einfällt, ist

vielleicht das Recht auf ewiges Leben durch gesunde Ernährung… Wie sie tatsächlich mit der Freiheit umgehen, zeigt der von den Grü-nen maßgeblich betriebene, neue, rot-grüne Entwurf für ein sogenanntes Antidiskrimi-nierungsgesetz.

Danach kann künftig jeder, der einen Ver-trag schließt, schadenersatzpflichtig werden, wenn für ihn beim Vertragsschluß die eth-nische Herkunft, die Religion, Weltanschau-ung, das Alter oder die sexuelle Orientierung des Verhandlungspartners eine Rolle gespielt haben.

Meine Damen und Herren: Da reicht es nicht mehr darauf zu verweisen, dass „gut gemeint“ in der Regel das Gegenteil von „gut“ ist - Dieses Gesetz ist nicht nur die Fortset-zung der systematischen Freiheitsvernich-tung im privatwirtschaftlichen Bereich, es ist in Wirklichkeit auch kein Antidiskrimi-nierungsgesetz, sondern es ist ein Diskrimi-nierungsgesetz, weil es jedem, der einen Ver-trag schließt, unterstellt, dass er gesetzliche Bevormundung braucht, um die Regeln von Ethik und Moral einzuhalten, die jedenfalls für die meisten von uns ohnehin selbstver-ständlich sind, und bei denen, für die diese Regeln nicht selbstverständlich sind, nützt ein solches Gesetz am allerwenigsten!

Meine Damen und Herren, wir werden uns dieser Besserwisserei und Bevormun-dung, diesem Angriff auf die Vertragsfreiheit und ihre redlichen Nutzer mit aller Kraft ent-gegenstellen und ich bitte Sie, uns dabei zu helfen!

Berliner Giftpillen dieser Art hindern uns natürlich daran, das zu tun, was das wich-tigste ist - nämlich den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg empfänglich zu machen für neue Dynamik Den Wirtschaftsstandort, der von der Initiative und der Qualifikation seiner Menschen lebt - und deshalb kommt es außer dem Kampf um die Freiheit und gegen staatliche Bevormundung vor allem auch auf die richtige Politik in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Forschung an.

„Jeder Euro, der in diese Bereiche - Bildung, Wissenschaft und For-schung in Baden-Württemberg in-vestiert wird, ist ein guter Euro!“

Aber woher haben wir sie denn, diese Eu-ros, die wir in diesem Land, anders als in anderen Ländern, auch in finanziell schwie-rigsten Zeiten gerade in Wissenschaft und Forschung stecken können?

Wir haben das Geld, das wollen wir schließ-lich nicht vergessen, aus Privatisierungserlö-

sen - mit anderen Worten, es ist Geld, das es ohne Liberale nie gegeben hätte!

Ich zitiere Erwin Teufel, in einem Inter-view mit den Stuttgarter Nachrichten, vom 21. Dezember: „Hätten wir nicht den Ertrag der Landesstiftung, könnten wir nicht für die Forschung Millionenbeträge einsetzen. Wer aber nicht mehr sät, kann auch nicht mehr ernten.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Wäre es nach dem designierten Minister-präsidenten gegangen - aber beim scheiden-den war´s lange Zeit auch nicht anders - dann säßen wir heute noch auf einer weitgehend nutzlosen und, noch schlimmer, wertlosen Beteiligung im Energiebereich, mehr noch - haben Sie darüber schon einmal nachge-dacht? - das Land wäre stattdessen für die notwendige Sanierung des Wirtschaftsunter-nehmens EnBW zuständig gewesen - mit an-deren Worten, eine richtige Sanierung wäre nie gekommen und hätte gerade deshalb das Land viel Geld gekostet, ohne dass die Ar-beitsplätze gesichert worden wären.

Eigentlich müssten die Herren Oettinger und Teufel heute noch jeden Abend drei Kreu-ze schlagen - bzw. drei Extra-Kreuze schla-gen - dass wir den EnBW-Verkauf durchge-setzt haben, und dass wir Geld haben für die Forschung - um in der Forschung Spitze zu sein auf wichtigen, gerade für das Leben der Menschen bedeutsamen Feldern - vorausge-setzt natürlich, wir wollen das und fallen uns dabei nicht selbst in den Arm.

Um Krankheiten wie Alzheimer oder Par-kinson künftig besser erforschen zu können, haben unsere Schweizer Nachbarn, und zwar wohl bemerkt die Menschen selbst und nicht ein Parlament, entschieden, dass die Mög-lichkeiten der Stammzellforschung verbes-sert werden sollen.

Wir sind in Baden-Württemberg - pikan-terweise von einer schwarz-grünen Streit-macht - auf den Weg getrieben worden, der einigermaßen scheinheilig bedeutet, dass wir an Forschungsergebnissen anderer zwar teil-nehmen, im Übrigen unsere Hände in der

Dreikönigskundgebung am 6.1.2005

Goll: „Wir sind die Partei der Bürgerrechte!“

Ulrich Goll - Justizminister des Landes Baden- Württemberg und Spitzenkandidat der FDP für die Landtagswahl 2005

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Unschuld eines Forschungsverbotes waschen wollen. Meine Damen und Herren, so kann eine zukunftsorientierte und fortschrittliche Forschungspolitik für dieses Land nicht aus-sehen -Aber das Beispiel zeigt auch, wohin die schwarzgrünen Gedankenspiele einiger CDU-Politiker sehr schnell führen würden - nämlich dass sich das Land von sämtlichen Spitzenplätzen, die es jetzt im Länderver-gleich innehat, sehr schnell herunterkata-pultieren würde.

„Wir wollen verbesserte Möglich-keiten der Stammzellforschung auch nutzen, damit die Menschen im Land im Alter gesund bleiben.“

Sie werden heute viel älter als früher - und das ist erfreulich.

Aber diese Tatsache stellt uns bekanntlich auch vor einige Herausforderungen, die sich mit dem Begriff des demographischen Wan-dels verbinden.

Wir führen diese Debatte in einer Hinsicht noch viel zu defensiv.

Wir machen uns schon weit blickende Ge-danken, wie wir Kindertagesstätten zu Seni-orenbegegnungszentren umbauen.

Aber wenn wir nur die Familien, die heute ein Kind haben, dazu brächten, zu sagen: Ein zweites trauen wird uns auch noch zu, dann könnten wir die ganze vorliegende Statistik in den Papierkorb werfen.

„Aus eins mach zwei“ - schon das wäre die rettende Formel!

Apropos Zahlen: Lange Jahre bin ich in ei-nem Gemeinderat gesessen, und in all diesen Jahren hat keine einzige Prognose gestimmt, mit wie vielen Kindern für die Kindergärten zu rechnen ist da möchte man auch manch-mal sagen: „Lieber ein buddhistisches Stan-desamt als ein statistisches Bundesamt“.

Jedenfalls: Mehr als viele schlaue Zahlen brauchen wir Taten.

„Wir brauchen deutliche Signale für mehr Nachwuchs, für mehr Kinder in unserer Gesellschaft.“

Immer wieder taucht zum Beispiel der Vor-schlag auf, dass jedes Kind bei Wahlen eine Stimme haben soll, die stellvertretend von den Eltern abgegeben werden kann.

Ich gebe zu, für diesen Vorschlag hege ich schon deshalb eine gewisse Sympathie, weil ich dann die nächste Landtagswahl mehr oder weniger allein entscheiden könnte.

Nicht ohne meine Frau natürlich - und da sind wir an einem sehr ernsten Punkt der Dis-kussion um mehr Kinder, nach meiner Mei-nung am wichtigsten Punkt: der Rolle der Frau in der Gesellschaft!

Es ist eben schwierig, Kinder zu bekom-men, wenn die Frauen es nicht wollen!

„In Deutschland bleiben 40 % der Frauen mit Hochschulabschluss kinderlos, in Frankreich sind es nur 15 %!“

Dass Frauen und ihre Partner sich immer häufiger gegen Kinder entscheiden, hat für mich vor allem einen Grund: Die Frau, die Kinder haben will und sich auch noch um ihre Erziehung kümmern will, landet bei uns in ei-ner Art von politischem Niemandsland.

Will sie nicht weiterarbeiten, merkt sie schnell, dass für die sozialdemokratische Sei-te der Mensch und insbesondere die selbst-bewusste Frau erst mit der Erwerbsarbeit beginnt, das hängt vermutlich damit zusam-men, dass der Mensch erst dann gewerk-schaftsfähig wird - und das ist für die SPD so etwas wie „rechtsfähig“.

Will eine Frau aber weiter arbeiten, merkt sie genauso schnell, dass die konservative Seite der Politik für ihre Versuche, ihre Kin-der betreuen zu lassen, „schöne“ Worte fin-det wie „Kinder weggeben“, „Aufbewahren“ usw.

Meine Damen und Herren, jetzt habe ich mit großen Ohren gehört, dass Günter Oett-inger das Wort Ganztagsbetreuung in den Mund nimmt. Aber Wolfgang Clement bei-spielsweise zieht auch durch die Lande, auch durch unseres, und hält Reden wie Ludwig Erhard!

Meine Damen und Herren, da müsste die CDU schon eine andere Partei werden, um in der Frage der Kinderbetreuung die rich-tige Adresse zu sein, einstweilen sind ihre Mitglieder mindestens mit 60 zu 40 Prozent dagegen, das Thema Frau und Kinderbetreu-ung neu zu überdenken!

Nein, das wird eine liberale Aufgabe sein und bleiben, der Frau echte Wahlmöglich-keiten zu verschaffen, von denen sie ohne schlechtes Gewissen und ohne gesellschaft-lichen Druck Gebrauch machen kann - sehr im Interesse einer kinderfreundlichen Gesell-schaft.

Ich will aber beim Thema Rolle der Frau nicht nur von den deutschen Frauen spre-chen, sondern auch von denen, die in der Presse kürzlich als „Allahs rechtlose Töch-ter“ bezeichnet wurden.

Wir müssen es mit Betroffenheit zur Kenntnis nehmen, wenn es offenbar so ist, dass auch auf unserem Boden, auf dem Lan-desverfassung, Grundgesetz und EMRK gel-ten, Mädchen und junge Frauen gegen ihren Willen verheiratet werden, mit Partnern, die sie vorher oft nicht einmal gekannt haben!

Ich habe eine Initiative meiner Amtsvor-gängerin aufgenommen und die Landesre-gierung hat sie mit einer Bundesratsinitia-tive vorangetragen, einen Straftatbestand „Zwangsheirat“ zu schaffen. Klare Sache -sollte man meinen, aber so einfach ist es of-fenbar nicht.

Auf der einen Seite des politischen Spek-trums habe ich schon wieder den Eindruck, dass türkische Mädchen nicht allen einen ei-genen Straftatbestand wert sind - Auf der an-deren merke ich, dass manche die Ausein-andersetzung mit problematischen Aspekten islamischer Kultur und Tradition nicht gerade suchen, um es einmal so zu sagen.

Meine Damen und Herren, Politik muss ein menschliches Gesicht haben -das gilt über-haupt und gilt auch im Fall türkischer Mäd-chen, deren Zukunftsträume und Hoffnungen niedergewalzt und zerstört werden - und es ist eine Herausforderung für Liberale und sollte es für alle sein, den Betroffenen zu helfen.

Und eine Herausforderung ist es auch, das macht das Beispiel Zwangsheirat klar, Parallelgesellschaften ganz klar einen Riegel vorzuschieben, in denen die Gefahr eigener Rechtsräume entsteht, die sich still und leise von unseren Verfassungen entfernen.

Wir halten es - da gibt es keinen Zweifel - für eine Bereicherung unserer Kultur, wenn wir die Begegnung und das Miteinander mit anderen Kulturen bei uns in Baden-Württem-berg haben, aber wir wollen Toleranz und Tiefschlaf nicht verwechseln!

Tiefschlaf - ich verstehe seit neu-estem mehr vom Thema Schlaf… Ich habe aber keine Lust auf Winterschlaf im Land - bis zum 19.April!

Als ich eine Erneuerung der Koalitions-vereinbarung gefordert habe, wurde mir vom größeren Koalitionspartner mit einigem Hu-mor, aber auch mit viel Arroganz erwidert: „Hund bleibt Hund und Schwanz bleibt Schwanz!“

In diesem Fall ist die CDU allerdings der einzige Hund, der ohne einen Schwanz nicht leben kann - jedenfalls nicht in der Regie-rung!

Und eines ist auch klar: Wer meint, dass wir zum Wedeln da sind, der irrt sich! Ich will es noch einmal deutlicher sagen: Wir brauchen eine aktive und an gemeinsamen Zielen orientierte Regierungspolitik im kom-menden Jahr, nicht einen designierten Minis-terpräsidenten, der gerade noch einen Fern-lehrgang macht.

Oder die Fenster ausmisst oben auf der So-litude, dass nachher die Gardinen passen.

Meine Damen und Herren, wir wollen Po-litik gestalten im kommenden Jahr, mit Ihrer Hilfe und Ihrer Zustimmung, zum Wohle die-ses Landes Baden-Württemberg!

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Wird Jürgen Hofer nach Rolle und Zukunft der Region Stuttgart gefragt, verweist er ger-ne auf eine urschwäbische Tugend, die er von der Region gerne umgesetzt sähe:

„Im Schwäbischen gibt es eine klare Regel, ‚Schaffa, ned schwäd-sa’ – und die Region tut gut daran, diesen Satz zu beherzigen.

Leistung muss das Bild (neudeutsch Image) der Region prägen, nach innen wie nach au-ßen, nicht große Worte.“

Für Jürgen Hofer gibt es „zwei Blickwin-kel, unter denen die Region Stuttgart zu be-trachten ist. Die globale Perspektive und die lokale“. Die globale ist klar: Von außerhalb wird die Region als „Stuttgart“ wahrgenom-men. In San Francisco, Shanghai und Sydney ist der Flughafenstandort erst auch mal mit der Region identisch. „Oder wissen wir auf Anhieb den Unterschied zwischen San Fran-cisco und der San Francisco Bay Area?“

Jürgen Hofer, MdL, Vorsitzender der FDP-Regionalfraktion

Das Image der Region hängt von ihrer guten Arbeit ab

Jürgen Hofer, MdL

Feinheiten verschwimmen eben auf die Distanz. Deswegen ist es ihm auch wichtig, klare Signale zu setzen: Preise und Belobig-ungen (Awards), Projekte und Präsenz auf internationalem Parkett. „Diesen Teil haben wir inzwischen gut gelöst. Die Fußballwelt-meisterschaft 2006 wird auch wieder eines

der wünschenswerten Ereignisse sein, bei denen „Stuttgart“ von außen wahrgenom-men wird.“

Die Innenwahrnehmung ist eine andere Frage: „Image“ der Region als ein „Wir-Ge-fühl“ zu definieren, das sich auch auf die Re-gion bezieht, heiße wohl die meisten Men-schen zu überfordern: „Diese sind Bürger ihrer Stadt und ihrer Gemeinde, sie empfin-den sich dann noch ihrem Landkreis, dem Land und Deutschland zugehörig. Wobei es der Landkreis in dieser Kombination sicher am schwersten hat.“

Die Region könnte da nur mithalten, wenn sie es schaffen würde, eine „Marke“ zu werden, so wie Bosch, wie DaimlerChrysler, wie Trumpf-Maschinenbau oder Ritter-Sport. Das heißt aber harte Arbeit, lange Arbeit und ein gutes Produkt, das alle überzeugt. Das heiße beispielsweise, den Bürgerinnen und Bürgern so dienen, dass sie die Region als positive Bereicherung ihres Daseins empfin-den. „Das heißt nicht ein ewiges Kompetenz-Gemaule führen, sondern dort zuzupacken, wo eine Aufgabe wartet. Nur überzeugen-de Arbeit überzeugt, der Schwabe weiß das. Deswegen ja auch ‚schaffa, ned schwädsa’“

Sowohl im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) wie auch beim Verkehrsträger Straße gibt es immer noch Lücken und

Mängel im Rems-Murr-Kreis.

Zwar haben sich beim SPNV Pünklichkeit, Bequemlichkeit und die Anschlüsse in Stutt-gart verbessert, weshalb es auch bei uns ei-nen nennenswerten Fahrgastzuwachs gibt.

Dringlich geworden ist der vorgesehene Ringschluss S-Bahn Marbach-Backnang so-wie der behindertengerechte Ausbau aller S-Bahn-Stationen; der verfügte Stopp ist mög-lichst rasch aufzuheben.

Sehr kritisch zu bewerten sind die inzwi-schen vorgenommenen Streichungen von Zügen im Regionalverkehr im Zeitkorridor der Schülerverkehre. Die FDP/DVP-Land-

Verkehr im Rems-Murr-Kreis

Warnung vor weiterer Verkehrszunahme

■ Von Prof. Dr. Fritz Weller Kreisrat und Parlamentarischer Berater tagsfraktion ist hierzu parlamentarisch ak-

tiv geworden.Eine noch größere Attraktivität der Benut-

zung der Nah- und Regionalverkehrszüge ver-sprechen wir uns von der von Jürgen Hofer MdL ins Leben gerufenen Ordnungspartner-schaft Kommune – Deutsche Bahn AG mit dem Ziel, das Erscheinungsbild der Bahnhö-fe zu verbessern. Unter tatkräftiger Mithilfe von Karl Idler gibt es hierbei gute Fortschrit-te – beginnend in Weinstadt mit ihren Bahn-Haltepunkten.

Der motorisierte Individualverkehr – Per-sonen- und Güterverkehr – nimmt auch im Verkehrsraum Rems-Murr kontinuierlich zu und die Straßenkapazitäten bleiben in ihrer Fortentwicklung zurück.

Folglich öffnet sich die Schere zwischen Bedarf und bereitgestellten Investitionsmit-tel immer weiter – mit verkehlich verheeren-den Folgen: Staus, Unfälle und Umweltbe-lastungen.

