RepoRtage HemingwaysPapa Das Haus von Ernest Hemingway ... · wir die Katzen. bei Hemingway hießen...

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22 GELIEBTE KATZE | JANUAR 2012 Papa Hemingways Erben Das Haus von Ernest Hemingway in Key West/Florida ist mehr als ein Museum. Es ist das Zuhause von 45 Nachkommen seiner geliebten Katzen REPORTAGE

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22 Geliebte Katze | Januar 2012

PapaHemingways ErbenDas Haus von Ernest Hemingway in Key West/Florida ist mehr als ein Museum. Es ist das Zuhause von 45 Nachkommen seiner geliebten Katzen

RepoRtage

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ary Grant sitzt wartend an der treppe zu dem kleinen Studio im Garten, in das Hemingway

sich zum Schreiben zurückzog. Der stattliche, graugetigerte Kater ist der liebling von Museumsführerin Mary Jane Pierce. Welche Katze hier wohl vor 80 Jahren jeden Morgen auf Heming-way gewartet hat?Genau weiß man es nicht, aber „viele seiner Katzenfreunde hat Hemingway in breifen an die Familie und auch in einigen romanen erwähnt“, erzählt Mary Pierce. 1943 schrieb er an seine dritte Frau Martha aus Kube: „es ist so verdammt einsam hier, wenn ich alleine bin. ich habe Onkel Wolfer, Dillinger und Will beigebracht auf dem balkon-geländer entlangzulaufen, bis zum eckpfeiler und dort eine Pyramide zu machen, wie die löwen. und Friendless habe ich beigebracht mit mir zu trinken – Whiskey und Milch.“

Vor dem Haus steht einsehr spezieller Brunnen

alkoholische Getränke erhalten die Katzen im Hemingway Haus von Key West/Florida keine mehr. alle Führer des Museums sind gemeinsam dafür verantwortlich, dass die Wasser- und Futterschüsseln immer gefüllt sind. zu-sätzlich gibt es auch noch den von He-mingway geschaffenen Katzenbrunnen am Haus: Das Wasser läuft aus einer großen amphore in ein ausgemustertes Pissoir aus der Herrentoilette von He-mingways lieblings-bar „Sloppy Joe“. Hemingways Frau, Pauline Pfeiffer, war

Von Josefine Koehn-Haskins

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Ernest Hemingway war in seinem Haus auf Key West glücklich. Die Kat-

zen, die heute dort leben tragen ihren Stammbaum an den Pfoten: Sie haben mehr Zehen als normal,

so wie der Lieblingskater von Hemingway Fo

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Hemingway-Katzenhaben mehr Zehen als normal ist

von der architektur peinlich berührt, und dekorierte das längliche becken mit schönen spanischen Fliesen.zu Hemingways zeiten (er kaufte das Haus 1931) durften die Katzen im Gäst-ebett schlafen. Heute haben sie kleine gelb-grüne Holzhäuschen zwischen den Sträuchern des tropischen Gartens, in die sie sich zurückziehen können. „Diese Häuschen haben die Jungs gebaut“, erklärt Mary Pierce, und meint damit die männlichen Museums-Mit-arbeiter. ein Katzenhotel, mit „appar-

tments“ für jeden Katze, das auf den ersten blick an ein sehr großzügiges und luftiges taubenhaus erinnert, gibt es auch noch.

Waren früher bis zu 60 Katzen auf dem Museumsgelände, dürfen es nach einer Verfügung des uS-landwirt-schaftsamtes (uSDa) heute nicht mehr als 45 sein.

Das Hemingway-Haus ging für seine Katzen vor Gericht

in den vergangenen Jahren musste das Hemingway-Haus das bleiberecht seiner Katzen mehrfach vor Gericht verteidigen. Sowohl nachbarn als auch das uSDa hatten geklagt. Die nach-barn gingen vor allem wegen des allzu maskulinen Katers ivan auf die barrika-den, denn der machte die Straßen rund um das historische anwesen unsicher. Hemingway hätte seine Freude an ivans Macho-abenteuern gehabt. Sechsmal musste das Museum ivan aus dem tierheim freikaufen. Jedes Mal war er auf frischer tat mit einer nachbarskatze ertappt worden.

