Röntgenfernaufnahmen bei 6 m Fokusplattendistanz und ihre Bedeutung für die Geburtshilfe

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(Aus der Frauenklinik des Stadtkrankenhauses Friedrichstadt, Dresden. Direktor: Prof. Albert.) R6ntgenlernaufnahmen bei 6 m Fokusplattendistanz und ihre Bedeutung fiir die GeburtshUfe. Von Prof. Albert. In einem gleichbetitelten Aufsatz im Arch. Gyn~k. 142, 2 setzt sich Wahl dafiir ein, I~Sntgenaufnahmen zur exakten Messung yon Becken und kindlichem Kopf w~hrend der Schwangerschaft bei 6 m Fokus- plattcndistanz zu machcn. Es ist ihm ohne weiteres zuzustimmen, dab be~ so wcit gew~hlter Entfcrnung des Fokus der l~SntgcnrShre yon der Platte Bi]der auf die Platte kommen, welche der natiirlichen GrSfte des Bcckens und des kindliehen Sch~dels entsprechen, und das ist als ein Fortschritt auf diesem Gebiete anzuerkennen. Es fragt sich abcr, ob wir durch diesen Fortschritt in der Darstellung eines l~Sntgenbildes natiir]icher GrSfte cinch Gewinn fiir die praktische odor klinische Ge- burtshilfe erreichen kSnnen. Schon die Erfahrung ]ehrt, dal] besondcrs bci Erstgeb~rcnden mit wesentlich vcrengtcn Becken h~ufiger spontane Geburten vorkommen ~ls bci Mehrgeb~renden, und das liegt an der meist viel bcdeutenderen Konfigurationsf~higkeit der KSpfe Erstgcborener und sicherlich weniger daran, dab die KSpfe Erstgcborener durchschnittlich kleiner sind als die KSpfe Zweit- oder Drittgeborcner. Zur Feststellung der genauen GrSl~e des kindlichen Kopfcs braucht man aber keine RSntgenaufnahme, sondern hier mul~ die Erfahrung, die digitale Untersuchung und der Verlauf der Geburt im cinzelnen Falle Aufschlul~ geben. Zum zweiten gibt die RSntgenaufn~hme die ,,Einstellung" des Kopfes nut in grober Form in bezug auf Hinterhaupts-, Vorderhaupts-, Stirn- oder Gcsichts- lagc zu crkennen, Feinhciten, d.h. geringere Abweichungen von dcr normalen Einstellung kOnncn nur durch digitalc Untcrsuchung nach- gewicscn werden; im besonderen denke ich hierbei auch an solche F~l]e, wo durch st~rkere Verlagerung des Fundus uteri nach links oder rechts die Geburt dadurch ins Stocken ger~t, d~l~ der tiefste Tell des Kopfes, also meistens das Hinterhaupt, wenn es noch nicht in den Beckenein- gang eingetreten ist, auf cine Seitc des Beckens w~hrend der Wehe an-

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(Aus der Frauenklinik des Stadtkrankenhauses Friedrichstadt, Dresden. Direktor: Prof. Albert.)

R6ntgenlernaufnahmen bei 6 m Fokusplattendistanz und ihre Bedeutung fiir die GeburtshUfe.

Von Prof. Albert.

In einem gleichbetitelten Aufsatz im Arch. Gyn~k. 142, 2 setzt sich Wahl dafiir ein, I~Sntgenaufnahmen zur exakten Messung yon Becken und kindlichem Kopf w~hrend der Schwangerschaft bei 6 m Fokus- plattcndistanz zu machcn. Es ist ihm ohne weiteres zuzustimmen, dab be~ so wcit gew~hlter Entfcrnung des Fokus der l~SntgcnrShre yon der Platte Bi]der auf die Platte kommen, welche der natiirlichen GrSfte des Bcckens und des kindliehen Sch~dels entsprechen, und das ist als ein Fortschritt auf diesem Gebiete anzuerkennen. Es fragt sich abcr, ob wir durch diesen Fortschritt in der Darstellung eines l~Sntgenbildes natiir]icher GrSfte cinch Gewinn fiir die praktische odor klinische Ge- burtshilfe erreichen kSnnen.

