Rohstoffe für Handys und Co.: Zinnabbau in Indonesien I · 2 Zinnabbau in Indonesien Rund 90 % des...

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In Indonesien, dem Land mit der zweitgrößten Förder- menge von Zinn, wird es vor allem aus Sedimenten gewon- nen. Schätzungen zufolge stammte im Jahr 2015 etwa 17 % des weltweit abgebauten Zinns aus Indonesien. Die Men- ge an abgebautem Zinn in Indonesien ist im Jahr 2015 im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Ursächlich hier- für war, dass Indonesiens Hauptabnehmer China in den letzten Jahren zunehmend auf Zinn aus Burma umgestie- gen ist. Zinn-Produzenten in Indonesien versuchten, den gesunkenen Preis durch einen Stopp der Zinnproduktion wieder steigen zu lassen, hatten damit aber wenig Erfolg. Rohstoffe für Handys und Co.: Zinnabbau in Indonesien I m Durchschnitt befindet sich etwa 1 Gramm Zinn in einem Smartphone. Teilweise stammt dieses aus Indonesien. Dort, auf den „Zinnin- seln“ Bangka und Belitung, verwandelt der Zinnab- bau Regenwälder und Felder in zerklüftete Krater- landschaften. Immer wieder werden Menschen in den Zinnminen verschüttet. Der Abbau am Meeres- boden zerstört wertvolle Korallenriffe und gefährdet die Existenz zahlreicher Fischer. Die Bedeutung von Zinn für das Handy Zinn ist im Handy als Lötzinn enthalten. Jedes kleine Bauteil ist auf die Leiterplatte mit einer winzigen Men- ge Zinn aufgelötet. Man erkennt Zinn an den silbrigen Ansatzstellen. Zinn hat eine niedrige Schmelztempera- tur. So kann es beim Löten zwischen die nicht so schnell schmelzenden Metallteile und die Kupferschicht der Leiterplatte fließen und eine feste, stromleitende Ver- bindung herstellen. Der Rohstoff Zinn Zinn ist ein silberweißes Metall, das in der Natur vor al- lem in Form von Zinndioxid, dem Mineral Kassiterit, vor- kommt. Kassiterit kann sowohl in festem Gestein als auch in Sedimenten wie Sand oder Kies angereichert sein. Zinn wird in der Produktion von Konservendosen, in der chemi- schen Industrie, für Legierungen oder als Lötzinn für Elek- trogeräte wie z.B. Handys eingesetzt. Foto: Ericsson/Flickr.com Abbau von Zinn weltweit Abbaumengen 2014 Geschätzte in Tonnen Abbaumengen 2015 in Tonnen Australien 7.210 7.000 Bolivien 19.900 20.000 Brasilien 14.700 17.000 Burma 25.000 30.000 China 96.000 100.00 Kongo 6.400 6.400 Indonesien 76.000 50.000 Malaysia 3.780 3.800 Nigeria 2.800 2.800 Peru 23.100 22.500 Ruanda 4.200 3.700 Vietnam 5.400 5.400 Andere Länder 1340 1500 Gesamtmenge 286.000 294.000 Quelle: USGS 2016: 175

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In Indonesien, dem Land mit der zweitgrößten Förder-menge von Zinn, wird es vor allem aus Sedimenten gewon-nen. Schätzungen zufolge stammte im Jahr 2015 etwa 17 % des weltweit abgebauten Zinns aus Indonesien. Die Men-ge an abgebautem Zinn in Indonesien ist im Jahr 2015 im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Ursächlich hier-für war, dass Indonesiens Hauptabnehmer China in den letzten Jahren zunehmend auf Zinn aus Burma umgestie-gen ist. Zinn-Produzenten in Indonesien versuchten, den gesunkenen Preis durch einen Stopp der Zinnproduktion wieder steigen zu lassen, hatten damit aber wenig Erfolg.

