Rundbrief vom August 2010

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- 1 - August 2010 Liebe Freunde der Peru-Aktion, nun ist seit dem Tod von Hugo Fernández schon über ein halbes Jahr vergangen. Der Schock, den der Verlust des von allen geliebten und verehrten Projektleiters ausgelöst hat, ist noch lange nicht überwunden. Aber es hat sich gezeigt, dass sein besonderes Charisma die Menschen im Projekt dauerhaft geprägt hat. Sie setzen die Arbeit in gewohnter Weise fort, so als könne er jeden Moment zurückkommen. Sie fühlen sich ihm mit allen Fasern ihres Seins verpflichtet und wollen beweisen, dass sie ihn verstanden haben. Sie setzen alles daran, die Arbeit reibungslos in seinem Sinne fortzu- führen. Wir in Deutschland können nur staunen über die Kräfte, die freigesetzt wurden. Mit großer Hingabe und überzeugendem Verantwortungsbewusstsein hat eine von uns eingesetzte Dreier- gruppe vorübergehend die Leitung übernommen. Michell Solari, der neue Mann an der Spitze, ein Betriebswirt, hat inzwischen Zeit gehabt, das Projekt in allen Bereichen zu erfassen. Er wirbt um das Vertrauen und die Freundschaft der Schüler und Mitarbeiter, hat Geduld und Einfühlungsvermögen und hält sich bisher weise im Hintergrund. In Lima hat er bereits neue Kontakte zu Behörden und Institutionen geknüpft und dort die Mitglieder unseres Partnervereins PROSOYA kennen gelernt. Auch im Mädchenprojekt hat sich die neue Leitung gut etabliert und leistet eine überzeugende Arbeit. So sind wir dankbar und blicken voller Hoffnung in die Zukunft. Besorgt sind wir allerdings über die ständig steigenden Kosten. Die staatlich festgesetzten Mindestlöhne mit allen Nebenkosten belasten unseren Etat erheblich. Dazu kommt der zurzeit ungünstige Wechselkurs vom Euro zum Dollar. Wieder einmal bleibt uns nur, Geduld zu bewahren und unser Vertrauen auf unsere Spender zu setzen, die uns auch in der Vergangenheit über schwierige Zeiten hinweggeholfen haben. Mitte

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Rundbrief der Peru-Aktion vom August 2010

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August 2010

Liebe Freunde der Peru-Aktion,

nun ist seit dem Tod von Hugo Fernández schon über ein halbes Jahr vergangen. Der Schock, den der Verlust des von allen geliebten und verehrten Projektleiters ausgelöst hat, ist noch lange nicht überwunden. Aber es hat sich gezeigt, dass sein besonderes Charisma die Menschen im Projekt dauerhaft geprägt hat. Sie setzen die Arbeit in gewohnter Weise fort, so als könne er jeden Moment zurückkommen. Sie fühlen sich ihm mit allen Fasern ihres Seins verpfl ichtet und wollen beweisen, dass sie ihn verstanden haben. Sie setzen alles daran, die Arbeit reibungslos in seinem Sinne fortzu-führen. Wir in Deutschland können nur staunen über die Kräfte, die freigesetzt wurden. Mit großer Hingabe und überzeugendem Verantwortungsbewusstsein hat eine von uns eingesetzte Dreier-gruppe vorübergehend die Leitung übernommen. Michell Solari, der neue Mann an der Spitze, ein Betriebswirt, hat inzwischen Zeit gehabt, das Projekt in allen Bereichen zu erfassen. Er wirbt um das Vertrauen und die Freundschaft der Schüler und Mitarbeiter, hat Geduld und Einfühlungsvermögen und hält sich bisher weise im Hintergrund. In Lima hat er bereits neue Kontakte zu Behörden und Institutionen geknüpft und dort die Mitglieder unseres Partnervereins PROSOYA kennen gelernt. Auch im Mädchenprojekt hat sich die neue Leitung gut etabliert und leistet eine überzeugende Arbeit. So sind wir dankbar und blicken voller Hoffnung in die Zukunft. Besorgt sind wir allerdings über die ständig steigenden Kosten. Die staatlich festgesetzten Mindestlöhne mit allen Nebenkosten belasten unseren Etat erheblich. Dazu kommt der zurzeit ungünstige Wechselkurs vom Euro zum Dollar. Wieder einmal bleibt uns nur, Geduld zu bewahren und unser Vertrauen auf unsere Spender zu setzen, die uns auch in der Vergangenheit über schwierige Zeiten hinweggeholfen haben. Mitte

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September reisen wir erneut für 6 Wochen nach Peru. Vieles wird anders sein als unter der Leitung von Hugo Fernández. Aber vielleicht bewahrheitet sich auch in PROSOYA der Spruch: Jedes Ende ist die Chance für einen neuen Anfang. Vertrauen wir also darauf, dass es gelingt, unser ‚Schiff’ über Wasser zu halten.

Krista Schlegel und Karin Rhiemeier

Isabel Martínez ist seit vielen Jahren unsere Hausmutter in PROSOYA. In den letzten Monaten über-nahm sie vorübergehend zusammen mit zwei anderen Mitarbeitern die Leitung des Projektes.

Drei für EinenNach dem Tod unseres Projektleiters und Freundes Professor Hugo, genannt ‚el profe‘, vor einem halben Jahr haben wir als ‚equipo’ vorübergehend die ganze Verantwortung übernommen. Zu Dritt bemühen wir uns, alle uns anvertrauten Aufgaben so gut wie möglich zu erfüllen, indem wir all die Kennt-nisse anwenden, die wir als seine Schüler von ihm gelernt haben.

Oft musste einer den anderen stützen, wenn wir uns bei schwierigen Fragen unsicher und schwach fühlten. Wir setzten uns immer wieder zusammen, um einander Vertrauen und Solidarität zu vermitteln. In einigen Situationen mussten wir lebenswichtige Entscheidungen treffen. Wir wollten zwar menschlich handeln, aber doch ohne dem Projekt zu schaden, das für uns das Aller-wichtigste ist. Manchmal mussten wir uns der Mehrheit fügen. Es war merkwürdig, von anderen eine überzeugende Lösung des Problems zu hören, die man selbst für viel zu schwierig angesehen hatte, während der an-dere sie schnell herbeiführte und uns danach nichts mehr beunruhigen konnte.

