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Riverside, der Smaragd unter den amerikanischen Städten Ein Reisebericht aus Kalifornien Von den ca. 110 Städtepartnerschaften zwischen Deutschland und den USA werden fast zwei Dutzend von bayerischen Kommunen gepflegt. Insgesamt gelten die Beziehungen allerdings eher als schwierig, weil in der Regel die amerikanischen Stadtverwaltungen keinerlei aktiven Anteil am Austausch nehmen – eine Erfahrung übrigens auch von Wladimir mit Bloomington-Normal, Illinois – und die Partnerschaftsvereine in der langfristigen Perspektive häufig überfordert sind. Eher sel- ten ist auch der Fall zu beobachten, wo amerikanische Städte die Initiative ergreifen. Nachdem im Vorjahr aus offenkundigem Mangel an Interesse seitens der amerikanischen Partner die Kooperation mit dem Greater Richmond District, Virginia, offiziell beendet wurde, reiste Ober- bürgermeister Siegfried Balleis in die USA mit dem Ziel zu erkunden, inwieweit eine Zusammenar- beit mit Riverside, Kalifornien, für Erlangen von Interesse sein könnte. Vom 5. bis 10. März hielt er sich deshalb in Begleitung von Marlene Wüstner, Referat für Umwelt und Recht, Thomas Schöck, Kanzler der Friedrich-Alexander-Universität, Prof. Dr. Andreas Falke, Leiter des Deutsch- Amerikanischen Instituts in Nürnberg und des Lehrstuhls für Auslandswissenschaften an der FAU, sowie des Partnerschaftsbeauftragten, Peter Steger, auf Einladung seines Kollegen Ronald O. Loveridge in Riverside auf, ca. 100 km südöstlich von Los Angeles gelegen. Vorab zu bemerken ist: Riverside pflegt – ein nicht alltägliches Phänomen in den USA – bereits seit über 50 Jahren in der Tradition von Präsident Dwight D. Eisenhower aktive bürgerschaftliche Kontakte zu sieben Städten in Japan, China, Mexiko, Ghana, Indien und Korea. Träger dieser in- tensiv gelebten Verbindungen sind ein Dachverband mit je einem Verein für jede ausländische Kommune sowie die Stadtverwaltung, die ein eigens Budget für internationale Beziehungen aus- weist. Auf Initiative von Karin Roberts, aus Österreich stammend und langjähriges Mitglied des Partnerschaftskomitees, begab sich Riverside vor zwei Jahren auf die Suche nach einer Kommune in Europa für einen Austausch im Geist der Volksdiplomatie. Angesprochen von ihr, im Brotberuf Geschäftsführerin eines gemeinnützigen Vereins, der sozialen Wohnungsbau fördert, schlug Tho- mas Stockmeier, selbst hier lebend, Erlangen als mögliche Partnerstadt vor. Unter Einschaltung von Andreas Falke und Thomas Schöck gelangte die Anfrage nach Kontakten aus Riverside an den Oberbürgermeister, und bereits im Februar 2010 besuchte Ronald O. Love- ridge mit einer kleinen Delegation Erlangen. Sehr rasch wurde klar, wie gut die beiden Städte zu- einander passen würden. Wozu ansonsten oft Jahre notwendig sind, gelang an einem Tag: Man verabredete erste Austauschprogramme für Naturwissenschaftler und vereinbarte für den August eine erste Reise für Schüler des Albert-Schweitzer-Gymnasiums nach Riverside, begleitet von Stadträtin Felizitas Traub-Eichhorn. Im Dezember 2010 kamen Karin Roberts und Lalit Acharya, persönlicher Mitarbeiter des Oberbürgermeisters und im Rathaus zuständig für Internationale Kon-

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Riverside, der Smaragd unter den amerikanischen Städten

Ein Reisebericht aus Kalifornien

Von den ca. 110 Städtepartnerschaften zwischen Deutschland und den USA werden fast zwei Dutzend von bayerischen Kommunen gepflegt. Insgesamt gelten die Beziehungen allerdings eher als schwierig, weil in der Regel die amerikanischen Stadtverwaltungen keinerlei aktiven Anteil am Austausch nehmen – eine Erfahrung übrigens auch von Wladimir mit Bloomington-Normal, Illinois – und die Partnerschaftsvereine in der langfristigen Perspektive häufig überfordert sind. Eher sel-ten ist auch der Fall zu beobachten, wo amerikanische Städte die Initiative ergreifen.

