RIEDO-EMMENEGGER (2005) Prophetisch-Messianische Provokateure Der Pax Romana. Jesus Von Nazaret

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Novum Testamentum et Orbis Antiquus Studien zur Umwelt des Neuen Testaments
Herausgegeben im Auftrag der Stiftung BIBEL+ORIENT Freiburg Schweiz von
Max Küchler, Peter Lampe und Gerd Theissen
Band 56
Christoph Riedo-Emmenegger
Prophetisch-messianische Provokateure
der Pax Romana
Jesus von Nazaret und andere Störenfriede im Konflikt mit dem Römischen Reich
Academic Press Fribourg Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen
2005
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliogra- fie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Veröffentlicht mit Unterstützung des Hochschulrates Freiburg Schweiz, der Pfarrei St. German Gurmels,
der Pfarrei St. Peter und Paul Düdingen und Frau Berti Schaller
Die Druckvorlagen der Textseiten wurden vom Autor als PDF-Datei zur Verfügung gestellt.
© 2005 by Academic Press Fribourg / Paulusverlag Freiburg Schweiz Herstellung: Paulusdruckerei Freiburg Schweiz
ISBN 3-7278-1540-X (Academic Press Fribourg) ISBN 3-525-53959-2 (Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen)
ISSN 1420-4592 (Novum Testam. orb. antiq.)
I Bayerische 1 staatsWbliotheK l München
Die vorliegende Arbeit wurde im Sommer 2003 von der Theologischen Fakultät Freiburg Schweiz als Dissertation angenommen unter dem Titel "Das Römische Imperium - Expan­ sion, Machterhaltung und der Umgang mit Provokateuren. Ein Beitrag zum Verständnis des Schicksals Jesu und anderer prophetisch-messianischer Störenfriede und ihrer Bewegungen im 1. Jahrhundert n.Chr. in Palästina". Für die Publikation wurde sie geringfügig überarbeitet.
Die Verwirklichung dieser Arbeit ist nicht nur das Ergebnis einer jahrelangen Auseinander­ setzung mit dem Thema und unzähliger damit zusammenhängender Fragen, sondern sie ver­ dankt sich auch der Hilfe und Unterstützung vieler Personen:
So danke ich in besonderem Masse Prof. Dr. Max Küchler, der diese Arbeit angeregt und
über die Jahre mit viel Interesse begleitet und gefördert hat.
Meinen Kolleginnen und Kollegen vom Biblischen Departement der Universität Freiburg Schweiz danke ich bestens für die motivierende und vielseitige Unterstützung. Namentlich erwähnen möchte ich Siegfried Ostermann, PD Dr. Yohanan Goldman und Prof. em. Georg Scheiben. Besten Dank auch an Dr. Gregor Emmenegger vom Patristischen Institut für seine Hilfe.
Meinen Brüdern Dr. Dominicq Riedo und Romano P. Riedo danke ich ganz besonders für die vielseitige Unterstützung im Informatikbereich. Auf ihr grosses Wissen und ihre Hilfsbe­ reitschaft konnte ich jederzeit zählen. Ewald Schorro danke ich herzlich für die freundliche Ausleihe seines tragbaren Computers.
Dem Bistum Lausanne-Genf-Freiburg sei für den finanziellen Beitrag an meinen Forschungs­ aufenthalt in Jerusalem gedankt, und der Stiftung St.Helena für die Übernahme der diesbe­ züglichen Reisekosten.
Prof. Dr. Franz Mali danke ich für die Übernahme des Koreferates und für seine wertvollen Anregungen.
Franz Stadelmann danke ich bestens für das gewissenhafte Korrekturlesen.
Prof. Dr. Max Küchler, Prof. Dr. Gerd Theissen und Prof. Dr. Peter Lampe danke ich für die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe NOVUM TESTAMENTUM ETORBIS ANTIQUUS (NTOA). Dr. Roger Pfister von der Dienststelle Forschungsförderung Polygon der Universität Frei­ burg Schweiz danke ich für die elektronische Publikation der zur Dissertation gehörenden Exkurse unter eThesis.
Für einen finanziellen Zuschuss zuhanden der Publikation danke ich ganz herzlich folgenden Personen und Institutionen: Frau Berti Schaller. die nicht nur die Publikation, sondern auch meinen Forschungsaufenthalt in Jerusalem grosszügig unterstützt hat: der Pfarrei St. German Gurmels, wo ich während sechs Jahren als Pastoralassistent gearbeitet habe; meiner Heimat­ pfarrei und derzeitiger Arbeitgeberin, der Pfarrei St. Peter und Paul Düdingen; dem Hoch­ schulrat Freiburg Schweiz.
