Reverb & Tremolo -...

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Konzept Tremolo und Hall sind mit Sicherheit die klas- sischen Effekte, die jeder Gitarrist nutzt oder zumindest kennt, nicht zuletzt von alten Fen- der-Verstärkern. Tremolo besteht in einer rhythmischen Veränderung der Signal-Ampli- tude, Hall aus einer Vielzahl eng aufeinander- folgender und dann abklingender Echos. In Vintage-Verstärkern wurde der Hall in Form eines über eine Röhrenschaltung betriebenen Accutronics Reverb Tanks realisiert. Der erste Fender-Amp mit integriertem Federhall war der in nur geringen Stückzahlen hergestellte und entsprechend auf dem Sammelmarkt hoch bewertete 1963er Brownface Vibroverb 6G16. Hier konnte man allerdings nur die Re- lation vom trockenen zum Hall-Signal einstel- len, nicht jedoch auch die Dauer und den Höhencharakter wie beim bereits 1961 einge- führten Fender Reverb Unit. Beim On-Board- Tremolo finden sich hingegen zahlreiche Varianten, von denen Strymon die drei belieb- GRAND EFFECTS & ACCESSORIES 158 grand gtrs Strymon Flint Als Terry Burton 2009 einige überaus talen- tierte Kollegen aus der Effektpedal-Szene mit ins Boot seiner neuen Firma Strymon holte, legte der frühere Schöpfer der Damage Control Pedals den Grundstein für den wohl erfolgreichsten Startup auf dem Boutique- Effekt-Sektor dieses Millenniums. In nur drei Jahren gelang es Strymon, auf Basis digitaler „State of the Art“-Technologie eine Palette herausragender Effektpedale auf den Markt zu bringen, die sich heute auf den Boards sehr vieler Profis finden, darunter die Delays El Capistan und Timeline, das Lex Leslie sowie der blueSky Reverb. Vor einigen Mona- ten stellte Strymon mit dem Flint ein neues Pedal vor, das Hall und Tremolo vereint. Von Michael Püttmann Reverb & Tremolo

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KonzeptTremolo und Hall sind mit Sicherheit die klas-sischen Effekte, die jeder Gitarrist nutzt oderzumindest kennt, nicht zuletzt von alten Fen-der-Verstärkern. Tremolo besteht in einerrhythmischen Veränderung der Signal-Ampli-tude, Hall aus einer Vielzahl eng aufeinander-folgender und dann abklingender Echos. InVintage-Verstärkern wurde der Hall in Formeines über eine Röhrenschaltung betriebenenAccutronics Reverb Tanks realisiert. Der ersteFender-Amp mit integriertem Federhall warder in nur geringen Stückzahlen hergestellteund entsprechend auf dem Sammelmarkthoch bewertete 1963er Brownface Vibroverb6G16. Hier konnte man allerdings nur die Re-lation vom trockenen zum Hall-Signal einstel-len, nicht jedoch auch die Dauer und denHöhencharakter wie beim bereits 1961 einge-führten Fender Reverb Unit. Beim On-Board-Tremolo finden sich hingegen zahlreicheVarianten, von denen Strymon die drei belieb-

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158 grand gtrs

Strymon FlintAls Terry Burton 2009 einige überaus talen-tierte Kollegen aus der Effektpedal-Szene mitins Boot seiner neuen Firma Strymon holte,legte der frühere Schöpfer der Damage Control Pedals den Grundstein für den wohlerfolgreichsten Startup auf dem Boutique-Effekt-Sektor dieses Millenniums. In nur dreiJahren gelang es Strymon, auf Basis digitaler„State of the Art“-Technologie eine Paletteherausragender Effektpedale auf den Marktzu bringen, die sich heute auf den Boardssehr vieler Profis finden, darunter die DelaysEl Capistan und Timeline, das Lex Lesliesowie der blueSky Reverb. Vor einigen Mona-ten stellte Strymon mit dem Flint ein neuesPedal vor, das Hall und Tremolo vereint.Von Michael Püttmann