Gravierende Engpässe gibt es nicht nur bei der Anbindung - Zubringer der Bundes- und Landstraße (B 14 und B 29) zum Auto-bahnnetz (A 7 und A 81). Vielmehr gibt es bei der Erhaltung und beim Aus-/Neubau von Ortsumgehungen (Landes- und Kreisstraßen) einen großen Nachholbedarf, der über öffent-liche Mittel allein nicht mehr gedeckt werden kann. Formen privater Finanzierung müssen gefunden werden, entsprechend den Model-len im Bundesfernstraßenbau.

Sowohl die FDP-Bundestagsfraktion wie auch die FDP/DVP-Landtagsfraktion unter-breiteten hierzu Vorschläge, die zwar all-gemein akzeptiert worden sind, deren Um-setzung jedoch noch einige Jahre dauern dürften.

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Prof. Dr. Fritz Weller (vorne) auf dem Dreikönigs-treffen in Stuttgart Foto: Kiessling

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Über Jahrzehnte hinweg erwies sich der Ortsverband Schorndorf als einer der stabilsten im Land.

Zwar gab es Abspaltungen und Zusam-menschlüsse von und mit Umlandgemein-den, aber Schorndorf selber, vor allem die Kernstadt, hatte immer einen genügend gro-ßen, selbstbewussten Mitgliederstamm – bis heute. Das hat großenteils mit einem der großen Söhne Schorndorfs, Reinhold Maier, zu tun, aber auch mit der altwürttembergi-schen, demokratischen Prägung dieser Land-stadt und jetzigem Mittelzentrum im Rems-tal zu tun.

Vor 1980 spaltete sich der OV Oberes Rems-tal auf in Plüderhausen und Schorndorf. Die Winterbacher Mitglieder kamen unter das Schorndorfer Dach. Später setzte sich der Vorsitzende Ulrich Theurer für einen eigen-ständigen OV Winterbach ein, der zwar mit großem Pomp unter Beisein des damaligen Bundesvorsitzenden Dr. Bangemann gegrün-det wurde, aber von Anfang an mit großen Schwierigkeiten wegen Wegzügen und Todes-fällen zu kämpfen hatte und von sehr unter-schiedlich motivierten Vorsitzenden geführt wurde. Auch gab es wegen der Übermacht der Freien Wähler kein Interesse der Win-terbacher an der Aufstellung einer eigenen FDP-Liste, was eigentlich eines der Ziele bei der Gründung war.

Ende 2004 schloss sich Winterbach wieder Schorndorf an, so dass jetzt ein mitglieder-starker Verband existiert, der 65 Mitglieder umfasst ( Schorndorf 52, Urbach 3, Winter-bach 5 und 5 Externe ). Auch Rudersberger Mitglieder zieht es aufgrund persönlicher Bin-dungen nach Schorndorf. Ihre Eingliederung würde jedoch den OV Welzheimer Wald tan-gieren, so dass Einladungen zu Schorndorfer Aktivitäten mehr Sinn machen.

Zur Stärkung des Schorndorfer Ortsver-bandes trägt zweifellos die seit Jahrzehnten anerkannte Arbeit der FDP-UB- bzw. FDP-Freie Wähler-Fraktion bei, die in der Regel über 20% der Wählerstimmen bei Kommu-nalwahlen bekommt und bisher 7-10 Stadträ-tinnen und –räte stellte. Durchschnittlich die Hälfte der Fraktion sind FDP-Mitglieder.

In unseren Ortsverbänden wird oft ein sehr unterschiedlicher Stil gepflegt. Während sich der OV Backnang mit seinem Vorsitzenden, Stadt- und Kreisrat Edwin Müller über viele Jahre in Geselligkeit und deftigen Wahlkämp-fen übte, gab es in anderen Ortsverbänden eher Mitgliederversammlungen und Veran-staltungen zu programmatischen Themen.

Im OV Schorndorf wird beides intensiv ge-pflegt. Regelmäßige Mitgliederversammlun-gen und Vorstandssitzungen wechseln sich ab mit Information der Mitglieder. Beispielswei-se mit Jürgen Hofer, MdL, über die Region, H. Wolff zur Bildungspolitik, Kreisrat Dr. W. Weigold über die RM-Krankenhäuser, Jürgen Hofer über die Verwaltungsreform im Land, Landrat J. Fuchs über deren Auswirkungen im Kreis, J. Brehmer zu Europa und K. Felger über seine Tätigkeit als „Entwicklungshelfer“ in Weissrussland.

Die Sommerfeste und die Weihnachtsessen haben ihren festen Platz im Bereich „Gesellig-keit“, so dass sich Informationsbedürfnis und fröhliches Miteinander ideal ergänzen.

Ortsverband Schorndorf - Urbach - Winterbach - Zur Geschichte und Situation des Ortsverbandes

Mit 65 Mitglieder ein aktiver Orstverband■ Von Manfred Kluge und Ulrich Theurer

aus dem Ortsverband Schorndorf

Erfreulich ist, dass immer wieder jüngere „Semester“ zur FDP in Schorndorf, Urbach und Winterbach finden und von Überalterung hier nicht gesprochen werden kann.

Alle Verantwortlichen sind sich bewusst, dass ein außerordentlich arbeitsintensives Jahr 2006 vor ihnen liegt: im Frühjahr die Landtagswahl, für die der Kandidat vielleicht mit Erscheinen dieser Mitgliederzeitschrift feststeht, dann im Frühsommer die Oberbür-germeisterwahl, bei der die FDP hofft einen liberalen Kandidaten zum Erfolg zu bringen und schließlich im Herbst die Bundestags-wahl, bei der alle hoffen, dass die FDP ge-stärkt hervorgeht, die rot-grüne Regierung endlich abgelöst wird und Hartfrid Wolff in den Bundestag einzieht.

Traditionelles Sommerfest der FDP Schorndorf. Aufnahme von 2004 Im Bild v.l.n.r.:Hartfrid Wolff, Karl Bühler, Urlich Theurer.

Mitgliederversammlung der FDP Schorndorf mit dem Landtagsabgeordneten Jürgen Hofer (rechts im Bild). Mit 65 Mitgliedern zählt der Ortsverband zu den größten im Landesverband.

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Es ist noch gar nicht so lange her, dass eine riesige Welle im Indischen Ozean Landstriche verwüstete und eine un-

geheure Zahl an Menschen in den Tod riss. Selbst wenn eine vergleichbare Verwüstung in Deutschland eher unwahrscheinlich ist, können doch Großschadensereignisse eintre-ten, die schnelle Reaktionen bei den Hilfskräf-ten und Behörden verlangt.

Naturereignisse wie die Oder-Flut von 2002, Terroranschläge, wie z.B. in New York oder Madrid, oder auch technische Gefähr-dungen wie Eisenbahnunglücke oder Flug-zeugabstürze wie über Überlingen 2003 kön-nen auch weiterhin in Baden-Württemberg gut koordinierte Großrettungsaktionen erfor-derlich machen. Bisher schon konnten Poli-zei, Feuerwehr und Rettungsdienste im Ein-zelfall aber auch bei Großschadensereignissen erfolgreich Leben retten; nur könnte das ein oder andere besser gehen. Hier stehen nicht die Helfer in der Verantwortung – die Politik ist am Zuge, Maßnahmen zur Situationsver-besserung zu ergreifen.

Das Ehrenamt unterstützen

Die vielfach ehrenamtliche Tätigkeit im Brandschutz, im Rettungsdienst und bei den freiwilligen Helfern muss immer wieder her-vorgehoben werden; jeder, der sich hier en-gagiert, übernimmt im besten liberalen Sin-ne Verantwortung für seinen Nächsten. Die Politik muss das ehrenamtliche Engagement unterstützen und nicht weitere Bürokratien schaffen.

Bei der Zusammenarbeit der Rettungskräf-te sieht das CDU-geführte Sozialministerium in Baden-Württemberg sogar selbst Optimie-rungsbedarf. Getan wurde aber in der Ver-gangenheit zu wenig, um das Ehrenamt zu stärken, das ökonomisch Sinnvolle zu tun und, vor allem, eine bessere Notfallrettung zu schaffen. Die Novellierung des Rettungs-dienstgesetzes in der ersten Legislaturperiode der CDU-FDP-Regierung war zu wenig.

Bessere Hilfe bei Notfällen für die Opfer/Kranken

Einfachere Rahmenbedingungen für die Retter, weniger Kosten für den Steuerzah-ler

Dabei kann allein durch („einfache“) Änderung von Gesetzen Abhilfe geschaf-fen werden. In Baden-Württemberg haben wir sowohl für den Katastrophenschutz, den

Brandschutz als auch für die Rettungsdiens-te drei eigenständige Gesetze (!); für die Ret-tungsdienste ist das Sozial-, für den Brand-schutz, den Katastrophenschutz und die Polizei ist das Innenministerium zuständig. Unterschiedliche Formalien sorgen für Un-klarheiten.

Im Ländle gibt es in jedem Landkreis und in den kreisfreien Städten eigenständige Leit-stellen; nur in einer städtischen Leitstelle ar-beiten Rettungsdienste und Feuerwehren in einer integrierten Leistelle zusammen. Je klei-ner eine Leitstelle ist, desto schneller können bei Großschadensereignissen Personal und Technik überfordert sein. Als Beispiel mag nur Folgendes gelten: während der Katastro-phe bei der Flugshow in Ramstein vor einigen Jahren sind innerhalb weniger Minuten die offiziellen Funkverbindungen zusammenge-brochen. Eine Koordination der Rettungskräf-te war massiv erschwert.

Das Betreiben der kleinen Leitstellen ist ungleich teurer als die Bündelung der Tech-nik und Kompetenz in großen, vernetzten Einheiten.

Andere Bundesländer haben bereits ge-handelt und ein einheitliches Gesetz geschaf-fen; weitere Länder haben beschlossen, die Anzahl der Leitstellen deutlich zu reduzie-ren und flächendeckend integrierte Leitstel-len zu schaffen. Das „Musterländle“ ist hier „Schwanzmeister“.

Entbürokratisierung einfach gemacht!

Allein durch die Schaffung eines einheitlichen Gesetzes ist damit zu rechnen, dass a) die nachgeordneten Behörden weniger Ge-

setzestexte und Formulare drucken, den Hilfsorganisationen mitteilen und in der täglichen Arbeit sowie im Schadensfall be-achten müssen,

b) Zweifelsfälle einheitlich ausgelegt werden und die Akzeptanz der Behördenentschei-dungen steigt,

c) Die Anzahl von Beratungen verringert und zugleich die Zusammenarbeit verbessert werden kann und

d) Die vereinheitlichten Regelungen in ge-meinsamen Übungen erprobt werden kön-nen.

Ein legislativer Synergieeffekt ergibt sich dar-über hinaus insbesondere bei- der Aufgabenbeschreibung der Gemeinden, Landkreise/kreisfreien Städte und des Lan-des

- der Führung und Einsatzleitung, - der Aufsicht und Kostentragung,- den Eingriffsrechten und Pflichten von Ei-gentümern und Anlagenbetreibern,

- bei Datenschutz, Ordnungswidrigkeiten und Ermächtigungen für Rechtsverordnungen.

Katastrophenschutz, Brandschutz und Rettungsdienst verbessern

Notfallopfern besser helfen■ Von Hartfrid Wolff

Stellv. Kreisvorsitzender

REMS-MURR L IBERAL

Hartfrid Wolff aus Waiblingen. Hier als engagierter Redner auf dem Landesparteitag am 17.7.2004. Er wurde wieder als Beisitzer des Landesvorstandes gewählt. Foto: Friedrichsohn

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Ein einheitliches Gesetz wäre zudem u.a. angesichts der demographischen Entwick-lung, beachtlich z.B. bei der Gewinnung von freiwilligen Feuerwehr- und Rettungsdienst-kräften sowie Helfern bei Katastrophenein-sätzen, synchron und einfacher an die neuen Herausforderungen anzupassen. (vgl. u.a. die Begründung zum Referentenentwurf des Ge-setzes zur Neuordnung des Brandschutzes, Rettungsdienstes und Katastrophenschut-zes im damals allein CDU-geführten Frei-staat Sachsen)

Effiziente, integrierte, große Leitstellen in Baden-Württem-berg, geringere Kosten für die Allgemeinheit

Die Erhöhung der Qualität der Notfallrettung ist oberstes Ziel. Dies ist durch Entbürokrati-sierung und die Verbesserung der Wirtschaft-lichkeit möglich; auch durch besser bezahl-tes, qualifiziertes Personal in den Leitstellen

Dazu müssen nicht nur die technischen Vo-raussetzungen geschaffen werden; auch der Beruf der Rettungsassistenten bedarf einer deutlichen Aufwertung. Die Bezahlung soll-te endlich angemessen, die Ausbildung deut-lich besser sein.

Als Durchreiseland und Standort von in-ternationalen Unternehmen ist es für Baden-Württemberg essentiell, dass Bürger, die nur geringe Deutschkenntnisse haben, sich auch im Notfall verständigen können müssen. Die Fremdsprachenkenntnisse deutscher Hilfs-kräfte sind mager. Zwar kann nicht verlangt werden, dass alle Fremdsprachen „vorge-halten werden“. Doch große türkischspra-chige Bevölkerungsgruppen beispielsweise oder der englischsprachige Urlauber sind auf grund von Sprachbarrieren vielfach von der Beantwortung ihrer Notrufe ausgeschlossen. Gängige und regional bedeutsame Sprachen müssen beherrscht werden. Die Landesregie-rung geht davon aus, dass bei einem Not-fall eines Ausländers schon ausreichend deutschsprachige den Notfall melden kön-nen…. Manche kostenintensive Fehlanrufe und -einsätze können auch durch den Abbau von Sprachbarrieren vermieden werden.

Schnellere, qualifizierte Hilfe für Betroffene

Gleichzeitig werden die Chancen der techni-schen Möglichkeiten nicht genutzt: anhand von Checklisten könnten qualifiziertere Ret-tungsassistenten bereits telefonisch die ersten Maßnahmen erläutern oder sogar die Nähe der nächsten ärztlichen Praxis oder AED-Ge-rätes angegeben werden. Voraussetzung ist eine entsprechende Ausstattung personeller und technischer Art. Damit wäre jedem Not-

fallpatienten besser geholfen und die volks-wirtschaftlichen Folgen einer späteren Hilfe ließen sich minimieren. Für diese Maßnah-men wäre auch das Geld vorhanden, wenn man einfachere Strukturen schaffen würde.

Um gerade die zukünftigen Herausforde-rungen der Kostenreduzierung auf der einen Seite und der gleichzeitigen Verbesserung der Notfallrettung auf der anderen Seite zu errei-chen, ist eine immer stärkere Zusammenar-beit und Vernetzung der Rettungsleitstellen erforderlich.

Integrierte Leitstellen, in denen die Ret-tungskräfte zusammen arbeiten, sind Voraus-setzung für eine bessere, kosteneffizientere Rettung.

Eine enge Vernetzung und Zusammenfas-sung von Leitstellen in der Region Stuttgart in einem ersten Schritt, dann aber mittelfris-tig die Zentralisierung mehrerer Leitstellen, z.B. in den Regierungsbezirken, ist unbedingt erforderlich. Dadurch können sogar mehr fi-nanzielle Mittel freigesetzt werden, als dies für die Qualitätsverbesserung der Leitstellen vonnöten wäre. Der Einwand der fehlenden Nähe zum Einsatzort und damit der fehlen-den Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten er-scheint angesichts der bereits jetzt existieren-den Strukturen – auch ein Rettungsassistent heute kennt die wenigsten „ortsüblichen“ Be-schreibungen in seinem Landkreis – und ins-besondere der steigenden technischen Mög-lichkeiten wenig durchschlagend.

Zentrale Leitstellen über Kreis- und Stadt-grenzen hinaus sorgen für deutlich geringe-re Kosten durch Synergieeffekte. Betriebs-wirtschaftliches Denken, z.B. beim Einsatz der Rettungsmittel wie Rettungshubschrau-ber, Löschzüge, Rettungswagen, Personal-einsatz am Tag und in der Nacht etc., wür-de Einzug halten. Durch die technischen Möglichkeiten, von z.B. GPS, kann der am schnellsten einsetzbare Rettungswagen oder Löschzug angefordert werden – und nicht der-jenige, der gerade aufgrund der Kreisgrenzen zuständig ist. Ein Flächenland wie Sachsen-Anhalt z.B. wird in Zukunft landesweit nur noch zwei Leitstellen betreiben.

Ein Wirrwarr der Telefonnummern

„112“ oder doch „19222“ oder vielleicht „110“ oder die Telefonnummer des Krankenhau-ses… - Viele Telefonnummern verwirren.

Nach einer EU-Richtlinie („E 112“) sind alle Mitgliedsländer verpflichtet, dafür zu sor-gen, dass die Notruf-Telefonnummer „112“ überall in Europa jederzeit von einer ständig besetzten Stelle abgefragt werden kann. Des-halb sollten auch hier schnellstmöglich die verschiedenen „Parallel-Telefonnummern“ abgeschafft werden. Nicht nur, damit sich (europäische) Urlauber und Reisende auch bei uns auskennen, sondern auch wir nicht

erst lange nach der (vermeintlich) richtigen Telefonnummer suchen müssen. Im Notfall muss alles einfach und schnell gehen.

Eine Anmerkung zum Schluss:

So lange liegt die erste Diskussion über die Erhaltung der beiden Krankenhausstandorte Waiblingen und Backnang nicht zurück. Die Emotionen gingen vor allem im Raum Back-nang hoch. Ob dabei die Sorge um die schnel-le medizinische Versorgung eine wesentliche Rolle spielt und gespielt hat, möchte ich nicht spekulieren. Allerdings sollte darauf hinge-wiesen werden, dass die rettungsdienstliche Versorgung, also der Einsatz bei einem Not-fall, nicht an die Nähe des Krankenhauses ge-koppelt ist. Die gesetzliche Hilfsfrist, in der ein Rettungswagen nach einem Notruf vor Ort sein muss, ist überall gleich, wird und wurde nicht verändert. Wenn ein Patient nach Ein-treffen des Rettungswagens bzw. des Notarz-tes rechtzeitig stabilisiert werden kann, ist die Dauer des Weges zum Krankenhaus nur noch in ganz seltenen Fällen der entscheiden-de Faktor. Nach der richtigen Entscheidung des Kreistags für den Standort Winnenden muss ggf. die notärztliche Versorgung – un-abhängig vom Krankenhausstandort – neu überprüft werden.