Das ‚equipo‘ besteht aus Wilfredo, der so viele Jahre praktisches Wissen über das Projekt gesammelt hat, aus Isabel, die in Konfl iktsi-tuationen stets für Ausgleich sorgt, und aus Tonny, der das Projekt liebt und verehrt und trotz seines jungen Alters die Produktion von PROSOYA vollverantwortlich mit großer Sorgfalt überwacht. In all den Monaten habenwir trotz anfänglicher Bedenken die bedin-

gungslose Unterstützung von vielen erhalten.Nur wenige zeigten Eifersucht, beschwerten sich oder stellten verständliche oder sogar unverschämte Forderungen. Es gab auch Ge-rede und Streitigkeiten. Aber all das hat nicht dazu geführt, dass unsere Arbeit zusammen-brach. Im Gegenteil, wir haben dadurch mehr Kraft zum Weiterkämpfen erhalten.

Das ‚equipo‘ wird weiterarbeiten, aber wir sind uns bewusst, dass unsere Führungsauf-gabe nur vorübergehend war. Nun hoffen wir darauf, dass der neue Leiter Michell seine Verantwortung mit ebenso viel Liebe und Hingabe übernehmen wird, wie wir als ‚equipo‘ das getan haben. Wir bedanken uns für das Vertrauen, für alle guten Ratschläge und für die Geduld, die wir erfahren haben.

Das ‚equipo‘ Wilfredo, Isabel und Tonny

Vorübergehendes Leitungsteam: Tonny, Isabel, Willy

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Michell SolariInzwischen sind 4 Monate vergangen, seit ich Mitglied der PROSOYA – Familie werden durfte. In dieser Zeit habe ich nach und nach alle Berei-che und Gedankengänge des Projektes kennen gelernt, von den Ausbildungsstätten und täg-lichen Aktivitäten der Schüler und Mitarbeiter bis zu den kommunalen Arbeitseinsätzen, die ebenso zur Entwicklung unserer Schüler und Schülerinnen beitragen. In PROSOYA habe ich einen Zufl uchtsort für Jungen und Mädchen vorgefunden, die schon viel gelitten haben und die ohne ihre Eltern und deren Zuwendung aus-kommen mussten. Ich bin als Verwaltungsfach-mann nach PROSOYA gekommen, nachdem ich schon bei anderen Organisationen, wie den SOS Kinderdörfern, in Peru gearbeitet hatte.

Soziale Arbeit ist mir also durchaus nicht fremd. Vielmehr sehe ich darin einen starken Anreiz für ein erweitertes Arbeitsfeld. Einen Hugo Fernán-dez werde ich nicht ersetzen können. Dafür sehe ich aber meine Stärken in anderen Bereichen, denen in der Vergangenheit vielleicht weniger Beachtung geschenkt wurde. Ich möchte eine straffe, transparente Organisation aufbauen

mit professionellen Grundlagen, wie sie ein Projekt dieser Bedeutung verlangt. Der Einsatz moderner Technik im Verwaltungsbereich wird manchen Arbeitsgang einsparen, so dass die ge-wonnene Zeit der Ausbildung der Jugendlichen zugute kommen kann. Ich bin froh, mich auf ein engagiertes und erfahrenes Team stützen zu können, und hoffe, in absehbarer Zeit das Vertrauen aller Prosoyinos gewonnen zu haben. Gemeinsam sind wir stark.

Aufnahmegespräche in PROSOYASpätestens heute am 1. März ist mir klar geworden, wie notwendig und wichtig die Arbeit in PROSOYA ist, denn ich durfte an den Aufnahmegesprächen mit den neuen Schülern teilnehmen. In diesem Jahr können 14 Jungen aufgenommen werden, das ist im Vergleich zu manchem Vorjahr viel. Ich frage Isabel, wer die Kinder aussucht, und ob überhaupt genug Kinder um Aufnahme bitten werden. Isabel lächelt mich an und sagt: „Es hat sich einfach herumgesprochen, dass die Jungen in PROSOYA eine liebevolle Aufnahme und eine gute Erziehung bekommen. Mach Dir keine Sorgen, Uschi! Es werden mehr Jungen kommen, als Plätze zu vergeben sind.” „Wie läuft denn nun diese Aufnahme der neuen Schüler ab?” frage ich. „Schon Wochen vor dem Stichtag bekommen wir schriftliche Anträge von Menschen, die uns bitten, ein Kind aufzunehmen. Das können Mütter, Väter, Großmütter oder andere Verwandte sein, aber es werden auch Anträge von Heimen gestellt, wenn ein Kind gar keine Familie mehr hat. In diesem Jahr liegen uns schon über 20 Anfragen vor. Am besten wird es sein, wenn Du an den Aufnahmegesprächen teilnimmst.”

Uschi Schnurr, DV-Expertin aus Bielefeld, kam im Februar/März für 5 Wochen mit dem SES (Senior Experten Service) nach PROSOYA. Während dieser Zeit arbeitete sie die Mitarbeiter in die neue Buchhaltungs-Software ein und programmierte einige Werkzeuge für sie. Während der Zeit ihres wertvollen Einsatzes wurden die neuen Schüler aufgenommen.

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Schon um 8 Uhr morgens sind ca. 17 Kinder mit Begleitern am Haus, und um 9 Uhr erklärt Isabel den Wartenden den Ablauf der Aufnah-megespräche. Im Versammlungsraum warten die 5 Leiter der NUCFAS (Familienzellen) und ich. Wir sitzen jeder mit seinem Schreibzeug hinter einem großen Tisch. Vor Eduardo liegt ein Stapel Anmeldeformulare. Dies sind die of-fi ziellen Unterlagen für die Gespräche, die die Mitarbeiter in den folgenden Stunden führen. Dabei wird immer zuerst der betroffene Junge allein in den Raum gerufen. Wenn die ersten Fragen besprochen sind, wird der Begleiter, die Begleiterin dazu gebeten.

