Rüdiger Worthoff Technische Rheologie · An Hand ausgewählter Beispiele soll der Lehrstoff...

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Rüdiger Worthoff Technische Rheologie in Beispielen und Berechnungen

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Rüdiger Worthoff

Technische Rheologiein Beispielen und Berechnungen

Rüdiger Worthoff

Technische Rheologie

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Rüdiger Worthoff

Technische Rheologie

in Beispielen und Berechnungen

Autor

Prof. Dr.-Ing. Rüdiger WorthoffAachen

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort IX

Wichtige Formelzeichen XI

Teil I Theoretische Grundlagen der Rheologie 1

1 Theoretische Grundlagen 3

Teil II Technische Anwendungen der Rheologie 15

2 Allgemeine Grundbegriffe 172.1 Ableitungen 172.2 Materielle Objektivität 182.3 Bilanzen in algebraischer Darstellung 182.4 Die Massenbilanz in Koordinatenform 192.5 Die Impulsbilanz in Koordinatenform 192.6 Symmetrie des Spannungstensors 212.7 Temperatur- und Druckabhängigkeit der Viskosität 212.8 Scheinbare Viskosität 222.9 Repräsentative Viskosität 232.10 Repräsentativer Radius bei Rohrströmungen 232.11 Dehnviskosität 242.12 Volumenviskosität 262.13 Fließmodelle 262.14 Kriechfunktion und Relaxationsfunktion 292.15 Instationäres Fließen 312.16 Jeffreys-Oldroyd-Substanz bei Schichtenströmungen 32

3 Rheometrie 353.1 Rohr-Rheometer 363.1.1 Auswertebeziehung 363.1.2 Newtonsche Fluide 383.1.3 Einlaufeffekte 393.1.4 Normalspannungskomponenten 403.1.5 Normalspannungsgradienten 403.1.6 Bestimmung der Fließfunktion 41

VI Inhaltsverzeichnis

3.1.7 Repräsentative Größen im Rohrrheometer 423.1.8 Wandgleitende Medien 433.1.9 Ringspalt-System 443.2 Couette-Rheometer 483.2.1 Deformationsgeschwindigkeit 483.2.2 Auswertebeziehung für die Fließfunktion 493.2.3 Newtonsche Flüssigkeiten 513.2.4 Einzylindersysteme 513.2.5 Enge Spaltgeometrie 523.2.6 Normalspannungsfunktionen 523.2.7 Ostwald-de-Waele-Flüssigkeit 533.2.8 Messung kleiner Schergeschwindigkeiten 553.2.9 Hämorheometrie 573.3 Kegel-Platte-Rheometer 593.3.1 Auswertungsbeziehungen für die Fließkurve 603.3.2 Normalspannungsfunktionen 613.3.3 Fehlerkalkulation 623.3.4 Jeffreys-Oldroyd-Flüssigkeit 633.4 Kugel-Kugel-Rheometer 643.5 Scheiben-Rheometer 67

4 Rohrströmung 714.1 Ostwald-de-Waele-Fluide 714.2 Rabinowitsch-Fluide 754.3 Prandtl-Eyring-Fluide 774.4 Bingham-Substanzen im waagrechten Rohr 784.5 Bingham-Substanz in senkrechtem Rohr 804.6 Newtonsche Fluide im koaxialen Ringrohr 814.7 Ostwald-de-Waele-Fluide im koaxialen Ringrohr 834.8 Bypass mit Potenzflüssigkeit 854.9 Blutströmung 864.10 Repräsentative Viskosität für Fließgesetze 884.11 Druckverlustrechnung eines Potenzfluids 894.12 Pumpleistung für eine Bingham-Substanz 904.13 Elementare Berechnung der repräsentativen Viskosität 914.14 Pipelinekalkulation 924.15 Maxwell-Fluide 934.16 Freistrahl 954.17 Rohrströmung bei poröser Wand 984.18 Drahtisolierung 1004.19 Kennzahlen für eine Rabinowitsch-Flüssigkeit 1034.20 Scale-up 104

5 Strömungen in Rührwerken 1075.1 Zylinderrührwerk 1075.2 Bingham-Substanz 110

Inhaltsverzeichnis VII

5.3 Prandtl-Eyring-Flüssigkeit 1115.4 Auslaufvorgang 1125.5 Elementare Leistungsberechnung 1145.6 Rührkesselreaktor 1165.7 Lagerkräfte 1185.8 Modellübertragung 1205.9 Scale-up 122