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FDP Remshalden: Bereits 15.000 Euro an gemeinnützige Einrichtungen gespendet

Durch das jahrelange ehrenamtliche Engage-ment der Freunde und Mitglieder des Orts-verbandes konnte inzwischen ein Betrag von fast 15.000 Euro an gemeinnützige Einrich-tungen und 5. 000 Euro an UNICEF weiter gegeben werden.

Besonderes Lob erhielten für ihren Einsatz beim Remshaldener Ferienprogramm: Wil-traud Schulz – 15 Jahre Kerzen ziehen; Li-enhard Perkams – 10 Jahre Zinnfiguren gie-ßen.

Ergebnis der Neuwahlen:

Vorsitzender. Erhard Mutzke

Stellvertreter: Elke Conradt, Dr. Wilhelm Haller

Beisitzer: Rose Herrlen, Wiltraud Schulz, Hu-bert Hersel, Hans-Karl Kemna, Hans Günter Rieske

Schatzmeister: Jürgen Schulte

Kassenprüfer: Lienhard Perkams, Günter Schulz.

Bericht: Erhard Mutzke

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Waiblingen, den 9.12.2004 Fraktionserklä-rung der FDP Waiblingen zum Bürgerbegeh-ren „Alter Postplatz“ Ja zum Verkauf! Für ei-nen schöneren „Alten Postplatz“.

Herzlichen Glückwunsch Waiblingen! Wir begrüßen das Engagement vieler Waiblinger Bürger, denen der Umbau des „Alten Post-platz“ ein zutiefst persönliches Anliegen ist. Das tut uns allen gut. Und es regt die Dis-kussion an, um diesen wichtigen Punkt in unserer Stadt. Dabei muss sich die Stadtver-waltung und der alte Gemeinderat durchaus den Vorwurf gefallen lassen, mit dem Thema „Alter Postplatz“ zuwenig in die Öffentlich-keit gegangen zu sein. Es folgte im Frühjahr 2004 der „Aufschrei“ der Waiblinger Bevöl-kerung als der Investorenwettbewerb ausge-wertet wurde. Nicht zuletzt dieses Engage-ment der Waiblinger Bürger hat dazu geführt, dass keine Hochgarage mehr geplant ist und eine Reduktion um ein Geschoss durchgesetzt wurde. Also ein Sieg für ein Stück Basisde-mokratie in unserer Stadt!

Doch um was geht es im Bürgerbegehren inhaltlich, welche Punkte liegen auf dem Tisch und welche Pläne hatten die Stadtver-waltung und der Gemeinderat inklusive der FDP eingebracht?

Werfen wir zunächst einen Blick auf das Anliegen von BAPP. Das ist einfach erklärt. Denn die Bebauungsgegner sind nicht „für et-was“ sondern in erster Linie „dagegen“. Frei nach der Devise: „Wir sind dafür, dass wir dagegen sind“ haben die Bebauungsgegner keinen eigenen Vorschlag, außer dem, dass alle bis dato vorgelegten Vorschläge schlecht sind. Dabei benutzt man gerne Begriffe, die wir alle (natürlich!) gerne hören: „begrün-te Platzsituation“ „gesunde Mischung aus Wohnhäusern, Geschäften und kulturellen Einrichtungen.“ Aber was soll dies konkret sein? Den Vorwurf, dass sich viele Politiker heute mit nebulösen Andeutungen ohne praktische und inhaltliche Fundierung auf po-pulistischen Stimmenfang begeben, müssen sich hier die Bebauungsgegner wohl selbst gefallen lassen. So ist die Vision der Bebau-ungsgegner letztlich eine „eierlegende Woll-milchsau“, die es allen irgendwie recht ma-chen will: kuschelige Ladengeschäftchen, ein bisschen Kultur, natürlich schön bescheiden, mit ein paar Wohnungen, gewürzt mit etwas nostalgischem Charme, und viel Grün drum-herum und dabei soll am Besten nicht viel geändert werden. Vergessen wir dabei nicht, dass der „Alte Postplatz“ heute ein tägliches Verkehrsaufkommen von ca. 25.000 Fahrzeu-gen hat. Ohne Zweifel ist diese „romantische Naivität“ ein Stück weit sympathisch - es lässt sich daraus jedoch kein städtebauliches Kon-

zept entwickeln, sondern nur ein Verhinde-rungskonzept. Aber, was das Entscheidende ist, für die Vision der Bebauungsgegner wird sich nie ein Investor finden! Doch wer außer einem Investor soll den „Alten Postplatz“ be-bauen? Die Stadt scheidet wegen fehlender Finanzmittel aus.

Das heißt also im Klartext: Wer gegen den Verkauf des „Alten Postplatzes“ stimmt und gegen die Bebauung, der stimmt dafür, dass alles so bleibt, wie es heute ist. Der „Alte Post-platz“ versinkt nicht nur für mindestens wei-tere drei Jahre im Dornröschenschlaf - son-dern auf eine nicht absehbare Zeit.

Und seien wir ehrlich: der jetzige Zustand ist wahrlich keine Visiten-karte für Waiblingen.

Wie sieht nun der derzeitige korrigierte Bebauungsvorschlag aus, der von der Matrix Immobilien AG umgesetzt werden soll? Ist dieser Vorschlag wirklich immer noch so ein gigantischer Klotz, wie es die Bebauungsgeg-ner unterstellen? Lassen wir die Zahlen spre-chen: Geplant ist ein Handels- und Dienstleis-tungsstandort mit drei Geschossen auf rund 15.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche, mit ca. 4.500 - 5.000 qm Verkaufsfläche so-wie 280 Stellplätzen in einer Tiefgarage. Zum Vergleich: der RemsPark Waiblingen verfügt über 1.100 Parkplätze und eine Verkaufsflä-che von 22.000 qm, wobei die größten Händ-ler Real 16.000 qm und der MediaMarkt 2.000 qm einnehmen. Von Gigantismus beim Ma-trix Konzept kann also nicht ansatzweise die Rede sein. Ganz im Gegenteil! Wir müssen uns vielmehr fragen, ob mit dem derzeitigen Bebauungskonzept überhaupt noch die Be-dingungen für ein großes attraktives Handels-unternehmen gegeben sind. Denn der Bebau-ungsplan sieht nunmehr drei große Händler vor, auf jeweils rund 1.500 qm. Wir hatten auf diesen Umstand bereits mehrfach hinge-wiesen. Aber wir sind dennoch zuversicht-lich, dass es der Verwaltung gelingt, attraktive Handelsunternehmen zu gewinnen, die eine sinnvolle Ergänzung zum innerstädtischen Angebot mit Magnetwirkung in Waiblingen bieten. Völlig kontraproduktiv ist hier jedoch der Vorschlag der Bebauungsgegner, der eine Bebauung mit kleinteiligen Geschäften am „Alten Postplatz“ fordert. Dass dieser Ansatz nicht auf die Gegenliebe der Waiblinger In-nenstadthändler stoßen dürfte, versteht sich von selbst. Denn mit diesem Vorschlag ent-steht ein unmittelbarer Wettbewerb für die bereits bestehenden Geschäfte in der Altstadt, der Fronacker- und Bahnhofstraße.

Die Neubebauung ist mittlerweile nur knapp halb so hoch, wie die benachbarte Karolingerschule und liegt rund drei Meter unterhalb der Dachrinne (Traufhöhe) der Ka-rolingerschule. Die Michaelskirche und die Karolingerschule behalten damit ihren wir-kungsvollen Auftritt im Stadtbild von Waib-lingen. Der Karolingerschulhof wird zu einem „grünen Platz“ umgestaltet. Damit besteht von hier direkte Verbindung zur „grünen Lun-ge“ Waiblingens, dem Landschaftspark Rems-aue. Dabei wird das neu gewonnene Stück Erholungsfläche durch die bestehenden Ge-bäude vom Verkehrslärm abgeschirmt. Am Bürgermühlenweg entstehen nach Abbruch der alten Turnhalle attraktive Stadtwohnun-gen. In das Gebäude der Karolingerschule zie-hen Bildungseinrichtungen wie Musikschu-le, die VHS und die Familienbildungsstätte Waiblingen ein. Also eine attraktive Kultur- und Begegnungsstätte für Waiblingen. Trotz-dem bemängeln wir nach wie vor am Matrix Entwurf die fehlende und transparente Front auf der Landratsamtseite. Dem könnte durch Verwendung von Glas auch in den oberen Ge-schossen entgegen gewirkt werden.

Sprechen wir über die Finanzierung. Die Verwaltung spricht von 7,3 Millionen Euro und manche Kritiker von bis zu 10 Millio-nen Euro. Zugegeben, wir kennen das vom eigenen Häuslebau. Hinterher ist immer al-les irgendwie teurer geworden! Insofern ist ein wachsames Auge auf die Verwaltung si-cherlich nicht falsch. Doch betrachtet man die Rechnung der Kritiker genauer, fällt auf, dass man mit denselben Zahlen wie die Ver-waltung rechnet. Nur dass man die Kosten für die Verlagerung und den Neubau der Ka-rolinger Schule obendrauf gerechnet hat. Das ist natürlich eine Milchmädchenrechnung, da die Kosten für den Umbau der Karolinger Schule in zwei Jahren sowieso anfallen wür-den. Der Umbau wird logischerweise nur vor-gezogen. Falls der Umbau nicht vorgezogen würde, würden dieselben Kritiker (zurecht!) bemängeln, dass man die Straßen zweimal, kurz nacheinander aufreißt. Was die Kritiker auch gerne unterschlagen: Zum einen hatte die Stadt seit Jahren Mieteinnahmen aus den bereits erworbenen Flächen am „Alten Post-platz“ und zum anderen übernimmt der In-vestor die Gesamtkosten für den Bau der Tief-garage am „Alten Postplatz“ von 7 bis 8 Mill. Euro. So kommt der ruhende Verkehr dorthin wo er hingehört - nämlich unter den „Alten Postplatz“ und nicht oben drauf.

Kennen Sie das auch? Gerne führt so man-cher Waiblinger seine Gäste von außerhalb durch unsere wunderschöne Innenstadt. Ge-rade in der Weihnachtszeit mit dem Weih-nachtsmarkt ein hell erleuchteter Juwel, der

FDP Waiblingen - Fraktionserklärung zum „Alten Postplatz“

Sieg für mehr Basisdemokratie

REMS-MURR L IBERAL

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eine mittelalterliche und heimelige Atmos-phäre bietet, die in der Region ihresgleichen sucht. Aber dann beim Anblick der Ausla-gen in den Geschäften die Frage: „Kauft ihr auch hier ein?“ Verschämte Blicke: „ne, ne wir fahren meisten raus in die Center, da gibt’s alle Angebote an einem Ort.“ Die Frage muss also erlaubt sein: Warum haben unsere In-nenstadthändler trotz des Charmes unserer Innenstadt und der hohen Servicequalität zum Teil so enorme Probleme? Wie können wir hier gegensteuern? Wie können wir un-sere Händler unterstützen?

Die Antwort liegt für uns auf der Hand. Waiblingen hat jetzt die Chance den großen Einkaufscentern vor den Toren der Stadt und in Stuttgart auf Augenhöhe etwas entgegen-zustellen: Einen Publikumsmagneten am „Al-ten Postplatz“! Attraktives Einkaufen in mo-dernem Ambiente wird damit in Waiblingen möglich. Denn wo, wenn nicht am „Alten Postplatz“ gibt es noch Raum für größere Ge-schäfte? Bringen wir Kaufkraft in die Stadt zu-rück, zum Vorteil für alle Waiblinger Bürger und unsere Händler. Und schaffen wir damit auch neue Arbeitsplätze in der Stadt. Nicht umsonst gehört es seit vielen Jahren zu den Schlüsselprojekten der Verwaltung und des Gemeinderates, der Entwicklung von großflä-chigem Einzelhandel auf der „Grünen Wiese“ entgegen zu wirken.

Weitere Jahre im jetzigen Zustand sind nicht nur verlorene Jahre - sie werfen Waib-lingen als eine selbstbewusste und moderne Mittelstadt in den Augen der heutigen und späteren Generationen zurück.

Unsere Besten

Beim 95. Geburstag von Dr. Emmy Diemer-Nikolaus

Dr. Emmy Diemer-Nikolaus wurde am 31. Januar 2005 95 Jahre alt. Der Kreis-verband der FDP/DVP in Stuttgart gab

für die langjährige Stadträtin, Landtags- und Bundestagsabgeordnete einen Empfang.

Als Festredner waren die ehe–malige Stuttgarter Landtags- und Bundestagsabgeordnete Ingird Walz und Justizminister Prof. Dr. Ulrich Goll vorgesehen. Kurz bevor die Festansprachen gehalten wurden, bemerkten die beiden Hauptredner, dass sich ihre Ausarbeitungen über Emmy

Es wurde hin und her überlegt, wie und wo man am besten von der Villa Hammerschmidt, dem Wohn-sitz des Bundespräsidenten, bis zum Bundesprä-sidialamt, in dem sein Arbeitszimmer lag, einen überdachten Gang bauen sollte, damit der Präsident unabhängig vom Wetter, sicher und geschützt, die etwa 40 Meter hinübergehen könnte. Pläne wurden gezeichnet und Kostenvoranschläge gemacht, die in die Tausende gingen.

Das Problem wurde schließlich von Heuss durch ei-nen kurzen Entschluss gelöst: Er kaufte für ganze 18 DM einen großen schwarzen, wie er ihn nannte, „fiskalischen“ Schirm, der im-mer unten beim wachhabenden Kriminalbeamten griffbereit in der Ecke stand.

Aus: Frielinghaus-Heuss, Hanna: Heuss-An-ekdoten, München 1994, S. 28.

Unser Heuss

Diemer-Nikolaus sehr ähnlich waren. Prof. Goll blieb als zweitem Redner gar nichts anderes übrig, als sein Manuskript zur Seite zu legen und eine Rede zu improvisieren. Das Publikum merkte nichts. Nach den beiden Reden wackelte Emmy Diemer-Nikolaus nach vorne und sagte: „Ich denke doch, dass viel Gutes über mich gesagt wurde. Leider habe ich nur wenig mitbekommen. Mein Hörgerät ist gerade bei der Reparatur.“ Große Heiterkeit war die Folge. Sie freue sich aber, die Reden später nachzulesen.

REMS-MURR L IBERAL

Frau Dr. Emmy Diemer-Nikolaus am 31.01.2005 in Stuttgart. 95 Jahre.

Ruth Wagner, MdL aus Hessen besuchte Rems-Murr-Kreis

Ruth Wagner, MdL besuchte am 8.12.2004 die Berufliche Schule in Waiblingen. Links im Bild: Schulleiter Manfred Kluge aus Schorndorf.

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Im Oktober 2004 hatte der Krankenhaus-betriebsausschuss die Möglichkeit zu ei-nem Rundgang durch die 3 Rems-Murr

Kliniken. Wie bereits bekannt war, besteht im Krankenhaus Schorndorf der geringste Sa-nierungsbedarf. In den Häusern Backnang und Waiblingen wurden erhebliche Mängel festgestellt.

Eine fraktionsübergreifende Gruppe der Ärzte im Kreistag hat die aus medizinischer Sicht dringlich notwendigen Sanierungsmass-nahmen in einem Schreiben an den Landrat und die Krankenhausbetriebsleitung formu-liert. Es ist erfreulich, dass wesentliche an-gesprochene Projekte bereits im Jahr 2005 abgeschlossen werden (z.B. Kreissäle mit Sektio-Op und Internistische Notaufnahme in Backnang, Räumliche Verbesserungsmaß-nahmen in der Kinderklinik und Patientenca-feteria in Waiblingen, u. a.). Andere Maßnah-men wie die Erweiterung der Internistischen Intensivstation in Backnang oder ein neues Raumkonzept und Modernisierung der Neo-natologie in Waiblingen scheitern vorerst aus baulichen und finanziellen Gründen.

Es ist zu begrüßen, dass der Kreistag, der Landrat und die Betriebsleitung der Rems-Murr Kliniken die Notwendigkeit der Sanie-rung und Beseitigung wesentlicher baulicher und funktioneller Mängel an den Kreiskran-kenhäusern erkannt haben und die stationäre Versorgung der Bürger des Rems-Murr Krei-ses auf einem hohen medizinischen Niveau erhalten möchten bis zur Fertigstellung des geplanten Neubaus, sofern dessen Baube-schluss nach endgültiger Beratung im Kreis-tag auch erteilt werden wird.

Besonders im Hinblick auf die zunehmen-de Konkurrenzsituation der Krankenhäuser in der Region Stuttgart ist es unbedingt erfor-derlich, durch eine hohe Attraktivität unserer Häuser die Grundvoraussetzung für ein gu-tes betriebswirtschaftliches Ergebnis in den nächsten Jahren zu bewahren.

Ende 2004 erfolgte eine Begehung der Krankenhäuser durch die Baukommission. Einzelne Sanierungsmassnahmen sind er-staunlich kostengünstiger ausgefallen als ur-sprünglich angenommen. Es ist zu prüfen, ob auch für zukünftige bauliche Maßnahmen günstigere Kostenrechnungen erreicht wer-den können.

Das wirtschaftliche Ergebnis der Kreis-krankenhäuser in 2003 konnte als zufrie-

denstellend bezeichnet werden. Beim Ver-gleich der Leistungsbilanz fällt auf, dass in Backnang die höchste Bettennutzung erreicht wurde (80,6 %) bei der im Vergleich gerings-ten Verweildauer mit 7,5 Tagen.

Inzwischen wurde dem Krankenhaus-betriebsausschuss ein Medizinisches Be-triebskonzept und ein Raum- und Funkti-onsprogramm für den Neubau am Standort Winnenden vorgestellt.

Eine erste Abstimmung mit dem Sozialmi-nisterium ist erfolgt, die erste Planungsrate wurde bewilligt.