Reverb & Tremolo

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testen auswählte. Die von Tremolo-Fans wohlam meisten geschätzte Version tauchte ab1961 bei einigen blonden und braunen FenderVerstärkern auf: das auf einer komplexen Röh-renschaltung fußende fett pulsierende Harmo-nic Tremolo, welches auf einer zweibandigenFilterschaltung beruht. Warum Strymon dieSimulation des bereits im ab 1961 gebautenbraunen Princeton Amp eingeführten, einfa-cher konstruierten, aber ebenfalls sehr char-manten Power Tube Bias Tremolo mit ’63benannt hat, entzieht sich meiner Kenntnis.Gleiches gilt für die Zuweisung der Jahreszahl’65 zu dem bei den leistungsstärkeren Black-face-Modellen bereits Mitte 1963 eingebautenPhotocell Tremolo mit seinem härteren, abge-hackteren Charakter. Längst nicht alle Gitar-renverstärker besitzen eingebauten Hall undTremolo, man denke nur an die Riesenzahl anblonden und Blackface Fender Topteilen sowiezahlreiche weitere klassische Amps von Mar-shall, Vox, Selmer, Laney usw. sowie davon ab-geleitete Reissues und Boutique-Versionen.

Erstaunlich, dass vor Strymon kein Herstel-ler auf die Idee gekommen war, die voranste-henden drei Tremolo-Varianten plus eineFederhallsimulation (60s), ergänzt um elek-tronischen Plattenhall à la EMT (70s) und di-gitalen Studio-Rack-Hall in Anlehnung anLexicon (80s), in ein Pedal zu integrieren.

Aufbau & BedienungDas Flint ist in einem Strymon-Standardge-häuse untergebracht, dessen Grundfläche un-gefähr dem des Klassikers MXR Phase 100entspricht, allerdings mit 4,5 cm höher aus-fällt. Praktischerweise werden aufklebbareGummifüßchen nur mitgeliefert, sodass mansie zum Befestigen auf einem Pedalboard nichtmühsam entfernen muss. Auf der Gehäuse -rückseite finden sich neben dem Eingang fürdas mitgelieferte Netzteil vier Klinkenbuchsenin 6,3 mm Standardgröße angeordnet. DenInput kann man wahlweise mono oder überein TRS Splitter-Kabel stereo beschicken,wobei letzteres das (völlig unproblematische)

Umstecken eines Jumper-Steckers im Innerenerfordert. An die Exp-Buchsen lässt sich ent-weder ein Strymon Favorite Switch zum Spei-chern und Abrufen eines Presets oder aber einTap-Tempo-Schalter zum Steuern der Tre-molo-Geschwindigkeit anschließen (klasse!),wobei Strymon einen Mission Engineering TTTap empfiehlt. Ausgangssignale liegen sowohlfür links als auch für rechts und damit stereoan. Man kann das Pedal natürlich auch mononutzen. Auf der Oberseite finden sich sämtli-che Regler und Schalter für die beiden Effekteübersichtlich und außerhalb des Trittbereichsangeordnet. Aus dem True-Bypass, der übri-gens auch in einen analogen gebufferten By-pass mit Weiterklingen des Halls gewechseltwerden kann, aktiviert man die jeweils mittelseines dreistufigen Kippschalters vorgewähltenEffektvarianten mit dem zugehörigen Fuß-schalter, was dann durch hell leuchtende LEDsangezeigt wird. Die drei Hall-Sounds lassensich hinsichtlich ihres Verhältnisses zum tro-ckenen Signal, ihrer Dauer und ihrer Höhen-

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charakteristik einstellen, die Tremolovariantenjeweils hinsichtlich Geschwindigkeit und In-tensität, also die Höhe bzw. Tiefe der Amplitude.Wie bei Strymon üblich weisen auch beim Flintfast alle Regler Sekundärfunktionen auf, sodassauch die rhythmische Unterteilung von getapp-ten Tempi auf 1/4, 1/8, Triolen oder 1/16 jederEffekt unabhängig mit bis +/-3 dB versehenund auch die Reihenfolge der Effekte ver-tauscht werden kann. In den klassischen Fen-der Reverb-Combos wird das aus der Vorstufekommende Signal gesplittet und über einenRöhrentreiber in einen kleinen Ausgangstrafodurch eine im Gehäuseboden befestigte Hall-einheit mit zwei Federsträngen geleitet und an-schließend wieder zugemischt. Nach einerAufholstufe folgt dann unmittelbar vor der Trei-berstufe die Tremoloschaltung, die so das ge-samte Signal inklusive Hall bearbeitet. VomWerk aus ist das auch die Reihenfolge im Flint.Möchte man aber lieber das Tremolo-Signalverhallen, was die typische Anordnung auf Pe-dalboards ist, so geht das hier im Gegensatz zuden Vorbildern auch. Solange nur der Hall inBetrieb ist, läuft das trockene Eingangssignalauch analog weiter; der digitale Hallanteil wirddann nur zugemischt. Im Tremolo-Betrieb än-dert sich dies jedoch, da dann das gesamte Sig-nal durch die digitale Tremolo-Sektion geführtwird.