Eduardo leitet die Gespräche. Es werden viele Details aus dem Leben der Kinder, ihrer Fami-lien oder der Menschen, mit denen sie leben, besprochen. „Wie groß ist das Haus, in dem du lebst?” „Hast du einen Fernseher?” „Hast du ein Handy?” „Habt Ihr Licht im Haus?” „Lebst du mit deinen Eltern zusammen?” „ Was arbeitet dein Vater?” Aber auch „Spielst du gern Fuß-ball?”, eine Frage, die immer ein Lachen in die Gesichter der Jungen zaubert. All diese Fragen beantworten die Kinder, und wir machen uns Notizen und stellen weitere Fragen.

Ich erfahre an diesem Tag mehr über die Situa-tion der Menschen und insbesondere der Kinder in Peru als an allen vorhergegangenen Tagen.

Die Jungen beantworten die Fragen von Eduar-do mit leiser Stimme. Sie sind eingeschüchtert und haben offensichtlich schon viel Schlimmes erlebt. Jetzt hoffen sie auf die Aufnahme in PROSOYA, wo ihnen das gegeben wird, wonach sie alle sich sehnen: ein Dach über dem Kopf, ein Ort, an dem sie zuhause sind, Liebe, Auf-merksamkeit, Zuwendung, Erziehung, vielleicht auch Strenge, um zu spüren, dass es überhaupt einen Menschen interessiert, was sie tun und wer sie sind. Aber Eduardo schafft es immer, dass nach einiger Zeit mehr und mehr Ver-trauen bei den Jungen entsteht, sie erzählen freier, und manchmal habe ich den Eindruck, dass wir vielleicht die ersten sind, denen die Kinder offen erklären können, wie schlecht es in ihrem Leben steht.

Ich sehe kleine Jungen, die erzählen, dass sie jede Nacht in einem Restaurant (Chifa) arbei-ten, um tagsüber zur Schule gehen zu können. Ich höre einen Jungen sagen, dass sein Vater die Mutter schon vor langer Zeit verlassen hat. Er fängt an zu weinen und erzählt unter Trä-nen, dass sie nun einen neuen Mann hat, der ihn nicht leiden kann und der ihn misshandelt. Einem Jungen geht es ähnlich, immer wenn er etwas haben möchte, sagt sein Stiefvater, dass er es nicht bekommt. Er wird von ihm geschla-gen, wenn er es sich dann doch nimmt. Auch

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Nun folgt die 2. Runde. Willi und Tonny kommen dazu, und die Mitglieder erklären den Beiden, welche Kinder ihres Erachtens aufgenommen werden sollen und bei welchen 4 Kindern es noch Zweifel gibt. Willi und Tonny hören sich alle Argumente an und die 4 Jungen werden

Nach den Gesprächen werden alle Jungen, die ab nun PROSOYA-Schüler sind, beglück-wünscht, und es fi ndet eine Feier statt. Dazu gehört, dass von allen Neuen je ein Foto ge-macht wird und dass anschließend jeder Mit-

er sagt, dass der Stiefvater ihn nicht liebt. Ein Junge beantwortet alle Fragen und erklärt am Ende, dass er mit seinem Vater, seiner Schwester und seinem Bruder nach PROSOYA gekommen ist. Der Vater kann die Kinder, mit denen er allein lebt, seitdem ihn seine Frau verlassen hat, nicht mehr ernähren. Er hat keine Arbeit und auch keine Chance auf einen Job, weil er keine Ausbildung hat. Als der Bruder und der Vater in den Raum gerufen werden, erschrecke ich. Das Gesicht des Mannes ist gezeichnet von schwerer Arbeit und drückenden Sorgen. Ich hätte ihn auf der Straße eher für den Großvater der Kinder gehalten, so alt und zermürbt wirkt er auf mich.

In all diesen Fällen fällt den Mitgliedern des Ausschusses die Entscheidung leicht. Nach der Mittagspause steht fest, dass 9 der Kinder, die am Morgen gehört worden sind, aufgenommen werden können. Bei 4 Kindern schwanken die Mitarbeiter, 3 Kindern wird gesagt, dass sie nicht aufgenommen werden.

nacheinander zu einem weiteren Gespräch he-reingerufen. Wenn überhaupt möglich, wirken sie nun noch ängstlicher als am Vormittag. Willi eröffnet das Gespräch, indem er sich und Tonny vorstellt. Er macht ein paar Scherze, so dass die Atmosphäre lockerer wird, und stellt ein paar Fragen. 3 der Jungen geben klare Antworten, verhaspeln sich nicht in Widersprüchen und strahlen am Ende des Gesprächs, als sie spüren, dass auch dieses Gespräch gut gelaufen ist. An-ders verhält es sich bei dem vierten Jungen, der erklärt hatte, dass er allein ohne Mutter und Va-ter lebt. Er behauptet ,abandonado' (verlassen) zu sein. Auch die Frau, die dazu gerufen worden war, hatte behauptet, der Junge sei ohne Eltern und sie sei eine entfernte Verwandte. Willi un-terhält sich auch mit diesem Jungen in der 2. Runde. Ganz schnell wird klar, dass die Angaben des Jungen und die der Frau nicht der Wahrheit entsprechen. Die Frau ist die Mutter des Jun-gen. Die Verhältnisse sind bei weitem nicht so schlecht, wie von den beiden geschildert. Dieser Junge wird nicht aufgenommen.

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Abends sitze ich wieder mit Isabel zusammen und frage sie, warum es Eltern gibt, die ihre Kin-der nach PROSOYA schicken wollen, obwohl sie es materiell nicht nötig haben. Warum sind sie sogar bereit, dafür zu lügen und ihre Situation schlimmer darzustellen, als sie ist? Isabel ant-wortet: „Die Menschen wissen, dass die Jungen hier in PROSOYA eine echte Chance bekommen. Sie kommen her und erzählen nicht die Wahr-heit über ihre Verhältnisse, weil sie mit ihren Kindern nicht mehr klar kommen, und überreden auch ihr Kind, uns anzulügen.

arbeiter und auch jeder ,alte' PROSOYA-Junge an den Haaren der ,Neuen' herumschnippeln kann, wie es ihm gefällt. Man merkt sofort, dass es allen Spaß macht, da sie selbst einmal in dieser Opferrolle waren. Als ich die Neuen später beim Abendessen wiedertreffe, sind sie alle kahl ge-schoren - ein Ritual, das auch an peruanischen Hochschulen und Universitäten üblich ist.