Nachdem im Vorjahr aus offenkundigem Mangel an Interesse seitens der amerikanischen Partner die Kooperation mit dem Greater Richmond District, Virginia, offiziell beendet wurde, reiste Ober-bürgermeister Siegfried Balleis in die USA mit dem Ziel zu erkunden, inwieweit eine Zusammenar-beit mit Riverside, Kalifornien, für Erlangen von Interesse sein könnte. Vom 5. bis 10. März hielt er sich deshalb in Begleitung von Marlene Wüstner, Referat für Umwelt und Recht, Thomas Schöck, Kanzler der Friedrich-Alexander-Universität, Prof. Dr. Andreas Falke, Leiter des Deutsch-Amerikanischen Instituts in Nürnberg und des Lehrstuhls für Auslandswissenschaften an der FAU, sowie des Partnerschaftsbeauftragten, Peter Steger, auf Einladung seines Kollegen Ronald O. Loveridge in Riverside auf, ca. 100 km südöstlich von Los Angeles gelegen.

Vorab zu bemerken ist: Riverside pflegt – ein nicht alltägliches Phänomen in den USA – bereits seit über 50 Jahren in der Tradition von Präsident Dwight D. Eisenhower aktive bürgerschaftliche Kontakte zu sieben Städten in Japan, China, Mexiko, Ghana, Indien und Korea. Träger dieser in-tensiv gelebten Verbindungen sind ein Dachverband mit je einem Verein für jede ausländische Kommune sowie die Stadtverwaltung, die ein eigens Budget für internationale Beziehungen aus-weist. Auf Initiative von Karin Roberts, aus Österreich stammend und langjähriges Mitglied des Partnerschaftskomitees, begab sich Riverside vor zwei Jahren auf die Suche nach einer Kommune in Europa für einen Austausch im Geist der Volksdiplomatie. Angesprochen von ihr, im Brotberuf Geschäftsführerin eines gemeinnützigen Vereins, der sozialen Wohnungsbau fördert, schlug Tho-mas Stockmeier, selbst hier lebend, Erlangen als mögliche Partnerstadt vor.

Unter Einschaltung von Andreas Falke und Thomas Schöck gelangte die Anfrage nach Kontakten aus Riverside an den Oberbürgermeister, und bereits im Februar 2010 besuchte Ronald O. Love-ridge mit einer kleinen Delegation Erlangen. Sehr rasch wurde klar, wie gut die beiden Städte zu-einander passen würden. Wozu ansonsten oft Jahre notwendig sind, gelang an einem Tag: Man verabredete erste Austauschprogramme für Naturwissenschaftler und vereinbarte für den August eine erste Reise für Schüler des Albert-Schweitzer-Gymnasiums nach Riverside, begleitet von Stadträtin Felizitas Traub-Eichhorn. Im Dezember 2010 kamen Karin Roberts und Lalit Acharya, persönlicher Mitarbeiter des Oberbürgermeisters und im Rathaus zuständig für Internationale Kon-

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takte, erneut nach Erlangen, besuchten eine Vielzahl von Einrichtungen und bekräftigen den Wunsch nach Zusammenarbeit.

Die Erlanger Delegation wurde in Riverside mit seinen 300.000 Einwohnern – sicher auch dank dem gelungenen Auftakt mit dem Schüleraustausch – wie bei alten Freunden mit großer Gast-freundschaft aufgenommen. Das umfangreiche Arbeitsprogramm, vielfach parallel gestaltet, um die verschiedenen Themen alle zeitgleich behandeln zu können, lief dank einer hervorragenden Vorbereitung ausgesprochen effektiv ab. Bereits jetzt – noch bevor auch nur eine Absichtserklä-rung abgeschlossen wurde – hat Karin Roberts ein Dutzend Ehrenamtlicher um sich geschart, die mit begeisterndem Elan das Programm begleitet und die Gäste betreut haben. Lalit Acharya zeigte einen gewaltigen Zeiteinsatz, und der Oberbürgermeister ließ den neuen Freunden größte Auf-merksam zuteil werden: Kein Abend, an dem er nicht den Besuchern die Ehre erwiesen hätte, ganz abgesehen von den vielen offiziellen Terminen, zu denen er erschien.

