Republik 02/14

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P. b. b., Retouren an PF555, 1008 Wien, Zul.-Nr. 09Z038082M Postnummer 2 www.wirtschaftsverlag.at 5 Euro Juli 2014 Das unabhängige Magazin für Führungskräfte im öffentlichen Bereich Bitte eintreten! Was hinter dem neuen Informationsfreiheitsgesetz steckt und wer dagegen ist Ein Beruf mit Weitblick Über die verantwortungsvolle Aufgabe eines Via-Donau-Schleusenwärters Foto Regina Hügli Wie reen wir die Welt? Nachhaltigkeit als Prinzip der österreichischen Verwaltung MIT VERWALTUNG INNOVATIV 2 / 2014 INTERVIEW: Andrä Rupprechter über sein Grundsatzprogramm und Umbauten im Ressort :,5 75$*(1 9(5$17:25781* ± V W H U U H LF K LV F K HU : LU WV F K D I W V Y H UOD J 0 H GL]LQ 0 H GLH Q $ X V W U LD

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Republik, Wirtschaftsverlag

Transcript of Republik 02/14

  • P. b. b., Retouren an PF555, 1008 Wien, Zul.-Nr. 09Z038082M Postnummer 2 www.wirtschaftsverlag.at

    5 Euro Juli 2014 Das unabhngige Magazin fr Fhrungskrfte im ffentlichen Bereich

    Bitte eintreten!Was hinter dem neuen Informationsfreiheitsgesetz steckt und wer dagegen ist

    Ein Beruf mit Weitblick ber die verantwortungsvolle Aufgabe eines Via-Donau-Schleusenwrters

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    Wie retten wir die Welt?Nachhaltigkeit als Prinzip der sterreichischen Verwaltung

    MIT VERWALTUNG INNOVATIV2 / 2014

    I N T E R V I E W : Andr Rupprechter ber sein Grundsatzprogramm und Umbauten im Ressort

    :,575$*(19(5$17:25781*VWHUUHLFKLVFKHU:LUWVFKDIWVYHUODJ0HGL]LQ0HGLHQ$XVWULD

  • Eine Initiative der gewerblichen

    Immobilienwirtschaft

    WKO-immobilien_SujetPaar.indd 1 22.01.2013 10:07:25

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    E D I T O R I A L

    Nachhaltigkeit ist en vogue. Der Begriff hat sich nicht nur in der ffent-lichen Verwaltung, sondern auch in der Privatwirtschaft und in der Allgemeinheit breitgemacht. Gerade im ffentlichen Dienst gibt es ei-ne Reihe von Einrichtungen, die darauf Wert legen, besonders nachhaltig zu agieren. Neben dem klassischen Geschftsbericht ist fr viele ein Nachhaltig-keitsreport fixer Bestandteil des Berichtswesens. Ganz vorne dabei die Bundes-forste (Bf), fr die Nachhaltigkeit quasi ein immanentes Geschftsmodell ist. Die Bf publizieren seit 2004 einen Nachhaltigkeitsbericht. Seit 2011 als Son-derausgabe des Magazins Wald inklusive spannender journalistischer Bei-trge. Auch wenn die Keine-Spuren-Doktrin fr die Asfinag wohl insgesamt schwer umzusetzen ist, hat auch der sterreichische Autobahn-Errichter lngst ein eigenes Nachhaltigkeitsprogramm etwa zum Bau von Solaranlagen an Lrmschutzwnden oder fr den Gewsserschutz.

    Bei aller Nachhaltigkeitseuphorie sei allerdings auch etwas Kritik erlaubt: Das Wort scheint nicht nur sperrig, sondern beinhaltet auch eine gewisse Un-schrfe. Wenn man sich umhrt, was andere unter Nachhaltigkeit verstehen, so wird man so viele Antworten erhalten, wie man vorher Menschen befragt hat. Wie schwierig es ist, Nachhaltigkeit zu definieren, sieht man anhand des sogenannten Nachhaltigkeitsbarometers des BMLFUW: Zur Erstellung werden insgesamt 30 Indikatoren herangezogen vom Body-Mass-Index ber die Kul-turausgaben bis hin zu den Treibhausgasen. Da soll noch jemand sagen, dass er den berblick bewahrt ... Dabei erkennt man: Wir haben es mit einem PR-Pro-blem zu tun. Mittlerweile wird nmlich so gut wie alles als nachhaltig verkauft vom Joghurt bis zur Geldanlage. Und das verwssert einen ohnehin schon schwammigen Begriff noch mehr.

    Nachhaltigkeit ist auch Schwerpunktthema der vorliegenden Ausgabe: Sandra Dudek hat deshalb das neue politische Grundsatzprogramm von Um-weltminister Andr Rupprechter im Detail unter die Lupe genommen und s-terreichs Nachhaltigkeitspolitik mit Experten diskutiert (S. 10). Rupprechter erklrt im Coverinterview auerdem, welche Umplanungen er in seinem neu-en Ressort vornimmt und wie gro sein eigener kologischer Fuabdruck ist (S. 16).

    Andrea Krieger berichtet vom spannenden Beruf eines Via-Donau-Schleu-senwrters, der nicht nur einen Arbeitsplatz mit genialem Ausblick hat, son-dern auch Millimeterarbeit leisten muss (S. 20). Wie sich die Organisations-strukturen in Ministerien verndern und was vom neuen Amt der Bundesregie-rung zu erwarten ist, analysiert wiederum Gudrun Haigermoser (S. 24).

    Nachhaltigkeit: Ein schwammiger

    Begriff

    Stefan Grampelhuber Chefredakteur

    Sandra Dudek Andrea Krieger Gudrun Haigermoser

    Jrg

    Chr

    ista

    ndl

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    I N H A L T

    I M P R E S S U M

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    sterreichischer Wirtschaftsverlag GmbHGrnbergstrae 15, Stiege 1, 1120 Wien

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    G E S C H F T S F H R E RThomas Zembacher

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    O B J E K T L E I T E RStefan Bck

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    C H E F R E D A K T E U RStefan Grampelhuber

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    C H E F V O M D I E N S TStephan Strzyzowski

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    W E I T E R E A U T O R E N D I E S E R A U S G A B ESandra Dudek, Gudrun Haigermoser, Andrea Krieger

    A N Z E I G E N L E I T U N GFranz Michael Seidl

    T: (01) 546 64-240, E: [email protected]

    A N Z E I G E N V E R K A U FElisabeth Schberl

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    H E R S T E L L E RFriedrich VDV, Vereinigt Druckereien- und

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    Aus Grnden der Textkonomie verzichten wir auf geschlechtsspezifische Ausformulierung und den Verweis

    auf (nicht)akademische Titel.

    Personal einsparungenDie Aufnahmepolitik im Bundesdienst sieht vor, dass in den Jahren 2014 bis 2018 weitere Einsparungen getroffen werden. 2014 gilt weiterhin der Aufnahmestopp. Von 2015 bis 2018 wird die Hlfte der Pen-sionsabgnge nicht nachbesetzt. Laut Aus-sendung von Kanzleramtsminister Oster-mayer betrifft dies mehr als 3.000 Plan-stellen. Es gibt nur wenige Ausnahmen: Im Personalplan sind 1.000 Planstellen fr die Polizei, 550 fr die operative Finanzpolizei, 120 Planstellen fr die IT-Betreuung im Bil-dungsbereich, 100 bei der Justizwache und 70 im Bundesamt fr Fremdenwesen und Asyl vorgesehen. Ausgenommen sind au-erdem Richter, Staatsanwlte und Lehrer.

    N: 8,3 Mrd. Ausgaben fr 2015Die niedersterreichische Landesbudget-planung fr 2015 steht, wie Anfang Juni bekannt gegeben wurde. Darin sind Aus-gaben von 8,27 Mrd. Euro enthalten. Aus den Veranlagungen des Landes sollen fr 2015 107 Mio. entnommen werden, um das strukturelle Defizit auszugleichen. Die fi-nanzielle Verbindlichkeit des Landes wer-den 2015 bei 3,34 Mrd. liegen. Diesen ste-hen ein Finanzvermgen von 5,67 Mrd. ge-genber. Die grten Ausgaben im Budget bleiben die Landeskliniken, der Wohnbau und der Verkehr. Seit 2010 konnte man die Gesamtschulden des Landes N um 622 Mio. reduzieren. Ziel ist es, 2016 ein struk-turelles Null-Defizit zu erreichen.

    WirkungsorientierungDer aktuelle Bericht ber die wirkungsori-entierte Folgenabschtzung liegt vor. Das Papier, das von der Wirkungscontrolling-stelle (WCS) im BKA verfasst wurde, gibt einen ersten Einblick in die ressortspezi-fische Regulierungs- und Manahmen-politik. In ihrem Fazit hlt die WCS fest, dass es fr die Qualitt der Ergebnisse in den Folgejahren wichtig sei, die Experti-se zum Thema Evaluation seitens aller handelnden Akteure weiter auszubauen. WCS biete diesbezgliche Beratungslei-stungen an. Auerdem sei die Schaffung einer umfassenden IT-Lsung notwendig, um in Hinkunft eine effektive Abwicklung einer hohen Anzahl von Evaluierungen zu ermglichen.

    K U R Z M E L D U N G E N

    Die Polizei ist eine der wenigen Verwaltungsbereiche, die weitere Planstellen erhlt.

    Bis 2016 will N ein strukturelles Null-Defizit erreichen.

    Den Bericht kann man auf www.oeffentlicherdienst.gv.at downloaden.

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    I N H A L T

    P E R S N L I C H

    6 Portrt des Monats: Elisabeth Psel

    8 Aufsteigerin des Monats: Johannes Gungl

    9 Austria Abroad: Klaus Kostenzer

    S C H W E R P U N K T

    N A C H H A L T I G K E I T

    10 Nicht dasselbe in Grn Wie zukunftsfhig ist die Republik?

    16 Ich bin kein einsamer Umweltminister Andr Rupprechter ber sein Grundsatzprogramm und

    Umweltschutz in sterreich

    S E R I E

    R E P O R T A G E

    20 Ein Beruf mit Weitblick Harald Kramer von der Via Donau bewacht die Schleusen

    beim Kraftwerk Freudenau

    T H E M A

    22 Bitte eintreten! Amtsgeheimnis soll aus Verfassung gestrichen werden

    24 Ein Klassiker auf dem Prfstand Wie zeitgem sind Prsidialsektionen?

    26 Auf ewig treu? Forum for Excellence zum Thema Therapietreue

    S E R V I C E & I N F O

    30 Auszeichnungen, Buchvorstellung

    31 Terminkalender

    K A R R I E R E N

    32 Wer macht was

    P R I V A T

    34 Dagmar Schratter Ich bin oft um sechs Uhr im Bro

    Elisabeth Psel ist BMVIT-Gruppenleiterin.06

    Andr Rupprechter ber Umbauten im BMFLUW.16

    Wie gro ist der kologische Fuabdruck der Republik?10

    Eine prominente Runde diskutierte das Thema Adherence.26

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    P E R S N L I C H

    Elisabeth Psel hat schon einiges er-lebt. Zum Beispiel das berhmte Mock-Ederer-Bussi. Die stellvertretende Che-fin der Sektion I im Infrastrukturmi-nisterium (BMVIT) sa im Jahr 1994 in der er-sten Reihe, als es passierte. Nach Abschluss der EU-Beitrittsverhandlungen und drei langen Ta-gen und Nchten lie sich Auenminister Alois Mock zu dieser emotionalen Handlung hinrei-en, die bis heute vielen in Erinnerung ist. Da habe ich ein groes Stck Zeitgeschichte miter-lebt, sagt Psel, die mit Viktor Klima, dem da-maligen Verkehrsminister und spteren Kanz-ler, und dem frheren Sektionschef Gnther Hanreich das nicht ganz einfache Thema Tran-sit verhandelte. Es ging darum, den Transitver-trag, den sterreich noch als EFTA-Staat mit der EU ausverhandelt hatte, in den Beitrittsvertrag zu bernehmen. Der Vertrag mit dem kopunkte-System, der den Straengterverkehr durch s-terreich regulierte, lief nmlich genau genom-

    men gegen die Prinzipien der Union. Nach har-ten Verhandlungen durfte sterreich diesen Son-derstatus im sogenannten Protokoll Nummer 9 beibehalten. Im Jahr 2003 lief der Vertrag vor-lufig aus. Die Alpen sind ein Gebiet, das vom Schwerverkehr besonders belastet ist. Mit der ,Alpentransitbrse versuchen wir gerade mit den anderen betroffenen Lndern ein Instru-ment zu schaffen, um den Gterverkehr auf der Strae einzudmmen und mehr auf die Schiene zu verlagern, sagt die 56-Jhrige, die seit 1985 im BMVIT ttig ist. Auerdem stehen alle groen grenzberschreiten den Verkehrsprojekte wie der Brenner- Basis- oder der Koralmtunnel oft auf ih-rem Terminplan.