VIII
Ein ganz besonderer Dank gebührt meiner Frau Hildegard. Sie hat mir all die Jahre die Zeit freigehalten, meine Forschungen voranzutreiben und die Dissertation und deren Publikation zu einem guten Ende zu bringen. Ihr Beitrag an meiner Arbeit kann deshalb nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Schliesslich danke ich auch meinen Eltern Paul und Rose Riedo-Schaller ganz herzlich für ihre grosse und vielseitige Unterstützung.
Düdingen, 26.9.2005 Christoph Riedo-Emmenegger
RÖMISCHEN IMPERIUMS IN DER REPUBLIK UND DER KAISERZEIT
A
1 ENTWICKLUNG UND DIFFERENZIERUNG DER STRATEGIEN IN DER ZEIT
DER REPUBLIK 5
1.1.1 Die amicitia 6
1.1.4 Römische Herren und ihre clientes 16
1.1.5 Die Hauptaufgaben der clientes am Beispiel von Herodes 1 19
1.1.6 Die Rolle der einheimischen Eliten beim Aufbau des römischen Weltreiches 25
1.2 Sicherheit durch Annexion: die Provinzen als direkt kontrollierte Pufferzonen 30
2 MODIFIZIERTE STRATEGIEN UNTER DEN VERÄNDERTEN BEDINGUNGEN
DER KAISERZEIT 33
2.1 Von Augustus bis Nero: Die julisch-claudische Strategie 33
2.1.1 Sicherung statt Vergrösserung des Reiches 34 2.1.2 Der Schutz der Grenzen als Hauptaufgabe der Armee als mobiler Eingreif­
truppe 35
2.1.3 Klientelreiche als aktive Pufferzonen 36
2.1.4 Die Betreuung und Überwachung der clientes durch die römischen Herren 39
2.1.5 Loyalitätsbezeugungen von Klientelherrschern: das Beispiel von Herodes 1 42
2.1.6 Unterschiedliches Vorgehen gegenüber den Klientelreichen des Ostens und Westens 43
2.1.7 Möglichkeiten und Grenzen der römischen Armee und römischer Diplomatie 46
2.1.8 Die strategische Stationierung der Legionen und der Erfolg des Klientelsystems ...47
2.2 Ergebnis 49
3.1 Diplomatie und Kriegsführung: zwei Seiten einer Medaille 52
3.2 Vom Geplänkel bis zum Zerstörungskrieg: die breite Palette römischer Kriegsführung 54
3.3 Die rechtliche Legitimierung des Krieges: die Theorie des bellum iustum 58
3.4 Das römische Kriegsrecht 63
3.5 Die philosophische und religiöse Legitimierung des Krieges 66
3.6 Ergebnis 68
4 DIE RÖMISCHE ARMEE ALS INSTRUMENT DER KRIEGSFÜHRUNG 70
4.1 Die römische Armee der Republik: von der Miliz- zur Berufsarmee 70
4.2 Die Schaffung der Berufsarmee unter Augustus 70
4.2.1 Ordnung und Versorgung von Legionen und Hilfstruppen 71
4.2.2 Die Sorge um die Loyalität der Truppen 72
4.2.3 Die Prätorianergarde, cohortes urbanae und cohortes Vigilium 74
4.2.4 Erste Flottenreformen 75
4.3 Die Konsolidierung der Berufsarmee in der frühen Kaiserzeit 76
4.3.1 Legionen und Hilfstruppen 76
4.3.2 Flotte. Prätorianergarde und equites singulares in der Zeit nach Augustus 78
4.3.3 Massnahmen zur Sicherung der Loyalität der Soldaten 80
4.3.4 Die römische Armee als gesellschaftlicher Integrationsfaktor 81
4.4 Das Erfolgsrezept der römischen Armee 82
4.5 Die römische Armee in Friedenszeiten 83
4.5.1 Vielfältige Aufgaben in den Provinzen 84
y0 4.5.2 Kontakte und Konfliktpotential zwischen Soldaten und Zivilbevölkerung 88
4.6 Die Versorgung und Finanzierung der Berufsarmee 91
4.7 Ergebnis 91
ADMINISTRATIVE UND FINANZIELLE STRATEGIEN 93
5 DIE PROVINZEN ALS SCHUTZGÜRTEL UM ITALIEN: DIE AUSBEUTUNGS­ VERWALTUNG DER REPUBLIK 93
K 5.1 Die unumschränkte Gewalt des Statthalters 93