Wir wissen, dass es so etwas gibt, und deshalb bemühen wir uns vor den Aufnahmegesprächen darum, Informationen über die Lebensverhält-nisse der Kinder zu bekommen. Wir wollen denen helfen, die wirklich Hilfe benötigen, die z.B. von ihren Eltern verlassen wurden und bei den Großeltern aufwachsen, die aber oft schon alt und krank sind.

Außerdem gibt es in Peru viele sehr junge Mütter, die von den Vätern ihrer Kinder nicht unterstützt werden. Sie haben oft keine Schulausbildung, keinen Beruf und sind völlig überfordert. Diese jungen Frauen schaffen es einfach nicht, besonders wenn sie mehrere Kinder haben. Die Großeltern sind meist so arm, dass es nur für ihr eigenes Leben reicht. Die Kinder solcher Frauen sind oft völlig auf sich allein gestellt. Sie gehen nicht regelmäßig zur Schule und bekommen nicht regelmäßig zu essen. Solche Kinder nehmen wir auf. Denn sie brauchen ein Zuhause und Menschen, die sich um sie kümmern, die ihnen erklären, warum eine Ausbildung wichtig ist.

Wenn wir diese Kinder später aus unserer Gemeinschaft entlassen, ist es unser größtes Glück, wenn wir sagen können, dass wir sie gut vorbereitet haben auf ein selbstständiges und hoffentlich glückliches Leben.”

Treffender kann ich es nicht ausdrücken.

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Horst Langer aus Hannover, Berufsschullehrer im Ruhestand, kam mit dem SES (Senior Experten Service) vom 1.2 bis 20.3.2010 nach PROSOYA, um ein schwieriges Problem in der Stromversor-gung zu lösen.

Energie vom Fluss im Überfl uss1995 wurde in PROSOYA eine deutsche Wasser-kraftanlage der Firma Volk mit 25kW installiert. Im Jahr 2005 folgte eine peruanische 35kW-Turbine der Firma 3HC mit Sitz in Lima. Beide liefen nach der Inbetriebnahme mit getrenntem Teilnetz im Projekt ordnungsgemäß. Später ließ sich der peruanische Generator schon seit län-gerer Zeit nicht mehr zuschalten. Der Fehler sollte gefunden werden.

Schon von Deutschland aus habe ich bei den Herstellerfirmen und den Mechanikern vor Ort Informationen gesammelt. Nach längeren Diskussionen, meist am Telefon, bin ich zu einer Lösung gekommen, die letztendlich zur vollen Nutzung der beiden Wasserkraftanlagen führen sollte.

Es musste ein Schaltschrank entwickelt und in-stalliert werden, der ein einfaches Umschalten ermöglicht. In der Trockenzeit, wenn die Was-sermenge des Kanals zurückgeht, soll wahlweise der peruanische oder der deutsche Generator das ganze Projekt PROSOYA versorgen. In der Regenzeit können aber beide Stromerzeuger gleichzeitig laufen. Dass beide Generatoren

elektrische Energie einspeisen, soll auch der endgültige Zustand sein. Das funktioniert aber erst nach dem schon geplanten Ausbau der Was-serzuführungen. Die Energie von 60kW ist dann mehr als ausreichend und viele Verbesserungen im Projekt-Alltag lassen sich verwirklichen.

Der Plan war gut, aber es traten ständig Schwie-rigkeiten auf, die die Umsetzung erschwert haben. Es gab starken Regen, einen Erdrutsch und tagelang keinen Strom. Außerdem konnte der Fehler in der vorhandenen Schaltung nicht gleich gefunden werden. In guter Zusammen-arbeit mit Schülern und dem Mechaniker Alex entwickelten wir die richtige Schaltung für den neuen Schaltschrank und erreichten endlich das gewünschte Ergebnis.

Was könnte man mit der ungenutzten Energie machen?

Ein Kühlraum für die Vorräte wäre nützlich. Wäsche waschen und trocknen, elektrisch ko-chen und backen, Kräuter trocknen, mit heißem Wasser das Geschirr abwaschen.

All das ist dann kein Problem mehr.

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Frauenpower Seit März ist in PROSOYA Quillazú wie-der Ruhe eingekehrt. Felix Rodriguez verließ das Projekt und überließ das Feld uns, den Frauen. Nun stelle man sich vor: einen Haushalt mit 2 Mamis, 2 älteren Schwestern, 13 pubertierenden Mädchen und einem kleinen männlichen Frechdachs namens Lyam. Man könnte meinen, das sei eine etwas schwierige Konstellation, aber ganz im Gegenteil!

Mami Número 1: Magdalena Kroll Evangelista, selbst Mutter des zwölfjährigen Mathias, ist eine wirklich besondere Persönlichkeit. Hinter ihrer zarten Fassade steckt eine starke Frau. Sie selbst sagt von sich, dass sie keine Minute still sitzen kann, und das entspricht eindeutig der Realität. Wenn sie nicht gerade auf einer Versammlung in PROSOYA Hu-ancabamba ist, die Einkäufe erledigt oder die Buchführung managt, küm-mert die gelernte Viehzucht-Expertin sich um die Hühner, den Gemüsegarten oder um die Auspfl anzung der Kaffee-pfl anzen. Diese Liste könnte ich noch endlos weiterführen, und trotz aller

Jana Heim, eine der beiden Freiwilligen im sozialen Jahr, die seit 10 Monaten im Mädchenprojekt mitarbeitet, hat den Wechsel der Betreuer hautnah miterlebt.