    Eigentlich studierte die gebrtige Oberster-reicherin, die ihre Freizeit gerne in ihrem 1.000 Quadratmeter groen Garten verbringt, Medizin und Rechtswissenschaften und wollte in der Ge-richtsmedizin ttig sein. Ein Schicksalsschlag sie verlor in jungen Jahren beide Elternteile ver-

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    P E R S N L I C H

    anlasste sie, das Medizinstudium im letzten kli-nischen Abschnitt ruhend zu stellen. Stattdessen beendete sie Jus zgig und stieg 1985 in der Ei-senbahnsektion des damaligen Bundesministe-riums fr ffentliche Wirtschaft und Verkehr ein. Seit 1989 ist sie Abteilungsleiterin fr EU- und internationale Angelegenheiten sowie stellver-tretende Sektionschefin. Seit 1995 ist Psel auch Gruppenleiterin. Doris Bures ist mittlerweile die elfte Ressortchefin, seit Psel fr das BMVIT t-tig ist. Kontinuitt ist in einem Verwaltungsjob, vor allem in einem international ausgerichteten wie meinem, kein Fehler. Dadurch habe ich ein weit verzweigtes Netzwerk, sagt die Gruppenlei-terin, die ihren Fhrungsstil als hart in der Sa-che, herzlich im Ton beschreibt. Rund ein Drittel ihrer Arbeitszeit befindet sie sich auf Geschfts-reisen. Bei der Auswahl ihrer Auslandseinstze kann Psel mittlerweile Gott sei Dank selektiv vorgehen, weil mich ein erstklassiges 35-kpfiges Team untersttzt.

    P O R T R T D E S M O N AT S : E L I S A B E T H P S E L arbeitet seit 1985 im Infrastrukturministerium. Die stellvertretende Sektionschefin betreut den Bereich EU- und internationale Angelegenheiten und verhandelt derzeit die Alpentransitbrse. Text Stefan Grampelhuber Foto Simon Jappel

    Beim Reden kommen die Leut zsamm so lautet ein Motto von Elisabeth Psel, die ihre Brotr fr ihre Mitarbeiter immer offen hlt, um Abstimmungen auf dem kurzen Weg zu treffen. Psel ist auerdem passionierte Taucherin, was man anhand des Hai-Plakats hinter ihrem Schreibtisch erkennen kann.

    Beim Mock-Ederer-Bussi in der ersten Reihe

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    P E R S N L I C H

    Grere Vorsicht verlangsamt das ArbeitstempoA U F S T E I G E R D E S M O N AT S : J O H A N N E S G U N G L macht sich fr ein optimales Preis-Leistungs-Verhltnis beim Telefonieren stark. Text Andrea Krieger

    Johannes Gungl, RTR

    Wenn bei der Rundfunk- und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR) vom Fall Barcelona gesprochen wird, kennen sich alle aus. Es ging um eine sterreichische Handyrechnung von sagenhaften 16.000 Euro. Das Telefon war in der katalanischen Metropole gestohlen worden, was dem Besitzer erst einige Zeit spter auffiel und daher spt gemeldet wur-de. Auf unser Betreiben hin wurde die Summe schlielich auf 500 Euro reduziert, erzhlt Jo-hannes Gungl, der seit Februar als einer von zwei RTR-Geschftsfhrern fr den 90-kpfigen Be-reich Telekommunikation und Post zustndig ist. Die BMVIT-Tochter ist nicht nur Beschwerdestel-le fr Endverbraucher, sie schlichtet auch Kon-troversen unter den Anbietern und forciert deren

    Im Hier und Jetzt zu sein ist fr

    mich aktive Stress vermeidung.

    Wettbewerb. Profitieren sollen letztendlich die Konsumenten. Umso mehr sorgt es Gungl, dass seit lngerem immer wieder die Tarife erhht wurden. Er schliet in diesem Zusammenhang eine genaue Untersuchung des Marktes nicht aus. Wir weisen darauf hin, dass die betroffenen Kunden sofort und kostenlos kndigen knnen, so der 46-Jhrige.

    Angefangen hat alles mit einer Schallplat-te von Gungls Vater. Das heitere Bezirksgericht hie sie und brachte ihn schlielich auf die Idee, Jus zu studieren. 1995, am Ende der Ausbildung, zeichnete sich bereits eine Liberaliserung des Te-lekommunikationsbereichs am Horizont ab. Aus-gehend von einem einjhrigen Posten im f-fentlichen Dienst, und zwar bei der damaligen Wienstrom-Tochter Citycom Austria Telekom-munikation im Jahr 1998, sprang Gungl auf die-sen Zug auf. Ab 1999 arbeitete er sieben Jahre als Rechtsleiter bei Telering. Nach einem kurzen Intermezzo bei Coca-Cola war er ab 2008 fr Recht und Personal bei Orange Austria zustn-dig. Infolge der bernahme durch Drei schied Gungl aus. Kurz darauf wurde der Posten bei RTR ausgeschrieben.

    Nach 14 Jahren in der Privatwirtschaft ar-beitet Gungl damit wieder fr den Staat. Zu den Unterschieden befragt, sagt er: Fehler wer-den im ffentlichen Sektor weniger toleriert. Grere Vorsicht verlangsamt naturgem das Arbeitstempo.

    Nicht nur im Job lautet Gungls Maxime: im Hier und Jetzt sein. Fr mich ist das aktive Stressvermeidung. Kung Fu und regelmiges Meditieren helfen dem zweifachen Familienva-ter, sich zu sammeln. Und fr die kleinen Freu-den zwischendurch sorgen Schokobananen.

    Z U R P E RS O N Johannes Gungl, 46

    19861995Studium der Rechtswissenschaften 19981999Chefsyndikus Citycom Austria Telekommunikation 19992006Leiter Recht und Regulierung bei Telering 20062008Chefsyndikus Coca-Cola Austria20082013Bereichsleiter Recht und Personal, Orange Austria 20132014Selbststndiger Unternehmensberater fr Regu-lierungseit Februar 2014Geschftsfhrer fr Telekommunikation und Post bei der Telekom Regulierungs-GmbH (RTR)

    RTR

    Testen Sie republik ein Jahr fr 20,!So einfach gehts: Senden Sie eine E-Mail mit Ihrer Postadresse an [email protected] Das unabhngige Magazin

    fr Fhrungskrfte im ffentlichen Bereich

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    P E R S N L I C H

    Dem Veterinr ist nichts zu schwerA U S T R I A A B R O A D : R O L A N D KO S T E N Z E R kmmert sich bei der Europischen Kommission um sichere Lebensmittel. Text Andrea Krieger

    Klaus Kostenzer

    Im Sommer 2011 wurde Klaus Kostenzer ins kalte Wasser gestoen, wie er sagt. Da hatte der Veterinrmediziner, der in der Generaldi-rektion fr Gesundheit und Konsumentenschutz der Europischen Kommission (DG Sanco) mit Krankheitserregern in Lebensmitteln befasst ist, seine Bewhrungsprobe. EHEC, eine gefhrliche Form des Darmbakteriums e.coli, fhrte damals zu 4.300 Erkrankungen und 50 Todesfllen. Wo-chenlang wusste niemand, welche kontami-nierten Nahrungsmittel dahintersteckten. Ich musste pltzlich eine Krise von beachtlicher ge-sundheitlicher, aber auch wirtschaftlicher Di-mension managen, erinnert sich der 35-Jhrige. Allein die Pressearbeit habe immens viel Zeit ge-braucht. Neben derlei Troubleshooting umfasst sein Job des Legislative Officers auch die Vor-beugung. Dass Kostenzer mit einem Bereich zu tun hat, dessen Wichtigkeit anders als die Frage der Gurkenkrmmung auer Streit steht, wei er An Brssel

    gefllt mir die enorme Schnelllebigkeit.

    zu schtzen. Alle sind sich darin einig, dass kei-ne gefhrlichen Bakterien im Essen sein sollten.

    Schon frh stellte er die Weichen. Obwohl Khe seine Lieblingstiere sind, war Landtierarzt fr den Bergbauernsohn keine Option. Stattdes-sen spezialisierte sich der Student der Veterinr-medizinischen Universitt Wien auf Veterinr-medizin im ffentlichen Gesundheitswesen. Es hat sich ausgezahlt: Kaum den Magister in der Tasche, landete Kostenzer 2005 als Amtstierarzt im Gesundheitsministerium (BMG) und arbeite-te dort das sterreichische Salmonellenkontroll-programm aus. 2010 wechselte er formal als vom BMG verliehener Experte zur Kommis-sion nach Brssel. Mehr Arbeitskollegen aus der Heimat wrde er durchaus begren. Ich ver-misse Wien ein bisschen, sogar die Hundstage im Sommer, gesteht der frischgebackene Doktor. An Brssel wiederum mag er die enorme Schnell-lebigkeit. Bei der Kommission treiben wir uns gegenseitig an. Und abends trifft man auf Emp-fngen und halb privaten, halb beruflichen Ein-ladungen weitere EU-Mitarbeiter, so der Jungge-selle und Nachtmensch Kostenzer.

    Einmal im Jahr nimmt er etwas Tempo aus seinem Leben. Im August besucht er nmlich sei-ne Familie in Alpbach, schaut bei den Fleckviehk-hen im Stall vorbei. Und natrlich ist er bei der ei-nen oder anderen Veranstaltung des Forums Alp- bach anzutreffen.

    Z U R P E RS O N Klaus Kostenzer, 35

    19982005Studium an der Veterinrmedizinischen Universi-tt, Wien20052010Amtstierarzt im BMG, Ausarbeitung des sterrei-chischen Salmonellenkontrollprogramms20072009Expertengruppe fr Tiergesundheit im seit Mrz 2010Legislative Officer, Generaldirektion fr Gesund-heit und Konsumentenschutz der Europischen Kommission

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    Das unabhngige Magazin fr Fhrungskrfte im ffentlichen Bereich

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    S C H W E R P U N K T

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    Nicht dasselbe in Grn

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    S C H W E R P U N K T

    Die Ampel steht auf Grn. Auf der Ge-schwindigkeitsanzeige leuchtet die Ziffer 100. Lnge 9.919 m taucht kurz im Blickfeld auf, bevor man in den Plabutschtunnel auf der A9 Pyhrn-Autobahn einfhrt. Dort sorgt ein ausgeklgeltes Beleuch-tungssystem dafr, dass die Fahrt nicht zu einer Geisterbahntour gert. Die neue Section-Control-Anlage soll die Raser im Zaum halten, und die Tunnelbelftung muss im Ereignisfall die Abgase von rund 40.000 Fahrzeugen tglich bewltigen. Der Energieaufwand fr ein sicheres Vorankom-men ist enorm: Rund fnf Millionen Kilowatt-stunden pro Jahr betrgt der Stromverbrauch des Plabutschtunnels und damit so viel wie tausend Einfamilienhuser. Dank neu installierter Solar-panels wird nun zumindest ein Teil davon res-sourcenschonend erzeugt, in Zukunft werden Windrder und ein eigenes Biomasse-Blockheiz-kraftwerk das grne Energie-Trio ergnzen. Wie Energie effizient und nachhaltig gewonnen wer-den kann, ist nicht nur fr die Asfinag eine der brennendsten Fragen.

    N A C H H A LT I G K E I T Der Verbrauch von Ressourcen bildet die Grundlage fr unser Leben und fr die Wirtschaft. Zumindest war das bisher so. Massive Umweltprobleme rcken nun den Aspekt der Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt neuer Wirtschafts- und Gesellschaftsmodelle. Text Sandra Dudek

    Die ppige Mutter Natur nhrt den Menschen, wie Peter Paul Rubens und Jan Brueghel der ltere mit dem Barock gemlde Der Geruch farbenprchtig zu vermitteln versuchten. Im Jahr 1625, als dieses Gemlde entstand, machte man sich ber Nachhaltigkeit hingegen noch wenig Gedanken.

  • 12 J U L I 2 0 1 4

    S C H W E R P U N K T

    Alternativloses ZukunftsmodellSeit einigen Jahren ist die Nachhaltigkeit Teil

    der Unternehmensstrategie des ausgegliederten Autobahnbetreibers. Viele Einrichtungen der f-fentlichen Hand halten mittlerweile in eigenen Nachhaltigkeitsberichten fest, welche umwelt-vertrglichen Manahmen durchgefhrt werden. Auch auf hchster politischer Ebene liegt nun ein Gesamtkonzept vor: Im ersten politischen Grundsatzprogramm eines Ministers (s. Kasten) definiert Andr Rupprechter die kosoziale Marktwirtschaft als Zukunftsmodell fr ster-reich und Europa. Augenscheinlich ist zuallererst eine Namensnderung: Ministerium fr ein le-benswertes sterreich heit das Ministerium mit den umfassenden Agenden Land- und Forstwirt-schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) nun. Fr Wohlstand und soziale Absicherung, heit es dort weiter, seien sowohl wirtschaftliche als auch kologische Ziele notwendig.