Zum Medizinischen Betriebskonzept:

Vorgesehen sind jeweils 3 internistische und chirurgische Hauptabteilungen:Innere Medizin 1 mit Kardiologie, Angiolo-gie, PulmologieInnere Medizin 2 mit Allgemeiner Innerer Medizin, Gastroenterologie, Diabetologie, Endokrinologie Innere Medizin 3 mit Onkologie und Häma-tologie Chirugie 1 mit Allgemein- und Viszeralchi-rurgieChirurgie 2 mit Unfallchirurgie / Orthopä-dieChirurgie 3 mit Gefäßchirurgie Als weitere bettenführende Hauptabteilungen sind vorgesehen:Neurologie (Übernahme vom ZfP)Gynäkologie und GeburtshilfePädiatrie mit NeonatologieIntensivmedizin

Die HNO und Urologie sind als Belegabtei-lungen geplant.

Die vorgeschlage Bettenzahl wurde vom Sozi-alministerium auf 550 Betten reduziert (incl. der 50 neurologischen Betten, die vom ZfP übernommen werden. )(derzeit zusammen 680 Betten in Backnang und Waiblingen).

Der Vorstand der Ärzteschaft Backnang hat nach ausführlicher Diskussion dieses Konzepts alle an der vertragsärztlichen Ver-sorgung teilnehmenden Mitglieder der Ärzte-schaft Backnang in den Städten und Gemein-den Backnang, Affalterbach, Allmersbach i. T., Althütte, Aspach, Auenwald, Burgstetten, Gaildorf, Großerlach, Gschwend, Kirchberg, Murrhardt, Murrhardt-Fornsbach, Oberrot,

Oppenweiler, Spiegelberg, Sulzbach an der Murr, Sulzbach-Lauffen und Weissach i.T. um eine persönliche Stellungnahme gebeten.Ein-stimmig (115 von 133 angeschriebenen Ärz-te, bei 0 Gegenstimmen) wurde ein Beschluss formuliert, der in dem vorgeschlagenen me-dizinischen Konzept für das neue Kranken-haus in Winnenden keine Verbesserung der stationären Versorgung der Bürger des Rems-Murr Kreises sieht!

Die wohnortnahe stationäre Versorgung des überwiegenden Teils der Kreisbevölke-rung wird sich verschlechtern. Das Rettungs-dienstgesetz mit Einhaltung der Hilfsfrist kann mit 2 alleinigen Notarztstandorten in Schorndorf und Winnenden nicht eingehal-ten werden.

Es muss ausdrücklich betont werden, dass der Rems-Murr Kreis im Landesdurchschnitt bereits heute eine weit unterdurchschnittli-che prozentuale Bettenzahl hat und die Land-kreisverwaltung eine weitere Reduktion mit dem Neubau in Winnenden vorsieht. Aktuelle Daten der Region Stuttgart zum Vergleich:

Stadtkreis Stuttgart 93,5

Landkreis Böblingen 41,3

Esslingen 42,0

Göppingen 59,7

Ludwigsburg 41,5

Rems-Murr 36,5

Baden-Württemberg: 60,6

Derzeit werden nur ca. 50% der Rems-Murr Bürger in kreiseigenen Häusern be-handelt. Wenn die Landkreisverwaltung in Kenntnis dieser Zahlen eine Bettenreduktion vorsieht, werden auch zukünftig große Teile der Rems-Murr Bürger außerhalb des Kreises behandelt werden müssen.

Es muss geklärt werden, ob die Nachbar-kreise, vor allem Stuttgart, in Anbetracht der Finanznot und des erklärten notwendi-gen Bettenabbaus, zu dieser Aufgabe bereit sind, und eventuell vertraglich verpflichtet werden können.

Vor allem für die Chirurgische und Inter-nistischen Versorgung droht bei der derzeiti-gen Konzeption für das Winnender Kranken-haus mit 550 Betten eine Unterversorgung, insbesondere unter dem Aspekt, dass ein gro-ßer Teil der Patienten zurückgewonnen wer-den soll, die derzeit außerhalb der Kreisgren-zen behandelt werden und einem erstrebten Zugewinn an Patienten, die Leistungen eines Zentralkrankenhauses benötigen!

.Das Neubaukonzept des Winnender Krankenhauses wird dem Anspruch nicht ge-recht, alle Aufgaben der Zentralversorgung

Kreisräte Dr. Weber, Backnang und Dr. Weigold, Schorndorf zur Lage der Krankenhäuser

KrankenhausneubauJa oder Nein?■ Von Dr. Bernhard Weber

Kreisrat der FDP/FW-Fraktion

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für das gesamte Kreisgebiet zu übernehmen.Die Teilung der Chirurgie und Innere Medizin in 3 Fachdisziplinen wird zu keiner wesent-lichen Ausweitung oder qualitativen Verbes-serung des derzeitigen medizinischen Ange-botes an den beiden Häusern Backnang und Waiblingen führen. Die Hauptabteilungen Gefäßchirurgie und Onkologie sind zu klein konzipiert. Bei Fortführung der Urologie und HNO als Belegabteilung kann das medizini-sche Leistungsspektrum in diesen Fächern nicht wesentlich erweitert werden. Weitere bisher nicht im Rems-Murr-Kreis etablierte Abteilungen sind nicht vorgesehen.

Zum Raum- und Funktions- programm:

Der Beschluß des Kreistags vom 18.2.2004 er-folgte unter Bewertung des HWP Gutachtens, das auf den Belegungssdaten des Jahres 2001 basierte. Für die inzwischen entwickelte Be-triebskonzeption und das Raum- und Funk-tionskonzepts wurden die IST Daten 2003 und die verhandelten Budgetdaten des Jahres 2004 zugrundegelegt. Dies führt bei den stati-onären Fällen zu einem Plus von circa 25%.

Die Bettenzahl wurde von den Gutachtern angepasst auf 553 Betten, dies entspricht ei-nem plus von ca. 5%! Die zusätzlichen Fälle können nur behandelt werden bei weiterer Reduktion der Verweildauer bei stationärer Behandlung und Ausbau der ambulanten Be-handlung. Gegenüber dem HWP-Gutachten musste wegen der neuen Bewertungsgrundla-gen die Nutzfläche um 28% erweitert werden. Die zusätzlichen kalkulierten Kosten werden auf ca. 22,5 Mill. Euro geschätzt. Nach Aussa-ge der Gutachter werden die Mehrkosten ge-deckt durch Mehrerlöse infolge der größeren

Uneingeschränktes Ja zum Neubau

Von Dr. Wolgang Weigold, Kreisrat

Der Grundsatzbeschluss des Kreistages vom 16.2.2004 legt fest, dass aus politischen und wirtschaftlichen Gründen eine Zentralver-sorgungsklinik erstellt wird unter Finanzie-rungsvorbehalt und Aufrechterhaltung der beiden Häuser Waiblingen und Backnang zur patientenorientierten Versorgung der Bevöl-kerung.

Nachdem das Sozialministerium Stutt-gart, vertreten durch Frau Ministerin Gönner Anfang des Jahres 2005 eine runde Million Euro für Neubauplanung und Architekten-wettbewerb in Aussicht gestellt hat, wird mit Nachdruck am Raum- und Funktionspro-gramm, sowie am Architektenwettbewerb mit Betreuungsgesellschaft in den zuständi-gen Gremien gearbeitet.

Wer sich ein wenig in der Krankenhaus-landschaft Baden-Württembergs auskennt, weiß, dass nicht die Ortsnähe eines Kran-kenhauses im Vordergrund steht, sondern die dauerhafte Sicherstellung der Finanzier-ungsvorbehalt Qualität und der wirtschaftli-chen Leistungserbringung. Genau dies ist das Leitargument für einen Klinikneubau in Win-nenden unter Einbeziehung des bestehenden Zentrums für Psychiatrie. Vorgesehen ist ein genereller Bettenabbau der Kliniken in Baden-Württemberg, man spricht von über 3000 Bet-ten. Dieser Bettenabbgau würde auch nicht

FELLBACH. Skulpturen und Skizzen vonChrista Roesner-Drenhaus sind zurzeit inder Städtischen Galerie Fellbach ausge-stellt. Das Formenrepertoire der Künstle-rin ist einfach und komplex zugleich.

Von Kathrin Wesely

Das Arbeitsmaterial von Christa Roesner-Drenhaus stammt aus dem industriellen Be-reich. Es sind unterschiedliche Stahlsorten,matt und silbern oder von rostiger Patina.Die Künstlerin hat das Material in einfachegeometrische Formen gezwängt, sie zu ecki-gen Toröffnungen, schiefen Ebenen, winkeli-gen Gebilden geformt.

ren – viele von ihnen sind Modelle fürgrößere Arbeiten – gefügt sind, evozieren einkomplexes Beziehungsgeflecht. EinzelneTeile verhalten sich komplementär zum Gan-zen, andere greifen ineinander. Linien undFlächen treten in Wechselbeziehungen.

Betrachters neue Aspekte ein und derselbenSkulptur. Von einer anderen Seite aus be-trachtet ergibt sich eine komplett neue Deu-tung des Zueinanders der Elemente einerSkulptur. Auf diese Weise treibt Roesner-Drenhaus ihr Spiel mit der Wahrnehmung

WINNENDEN/BACKNANG (art). Das Sozialmi-nisterium in Stuttgart favorisiert ganz offen-kundig den Hospitalneubau in Winnendenund das Aus für die beiden Kreiskliniken inBacknang und in Waiblingen. Das signalisiertRolf Schülli, ein Mitarbeiter des Ministeri-ums, jetzt in einem Brief an den Vorsitzen-den der Backnanger SPD, Gernot Gruber.Schülli bezeichnet den insbesondere imRaum Backnang heftig kritisierten Kreistags-beschluss als „mutig“. Der Kreis könne aufdiesem Weg „überkommene Strukturen“überwinden. Deshalb beabsichtige das Minis-terium auch, den Krankenhausneubau, derrund 200 Millionen Euro kosten soll, mitLandesmittel zu fördern, „sobald wir unsüber den Umfang der Baumaßnahme verstän-digt haben“.In Backnang setzten die Gegner des Kreis-

tagsbeschlusses auf die wohnortnahe medizi-nische Versorgung und wollen deshalb dasörtliche Hospital retten. Laut Schülli bedeu-tet wohnortnah aber nicht, „dass überalldort, wo über viele Jahre hinweg sinnvoller-weise ein Krankenhausstandort war, auchkünftig einer sein muss“. Der SozialdemokratGruber ist wenig begeistert von dem Brief. Erhat noch „ein Fünkchen Hoffnung“, weil dasLand wegen knapper Finanzen den Zuschussmöglicherweise nicht wird bezahlen können.

Ministerium klarfür Klinikneubau

26 Frei tag , 4 . März 2005

Pressemeldung der Stuttgarter Zeitung vom 4. März 2005

Justizminister Prof. Dr. Ulrich Goll besuchte am 11. April 2005 das Zentrum für Psychiatrie in Winnenden. Zusammen mit Landrat Fuchs, Oberbürgermeister Bernhard Fritz, Jörg Brehmer, Krankenhausdirektorin Eva Seeger und dem Geschäftsführer Hermann Josef Fliß (ganz rechts im Bild.) Foto: Friedrichsohn

Fallzahlen und weitere Kostenvorteile.Nach-vollziehbare Gründe, weshalb wir Backnan-ger Kreisräte uns für den Erhalt unseres Back-nanger Krankenhauses einsetzen!

vor den beiden Häusern in Waiblingen und Backnang Halt machen, sodass die jetzige Neukonzeption mit ca. 550 Betten durchaus realistisch erscheint. Hinzu kommt eine im-mer kürzere Verweildauer bei gleichzeitiger interdisziplinärer Teamarbeit, was auch eine Qualitätssteigerung im neuen Hause bedeu-ten würde.

Selbstverständlich wird der Kreistag dafür Sorge tragen, dass die Bevölkerung bis zur Realisierung der Zentralversorgungsklinik qualitativ gleichgut wie bisher in den „alten Regelversorgungshäusern“ betreut wird. Für mich und die Mehrheit unserer Fraktion ble-ibt es beim uneingeschränkten JA für einen Krankenhausneubau.

REMS-MURR L IBERAL

Neue Adresse des Kreisvorsitzenden:

Jörg BrehmerSeestraße 1971364 Winnenden

Telefon (0 71 95) 13 84 72

E-Mail:[email protected]

NEUE ADRESSE JÖRG BREHMER

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18 REMS-MURR L IBERAL

Derzeit beschäftigt sich der Gemeinderat in Schwaikheim mit der Frage, wie die seit einigen Jahren bestehende Baulü-

cke am Schlecker-Parkplatz in Schwaikheim’s Ortskern einer sinnvollen Bebauung zuge-führt werden kann.

Mit Hilfe von drei Fachbüros wurde unter-sucht, welche Möglichkeiten gegeben sind, Handelseinrichtungen wie Einkaufsmärk-te anzusiedeln, um die Attraktivität der im Ortskern bereits befindlichen Läden, Geschäf-te und sonstiger Einrichtungen zu steigern. Durch die Fachbüros wurden die vorhande-nen räumlichen Gegebenheiten überprüft, sowie die erforderlichen, verkehrlichen Vor-aussetzungen aufgezeigt und die möglichen Bedürfnisse solcher Einkaufsmärkte mit den im Ortskern vorhandenen Gegebenheiten ab-geglichen.

Ein große Aufgabe für alle an der Planung Beteiligten, zumal sich abzeichnete, daß sich auch in Schwaikheim bekannte Discounter

wie Lidl, Aldi oder Edeka zunächst für die Ansiedlung auf der „grünen Wiese“, sprich im neu erschlossenen Gewerbegebiet „Kling-wiesen“, beworben hatten.

Die FDP-Freie Wähler-Gemeinderatsfrak-tion hatte sich bereits im Vorfeld der Untersu-chungen in zahlreichen Arbeitsgesprächen, in Verhandlungen mit dem BdS Schwaikheim und immer wieder auch in den Gemeinderats-sitzungen klar und deutlich für den Erhalt, die weitere Stärkung und den Ausbau des Han-dels im Ortskern ausgesprochen.

Dieses Engagement wurde erfreulicher-weise zwischenzeitlich durch den Gemeinde-rat mit einstimmigem Gemeinderatsbeschluß bekräftigt, in welchem das Ziel gesetzt wurde, im Ortskern ein Einkaufszentrum mit einem Lebensmitteleinzelhandelsbetrieb und evtl. einem Bürgerhaus zu errichten. Gleichzeitig mit diesem Beschluß wurde eine bestehen-de Option für die Ansiedlung eines Lebens-

Aktuelle Bauplanung in Schwaikheim■ Von Brunhilde Meßmer

FDP-Ortsvorsitzende Schwaikheim

FDP-Wahlkreiskonferenz in Korb am 14.4.2005.Ulrich Lenk, Fraktionsvorsitzender der FDP-FW-Fraktion aus Fellbach, übergibt Prof. Dr. Ulrich Goll den Wahlkreis Waiblingen. Ulrich Lenk hatte zuletzt im Wahlkreis kandidiert und hat wegen 39 fehlenden Stimmen den Einzug in den Landtag knapp verpasst. Ulrich Lenk unterstützt jetzt Dr. Goll bei seiner Kan-didatur.

Jörg Brehmer ist der Zweitkandidat

45 stimmberechtigte Mitglieder des Wahl-kreis Waiblingen ließen es sich nicht neh-men, den designierten Spitzenkandidaten zur Landtagswahl Prof. Dr. Ulrich Goll, bei der Wahlkreiskonferenz am 14. April 2005 in Korb, zu wählen. Zahlreiche Gäste aus Land und Kreis waren ebenfalls vertreten.

42 Stimmen entfielen auf Prof. Dr. Ulrich Goll im ersten Wahlgang. Herzlichen Glück-wunsch.

Andrea Rieger aus Waiblingen und Jörg Brehmer aus Waiblingen kandidierten für den Zweitkandidaten. Im ersten Wahlgang erhiel-ten beide Bewerber 22 Stimmen. Im 2. Wahl-gang konnte der Kreisvorsitzende 24 Stimmen auf sich verbuchen, Andrea Rieger erhielt 21 Stimmen.

Landtagswahl 2006 - Wahlkreis Waiblingen

Andrea Rieger und Jörg Brehmer vor den Wahl-gängen bei der Wahlkreiskonferenz in Korb.

Prof. Dr. Ulrich Goll zum Landtagskandidaten im Wahlkreis Waiblingen gewählt.

mitteleinzelhandelsbetrieb im Gewerbegebiet „Klingwiesen“ aufgehoben.

Somit war der Weg frei für die Standort-überprüfung im Ortskern und damit für ers-te Entwurfsvarianten der Städteplaner. Die-se wurden nun dem Gemeinderat und der Öffentlichkeit vorgestellt. Im präsentierten Gutachten bestätigt sich, daß das in Frage kommende Areal durchaus als entwicklungs-fähig angesehen wird. Die FDP-Freie Wäh-ler-Gemeinderatsfraktion sieht sich damit in ihrem Engagement bestätigt und forderte die Planer erneut auf, den Entwurf für die Über-bauung des in Frage kommenden Areals nicht nur am geeignetsten Nutzen für den Verkehr und den geforderten Funktionen zu orientie-ren, sondern an dieser Stelle auch attraktive Stadtplanung zu betreiben.

Da die Gemeinde Schwaikheim dieses Pro-jekt nicht durch eigene Finanzierung reali-sieren kann, wurde desweiteren vorgeschla-gen, daß zunächst die Rahmenbedingungen mit einem Projektentwickler/Investor geklärt werden sollen. Als weiteren Schritt hat die FDP-Freie Wähler-Gemeinderatsfraktion die Ausschreibung eines städtebaulichen Ideen-wettbewerbs für den alten Ortskern mit Rea-lisierungsteil beantragt.

Wir werden über den weiteren Fortgang dieses wichtigen, städtebaulichen Vorhabens für die Schwaikheimer Ortsmitte berichten.

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Der exorbitant hohe Personalkostenan-teil des Einzelplans 04 wird sich in den Jahren 2005/06 auf rund 88 % noch-

mals leicht erhöhen; die Zahl der Stellen wird praktisch die Hälfte aller Stellen des gesamten Landeshaushalts ausmachen. Entsprechend steigt auch der Anteil an den Gesamtausga-ben des Landes erneut, und zwar auf annä-hernd ein Viertel. In absoluten Zahlen: auf 7,3 Milliarden Euro im Jahr 2005 und auf 7,4 Mia. Euro im Jahr 2006.