Arbeit fi ndet Magdalena noch Zeit, um sich mit ganzem Herzen um die Mäd-chen zu kümmern. Für die 13 Mädchen, die im Moment in PROSOYA Quillazú leben, ist sie nicht nur eine tolle Mami, sondern auch ein super Vorbild. Sofort brachte Magdalena viele neue Ideen zur Umsetzung. So wurde zum Beispiel mit dem Bau eines neuen, größeren Hüh-nerstalls begonnen und die Imkerei als weitere Werkstatt eingeführt. Ihr ist es gelungen, Ärzte und Psychologen aus dem Krankenhaus von Oxapampa zu ge-winnen, die nun einmal wöchentlich kom-men, um den Mädchen Vorträge über Sexualkunde, Ernährung, Zahnpfl ege usw. zu halten. Auch die Müllentsor-gung wurde revolutioniert: Statt der umweltbelastenden Müllverbrennung wurde eine tiefe Müllgrube gegraben, welche zugeschüttet und bepflanzt werden soll, sobald sie voll ist. Das nun anstehende Projekt ist der Bau einer Regenwurmzucht, um den sehr armen Boden auf unserem Grundstück zu verbessern. Neben ihrer starken, energischen Art ist Magdalena aber auch eine sehr sensible und einfühlsame Person. So können alle Mädchen - auch wir beiden FSJlerinnen - mit unseren Problemen zu ihr gehen und uns aus-sprechen. Natürlich war der Wechsel zu Beginn nicht ganz einfach. Die Mäd-chen mussten sich an eine neue Leiterin gewöhnen und auch Magdalena brauchte Zeit, um ihren Platz zu fi nden. Da sie mit den Mädchen weniger streng ist als ihr Vorgänger, tanzten diese teilweise auf den Tischen. Mit der Zeit gewöhnten oder gewöhnen sich die Mädchen aber daran, dass sie auch gehorchen müssen, wenn man ihnen etwas in freundlichem Tone nahelegt.

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Mami Número 2: Melné Gozar Blancas zog im März zusammen mit ihrem siebenjährigen Sohn Lyam ein und ist nun Betreuerin der Nucfa ,amntena'. Die kleine, wu-selige Melné arbeitet vormittags als Kommunikationslehrerin in der Schule der Mädchen ,Ana Mogas' in Quillazú und widmet sich den Rest des Tages (wenn sie nicht gerade ihren Unterricht vorbereiten muss oder sich um Lyam kümmert) ganz dem Projekt. Melné ist wirklich eine der herzlichsten Frau-en, die ich kennen gelernt habe. Die Verwendung der bei Peruanern sehr beliebten Verkleinerungsform der Wörter wird von ihr zur Perfektion gebracht. Sollte also eines der Mäd-chen in seinem Leben zu wenig Liebe bekommen haben, sorgt Melnesita für Abhilfe. Melné lässt sich im Gegensatz zu Magdalena nicht unbedingt für die Landwirtschaft begeistern, hilft dafür aber liebend gerne bei Hausaufgaben, übt Theaterstücke oder Gedichte mit den Mädchen ein und kann stundenlang nette Anekdoten aus ihrem Leben er-zählen. Wenn es darauf ankommt, kann Melné aber auch streng sein und hält die Mädels gut unter Kontrolle. Diszi-plin, Ehrlichkeit und Ordentlichkeit sind ihr sehr wichtig. So ergänzen sich Mag-dalena und Melné quasi zu einem neuen Dreamteam für PROSOYA Quillazú.

Der Alltag ist also wieder zurückge-kehrt. Das bedeutet aber nicht, dass es hier jemals langweilig wird. Wie auch mit 13 aufgeweckten, frechen und vor allem pubertierenden Mädchen? Viel-leicht liegt es am guten Wetter oder dem noch leckereren Essen, auf jeden Fall sind die Hormone hier so richtig am aufblühen. Kleine unschuldige Flirts auf der Straße, lautstark erklingende Balladen von Enrique Iglesias und Co. schon morgens früh um 6 Uhr und kleine Liebesbriefchen gehören zur Tagesordnung. Trotz aller Schmetter-linge im Bauch kommt die Arbeit nicht zu kurz. Zweimal die Woche fi ndet nun der sehr effektive Kunsthandwerksunterricht mit der neuen Lehrerin Dora Zuchetti statt. Im Moment werden für die Re-gion so typische ,Tirolerinnen'-Puppen hergestellt. Jeden Freitag kommt ein Imker, um den Mädchen alles über Bie-nen zu erklären. Auch der Gemüsegar-ten wurde neu angelegt, und es konnten sogar schon die ersten Radieschen ge-erntet werden. Wie man sieht, herrscht in Quillazú geschäftiges Treiben, und es ist beeindruckend zu sehen, wie viel wir erreichen können, wenn alle mit anpacken. Frauenpower! Jana Heim

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Zu den Schülern, die das Glück hatten, am 1. März in PROSOYA aufgenommen zu werden, gehört auch der kleine Dante Rivera Sacramento. Nach seiner Ankunft schilderte er uns sein bisheriges Leben.

Abandonado - allein gelassenIch heiße Dante Rivera Sacramento und bin 14 Jahre alt. Früher wohnte ich bei meinem Vater Donato Rivera und meiner Mutter Juana Sacramento zusammen mit 5 Geschwistern in der Ortschaft Lucma-Mallampampa. Leider verließ mein Vater uns, als ich 5 Jahre alt war. Seitdem haben wir nichts mehr von ihm gehört. Meine Mutter und auch wir Kinder mussten für andere in der Landwirtschaft arbeiten, um Le-bensmittel zu kaufen, zur Schule gehen und andere wichtige Dinge des Lebens bestreiten zu können. Die hohen Kosten für alles, was wir brauchten, überstiegen die Kräfte meiner Mutter.

So fl üchtete sie sich in eine neue Partnerschaft – Melecio Rojas –, von dem sie ein weiteres Kind bekam. Dieser Mann zeigte sich uns Kindern gegenüber zunächst noch ganz freundlich. Das änderte sich aber schlagartig, als klar war, dass meine Mutter bei ihm bleiben wollte. Erst nahm er uns alle noch mit in den Urwald, wo wir ein halbes Jahr wohnten und ich zur Schule ging. Aber fi nanzielle Schwierigkeiten zwangen uns, wieder nach Mallampampa in eine Hütte zu ziehen, die mein Vater uns überlassen hatte.

Ich musste viel arbeiten, um meine Schulsachen bezahlen und in die Schule von Lucma gehen zu können. Meine Mutter konnte uns nicht viel geben und mein Stiefvater ist böse. Er war nur für sein eigenes Kind da. Deshalb haben meine Geschwister und ich der Mutter gesagt, er solle das Haus verlassen. Das tat er auch, nahm aber unsere Mutter und sein Kind mit.