    Das dringlichste Problem ist, mit dem ko-system klarzukommen. De facto leben wir nicht von den Zinsen, sondern vom Kapital, sagt Helga Kromp-Kolb, Leiterin des Zentrums fr Globalen Wandel und Nachhaltigkeit an der Universitt fr Bodenkultur Wien (Boku). Weltweit werden mehr Ressourcen verbraucht als nachwachsen. Wenn

    unsere Lebensgrundlagen verloren gehen, brau-chen wir uns keine Gedanken zu machen, ob et-was sozial vertrglich ist, meint die angesehene Klimaforscherin und Meteorologin und kritisiert die Strategie der Europischen Union. Als Wirt-schaftsunion gehe es ihr in erster Linie um das Wachstum, dann um das Wohl der Menschen und erst zuletzt um die kologie.

    Architektur des UmweltschutzesIn den letzten 30 Jahren hat sterreich ei-

    ne Reihe von Strategien zum Umweltschutz und umweltvertrglichen Wirtschaften entwickelt, hinter denen eine przise Architektur steckt, sagt Reinhard Mang, seit 2007 Generalsekretr und seit 2001 Sektionsleiter fr Nachhaltigkeit und Lndlichen Raum im BMLFUW. Ein beson-deres Herzstck ist die gesamtsterreichische Strategie Nachhaltige Entwicklung, kurz strat, die auf europischen und internationalen Vor-gaben beruht und innersterreichisch die Ba-sis fr unsere Arbeit bildet, erklrt er. Die 2009 von den Landeshauptleuten und 2010 vom Mi-nisterrat beschlossene strat richtet sich primr an Politik und Verwaltung und fhrt Bund, Ln-der, Regionen, Gemeinden, Sozialpartner und zivilgesellschaftliche Organisationen im Rah-

    Ein besonderes Augenmerk legen

    wir jetzt auf den Ressourcenver

    brauch.Reinhard Mang, BMLFUW

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    man

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    W

    T R E I B H AU S G A S E M I SS I O N E N : V E R N D E RU N G E N 1 9 9 0 B I S 2 0 1 2Diese Grafik zeigt die Vernderungen der Treibhausgasemissionen zwischen 1990 und 2012. In den Sektoren Industrie und Verkehr lagen diese 2012 trotzdem noch hher als im Basisjahr, beim Verkehr sogar um mehr als 50 Prozent. Hauptverursacher der Emissionen sind auerdem die Energieaufbringung und der Kleinverbrauch, hier ist allerdings ein abnehmender Trend zu beobachten.Quelle: Umweltbundesamt

    Sektoren

    Verkehr

    Industrie

    Energie

    Landwirtschaft

    Kleinverbraucher

    Abfallwirtschaft

    - 60 % + 60 %- 40 % + 40 %- 20 % 0 % + 20 %

    Vernderung

    + 54 %

    + 17 %

    - 10 %

    - 12 %

    - 34 %

    - 54 %

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    S C H W E R P U N K T

    men von themenspezifischen Kooperationen zusammen.

    Auf regionaler und lokaler Ebene ist die Lo-kale Agenda 21 die Plattform zur Entwicklung von Nachhaltigkeitsprojekten. In mehr als 400 Ge-meinden sowie 35 Bezirken und Regionen wurden bereits Prozesse mit Brgerbeteiligung gestartet.

    Unsere Nachhaltigkeitsstrategie ist nicht nur von wirtschaftlichen Zwngen dominiert, sie strebt das Erreichen von kologischen, so-zialen und konomischen Zielen an, so Mang. Bereits 1984 verankerte sterreich den umfas-senden Umweltschutz in der Bundesverfassung, zehn Jahre spter verabschiedete es als zweites europisches Land nach den Niederlanden ei-nen nationalen Umweltplan (NUP). In ihm ist das dreiteilige Prinzip fr Nachhaltigkeit bereits festgeschrieben.

    Nachhaltig, so steht es im Duden, bedeutet sich auf lngere Zeit stark auswirkend. Erst-malige Verwendung fand der Begriff in der Forst-wirtschaft: In seinem 1713 erschienenen Werk Sylvicultura oeconomica beschftigte sich der deutsche Kameralist Hans Carl von Carlowitz mit der Frage, wie der Anbau von Holz anzustellen sei, damit es eine continuirliche bestndige und nachhaltende Nutzung gebe.

    Heilige Khe angreifen30 Jahre Aufklrungsarbeit in Sachen Um-

    weltschutz haben positive Spuren hinterlassen. Die sterreichische Bevlkerung ist ungeheu-er umweltbewusst. Viele Menschen montieren sich auch ohne staatliche Frderung erneuerbare Energietrger aufs Dach. Aber wir mssen vor allem bei der Legislative im europischen Kon-zert wieder an die Spitze kommen, meint Kromp-Kolb. Ich finde es wichtig, dass wir einen Mini-ster haben, der sich Ziele setzt, die ber die Wie-derwahl hinausgehen. Andr Ruppechter greift sogar die ,heiligen Khe der Landwirtschaft an, etwa die Bienengifte, sagt die Boku-Profes-sorin und stellt den Entscheidungstrgern im BMLFUW damit ein gutes Zeugnis aus.

    Mit einem Anteil an erneuerbaren Ener-gien von 30 Prozent liegt sterreich schon heu-te ber der europischen Benchmark. Der Ener-gieverbrauch allerdings und der Klimaschutz ge-hren hierzulande zu den dringlichsten Anlie-gen. In diesen Bereichen hinken wir ziemlich hinterher, so Kromp-Kolb. Bis 2020, so geben es die 20-20-20-Ziele der EU vor, soll der CO

    2-Aus-sto um 20 Prozent gesenkt, der Anteil an er-neuerbaren Energien um 20 Prozent erhht und die Energieeffizienz durch einen gedrosselten

    Das dringlichste Problem ist das kosystem: De facto leben wir nicht von den Zinsen, sondern vom Kapital.Helga Kromp-Kolb, Boku Wien

    Regi

    na H

    gli

    21. NPO-KongressForum fr NPOs und die ffentliche Verwaltung 15. 16. Oktober 2014, Schlo Schnbrunn

    www.npo-kongress.at

    Geht es auch einfacher? NPO-Management zwischen Komplexitt und Simplifizierung

    Frhbucher- bONus

    Partner

    T H E M E N S C H W E R P U N K T

    WV trgt Verantwortung!

    Erstmals in der Verlagsgeschichte erscheint ein Themen-schwerpunkt in allen Medien des sterreichischen Wirt-schaftsverlages (WV) zeitgleich, aber inhaltlich auf die jeweilige Branche zugeschnitten. Der WV will damit ein Zeichen fr eine nachhaltige mittelstndische Wirtschaft setzen.

    Weil sich der WV aber nicht damit begngt, ber Nachhaltigkeit blo zu schreiben, arbeitet der WV seit mehr als einem Jahr selbst an der Umsetzung einer CSR-Strategie. Der Verlag hat unter Einbeziehung aller Mitarbeiter sechzehn Einzelprojekte gestartet, mit dem Ziel, Manahmen zur Verbesserung im Sinne der Nach-haltigkeit durchzufhren. Dabei geht es vorwiegend um die Themen kologie, Soziales, um Mitarbeiterthemen und um Nachhaltigkeit im Kerngeschft.

    Anzeigenerlse aus diesem Themenschwerpunkt investiert der WV in Kunstfrderung. Wir ermglichen damit die Ausstellung Zom_Be der Knstlergruppe Rem:Brand, die gesellschaftliche Missstnde spektakulr in Szene setzt. Die Bilder wurden mit Untersttzung der Firma Fahnengrtner produziert und sind vom 21. bis 31. Oktober in der Galerie Kandinsky, 1070 Wien, zu sehen:

    www.rembrand.at

  • 14 J U L I 2 0 1 4

    S C H W E R P U N K T

    Verbrauch um ebenfalls 20 Prozent gesteigert werden.

    Ein besonderes Augenmerk legen wir der-zeit auf den Ressourcenverbrauch, der mit legis-tischen Manahmen verringert werden soll. Das Wirtschaftsressort bereitet gerade das Energieef-fizienzgesetz vor. Begleitend setzen wir bewusst-seinsbildende Manahmen, wie etwa das Web-portal bewusstkaufen.at, um die Bevlkerung zu einem Umdenken in ihrem Konsumverhalten zu motivieren, sagt Mang.

    Einen Schwerpunkt bilden auch soziale Pro-jekte, wie der Aktionsplan der Bundesregierung zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unter-nehmen, den das BMLFUW gemeinsam mit dem Arbeitsministerium (BMASK) und dem Wirt-schafts- und Wissenschaftsressort (BMWFW) erarbeitet.

    Grne Tunnels mit grnen JobsIn zwei wichtigen Bereichen ist sterreich

    schon heute federfhrend: Mit einem Anteil von 20 Prozent bei der Bio-Landwirtschaft und insbe-

    sondere beim Exportmotor Umwelttechnologie liegt die Alpenrepublik im internationalen Ver-gleich an der Spitze. 173.000 Menschen sind der-zeit in sogenannten Green Jobs, also auf Arbeits-pltzen im Sektor Umwelt-, Klima- und Ressour-censchutz, ttig. Bis zum Ende seiner Amtszeit peilt Minister Rupprechter die 200.000-Grenze an (s. Interview ab Seite 16).

    Die alternative Stromgewinnung beim ein-gangs erwhnten Plabutschtunnel ist ein Vorzei-gebeispiel fr diesen Sektor: Mit der Photovol-taik-Anlage auf dem Tunneldach erzeugen wir Sonnenenergie, die Windrder sind fertig mon-tiert, und schon bald werden sie den Fahrtwind in Strom verwandeln. In Zukunft versorgen wir mit einem eigenen Biomasse-Blockheizkraftwerk die berwachungszentrale mit Energie, sagt Mi-chaela Hrtenberger, Nachhaltigkeitsbeauftrag-te der Asfinag. Im Verhltnis zum Gesamtver-brauch kann durch das Pilotprojekt bisher nur ein Bruchteil des Strombedarfs gedeckt werden. Durch die bertragung der Technik auf andere Tunnels und ein verstrktes Energiemonitoring

    H I N T E RG RU N D

    Von der Vision zur Selbstverpflichtung: Das Grundsatzprogramm des BMLFUW

    Ein lebenswertes sterreich fr uns alle lautet die Vision, die Andr Rupprechter zu Beginn des ersten und auch recht persnlichen politischen Grundsatzprogramms eines Ministeriums formuliert. Ausgehend von seinem christdemokratischen und nachhaltigen Wertefundament erlutert er in dem 15-seitigen Kompendium die wichtigsten Themenbereiche seiner Arbeit. Unter dem Aspekt der kosozialen Marktwirt-schaft, die als Leitbild fr die wirtschaftliche, soziale und kologische Entwicklung ohne Alternative ist, bezieht Rupprechter klar Position: Die Bauern sind die ,Green Jobs der ersten Stunde. Ihre Leistungen mssen sich lohnen, steht im Abschnitt zur produzierenden Landwirtschaft. Und beim Klimaschutz fordert er: Ich will, dass sterreich ein europisches Kompetenzzentrum fr umweltfreundliche Mobilitt wird! Rupprechter mchte der Zivilgesellschaft verstrkt Gehr schenken, sich mit Umweltorganisationen an einen Tisch setzen und fr mehr ffentlichkeitsbeteiligung sorgen.

    Das politische Grundsatzprogramm ist auch eine Art ,Selbstverpflichtung, an der der Minister und das Ministerium gemessen werden knnen. Handelt man einmal gegen die selbst auferlegten Prinzipien, kann es auch gegen einen verwendet werden, meint Politikberater Thomas Hofer. Insgesamt sieht er Rupprech-ters Initiative positiv. Bei vielen politischen Institutionen des Landes gebe es ohnehin zu wenig Arbeit an der eigenen Positionierung und deshalb oft ein vages Bild in der ffentlichkeit, sagt er. Das Ganze msse natrlich mit Leben erfllt werden, und da knne es Stichwort Pestiziddebatte Konfrontationen mit Kernanspruchsgruppen des Ministeriums geben, so Hofer. Im Grundsatzprogramm kann man dazu nach-lesen: Das Potenzial biologischer Pflanzenschutzmethoden muss erschlossen werden. Im Zweifelsfall hat nicht die Chemie Vorrang, sondern die Natur.

    Der aktuellen Institutionenkrise knnte es guttun, wenn auch andere Ressorts nachziehen, meint Hofer. Allerdings msse einem Grundsatzprogramm stets ein przise definierter Strategieprozess vorausgehen. Schlielich sei es stark personenbezogen und msse stimmig sein, sagt er. Nichts wre schlimmer, als ein Leitbild zu entwerfen, dem dann das Haus nicht entsprechen kann oder noch schlimmer dem dann im politischen Alltag zuwidergehandelt wird, so Hofer.

    Die Nachhaltigkeit ist bei uns in der

    Unternehmensstrategie enthalten.

    Michaela Hrtenberger, Asfinag

    Asfin

    ag

  • 15J U L I 2 0 1 4

    S C H W E R P U N K T

    MARIE VON EBNER-ESCHENBACH

    Wer au rt, besser werden zu wollen,

    hrt auf, gut zu sein.