Das uSDa störte sich nicht nur am ungehinderten Freilauf der Katzen (ge-fährlich!) sondern argumentierte, die tiere würden zudem „ausgestellt“, was nur mit einer zoo- oder zirkuslizenz er-laubt ist, die das Museum nicht besitze. nachdem die Hemingway-Katzen aber

Links: Dieser Stuhl gehört allein Olivia. Im Souvenir-Shop gibt es Schönes (o) aber auch „Katzenklo“-Schokolade(u).

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weder Kunststücke vorführen noch ver-kauft werden und zu Key West gehören, wie der berühmte Sonnenuntergang und die aus jedem Hinterhof krä-henden Hähne, schloss man schließlich einen Kompromiss: Die von Heming-way errichtete, sechs Meter hohe Mauer um das anwesen wurde zusätzlich mit einem Maschendrahtzaun abgesichert. außerdem werden alle Katzen nach ih-rem ersten Wurf kastriert, und von den Katern dürfen sich nur die stattlichsten vererben.

aussterben lassen will man die blutli-nie der Hemingway-Katzen ja nicht. Vor allem, weil sie eine auffallende kör-perliche besonderheit haben: Sie sind polydaktyl, mehrzehig. Den anfang machte Snowball, ein sechszehiger Maine Coon Kater. Von ihm stammen wohl die meisten der Katzen auf der relativ kleinen insel Key West ab. He-mingways Söhne Patrick und Gregory sollen ihn, so wird erzählt, von einem alten Kapitän geschenkt bekommen ha-

ben. Polydaktyle Katzen wie Snowball waren bei Seefahrern beliebt. Sie hatten den ruf exzellente rattenfänger zu sein. außerdem soll den „Polys“ ihre sechste zehe, die fast wie ein Daumen aussieht, dabei geholfen haben, Halt auf den wankenden Schiffen zu finden. laut Museumsführerin Mary Pierce wurden die ersten Katzen mit sechs zehen in norwegen gesichtet. „Sie galten als aus-gesprochene Glücksbringer“, sagt sie.

Hauptsache, die Tierefühlen sich rundum wohl

tatsächlich verbrachte auch die He-mingway Familie einige sehr glückliche Jahre auf Key West. Während Heming-ways zweite Frau, die Vogue-autorin Pauline Pfeiffer, die unansehnlichen Deckenventilatoren im Haupthaus durch feinste europäische Kronleuchter ersetzen ließ, setzte sich Hemingway morgens in sein Gartenstudio, um „700 Wörter bis zum Mittagessen zu

schreiben“, wie Pierce erzählt. Weil es ohne Ventilatoren im Haupt-

haus unbeschreiblich schwül ist, tummeln sich die Katzen gerne auf der terrasse zwischen Haus und Studio. Wie immer liegt audrey Hepburn, so der name einer rundlichen bunten Katzendame, ausgestreckt auf dem gus-seisernen bistrotisch. Wie alle anderen Hemingway-Katzen stört sich sich nicht an neugierigen besuchern; im Gegen-teil: Sie genießt die extra-Streichel-einheiten von groß und klein. „Wenn eine Katze abweisend oder aggressiv reagiert, nehmen wir sie aus dem besu-cherstrom raus, und finden wir ihr ein privates zuhause“, erklärt Mary Pierce, die immer ein paar Katzen-leckerein in der tasche hat.

„nach berühmten Persönlichkeiten, wie Cary Grant, audrey Hepburn, Mari-lyn Monroe oder James Joyce benennen wir die Katzen. bei Hemingway hießen sie einfach Furball, Will oder Princess.“ neben den Streicheleinheiten von tou-

Das ehemalige Wohnhaus von Ernest Hemingway in Key West steht in einem

großen tropischen Garten. Die Museums-katzen können sich frei bewegen. Man

trifft sie am Pool, sie lassen sich strei-cheln, oder auch von Museumsführerin

May Pierce den Besuchern vorstellen

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Parkanlage, wo eine kleine brücke über einen künstlichen Wasserfall zu einer romantischen Sitzecke führt. Oder eine graue Schönheim posiert am rande des Swimmingpools. 1937, als Hemingway ihn in den Gartenboden bauen ließ, galt er als sensationell groß, und mit 20.000 uS-Dollar baukosten als ungeheuer teuer.