Wir blieben allein im Haus zurück und wurden von meiner Schwester Beatriz und meinem Bru-der Brando versorgt, die aber auch noch sehr jung sind. Unsere Hütte hat weder Strom, noch Wasser oder Abwasser. So sind wir auf einen kleinen Bach angewiesen, dessen Wasser aber nicht immer sauber ist. Schularbeiten machen wir draußen im Licht einer Straßenlaterne, die

zum Glück neben unserer Hütte steht. Letztes Jahr ging Beatriz nach Lima, um Arbeit zu fi n-den, denn wir hatten kein Geld, damit sie die Sekundarschule besuchen konnte. Manchmal lässt uns mein Bruder Brando für mehrere Tage allein. Gelegentlich kommt auch meine Mutter, um für uns etwas zu kochen, aber nachmittags kehrt sie zu ihrem Mann zurück. Manchmal, wenn mein Bruder nicht da ist, haben wir nichts zu essen. Ich bin sehr froh, dass ich in PROSOYA bleiben darf.

Inzwischen hat Dante sich gut im Projekt einge-lebt und ist schon viel fröhlicher geworden. Aber er denkt trotzdem noch oft an seine Geschwister, die weiterhin in Armut leben müssen.

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Von Schmetterlingen und anderen Erkenntnissen

Dr. Jürgen Schott aus Uelzen, Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, zog es im April/Mai nach Peru, wo er sein Hobby – die Schmetterlinge – einmal in einem ganz anderen Umfeld vertiefen wollte.

Als Schmetterlingssammler bin ich fasziniert von der Artenvielfalt südamerikanischer Schmetter-linge. Schon lange wollte ich deshalb nach Peru. Mein Freund Hans Mehnert war viele Jahre in Peru als Pastor tätig. Er wies mich auf PROSOYA hin. Da Heiko Schlegel, der Sohn des Gründers des Projektes, mir aus unserer Kirchengemeinde bekannt ist, war schon ein ‚Verbindungsmann’ da. Also, nichts wie auf nach PROSOYA!

Dort angekommen, war ich zunächst skeptisch, wie mein Hobby dort aufgenommen werden wür-de, zumal das Projekt am Rand des Naturschutz-gebietes Yanachaga Chemillén liegt. Über man-gelnde Unterstützung brauchte ich mich nicht zu beklagen. Schon bald begleiteten mich einige Schüler bei meinen Ausfl ügen, ‚bemächtigten’ sich des Netzes und versuchten, Schmetterlinge einzufangen, was offensichtlich nicht so einfach war, wie sie sich das vorgestellt hatten. Wenn ich morgens zum Frühstück kam, empfi ngen mich ‚die Damen der Küche’ mit Tütchen aus Zeitungspapier, in denen sich Nachtschmetter-linge befanden. Und wenn die Jugendlichen am Feierabend unter Flutlicht Fußball spielten, gab es jede Menge Schwärmer, die, angezogen vom Licht, sich schließlich auf dem Boden niederlie-ßen und so leicht zu fangen waren. Übrigens hatte die Naturschutzbehörde in Oxapampa kei-ne Bedenken gegen meine Fänge. Aus der Fülle unterschiedlicher Schmetterlinge sei hier einer aus der Gattung Rothschildia abgebildet.

Eine weitere Begebenheit meines Aufenthaltes ist mir unvergesslich. Beim Besuch des Mädchen-projektes in Quillazú ging ich auch zu der von Franziskanerinnen gegründeten Schule hinüber. Dort begegnete ich Schwester Sacramento. Diese Schwester, im letzten Abschnitt ihres Lebens, strahlte eine beneidenswerte unge-künstelte Freude aus. Sie sagte sinngemäß: „ Ja, das ist meine Gabe, die Freude. Wenn ich verreise, packe ich als erstes die Freude ein, und wenn ich dann am Ziel angekommen bin, packe ich sie als erstes wieder aus!“ Das möchte ich von ihr lernen.

PROSOYA hat mir in mancher Hinsicht gut ge-tan. Befreit von den zum Teil unnötig mir selbst auferlegten Alltagspfl ichten, konnte ich in der Gegenwart leben, musste nicht kontinuierlich planen, lernte präsent sein, den Menschen begegnen, so wie sie sind. Meine mangelnden Spanischkenntnisse waren dabei eher hilfreich als abträglich. So konnte ich mich aufs Wahr-nehmen, Sehen, Hören, Riechen und Schmecken konzentrieren und musste nicht laufend über-legen, was ich nun ‚Wichtiges’ zu sagen hätte. PROSOYA, ich komme gerne wieder!

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Mit Macheten und Sägen durch den Urwald

Jens Lübbers, Student der Forstwirtschaft (hier mit Korbinian und Schüler Jacob), machte sich während eines mehrmonatigen Südamerikaaufenthalts auch drei Wochen in PROSOYA nützlich.

Ich sitze im Bus. Wieder im Bus, wie vor drei Wochen. Es ist kurz vor Mitternacht, beim Blick aus dem Fenster sehe ich im Dunkel der Nacht nur ein paar Baumschatten am Wegesrand. Ich bin auf dem Weg nach Lima und frage mich, wie schnell ich mich wieder an den Rummel, den Lärm, den Dreck in der Luft und an die Schnelligkeit dieser Großstadt gewöhnen wer-de. Hinter mir liegen drei Wochen PROSOYA, der friedlichen weiß-blauen ‚Oase’ im immer-grünen Bergurwald der Anden. Ich schließe die Augen und erinnere mich, wie alles anfi ng. Schon vor meiner Ankunft hatte ich Kontakt aufgenommen zu Korbinian, einem der beiden deutschen Freiwilligen im Projekt, um ihm meine Hilfe anzubieten. Vielleicht brauchte er aus Lima ja ein paar Kleinigkeiten, die es oben in den Bergen nicht zu kaufen gibt, und dachte dabei an so etwas wie spezielle Nägel oder Schrauben. Dass es aber eine 5 kg schwere Motorsäge sein sollte, damit hatte ich nicht ge-rechnet. Ja, Korbinian hat mich ziemlich schnell in seine höchstergeizigen Pläne eingeweiht und integriert. Mein erster sehr positiver Eindruck

über diesen jungen Mann hält bis heute vor. Korbinian hat sich zum Ziel gesetzt, die Ge-gend um PROSOYA für Touristen attraktiver zu gestalten und sie in das schöne Gästehaus des Projektes zu locken. Er plant einen Wan-derweg, und dafür sollte u.a. die Motorsäge eingesetzt werden. Auch die Erschließung des Nationalparks ‚Yanachaga Chemillén’ schwebt ihm vor, und in diese Arbeit möchte er nicht nur die Schüler des Projektes, sondern auch die Jugendlichen aus dem Dorf einbeziehen. Dazu gehört auch, dass er sie zu kompetenten Touristenführern ausbilden will.