Schon die Erfahrung ]ehrt, dal] besondcrs bci Erstgeb~rcnden mit wesentlich vcrengtcn Becken h~ufiger spontane Geburten vorkommen ~ls bci Mehrgeb~renden, und das liegt an der meist viel bcdeutenderen Konfigurationsf~higkeit der KSpfe Erstgcborener und sicherlich weniger daran, dab die KSpfe Erstgcborener durchschnittlich kleiner sind als die KSpfe Zweit- oder Drittgeborcner. Zur Feststellung der genauen GrSl~e des kindlichen Kopfcs braucht man aber keine RSntgenaufnahme, sondern hier mul~ die Erfahrung, die digitale Untersuchung und der Verlauf der Geburt im cinzelnen Falle Aufschlul~ geben. Zum zweiten gibt die RSntgenaufn~hme die ,,Einstellung" des Kopfes nut in grober Form in bezug auf Hinterhaupts-, Vorderhaupts-, Stirn- oder Gcsichts- lagc zu crkennen, Feinhciten, d.h. geringere Abweichungen von dcr normalen Einstellung kOnncn nur durch digitalc Untcrsuchung nach- gewicscn werden; im besonderen denke ich hierbei auch an solche F~l]e, wo durch st~rkere Verlagerung des Fundus uteri nach links oder rechts die Geburt dadurch ins Stocken ger~t, d~l~ der tiefste Tell des Kopfes, also meistens das Hinterhaupt, wenn es noch nicht in den Beckenein- gang eingetreten ist, auf cine Seitc des Beckens w~hrend der Wehe an-

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geprel~t wird und dadurch nicht ins Beckon eintreten kann bei sonst vSllig normalen GrSBenverh~ltnissen. Die Erkennung soleher Zust~ndo kann dutch die genaue ~ul~ere Untersuchung einfach und sieher erreicht werden, aueh hierzu ist eine RSntgenaufnahme wenigstens nieht nStig.

Am Mlerwenigsten aber kann uns eine RSntgenaufnahme belehren fiber die Kra/t der Wehen und fiber die Stra//heit der Weiehteile der Ge- burtswege, und diese beiden wesentlichen Faktoren der Geburt sind es doch, yon welehen der Geburtsverlauf au~erordentlich abh~ngig ist und welehe in ihrer Wirkung aussch]ie~lich yon dem Geburtshelfer beurteilt werden kSnnen.

Ich komme also zu dem Schlui~, dM~ die komplizier~e und sieher ~ul~erst kostspielige ROntgenfernaufnahme nach Wahl nieht notwendig ist, dab vielmehr die einfachere Beckenmessung nach Martius, Guth- mann und mir geniigend gute ]~esultate ergibt, wenigstens in denjenigen F~llen, w o die klinische Diagnosenstellung hinsichtlich der GrSl~en- verh~ltnisse des Beckens und des kindliehen Kopfes versagen kann, also bei sehr fettreichen und straffen Bauehdeeken, bei Hydramnion, bei Quer- und SteiBlagen, bei vermut]iehen Zwillingen. Daraus geht auch hervor, dal~ man eine RSntgenaufnahme bei Schwangeren nur sehr selten notwendig braucht.

Zuletzt mSehte ich meine Priorit~t in der Beckenmessung durch RSntgenaufnahmen feststellen: meine erste Ver5ffentlichung soleher nahezu vollkommen exakter Messungen braehte ich gelegentlich des Berliner Gyn~kologenkongresses 1899 zur ErSrterung, zeigte auch die h6chst einfache Apparatur, welehe nur dazu dient, den genauen Abstand des oberon Randes der Symphyse yon der Platte bei halbsitzender Lagerung der Schwangeren zu messen; es stammt also auch die yon Wahl als Martiussche Sitzaufnahme bezeiehnete Lagerung der Schwan- geren, welche Martius selbst die ,,Albertsche" genannt hat, yon mir. Mit dieser einfachen Apparatur lassen Sich bei entspreehender Lagerung der Schwangeren - - heute viel besser a]s vor 32 Jahren - - Messungen erzie]en, welche fiir die Praxis als hinreichend genaue bezeiehnet werden mfisseIl.