Sie leben, wie „Papa“ Hemingway es wollte

es ist kein schlechtes Katzenleben – und ganz im Sinne Hemingways, der seine tage auf Key West auch am lieb-sten unterwegs verbrachte, um neuen Stoff für seine romane und Kurzge-schichten zu sammeln: bei nächtlichen Streifzügen durch die bars oder beim Hochseeangeln, gemeinsam mit seinen besten Freunden, denen er seinen Spitznamen „Papa“ verdankt.

Der harte Mann hatteauch eine sanfte Seite

Doch so hart und männlich er auch in seinen Geschichten erscheinen mag, neben dem nach außen so betonten Macho, der aus dem spanischen bür-gerkrieg berichtete oder in afrika auf Großwildjagd ging, gab es auch eine andere Seite Hemingways: Schon als kleiner Junge war er von tieren faszi-niert. in ihrer biographie „Hemingway‘s Cats“ zitiert autorin Carlene brennen Hemingways Mutter Grace: „ernest liebt alle tiere, auch die wilden. er ist

Eine Katze führte bei „Papa“ Hemingway zur nächsten

Audrey Hepburn ist nicht so schlank und grazil, wie ihre berühmte Namensgebe-rin, aber irgendwie auch ein Star

Hier ist die zu-sätzliche Zehe deutlich zu se-

hen. Polydaktyle Katzen heißen in

den USA auch „Hemingway-Cat“

risten, für die die Katzen auch gerne vor der Kamera posieren, und dem abend-lichen Kontrollgang von Pierce bleibt den Katzen viel zeit ihre eigenen Wege zu gehen, was sie nicht nur tun, falls sie bei ihrer Siesta nicht von fremden Händen gestört werden möchten.

Sie bringen immer wieder leben in die Führungen durch Haus und Garten. Mal verschwindet eine kleine graue unter dem imposanten bett, dessen Kopfende sich das ehepaar Hemingway aus Spanien mitbrachte, dann wieder lockt ein kleines, buntes Kätzchen in den abgelegenen teil der tropischen

Das Hemingway-HausDie Insel Key West ist etwa vier Stunden Autofahrt (150 Meilen) Richtung Süden auf der Autobahn US 1 von Miami entfernt. Wegen seiner spektakulären Brücken zwi-schen den verschiedenen Inseln der Keys wird die Strecke auch Overseas Highway genannt. Am Stadtrand von Key West geht die US 1 über in den North Roosevelt Boulevard, wird dann zur Truman Street, von der man (einen Block nach der Duvall Street) nach rechts in die Whitehead Street einbiegt, in der das Hemingway Haus liegt – in Sichtweite des Key West Leuchttumes. Das Museum ist 365 Tage im Jahr geöffnet.

Alle Werke von Hemingway, Interessantes über die Keys und jede Menge Andenken erhält man im Bookstore des Muse-

InformAtIon Geliebte

der geborene naturwissenschaftler, und liebt alle lebewesen, egal ob Käfer, Muscheln, Vögel oder größere tiere.“

Nur mit Katzen wurde einHaus zum Zuhause

zwar wurde Hemingway weder arzt, wie sein Vater, noch naturwissenschaft-ler, aber seine scharfe beobachtungs-gabe zeichnet sein literarisches Werk genauso aus, wie seine liebe zu tieren.

Übrigens hatte er sein leben lang Katzen, schon als kleiner Junge in illinois, gemeinsam mit seiner ersten Frau Hadley richardson in den 1920er Jahren in Paris, und auch auf seiner Fin-ca in Kuba, die er gemeinsam mit seiner dritten ehefrau, Martha Gellhorn, be-zog. auf der Finca tummelten sich sage und schreibe 57 Katzen. auf die Frage, warum so viele, antwortete er nur: eine Katze führt zur nächsten .... außerdem ist es so verdammt groß hier, dass es gar nicht so viele Katzen zu sein scheinen, bis du sie alle zur Futterzeit zusammen in die selbe richtung laufen siehst.“

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