Korbinians große Stärke ist das Planen, Or-ganisieren und Kontakten. Als wir für einen bestimmten Zweck 5 – 6 lange Bambusstangen brauchten und ich mich noch fragte, wo wir die wohl fi nden und wie hierher schaffen könnten, hatte Korbi bereits die Lösung. „Ein Bekannter aus dem Dorf“ hörte ich nur, und eine Stunde später half ich bereits, die Ladefl äche eines Transporters mit Bambus vollzupacken. Statt einer dicken Rechnung spendierte man uns noch eine leckere ‚chicha morada’.

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In den folgenden 2 ½ Wochen machten wir uns mit Macheten, Pfl anzspaten und Motorsäge dar-an, einen wieder zugewachsenen älteren kleinen Wanderpfad frei zu schlagen und ihn entlang der Grundstücksgrenze zu verlängern. Es wurden Bäume umgesägt, Flächen frei geschnitten und Treppen an den steilsten Hängen in den lehmigen Boden geschlagen. Trotz immer wieder einset-zender heftiger Regenschauer wurde diese ‚Tro-cha PROSOYA’ gerade noch rechtzeitig vor dem Touristenansturm in der Osterwoche fertig. Auf dem etwa 5 km langen Wanderpfad gibt es auch zwei tolle Aussichtspunkte auf das Huancabam-ba-Tal und einer davon hat sogar eine Bank, von der aus man auf die weiß-blaue Projektanlage hinunterblicken kann.

Ich vergaß beinahe zu erwähnen, dass der Erwerb der Motorsäge auch noch Korbinian zu verdanken ist. So hatte er seine Münchner Freunde, Bekannte und Verwandte zu einer Sponsoren-Wanderung animiert. Der dort gesammelte Geldbetrag ermöglichte dann den Kauf der Säge.

Ich sitze immer noch im Bus. Noch 4 Stun-den bis Lima. Mit Gähnen versuche ich, den Druckausgleich in meinen Ohren herzustellen. Vielleicht gelingt es mir ja in nicht allzu ferner Zukunft, noch einmal zu den wunderbaren Menschen in diesem traumhaften, immergrü-nen Tal zurückzukehren.

Viele Leser werden sich erinnern, als wir von Robertos tragischem Verkehrsunfall berichteten, der im Oktober 2006 passierte. In einem Provinzkrankenhaus wollte man ihm beide Unterschenkel amputieren, so schlimm waren die Verletzungen. Nachdem uns die ganze Tragik seines Falls be-wusst geworden war, haben wir spezielle Spenden-Aktionen für ihn organisiert und damit so viel Erfolg gehabt, dass er nicht nur in ein ordentliches Krankenhaus nach Lima geholt werden konnte, wo seine Beine in 18 Operationen wieder gerichtet und zusammengefl ickt wurden. Wir konnten und können von diesem Sonderkonto sogar immer noch seinen Lebensunterhalt mit fi nanzieren, Krankengymnastik bezahlen und vieles mehr, was für seine Genesung erforderlich ist. Vor kurzem schrieb er uns erneut, wie dankbar er ist für die erhaltene Hilfe. Noch im vergangen Herbst wollte er beim Gehen nicht auf seine Krücke verzichten, da ihm ein Fuß noch immer Probleme bereitete. Jetzt wagt er sich auch schon mal ganz ‚ohne’ auf den Weg und hofft, nun doch bald Lima verlassen zu können, um in Oxapampa sein Studium abzuschließen.

Was wurde eigentlich aus Roberto Huillcas?

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Im Frühjahr dieses Jahres praktizierten die jungen Zahnärztinnen Juliane Reichelt und Simona Gilbert im Rahmen ihrer Famulatur zwei Monate in verschiedenen Stationen Perus. Nachstehend ein Auszug aus ihrem Tätigkeitsbericht.

Auf den Zahn gefühltAm 17.02.2010 starteten wir – ausgestattet mit 138 kg Gepäck – am Münchner Flughafen zur unserer Reise nach Peru. Viele Dentalfi rmen hatten uns wertvolle Sachspenden mit auf den Weg gegeben. Nach einem langen Flug über Frankfurt und Caracas landeten wir schließlich in Lima. Unsere vollen Gepäckwagen wurden im Zoll kritisch beäugt, doch zum Glück wurden uns keine Steine in den Weg gelegt.

Nach einer kurzen Nacht machten wir uns am nächsten Tag auf zu unserem ersten Einsatzort: Pozuzo. Mit dem Bus ging es 14 Stunden über die Anden bis nach Oxapampa und von dort noch einmal 3 Stunden mit einem Kleinbus über unwegsame Schlammpisten und durch Flüsse mitten in den Urwald. Dr. Ricardo hatte uns zwar eigentlich erst am nächsten Tag er-wartet, empfi ng uns aber sehr freundlich und tischte gleich ein typisch peruanisches Essen auf: Caocao Caocao (Eintopf mit Stiermagen), was etwas gewöhnungsbedürftig schmeckte. Am nächsten Morgen begannen wir in der Klinik

bereits mit der Behandlung der Patienten. Viele neue Herausforderungen mussten wir allein be-wältigen, da der ansässige Zahnarzt gerade in Lima war, um die Turbine reparieren zu lassen. Der Motor vor Ort funktionierte also nicht so gut, wie wir es erwartet hatten. Aber schließlich gewöhnten wir uns an die neue Arbeitsweise.