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    mchte der ausgegliederte Autobahnbetreiber der Republik in den nchsten Jahren insgesamt 700.000 Euro an Stromkosten einsparen. Die Nachhaltigkeit ist bei uns in der Unternehmens-strategie integriert. Es gibt kein Sammelsurium an Einzelaktivitten, sondern ein abgestimm-tes und zielgerichtetes strategisches Gesamtkon-zept, so Hrtenberger.

    Mit fast 36 Mrd. Euro Umsatz im Jahr 2012 ist die sterreichische Umweltwirtschaft freilich ein lukratives Geschftsfeld. Knapp zwlf Prozent der sterreichischen Wirtschaftsleistung macht sie bereits aus, allein der Umsatz der umweltorien- tierten Produktion und Dienstleistung konnte von 2011 auf 2012 um mehr als acht Prozent auf 2,6 Milliarden gesteigert werden.

    Richtig wachsenGeht es letztendlich also doch um Wachs-

    tum? Wer in einer begrenzten Welt an unbe-grenztes Wachstum glaubt, ist entweder ein Idiot oder ein konom, zitiert Wilhelm Himmel, Lei-ter des Referats Abfallwirtschaft und Nachhal-tigkeit sowie Nachhaltigkeitskoordinator des Landes Steiermark, den US-konomen Kenneth Boulding. Nichtsdestotrotz ist er der Meinung, dass Nachhaltigkeit und Wirtschaftswachstum zusammengehen wenn das Wachstum rich-tig, also ressourcen- und umweltschonend erfolgt.

    Wir wollen die Nachhaltigkeit in die Un-ternehmen hineinbringen. Gemeinsam mit der Wirtschaftskammer und der Steirischen Wirt-schaftsfrderung haben wir die Wirtschafts- initiative Nachhaltigkeit gestartet, so Him-mel. ber die Plattform knnen steirische Un-ternehmer eine gefrderte Beratung zu den klas-sischen Umweltthemen in Anspruch nehmen. Ein zweites Projekt ist die Eco World Styria, ein mehrfach ausgezeichneter Umweltcluster mit derzeit mehr als 170 steirischen Betrieben und Forschungseinrichtungen.

    Auch in den eigenen Reihen hat sich das grne Herz sterreichs intensiv mit der The-matik auseinandergesetzt. Sicherheit, Lebens-qualitt und eine intelligente Ressourcennut-zung sind die drei Sulen im ersten Nachhaltig-keitsbericht einer Landesverwaltung. Die Fra-ge war, welches Ressort welchen Beitrag zur gemeinsamen Zielverfolgung leistet. Was ma-chen der Wohnbau oder der Agrarbereich zum Thema Sicherheit? Hier geht es um die Entsor-gungssicherheit, etwa bei Abfall und Abwasser, oder um die Versorgungssicherheit mit sauberem Trinkwasser und Lebensmitteln, erklrt Himmel den Entstehungsprozess.

    Wir wollen die Nachhaltigkeit in die Unternehmen hineinbringen.Wilhelm Himmel, Land Stmk.

    Foto

    Fis

    cher

    Alternativen diskutierenFr eine gesamtheitliche Lsung brauchen

    wir jedenfalls die Vielfalt des Denkens und eine Offenheit fr neue Wege, sagt Kromp-Kolb. Wirt-schaftsstudenten aus 19 Lndern setzten Anfang Mai 2014 ein deutliches Zeichen: In einem ge-meinsamen Manifest traten sie fr eine Reform der konomenausbildung ein und forderten, dass zeitgeme wirtschaftswissenschaftliche Theorien Eingang in die Lehre finden. Ein viel-diskutiertes Modell ist beispielsweise jenes der Gemeinwohlkonomie von Christian Felber, Lek-tor an der WU Wien und Grndungsmitglied der sterreichischen Sparte von Attac. Er geht da-von aus, dass eine gleichere Gesellschaft weni-ger wettbewerbsorientiert ist und man damit au-tomatisch weniger Rohstoffe braucht. Ich glau-be nicht, dass wir die Antwort schon parat haben. Wir werden das Problem aber nur lsen knnen, wenn wir auch andere Modelle als das neoklas-sische oder neoliberale zulassen und Raum fr Diskussionen schaffen, meint Kromp-Kolb.

  • 16 J U L I 2 0 1 4

    S C H W E R P U N K T

    Ich bin kein einsamer UmweltministerN A C H H A LT I G K E I T ist ein Thema, das ber die Grenzen des Ministeriums fr ein lebenswertes sterreich hinausreicht. Im Interview mit REPUBLIK spricht Minister Andr Rupprechter ber den Status quo des Umwelt-schutzes in sterreich, die Zusammenarbeit mit anderen Ressorts und wie durch hausinterne Umstrukturierungen Geld eingespart wird. Interview Sandra Dudek Foto Regina Hgli

    Auf der Webseite Ihres Ministeriums kann man sich seinen kologischen Fuabdruck ausrechnen. Wie sieht denn Ihrer aus?

    Meiner ist momentan sehr schlecht, weil ich viel unterwegs bin. Ich fliege viel, vor allem nach Brssel, das wirkt sich natrlich negativ aus.Auf der Boku werden zum Beispiel Online-Konferenzen organisiert, um Flge zu spa-ren. Welche Manahmen trifft Ihr Ressort?

    Wir achten darauf, dass unsere Gebude nach EMAS, also dem freiwilligen Umweltma-nagementsystem der EU, zertifiziert sind und bei unseren Veranstaltungen nachhaltige Prinzipien zur Anwendung kommen. Dass aber der Ressort-chef mit internationaler Komponente auf Flug- reisen angewiesen ist, liegt auf der Hand. Wir set-zen im regionalen und lokalen Verkehr auf nach-haltige Befrderungsmittel, zum Beispiel mit klima:aktiv mobil. Fr die kurzen Wege in Wien haben wir E-Bikes als Dienstrder.Und Sie fahren auch mit einem E-Bike?

    Ich habe einen Tiroller. Das ist ein elektroun-tersttzter Roller, den ich bei einer klima:aktiv-mo-bil-Auszeichnung in Innsbruck bekommen habe. Abgesehen vom Klima, wo ist das Thema Nachhaltigkeit derzeit noch von Bedeutung?

    Nach dem Sustainability-Check, bei dem mithilfe eines Indikatorensets die Regionen in Hinblick auf ihre konomische, soziale und ko-logische Nachhaltigkeit untersucht werden, gibt es einige Bereiche, bei denen wir europaweit Vor-reiter sind. Bei der Recyclingrate liegen wir vorn, beim Biolandbau sind wir sogar Weltmeister. Bei der Abfallwirtschaft oder den erneuerbaren Ener-gietrgern sind wir mit einem Anteil von 34 Pro-zent bis 2020 Spitzenreiter in Europa, beim An-teil des nachhaltigen Stroms weltweit fhrend.Wo gibt es Nachholbedarf?

    Im Bereich der Mobilitt, also beim Verkehr, da hinken wir hinterher. Gemeinsam mit dem Verkehrsministerium mssen wir unsere Ver-kehrskonzepte gesamtheitlich ausrichten. Und bei der Industrie, die sehr energieintensiv ist. Wir brauchen die Industrie, aber wir mssen sie auf eine nachhaltige Wirtschaftsweise ausrichten.Green Jobs sind ein wichtiges Thema in Ih-rem Grundsatzprogramm und in den Wir-kungszielen. Wie ist der aktuelle Stand in sterreich?

    Wir haben derzeit etwa 170.000 Green Jobs, die einen Umsatz von 32 Milliarden Euro produ-zieren. Und wir haben hier Exportraten von 80

    Wir brauchen die Industrie, aber

    wir mssen sie auf eine nach

    haltige Wirtschaftsweise

    ausrichten.

    Auch beim Fotoshooting mit Andr Rupprechter fr die vorliegende REPUBLIK-Ausgabe wurde auf Nachhaltigkeit Wert gelegt, und es

    wurden keine knstlichen Lichtquellen verwendet.

  • 17J U L I 2 0 1 4

    S C H W E R P U N K T

  • S C H W E R P U N K T

    Prozent. Gerade unsere innovativen Produkte zur Nutzung von Sonnenenergie und bei Umwelt-anlagen haben eine weltweite Nachfrage. Mein Ziel ist, dass wir bis zum Ende meines Mandates die 200.000-Grenze berschreiten, also weitere 30.000 Jobs schaffen, und dass wir ber 40 Milliar- den Euro Umsatz schaffen.Wie gehen Nachhaltigkeit und kosoziale Marktwirtschaft, die auf Wachstum ausge-richtet ist, zusammen?

    Das geht sehr gut zusammen: Es geht um Leistung und darum, dass jeder fr sein Tun ver-antwortlich ist. Es geht um Solidaritt und um die Verantwortung fr die Umwelt. Wir drfen die Ressourcen nutzen, sonst knnen wir nicht berleben, aber wir mssen die Nutzung nach-haltig gestalten. Auf der Gleichrangigkeit von Wirtschaft, Sozialem und kologie, die schon 1992 in der Rio-Strategie festgelegt wurde, ist das kosoziale Wirtschaftsprinzip begrndet.Mit welchen Ministerien arbeiten Sie ver-strkt zusammen?

    Mir ist es ein Anliegen, dass ich nicht ein einsamer Umweltminister bin, sondern dass es in unserer Regierung vier starke Umweltres-sorts gibt: Verkehr, Energie, Soziales denn En-ergie muss auch leistbar sein und mein Ressort.

    Zusammen sind wir fr die Lebensgrundlagen als solche zustndig. Mit Doris Bures habe ich das Spiegelressort, und gerade in der Verkehrs- und Umweltpolitik haben wir viele Berhrungs-punkte, auch im Bereich des Schutzes vor Natur-gefahren. Genauso wie mit Reinhard Mitterleh-ner, sprich Energieeffizienzrichtlinie, kostrom-gesetz und das gemeinsame Projekt thermische Sanierung.Sie bauen Ihr Ministerium um. Warum?

    Ich kenne dieses Ressort schon seit 1989 und wei, dass man es effizienter ausrichten kann. Ich habe es mit der bisher grten Reorganisa-tion, die wir gemeinsam mit meiner Verwaltung und der Firma Malik durchgefhrt haben, ge-strafft. Wir lsen zwei Sektionen auf, zehn Abtei-lungen werden eingespart, und wir straffen die EU-Koordination mit einer Stabsstelle und einer Rechtskoordination, die direkt dem Minister zu-geordnet ist. Durch die Nichtnachbesetzung und die Aufgabenkritik sparen wir fnf Millionen Eu-ro in der Zentralverwaltung ein.Welche zwei Sektionen werden aufgelst und warum?

    Wir haben einen klaren Sparauftrag und mssen effizienter werden. Gerade im Bund sind modernes Management und klare Struk-

    Durch die Nichtnachbeset

    zung und die Aufgabenkritik

    sparen wir insgesamt fnf

    Millionen Euro in der Zentral

    verwaltung ein.

    die wirtschaft Nr. 5 | Mai '14 43

    Starke Impulse fr die nachhaltige Immobilienwirtschaft Die sterreichische Gesellschaft fr nachhaltige Immobilienwirtschaft (GNI) ist der Motor der nachhaltigen Bau- und Immobilienwirtschaft und prgt in sterreich den Paradigmenwechsel hin zur Nachhaltigkeit.

    Die GNI wurde 2009 von Unternehmen und Institutionen der Bau- und Immobilienwirtschaft mit dem Ziel gegrndet, den Paradig-menwechsel der Branche hin zur Nachhaltigkeit zu ermglichen. Beweggrund ist der Umstand, dass die Bau- und Immobilienbranche

    fr 50% der Ressourcen, 40% der Energie und 30% der Emissionen verantwortlich ist darber hinaus ist die Vermeidung des Sick Buil-ding Syndroms Motivation fr die Aktivitten. Die GNI setzt auf den 3-P-Ansatz bestehend aus Produkten, Prozessen und Personen und fokussiert auf die Lebenszyklus-Betrachtung im Zusammenhang mit dem Dreiklang aus kologie, konomie und Sozio-Kulturellem. Die ber 300 Mitglieder und 400 Experten der GNI erarbeiten part-nerschaftlich, ergebnisorientiert und international vernetzt Empfeh-lungen, Kodices und Leitfden, dabei integriert der Verein alle Sta-keholder der Bau- und Immobilienbranche: vom Bauherren, Nutzer, Planer, Projektentwickler, Investor, Bewerter, Baustoffhersteller, Asset- bis zum Facility Manager. Als Produkte bietet der Verein inter-nationale Zertifizierungen fr Blue Buildings (nachhaltige Gebude) und Unternehmen in Sinne des ethischen Handelns an. Hierfr wur-den Empfehlungen und Kodizes entwickelt, die es den Unternehmen ermglichen, durch Corporate Governance, Compliance Ma-nagement und Corporate Social Responsibility (CSR) umfassend nachhaltig zu agieren.