Rohstoffe für Handys und Co.: Zinnabbau in Indonesien

Im Durchschnitt befindet sich etwa 1 Gramm

Zinn in einem Smartphone. Teilweise stammt

dieses aus Indonesien. Dort, auf den „Zinnin-

seln“ Bangka und Belitung, verwandelt der Zinnab-

bau Regenwälder und Felder in zerklüftete Krater-

landschaften. Immer wieder werden Menschen in

den Zinnminen verschüttet. Der Abbau am Meeres-

boden zerstört wertvolle Korallenriffe und gefährdet

die Existenz zahlreicher Fischer.

Die Bedeutung von Zinn für das Handy

Zinn ist im Handy als Lötzinn enthalten. Jedes kleine Bauteil ist auf die Leiterplatte mit einer winzigen Men-ge Zinn aufgelötet. Man erkennt Zinn an den silbrigen Ansatzstellen. Zinn hat eine niedrige Schmelztempera-tur. So kann es beim Löten zwischen die nicht so schnell schmelzenden Metallteile und die Kupferschicht der Leiterplatte fließen und eine feste, stromleitende Ver-bindung herstellen.

Der Rohstoff Zinn

Zinn ist ein silberweißes Metall, das in der Natur vor al-lem in Form von Zinndioxid, dem Mineral Kassiterit, vor-kommt. Kassiterit kann sowohl in festem Gestein als auch in Sedimenten wie Sand oder Kies angereichert sein. Zinn wird in der Produktion von Konservendosen, in der chemi-schen Industrie, für Legierungen oder als Lötzinn für Elek-trogeräte wie z.B. Handys eingesetzt.

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Abbau von Zinn weltweit

Abbaumengen 2014 Geschätzte in Tonnen Abbaumengen 2015 in Tonnen Australien 7.210 7.000Bolivien 19.900 20.000Brasilien 14.700 17.000Burma 25.000 30.000China 96.000 100.00Kongo 6.400 6.400Indonesien 76.000 50.000Malaysia 3.780 3.800Nigeria 2.800 2.800Peru 23.100 22.500Ruanda 4.200 3.700Vietnam 5.400 5.400Andere Länder 1340 1500Gesamtmenge 286.000 294.000

Quelle: USGS 2016: 175

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Zinnabbau in Indonesien

Rund 90 % des indonesischen Zinns stammt von den Inseln Bangka und Belitung. Zinn wird dort sowohl an Land als auch auf dem Meeresboden abgebaut.

Der Abbau an Land

Der Abbau von Zinn an Land verwandelt die mit Feldern und Regenwald bewachsenen Inseln in eine durch Kra-ter gespickte Landschaft mit grauem, sandigem und saurem Boden. Auch robuste Pflanzen haben Schwie-rigkeiten, auf dem zerstörten Boden wieder zu wach-sen. Mancherorts wird das Trinkwasser knapp. Das un-fruchtbar gewordene Land macht es Familien schwer, ihr eigenes Gemüse anzubauen. ÄrztInnen vermuten zudem, dass die angestiegene Zahl von Malariafällen mit den vielen verlassenen Minen zusammenhängt: Das

stillstehende Wasser in den Minen wird zur Brutstätte für Malariamücken.

Um bei den großen Unternehmen des Zinnbergbaus wie PT Timah zu arbeiten, kommen die Menschen auch aus den Nachbarregionen. Viele vor Ort geben ihren Beruf als FarmerIn oder FischerIn auf und bemühen sich auf eigene Faust, vom Zinn zu profitieren: Allein oder in kleinen Gruppen graben sie in Minen, die von den großen Unternehmen bereits verlassen wurden. Es mangelt an Kontrollen, um diesen illegalen Abbau zu unterbinden. Besonders gefährlich wird es, wenn die ArbeiterInnen mit bloßen Händen und Spitzhacken am Grund der einsturzgefährdeten Gruben arbeiten. Den Polizeistatistiken von Bangka zufolge starb im Jahr 2011 im Durschnitt einE MinenarbeiterIn pro Woche an den Folgen eines Unfalls. Besonders häufig treten Unfälle bei unerfahrenen MinenarbeiterInnen auf, etwa jenen, die aus anderen Teilen Indonesiens nach Bangka und

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Belitung migriert sind, um ihre Familien mit dem ein-genommenen Geld zu unterstützen.