Ich meine, daß es vor dem Hintergrund manchen Wehklagens über Kürzungen wich-tig ist, sich die genannten Zahlen und Relati-onen klar vor Augen zu halten.

Dem Finanzpolitiker, der sich dem Erfor-dernis der Haushaltskonsolidierung zu stel-len hat, bereiten sie Sorge. Dem Bildungspo-litiker – und nicht nur ihm – belegen sie, daß der Vorrang für die Bildungspolitik für diese Landesregierung und für die tragenden Frak-tionen nicht Lippenbekenntnis ist, sondern handfeste Realität.

Mit dem Doppelhaushalt 05/06 erreichen wir unser Ziel, in dieser Legislaturperiode 5.500 zusätz-liche Lehrerstellen zu schaffen.

Die neu ausgebrachten 1.832 Stellen ge-hen bedarfsentsprechend vor allem an die Grund- und Hauptschulen, die Gymnasien und die beruflichen Schulen. Die beruflichen Schulen bleiben – bedingt durch die Lehrstel-lensituation – ein gewisses Sorgenkind. Die Unterrichtsausfälle sind weiter zurückgeführt worden. Daß sie mit 7 % noch immer nicht dort sind, wo wir alle sie gern hätten, liegt nicht am Mangel von Stellen, sondern am Mangel von Bewerbern – auch das ist uns allen bekannt.

Kolleginnen und Kollegen vor allem der SPD, Sie verweisen gern auf eine bessere Un-terrichtsversorgung in anderen, vornehmlich in SPD-regierten Bundesländern. Sie wissen aber auch, daß dort mit 12 statt 13 Stunden weniger Unterricht erteilt wird. Wir sind mit dem Ausbau von Ganztagesschulen weiter vorangekommen und setzen dies fort. Nie-mand bestreitet, daß das Investitionspro-gramm des Bundes zusätzlichen Anschub ge-geben hat. Aber Land und Kommunen bleibt die weit größere Aufgabe derdauerhaften Fi-nanzierung. Wir wollen dies packen.

Die FDP hat das Ziel eines für jeden Schü-ler erreichbaren Angebots grundsätzlich in allen Schularten und ohne Zwang, also als offenes Angebot.

Mit dem generell 8jährigen (allgemeinbil-denden) Gymnasium haben wir einen großen Schritt zur Verkürzung der Erstausbildungs-zeiten geschafft. Im europäischen Rahmen und darüber hinaus ist dies ein wichtiger Bei-trag zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Schul- und Hochschulabsolventen.

Die Flexibilisierung des Eintritts in die Grundschule ermöglicht künftig die Einschu-lung bereits mit 5 ¼ Jahren, wirkt also in der-selben Richtung. Vor allem jedoch bedeutet sie, daß frühe und besonders fruchtbare Bil-dungszeiten besser genutzt werden. Es gilt, dies in Zukunft zu forcieren.

Allerdings nicht durch ein Pflicht-Kinder-gartenjahr. Dem erfolgreich eingeleiteten und richtigen Weg individuell früherer Einschu-lung würde dies schlicht zuwiderlaufen.

Erforderlich sind aber Ausbau und zeit-liche Vorverlegung (4 Jahre) der Sprach-standsdiagnosen. Wenn sich Defizite zeigen – zunehmend, wie wir wissen, auch bei deut-schen Kindern – muß sich eine gezielte För-derung anschließen.

Schule und vorschulischer Bereich müssen hierbei ineinandergreifen. Ihre Ansiedlung in zwei Ressorts ist dem nicht förderlich. Sie muß überwunden werden.

Dem „Schulanfang auf neuen Wegen“ muß ein „Schulübergang auf neuen Wegen“ folgen. Ich meine damit ausdrücklich nicht die 6jährige Grundschule. Für einen solchen Umbau unseres Systems sehe ich kein wirkli-ches Erfordernis und übrigens – machen wir uns nichts vor – auch nicht die realen Mög-lichkeiten.

Vielmehr meine ich die Offenheit für und ausdrückliche Förderung von „vor Ort“ sich entwickelnden Lösungen, die für Haupt- und Realschüler, für Realschüler und Gymnasias-ten oder auch für Grund- und weiterführende Schule ein gemeinsames Angebot machen.

Beispiele im Land gibt es genug. Es sind bislang Insellösungen. Wenn wir daraus ei-

nen Flächenbrand machen, kommen wir wei-ter. Die Voraussetzungen dafür sind geschaf-fen, da wir uns doch endlich – wie von den Liberalen seit je gefordert – auf den Weg ge-macht haben, Eigenständigkeit und Eigen-verantwortlichkeit der einzelnen Schule zu stärken.

Ein Hindernis darf hierfür und für ande-re Fragen künftig in der Tat keine Rolle mehr spielen, und das ist der Verweis auf Vorgaben der Kultusministerkonferenz. Niemand will die Kultusminister daran hindern, sich wie die Minister anderer Ressorts in Konferenzen auszutauschen. Daß sie aber als KMK Be-schlüsse treffen, die Landesparlamente bin-den, ist nicht weiter hinnehmbar – grund-sätzlich nicht und im einzelnen auch deshalb nicht, weil es nicht länger sein darf, daß der Langsamste das Tempo bestimmt.

Thema Privatschulen: Wir haben es ge-schafft, die bislang besonders niedrige För-derung vor allem freier beruflicher Schulen von zum Teil deutlich unter 60 % anzuheben auf einheitlich mindestens 70 %. Wir haben es geschafft, die Darstellung der Förderhö-he nach dem Bruttokostenmodell zum Be-standteil des periodischen Berichts der Lan-desregierung über die Privatschulförderung zu machen. Und wir haben es geschafft, die baldmöglichste gesetzliche Verankerung des Bruttokostenmodells in einem Entschlie-ßungsantrag zu verabreden. Für uns steht dies auf der Agenda noch dieser Legislatur-periode.

Am Entwurf des Haushaltsplans haben die Koalitionsfraktionen einige Änderungen vor-genommen.

Für uns besonders wichtig war es, die für Abendrealschulen, Abend-gymnasien und die Kollegs vorge-sehenen Kürzungen so – nämlich um die Hälfte – zu reduzieren, daß damit der 2. Bildungsweg weiter-hin gesichert bleibt.

Nicht minder haben wir uns dafür einge-setzt, die für die Sportförderung vorgesehe-nen Kürzungen so zurückzunehmen, daß die Gewährung der Übungsleiterpauschale ein weiteres Mal gesichert werden konnte. Schließlich haben wir bei den Ersätzen an die Kirchen für die Erteilung des Religions-unterrichts eine angemessene Verbesserung vornehmen können.

Die finanzielle Situation des Landes ist ex-trem schwierig. Wer meint, daß sich dies in absehbarer Zeit wieder ändern würde, hat

Landtag - Haushalt 2005/2006

Eigenverantwortlichkeit der Schule stärken.Plenardebatte vom 17.02.2005

■ Von Dieter Kleinmann, MdL

Dieter Kleinmann, MdL

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den Ernst der Lage noch nicht begriffen. Auch der Kultusetat muß dem Rechnung tragen. Aber er setzt die richtigen Prioritäten und schafft abermals die Voraussetzungen da-für, daß die Bildungspolitik in unserem Land nach vorn gerichtet ist und auf neue Heraus-forderungen die richtigen Antworten gibt. Realisierung der Grundschulfremdsprache und Einführung der Bildungsstandards sind hierfür weitere Beispiele. Mit der eingelei-

Deutschland und Baden-Württemberg befinden sich mitten im Prozess globa-ler Veränderung von der Industriege-

sellschaft zur Informationsgesellschaft, vom Nationalstaat zum Teil einer globalisierten Welt.

Wir Liberalen sehen in Bildung und Aus-bildung, im Wissen und im Forschergeist die wichtigste Zukunftsressource, um Deutsch-land und Baden-Württemberg gesellschaftlich und wirtschaftlich fit für diese neuen Heraus-forderungen zu machen. Nur engagierte, gut ausgebildete, kreative Menschen, die bereit und fähig sind, lebenslang zu lernen, werden angesichts des rasanten gesellschaftlichen, sozialen und technologischen Wandels die Herausforderungen der Zukunft bewältigen. Dieser gesellschaftliche Wandel stellt insbe-sondere eine neue Herausforderung für die Bildungspolitik und das Bildungssystem un-seres Landes dar.

Gleichrangig mit der Vermittlung von Wis-sen und Fähigkeiten muss das Bildungssys-tem auch in der Lage sein, jungen Menschen Werte und Normen unserer Gesellschaft und Kultur nahe zu bringen. Bildung und Aus-bildung sollen alle zu Unabhängigkeit und Selbstbewusstsein erziehen und die Bereit-schaft fördern, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen.

Der Alltag und die Ergebnisse der Schul-leistungsuntersuchung Pisa zeigen jedoch ein völlig anderes Bild. Deutsche und auch ba-den-württembergische Schüler hinken in ih-ren Leistungen hinter anderen Nationen her. Unser Bildungssystem ist nicht mehr in der Lage, den Anforderungen der Zukunft an Bil-dung und Ausbildung, Wissenschaft und For-schung im internationalen Wettbewerb ge-recht zu werden.

Weder die hoch motivierten und erfolg-reichen Schüler werden ausreichend geför-dert, noch die leistungsschwachen. Passivi-

tät statt Aktivität und Eigeninitiative werden bei Schülern, Eltern und Lehrern gefördert, da der Bildungsalltag oftmals noch bis in kleinste Einzelheiten festgelegt ist, statt die Eigenverantwortlichkeit aller Betroffenen zu fördern.

Schule verängstigt Schüler durch Notendruck, statt individuelle Leistungen zu belohnen und macht Lernen zur Last, statt Schule zum Lebensraum für alle werden zu lassen.

Mehr noch als die blamable Plazierung im hinteren Drittel der Pisa-Rangliste entsetzen Bildungspolitiker und die Öffentlichkeit der Befund, dass die viel beschworene Chancen-gleichheit im deutschen Schulsystem so gut wie nicht existiert. Unsere Schulen grenzen v.a ausländische Kinder und Kinder aus sozial schwächeren Familien aus, statt sie zu inte-grieren, sie setzen auf Selektion „schlechter“ Schüler statt auf individuelle Förderung.

Aus diesem Grund erhält Bildungspolitik für liberale Politiker einen völlig neuen Stel-lenwert. Bildung ist Bürgerrecht und muss als solches mehr denn je wieder erkannt und verstärkt gefördert werden.

Fazit: In einer Gesellschaft sind Bildung und Ausbildung Bedingungen für ihre Leis-tungsfähigkeit aber auch für Freiheit, Ver-antwortung und gegenseitige Toleranz, die wichtigsten Grundpfeiler einer liberalen Ge-sellschaftsordnung. Jedoch ist Freiheit auch die Voraussetzung von Bildung. Aus diesem Grund muss eine erfolgreiche Bildungspolitik den Menschen zur Freiheit erziehen.

Die Freie Demokratische Partei fordert des-halb eine Reform des Bildungssystems, die den liberalen Grundsätzen der Freiheit, aber auch der Verantwortung Rechnung trägt.

Diese Bildungsreform muss sich auf zwei Säulen stützen. Zum einen auf den Staat, der die optimalen Rahmenbedingungen für eine gute Ausbildung der Schülerinnen und Schü-ler zur Verfügung stellt (bauliche und perso-nelle Ausstattung, Leistungsstandards, zen-trale Leistungsbewertung, Koordination der Bildungsarbeit). Zum anderen basiert eine erfolgreiche Bildungsarbeit aber auch auf der Mitarbeit aller an ihr Beteiligten. Damit die-se Mitarbeit aber funktionieren kann, müs-sen Freiräume geschaffen werden, die allen Schülern, Lehrern und Eltern die Möglichkeit geben Schule in ihrem Sinne zu gestalten und an ihrem Erfolg teilzuhaben.

Unter allen Umständen muss daher die Au-tonomie der Schulen weiter ausgebaut wer-den. Schulautonomie ist der Schlüssel für ein modernes Bildungssystem. Die Schulen müssen noch weit mehr Entscheidungsrech-te, ein eigenes Budget und mehr Rechte bei der Personalauswahl erhalten, d.h. die Schu-len sollen in Zukunft ihre Angelegenheiten weitgehend selbst regeln. Damit wächst die Verantwortung der Schule für ihr Handeln und ihre Entscheidungen und zugleich die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Die Schule muss ihre Bildungsleistung in Ver-gleichstests rechtfertigen. Auf welchem Weg sie die Bildungsstandards erreicht, bleibt ihr weitgehend selbst überlassen. Dem Staat ob-liegt weiterhin die Aufsicht über die Schulen (durch Evaluation und die Durchführung zen-traler Zwischen- und Abschlußprüfungen), er garantiert die finanziellen Ressourcen.

Durch verstärkte Autonomie können und werden Schulen verschiedene Profile entwi-ckeln, dies fördert den Wettbewerb zwischen den Schulen und führt u.a. zu mehr pädagogi-schem Engagement der Lehrkräfte und damit zur Qualitätssicherung und -steigerung. Die freie Auswahl der Schule mit entsprechen-dem Profil stärkt die Identifikation der Schü-ler, Eltern und Lehrer mit ihrer Schule und stärkt somit die dringend erforderliche und gewünschte Zusammenarbeit aller am Bil-dungsprozeß Beteiligter.

Zudem könnten die verschiedenen Schul-profile sowohl den Bedürfnissen der Schüler,

teten Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der einzelnen Schule und – korrespondierend hierzu – den Maßnahmen zur Überprüfung und Selbstvergewisserung ihrer Qualität sind wir auf gutem Weg, die in den jüngsten Ver-gleichsuntersuchungen bestätigte hohe Leis-tungsfähigkeit der Schulen unseres Landes weiter zu verbessern.

Bildungspolitik

Zur Freiheit erziehenLiberale Vorstellungen zur Bildungspolitik

■ Von Stefanie Bermanseder FDP/DVP Kreisverband Böblingen

Stefanie Bermanseder, Mitglied des FDP-Bundesvorstandes

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als auch der zukünftigen Arbeitswelt besser Rechnung tragen. Schulen wie z.B. die Hele-ne Lange Schule in Wiesbaden haben dies eindrucksvoll bewiesen. Bildung wird dort von den Schülerinnen und Schülern wieder als Wert anerkannt, Schule wird zum aner-kannten Lebensraum und auch in ihren Leis-tungen sind diese Schüler überdurchschnitt-lich, wie die Pisa Studie gezeigt hat.

Egal welche Schule mit welchem Profil man betrachtet, die neue Schule kann nur erfolgreich funktionieren, wenn im baden-württembergischen Schulsystem endlich gilt: Individuell fördern statt selektieren. Das dreigliedrige Schulsystem darf nicht länger dazu genutzt werden Verantwortung für die Schülerinnen und Schüler abzuschieben. Der Erfolg jedes einzelnen Kindes muss im Vor-dergrund stehen.

Ein solcher Ansatz ermutigt jeden Schüler seine individuell beste Leistung zu erbringen. Es soll nicht mehr um die Erreichung eines festgelegten Klassenziels gehen, sondern um die Erreichung der individuellen Leistungsfä-higkeit im Laufe der Schullaufbahn.

Als Sofortprogramm müssen folgende Punkte schnellstmöglich umgesetzt wer-den:

Die Bildung unserer Kinder muss so früh wie möglich anfangen, denn Bildungsdefizite in den ersten fünf Lebensjahren können von der Schule kaum aufgeholt werden. Deshalb muss ein bildungspolitischer Schwerpunkt auch auf die Kindererziehung von 0-3 Jahren und die Kindergärten und Kindertagesstätten gelegt werden.

In den ersten drei Lebensjahren liegt die Erziehungs- und Bildungsaufgabe weitge-hend bei den Eltern. Elternsein ist heute je-doch komplizierter denn je, weil wir eine meinungs- und wertvielfältige Gesellschaft haben, der außerdem die moralische Klam-mer der beiden Volkskirchen fehlt. Erzie-hungsstile gibt es viele. Feste Werte, Ritua-le und Regeln, die den Kindern Sicherheit und Ordnung geben, immer weniger. Hinzu kommt, dass sich der Nachwuchs auch biolo-gisch schneller entwickelt und früher einge-schult wird. Dadurch verkürzt sich die reine Spaß- und Ausprobierphase der Kinder, auf die zudem eine Menge von äußeren Reizen einprasseln. Diese Entwicklung verwirrt und verunsichert viele Kinder, die dann mit auf-fälligem Fehlverhalten reagieren. Die Eltern stehen oftmals hilflos vor dieser Entwicklung und haben keine pädagogische Lösung zur Verfügung. Diese Überforderung der Eltern überträgt sich dann noch zusätzlich auf die Kinder. Aus diesem Grund will sich die FDP Baden-Württemberg verstärkt für die päda-gogische Weiterbildung der Eltern einsetzen und unterstützt auch die Einrichtung soge-nannter Elternschulen.

Im Bereich der Kindergärten und Kinder-tagesstätten müssen v.a. die Inhalte der Er-zieherinnenausbildung reformiert werden. Nachzudenken wäre auch darüber, ob man die Berufsausbildung zum Erzieher an die

Pädagogischen Hochschulen verlagert. Kin-dergärten müssen als Teil der schulischen Bil-dung gesehen werden und müssen daher ih-ren Aufgabenkanon „Erziehen und Betreuen“ um „Bilden“ ergänzen. Folgerichtig müssten dann die Kindergärten und Tagesstätten end-lich dem Kultus- und nicht mehr dem Sozial-ministerium unterstehen.

Die FDP spricht sich gegen eine Kindergar-tenpflicht aus. Den Eltern sollte es freistehen, ihre Kinder in den Kindergarten zu bringen. Jedoch sollte durch Aufklärung und gezielte Werbung auf die Wichtigkeit des Kindergar-tens hingewiesen werden. Für sozial schwä-chere Kinder sollte eine Beitragsbefreiung oder –kürzung möglich sein.