5.2 Das Fehlen eines politischen Reichskonzepts und der Untergang der Republik ....97
6 DIE PROVINZEN ALS TEIL DES RÖMISCHEN WELTREICHES: DIE VERWAL­ TUNG IN DER KAISERZEIT 99
6.1 Veränderte Voraussetzungen für das Imperium: der Prinzipat als neue Mon­ archie 99
6.2 Die Entwicklung einer neuen Reichskonzeption: vom Stadtstaat zum Reichs­ staat 103
^ 6.3 Verwaltungs- und Steuerreformen während der Prinzipatszeit 105
) / 6.3.1 Römische Zentralisation und Ausbau der lokalen Selbstverwaltung 105
6.3.2 Massnahmen gegen Korruption und Ausbeutung 110
6.3.3 Steuerreformen 113
6.3.6 Fortwährende Korruption und Misswirtschaft 118
6.4 Ergebnis 123
Steuern der Peripheriegebiete für die Interessen des Zentrums 124
Vielfältige Steuern. Abgaben und Leistungen 126
Der Zensus als Berechnungsgrundlage für die direkten Steuern 126
Die Publikanen-Gesellschaften 128
Die Legitimierung der Steuern 131
Steuern für Rom von jüdischer Seite 134
Ergebnis 138
XII Inhaltsverzeichnis
8 DIE RÖMISCHE RELIGION ALS GESELLSCHAFTLICHER INTEGRATIONSFAKTOR 140
8.1 Die religiöse Toleranz von Seiten Roms und ihre Grenzen 141
8.2 Der Kaiserkult 142
8.2.2 Religiöse Voraussetzungen 144
8.2.3 Der Kaiserkult im Osten und Westen 146
8.2.4 Die Divinisierung der Kaiser als Herrschaftslegitimation 149
8.2.5 Der Kaiser als Bindeglied zu den Göttern und als Garant der Weltordnung 150
8.2.6 Der Kaiserkult als religiös-politische Einigungskraft 153
8.3 Religion und Armee 155
*• 8.4 Rom. Juden und Christen 155
X 8.4.1 Jüdische Privilegien unter römischer Herrschaft 156
8.4.2 Auseinandersetzungen zwischen Rom. Juden und Christen 161
y 8.5 Ergebnis 163
9.1 Die Ideologie der Pax Romana als Herrschaftslegitimation 165
9.2 Die religiöse Begründung der römischen Weltherrschaft: die Pax Romana als Geschenk der Götter 169
9.3 Privilegierte Nutzniesser der römischen Weltherrschaft: im Genuss von Frei­ heit und Sicherheit 171
Die ideologische Auseinandersetzung mit den Feinden des Imperiums 173
Ergebnis 174
Inhaltsverzeichnis XIII
10 MODERNE ERKLÄRUNGSMODELLE FÜR DIE MACHTAUSDEHNUNG ROMS: ZWEIFELHAFTER IMPERIALISMUS IN VERSCHIEDENEN VARIATIONEN 175
10.1 Wirtschaftlicher Imperialismus 176
10.2 Militärischer Imperialismus 183
10.3 Politischer Imperialismus 183
10.4 Kultureller Imperialismus 191
xrv Inhaltsverzeichnis
TEIL II
KONFLIKT MIT PROPHETISCH-MESSIANISCHEN BEWEGUNGEN
12 DIE NACHFAHREN VON HERODES I. ALS KLIENTELFÜRSTEN IM DIENSTE
ROMS 197
12.0 De Bella Judaico von Flavius Josephus als historische Hauptquelle 197
12.1 Folgen des Machtvakuums: Unruhen nach dem Tod von Herodes 1 199
12.2 Das kurze Intermezzo von Archelaus als Ethnarch 201
12.3 Der Erfolg des Tetrarchen Antipas und das Stolpern über seine Ambitionen 202
v 13 DIE RÖMISCHE PROVINZ IUDAEA UNTER DEN PROKURATOREN 205
13.1 Das Verhältnis der Provinz luclaea zur Provinz Syrien und der Konflikt mit den Parthern 206
13.2 Die Stabilisierung der römischen Herrschaft als primäre Aufgabe der Statt­ halter 211
13.2.1 Die Garantierung von Ruhe und Ordnung 211
13.2.2 Die Einbindung der lokalen Eliten 211
13.2.3 Jurisdiktion 212
' 13.3 Jüdische Selbstverwaltung 215
13.4 Die Finanzierung der römischen Herrschaft und öffentlicher Projekte und die römische Münzpropaganda 218