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  • 19J U L I 2 0 1 4

    S C H W E R P U N K T

    turen wichtig, weil die Herausforderungen gr-er werden. Deshalb habe ich diesen Reorganisa-tionsprozess gestartet, der unter Einbindung der Mitarbeiter vom Generalsekretr Reinhard Mang erstklassig durchgefhrt wurde. Wir machen aus zwei Landwirtschaftssektionen eine starke Sek-tion, und die Rechtssektion wird zu einem zen-tralen Rechtsdienst nach europischem Vorbild.Was passiert mit den Beschftigten in den eingesparten Abteilungen?

    Die Umstrukturierung erfolgt ohne Ent-lassungen. Wir haben keine Nachbesetzungen, wenn jemand in den Ruhestand geht, und die Mitarbeiter werden entsprechend der strafferen Aufgabengestaltung neu zugewiesen.Und wer erledigt die Aufgaben von zehn ein-gesparten Abteilungen?

    Die Aufgaben werden natrlich nicht we-niger. Durch die neue Struktur wird es mglich sein, diese effizienter abzuarbeiten.Apropos Vernderung: Warum haben Sie den gut eingefhrten Namen Lebensministeri-um gendert?

    Mir schien der Begriff Lebensministerium immer zu berzogen, obwohl er von mir selbst stammt. Ich habe ihn Franz Fischler 1989 vorge-schlagen. Aber wir sind weder fr Gesundheits- noch fr Sozialpolitik zustndig, sondern fr Lebensgrundlagen, Lebensqualitt und Lebens-schutz. Deswegen heit es jetzt Ministerium fr ein lebenswertes sterreich.

    Z U R P E RS O NAndr Rupprechtergeb. am 31. Mai 1961 in Tirol

    Studium der Agrarkonomie an der Universitt fr Bodenkultur in Wien19891997Kabinettsmitarbeiter der Minister Fischler und Molterer19952002Abteilungsleiter des EU-Koordinierungsteams im Ministerium fr Land- und Forstwirtschaft20022007Sektionschef fr Landwirtschaft und Ernhrung im BMLFUW20072013Direktor im Generalsekretariat des Rates der EU (zunchst fr Landwirtschaft und lndliche Entwicklung, spter fr Kommunikation und Transparenz) 2013Direktor fr Transparenz im Ratssekretariatseit Dez. 2013Bundesminister fr Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

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    Europisches Forum AlpbachAt the Crossroads | 13. 29.08.2014

    FESTSPIELE DES WISSENS

  • 20 J U L I 2 0 1 4

    S E R I E

    Ein Beruf mit WeitblickR E P O R TA G E Ohne die Schleusenaufseher der Via Donau gbe es kein Weiterkommen fr den Schiffsverkehr. REPUBLIK lie sich die verantwortungsvolle Aufgabe erklren. Text Andrea Krieger, Fotos Simon Jappel

    Ein ovaler, rundum mit Fenstern versehener Raum hoch ber der Donau. Gleich neben dem Kraftwerk Freudenau. Das ist der Ar-beitsplatz von Schleusenaufseher Harald Kramer und seinem Vorgesetzten Gerhard Mayer. Das Panoramafenster bietet einen grandiosen Aus-blick, der bei Schnwetter bis zum Schneeberg reicht, man sieht unberhrte Auwlder, roman-tische Uferwiesen und Fischerhtten auf Stelzen. Was im Mittelpunkt ihrer Ttigkeit steht, befin-det sich allerdings direkt unter ihnen im Wasser. Es sind zwei mit Mauern und beweglichen Me-

    tallflchen begrenzte Rechtecke. Diese Kammern sind das Herzstck der Schleuse.

    Deren zehn betreibt die Via Donau, sterrei-chs Wasserstraengesellschaft. Ohne diese Anla-gen knnten Schiffe die im Zuge von Wasserkraft-werken errichteten Staustufen gar nicht ber-winden. Sie zu bedienen, hat Schleusenaufseher Kramer im Zug einer zweijhrigen On-the-job-Ausbildung gelernt. Eigentlich ist er in seinem Bro auf sich allein gestellt. Aber weil es hier um Menschenleben und Millionenwerte geht, Ab-lenkung also schnell einmal gefhrlich werden kann, gibts beim Lokalaugenschein aus Sicher-heitsgrnden Verstrkung durch Mayer. Er ist fr die gesamte Schleusengruppe Ost zustndig.

    Eine Art LiftEin Funksignal ertnt. Das Ausflugsschiff

    Kaiserin Elisabeth braucht eine Talschleusung. Tal steht fr stromabwrts, erfhrt man. Am Schaltpult beginnt das groe Knpfedrcken. Klick. Kramer gibt dem Kapitn des Passagier-schiffs grnes Licht fr die Einfahrt in die linke Kammer. Auf dem Monitor kontrolliert er, ob das Schiff sich ordnungsgem verheftet, d. h. sich fixiert. Klick. Hinter dem Gefhrt taucht senk-recht eine Metallplatte aus dem Wasser auf. Da-durch wird die Kammer geschlossen. Klick. Beim Signal Entleerung auf sinkt der Wasserspiegel um bis zu 10,5 Meter. Die Kammer entleert sich fr das Auge unsichtbar in den sogenannten Fll- und Entleerungskanal. Sobald das Schiff auf einer Ebene mit dem Unterwasser also dem niedrigeren Wasserspiegel unterhalb der Stau-stufe ist, ffnet Kramer das Schleusentor. Klick. Das Schiff lst sich und fhrt, klick, bei grner Ampel aus der Kammer hinaus. 30 Minuten dau-ert solch ein Vorgang.

    Zu Spitzenzeiten werden allein an der Schleuse Freudenau bis zu 80 Schiffe in 24 Stun-den abgefertigt. In zwei Kammern, mit und ge-gen den Strom. Da ist Multitasking gefragt, er-zhlt Mayer. Damit es schneller geht, werden oft mehrere Schiffe gemeinsam geschleust. 25-mi-ntige Staus gibt es dennoch manchmal.

    S E R I E Spannende Berufe

    REPUBLIK widmet den spannendsten Berufen im ffentlichen Dienst eine eigene Serie. Sie gibt Einblicke in die Arbeitsweisen, Gestal-tungsspielrume, Sachzwnge und Herausforderungen eines Jobs im ffentlichen Dienst.

    Von ihrem Oval Office haben die Schleusen-aufseher beim Kraftwerk Freudenau einen Ausblick, der bis zum Schneeberg reicht.

  • 21J U L I 2 0 1 4

    S E R I E

    2013 fertigten die 54 uniformierten Aufseher insgesamt 95.800 Personen- und Frachtschiffe ab. Die Fahrzeuge kostet das nichts. Damit auf den 350 Kilometern Wasserstrae der Via Donau mglichst viel los ist, muss die BMVIT-Tochter die Fahrrinne, den befahrbaren Bereich also, im-mer in Schuss halten. Mit DoRIS die Abkrzung steht fr Donau River Information Services wird die Binnenschifffahrt darber hinaus stets mit den aktuellsten Daten versorgt.

    Verkehrsmanagement und -frderung sind aber lngst nicht die einzigen Aufgaben der Or-ganisation. Es geht auch um die Umwelt. Das muss laut Via Donau kein Widerspruch sein. Als Beispiel nennt man gerne das sogenannte fluss-bauliche Gesamtprojekt stlich von Wien. Die-ses Vorhaben betrifft den Donauabschnitt zwi-schen Freudenau und der slowakischen Staats-grenze und soll gleich mehrere Fliegen mit ei-ner Klappe schlagen: Erstens wird der sinkende Oberflchen- und Grundwasserspiegel stabili-siert, wovon das kologische Gleichgewicht des Nationalparks Donau-Auen profitiert. Zweitens werden die Fahrbedingungen fr die Schifffahrt berechenbarer.

    Der groe Regen 2013ber allem steht aber der Hochwasser-

    schutz. Laufend warten und prfen Mitarbei-ter Schutzanlagen fr den Ernstfall. Anfang Ju-

    ni 2013 schlielich galt es, ein Jahrhunderthoch- wasser zu managen. 200 Kilometer Dmme und 16 Brcken mussten gesichert werden. Bis vor kurzem waren die Nachwirkungen der Flut-katastrophe sprbar. Durch den Dauerregen sammelten sich betrchtliche Kiesablagerungen in der Fahrrinne, die erst einmal ausgebaggert werden mussten.

    Eine Woche musste die Schleuse Freudenau 2013 wegen Hochwassers geschlossen bleiben. Was einen Aufseher erwartet, wei er eine Frau gibt es in diesem Job noch nicht eben nie so ge-nau. Fixe Zeiten geben nur Linien- und teilwei-se Passagierschiffe bekannt, nicht aber Frachter. Lediglich ber Gefahrengut mssen die Aufseher vorweg informiert werden, damit die dafr zu-stndigen Stellen bei einem Unfall schnell han-deln knnen.

    Alles in allem passierten 2013 10,6 Millio-nen Tonnen an Gtern die Schleusen. Zu we-nig, findet der Rechnungshof. Im Dezember des Vorjahres kritisierte das Prforgan, dass die ver-kehrspolitischen Zielsetzungen des Nationalen Aktionsplans zur Frderung der Binnenschiff-fahrt um mehr als die Hlfte verfehlt worden seien. BMVIT und Via Donau konterten, dass die Erwartungen in ganz Europa zu hoch gewesen seien. An neuen, realistischeren Zielen wird ge-rade gearbeitet. Nicht nur die Schleusenaufseher drfen also gespannt sein.

    Bei einer Schleusung steigt oder sinkt der Wasserspiegel in der Kammer um bis zu 10,5 Meter.

    Ober- und Unterwasser an der Schleuse Freudenau (o.). Herr Mayer bei seinem tglichen Rundgang (u.).

    H I N T E RG RU N D Via Donau

    Status oder Entstehung: Die Via Donau sterreichi-sche Wasserstraen-Gesell-schaft mbH entstand 2005 durch die Zusammenlegung von der Donau-Betriebs AG, der Donau-Technik GmbH, der Via Donau Entwicklungsge-sellschaft mbH fr Telematik und Donauschifffahrt und der Wasserstraendirektion. Die Via Donau ist ein Unterneh-men des Bundesministeriums fr Verkehr, Innovation und Technologie.

    Aufgabe: Infrastruktur- und Verkehrsmanagement, kolo-gische Projekte und Hochwas-serschutz auf insgesamt 350 km Wasserstrae, Pflege von 800 km Ufer, Verwaltung von 15.000 Liegenschaften

    Leitung: An der Spitze der 250-Mitarbeiter-Organisation steht seit November 2008 der Kulturtechniker und Wasser-wirtschafter Hans-Peter Hasenbichler.

    Finanzierung: 76 Prozent der Ausgaben zahlt der Bund, 13 Prozent die EU. Die restlichen elf Prozent brachten etwa Fahrgenehmigungen auf Treppelwegen, Genehmi-gungen von Veranstaltungen, verpachtete Fischerhtten oder Streckenerhaltungsauf-trge ein.

    Fr den Beruf des Schleusenaufsehers ist Multitasking gefragt.Gerhard Mayer, Via Donau

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  • 22 J U L I 2 0 1 4

    T H E M A

    Bitte eintreten!V E R WA LT U N G I N T E R N Als letztes EU-Land formuliert sterreich Regelungen zur Informationsfreiheit. Der Gesetzesentwurf will mehr Transparenz schaffen und damit auch die Arbeit des ffentlichen Dienstes besser fr die Allgemeinheit zugnglich machen. Nicht alle stehen hinter dem Vorschlag. REPUBLIK hat mit den Verfassern des Gesetzesentwurfes und seinen Kritikern gesprochen. Text Sandra Dudek

    Wenn es um das Schweigen geht, ha-ben viele etwas zu sagen: 61 Stellung-nahmen aus Verwaltung und Justiz, von Sozialpartnern, Medien und Interessenver-tretungen liegen zum Entwurf des Informations-freiheitsgesetzes vor. Demnach soll jedem Brger das Recht eingerumt werden, Informationen von staatlichen Stellen zu erhalten. Die in sterreich als einzigem EU-Land im Verfassungsrang festge-schriebene Amtsverschwiegenheit und die Aus-kunftspflicht sollen abgeschafft werden. Die Po-sitionen sind unterschiedlich, nur in einem sind sich die Stellungnehmer einig: Sie sind dagegen. Die einen, weil es kein Schweigen von Amts we-gen mehr geben soll. Und die anderen, weil die Ausnahmen zu weit gefasst sind oder die Umset-zung die Kosten in die Hhe treiben.

    Prfung der EinwndeDie Einwnde, dass die Umsetzung der neu-

    en Bestimmungen insgesamt zu teuer sei, betref-

    fen uns als Verfassungsdienst nicht. Die kann man nur politisch lsen, da sie das Vorhaben als solches betreffen, sagt Gerhard Hesse, Leiter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt (BKA). Zunchst prft er daher mit seinem Team die sachlichen Einwnde, wie die unionsrecht-lichen Verschwiegenheitspflichten oder die Frage nach der Wahrung anderer gleich wichtiger f-fentlicher Interessen. Danach sollen Infos wei-terhin der Geheimhaltung unterliegen, wenn dies per Bundes- oder auch Landesgesetz ausdrck-lich angeordnet wird. Als Erstes werden wir mit den Lndern reden und die offenen Punkte in ei-ner Bund-Lnder-Gruppe besprechen, meint der Verfasser des vieldiskutierten Entwurfs.