Um den Schulanfang zu optimieren, die Bil-dungschancen für Kinder ausländischer und sozial schwächerer Familien zu verbessern und alle Kinder bildungsfähig zu machen, muss ca. 1,5 Jahre vor dem Schulbeginn eine Schuleignungsprüfung verbindlich für jedes Kind durchgeführt werden. Kinder die bei dieser Prüfung aufgrund sprachlicher, mo-torischer und/oder sozialer Mängelleistungen auffallen, sollen in Zukunft vor Schulbeginn verpflichtend eine Vorschule besuchen. So könnte gewährleistet werden, dass zu Schul-beginn alle Schülerinnen und Schüler gleiche Chancen auf Bildung haben und das Niveau der Schulanfänger insgesamt gesteigert wer-den kann.

Die Grundschulzeit muss auf maximal sechs Regeljahre erhöht werden. Dabei soll-te auf eine flexible Einschulung ab dem 6. Lebensjahr nicht verzichtet werden. Diese sechs Grundschuljahre sollen die Schülerin-nen und Schüler optimal auf die weiterfüh-renden Schulen vorbereiten. Ein besonderes Augenmerk sollte in den Grundschulen auf die individuelle Förderung der Kinder gelegt werden. Nicht das erreichen eines einzelnen Klassenziels steht im Vordergrund, sondern die Fähigkeit eine weiterführende Schule zu besuchen. Ein besonders begabtes Kind mit schneller Auffassungsgabe kann dies evtl. schon in vier Jahren erreichen, Kinder die sich etwas schwerer tun, haben dazu sechs Jahre Zeit. Sitzenbleiben gibt es nicht mehr. Besonders in der Grundschule soll der Grund-satz „Individuelle Förderung statt Selektion“ gelten. Moderne didaktische und methodi-sche Ansätze (Binnen-differenzierung) ma-chen dies heute schon längst möglich. Ge-tan werden muss jedoch auch etwas an der Klassengröße. Entweder müssen die Klassen verkleinert oder die Anzahl der Lehrer in den Klassenzimmern erhöht werden.

All dies verbessert die Bildungschancen von Kindern aus sozial schwachen oder aus-ländischen Familien. Gleichzeitig wird die so wichtige individuelle und leistungsbezogene Förderung ermöglicht und die Wahl der wei-terführenden Schule auf einen späteren und damit entwicklungspsychologisch geeignete-ren Zeitpunkt verschoben. Die sechsjährige Grundschule könnte endlich auch die Aufga-be der Integration behinderter Kinder erfül-

len. Aber auch die begabten und leistungs-stärkeren Kinder haben damit eine bessere Chance auf eine individuellere Förderung.

Am dreigliedrigen System der weiterfüh-renden Schulen sollte festgehalten werden. Derzeit ist eine Zusammenlegung zur Ge-samtschule nicht möglich und nicht sinn-voll. Vielmehr sollte jede Schulart nach ih-ren Bedürfnissen reformiert und gefördert werden.

Jedoch sollen an allen Schulen die Klas-senverbände abgeschafft und das Kurssys-tem ab Klasse sieben bzw. der ersten Klas-se der weiterführenden Schule (durch die flexible Besuchszeit der Grundschule wird eine durchgehende Zählung der Klassen nicht mehr möglich sein) eingeführt werden. Dies fördert die Eigenverantwortlichkeit der Schü-lerinnen und Schüler für ihre Lernkarriere, da jeder Schüler in die Organisation seines Ler-nens einbezogen wird und läßt eine differen-ziertere Förderung der einzelnen Schülerin-nen und Schüler zu. Der Lehrer tritt dabei in Zukunft nicht mehr nur als Wissensvermitt-ler, sondern auch als Bildungsmanager auf, der den jeweiligen Schüler bei seiner Kurs-wahl berät. Dabei obliegt es dem Kultusmi-nisterium einen Fächerkanon zu entwerfen, den alle Schüler je nach Schulart durchlaufen müssen. Dieser sollte jedoch maximal zwei Drittel der Unterrichtszeit ausmachen, da sonst die individuellen Profile der einzelnen Schulen nicht zum Tragen kommen.

Die Hauptschulen bedürfen einer weit-reichenden Reform und Stärkung, um die Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt zu gewährleisten und einer vorprogrammier-ten Arbeitslosigkeit vorzubeugen. 15% aller Hauptschüler verlassen vor Beendigung der 9. Klasse die Hauptschule. Diese Schülerin-nen und Schüler haben auf dem Arbeitsmarkt so gut wie keine Chance. Eine Langzeitar-beitslosigkeit ist vorprogrammiert.

Vor allem in den Hauptschulen muß da-her die Umwandlung in Ganztageseinrich-tungen oberste Priorität haben, da hier nicht nur die intellektuelle, sondern v.a. die sozi-alpädagogische Betreuung von größter Wich-tigkeit ist. Aus diesem Grund muss sich auch das Personal an den Hauptschulen anders zu-sammensetzen als bisher. Der Anteil an So-zialpädagogen aber auch Psychologen muss erhöht werden. Die Bildungsinhalte müssen noch mehr an den Bedürfnissen des Hand-werks und der Industrie, den zukünftigen Ar-beitgebern, orientiert werden. Besonders in der Hauptschule muss der Bezug zur Arbeits-welt bereits zu Schulzeiten hergestellt wer-den, deshalb muss der Anteil und die Häu-figkeit von Praktika erhöht werden. Gerade Schülerinnen und Schüler, die nicht durch gute Zeugnisse auf dem Lehrstellenmarkt überzeugen können, müssen verstärkt die Möglichkeit bekommen, sich persönlich bei möglichen Ausbildungsbetrieben zu bewäh-ren. Auch für die Schülerinnen und Schüler könnte dies eine motivierende Wirkung ha-

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ben, an bisherigen Schwächen verstärkt zu arbeiten.

Die Vermittlung von Kooperationspart-nern könnten neben den jeweiligen Schulen auch die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern und auch die Bun-desagentur für Arbeit übernehmen. Auch Ver-eine, Verbände, soziale Einrichtungen und Kirchen, aber auch Polizei und Gewerkschaf-ten und Behörden könnten neben den Unter-nehmen als Partner dienen.

Nicht zuletzt muss schließlich die Klas-sengröße von derzeit 25 Schülern zukünftig in den Hauptschulen der Vergangenheit an-gehören und über eine Regelschulzeit von zehn Jahren nachgedacht werden.

Es bedarf einer landesweiten För-derung neuer Unterrichtsmetho-den insbesondere von electronic learning (e-learning).

Dies hilft zum einen Schülerinnen und Schüler praxisnaher an die neue Medienwelt heran zu führen. Zudem macht es das Lernen für Schüler und Lehrer effektiver. Den Lehr-kräften eröffnet es einen größeren Spielraum sich als Bildungsmanager für die Schüler zu betätigen, statt bloßer „Wissensvermittler“ und „Kontrollinstanz“ zu sein, da sich Schü-lerinnen und Schüler selbständig geeignete Themen erarbeiten und vor allem selbständig die erworbenen Fähigkeiten üben können. Das e-learning erleichtert schließlich die in-dividuelle Leistungskontrolle für den Lehrer, da eine Evaluation des Wissens- und Übungs-stands der Schüler auch anhand des Compu-ters erfolgen kann.

Im Rahmen dieser Entwicklungen (Au-tonomie, e-learning) könnte dann auch die Abschaffung der klassischen Schulbücher vorgenommen werden.

Ein besonderes Augenmerk sollte sodann weiterhin auf die Fortbildung und das „Coa-ching“ der Lehrkräfte gelegt werden. Fortbil-dungen und das konstruktive Nachdenken über ihre Arbeit müssen in weit größerem Maße zum Alltag der Lehrerinnen und Leh-rer gehören als bisher. Damit nicht zu viel Unterricht ausfällt, muss darüber nachge-dacht werden, ob die letzten zwei Wochen der Sommerferien neben den unterrichtsbeglei-tenden Veranstaltungen generell für Fortbil-dungsveranstaltungen genutzt werden kön-nen. Neben inhaltlichen und methodischen Fortbildungen sollte dabei in Zukunft auch auf eine Verbesserung der Teamfähigkeit der Lehrerschaft geachtet werden. Bisher nutzen die Lehrer das Potential ihres Kollegiums zu wenig, sie sehen sich als Einzelkämpfer und stehen manchmal sogar in Konkurrenz zuein-ander. Für die Zukunft bedarf es einer drin-genden Diskussion und Neuregelung folgen-der Themen:

In Zukunft soll bei Schulen das Prinzip des freien Wettbewerbs gelten.

Vollkommene Autonomie der Schulen. Nur darin sehen Liberale die Chance, quali-tativ hochwertige Schulen zu ermöglichen, hinter denen Schüler, Lehrer und auch Eltern stehen. Die Rolle des Schulleiters entspräche dann dem eines Managers, der sein „Unter-nehmen Schule“ leitet. Dabei erschient es kei-neswegs zwingend, dass das Amt des Schul-leiters am Ende einer pädagogischen Karriere steht. Die Schulleitung könnte ohne weiteres den dafür besonders geeigneten Lehrern auf Zeit vorbehalten sein. Bei einer zukünftigen Bezahlung der Lehrer nach Leistung würde sich diese Zusatzaufgabe auch in den Pensi-onen niederschlagen. Ein Verwaltungsorgan bestehend aus Geschäftsführung und einem (kontrollierenden) Aufsichtsrat könnte den Schulleiter in seinen Aufgaben unterstützen. Die Besetzung dieser Gremien ist noch zu dis-kutieren und kommt auf den Grad der Selb-ständigkeit der Schule an.

Die Trägerschaft der Schulen läge in naher Zukunft noch bei den Kommunen, könnte später auch privatwirtschaftlich organisiert sein.

Eine vollkommene Autonomie erfordert jedoch auch eine Abschaffung der Einschu-lungsbezirke. Eltern und Schülern muss es völlig frei stehen, sich eine Schule ihrer Wahl zu suchen, ohne an bürokratische Grenzen zu stoßen.

Reform der Lehrerausbildung. Hierbei muss sowohl dringend das 1. Staatsexamen wie auch das Referendariat als Vorausset-zung zum Lehramt überdacht werden. Au-tonome Schulen haben auch Bedarf an Quer-einsteigern und fachfremdem Personal um ihre jeweiligen Profile stringent umsetzen zu können. Die Ausbildung bis zum 2. Staatse-xamen dauert zu lange, kostet den Staat zu viel und bringt nicht den Erfolg, den man sich wünscht: gute, motivierte und erfolgreiche Lehrer. Nicht die Theorie macht den guten Lehrer aus, sondern eigene Erfahrungen, Engagement und Überzeugung.

Überprüfung des Berufsbeamtentums von Lehrern. Schulen müssen flexibler in der Re-krutierung ihres Lehrpersonals sein. Je nach Bedarf können so auch Lehrer mit Zeitver-trägen ausgestattet werden. Das erhöht die Flexibilität, die Motivation und die Möglich-keit, zwischen Schule und freier Wirtschaft zu wechseln. Die Bezahlung der Lehrer rich-tet sich dann nach der Leistung, die sie er-bringen.

Einsatz von Schulassistenten. Wer die Qualität des Unterrichts und damit der Wis-sensvermittlung im Unterricht steigern will, muss sein Augenmerk auf die individuelle Förderung und die Binnendifferenzierung le-gen. Dies ist mit einem Lehrer pro Lerngrup-pe kaum möglich. Schulassistenten könnten

diese Aufgabe übernehmen. Diese müssen keine ausgebildeten Lehrer sein, da sie den Lehrkörper ausschließlich in seiner Arbeit unterstützen sollen. Es kann jedoch darüber nachgedacht werden, Lehramtsstudenten in diese Aufgabe mit einzubeziehen.

Öffnung der Schulen für Sponsoring. In Zeiten knapper Kassen, sollte man nicht dar-auf verzichten die Kapitaldecke der einzel-nen Schulen bestmöglich zu erhalten und die Schulen für Sponsoring zu öffnen. Eine in-haltliche Einflußnahme der Sponsoren muss aber vermieden werden, die Freiheit der Leh-re muss erhalten bleiben.

Zusammenarbeit der Schulen mit Vereinen und Verbänden und der Wirtschaft.

Vereine und Verbände, wie auch die Wirt-schaft können in den Schulen vielfältigste Aufgaben übernehmen. Zu denken ist dabei an die Ermöglichung von Arbeitsgemein-schaften, Exkursionen, Praktika, ebenso wie die Kernzeitbetreuung der Schülerinnen und Schüler, Mittagessen oder Hausaufgabenbe-treuung.

Alles in allem könnte so ein Schul- und Bildungssystem entstehen, das erfolgreiche-re und besser vorbereitete Schülerinnen und Schüler auf den Arbeitsmarkt entläßt, das den Wert von Bildung wieder besser trans-portieren kann und das v.a. zum Motor der Gesellschaft werden könnte und nicht wie bisher der gesellschaftlichen Entwicklung hinterherhinkt.

Bildung als Wert erkennen – die zweite Säule erfolgreicher Bildungspolitik

Bildung und Erziehung der Schülerinnen und Schüler ist jedoch nicht allein die Aufga-be der Schule und der Lehrer, also nicht nur eine staatliche Aufgabe. Der Staat sollte na-türlich auch in Zukunft die besten Rahmen-bedingungen für eine optimale Schulausbil-dung schaffen. Jedoch obliegt die Erziehung und Bildung der Kinder in einem großen Maß auch den Eltern und der Gesellschaft. Aus diesem Grund fordert die FDP einen Einstel-lungswandel in der Gesellschaft.

Schule kann nur funktionieren, wenn die Lehrkräfte wieder mehr Anerkennung er-fahren und nicht nur als Sündenböcke für schlechte Schulleistungen oder Pisa-Ergeb-nisse angesehen werden. Bildung muss wie-der als Wert erkannt werden. Den Schülerin-nen und Schülern muss auch Zuhause und in der Gesellschaft Vertrauen in ihre Schule vermittelt werden.

Dazu sollten die Eltern allerdings stärker in den Bildungsprozeß eingebunden werden. Thematische Elternabende an denen Eltern in pädagogische Fragen eingeführt und Leh-rer und Eltern gemeinsam Lösungen für Pro-bleme der Schülerinnen und Schüler erarbei-ten, finden bisher noch viel zu wenig statt. Die Einbeziehung der Eltern darf sich nicht nur auf zwei Elternabende und einen Eltern-

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sprechtag beschränken, sondern muss zur Selbstverständlichkeit werden.

Eltern sollen zudem ihren eigenen Bil-dungsauftrag erkennen und ausfüllen, statt ihn allein an die Schulen zu übertragen. Die Neugier und der Wissensdrang der Jugendli-chen endet nicht zum Ende der letzten Schul-stunde. Auch das Elternhaus muss sich aktiv an der Wissensvermittlung beteiligen. Bil-dung muss wieder als zentraler Wert ange-sehen werden. Nur wenn dieser Einstellungs-wandel in der Gesellschaft vollzogen wird, können die dargestellten Reformvorschläge im Sinne einer positiven Zukunft unserer Kin-der greifen und ihre Wirkung entfalten.

Dr. Thomas Weinmann (links) und Peter Friedrichsohn aus Winnenden machten sich ein Bild von der Börse Stuttgart Foto Kiessling

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Besuch an der Börse Stuttgart

Die modernste Börse der Welt ist in Stuttgart

Ein global Player aus Schwaben, so steht es in den Broschüren, die an der Börse in Stuttgart auslegen. Bei uns in Stutt-

gart? Ja, doch. Die rund 100 liberalen Besu-cher waren erstaunt, was sich da hinterm Landesgewerbeamt etabliert hat. Rudi Engel-hard vom Vertrieb der Börse Stuttgart leitete uns durch den modernen Börsensaal. An den vielen TFT-Monitoren sitzen meist junge Leu-te. Zur Zeit des sogenannten „Neuen Mark-tes“, als die Umsätze explodierten, brauchte man viele junge Leute. Einige sind noch hier. 90% der Aufträge werden innerhalb von 30 Sekunden abgewickelt.

Anleger hat die Orderhoheit.

Der Anleger bestimmt, an welcher Börse sein Auftrag gehandlet wird. Er hat die Orderho-

heit. Stuttgart ist ein interessanter Börsen-platz, da hier ein „spreadloser Handel“ exis-tiert. Zwischen Kauf und Verkauf gibt es keinen Preisunterschied. Und so wird der Auf-trag abgewickelt: Der Händler an der Börse heißt heute Skon-troführer (früher Makler). Er bekommt eine Aufgabe, dann muss er Käufer suchen, nach erfolgtem Handel wird die Aufgabe wieder „glatt gestellt“.

Harter Wettbewerb - Wenig verdienst

Wer meint die Mitarbeiter an der Börse wür-den leichtes Geld verdienen, der wird von Rudi Engelhard eines besseren belehrt. Sie leben von der Schlussnotengebühr von ca. 2 Euro, welche durch die Provision der Bank abgedeckt ist. „Wir kämpfen um jeden ein-zelnen Auftrag“, sagt Rudi Engelhard. Wir haben auch eine starke Position für Privat-teilnehmer.Die Börse ist eine Anstalt des öffentlichen

Rechts. Die Landeshoheit hat das FDP-geführte Wirt-schaftsministerium. Der Träger ist die Börse Stutt-gart AG, die aber nur 1 Ak-tionär hat. Die Börse ist ein Zusammenschluss von Ban-ken zur Förderung des Fi-nanzplatzes Stuttgart. Die EUWAX AG und die Baader Wertpapier Handelsbank sind an der Börse im Haus direkt als Handelsbanken tätig.

Gibt es denn ein heißer Tipp für eine Anlage, lautete die Frage an Rudi Engelhard als

Börseninsider? Er wäre nicht mehr hier, son-dern als Millionär könnte er seinem Reichtum nachgehen, wenn dies so der Fall wäre. Auch hier gelten die alten Regeln der „Old Econo-my“ und eine gehörige Portion Börsenpsy-chologie spielt auch eine Rolle. Dennoch wer einsteigen wolle, könne in Publikumsfonds gehen und an der Entwicklung der Börse par-tizipieren.