6 Strömungen in unterschiedlichen Geometrien 1256.1 Strömung zwischen parallelen Ebenen 1256.2 Radialströmung in einem Scheibenspalt 1266.3 Ostwald-de-Waele-Fluide auf schiefer Ebene 1296.4 Bingham-Flüssigkeit auf schiefer Ebene 1306.5 Strömung durch eine Kreisdüse 1316.6 Strömung durch eine Breitschlitzdüse 1336.7 Repräsentative Werte für den Rechteckkanal 1356.8 Bingham-Substanz in Extrudern 1366.9 Rabinowitsch-Flüssigkeit in Extrudern 1386.10 Extruderwerkzeuge 1406.11 Kalanderströmung 1416.12 Strömung durch eine hyperboloidische Verengung 1446.13 Strömung durch einen Hyperbelspalt 148

7 Wärmeübertragungsprobleme an rheologischen Medien 1537.1 Wärmeübergang von einer beheizten Behälterwand an eine

Rabinowitsch-Flüssigkeit 1537.2 Wärmeübergang von einer beheizten Rohrwand an eine durchströmende

Prandtl-Eyring-Flüssigkeit 1567.3 Wärmeübertragungscharakteristik für Ostwald-de-Waele-Flüssigkeiten

in beheizten Rohren 1587.4 Wärmeübertragungscharakteristik für Bingham-Substanzen in

beheizten Rohren 159

Glossar 161

Literatur 165

Antworten auf die Fragen zur Selbstkontrolle 169

Index 179

IX

Vorwort

Fast alle Apparate und Anlagen der chemischen Technologie sind durchströmtoder erzeugen selbst Strömungen. Dabei zeigen die zu verarbeitenden Medien imFall einer Flüssigkeitsströmung oft ein nichtnewtonsches Verhalten. Insbesonde-re durch viskoelastische Eigenschaften werden Strömungsanomalien erzeugt, dieden Produktionsablauf entscheidend stören können. Auch das im Allgemeinennichtlineare Stoffverhalten der beschreibenden Parameter hat beispielsweise beider mathematischen Lösung der Bilanzgleichungen zu einer hohen Komplexizitätbeigetragen. Hinzu kommt, dass rheologische Substanzen oft ein Erinnerungs-vermögen an Belastungs- und Strömungszustände der Vergangenheit entwickeln.Dies hat zu einer allgemeinen Forschungstätigkeit auf dem Feld der theoretischenRheologie geführt. In diesem Buch wird – nach einer kurzen Zusammenfassungder theoretischen Grundlagen – die „Technische Rheologie“ in Fragen und Ant-worten abgehandelt, wobei das Ziel ist, eine praxisnahe und anschauliche Darstel-lung über das Stoffverhalten zu geben. An Hand ausgewählter Beispiele soll derLehrstoff verdeutlicht werden. Dabei wird ausgiebig Wert auf die mathematischeBehandlung von Anwendungsproblemen gelegt. Schließlich muss der Ingenieurvor Ort rheologische Probleme nicht nur qualitativ beurteilen, sondern Apparateund Anlagen mit rheologisch komplexen Fluiden auslegen und optimieren kön-nen. Das Buch versucht die Kenntnisse hierzu zu vermitteln. Die Beispiele sindauf dem Niveau von Klausuraufgaben. Sie eignen sich darum auch zur Examens-vorbereitung für Studierende an Technischen Universitäten und Fachhochschulen,insbesondere der Kunststoffverarbeitung, der Verfahrenstechnik und des Chemie-ingenieurwesens.