Um bei den protokollarischen Anlässen zu bleiben: Die Delegation war zu einer Sitzung des Stadt-rates geladen, wo Siegfried Balleis die Gelegenheit erhielt, über seine Eindrücke zu sprechen; für die Gäste richtete man einen Empfang in der Beletage des Rathauses aus, zu dem die Honoratio-ren der Stadt geladen waren; Ronald O. Loveridge schließlich besprach mit den Besuchern in sei-nem Dienstzimmer Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit dem Ziel einer Bürgerpartnerschaft. Bei all diesen Terminen waren lokales Fernsehen und Zeitung vertreten und interviewten die Gäs-te. Nicht zu übersehen also, welch großes öffentliches Interesse der Besuch weckte.

An augenfälligen Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit bietet sich eine breite Palette, da die Städte in unerwartet vielen Bereichen gleiche Ziele verfolgen. Die Aufzählung erhebt keinen An-spruch auf Vollständigkeit:

Umweltschutz: Riverside nennt sich „Green City“ und trägt wegen seiner außergewöhnlich kon-sequenten ökologischen Ausrichtung als erste Stadt Kaliforniens den Titel „Emerald City – Sma-ragd-Stadt“. Die Recycling-Quote liegt bei über 80%, alle Haushalte praktizieren Mülltrennung; als eine der ersten amerikanischen Städte hat Riverside Fahrradstreifen (aber noch keine Radwege und kaum Stellplätze) eingeführt, wovon sich die Delegation bei einer zweistündigen Tour mit ca. 40 Mitgliedern des Bike-Klubs überzeugen können; es gibt Institute, die in der Umweltverfahrens-technik landesweit an der Spitze stehen; die Stadtwerke sind für die beispielhafte Sauberkeit („cle-an and green“) der Straßen und Plätze zuständig, sammeln den vorsortierten Müll, liefern Strom, setzen auf Geothermie und Solartechnik, sind aber auch am Hoover-Wasserkraftwerk und an AKWs beteiligt, achten auf ein kluges Wassermanagement und planen sogar, für die Bewässerung aufbereitetes Abwasser einzusetzen, um damit den Grundwasserspiegel wieder zu heben, wo frü-her bis zu 50% im maroden Leitungssystem verloren gingen; der privat geführte ÖPNV setzt aus-

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schließlich Erdgas-Busse ein und befördert die bis zu 100.000 Schüler und Studenten kostenlos, während eine „Metro“ genannte S-Bahn bis nach Los Angeles führt; die Stadt unterhält 45 Parks und Grünflächen; bei Neubauten und Großprojekten setzt man zunehmend auf Umweltverträglich-keit, die in Kalifornien ohnehin gesetzlich besser verankert ist als in den übrigen Staaten; Riversi-de, wo es sogar den ersten „Öko - McDonald“ gibt, hat in den USA und international bereits wichti-ge Auszeichnungen für seine Nachhaltigkeit erhalten. In den letzten acht Jahren wurden dank ei-nem städtischen Programm 100.000 Bäume neu gepflanzt. Die Beiträge von Marlene Wüstner stießen auf großes Interesse: In allen Bereichen will man von Erlangen lernen und eigene Erfah-rungen zur Diskussion stellen.

Wissenschaft: Riverside hat drei Universitäten. Aus Zeitgründen konnte die Delegation nur die UCR (University of California Riverside) mit ihren knapp 20.000 Studenten besuchen, die zurück-geht auf eine landwirtschaftliche Forschungseinrichtung auf der Basis des hier früher intensiv be-triebenen Anbaus von Zitrusfrüchten. Vor allem in den Natur- und Ingenieurswissenschaften zeichnen sich große Potentiale für eine Zusammenarbeit mit der FAU ab, aber auch die Geistes-wissenschaften stehen da nicht zurück. Thomas Schöck und Andreas Falke stellten nicht nur die FAU mit ihren Möglichkeiten vor, sondern warben auch für eine Zusammenarbeit. Beide besuchten überdies den Riverside Community College Campus und zeigten sich tief beeindruck von den Möglichkeiten für den wissenschaftlichen Austausch. Einige deutsche Gaststudenten sagten zu, Erfahrungsberichte zu senden, um Kommilitonen an der FAU ein Studium in Riverside schmack-haft zu machen. Von besonderer Bedeutung: Via Riverside erhält man den Zugang zu allen übri-gen Filialen der University of California – bis hin zum Stammsitz in Berkeley. Dazu ein Zitat von Richard Schrock, Alumnus der UCR und Träger des Nobelpreises für Chemie 2005: „Ich wurde von der UC Berkeley angenommen, entschied mich dann aber für die UCR mit ihrem relativ neuen Campus, weil ich glaubte, eine kleinere Uni würde mir schon zu Beginn meiner Kariere erlauben, mehr unabhängige Forschung zu betreiben. Ich fand mich in dieser Annahme bestätigt.“ Wichtig: 2012 beginnt die UCR mit dem Bau einer Medical School, womit dann auch im medizinischen Be-reich der Austausch mit der FAU wird laufen können. Im jüngsten Ranking der britischen Zeitschrift „Times Higher Education“ wird die UCR auf Platz 113 der 200 besten Universitäten der Welt ge-listet.