13.5 Die römische Besatzungsmacht 219
K 13.6 Zusammenarbeit und Konflikte zwischen römischen Beamten und jüdischen
Gruppen in Judäa 222
13.8 Zunehmende Instabilität und Anarchie in der zweiten Prokuratur 230
13.9 Eine Vielfalt von Provokateuren und Störenfrieden 232
13.9.1 Messianische Königsprätendenten 232
13.9.3 Der Fall Jesus ben Ananias 240
13.10 Ergebnis 243
14 DIE SOGENANNTEN ZEICHENPROPHETEN ODER "ACTION PROPHETS" 246
14.1 Die verschiedenen prophetischen Gruppen und ihre Führer 247
14.1.1 Theudas (44-46 n.Chr.) 247
14.1.2 Eine Gruppe von namenlosen Gestalten unter Felix (52-60 n.Chr.) 250
14.1.3 Der Prophet aus Ägypten (52-60 n.Chr.) 252
14.1.4 Ein namenloser Prophet unter Festus (60-62 n.Chr.) 255
14.1.5 Ein namenloser Prophet (70 n. Chr.) 256
14.1.6 Jonathan, ein Sikarier (um 72 n.Chr.) 257
14.2 Gemeinsame Charakteristika der Zeichenpropheten 260
14.2.1 Die Ankündigung von Zeichen 260
a) Der Begriff "Zeichen" im AT 261
b) Der Begriff "Zeichen" bei Josephus 261
c) Die "Zeichen" der Zeichenpropheten 262
14.2.2 Prophetische Führer und messianische Erwartungen 263
14.2.3 Die Rolle der Zeichenpropheten bei der Erwartung von Gottes Eingreifen 264
14.2.4 Das Verhältnis der Zeichenpropheten zum bewaffneten Widerstand 264
14.2.5 "Gaukler", "Betrüger" und "Falschpropheten" 266
14.2.6 Zahlenmässig ansehnliche Bewegungen 267
14.2.7 Volksbewegungen 268
14.2.8 Exodus aus den vorgegebenen Strukturen und hin zu geschichtsträchtigen Orten 269
14.3 Ergebnis 270
15 DER SAMARITANISCHE PROPHET (UM 35/36 N.CHR.) 271
15.1 Der beabsichtigte Zug auf den Garizim und seine Folgen 271
15.2 Das Nachspiel vor dem syrischen Legaten Vitellius 274
16 JOHANNES DER TÄUFER (27/28-29/30 N.CHR.) 276
16.1 Gestalt, Botschaft und Programm des Täufers 276
16.2 Der gewaltsame Tod des Täufers 278
16.3 Johannes der Täufer und Jesus 281
16.4 Ergebnis 282
17.2 Die Konflikte mit der jüdischen Elite 290
17.2.1 Konflikte auf dem Lande 290
17.2.2 Konflikte mit der jüdischen Behörde in Jerusalem 292
17.2.3 Tempelreinigung und Tempel wort im jüdischen Kontext 292
17.2.4 Die Angst vor Unruhen im Volk und vor Aufwiegelung 297
17.2.5 Volksverführung, Gotteslästerung und Hochverrat 298
17.3 Die Konflikte mit der römischen Besatzungmacht 300
17.3.1 König der Juden 300
17.3.2 Tempelreinigung und Tempelwort im römischen Kontext 304
17.3.3 Steuerverweigerung 304
17.5 Punkte der Kontinuität zwischen vor- und nachösterlicher Jesusgruppe 306
17.6 Die veränderte Perspektive nach Ostern 307
17.7 Die politisch-militärische Unbedrohlichkeit der Jesusbewegung 308
17.8 Die erstaunliche Ausbreitung der Jesusbewegung und des Christentums 309
18 DIE UNTERSCHIEDLICHEN REAKTIONEN DER RÖMISCHEN HERRSCHAFTS­ MACHTGEGENÜBER DEN PROPHETISCH-MESSIANISCHEN BEWEGUNGEN 310
18.1 Die massive militärische Reaktion gegen die Zeichenpropheten und den sama- ritanischen Propheten und ihre Bewegungen 310
18.2 Beschränkte Massnahmen gegen den Täufer und Jesus von Nazaret und ihre Bewegungen 311
19 ZUSAMMENFASSUNG 313
L.l.l Altes und Neues Testament 315
L.l.2 Ausserbiblische Quellen und Hilfsmittel 316
L.2 Spezialliteratur 329
5.4 Weitere Quellen 381
A DIE WEITERENTWICKLUNG DER POLITISCHEN STRATEGIEN VOM AUSGE­ HENDEN 1. JAHRHUNDERT AN