Stützer: Globalisierung kennt nicht nur Gewinner.

Den Gastvortrag des Abends hielt Wolfgang J. Stützer, Politik- und Unternehmensbera-ter mit einem Büro für transatlantische Be-ratung.

Das „amerikanische Gewinnstreben steht ge-gen die deutsche Arbeitskultur“ , sagt Stützer bedenkend. Ein Dilemma, mit dem wir uns heute befassen müssen. Die „Globalisierung ist nicht umkehrbar“, sie muss viel ernster genommen werden, warnt er. Die Marktwirt-schaft sei in Deutschland nicht wirklich ak-zeptiert worden. Ganz normal im Kapitalis-mus sei es, daß Unternehmen untergehen und neue entstehen. Ein Wirtschaften sei ohne Ri-siko nicht möglich. In Deutschland gelte noch eher die Grundregel des schützens durch Sub-ventionen als das Risiko wagen durch Inves-titionenDer Begriff Arbeit werde weiter als „Fron-dienst in Deutschland vermittelt“ Als Bei-spiel nannte Stützer Radiosender, die den Feierabend als Rettung anpreisen und den Freitag herbeisehnen. Es gibt immer Anti-Be-wegungen gegen drastische Veränderungen, so Stützer.

Argumentieren in der DemokratieAktive Wählergruppen nimmt man Ernst, sagt Stützer, deshalb sollen die Gruppen sich vor den Wahlen argumentieren und somit Ein-fluss auf die Politik nehmen.

■ Von Joachim Kiessling [email protected]

Besuch an der Stuttgarter Börse mit der FNS am 28.10.2004 - Rudi Engelhard Leiter Vertrieb der Bör-se Stuttgart betreute uns. (im Bild vorne links mit Jan Havlik von der FNS). Foto: Kiessling

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Wir wollen uns am heutigen Abend mit der großen Persönlichkeit dem ersten Bundespräsidenten Theodor

Heuss befassen. Es gibt hierbei eine lokale Besonderheit, die ich in seine Biografie ein-zubetten versuche – nämlich die Verbindung Theodor Heuss’ zu Murrhardt.

Theodor Heuss wird am 31. Januar 1883 als Sohn von Louis und Elisabeth Heuss in Bra-ckenheim bei Heilbronn geboren. Die Jugend-jahre verbringt er in Heilbronn, wohin die Familie 1890 umzog. Der Vater wurde dort-hin versetzt und leitete das städtische Tief-bauamt. Die protestantischen Eltern gehörten dem wohlhabenden Bildungsbürgertum an, einer akademisch gebildeten Schicht, die sich im wilhelminischen Kaiserreich als Trägerin der nationalen Kultur versteht und hohes ge-sellschaftliches Ansehen genießt. Auch im Hause Heuss wird der Umgang mit Literatur, Kunst und Wissenschaft gepflegt, und als Re-gierungsbaumeister zählt Heuss’ Vater zu den angesehenen Honoratioren der Stadt.

Im bürgerlichen Elternhaus erfährt Theo-dor Heuss eine fortschrittliche, aber mitunter auch strenge Erziehung. Die christlich kon-servativ geprägte Mutter, Elisabeth Heuss, stammt aus einer traditionsbewussten Förs-ter- und Pfarrerfamilie der Rheinpfalz. Die Fa-milie des Vaters, Louis Heuss, ist seit vielen Generationen als Neckarschiffer in Haßmers-heim am oberen Neckarlauf ansässig.

Im Elternhaus und in der Schule, aber auch durch seine eigenständige Lektüre er-hält Heuss ein breites Bildungsfundament. Die Geschichte seiner Vorfahren weckt in ihm das Interesse an der freiheitlich-demo-kratischen Bewegung von 1848/49. Der poli-tisch und sozial engagierte Vater lebt in dieser Tradition und vermittelt seinen drei Söhnen liberale und demokratische Werte, die das Wesen des jungen Theodor in hohem Maße prägen.

Anregende Diskussionen im Familien- und Freundeskreis schärfen sein Bewusstsein für sozialpolitische Probleme seiner Gegenwart. Eine andere Persönlichkeit, die bald für Theo-dor Heuss’ geistige Entwicklung eine bedeu-tende Rolle spielt, ist der Pfarrer und Sozial-politiker Friedrich Naumann (1860-1919), für dessen Schriften sich Heuss bereits als Schüler zu interessieren beginnt. Naumann behandelt künstlerisch literarische und poli-tische, aber auch religiöse Themen in einer offenen, nachdenklichen Weise, die insbeson-

dere Jugendliche des Bildungsbürgertums um 1900 anspricht.

Theodor Heuss sagte im ersten Band seiner Autobiografie über den Einfluss seines Eltern-hauses: „Der geistige und seelische Einfluss des Elternhauses ist für mich unendlich viel wichtiger gewesen als die Schule und alles, was damit zusammenhängt, vor allem die bestimmte wie präpotente Art und Unart des Vaters, mit der wir uns schon früher ausein-andersetzen mussten und durften. Die Mutter trat in den Jugendjahren zurück. Sie war für die Zärtlichkeiten vorhanden, die der Vater nicht kannte … Aber sie fand sich, angeru-fen, immer zu einem schützenden Plaidoyer bereit, wenn ein Gewitter in der Luft lag und mit einer ausbrechenden Schroffheit des Va-ters gerechnet werden konnte.“ (Heuss, Vor-spiele, S.107)

In Heilbronn besucht Theodor Heuss das humanistische königliche Karls-Gymnasium. Nach eigenem Bekunden geht er gerne zur Schule und zählt oft zu den Klassenbesten. Im Jahre 1902 besteht der 18jährige Theodor mit Erfolg seine Reifeprüfung.

Die politische Sozialisation von Theodor Heuss ist in seiner Familie bereits strukturell angelegt. Große Teile des liberalen Bürger-tums in Württemberg fühlen sich politisch der freiheitlich-demokratischen Tradition von 1848 verpflichtet. Ganz besonders gilt dies für Heuss’ Vater Louis: Theodors Großonkel Fritz und Großvater Ludwig haben in der Re-volution 1848/49 für die von der Frankfurter Nationalversammlung beschlossene Reichs-verfassung und für den deutschen National-staat gekämpft.

Theodor Heuss wächst in dieser demokra-tischen Tradition auf und sieht sich dem Erbe von 1848/49 zeitlebens verbunden. Auch in späteren Jahren knüpft er in Umbruchsi-tuationen, wie in den Jahren 1918/19 oder 1948/49, immer wieder an diese in Württem-berg besonders lebendige Tradition an.

In seiner ersten Ansprache als Bundesprä-sident am 12. September 1949 hebt Heuss den bedeutenden Einfluss seines Vaters auf die Entwicklung seiner politischen Ideen hervor. Durch ihn habe er von der „Legende des Jah-res 48“ erfahren und es sei ihm klar gewor-den, „dass die Worte Demokratie und Freiheit nicht bloß Worte, sondern lebensgestaltende Werte sind“ (Heuss, Staatsmann, S. 88).

Mit siebzehn Jahren fällt Theodor Heuss erstmals ein Exemplar der von Friedrich Nau-mann herausgegebenen Zeitschrift „Die Hilfe“ in die Hände, die sein älterer Bruder Ludwig abonniert hatte. Als Naumann in Heilbronn öffentlich spricht, erlebt er zum ersten Mal die

rhetorischen Fähigkeiten und die charismati-sche Ausstrahlung des evangelischen Pfarrers und liberalen Sozialreformers. Ab dieser Zeit sucht er auch den Kontakt zu anderen Nau-mann-Anhängern in Heilbronn und zu dem 1896 von Naumann gegründeten „National-Sozialen Verein“.

Der Vater, Louis Heuss, tritt währenddes-sen als linksliberaler Patriot für die „Deutsche Volkspartei“ ein. Als leitender Regierungs-baumeister kommt er mit den schwierigen Wohn- und Lebensverhältnissen der Arbei-terschaft in Berührung und stellt in kleinen Broschüren städtebauliche Projekte vor.

Manchmal begleitete der junge Theodor den Vater bei seiner sozialen Vereinstätigkeit, die dem Schüler die schlechten sozialen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen der Ar-beiter vor Augen führen. Auf diese Weise ge-winnt er unmittelbar erste Einblicke in das soziale Spannungsgefüge seiner Zeit.

Als er gleich nach seinem Abitur im Som-mer 1902 auf eigenen Faust den Parteitag von Naumanns „National-Sozialem Verein“ in Hannover besucht, lernt Heuss sein Vorbild persönlich kennen. Von nun an ist sein politi-sches Denken und Handeln in fundamentaler Weise von Naumann geprägt.

Friedrich Naumann erkennt, dass die In-dustrialisierung eine entscheidende histori-sche Voraussetzung für den Wohlstand der arbeitenden Menschen, zugleich aber auch für die Weltgeltung des Deutschen Reichs dar-stellt. Er begrüßt daher den industriellen und technischen Fortschritt und eine auf Privatei-gentum beruhende Wirtschaftsordnung.

In Abgrenzung von den meisten Linksli-beralen befürwortet er aber auch sozialpoliti-sche Maßnahmen für die Arbeiterschaft. Au-ßerdem tritt er für die Demokratisierung des Wahlrechts und der Interessen der Frauen in der industriellen Arbeitswelt ein.

Er kämpft daher für einen erneuerten, sozi-alen Liberalismus, der zusammen mit der So-zialdemokratie die notwendigen innen- und sozialpolitischen Reformen im Deutschen Reich vorantreibt. Mit seinen sozialpoliti-schen Ideen verfolgt er zum einen das ethi-sche Ziel einer „Rettung der Persönlichkeit“, d.h. des selbstbestimmten Individuums, im Zeitalter der Maschine und der Großindust-rie. Aber auch Kunst und Ästhetik sollen sich nach Naumanns Vorstellungen diesem Ziel unterordnen.

Zum anderen hat Naumann aber auch das machtpolitische Leitbild einer starken, die Klassenschranken überwindenden deut-schen Nation vor Augen, die im Zeitalter des

Theodor Heuss und seine Verbindungen nach Murrhardt

Vortrag vor der Volkshochschule Murrhardt am 12.11.2004

■ Von Jörg Brehmer [email protected]

Wahlkreis Backnang war die erste Wahl

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Imperialismus eine selbstbewusste Kolonial- und Weltpolitik betreibt.

München zog Heuss an

Nun aber weiter in der Biografie von Theodor Heuss: Statt sich an der heimischen Landesu-niversität Tübingen einzuschreiben, entschei-det sich er für München als Studienort. Neben Berlin gilt die bayrische Landeshauptstadt um 1900 als herausragende Kulturmetropole, wo im Spannungsfeld zwischen bayerischem Tra-ditionsbewusstsein und künstlerischer Avant-garde eine Atmosphäre von eigentümlichem Reiz entsteht. Legendäre Atelier- und Fa-schingsfeste sowie exzentrische Schwabin-ger Zirkel begründen Münchens Ruf als eine Stadt der Boheme, die 1902 auch den 18jäh-rigen Theodor Heuss anzieht.

Zudem hat sich in München eine beson-ders aktive Gruppe junger Naumann-Anhän-ger zusammengefunden, denen sich der Stu-dent Heuss sogleich verbunden fühlt.

An der Universität München hört er zu-nächst Vorlesungen unterschiedlicher geis-teswissenschaftlicher Fächer. Unter den Pro-fessoren fasziniert ihn jedoch am meisten der Nationalökonom Lujo Brentano (1844-1931), ein Kathederstar und Meister der geschliffe-nen Polemik, der politisch mit Naumann sym-pathisiert und persönlich mit seinem Freund Georg Friedrich Knapp, Professor an der Straßburger Reichsuniversität eng verbunden ist. Ellys Vater. Hier haben wir nun schon ein erstes Indiz dieser überschaubaren Kreise.

Während seiner Studentenzeit entdeckt Heuss seine Leidenschaft für die Politik. So erlebt er seinen ersten größeren politi-schen Auftritt 1903 in einer Wahlveranstal-tung der bayerischen Sozialdemokraten, wo sich der 19jährige Student in eine Diskussi-on mit dem bayerischen SPD-Vorsitzenden Georg von Vollmar (1850-1922) einschaltet und wegen der selbstbewussten Art, in der er dem Sozialdemokraten entgegentritt, einiges Aufsehen erregt. „So vor 1-2000 Menschen zu reden und ihnen ein paar Grobheiten sagen zu können hat mir viel Spaß gemacht“, be-richtet Heuss stolz am 17. August 1903 in ei-nem Brief an die befreundete Dichterin Lulu von Strauß und Torney (1873-1956) (in: Brief-wechsel, S. 19).

„Eigentlich wäre ich gern ein Bohemien gewesen, aber dazu gehörten Liebesgeschichten und Schulden, beides hatte ich nicht“ (Heuss, Vorspiele, S. 227).

Dieses oft zitierte Geständnis aus Heuss’ Lebenserinnerungen lässt erkennen, wie er in einer Mischung aus Faszination und Re-serve das Treiben der Schwabinger Boheme verfolgte.

Nach einem dazwischengeschobenen Stu-dienjahr in Berlin reicht Heuss im Sommer-semester 1905 als jüngster Doktorand der staatswissenschaftlichen Fakultät bei Lujo Brentano seine Dissertation ein – zum The-ma „Weinbau und Weingärtnerstand in Heilbronn“. Der Arbeitsbeginn seines Aufent-halt in Berlin war nicht gerade akademisch, wie Heuss in seinen Erinnerungen gesteht. Er machte vor allem Wahlkampf für Friedrich Naumann. „Berlin ist eine fleißige Stadt. Ich war dementsprechend auch fleißig, freilich auf eine etwas verwirrte Weise, die nicht ge-rade dem eigentlichen Studium zugute kam. Wer wusste, ob ich je wieder einmal in diese Stadt zurückkehren würde! So galt es, was sie bot, auszuschöpfen, Museen, Ausstellun-gen, Theater, Veranstaltungen.“ (Heuss, Vor-spiele, S. 262).

In Berlin lernte er auch seine spätere Frau Elly Knapp (1881-1952) kennen. Hierzu erin-nerte sich Elly Heuss-Knapp in ihren Erinne-rungen, „Ausblick vom Münsterturm“: „Bei Naumann hatte ich sofort Besuch gemacht. Er lud mich an einem Abend zu sich ein, mit einem wunderlichen Heiligen zusammen, ei-nem Auslandpfarrer, der phantastische Dinge über sein Wirken erzählte. Ich war hingeris-sen und ärgerte mich über den jungen ‚Hil-fe’-Redakteur, Theodor Heuss, der kühl und schweigsam dabei saß. So lernte ich meinen Mann kennen. Mit der Ablehnung jenes Pfar-rers hatte er völlig recht. Es stellte sich später heraus, dass jener ein Hochstapler war und gar nicht das Recht hatte, sich Pfarrer zu nen-nen. Theodor Heuss hat seither öfters bewie-sen, dass er recht behielt … Wir schlossen bald Freundschaft.“ (Heuss-Knapp, Ausblick vom Münsterturm, S. 74)

Ich möchte das jetzt hier nicht weiter ver-tiefen. Allein über den Briefwechsel zwischen Theodor Heuss und Elly Knapp ließe sich ein abendfüllendes Programm leicht gestalten.

Nicht nur die Tatsache, dass sowohl The-odor Heuss als auch Elly Knapp mit den po-litischen Ideen Friedrich Naumanns eng ver-bunden waren, sondern auch die eben zitierte erste Begegnung hatte für beide Naumann als wichtige Figur in ihrem Leben erschei-nen lassen.

Nach seinem erfolgreichen Studium arbei-tete Theodor Heuss in Berlin als Redakteur

bei der „Hilfe“ und schrieb ab 1913 auch für die literarische Zeitschrift „März“ an der Seite Ludwig Thomas, Kurt Tucholskys und Her-mann Hesses.

Theodor Heuss und Elly Knapp heirate-ten 1908. Kirchlich wurden sie in Straßburg von einem Jugendfreund von Elly getraut – nämlich von Albert Schweizer. 1910 kam das einzige Kind der beiden zur Welt: Ernst Lud-wig Heuss.

Wir sind nun an einer Stelle angelangt, wo wir uns dem hiesigen Lokalkolorit annä-hern können:

Noch vor dem ersten Weltkrieg nimmt Heuss vier Mal aktiv an Wahlkämpfen teil. Bei seinen Wahlreden in zahllosen Dorfgast-stätten, Turnhallen und Versammlungssälen wird er mit den Besonderheiten sowohl klein-städtisch ländlicher als auch großstädtisch proletarischer Milieus konfrontiert; in zahl-reichen Briefen an Elly Knapp berichtet er anschaulich von seinen Erlebnissen und den damaligen Methoden der Wählergewinnung. Im Reichstagswahlkampf 1906/07 kann er zu-sammen mit Münchner Freunden Friedrich Naumann im heimatlichen Wahlkreis Heil-bronn zum Sieg verhelfen.

1912 folgt Heuss einem Angebot, die Stel-le des Chefredakteurs der Neckarzeitung in Heilbronn zu übernehmen. Das Blatt, für das Heuss nahezu täglich einen politischen Leitartikel verfasst, hat eine Auflage von 16 000 Exemplaren und steht politisch Friedrich Naumann nahe. Der Umzug von Berlin in die schwäbische Provinz fällt Elly Heuss-Knapp zunächst schwer, doch weiß die junge Frau die Vorteile des überschaubaren Lebens in Heilbronn bald zu schätzen.

Das politische Spektrum in Deutschland gliederte sich seit der Revolution von 1848/49 in fünf Gruppierungen: Konservative, Katho-liken, rechte und linke Liberale sowie Sozi-aldemokraten. Während sich der politische Katholizismus im „Zentrum“, die rechten Li-beralen in der „Nationalliberalen Partei“ und die Linke in der SPD organisierte, spalteten sich die Konservativen und die Linksliberalen mehrfach in konkurrierende Parteien.