Wirtschaft: Schon im Vorfeld des Besuchs versicherte Dr. Lucie Merkle, Leiterin der Vertretung des Bayerischen Wirtschaftsministeriums in San Francisco, man habe mit Riverside eine ausge-zeichnete Wahl getroffen. Viel zu wenige Politiker und Wirtschaftsvertreter täten einen Blick auf diese Region, die meisten konzentrierten sich auf den Norden des Staates. Dabei entwickle sich gerade der Raum im Osten von Los Angeles mit großen Aussichten vor allem in den Bereichen Medizin, Bio- und Umwelttechnologie. Auch Generalkonsul Wolfgang Drautz, der eigens zu der Präsentation der Metropolregion von Siegfried Balleis nach Riverside angereist kam, bestätigte

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dies: Viel zu wenige Delegationen fänden den zugegeben weiten, aber lohnenden Weg hierher und überließen den Markt asiatischen Konkurrenten. Er würde deshalb eine Aufnahme offizieller Kontakte gerne unterstützen und fördern. Erfreulich für die Gäste bei dem Besuch einer Privatkli-nik: Das gesamte höherwertige technische Gerät wie MRT, CT und PET stammt von der Siemens AG. Die IHK Riverside mit fast 80% freiwilligen (!) Mitgliedern aus dem Mittelstand interessiert sich intensiv für die in Erlangen praktizierte Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft sowie für das Modell des IZMP und des Gründerzentrums. Thema ist darüber hinaus das duale System. Man selbst habe bereits vier Gründerzentren organisiert, veranstalte Schülerwettbewerbe in den Naturwissenschaften, betreibe die Förderung von Mädchen und forciere den Technologietransfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft. In den letzten fünf Jahren seien sieben größere Firmen aus dem Hochschulbereich heraus gegründet worden, den man im Übrigen als wichtigen Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor schätze. Nebenbemerkung: 40% aller Importe der USA werden im Hafen von Los Angeles angelandet und via Riverside per Bahn transportiert. Alle acht Minuten durchquert Riverside ein oft bis zu 100 Waggons langer Güterzug Richtung Osten. Das Wirtschaftsblatt Exe-cutiv Outlook Magazine führte Riverside 2010 unter den 25 Spitzenstädten in den USA hinsichtlich der ökonomischen Entwicklung und Perspektive. Medizin: In unmittelbarer Nachbarschaft von Riverside, in Moreno Valley, soll die erste Medizin-stadt der USA entstehen. Das Projekt ähnelt in vielerlei Hinsicht dem Erlanger Röthelheimpark, sieht aber eine Fläche von zehn Quadratkilometer vor – mit bis zu 30.000 Arbeitsplätzen. Der Ent-wickler, Donald Ecker, will die Erfahrungen Erlangens nutzen und erhofft sich eine enge Koopera-tion mit Medical Valley. Überhaupt ist der Tenor der vielen Gespräche zum Thema Medizin: Unser Gesundheitssystem hat abgewirtschaftet, leistet zwar viel in der Spitzenklasse, bietet aber zu we-nig für die Mittelschicht und die unteren Einkommen. Man sieht Deutschland da zunehmend als Vorbild – bis hin zur Ausbildung von Allgemein- und Fachärzten.