A.l Von den Flaviern zu den Severern: Die strategische Antwort auf neue Be­
dingungen
A. 1.1 Eine neue Sicherheits- und Grenzpolitik
A. 1.2 Neue Herausforderungen für die Armee
A. 1.3 Die Hauptaufgaben der römischen Armee von flavischer Zeit an
A.2 Die Krise des 3. Jahrhunderts n.Chr. und die neuen Strategien
B DIE RÖMISCHE ARMEE DER REPUBLIK: VON DER MILIZ- ZUR BERUFSARMEE
B. 1 Die Armee in der frühen Republik
B.2 Der Kampf um Italien und um die Vorherrschaft auf dem Mittelmeer
B.3 Die Gracchischen Armee-Reformen
B.4 Gaius Marius
B.5 Die zunehmende Bedeutung der auxilia und der wachsende Einfluss der Soldaten
B.6 Die neuen Feldherren: charismatische Führergestalten
B.7 Feldherren, Soldaten und Veteranen als neue Machtfaktoren in der Politik Roms
B.8 Soldaten und Veteranen in der Zeit zwischen Cäsar und Augustus
C DIE RÖMISCHE ARMEE DER KAISERZEIT: FAKTOREN DER LOYALITÄTS­ FÖRDERUNG UND IHRE FINANZIERUNG
C.l Sold
C. 1.3 Sold in der Prätorianergarde und den cohortes urbanae
C. 1.4 Sold und Abfindung in den cohortes Vigilicw
C.2 Altersvorsorge
C.2.2 Abfindungen für die Veteranen der Hilfstruppen
C.2.3 Das aerarium miliiare
C.5.2 Die Armeekosten als Hauptposten der Staatsausgaben
C.6 Privilegien
C.7 Auszeichnungen
C.8.1 Senatoren und Ritter
C.9 Strafen
D l Von Beruf Soldat
D.l.l Zulassung zur Armee
D.2 Dienstzeiten
D.5.1 Die Legion
D.5.2 Die Hilfstruppen
D.5.4 Bestand der römischen Armee
D.5.5 Die römische Flotte und ihre Stützpunkte
D.6 Training
D.8 Medizinische Versorgung
D. 10 Soldaten und Armee als Wirtschaftsfaktoren
D. 11 Die römische Heeresversorgung
D. 11.1 Die Versorgung der Armee mit Getreide
D. 11.2 Getreide für Soldat und Pferd
D. 11.3 Fleisch, Pelz- und Lederwaren
D. 11.4 Waffen aus Italien und den Provinzen
Inhaltsverzeichnis XXI
D. 12 Armee und Zivilstand: Ehe, Vaterschaft und Bürgerrecht
D. 13 Religion und Armee
D.13.1 Der Standartenkult
D. 13.3 Nichtoffizielle Gottheiten und Götter
D. 13.4 Der Kaiserkult in der Armee
l •: DIE AUSBEUTUNG DER PROVINZEN IN REPUBLIKANISCHER ZEIT
E. 1 Die Verelendung der Provinzen durch die Verschuldungsspirale
E.2 Erpressung. Korruption, Begünstigung: Alltag in den Provinzen
F RÖMISCHE STEUERN
F.2.2 Zölle
G DAS SCHWERTRECHT DER RÖMISCHEN STATTHALTER UND DIE IN JUDÄA
EINGESETZTEN LEGIONEN
G. 1 Präfekten und Prokuratoren der Provinz Judäa und das ius gladii
G.2 Die in den beiden Kriegen involvierten und in Judäa stationierten Legionen
H WEITERE KLIENTELFÜRSTEN AUS DEM HERODIANISCHEN GESCHLECHT IN PALÄSTINA
H. 1 Die lange Regierungszeit eines unauffälligen Klientelfürsten: Philippus als Tetrarch
H.2 Judäa unter Agrippa I.: ein kurzes Intermezzo als relativ autonomer Staat
H.3 Agrippa II.: Vasall im Dienste Roms und im Kampf gegen den sich abzeich­ nenden Aufstand
I
EINLEITUNG