Reverb & Tremolo TonesWer sich wundert, warum Strymon nachdem Erfolg seines blueSky Reverberatorsnun noch ein Hallpedal auf den Markt bringt,der sollte sich beide Geräte in Ruhe anhören.

Das blueSky bietet High-End Reverb in Rein-kultur mit umfangreichen Einstellungsmög-lichkeiten und einem direkt abrufbaren Preset.Beim Flint geht es jedoch um relativ beque-men Einsatz dreier Vintage-Reverbs, und dasist Strymon ganz hervorragend gelungen. An-geschlossen an einen Anfang 1967er Twin Re-verb, konnte ich mit dem 60s Reverb beiziemlich heruntergeregeltem Tone, Decay auf12 Uhr und Mix auf 11 Uhr extrem nahe an denSound des eingebauten Halls zu kommen. Derweniger schepperige, aber immer noch rechtwarme 70s Solid State Plate Reverb bietet einewillkommene sauberere Alternative. Beim 80sDigital Reverb wird es erwartungsgemäß käl-ter, und wer das mag, wird hier ebenfalls gutbedient. Tremolo-Fans bietet das Flint dreitolle Varianten, die sich von ihrem Charakterdeutlich unterscheiden, aber allesamt vielSpaß machen. Natürlich sitzt ein Flint vor demVerstärker und kann so die typischen Fender-Tremolos nicht hundertprozentig liefern, aberfür meinen Geschmack klappt das Andeutender Charakteristiken auf erfreulich hohem Ni-veau. Insgesamt kann man dem Gerät eine he-

rausragende Klangqualität bei minimalenNebengeräuschen und leichter Bedienbarkeitattestieren. Das Strymon Flint ergänzt Ver-stärker ohne Hall und Tremolo vortrefflich,kann aber sogar Besitzer von entsprechendenVintage-Amps mit weiteren Varianten berei-chern. Auf der Hersteller-Webseite findensich übrigens nicht nur weiterführende In-formationen, sondern auch sehr gute Demo-Videos.

ResümeeIrgendwie müssen sich die Leute von Stry-mon wie Captain J. Flint, Kommandant desPiratenschiffes Walrus in Robert Louis Ste-vensons Roman „Die Schatzinsel“, gefühlthaben, als sie diese fantastischen Hall- undTremolo-Sounds in eine Kiste packten. ZumGlück entschieden sie sich aber nicht dafür,sie auf einer abgelegenen Karibikinsel zu ver-stecken, sondern in einem Pedal, das wir zueinem gehobenen, aber für dieses Qualitäts-niveau auch angebrachten Boutique-Preismühelos bergen, ähm, kaufen können. Unddas habe ich sofort gemacht. �

GRAND EFFECTS & ACCESSORIES

160 grand gtrs

DETAILSHersteller: Strymon Modell: Flint

Herstellungsland: USA Eingangsimpedanz:

1 Meg Ohm Ausgangsimpedanz: 100 Ohm

Signal-Rausch-Abstand: 115 dB A/D & D/A

Konverter: 24-bit 96kHz Frequenzgang: 20

Hz to 20 kHz Max. Eingangssignal: +8 dBu

(Line + Instrument Levels) DSP Leistung: 1596

MegaFLOPS Bypass-Schaltung: True Bypass

(elektromechanische Relais-Schaltung) Dimen-

sionen: ca. 11,5 cm tief x 10,2 cm breit x 4,5 cm

hoch Netzteilanforderungen: 9 V DC, 250 mA

(passendes Steckernetzteil im Lieferumfang)

www.strymon.net www.musicstore.de