    Kritikpunkt FderalismusIn Zeiten eines berholten und berteu-

    erten Fderalismus ist es anachronistisch und gleichheitsrechtlich hchst bedenklich, den Ln-dern die Mglichkeit zu Ausfhrungsgesetzen zu

    Steht uns eine Republik der offenen Tren bevor? Mit dem geplanten Informationsfreiheitsgesetz will man das Amtsgeheimnis streichen, das in der Verfassung verankert ist.

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    hergibt.Gerhard Hesse, BKA

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    T H E M A

    geben, kritisiert Hannes Tretter, Rechtsprofessor an der Universitt Wien und Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts fr Menschenrechte (BIM). Wie seine Mitstreiter fordert er eine bundesweit einheitliche Regelung. Die gebe es bereits, und so-mit sei die Kritik an der einfachgesetzlichen Um-setzung unrichtig, meint Hesse. Es geht schlie-lich um ein verfassungsgesetzlich gewhrleistetes Recht, dessen Umfang weder Bund noch Lnder einschrnken knnen. Einfachgesetzlich erfolgt nur die verfahrensmige Umsetzung, also: wie ich zu Information komme oder wie der Rechts-schutz ist, sagt er. sterreich sei ein Bundesstaat und das Kompetenzverteilungsmodell halten wir durch, so Hesse. Wenn es sterreichweit ex-akt die gleiche Regelung geben soll, msste man das nicht auf die neun Bundeslnder aufteilen. Wenn man das nicht will, dann soll man es auch nicht vortuschen, sagt Josef Barth, Grnder des Forums Informationsfreiheit (FOI).

    Ein zentrales KompetenzzentrumNicht nur die Ungleichbehandlung der In-

    formationswilligen wird angeprangert. Wenn Sie eine komplizierte Operation brauchen, las-sen Sie den Eingriff auch dort machen, wo man sich tagtglich ausschlielich damit beschftigt. Denn dort sind die Spezialisten, meint Barth. Auch in Sachen Information braucht sterreich nach Ansicht des FOI und BIM einen Spezia-listen, der Kompetenzen aufbaut: Eine zentrale Behrde soll sowohl fr Brger als auch fr ande-re Behrden als Anlaufstelle dienen. Die Landes-verwaltungsgerichte mssen sich dann nicht mit dieser Materie beschftigen, wodurch personelle und finanzielle Ressourcen frei werden, sagt Tretter. Das FOI schlgt auerdem ein staatli-ches Register vor, in dem die Behrden bediener- und benutzerfreundlich Informationen proaktiv und einheitlich maschinenlesbar verffentlichen knnen, so Barth.

    Mit einer neutralen Einrichtung sichert man auch jene Beamten ab, die an vorderster Front ber die Informationsweitergabe entschei-den mssen. Das Gesetz ist jetzt so schwammig, dass sie quasi immer mit einem Fu im Krimi-nal stehen. Das muss sich ndern, sagt Barth. Die Behrden mssten ber die Herausgabe von Daten ber Angelegenheiten und Flle entschei-den, fr die sie selbst zustndig sind oder waren, meint Tretter. Beispiele dafr seien die Hypo Al-pe Adria oder der Kauf der Eurofighter. Es knnte herauskommen, dass Rechtsvorschriften nicht eingehalten wurden oder Korruption im Spiel sei. In diesen Fllen wrde zur Wahrung der ffent-lichen Interessen, also der staatlichen, in den ei-genen Reihen gegen eine Verffentlichung ent-schieden. Beamte sollen sich schon vorab best-mgliche Untersttzung von einer Schiedsstelle

    holen knnen und nicht drauf warten mssen, dass wegen ihres Bescheids die Republik vor Ge-richt verurteilt wird, so Barth.

    Auch bei einer zwischengeschalteten Stelle kann es sein, dass die entsprechende Behrde die Informationen nicht hergibt, meint Hesse. Den anfechtbaren Bescheid kann es dann nur vom Verwaltungsgericht geben. Zudem kam es mit 1. Jnner 2014 zu einem fundamentalen Wech-sel im Rechtsschutz: Es ist nur mehr eine Verwal-tungsinstanz zu berwinden, dann entscheidet ein Gericht. 150 Behrden wurden im Zuge der Neuregelung eingespart. Eine zustzliche Behr-de wrde den Instanzenzug wieder verlngern, ich halte das fr sinnlose Brokratie, meint Hesse.

    Vorzeigemodell SlowenienDie Ablehnung einer neuen Behrde aus

    Kostengrnden oder wegen Verfahrensverzge-rung sei ein vorgeschobenes politisches Argu-ment, kein rechtliches, sagt Barth. Es gibt auch schon eine Einrichtung, die diese Agenden ber-nehmen knnte: die Datenschutzbehrde. So luft es bereits in Slowenien, das nach internationalem Ranking zu den weltbesten Lndern in puncto In-formationsfreiheit zhlt, oder auch in Deutsch-land. Beauftragte fr Information und Daten-schutz agieren dort als unabhngige Organe und sind in heiklen Fllen sehr erfolgreich. Die slo-wenische Beauftragte hat die Kompetenz, richtig investigativ ttig zu sein, sagt Tretter. Sie knne abwgen, ob die Offenlegung von Informationen im ffentlichen Interesse geboten ist oder staatli-che Interessen dagegenstehen. Der Bescheid kn-ne gerichtlich angefochten werden. Nach bishe-rigen Erfahrungen werden aber in 90 Prozent der Flle die Gerichte nicht angerufen. Man darf ja nicht vergessen: Es wird viele Informationen ge-ben, die die Brger haben mchten und wo es gar nichts aufzudecken gibt, so Tretter.

    W I SS E N Der Entwurf zum Informa-tionsfreiheitsgesetz

    Das neue Gesetz soll das Recht jedes Brgers auf Informationen von staatlichen Stellen regeln.

    Ausnahmen: zwingende auen- und integra-tionspolitische Grnde, nationale Sicherheit, ausdrckliche Anordnung per Bundes- oder Lan-desgesetz zur Wahrung anderer gleich wichtiger ffentlicher Interessen.Kritikpunkte: zu viel Interpretationsspielraum bei den Ausnahmen (ffentliche Interessen), Ungleichbehandlung der Antragsteller und hhere Kosten durch Fderalisierung der Informations-verpflichtung sowie die Frage des Rechtsschut-zes.

    Es ist anachronistisch und gleichheitsrechtlich bedenklich, den Lndern die Mglichkeit zu Ausfhrungsgesetzen zu geben.Hannes Tretter, LBI fr Menschenrechte

    Das Gesetz ist so schwammig, dass Beamten mit einem Fu im Kriminal stehen.Josef Barth, Forum Informationsfreiheit

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  • 24 J U L I 2 0 1 4

    T H E M A

    Ein Klassiker auf dem PrfstandV E R WA LT U N G I N T E R N Die Organisationsstrukturen in Ministerien befinden sich einem stndigen Wandel. Shared-Service-Anbieter wie die BBG und das neue Amt der Bundesregierung, das 2016 seine Arbeit aufnehmen soll, forcieren den Trend, immer mehr Querschnittsaufgaben zu bndeln. Text Gudrun Haigermoser, Stefan Grampelhuber

    Sowohl die Trennung als auch die Zusam-menfhrung von Ressorts ist infolge von Nationalratswahlen nichts Neues. Seit der Regierungsbildung Ende 2013 sind nun die Wis-senschafts- und Forschungsagenden, die davor in einem eigenen Ressort untergebracht waren, mit dem Wirtschaftsressort verflochten. Fr die Fa-milien- und Jugendagenden, die bis 2013 Mini-ster Reinhold Mitterlehner zugeteilt waren, wurde wiederum ein eigenes Ressort gegrndet. Die Fa-milien- und Jugendsektion unter Sektionschefin Ingrid Nemec mit ihren neun Abteilungen wurde in das neue Ministerium fr Familie und Jugend (BMFJ) unter Sophie Karmasin ausgelagert.

    Um eine mglichst schlanke Verwaltungs-struktur zu schaffen, gingen das BMFJ und Land-wirtschafts- und Umweltministerium (BMLFUW) eine Verwaltungskooperation ein: Einen Groteil der administrativen Aufgaben wie Personalver-waltung und IT-Infrastruktur bernimmt nm-lich das deutlich grere BMLFUW. Durch dieses bereinkommen erwartet man sich eine jhr-liche Ersparnis von rund zwei Millionen Euro.

    Die Prsidiale, ein Auslaufmodell?Was sich jedoch auch das neue BMFJ un-

    ter Karmasin nicht sparte, ist die sogenann-te Prsidiale. Somit verfgen auch in der Re-

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    Das Regierungsgebude am Stubenring ist der Hauptsitz

    des Wirtschaftsministeri-ums. Der neue Aufgabenbe-

    reich im Ressort von Rein-hold Mitterlehner und damit alle Abteilungen fr Wissen-

    schaft und Forschung sind weiterhin an ihrer bishe-rigen Adresse am Mino-

    ritenplatz 5 zu finden. Auch in der Verwaltung hat sich

    wenig verndert, die Quer-schnittssektionen bleiben fr beide Verwaltungsbe-

    reiche bestehen.

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    T H E M A

    gierung Faymann II alle dreizehn Bundesmini-sterien und das Bundeskanzleramt in unter-schiedlichen Ausprgungen ber einen solchen Querschnittsbereich. Die Struktur dieser Prsi- dialen ist historisch gewachsen. Sie besteht hufig aus Abteilungen fr Personal, Budget, Organisa- tion, Recht, Support, IT, Revision/Controlling. Vor allem die Budgetverantwortung fhrte dazu, dass der Leiter des Prsidiums oft als hchster Beamter im Ressort betrachtet wird.

    Bei kleinen Ministerien wrde es sich durchaus empfehlen, diese Querschnittsaufga-ben gemeinsam wahrzunehmen, sagt Manfred Matzka, der die Prsidialsektion im Bundeskanz-leramt (BKA) seit 1999 leitet. Dass sich diese An-sicht noch nicht durchgesetzt hat, liegt fr den Sektionschef in einem soliden Verstndnis von Ressortgrenzen begrndet. Daher ist der Ab-grenzungsansatz leider strker als der kooperati-ve Ansatz. Aber vielleicht wirkt der Kostendruck hier in eine positive Richtung.

    Die klassische Prsidialsektion gibt es meiner Wahrnehmung nach kaum mehr. Alte Kompetenzformen sind im Auflsen begriffen, Mischformen sind gang und gbe, ergnzt Hei-drun Strohmeyer, Bereichsleiterin im Bundesmi-nisterium fr Bildung und Frauen (BMBF) und Prsidentin des Fhrungsforums Innovative Ver-waltung (FIV). Relativ reine Prsidialformen findet man im Innen- und im Sozialministerium. Viele andere haben erweiterten Kompetenzen, z. B. durch Verwaltungsttigkeiten fr vorgela-gerte Institutionen.

    Sinnvoll und vorstellbarEine generelle Antwort, wie eine sinnvolle

    Straffung aussehen soll, gibt es nicht. Gute An-stze in einzelnen Ressorts sind aber dennoch ausreichend vorhanden. Manfred Matzka schlgt etwa Standardisierungen vor: Ntzlich wre es, Benchmarks fr die Gre der Organisations-einheiten vorzugeben. Zum Beispiel weisen die Personalabteilungen eine unterschiedliche Rela-tion zwischen Verwaltern und verwaltetem Per-sonal auf: Hier sollte man sich am schlanksten Beispiel orientieren. Grundstzlich sollten vor allem dort Aufgaben gemeinsam fr mehrere Ressorts erledigt werden, wo dies ohne Qualitts-verlust zu Verbilligungen fhrt.

    Barbara Guwak, Geschftsfhrerin der Pro-mitto Organisationsberatung, wnscht sich eine grere Vielfalt in den Organisationsstrukturen, passend zu den Aufgaben des Ministeriums. Der Mut, Neues wie Kooperationen auszuprobieren,

    Prototypen zu schaffen, muss gefrdert werden. Man msse mit Strukturen flexibler umgehen, um Fhrungsaufgaben in einem modernen Um-feld optimal wahrnehmen zu knnen.

    Wundermittel Ausgliederung?Zahlreiche Aufgaben, die frher von Mitar-

    beitern der einzelnen Ressorts wahrgenommen wurden, obliegen lngst ausgegliederten Un-ternehmen. Sie bieten Ministerien sogenannte Shared Services an. Beispiele sind die Bundesbe-schaffungsgesellschaft (BBG), die Bundesimmo-biliengesellschaft (BIG) oder das Bundesrechen-zentrum (BRZ).