Die bestimmende politische Grösse im Palästina' des 1. Jh.s n.Chr. war die Weltmacht Rom. Die römische Machtelite mit dem Kaiser bestimmte und reglementierte deshalb das Leben auch hier an der östlichen Peripherie des Imperiums. Aus römischer Sicht musste dieses Le­ ben auf die Stabilisierung der eigenen Herrschaft ausgelegt sein. Aktivitäten mit möglicher oder effektiver destabilisierender Wirkung waren auf allen Stufen der politischen Verant­ wortlichkeit aufmerksam zu verfolgen und nötigenfalls zu unterbinden. Somit wurde unter der Herrschaft der Römer im Palästina des I. Jh.s n.Chr. auch ein prophetisch-eschatologisches Wirken "stets als politisch brisant, ja sogar subversiv, sanktioniert, gerade weil es geeignet war, die Massen in Unruhe zu versetzen"2. Dieser Aussage ist klar zuzustimmen. Gleichzeitig stellt sich jedoch die Frage, wie das unterschiedlich harte Vorgehen der politischen Machtha­ ber gegen die einzelnen prophetisch-messianischen Bewegungen zu erklären ist. Wir können in diesem Zusammenhang davon ausgehen, dass sich in der Regel die Reaktion seitens der römischen Machthaber am Ausmass der Störung der öffentlichen Ruhe orientierte.5
Unter Bewegung verstehe ich mit Theissen "einen kollektiven Versuch, durch eine wachsende Anhängerschaft ein gemeinsames Ziel außerhalb etablierter Institutionen zu verwirklichen"4. Theissen zieht dabei die Definition von Giddens heran: "A social movement may be defined as a collective attempt to further a common interess or secure a common goal, through collec- tive action outside the sphere of established institutions.'" Mit dieser verbindet Theissen die Definition von Rammstedt. Gemäss Rammstedt ist eine soziale Bewegung "der Prozeß des Protestes gegen bestehende soziale Verhältnisse, der bewußt getragen wird von einer an Mit­ gliedern wachsenden Gruppierung"6. Solche Bewegungen können im Anschluss an Heberle und Fiensy auch als grössere Gruppen von Menschen verstanden werden (grösser als eine Grossfamilie und Mitglieder aus mehr als einem Weiler oder Dorf), deren Angehörige zur Mehrheit aus dem gewöhnlichen Volk stammen und über eine längere Zeit ein gemeinsames Programm verfolgen. Sie sind einerseits besser organisiert und strukturiert als etwa eine spontane Volksansammlung bei einem Protest. Andererseits unterscheiden sich derartige Be­ wegungen von politischen Parteien, die einen höheren Organisationsgrad aufweisen.7
Prophetisch-messianisch soll so verstanden werden, dass im Programm dieser Gruppen und Bewegungen sowohl prophetische wie auch messianische Züge feststellbar sind. Was das messianische Element betrifft, so kann mit Thoma festgehalten werden, dass der "Messias vielschichtig ... eine von Gott in der Entscheidungszeit für die Endzukunft nach Israel ge­ sandte Gestalt mit variierenden königlichen, priesterlichen und prophetischen Eigenschaften ist"8. Den Messias als eine allgemein verbindliche Gestalt eschatologischer Erwartungen gab es also zu keiner Zeit. Vielmehr begegnen als Gesalbte "Idealgestalten der Vergangenheit, das
"Palästina" ist bei Historikern und Geographen bis ins 1. Jh. n.Chr. zwar nicht durchgängig, aber doch vielfach bekannt als Landschaftsname ohne exakte Abgrenzung und ohne offizielle Bedeutung. Diese re­ lative Offenheit des Begriffs entspricht dem geographisch nicht eindeutig abgrenzbaren Wirkungsgebiet der prophetisch-messianischen Bewegungen wie auch dem wechselnden Umfang der Provinz Judäa und dem Einbezug derTetrarchien. insbesondere derjenigen von Herodes Antipas. Zum Begriff "Palästina" und seinem Verhältnis zur römischen Provinz Judäa vgl. Nolh. Palästina (1939) 125-144. sowie auch Keel - Küchler - Uehlinger. OLB I (1984) 279-285.