Aachen, 2013 R. Worthoff

XI

Wichtige Formelzeichen

a isotroper Druck (Pa)a 1. Rabinowitsch-Parameter (Pa)c 2. Rabinowitsch-Parameter (s�1)c p , cv spez. Wärmen (m2 s�3 K�1)d Durchmesser (m)Ee Einheitsvektorg Erdbeschleunigung (m s�2)h Höhe (m)„ plancksche Konstante (W s2)k Konsistenzfaktor (Pa sm)k boltzmannsche Konstante (W s K�1)l Länge (m)m Fließindexn Drehfrequenz (s�1)En Normalenvektorp Druck (Pa)Pq Volumenstrom pro Breiteneinheit (m2 s�1)r Radialkoordinate (m)t Zeitkoordinate (s)v Partikelgeschwindigkeit (m s�1)v mittlere Geschwindigkeit (m s�1)x , y , z Koordinaten (m)A 1. Prandtl-Parameter (Pa)B Breite (m)Bu Buckingham-KennzahlC 2. Prandtl-Parameter (s�1)D Durchmesser (m)D Deformationsgeschwindigkeitstensor (s�1)E Elastizitätsmodul (Pa)F Kraft (N)Fr Froud-KennzahlH Höhe (m)

XII Wichtige Formelzeichen

I Impuls (N s)Ij Tensor-InvariantenL Länge (m)M Drehmoment (N m)R fester Radius (m)R allgemeine Gaskonstante (J kg�1 K�1)Re Reynolds-KennzahlSp Spur eines TensorsT absolute Temperatur (K)U VerzerrungstensorPV Volumenstrom (m3 s�1)W Rotationstensorα, �, ' Winkelγ ScherwinkelPγ Deformationgeschwindigkeit (s�1)ε Dehnungη dynamische Viskosiät (Pa s)ηP plastische Viskosität (Pa s)ηS scheinbare Viskosität (Pa s)ηrep repräsentative Viskosität (Pa s)λ Wärmeleitfähigkeit (W m�1 K�1)� Rohrreibungskennzahl� Stoffdichte (kg m�3)σ Spannungstensor (Pa)τ Schubspannung (Pa)τR Wandschubspannung (Pa)τ0 Grenzschubspannung (Pa)', # zylindrische Koordinatenω Winkelgeschwindigkeit (s�1)r Nabla-OperatorΔ Differenzdd t

totale zeitliche Ableitung (s�1)

@

@tpartielle zeitliche Ableitung (s�1)

DD t

substanzielle zeitliche Ableitung (s�1)

δδ t

materielle zeitliche Ableitung (s�1)

Teil ITheoretische Grundlagen der Rheologie

3

1Theoretische Grundlagen

Die Eigenschaften mechanischer Kontinua werden klassisch für Festkörper durchdie hookesche Festigkeitshypothese τ D E ε oder für die Fluidreibung durch dennewtonschen Ansatz τ D η Pγ beschrieben. Hierin ist τ die Schubspannung, diedurch eine äußere Kraft EF auf eine belastete Fläche EA des Kontinuums entsteht, Edas Elastizitätsmodul und η die dynamische Viskosität. ε ist die Dehnung und Pγder Schergradient; mit ε D Δ l/ l (wobei Δ l die Längenänderung auf Grund derBelastung und l die unbelastete Ursprungslänge ist) und Pγ D dEv

dEr(wobei d Ev die Ge-

schwindigkeitsänderung entlang der zu Ev senkrechten Koordinatenrichtung Er ist).Das Versagen dieser Gesetze gegenüber den komplexen Medien der modernenStoffchemie ergab den Anstoß der Entwicklung der Physik der nichthookeschenKörper bzw. der nichtnewtonschen Fluide. Das letztere Wissensgebiet wird heuteallgemein mit Rheologie (Fließkunde) bezeichnet. Im Folgenden soll die Rheolo-gie auf stofflich homogene unpolare Kontinua beschränkt bleiben, bei denen keinephysikalische Änderung oder chemische Umsetzung erfolgt. Homogene Kontinuasind solche, die mathematisch durch stetig differenzierbare Funktionen beschrie-ben werden können. Für ein fluides Kontiuum kann mit Ev( Ex , t) ein zeitabhängigesGeschwindigkeitsfeld definiert werden [1]. Als Lösung der Differenzialgleichung

d Exd t

D Ev( Ex , t) (1.1)

mit der Anfangsbedingung Ex (t0) D EX ergeben sich die Bahnkurven (Teilchenbah-nen) Ex D Ex ( EX , t) der materiellen Punkte EX , die durch ihre Koordinaten zur Zeitt D t0 gekennzeichnet sind. Die materielle Geschwindigkeit (Teilchengeschwin-digkeit) ist durch

Ev ( EX , t) D D [Ex ( EX , t)]D t

j EX Dconst (1.2)

und die materielle Beschleunigung (Teilchenbeschleunigung) durch

Ea( EX , t) D D [Ev ( EX , t)]D t

j EX Dconst (1.3)

Technische Rheologie, 1. Auflage. Rüdiger Worthoff.© 2013 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA. Published 2013 by WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA.