    Ausgegliederte Unternehmen sind aller-dings nicht immer in der Lage, die Leistung gn-stiger zu erbringen, als dies innerhalb des Amtes der Fall war, sagt Matzka. Entscheidend fr den Erfolg sei, dass keine Monopolsituation ge-schaffen wird, die die Ressorts dazu zwingt, bei den Tchtern teurer einzukaufen als am freien Markt. Fr Matzka ist die Statistik Austria ein erfolgreiches Beispiel. Heidrun Strohmeyer lobt die BBG als Erfolgsmodell: Sie funktioniert als Dienstleister gut, bndelt die Expertise fr das komplizierte Vergaberecht und stellt sie allen zur Verfgung.

    Amt der BundesregierungAuerdem ist zu erwarten, dass das neue

    Amt der Bundesregierung zu einer weiteren Ver-nderung der Organisationsstrukturen in den Ministerien fhren wird. In welchem Ausma steht hingegen noch nicht fest. Im aktuellen Re-gierungsprogramm wurde festgehalten, dass die rechtlichen Grundlagen dafr bis Ende 2015 ste-hen sollen. Derzeit laufen die ersten Gesprche.

    Fest steht, dass es zu einer weiteren Bn-delung von Aufgaben kommen wird. Welche das sein werden, ist Verhandlungssache. Im Re-gierungsprogramm sind nur ein paar wenige Schlagworte wie z. B. die Bndelung geeigneter kooperativer Aufgaben im Bereich der Personal-verwaltung zu finden. Sektionsleiter Manfred Matzka setzt aber groe Hoffnungen in das Pro-jekt, es ist ein Schritt in die richtige Richtung. ber Form und Aufgaben wird allerdings noch diskutiert.

    Auch fr Heidrun Strohmeyer ist das neue Amt in vielen Bereichen eine gute Idee. Zwei-fel habe sie, ob sich die Personalagenden in ein externes Amt auslagern lasse. Strohmeyer: Die Fachminister werden ihre Personalhoheit nicht so einfach hergeben.

    Bei kleinen Ministerien empfiehlt es sich, Querschnittsaufgaben gemeinsam wahrzunehmen.Manfred Matzka, BKA

    Die Fachminister werden ihre Personalhoheit nicht so einfach hergeben.Heidrun Strohmeyer, FIV

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    Auf ewig treu?G E S U N D H E I T sterreichs Gesundheitssystem ist leistungsstark und ber-zeugt durch hohe Qualitt. Dennoch existiert auch im sterreichischen Gesundheitswesen das Phnomen fehlender Therapietreue. REPUBLIK diskutierte mit Experten, was sich hinter dem Begriff Adherence verbirgt und welche Rolle dieses Thema in der Gesundheitsreform spielt. Interview Gudrun Haigermoser Fotos Simon Jappel

    Patienten folgen oft den Empfehlungen ihrer rzte nicht oder zumindest nicht auf Dauer. Non-Adherence sagt man dazu in der Fach-sprache. Dadurch leiden nicht nur die Men-schen selbst, sondern damit sind auch sozio-konomische Auswirkungen auf das gesamte Gesundheitssystem verbunden. Welche Re-formen sind daher notwendig, um dem The-ma mehr Gewicht zu verleihen?

    Clemens Martin Auer: In Sachen Adherence ist ein gutes Verhltnis zwischen Arzt und Pa- tient der entscheidende Mechanismus. Wir im Gesundheitsministerium knnen ber die Sys-temsteuerung untersttzend eingreifen. Im Kon-kreten ber die Bewertung der Prozess- und der Ergebnisqualitt. Im stationren Bereich ist es einfacher, derartige Analysesysteme zu imple-mentieren. Im niedergelassenen Bereich ist es et-was schwerer. Aber auch hier knnen wir aus vor-handenen Daten wichtige Analysen ableiten. So ist etwa gut nachvollziehbar, wer wem welches Medikament verschreibt. Wer kann wie dazu beitragen, um die Adh-renz zu verbessern? Welche Faktoren sind da-fr verantwortlich, ob ein Patient eine The-rapie einhlt?

    Auer: Die Qualitt von Diagnose und Thera-pie ist ausschlaggebend. In diesem Fall muss sich die rzteschaft zwei kritische Anmerkungen ge-fallen lassen: Es gibt erstens Praxen, in denen tglich rund 150 Patienten behandelt werden. Ich gehe davon aus, dass in manchen Fllen nur Verdachtsdiagnosen gestellt werden knnen, de-nen Verdachtstherapien folgen. Zweitens lehnt die organisierte rzteschaft in einzelnen Bun-deslndern die Einfhrung von Disease-Manage-ment-Programmen (DMP) ab. Gerade bei der Be-

    handlung von chronischen Erkrankungen, wo es darum geht, dass ein Medikament ber einen langen Zeitraum tglich eingenommen wird, ist Therapietreue besonders wichtig. ber DMP lsst sich die Behandlung chronischer Erkrankungen zentral steuern und dokumentieren. Und das ist wiederum entscheidend fr eine langfristige Ver-besserung des Behandlungserfolgs.

    Jochen Schuler: Eine Praxis mit 150 Pati-entenkontakten pro Tag ist ein Extrembeispiel, das nicht hufig vorkommt. Und wenn, dann geht es um Personen, die immer wieder kom-men und die der Arzt in der Regel gut kennt. Viele kommen nur fr ein Rezept oder zu einer kurzen Kontrollvisite. Aber Sie haben in einem Punkt recht: Die Zeit, die pro Patient zur Verf-gung steht, ist definitiv zu kurz. Aber sie ist der Schlssel, um Adherence zu verbessern. Man braucht diese Zeit, um dem Patienten die Di-agnose zu erklren und mit ihm immer wieder die Therapieziele abzustimmen. Pro Patient und Quartal sollten zumindest 20 Minuten fr die Besprechung der Medikation und der Therapie-ziele eingeplant werden, was wiederum entspre-chend vergtet werden soll. Wie knnen rzte diese wichtige Behand-lungszeit erhalten? Geht es vorrangig um eine bessere Vergtung?

    Gottfried Endel: Die Vergtungssysteme ha-ben sich leider in eine Richtung entwickelt, die eine Forderung nach mehr Zeit pro Patient nicht bercksichtigt. Die SV-Trger sind sich dieser Problematik durchaus bewusst und dafr, hier ei-ne Vernderung durchzufhren. Wichtig ist, dass in Hinkunft der direkte Patientenkontakt eine bessere Honorierung erhlt als bisher. Das kann allerdings nicht der einzige und wichtigste Hebel

    F O R U M4E XC E L L E N C E

    Wir mssen neue Wege gehen, um dem Thema Therapietreue

    im Gesamtsystem das ntige Gewicht zu

    geben.Clemens M. Auer, BMG

    W I SS E NAdherence oder Adhrenz

    bezeichnet das Ausma, in dem das Verhalten eines Patienten mit den Behand-lungszielen und -wegen bereinstimmt, die er zuvor mit seinem Arzt gemein-sam beschlossen hat. Der Begriff Adherence betont ein partnerschaftliches Rollenverstndnis zwischen Arzt und Patient. Der Patient erhlt somit eine aktive und eigenverantwortliche Rolle in der Therapie. Dieser Be-griff ersetzt zunehmend den lteren Begriff Compliance, dem eine eher asymme-trische Arzt-Patienten-Be-ziehung zugrunde liegt.

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    sein. Es ist vielmehr ein Kulturwandel auf allen Ebenen notwendig. Welchen Beitrag kann die Pharmabranche leisten, um einen solchen Kulturwandel zu forcieren?

    Elisabeth Prchla: Zuallererst: Mir gefllt der Begriff Adhrenz, der im Gegensatz zum frher gebruchlichen Terminus Compliance nicht nur den Patienten in die Verantwortung nimmt. Al-le Player tragen diese Verantwortung. Und natr-lich ist die Pharmaindustrie daran interessiert, dass die Patienten die Medikamente, die sie ver-schrieben bekommen, auch einnehmen. Denn nur dann wirken sie. Ich mchte in diesem Zu-sammenhang der Gesundheitspolitik die Hand reichen und versichern, dass wir sehr interessiert sind, dieses Thema in naher Zukunft verstrkt in der ffentlichkeit zu verankern.

    Endel: Ich sehe die Rolle der Industrie eben-falls in der allgemeinen Bewusstseinsstrkung. ber die vorhandenen Beraternetzwerke und

    ber die Fortbildung lassen sich solche Botschaf-ten gut transportieren. Ein solches Engagement wre hilfreich. Welche Lsungen bieten Sie bereits an?

    Prchla: Zum Beispiel bietet unser Unterneh-men im Bereich der Multiple Sklerose und auch im Bereich der Wachstumshormone eine elektro-nische Injektionshilfe an, mit der man Adhrenz messen kann. Das ist etwas Einzigartiges: Der Pa-tient kann den Therapieverlauf kontrollieren. So erfllen wir eine Forderung an die Pharmaindu-strie, ganzheitliche Lsungen und nicht nur Me-dikamente anzubieten. Warum folgen manche Patienten einer The-rapieempfehlung nicht?

    Schuler: Es gibt viele Grnde, warum Pati-enten Medikamente nicht einnehmen wollen. Etwa weil die Tablette zu gro ist oder weil sie nicht schmeckt. Oder weil der Beipackzettel be-ngstigend lang ist. Oder es sind schlichtweg zu viele Medikamente und man verliert den ber-

    D I E S E R B E I T R A G E R F O LGT M I T F R E U N D L I C H E R U N T E R S T T Z U N G D E R M E R C K G E S M B H S T E R R E I C H

    Auf der Meta oder Systemebene macht eine globale Betrachtung in Hinblick auf Adhrenz durchaus Sinn.Gottfried Endel, HVB

    GottfriedEndel

    ist an der Medizin-Uni Wien ausgebildeter Allgemeinme-diziner und wechselte 2004 von der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft in den Hauptverband der Sozialversicherungstrger (HVB). Dort leitet er seitdem den Bereich Evidenzbasierte Wirtschaftliche Gesundheits-vorsorge.

    Clemens Martin Auer

    ist seit 2005 Leiter der Sektion I (Gesundheitssysteme und zentrale Koordination) im Ge-sundheitsministerium. Auer ist seit 2003 in zentraler Funktion bei den wesentlichen Schritten der Gesundheitsreformen be-teiligt. Weitere Arbeitsschwer-punkt sind E-Health und die Einfhrung der Elektronischen Gesundheitsakte Elga.

    JochenSchuler

    nahm als Experte der ster-reichischen rztekammer an der Diskussion teil. Er ordiniert als Facharzt fr Innere Medizin in Salzburg und forscht am In-stitut fr Allgemeinmedizin an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversitt zum Thema Polymedikation.

    ElisabethPrchla

    ist seit 2002 bei Merck und war zuerst in sterreich, dann in Deutschland und der Slowakei ttig. Im Mai 2011 kehrte die studierte Bioche-mikerin als General Manager zur Merck GesmbH Austria zurck. Prchla leitet auch die Arbeitsgruppe Verantwortung des FOPI (Forum der for-schenden pharmazeutischen Industrie in sterreich).

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    T H E M A

    blick. Wenn es um die Einnahmepraxis geht, sehe ich gute Chancen, dieses Problem ber Hilfestel-lungen zu lsen. Das ist etwa ber die Kombinati-on von Medikamenten mglich, die sogenannten Polypillen. Auch Pillenboxen oder elektronische Einnahmehilfen sind gute Anstze. Schwieriger zu lsen sind psychologische Barrieren. Dahin-ter liegen folgende Fragen: Hat ein Patient etwa Angst vor Nebenwirkungen? Geistern beunruhi-gende Meldungen zu Medikamenten durch die Medien? Ist er generell gegen Arzneimittel? Diese Fragen lassen sich nur ber ein Arzt-Patienten-Gesprch lsen. Gibt es noch weitere Anstze, um der Proble-matik Herr zu werden?

    Endel: Eine globale Betrachtung ber die Systemebene halte ich fr besonders wichtig. Ein Projekt, das der Hauptverband im vergangenen Jahr mit der Gesundheit sterreich GmbH abge-wickelt hat, geht in diese Richtung. Dabei geht es um die regionale Variabilitt. Diese ist nicht nur in sterreich, sondern in vielen Lndern bereits ein gut beschriebenes Phnomen. Je grer die regionalen Unterschiede in der Behandlung einer Krankheit sind, desto hhere Unsicherheiten gibt es generell bei der medizinischen Behandlung. Mein Vorschlag ist, diesen Unterschieden mehr Aufmerksamkeit zu schenken und gemeinsam nach Lsungen zu suchen. Ist das Thema Adherence allen Playern im sterreichischen Gesundheitswesen ausrei-chend bewusst?

    Prchla: Es gibt sehr wohl einzelne rzte, die wissen, dass Adherence eine wesentliche Sule fr den Behandlungserfolg ist. Aber es sind noch deutlich zu wenig. Auerdem bentigt dieses The-ma noch eine bessere Verankerung in der Allge-meinheit. Hier stehen wir noch ganz am Anfang.