Politik: Der Stadtrat setzt sich aus sieben Mitgliedern zusammen, die jeweils einen der sieben Stadtteile, „ward“ genannt, vertritt und spricht sich – vom Oberbürgermeister und dem City Mana-ger ganz zu schweigen – bei kaum erkennbaren ideologischen Grenzen zwischen Republikanern und Demokraten einmütig für eine Partnerschaft mit Erlangen aus. Man habe die vielen Gemein-samkeiten eingehend studiert und wünsche sich eine möglichst umfassende Zusammenarbeit. Alle Gesprächspartner verweisen auf einen wichtigen Umstand: Durch die bereits mehr als fünfzigjähri-ge Tradition der Städtepartnerschaften und dank dem Partnerschaftskomitee werde auch der im nächsten Jahr gewählte Nachfolger des Demokraten Ronald Loveridge an den internationalen Kontakten festhalten. Der Haushalt von Riverside weist ein leichtes Profizit aus, freilich nur schön-gerechnet durch Anleihen in Höhe von fast 1,3 Mrd. Dollar, ein Euphemismus für Schulden. Den-noch: Riverside erhält im Rating die Note AA-. Deutsche in Riverside: Über die Jahre haben sich viele Deutsche in Riverside niedergelassen, einer von ihnen seit 1962 hier wohnhaft, hat 1954 am Fridericianum Abitur gemacht. Diese „Ge-meinde“ würde eine Partnerschaft in jeder Hinsicht bereichern und unterstützen.

Weitere Anmerkungen:

Soziales: Riverside erhebt den Anspruch, führend in den USA im Bereich der Inklusion zu werden. Dieses Leitbild ist überall in der Stadt zu finden. Was die Integration angeht, beweist die Stadt be-reits mit einem Bevölkerungsanteil von 60% Latinos, vor allem aus dem keine 100 km entfernten

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Mexiko stammend, große Leistungen. Mehr als 120 Sprachen kann man auf den gepflegten Stra-ßen und Plätzen hören. In Riverside gibt es eine von nur drei Internaten mit angeschlossenem Gymnasium für die indigene Bevölkerung, die in der Nähe der Stadt auch Reservate hat und dort u.a. Kasinos betreibt. Anderen Kulturen begegnet man in Form von kunstvoll in die Fußgängerzo-ne eingebundenen Skulpturen etwa von Mahatma Gandhi und dem koreanischen Unabhängig-keitskämpfer Dosan Ahn Chang Ho oder Martin Luther King. Menschen wie Karin Roberts küm-mern sich mit der Organisation Habitat for Humanity um Familien am Rand einer Gesellschaft, die bei allem Erfolg auch ihre Schattenseiten hat.

Kultur: Mit dem Fox-Theater, wo der Film „Vom Winde verweht“ uraufgeführt wurde, verfügt Ri-verside über eine große Aufführungsstätte mit 1.600 Plätzen. Das Mission Inn, 1870 bei der Stadt-gründung aufgebaut, fungiert als das führende Hotel mit eigenem Museum, Kapellenbau und einer Gesamtarchitektur im Stil des Eklektizismus, der immer wieder neue Entdeckungen bietet. Es gibt darüber hinaus drei weitere Museen, besonders erwähnenswert dabei das Museum of Pho-tography der UCR mit einer einmaligen Sammlung von Photoapparaten, das auch anspruchsvolle Ausstellungen bietet. Des Weiteren gibt es einen Kunstverein, eine Autorengruppe und ein Pro-grammkino mit hohem Anspruch sowie eine Reihe von Theaterensembles. Eine große Rolle im öffentlichen Leben spielen Service-Klubs wie Rotary, Lions oder Soroptimist International, die auch in Erlangen stark vertreten sind.

Kirchen: Die Stadt zählt ca. 300 Kirchen aller Konfessionen und Religionen. Es gibt zwar wegen der strengen Trennung zwischen Staat und Kirche keine Gespräche in der Art, wie sie von der Erlanger Stadtspitze geführt werden, aber das interreligiöse Klima wird als tolerant beschrieben.

Öffentliche Sicherheit: Die Kriminalitätsrate liegt deutlich unter dem Landesdurchschnitt. Vanda-lismus oder auch nur Graffiti sind nirgendwo zu beobachten, weil man in Riverside den Anfängen wehrt bzw. entsprechende Spuren sofort beseitigt, um Nachahmung auszuschließen.

Landschaft und Natur: Ungeachtet der für Kalifornien typischen Zersiedlung sind gerade zwi-schen Los Angeles und Riverside noch weite Flächen als Naturschutzgebiete mit großen Vorkom-men von Wild – Kojote, Puma, Bär, Kondor, Adler, Klapperschlange, Hirsch u.a. – ausgewiesen. Die Stadt selbst ist von Gebirgen umschlossen und liegt in einem reizvollen Kessel am Ana-River, der wegen der starken Nutzung durch die Landwirtschaft allerdings das Meer nicht erreicht. River-side selbst bezieht sein Trinkwasser aus Quellen am San Bernadino, die bereits von den Gründer-vätern gekauft wurden und heute einen regelrechten Schatz darstellen, den man hüten und nicht über Gebühr nutzen will. Es herrscht ein trockenes Wüstenklima mit z. T. starken Winden von den Gebirgen her. In den Bergen ist von Dezember bis Februar Wintersport möglich.