Jeden Tag regnete es sehr stark, was viele Folgen hatte: Immer wieder wurde das Leitungswasser abgestellt. Es gab regelmäßig Stromausfall. Die einzige Verbindungsstraße in Richtung Lima war 10 Tage lang nicht passierbar. Unsere Kleidung trocknete NIE und begann moderich zu riechen. Wenn das Wasser wieder lief, war es braun, und duschen war schon wieder nicht möglich. Viele einheimische Tiere ver-legten ihre Herberge in unser Zimmer (unsere Hausfl edermaus hörte auf den Namen Luigi). An unserem freien Tag erkundeten wir die schöne Umgebung von Pozuzo. Als dann die Straße wieder befahrbar war, beschlossen wir schleunigst weiter zu ziehen, und zwar nach PROSOYA. In Oxapampa mussten wir dann erfahren, dass es gar kein Dorf dieses

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Reinhard Heuwinkel, Bankkaufmann aus Bad Salzufl en und neuer Kassenwart der Peru-Aktion, gibt einen Überblick über die Einnahmen und Ausgaben des vergangenen Jahres.

Das Jahr 2009 wird uns als das Jahr der Wirtschafts- und Finanzkrise in Erinnerung bleiben. Die großen nationalen und internationalen Spendenorganisationen berichteten über deutliche Rück-gänge ihres Spendenaufkommens. Um so mehr freut es uns, dass bei der Peru-Aktion e.V. nur geringfügige Rückgänge zu verzeichnen sind. So war es uns möglich, das Projekt ohne größere Einschnitte fortzuführen. Herzlichen Dank dafür!

Kassenbericht 2009 – Kurzfassung Ausgaben Euro Einnahmen EuroLaufende Projektkosten 223.000,- Spenden und Mitgliedsbeiträge 211.000,-Reisekosten und Verwaltung 15.000,- Zuschüsse 21.000,-Werbung und Marketing 6.000,- Zinsen 3.000,-

Zwischensumme 244.000,- 235.000,-Ausgaben nicht laufend 65.000,- Einnahmen nicht laufend 0,-SUMME 309.000,- 235.000,-

Erläuterungen In den einmaligen Aufwendungen sind die Kosten für die seit langem geplante und nicht mehr aufschiebbare Anschaffung eines neuen Traktors enthalten. Die Finanzierung der Kosten hierfür von 47.000,- Euro erfolgte durch Aufl ösung einer in den vergangenen Jahren gebildeten zweck-gebundenen Ansparrücklage. Nicht geplant, aber gleichwohl unumgänglich waren die Sicherung des Quellgebietes und die Erneuerung der Wasserleitung für das Mädchenprojekt in Quillazú. Die Kosten von 18.000,- Euro haben uns zusätzlich belastet, konnten aber durch eine einmalige Sonderspende beglichen werden. Unter Berücksichtigung der Aufwendungen mit einmaligem Charakter überstiegen die Ausgaben die Einnahmen um 9.000,- Euro.

Bielefeld, den 10. Februar 2010

Katrin Hampel (Kassenwartin) Reinhard Heuwinkel (Spendenbuchhaltung)

Bericht der KassenprüferDie Kassenprüfung wurde am 14. Februar 2010 durchgeführt. Gegenstand der Prüfung waren Ab-schluss und Buchführung des Jahres 2009. Die Belege und Buchungsunterlagen waren vollständig vorhanden. Die Prüfung gab keinen Anlass zu Beanstandungen.

Monika Koschnicke Wolfgang Jüngst

Namens gibt. Vielmehr handelte es sich um ein Sozialprojekt für bedürftige Jugendliche, wo man soeben eine nagelneue Zahneinheit erhalten hatte, die aber noch nicht ganz ange-schlossen sei. So lange die letzten fehlenden Teile noch nicht aus Lima eingetroffen waren, nutzten wir die Zeit für einen Einsatz in der Klinik von Oxapampa. Nach zwei Tagen ging es dann aber nach PROSOYA, wo wir mit Hilfe von technisch begabten Schülern und Helfern

den neuen Zahnarztstuhl (s. Foto) zum Laufen brachten. Es gab großen Behandlungsbedarf und wenig Zeit. Aber es gab auch immer noch Gelegenheit, mit den Schülern zu spielen und viel über ihre Ausbildung zu lernen. Wir haben uns in diesem sehr gut organisierten Projekt richtig wohl gefühlt, mussten es aber leider schon bald wieder verlassen, da man uns 2 Tagesreisen entfernt in Huaraz bereits erwartete.

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Krista Schlegel, 1. Vorsitzende Karin Rhiemeier, 2. Vor sit zen de

1. Vorsitzende: Krista Schlegel • Hohensonne 11 • 32699 Extertal

Tel.: 0 52 62 - 27 17 • Fax: 0 52 62 - 99 47 64 • E-Mail: [email protected] • www.peru-aktion.de

Spendenkonto PROSOYA: Sparkasse Bielefeld, BLZ: 480 501 61, Kto.-Nr.: 67 42 39 9

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Fragen zur Spendenquittung? Telefon 01522 - 163 07 07, Reinhard [email protected]

Wir erinnern noch einmal daran, dass für beide Projekte nur ein Spendenkonto gilt. Wenn Ihre Zuwendung für die Mädchen gedacht ist, sollten Sie das auf dem Überweisungsträger vermerken. Sehr hilfreich für unsere Buchungen wäre die Angabe Ihrer Spender-Nr. (s. Umschlag Rund-brief). Spenden an die Peru-Aktion sind nach dem letzten uns zugegangenen Steuerbescheid des Finanzamtes Bielefeld-Außenstadt, St.-Nr. 349/5996/3389, steuerbegünstigt.

Für Spender aus dem Ausland geben wir hier noch unsere IBAN NR. bekannt:IBAN: DE09 4805 0161 0006 7423 99 · SWIFT-BIC: SPBIDE 3B XXX

Zum Schluss möchten wir Sie auf Bitten unseres Kassenwarts daran erinnern, dass bei Spenden bis zu 100 Euro im Jahr der Einzahlungsbeleg der Bank beim Finanzamt als Spendenbescheinigung anerkannt wird.

Nun bleibt uns nur, unseren aufrichtigen Dank an Sie alle noch einmal zu wiederholen und Sie zu bitten, uns weiter zu unterstützen, damit wir unsere Mädchen und Jungen in PROSOYA auch in Zukunft betreuen und ihnen eine gute Ausbildung ermöglichen können.

Tonny und Michell