4 1 Theoretische Grundlagen

gegeben. DD t ist die substanzielle Zeitableitung. Sie ist für eine Funktion f in einem

Geschwindigkeitsfeld Ev mit den Vektorkomponenten vi definiert zu

D fD t

D @ f@t

C Ev � r f (1.4)

mit dem Operator r D Ee i @@xi

; Ee i sind Einheitsvektoren. Außerdem soll hier und imFolgenden die einsteinsche Summenkonvention gelten. Das heißt, tritt in einemProdukt ein und derselbe Index zweimal auf, so ist über diesen von 1 bis n zusummieren (im Weiteren ist n immer n D 3). Hochgestellte Indizes bei Ee i sindkeine Exponenten, sondern sollen zeigen, dass die Darstellung auch für allgemeineKoordinaten, z. B. hyperbolische, gilt. Betrachtet man nun die Relativbewegungzweier benachbarter Punkte mit dem Abstand d Ex D Ee i dxi , dann ist als Maß für dieDeformationsgeschwindigkeit die materielle Zeitableitung D(d Ex)

D t anzusehen. Sieergibt sich in Komponentenschreibweise zu

D(d Ex)D t

D Ee i @vi

@x j dx j . (1.5)

Es gilt

d Ex � r Ev D D(d Ex)D t

und r EvTd Ex D D(d Ex)D t

. (1.6)

r EvT ist der zu r Ev transponierte Tensor. r Ev und r EvT sind über die Beziehung

r Ev � r EvT D I

miteinander verknüpft mit I als Einheitstensor. Für eine Deformation eines Fluidskann die Vektorrichtung von d Ex nicht relevant sein, so dass es sinnvoll ist denBetrag von d Ex oder gleichwertig das Quadrat (d Ex )2 D d Ex � d Ex zu betrachten. Danngilt

DD t

[(d Ex )2] D 2d Ex D(d Ex)D t

D d Ex � 2D � d Ex . (1.7)

D ist also ein Tensormaß für die Geschwindigkeit, mit der das Abstandsquadrat(d Ex)2 deformiert wird. Man nennt D darum Deformationsgeschwindigkeitstensor.Unter Beachtung von Gln. (1.6) und (1.7) gilt für D dann

D D 12

(r Ev C r EvT) . (1.8)

Die Bedeutung von D wird auch verständlich, wenn man für die Aussage D D 0das Gleichungssystem

Di k D 0 (1.9)

betrachtet. Als eindeutige Lösung findet man

Ev D Eω0 � d Ex0 C Ev0

1 Theoretische Grundlagen 5

mit Eω0 als Rotationsgeschwindigkeitsvektor. Der erste Term beschreibt eine starreDrehung, der zweite eine reine Translation. Für diesen Fall ist das Medium rheo-logisch also nicht belastet. Insofern ist die Aussage, dass hier der Deformationsge-schwindigkeitstensor identisch gleich null ist, obwohl das Medium in Bewegungist, plausibel [6].

Es ist eine Besonderheit komplexer Fluide, dass der momentane Spannungszu-stand im Medium nicht nur von der augenblicklichen Bewegung abhängt, sondernauch von seiner Bewegungsgeschichte E� ( EX , t). Diese Funktion beschreibt für einTeilchen EX den kinematischen Ablauf in der Vergangenheit mit der Randbedin-gung E� D Ex für t D τ. In der einschlägigen Literatur sind noch folgende Defor-mationsmaße üblich

� der relative Deformationstensor F R D r E� ;� der relative Cauchy-Green-Tensor C R D r E� � r E� T.