Geschichte: Der erst 1870 von John North, einem Freund von Abraham Lincoln und Gegner der Sklaverei, an einem früheren Indianerlagerplatz gegründete Ort nahm seinen Aufschwung mit dem Anbau von Zitrusfrüchten, die noch heute im angrenzenden Orange-County eine entscheidende Rolle spielen. Wegen des hohen Wasserverbrauchs hat man sich von dem Anbau, der Riverside 1895 das größte Pro-Kopf-Einkommen der USA beschert hatte, weitgehend verabschiedet, be-treibt aber nach wie vor Forschungsstätten unter der Regie der UCR, die unlängst eine neue Sorte, „Tango“ genannt, gezüchtet hat, welche gerade vor der Markteinführung steht. All diese Sorten – 1.500 an der Zahl - sind patentiert und tragen der UCR jährlich Millionenbeträge ein, wichtig für die finanzielle Grundlage der Hochschule. Riverside war bis Mitte der 50er Jahre eine Art Fluchtburg der Stars aus dem nahen Hollywood, die für ein paar Tage der Öffentlichkeit entgehen wollten,

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zugleich aber stand und steht es hoch im Kurs für Erholungssuchende auch aus der Politik. Sieben US-Präsidenten – von Richard Nixon über John F. Kennedy bis hin zu George Bush sen. – stiegen schon im Mission Inn ab.

Einladungen bzw. weiterführende Kontakte: Wegen des großen Interesses an der Zusammen-arbeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit hat Oberbürgermeister Siegfried Bal-leis für den 22. Oktober eine Delegation zur Langen Nacht der Wissenschaft eingeladen. Kommen wollen noch in dem Jahr darüber hinaus Donald Ecker und eine Gruppe der IHK Riverside, beglei-tet von Gordon Bourns, dessen seit fast 65 Jahren in Familienbesitz befindliches, weltweit tätiges Unternehmen mit 3.500 Beschäftigten und einer Niederlassung in Sauerlach bei München ein ei-genes Ingenieurswissenschaftlichen College an der UCR unterhält. Angemeldet hat sich auch der Radklub Riverside, der Kontakte zum ADFC sucht und selbst zu Touren einlädt. Interesse bekun-den des weiteren Leichtathleten. Informationen über den Kunstverein, das Theaterfestival Arena und andere kulturelle Veranstaltungen Erlangens mit internationalem Gepräge wurden zugesagt. Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit lassen sich besonders auch für die Agenda 21 erkennen.

Resümee: Spätestens bei dem Vortrag von Siegfried Balleis über die Metropolregion, den deutlich über einhundert Gäste mit großer Begeisterung verfolgten, wurde klar, wie gut der Boden in River-side für eine Partnerschaft auf Augenhöhe bereitet ist. Partnerschaftskomitee, Stadtverwaltung, UCR, IHK und all die anderen Organisationen werben mit großem Einsatz um die Partnerin aus Deutschland. Neben all den offenkundigen wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Vorteilen er-scheint die Zusammenarbeit in Medizin und Umwelt als besonders reizvoll. Eine Zusammenarbeit mit Riverside bietet die einmalige Chance, den Schulen, aber auch der FAU und der Bürgerschaft insgesamt die immer wieder angefragten zusätzlichen Austauschmöglichkeiten mit dem englisch-sprachigen Ausland anzubieten. Alle Voraussetzungen für eine echte Bürgerpartnerschaft sind nachgerade exemplarisch gegeben, und im direkten Umgang von Politik bis Wirtschaft macht die Lingua franca Englisch das langwierige Übersetzen mit all seinen Gefahren der Ungenauigkeit und der zeitlichen Verzögerung den Kontakt unmittelbar und leicht, leichter als mit allen übrigen beste-henden Partnerschaften, von Jena einmal abgesehen. Sogar sein Spanisch kann man in Riverside gut üben, wenn man nicht ohnehin von da einmal einen Ausflug nach Mexiko unternehmen will.

PS, 18.03.11