    Schuler: Ich denke auch, dass das Thema noch unterbeleuchtet ist. Eine sterreichwei-te Kampagne wre ein erster groer Schritt, um dem Thema mehr Prsenz zu verleihen. Hier se-

    he ich Chancen fr eine sinnvolle Kooperations-mglichkeit zwischen Pharmabranche und der ffentlichen Hand. Welche Rolle spielt Adherence in der Gesund-heitsreform? Kann E-Health Positives zu die-sem Thema beitragen?

    Auer: Die E-Medikation wird untersttzend wirken. Sie ist die erste Anwendung von Elga, die bald in ganz sterreich zur Verfgung stehen wird. Diese elektronische Datenbank liefert dem behandelnden Arzt mit einem Klick einen ber-blick ber alle Medikamente, die ein Patient ein-nimmt. Unerwnschte Wechselwirkungen oder Mehrfachverordnungen lassen sich so besser ver-meiden, als das bisher der Fall ist. Wir sollten die-se moderne Mglichkeit ntzen und sie nicht als Instrument der berwachung qualifizieren. Die-ses Pldoyer richte ich an die rzteschaft. Mehr ber den Patienten zu wissen, ist eine Chance zur Optimierung des gesamten Systems. In sterreich wurden bereits Studien zur leitliniengerechten Medikamentenversor-gung vonseiten der Krankenkassen durch-gefhrt. Ebenso gibt es klinische Studien, in denen Adherence eine Rolle spielt. Was sind die wichtigsten Ergebnisse dieser Studien, welche Schlsse sind daraus zu ziehen?

    Prchla: Es gibt eine Studie zum Thema Herz-insuffizienz, in der auch die Folgen von Adhe-rence erfasst wurden. Ergebnis: Die Lebenser-wartung lsst sich um drei Jahre erhhen, wenn Manahmen zum Einsatz kommen, die die Ad-herence verbessern. Auerdem stehen Daten be-zglich Multipler Sklerose zur Verfgung, die be-legen, dass sich eine Verbesserung der Adhrenz auf den klinischen Outcome positiv auswirkt. Es gibt also erste Untersuchungen. Wichtig ist nun, dass weitere folgen.

    Schuler: Es gibt in der Tat Studien, die den Nachweis erbringen, dass Patienten, die sich ganz treu an ihre Medikation halten, ein besseres Gesundheitsergebnis aufweisen. Besonders inte-

    Medienkooperation

    Die REPUBLIK-Diskussionsreihe Forum for Excellence bringt Experten aus dem ffentlichen Sektor und der Privatwirtschaft an einen Tisch, um gesellschaftspolitisch relevante Zukunftsthemen zu errtern. Medien-kooperation bedeutet, dass das Unternehmen Merck sterreich in das Themensetting eingebunden ist. Die Umsetzung (Auswahl der Gesprchspartner, Fragenkatalog etc.) liegt jedoch im alleinigen Verantwortungs-bereich der REPUBLIK-Redaktion.

    Die Pharmaindustrie steht als

    Partner zur Verfgung und

    mchte als solcher anerkannt werden.

    Elisabeth Prchla, Merck

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    T H E M A

    D I E S E R B E I T R A G E R F O LGT M I T F R E U N D L I C H E R U N T E R S T T Z U N G D E R M E R C K G E S M B H S T E R R E I C H

    ressant ist, dass sogar Vergleichsgruppen, die Pla-cebos bekommen, bei treuer Einnahme ein besse-res Ergebnis vorweisen. Dieser sogenannte Heal-thy Adherer-Effekt veranschaulicht, dass sich die Bereitschaft, an der Therapie mitzuwirken, per se schon positiv auswirkt. Wie hoch ist das Einsparungspotenzial durch mehr Adherence im sterreichischen Ge-sundheitswesen? Umgekehrt gefragt: Welche Folgekosten sind mit schlechter Adherence verbunden?

    Endel: Die Frage nach den Kosten fr das Gesundheitssystem wird hufig gestellt. Klare Antworten gibt es darauf aber leider keine. Die kolportieren Zahlen basieren auf Modellrech-nungen. Die Grundannahmen, die dahinterste-hen, beruhen auf relativ gut belegten Annahmen, manchmal fuen sie nur auf Meinungen. In den USA spricht man beispielsweise von rund 120 Millionen Dollar Schaden durch Non-Adherence pro Jahr fr das Gesundheitssystem.

    Welche Vernderungen sind notwendig, um die Therapietreue langfristig zu verbessern und deren Bedeutung in den Kpfen aller zu verankern?

    Prchla: Man muss vor allem bei der Kon-trolle und bei der Selbstverantwortung anset-zen. Bieten wir rzten und Patienten Systeme an, durch die sie sich zu stark kontrolliert fh-len und deren Nutzen sie nicht erkennen, wer-den sie diese Systeme nicht verwenden. Und die Gesundheit des Patienten liegt auch in sei-ner eigenen Verantwortung. Ein Fokus auf die Selbstverantwortung jedes einzelnen Patienten knnte eine wesentliche Botschaft einer Kampa-gne sein.

    Endel: Das sehe ich auch so. Aber ich mch-te noch weitergehen. Wirkliche Vernderungen brauchen einen groen Kulturwandel, der al-le Player betrifft. Ein solches Umdenken ist not-wendig, um den Output des gesamten Gesund-heitssystems zu verbessern.

    Das Verhltnis Patient Arzt ist der zentrale Schlssel zur Erhhung der Adherence.Jochen Schuler, Internist

    Eine nicht ganz konfliktfreie Diskussion ber (mangelnde) Therapietreue im sterreichischen Gesundheitswesen fhrte REPUBLIK-Redakteurin Gudrun Haigermoser (re.) am 28. Mai mit Elisabeth Prchla, Jochen Schuler, Clemens M. Auer und Gottfried Endel (v.l.n.r.).

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    S E R V I C E & I N F O

    Zur Atmosphre in einem zerrtteten Land

    BKA gewinnt UNPSA

    GGZ vor den Vorhang

    Dieser neue Sammelband steht ganz im Zeichen der Ukraine-Krise. Der bewaffnete Konflikt in den sd-stlichen Gebieten entstand infolge von lokalen Demonstrationen gegen die auto-kratische Entscheidung des damaligen Pr-sidenten Wiktor Janukowitsch, das Assozi-ierungsabkommen mit der EU nicht zu un-terzeichnen. Daraus wurde eine landesweite Protestbewegung mit dem Titel Euromai-dan. Als der friedliche Protest in Gewalt umkippte, wurden mehr als hundert Men-schen gettet. Heute, ein halbes Jahr spter, ist in der Ukraine nichts mehr, wie es ein-mal war. Das Buch ist ein erster Versuch, die Geschichte eines gerade vergangenen Augenblicks festzuhalten und zu begreifen, wie im Nachwort zu lesen ist. In diesem Sammelband erzhlen Schriftsteller, viele von ihnen Aktivisten, von den aufwh-lendsten Tagen ihres Lebens. Historiker, So-ziologen und Politikwissenschafter versu-chen sich am Festhalten dieses Augenblicks. Herausgeber Juri Andruchowytsch gilt b-rigens als eine der wichtigsten kulturellen und intellektuellen Stimmen seines Landes.

    Die Geriatrischen Gesundheitszen-tren der Stadt Graz (GGZ) mit der Albert-Schweitzer-Klinik und dem Albert-Schweitzer-Hospiz gingen beim heu-rigen Rennen um den Staatspreis Unterneh-mensqualitt als Sieger hervor. Die Aus-zeichnung wurde am 11. Juni im Haus der Industrie vergeben. Die Jury begrndete ih-re Entscheidung mit dem verantwortungs-vollen Wirtschaften der Organisation und der expliziten Fokussierung auf Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit. Die begehr-te Auszeichnung, die den gesamtheitlichen Ansatz der Unternehmensfhrung wrdigt, ging damit erstmals an ein Non-Profit-Un-ternehmen aus dem Gesundheitswesen. Die GGZ konnten nicht nur durch einen strin-genten Strategieprozess berzeugen, son-dern auch durch eine gute internationale Reputation, gelebte Interdisziplinaritt, ei-ne offene Kommunikationsstruktur und ei-nen hohen Innovationsgrad. Der Staatspreis Unternehmensqualitt wird jhrlich vom Wirtschaftsministerium (BMWFW) in Koo-peration mit Quality Austria vergeben.

    Nach 2007 wurde sterreich heuer ein weiteres Mal mit dem United Nations Public Service Award (UN-PSA) ausgezeichnet. In der Kategorie Im-proving the Delivery of Public Services ge-wann das Open-Government-Data-Portal

    data.gv.at des Bundeskanzleramtes Gold. Dabei handelt es sich um eine europaweit bislang einzigartige Plattform, die gemein-sam mit der Cooperation Open Government Data sterreich und dem BRZ geschaffen wurde. Data.gv.at bietet einen Katalog of-fener Datenstze und Dienste aus der ffent-lichen Verwaltung, die auf Open-Data-Prin-zipien beruhen. Man kann also die Daten sowohl fr persnliche Informationen als auch fr kommerzielle Zwecke frei nutzen.

    Der Public Service Award der Verein-ten Nationen ist die prestigetrchtigste Aus-zeichnung fr Projekte der ffentlichen Ver-waltung auf internationaler Ebene. Der Qua-littswettbewerb findet jhrlich statt. Vor sieben Jahren konnte sterreich bereits mit dem Projekt E-Recht die Jury berzeugen.

    Andy Wenzel / BKA Suhrkamp GGZ

    Data.gv.at des BKA erhlt eine begehrte internationale Auszeichnung.

    Juri Andruchowytsch: Euromaidan. Was in der Ukraine auf dem Spiel steht207 Seiten, Suhrkamp-Verlag, 14,40

    Die Geriatrischen Gesundheitszentren der Stadt Graz erhalten Staatspreis.

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    S E R V I C E & I N F O

    BriefButler entlastet sterreichs GemeindenDer BriefButler von hpc DUAL steht fr zeitgeme Kommunikation zwischen Unternehmen, Behrden und Brgern.

    Dual bedeutet: Wenn der Empfnger elektro-nisch erreichbar ist, wird die Sendung auf die-sem Weg zugeschickt, sonst physisch auf dem herkmmlichen Postweg. sterreichweit setzen bereits mehr als 300 Gemeinden auf die duale Zu-stellung mit dem BriefButler. 20 Prozent der Ein-wohner dort sind bereits elektronisch erreichbar. Helmut Mdlhammer, Prsident des sterreichi-schen Gemeindebundes, im Interview.Warum sollen Gemeinden die duale Zustel-lung verwenden?Helmut Mdlhammer: Die duale Zustellung ver-einfacht Verwaltungsprozesse und ist ein Service fr BrgerInnen. Es geht rasch, ist unkompliziert und spart Kosten. Sie vereinfacht die Geschfts-gebarung zwischen den BrgerInnen und der Gemeinde. Daher ist es unumgnglich, diesen Weg in Zukunft zu gehen.

    Wie sieht der reibungslose Umstieg auf die duale Zustellung aus?Mdlhammer: Die Herausforderung liegt darin, die BrgerInnen dazu zu gewinnen, gemeinsam mit uns diesen Weg zu beschreiten und sie von den Vorteilen zu berzeugen. Um die BrgerInnen bestmglich zu erreichen, sollte die BriefButler-Marketingstrategie flchendeckend von den Ge-meinden umgesetzt werden.Wie wichtig ist es, IT-Partner wie die gemdat zur Seite zu haben?Mdlhammer: Es ist wichtig, dass die Gemeinde einen verlsslichen Partner an ihrer Seite hat, der sich um die technische Abwicklung und Umset-zung kmmert, sodass nicht noch zustzlicher verwaltungstechnischer Aufwand fr die Ge-meinde entsteht.

    HPC Duale Zustellsysteme GmbHMyrthengasse 12/7, 1070 Wien [email protected]

    Josef Schneider, Geschftsfhrer hpc DUAL, mit Helmut Mdlhammer, Gemeindebundprsident (rechts).

    P R O M OT I O N

    hpc

    DU

    AL

    Mehr Infos: www.briefbutler.at so geht Post heute!

    9.24. Vienna Summer of Logic Juli Wissenschaftliche Grokonferenz zu den Themen Informatik, knstliche Intelligenz und mathematische Logik Veranst.: Kurt Gdel Society | Ort: an verschiedenen Orten in Wien www.vsl2014.at

    23.25. Kommunale Sommergesprche 2014 Juli Motto Jugend in der Gemeinde Was will die Yolo-Generation? Veranst.: Kommunalkredit, sterr. Gemeindebund | Ort: Kurhaus, 8990 Bad Aussee www.sommergespraeche.at

    30. Expertentreff Datenschutz Juli Forum zum gegenseitigen Austausch von Datenschutz-Erfahrungen und praktischen Lsungen Veranst.: Arge Daten | Ort: Parkhotel Schnbrunn, Hietzinger Hauptstr. 1014, 1130 Wien www.argedaten.at

    13.14. Kommunale St