Die Aufteilung von F R nach Cauchy entsprechend

F R D R � U D V � R

definiert aus F R den rechten und linken Strecktensor U und V , wobei R ein or-thogonaler Tensor mit den Eigenschaften

R � RT D �RT � R D I und det R D 1

ist. U bzw. V sind die rheologisch relevanten Deformationsmaße.1) Weiterhin istschließlich noch die Deformationsgeschichte G (τ) von Bedeutung

G (τ) D C R � I . (1.10)

Anstatt der zitierten Deformationsmaße sind gleichwertig auch abgewandelte Ma-ße zu verwenden. Bei hieraus abgeleiteten Approximationsbeziehungen könnenallerdings unterschiedliche rheologische Eigenschaften erhalten werden. Die Ein-schränkung einer allgemeinen rheologischen Zustandsgleichung auf Materialien,die der Isomorphie, Isothermie und Beanspruchungsfestigkeit genügen, führt aufdie Form [1]

σ D tF

τD�1[ F R (τ)] , (1.11)

die für inkompressible Fluide noch zu

σ D a I C tF

τD�1[G (τ)] (1.12)

konkretisiert werden kann mit a als rheologisch unbestimmten isotropen Anteildes Spannungstensors σ. Das Funktional F muss die Forderung nach materiellerObjetivität erfüllen. Entwickelt man G (τ) in eine Taylorreihe, ergibt sich

G (τ) D G(t) C (τ � t)D [G(t)]

D τjτDt C (τ � t)2

2D2[G (t)]

(D τ)2jτDt C . . . (1.13)

1) Neben U und V sind auch deren Quadrate U2 D B und V 2 D C gebräuchlich.

6 1 Theoretische Grundlagen

Die Ableitungen D n [G (t )](D τ)n jτDt lassen sich durch die korotationale zeitliche Ableitun-

gen des Deformationsgeschwindigkeitstensors δn Dδ t n D

(n)D ausdrücken [6] mit

(n)D D D n D

D t nC W � D n�1D

@t n�1� D n�1D

@t n�1� W , (1.14)

wobei W D 12 (r Ev � r EvT) ist. Konvergiert die Reihe, so gilt die Approximation

σ D aI C f (D ,ıD,

ııD . . .

(n)D) (1.15)

bzw. in Entwicklungsschreibweise

σ D aI Cα1DCα2D2 Cα3ıDCα4D3 Cα5(D � ı

DC ıD �D)Cα6

ııD C. . . (1.16)

Die α i -Größen stellen rein rheologische Materialparameter dar. Gleichung (1.16)eignet sich besonders zur Beschreibung stationärer Prozesse. Zur Interpretationvon Relaxationserscheinungen empfiehlt sich dagegen eine Integralentwicklungder Gl. (1.17), die über skalare Relaxationsfunktionen �i den Spannungstensor aufdie Deformationsgeschichte zurückführt [12]

σ D aI CtZ

�1

�1(t � τ)G (t � τ)dτ

CtZ

�1

tZ�1

�2[(t � τ1), (t � τ2)]G(t � τ1) � G (t � τ2)dτ1dτ2 C . . .

(1.17)

Während die Ordnung der Entwicklung von Gl. (1.16) am Betrag der kinemati-schen Beanspruchung des Mediums gemessen wird, wird die Ordnung der Ent-wicklung von Gl. (1.17) durch die Norm der Deformationsgeschichte bestimmt.Die Norm entscheidet darüber, welcher Abschnitt dτ i in der Vergangenheit fürden aktuellen Spannungszustand des Mediums am prägnantesten war. Solangesich ein materielles Teilchen nur translatorisch und rotatorisch mit seiner Umge-bung mitbewegt, ist es – wie erwähnt – rheologisch nicht beansprucht. Darum isthier die korotationale Zeitableitung δ

δ t , die als natürliches Bezugssystem den miteinem Teilchen mitbewegten Rahmen verwendet, relevant.

Bei den Gleichungen (1.16) und (1.17) handelt es sich um sogenannte Zustands-funktionen. Sie spiegeln die Materialeigenschaften der Fluide wider. Zur Schlie-ßung der Bestimmungsgleichungen (Massen-, Impuls- und Energiebilanzen) sindsie neben den Randbedingungen zwingend erforderlich. Sie verknüpfen nicht nurden momentanen Deformationszustand mit dem Spannungszustand, sondernstellen zusätzlich auch dessen Abhängigkeit von den Änderungsgeschwindigkei-ten des Deformationszustandes her. Dies soll insbesondere der Tatsache Rechnung