Egger, Crucifixus (1997) 191. Vgl. zum subversiven Charakter religiöser Aktivitäten im römischen Im­ perium auch Bowersock. Subversion (1990) 291-320. Zum Prinzip der Verhältnismässigkeit der eingesetzten Mittel s.u. Kap. 5.1. Jesusbewegung (2004) 99. Sociology ('1999)511 Bewegung (1986) 38.
Heberle. Social Movements (IESS XIV/1968) 438-444; Fiensy, Leaders of Mass Movements (1999) 3ff.
Redimensionierungen (1993) 216. Vgl. auch Thoma. Entwürfe (1992) 22f. und Messiasprojekt (1994) 132f.
2 Einleitung
Gottesvolk sowie eschatologische Gestalten (Laienführer, Hohepriester, Prophet)"g. Dabei ist der Messias eine "aus vielen Traditionen sowie aus verschiedenen sozialen und religiösen Erfahrungen gewonnene, gleichsam synthetische Entwurfsgestalt für das endgültig neue, bes­ sere und nicht zerbrechliche Zeitalter. Zu dieser mehrdeutigen und stets noch nicht abgerun­ deten Messiasauffassung werden wir durch die Hebräische Bibel und vor allem durch das nachbiblisch-frühjüdische Schrifttum hingeführt"'". Wie die Konkretionen solcher Erwartun­ gen im Programm der einzelnen Gruppen und Bewegungen aussahen, wird bei deren Dar­ stellung in Kap. 14-17 ersichtlich.
Zwei Fragekomplexe stehen im Zentrum der hier vorgelegten Arbeit: Woran misst sich ers­ tens der Grad einer Störung der öffentlichen, von Rom verordneten Ruhe und Ordnung in einem besetzten Land wie Palästina? Welches sind die Kriterien für die Bemessung der Härte des Eingreifens seitens der Machthaber? Natürlich spielen beim Eingreifen der Verantwortli­ chen immer auch subjektive Einschätzungen und Gründe eine Rolle. Trotzdem lässt sich ein unterschiedlich hartes Vorgehen etwa gegen Johannes den Täufer und Jesus einerseits und gegen die sog. Zeichenpropheten andererseits feststellen.
Ein zweiter Fragekomplex ist damit verbunden: Lassen solche Kriterien schliesslich auch Schlüsse darauf zu, welche Bewegungen Aussicht hatten, nach einer Konfrontation mit dem römischen Imperium noch weiter zu machen? Dazu gehören sicher nicht Gruppen oder Be­ wegungen, welche ihr eschatologisches Programm primär mit militärischen Mitteln zu ver­ wirklichen suchten. Denn eine militärisch angelegte Konfrontation mit Rom setzte die römi­ sche Kriegsmaschinerie mit ihrer eigenen Dynamik in Gang und führte in dieser Situation unweigerlich und unerbittlich zur eigenen Niederlage. Der Krieg von 66 bis 70 n.Chr. mit der Zerstörung Jerusalems und seines Zentralheiligtums sind beredte Zeugnisse für ein solches, gescheitertes Projekt. Solche Gruppen und Bewegungen sollen deshalb von der hier vorlie­ genden Untersuchung ausgeschlossen werden, denn die militärische Konfrontation mit dem römischen Imperium bedeutete den stärksten Angriff auf die römischen Sicherheitsinteressen und hatte im Falle solcher Gruppen keine Aussicht auf Erfolg. Im Zusammenhang mit der Si­ tuation in Palästina vor Ausbruch des Ersten Jüdischen Krieges werden diese Gruppen aller­ dings in einer kurzen Übersicht dargestellt. Denn als militante Antwort auf die besondere Besatzungssituation in Palästina sind sie Teil des gesellschaftlichen und religiösen Umfelds prophetisch-messianischer Bewegungen.
Die Erweiterung und Sicherung der römischen Herrschaft erfolgte auf verschiedenen strategi­ schen Ebenen: Auf der Ebene der Politik wurden diese Strategien als Wechselspiel von Di­ plomatie und Kriegsführung durchgesetzt. Auf weiteren Ebenen lassen sich administrative und finanzielle sowie religiöse und ideologische Strategien beschreiben.
Die römische Herrschaftspolitik liess sich daneben auch nur dank einer besonderen Gesell­ schaftsstruktur durchsetzen: diese Struktur definierte Rechte und…