Auch Kinder arbeiten in den Zinnminen und brechen teilweise hierfür die Schule ab. Für die Gesundheit der Kinder kann die Arbeit sehr gefährlich werden, denn in den Zinnminen sind die ArbeiterInnen einer erhöhten radioaktiven Strahlung ausgesetzt.

Der Abbau auf dem Meeresboden

Auch der Abbau auf dem Meeresboden ist folgenschwer: Unweit der Küste baggern riesige Fabrikschiffe den Meeresboden um oder saugen mit großen Pumpen den zinnhaltigen Meeresboden ein. Nach dem Auswaschen des Zinns werden die nicht brauchbaren Sedimente zu-rück ins Meer ausgestoßen. Dieser schwermetallhaltige Schlamm trübt das Wasser, zerstört die empfindlichen Korallenriffe und vertreibt die Fische aus der Region. Die vom Aussterben bedrohten Meeresschildkröten leiden unter dem Abbau, denn die Strände, an denen sie ihre Eier ablegen, werden beschädigt. Zerstört wer-den auch die Mangrovenwälder, die eigentlich für den Schutz der Insel bei Meeresstürmen sorgen und Brut- und Aufwuchsgebiet für viele Meerestiere sind.

Immer mehr Fischer, deren Fänge zurückgehen und die keine Perspektive im Fischfang mehr sehen, beginnen auf nicht-offiziellen Wegen im See-Bergbau zu arbei-ten. Mit selbstgebauten Flößen und dieselbetriebenen Pumpen saugen sie die Sedimente vom Meeresboden. Immer wieder kommt es zu Konflikten zwischen Minen-betreibern und lokalen Gemeinschaften, da traditionel-len Fischern durch die Meereszerstörung ihre Lebens-grundlage genommen wird.

Forderung von Umweltschutz- und Menschen-rechtsorganisationen:

• Renaturierung von zerstörtem Land und beschädig-ten Meeresgebieten

• keine Verwendung von Zinn aus Regionen, in denen lokale Gemeinschaften (FischerInnen, kleinbäuerli-che Familien, BewohnerInnen) mit dem Abbau nicht einverstanden sind

• keine Verwendung von Zinn aus Naturschutzgebie-ten

• Schutz des Lebens, der Gesundheit und weiterer Men-schenrechte der ArbeiterInnen

• verstärkte Verwendung von recyceltem Zinn (In Deutschland beispielsweise setzt die Initiative „Fair Lötet“ auf recyceltes Zinn.)

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SÜDWINDSeit 25 Jahren engagiert sich SÜDWIND e.V. für wirtschaft-liche, soziale und ökologische Gerechtigkeit weltweit. Das Institut deckt ungerechte Strukturen auf, macht sie öffent-lich und bietet Handlungsmöglichkeiten durch Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, Gespräche mit den Verantwort-lichen aus Politik oder Unternehmen, Engagement in Kampagnen und Netzwerken oder Beraten und Begleiten von Aktionen für VerbraucherInnen.

Erste Gegenmaßnahmen, aber die Zeit drängt…

Umweltschutzorganisationen haben Elektronikfirmen wie Apple oder Philips auf die Missstände auf Bangka und Belitung aufmerksam gemacht. Viele Menschen haben in Unterschriftenaktionen grundlegende Ver-änderungen gefordert. Im Jahr 2013 wurde daraufhin die Indonesian Tin Working Group (ITW) gegründet, die durch die niederländische Sustainable Trade Initi-ative (IDH) koordiniert wird. In der Initiative arbeiten Unternehmen, politische EntscheidungsträgerInnen und Nichtregierungsorganisationen zusammen, um Wege zu einem verantwortungsvollen Abbau von Zinn zu finden.