Am 10. Mai 1907 schrieb der 24jährige Heuss an Friedrich Naumann:

Hedwig Heuss und Theodor Heuss beim Verlassen der Bun-deshauptstadt Bonn Septem-ber 1959. Hedwig Heuss war die Schwägerin von Theodor Heuss, die von 1952-1959 den Haushalt der Villa Hammer-schmidt führte. Sie wurde in Oberurbach geboren.

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„Lieber Herr Doktor!Eine Sache, an die zu erinnern ich vorges-tern vergaß. Wenn Sie Ihnen vorderhand et-was komisch vorkommt, hab ich nicht viel dagegen.

Es belangt wieder den Wahlkreis Weinsberg Hall und die Reichstagswahlen 1912. Bis da-hin bin ich 28 Jahre alt, also politisch reif. Vor Ostern sprach ich Ihnen davon, dass ich doch gerne kandidierte.“

Politisch „reif“, also mit aktivem und pas-sivem Wahlrecht ausgestattet waren die Män-ner damals mit 25. Frauen durften politisch nicht partizipieren. Dieser Brief ist insofern auch sehr aufschlussreich, da man eine ge-wissen Protektion von den Parteiführern vo-raussetzen muss, um einmal kandidieren zu dürfen. Eine vollkomme Ausrichtung der Parteistrukturen auf Honoratioren.

Ein Jahr später, also 1908 schrieb Heuss seinem alten Lehrer Eberhard Goes (26. März 1908): „Und dann gleitet man so von den schönen Künsten und von den Versen, die man macht, in die Politik hinein, weiß nicht recht wie, aber bewegt sich mit Anstand … Ich hätt so große Lust, mich einmal 4 Wochen auf den Mainhardter Wald zu setzen. Außer-dem überleg ich es mir, ob ich in Politik wei-ter machen soll und dann diesen Wahlkreis anpacken. Dass das zunächst aussichtslos wäre, denk ich mir.“

Hier spricht Theodor Heuss vom benach-barten Reichstagwahlkreis Hall. Mit dieser Idee trägt sich Heuss wohl sehr lange. Heuss wird von dieser Kandidatur aber abgeraten. Heinrich Bayer schreibt ihm am 12. März 1910: „Ich habe gehört, dass Sie die Absicht haben, nach Stuttgart zu übersiedeln. Das begrüße ich aus einem reinen herzlichen Egoismus, weil dann jemand gescheites in’s Land kommt, mit dem man verkehren kann. Aber was ich gleichzeitig gehört habe, dass Sie nämlich die Idee mit dem 9. Wahlkreis immer noch ernstlich erwägen, das hat mir weniger imponiert, weil ich die Sache für un-gemein zweifelhaft halte.

Ich komme ja in letzter Zeit viel im Land rum und natürlich auch in diesen Wahlkreis, den einmal die Demokratie unter Hoffmann zuletzt besessen hat. Da fand ich denn, dass eigentlich nur Backnang heut noch soweit ist, um etwa nach intellektuellen Gründen zu wählen. Dagegen ist das in Hall schon ganz ausgeschlossen, in Öhringen noch viel mehr und Weinsberg als Städtchen bedeutet gar nichts gegen das dortige Land. … Und an eine derartige undankbare Aufgabe, die nahe-zu jeden Erfolg ausschließt, wollen Sie sich hängen? Ich halte davon gar nichts.“

Heuss kommt nach Murrhardt

Als Heuss im Herbst 1912 im Wahlkreis Backnang für ein Amt im Landtag des Kö-

nigreich Württembergs kandidiert, kommt er nun zum ersten Mal mit Murrhardt in Füh-lung. Das war überhaupt das erste Mal, dass Heuss für ein öffentliches Amt kandidierte.

„Die Politik als das Gebiet von Kampf und Bewährung griff früher nach mir, als ich bei der Rückkehr in die Heimat gedacht hatte. Im Spätjahr 1912 musste der Württembergische Landtag neu gewählt werden. In dem Ober-amt Backnang wurde nach einem Bewerber gesucht – der bisherige Vertreter, der Leder-fabrikant Robert Käß (Volkspartei), wollte nach fast zwanzig Jahren der Parlamentstä-tigkeit die Sache nicht mehr riskieren, er war ein in den konkreten Dingen sehr geschickter Mann, hatte aber etwas Scheu, in den Dör-fern, um die er sich nicht mehr recht geküm-mert hatte, Reden zu halten.

Conrad Haussmann, neben Friedrich Pa-yer der Führer der schwäbischen Demokra-tie, brachte den Backnangern bei, ich sei der rechte Mann für sie, und mir, ich müsse den Versuch wagen. Ich selber kannte keine See-le in dem Bezirk. Für die Erinnerung ist die kleine Versammlung in dem schönen Murr-hardt, das mich aufstellte, eine sehr heitere Erinnerung. Ich wurde, von vielleicht drei-ßig mir völlig fremden Männern, …, ein-stimmig aufgestellt. Der ‚Backnanger Volks-freund’, das Parteiblättchen, meldete: ‚Er ist zwar erst achtundzwanzig Jahre alt, aber er kam, sprach und siegte’. Als ob es etwas zu siegen gegeben hätte! Doch die Mitteilung meiner Jugend wurde rasch zur argen Last“ (Heuss, Erinnerungen, S. 168).

An seinen Schwiegervater Georg Friedrich Knapp schrieb Theodor Heuss einige Tage später: „Es wird Dich interessieren, dass man mich vor einigen Tagen als Landtagskandi-dat aufgestellt hat, in Backnang, welches nicht in China, sondern in der Nähe von Marbach liegt. Die Aussichten sind nicht schlecht, wenn es gelingt, den Sozialdemo-kraten einigen Abbruch zu tun; außerdem bleibt es natürlich ein Experiment, wie weit sich die bäuerliche Bevölkerung auf einen Stadtmenschen meiner Jahre einlässt. Mor-gen fange ich mit der Versammlungstätigkeit an; es gibt vier einigermaßen anstrengende Wochen, am 16. November wird gewählt … Wenn ich durchfalle, werde ich es mit Ge-mütsruhe tragen können, da ich von mir aus die Kandidatur nicht gesucht habe.“

In der Tat waren es anstrengende Wochen. Vom 2. November bis zum 16. November – also bis zur Hauptwahl, und dann nochmals bis zum 29. November – Stichwahl – hatte Heuss Wahlversammlungen abgehalten. Das Programm ist beeindruckend: 5. November um 5 ½ Uhr in Heiningen bei Schlipf, um ½ 7 Uhr in Maubach in der Krone und um 8 Uhr in Waldrems im Adler. Am 7. November um 3 Uhr in Lutzenberg bei Familie Hinderer, um 5 Uhr in Oberweissach in der Krone und um 7 Uhr in Unterweissach im Hirsch, am 9. No-vember um 5 Uhr in Rietenau in der Sonne und um ½ 8 Uhr in Großaspach in der Sonne, es folgen Jux, Spiegelberg, Sulzbach, Back-

nang, Reichenberg, Oppenweiler, Däfern, Ho-henweiler und Unterbrüden. Zweimal war Heuss in Murrhardt, bei seiner Aufstellung und am 14. November um 8 Uhr in der Kro-ne. Am 13. November 1912 warb er um 6 Uhr in Fornsbach im Lamm für sich.

Im Murrtal-Bote - der konservativen Kon-kurrenz zum ‚Volksfreund’ - wurde heftig Werbung und Antiwerbung gemacht. Der He-rausgeber des Murrtal-Boten war ein Mann namens Stroh, der gleichzeitig für den kon-servativen Bauernbund für den Landtag kan-didierte.

Einige Kostproben aus der Wahlpropagan-da der Volkspartei darf ich hier zum besten geben:

„Wir fordern unsere Parteifreunde drin-gend auf, am 16. November ihre Stimme ge-schlossen dem Kandidaten der fortschrittli-chen Volkspartei und Chefredakteur Dr. Heuss zu geben. Es kann uns nicht zugemutet wer-den, den Kandidaten der Rechten zu wählen … Ein Ruf ist erklungen durch den ganzen Be-zirk Backnang: ‚Heraus, ihr liberalen Bürger in Stadt und Land an die Wahlurnen!’

Von links und rechts wird mit allen mögli-chen Mitteln gearbeitet um uns den Bezirk zu entreißen und auf dem Ölberg werden heute schon freudige Gesänge angestimmt und die schwarze Bundesfahne ist bereit gestellt, um sie nach dem ‚selbstverständlichen’ Sieg auf seine Zinnen aufzupflanzen. Deshalb ist es doppelte Pflicht eines jeden liberalen Bürgers heute zur Wahl zu gehen und den Bezirk für die freiheitliche Sache zu retten. … In Eurer Hand liegt die folgenschwere Entscheidung! Soll auf einen Robert Kaeß ein Stroh kom-men? Das wollt ihr nicht und deshalb Mann für Mann zur Wahl und nehmt zur Parole die Worte:

Der eine ist zu rot, der andere zu weiß, Drum wählen wir den dritten und der heißt, Dr. Heuß“.

Gewählt war, wer die absolute Mehrheit der Stimmen, im ersten Wahlgang erreichte (also 50 % plus eine Stimme). Konnte kein Bewerber diese Mehrheit erlangen, gab es Stichwahlen, wo die relative Mehrheit aus-reichte. Also wer die meisten Stimmen hat.

Im ersten Wahlgang am 16. November 1912 hatte der konservative Kandidat Stroh 1995 Stimmen, der sozialdemokratische Be-werber Erlenbusch 1383 Stimmen und Heuss für die Volkspartei 1131 Stimmen. Sie wer-den sich vielleicht dafür interessieren, wie Murrhardt abgestimmt hat: Stroh 109 Stim-men, Erlenbusch 196 Stimmen, Heuss 196 Stimmen.

Da keiner der Bewerber die absolute Mehrheit erreichte, wurde am 29. Novem-ber 1912 eine Nachwahl nötig. Durch eine Wahlabsprache zwischen Volkspartei und So-

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zialdemokraten, zog Erlenbusch (SPD) zu-gunsten von Heuss zurück. Das Endergebnis sah so aus, dass Stroh 2723 Stimmen hat-te und Heuss 2473 – also 227 Stimmen we-niger. Heuss hatte lediglich in 7 Wahlorten von 29 mehr Stimmen als Stroh (Backnang 537:1002, Großerlach 33:61, Jux 11:50, Murr-hardt 210:435, Spiegelberg 55:80, Sulzbach 148:268 und Unterbrüden 37:40).

Dieser Aufenthalt in Murrhardt hatte aber nicht nur eine Niederlage gebracht. Im Schwä-bischen Heimatbuch veröffentlichte Theodor Heuss 1917 einen Text über Reinhold Nägele. Ich darf hier den Anfang zitieren: „Vor vier Jahren, zwischen Wahlreden über Wegord-nung und Schullasten, tranken wir im ‚Engel’ zu Murrhardt einen erholsamen und guten Schoppen Rotwein. Die Wirtin zeigte mir Ra-dierungen eines jungen Stuttgarter Künstlers, eines Vetters des Hauses. Der erste Eindruck war sehr seltsamer Art und fast verwirrend: Eisenbahnschienen liefen zwischen Böschun-gen in präziser Nüchternheit, die Grashänger aber waren voll krausen Pflanzenlebens und im Grunde wölbten sich Tannenwälder über Bergkuppen, in denen mit höchster Peinlich-keit Baum um Baum gezeichnet war.“ …

Und hier noch das Ende des Nägele-Tex-tes:

„Dieser Künstler hat seinen Weg selber gefunden und zurückgelegt, und er scheint eben dabei, über das Künftige sich zu be-sinnen. Die Ausprägung seiner Art ist noch nicht abgeschlossen; aber die Zeugnisse ei-ner achtjährigen Arbeit rücken ihn, inmitten unseres Kunstlebens, auf einen Platz ganz für sich. Er hat durchaus seine eigene Form, sein eigenes Verhältnis zu den Dingen der Sicht-barkeit. Manchen mag er darum als ein Son-derling erscheinen, wer seinem Werk näher kommt, spürt in der fleißigen Liebe zum Le-bendigen, in der stillen Stimmungskraft und in dem geistreichen Übermut seines Humors die völlig erdhafte Gebundenheit.“

Wann genau Theodor Heuss und Reinhold Nägele sich persönlich begegnet sind, lässt sich heute kaum mehr nachvollziehen. Dies war wohl im Kunsthaus Schaller. Nägele stell-te bei Schaller aus, Familie Heuss war mit der Familie Schaller persönlich befreundet. Es ist aber sicher, dass die Begegnung mit der Wir-tin vom Engel, der Großmutter des heutigen Engelwirts, die erste Station der Freundschaft von Theodor Heuss und Reinhold Nägele war. Zwischen Reinhold Nägele und Theodor Heuss entspann sich Freundschaft. Heuss, der in der unmittelbaren Nachkriegzeit auch wieder Murrhardt besuchte und z.B. seinen alten Parteifreund, den Sparkassendirektor Rössle besuchte, kehrte auch im Engel mehr-fach ein. Mit der Wirtin Mathilde duzte er sich übrigens. Heuss kam in den späten 40er und frühen 60er Jahren auch zum Zeichnen nach Murrhardt.

Als Kultminister von Württemberg-Baden (1945-1946) hatte Heuss den in den USA le-benden Nägele das Angebot gemacht, in

Stuttgart eine lehrende Tätigkeit zu über-nehmen.

Am 20. Juli 1946 lehnte Reinhold Nägele aber brieflich ab. „Den platonischen Teil kann ich Ihnen ersparen, weil Sie mich gut genug kennen, lieber Freund und Jahrgangsgenos-se. Also eine Rückkehr nach der Heimat war und ist nicht in unserem Lebensplan vorge-sehen. Wir haben, glaube ich, den Verlauf der Geschichte und Geschicke ja genug oder richtig im Wesentlichen vorausgesehen, um heute nicht vor einer Fehlspekulation unse-rer Zeit umstecken zu müssen. Ihnen als Al-tersgenossen gegenüber darf ich und will ich natürlich mein Alter nicht ins Feld führen.“ (Heuss, Schwaben, S. 128)

Reinhold Nägele war im Sommer 1952 eine der letzten fünf Personen, die Elly Heuss-Knapp noch an ihr Krankenlager vorließ, so eng war diese Freundschaft. Und zum 70. Ge-burtstag des befreundeten Malers besuchte der Bundespräsident 1953 eine Nägele-Aus-stellung in Stuttgart.

Nebenbei bemerkt darf ich hier nur anmer-ken, dass der Direktor des Murrhardter Gym-nasiums, Dr. Losch, ein Verbindungsbruder von Reinhold Maier aus der Studienzeit war. Dies aber nur so nebenher.

Aber auch mit dem zweiten großen Ma-ler der Stadt hat sich Heuss auseinander ge-setzt. Am 20. Oktober 1930 erschien in der Neckarzeitung eine Betrachtung über Hein-rich Zügel. Auch hier darf ich die ersten Sät-ze zitieren:

„Murrhardt lag vor einem halben Jahrhun-dert, als es die Kindheit von Heinrich Zügel sah, recht nebendrauß; ein kleines Landstädt-chen, von Waldbergen umschlossen, friedlich und behaglich. Dort hatte der Vater eine Schä-ferei; es ist eine seltsame Entwicklung, wie hier mit einer gewissen Logik der väterliche Beruf sich in dem Sohn umsetzt und aus einer schwäbischen Schafhalterei der größte deut-sche Tiermaler seiner Tage heraustritt.

In diesem Waldwinkel wurde Heinrich Zü-gel, in dessen Namen die Wittelsbacher ir-gendeinmal ein überflüssiges ‚von’ gescho-ben haben, am 22. Oktober 1850 geboren, und so, wie die Murrhardter stolz sind auf diesen größten Sohn ihrer Gemeinde, hat Zü-gel die Heimat immer in Liebe und Treue be-wahrt und ist immer ein Stück weit dort ‚bo-denständig’ geblieben.“ (Heuss, Schwaben, S. 118)

Aber auch mit einem dritten Murrhardter Maler kam Theodor Heuss in Fühlung. Mit Carl Obenland. Dieser malte den Bundesprä-sidenten 1954 im Auftrag der Bausparkasse Wüstenrot. Erst vor wenigen Wochen ist ein Bildband in Ludwigsburg darüber erschie-nen. Bei der großen Obenland-Ausstellung war das Gemälde hier zu sehen.

Oskar Kreibich hatte zwei Bildnisse von Theodor Heuss angefertigt, die sich hier in Murrhardt befunden haben – bei Familie Schweizer. Anschaulich bei diesen beiden Porträts ist die Konfrontation von Theodor Heuss, einmal aus der Zeit der vollen Aktivi-tät als Bundespräsident und dann, nicht lan-ge vor seinem Tod, von dem von schweren Leiden gezeichneten Mann.

Meine Damen und Herren, Sie haben ge-merkt, dass ich nach und nach den chronolo-gischen Teil einer biografischen Nacherzäh-lung von Heuss’ Leben verlassen habe. Ich habe nichts über seine Zeit als Journalist und Geschäftsführer des Deutschen Werkbundes in den 1920er Jahren gesagt, ich habe nichts über seine Tätigkeit als Reichstagsabgeord-neter von 1924 bis 1933 gesagt, nichts gesagt über die schriftstellerische Tätigkeit während der Naziherrschaft, als Elly Heuss-Knapp als Reklamefachfrau Werbung für Nivea, Wybert, Erdal, Persil tätig war

Ich habe mich jeden Kommentars über den Landtagsabgeordneten Heuss enthalten. Kein Wort über den Bundespräsidenten haben Sie gehört.

Und das alles habe ich mit voller Absicht getan, mit reinem Gewissen.

Zum einen bleibt so auch noch Raum für weitere Vorträge zu einem späteren Zeitpunkt und zum zweiten darf ich sie einmal nach Stuttgart ins Heuss-Museum einladen, wo sich dies alles gut aufbereitet ansehen kön-nen. Dort können Sie dann auch drei Werke von Reinhold Nägele im Wohnzimmer des Altbundespräsidenten sehen, die Heuss sehr geschätzt hat.

Villa Hammerschmidt in Bonn. Früherer Amtssitz des Bundes-präsidenten.

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Page 28: Rems-Murr Liberal Nr. 2 (5/2005)

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