Auch die indonesische Politik unternahm erste Schrit-te: Das Handelsministerium kündigte im Jahr 2015 an, stärker gegen illegale Minen vorzugehen und verlang-te Lizenzen und Zertifikate von den Minenbetreibern. Nach starken Protesten der Fischer verhängte die Pro-vinzregierung von Bangka Belitung im Januar 2016 für manche Regionen einen vorübergehenden Stopp des Abbaus von Zinn auf See. Viele Fischer beobachte-ten aber ein Hinwegsetzen über das Verbot und eine Nicht-Beachtung der Lizenz-Regelungen. Der Weg zu Verbesserungen ist also noch weit und die Zeit drängt: Die Überlebensgrundlage der Fischer wird vernichtet, Menschen sterben weiter bei Arbeitsunfällen und Natur wird teils unwiederbringlich zerstört. Die Kosten des Abbaus für Mensch und Natur übersteigen ihren Nut-zen bei weitem. Wird weiter so viel Zinn abgebaut wie bisher, sind schon in wenigen Jahren alle Zinnressour-cen in Indonesien ausgebeutet.

ImpressumBonn, Dezember 2016

HerausgeberSÜDWIND e.V.Kaiserstraße 201 · 53113 BonnTel.: +49(0)[email protected]

Bankverbindung:KD-BankIBAN: DE45 3506 0190 0000 9988 77BIC: GENODED1DKD

AutorInnen:Friedel Hütz-Adams, Eva-Maria Reinwald

Redaktion und Korrektur: Vera Schumacher

V.i.S.d.P.: Martina Schaub

Gestaltung: www.pinger-eden.de

Druck und Verarbeitung: Brandt GmbH, BonnGedruckt auf Recycling-Papier

Die Handy-Aktion NRW - Machen Sie mit!

Mobiltelefone enthalten wertvolle Rohstoffe, deren Abbau oft mit Menschenrechtsverletzungen und Naturzerstörung verbunden ist. Umso wichtiger ist das fachgerechte

Recycling ausgedienter Handys. So können Roh-stoffe zurückgewonnen und illegaler Export von Elektroschrott vermieden werden. Die Handy-Ak-tion ruft daher zum Sammeln alter Handys auf und unterstützt Sie, diese mit Bildungs- und Öffentlich-keitsarbeit zu Umwelt- und Menschenrechten zu verbinden.

Informationen: www.handyaktion-nrw.de.

Eine Aktion des Amtes für MÖWe und Amtes für Jugendarbeit der Ev. Kirche von Westfalen in Kooperation mit Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst, Vereinte Evangelische Mission, Open Globe – Eine Welt Netz NRW, SÜDWIND e.V. und der „Handy-Aktion“ in Baden-Württemberg.

Literatur

Baker, Elaine u.A. (2016): Chapter 23 - Offshore Mining Indus-tries, in: First Global Integrated Marine Assessment, Division for Ocean Affairs and the Law of the Sea, United Nations, New York. Budi, Ratno/Ginting, Pius/Khalid, Khalisah (2014): Grim Por-traits of Bangka Belitung Tin Mining, hrsg. von Friends of the Earth Indonesia und Friends of the Earth Netherlands, Ams-terdam. Elsner, Harald (2014): Zinn - Angebot und Nachfrage bis 2020, DERA-Rohstoffinformationen, Berlin. Friends of the Earth (FoE) (2012): Mining for smartphones: the true cost of tin, London. Milieudefensie (2016): Responsible Mining – Tin, Amsterdam. U.S. Geological Survey (USGS) (2016): Mineral Commodity Summaries, January 2016, S. 174-175. Stahr, Cosima / Rüttinger, Lukas / Lorenzen, Astrid (2016): Fair Soldering Tin: Recycling, Supply Chain Interventions, or Mate-rial Alternatives. Berlin.Welfens, Maria J. (2013): Factsheet 11, Arbeitsschritte bei Han-dy-Recycling, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, Wuppertal.

Gefördert aus Mitteln des Kirchlichen Entwicklungsdienstes durch Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst.