Rupert Stadler - "Mobilität von Morgen: Vernetzt in die Zukunft"

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Audi Kommunikation Rede „Mobilität von Morgen: Vernetzt in die Zukunft“ Prof. Rupert Stadler 9. Juni 2015 | Wirtschaftstag, Berlin

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Rede: „Mobilität von Morgen: Vernetzt in die Zukunft“, Prof. Rupert Stadler, 9. Juni 2015 , Wirtschaftstag, Berlin

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Rede

„Mobilität von Morgen: Vernetzt in die Zukunft“

Prof. Rupert Stadler

9. Juni 2015 | Wirtschaftstag, Berlin

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Rede Rupert Stadler | 9. Juni 2015 | Wirtschaftstag Berlin

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Rede zum

Wirtschaftstag des Wirtschaftsrates der Union

Prof. Rupert Stadler

Vorsitzender des Vorstands der AUDI AG

Berlin, 9. Juni 2015

-Es gilt das gesprochene Wort-

Sehr geehrter Herr Kommissar Oettinger, liebe Co-Referenten, meine Damen und Herren! Diese Vortragsrunde trägt beinahe den gleichen Titel wie ein Buch, das ich zusammen mit zwei sehr geschätzten Kollegen der Universität St.Gallen herausgegeben habe: „Erfolg im digitalen Zeitalter“. Darin beschreiben Wirtschaftsführer – wie Mathias Döpfner, Herbert Hainer und Siegfried Russwurm – Strategien großer Unternehmen wie Axel Springer, adidas oder Siemens. Strategien und neue Geschäftsmodelle für das 21. Jahrhundert. Alle Autoren aus Wissenschaft und Praxis sind sich dabei einig: Die Rolle des Einzelnen hat sich wesentlich verändert. Der Grund ist die Digitalisierung aller Lebensbereiche und ein neues Selbstverständnis in unserer Gesellschaft. Der Kunde will heute Produkte mitgestalten. Wer einen privaten 3D-Drucker besitzt, kann das individualisierte Ergebnis am Ende sogar produzieren. Der Kunde sieht sich im Mittelpunkt und nicht am Ende der Wertschöpfungskette. Und wenn er nicht zufrieden ist, dann weiß er dies kundzutun, und zwar in starken sozialen Netzwerken, die einem Unternehmen so richtig einheizen können. Wenn wir heute – jeder aus seinem Blickwinkel – über die vernetzte Welt von morgen sprechen, dann muss uns eines bewusst sein: Wir sprechen nicht nur über Laptops und Wifi-Hotspots. Wir sprechen nicht nur über Facebook und Twitter. Vernetzt sind künftig alle Lebensbereiche. Im Jahr 2014 waren nur sieben Prozent aller Geräte weltweit online. In fünf Jahren sollen bereits 25 Prozent vernetzt sein. Studien zufolge bedeutet dies: Wir haben dann 50 Milliarden intelligente Objekte auf dieser Welt – mit Sensoren und Schnittstellen. Das wird unsere Gesellschaft dramatisch verändern. Deshalb sind wir heute hier, weil wir alle als Vertreter der Wirtschaft Signale an die Politik senden wollen, wo wir Handlungsbedarf und gemeinsame Chancen sehen. Ich spreche heute stellvertretend für die deutsche Autoindustrie. Daher stelle ich die Frage: Welche Rolle hat das Auto in dieser Phase des Umbruchs? Und welchen Mehrwert verspricht es? Das neue Auto im Internet der Dinge ist mehr als Hardware. Es ist die Schnittstelle zwischen dem Fahrer und seinem digitalen Leben. Wenn das Auto mehr als Hardware ist, werden wir auch mehr als Hersteller: Service-Provider, Mobilitäts-Anbieter uvm.

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Wir haben beispielsweise gerade ein Pilotprojekt in München laufen. Dabei legt DHL die Amazon-Einkäufe in den Audi-Kofferraum. Das vernetzte Auto eröffnet völlig neue Geschäftsmodelle. Ein zweites Beispiel, bei dem wir weit mehr unternehmen, als ein Auto zu entwickeln und zu produzieren. Für die Elektromobilität reicht ein batteriebetriebenes Auto alleine nicht. Wir organisieren auch Dienstleistungen über das Automobil hinaus: von Ladeinfrastruktur über Abrechnungssoftware bis hin zur Zweitverwertung älterer Batterien in Solaranlagen. Meine Damen und Herren, das Auto der Zukunft wächst über sich hinaus. Es verbindet sich mit der Umgebung und mit anderen Verkehrsteilnehmern. So entsteht Schwarmintelligenz. Autos lernen neue Verkehrssituationen beherrschen und teilen Gelerntes. Und Stadt und Autos vernetzten sich miteinander. Städte sind der Haupt-Lebensraum des modernen Menschen. Deshalb richten wir auch das Auto in der Hauptsache auf urbane Bedürfnisse aus. Aber wie ist es mit dem Sparringspartner? Wird auch die Stadt intelligent? Meine zentrale Botschaft an die Politik ist: Jetzt ist es an der Zeit, sich mit den Technologien von morgen zu befassen. Nur so bleiben unsere öffentlichen Infrastruktur-Projekte zukunftsfähig. Warten wir nicht auf den einen, großen Paukenschlag. Die digitale Revolution findet täglich statt – das ist „the new normal“. Wirtschaft und Politik in Deutschland müssen Zukunft gemeinsam gestalten. Menschen in der Stadt leiden unter chronischem Zeitmangel. Raum ist knapp. Und bei aller Anonymität in der Metropole fördert das digitale Leben ein neues Bedürfnis nach Vernetzung. Und viertens: Bei allem Drang, in der Stadt zu leben, wünschen sich ihre Bewohner mehr und mehr saubere Luft und Grünflächen zum Erholen. Wer ein Betriebssystem für die Stadt im Jahr 2030 entwickeln will, muss mit diesen Variablen operieren: Zeit, Raum, Vernetzung und Nachhaltigkeit. Die digitale Welt eröffnet uns dabei ungeahnte Möglichkeiten. Unsere Vision ist: Ein intelligentes Auto in einer Smart City. Alles ist im Flow und miteinander synchronisiert. Nehmen Sie allein Informationen zur Verkehrslage. Es macht schon einen Unterschied ob Sie einfach in einen Stau hineinfahren oder zufällig eine Verkehrsdurchsage hören oder sehen, wie Ihr Navi automatisch die Route neu plant oder wissen, dass Echtzeit-Daten über Dichte und Geschwindigkeit von Handys anderer Autofahrer in die Berechnung einfließen. Wir wollen mehr. Stellen Sie sich eine Smart City vor, die geplante Sperrungen oder zu erwartende Störungen ins System einspeist, bevor es überhaupt zu Behinderungen kommt. Allein dieses Beispiel zeigt: Es lohnt sich, Schnittstellen zwischen Stadt und Mobilität zu schaffen. Die Digitalisierung ist der Schlüssel. Zu den intelligenten Objekten, die ich vorhin erwähnt habe, werden bald auch Ampeln, Verkehrsschilder, Parkplätze, Ladesäulen, Busse, Bahnen, Fahrräder und Autos zählen. Es geht um ein Projekt mit langfristiger Perspektive. Ein Projekt, das nur gelingt, wenn wir uns ab heute in der Planung synchronisieren. Wir wissen, dass 75 Prozent der städtischen Infrastruktur des Jahres 2050 heute noch nicht gebaut sind. Das ist eine große Chance. Jede Infrastruktur wird ein digitales Betriebssystem besitzen. Damit alles zusammenpasst, brauchen wir neue Kooperationsformen.

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Ich beschreibe Ihnen das anhand der Technologie Ampelinfo online. Sie errechnet die optimale Geschwindigkeit für die grüne Welle. Schon 2013 waren in Berlin 700 Ampeln mit unserem System vernetzt. Würden wir alle in Deutschland mit Ampelinfo online fahren, könnten wir 15 Prozent Kraftstoff einsparen: im Jahr immerhin 900 Millionen Liter! Gut eine Milliarde Euro weniger an Spritkosten. Mehr als zwei Millionen Tonnen weniger an CO2. Wenn wir diese Technologie zum Nutzen unserer Kunden einführen, brauchen wir die Städte, damit sie schnell vernetzte Ampeln installieren. Wir brauchen einheitliche Datenformate, Plattformen und Standards. Oder nehmen Sie das pilotierte Fahren. Hier kann der Fahrer das Steuer loslassen und das Lenken, Überholen, Gas geben und Bremsen schon bald dem System überlassen. Der Fahrer entscheidet, wann das System ihn ablösen soll. Wenn es zu langweilig wird – in Staus sinkt die Aufmerksamkeit. Das birgt ein erhebliches Unfallrisiko. Oder wenn es zu anspruchsvoll wird – in gefährlichen Situationen hilft das Auto durch intelligente Assistenten (Bremsen, Ausweichen). Oder drittens: wenn ich abgelenkt bin – weil ich einen Anruf bekomme oder dringend etwas anderes tun möchte. Für kontrollierte Umgebungen wie eine Autobahn ist das keine Vision mehr. Verkehrsminister Alexander Dobrindt hat es vor kurzem hinter dem Steuer eines Audi, aber eben ohne Hand am Steuer bei 130 km/h selbst erlebt. Zum Start der ersten Consumer Electronics Show Asiens haben wir ein Auto pilotiert durch den dichten Stadtverkehr von Shanghai fahren lassen. 90 Prozent aller Unfälle sind auf menschliche Fehler zurückzuführen. Pilotiertes Fahren wird deshalb die Sicherheit enorm steigern. Was steht im Weg? Aktuell noch das internationale „Wiener Übereinkommen für Straßenverkehr“. Der Haken daran: Es stammt aus 1968, ist also ein halbes Jahrhundert alt. Darin heißt es: Der Fahrzeuglenker oder Führer von Tieren muss ständig in der Lage sein, sein Fahrzeug zu beherrschen. Was heißt das heute? Immer die Hand am Steuer zu haben, wie es das Verkehrsrecht vorschreibt? Doch Elektronik und Computer gab es damals – 1968 – im Auto noch nicht. Glücklicherweise hat der UN-Verkehrsausschuss das erkannt: Es ist wichtig, die rechtlichen Grundlagen für pilotiertes Fahren zu schaffen. Von Fahrerhaftung über Produkthaftung und Blackbox bis zur Versicherung. Und: Nach welcher Ethik entscheidet ein Auto pilotiert in Grenzsituationen? Auch das pilotierte Parken wird enormen Mehrwert bringen. Alleine die benötigte Fläche im Parkhaus schrumpft um ein Drittel. Weil Sie keinen Platz zum Ein- und Aussteigen einplanen müssen. Dadurch gewinnt die Stadt Raum zurück für andere Formen der Nutzung, zum Beispiel für Marktplätze und Parks. Und mit autonomen Fahrfunktionen – auf separaten Strecken – könnte man in ferner Zukunft vielleicht sein Auto ganz alleine ein paar Hundert Meter von seinem Ziel im Zentrum weg parken lassen. Dort, wo die Grundstückspreise deutlich günstiger sind. Wenn wir eines nicht haben in unseren Städten, dann ist es Platz. Automobile Innovationen könnten uns Zeit und Platz schenken. Wenn wir die Parkplätze in diesem Land mit Sensoren ausstatten, werden diese erkennen und melden, wo etwas frei ist. Smart Parking ohne lange Suchfahrten kann 30 Prozent an CO2 einsparen. Technik kann unser Leben einfacher machen. Was wir brauchen, ist ein gemeinsames gesellschaftliches Verständnis darüber, ob und wie wir Technologie in Zukunft zu mehr Sicherheit, zu mehr Effizienz und Nachhaltigkeit und zu mehr Lebensqualität für uns alle einsetzen wollen. All das kann technologischer Fortschritt im Automobil befördern.

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Deutschland hat eine hervorragende Ausgangslage, wenn wir uns auf die eigenen Stärken besinnen: wissenschaftliche Exzellenz, hohes planerisches Know-how und verantwortungsvolles, innovatives Unternehmertum. Wir brauchen eine digitale Bildungsoffensive, die den veränderten Aufgabenfeldern und Berufsbildern gerecht wird. Meine Damen und Herren, die Rolle intelligenter Mobilität in einer modernen Gesellschaft zu definieren, ist eine der spannendsten Herausforderungen für mich. Wir begrüßen bei dieser Aufgabe auch neue Marktteilnehmer. Eric Schmidt von Google hält hier heute Abend eine Rede. Ob sein Onlinekonzern in den USA, oder der chinesische Counterpart Baidu ob Apple oder Uber oder andere Quereinsteiger wir erleben eine unglaubliche Attraktivität des Autos für die IT-Branche. Für die deutsche Autoindustrie ist es das Kerngeschäft seit 130 Jahren. Für Sie, Mr Schmidt, ist es erst jüngst interessant geworden – aus mehreren Gründen: Erstens: Mit 5.000 Computerchips an Bord ist ein Audi heute das größte Mobile Device. Und dank Partner wie Huawei ist er auch auf dem Internet Highway superschnell mit LTE unterwegs. Zweitens: 2020 wird die Hälfte der Wertschöpfung im Auto digital sein. Drittens: Wenn ein Autofahrer das Steuer loslässt, kann er auf die Datenautobahn wechseln. Das Auto wird umsatzstarker Point-of-Sale. Vierter Grund, warum viele IT-Firmen hellhörig werden: Im vernetzten Auto laufen unglaublich viele Daten auf. Wer ist wann, wo und mit welchem Ziel unterwegs? Und weitaus mehr. So entsteht ein klares Profil, mit dem man den Autofahrer wunderbar vermarkten KÖNNTE – er wird schnell zum „Target“ der Werbeindustrie. Ich sage: KÖNNTE. Denn WIR sehen das ein wenig anders in der deutschen Auto-Industrie. Erinnern Sie sich an meine ersten Worte? Der Kunde will im Mittelpunkt stehen – und nicht instrumentalisiert werden. Er will Herr über seine Daten sein – und nicht durchleuchtet werden. Und wir nehmen das ernst. Die Autobranche ist dynamisch – doch kein Start-up. Die Menschen vertrauen uns ihr Leben an. Denn sie bauen darauf, dass wir – wie in den 130 Jahren zuvor – die Sicherheit jeder Technik auf Herz und Nieren testen. Ein Smartphone, das Sie in die Sonne legen, reagiert mit der simplen Fehlermeldung „Gerät überhitzt“. Nichts geht mehr. Unsere Autos dagegen halten klirrender Kälte bis minus 40 Grad und sengender Hitze bis plus 85 Grad stand. Programme auf einem PC stürzen gerne mal ab. Dann hilft nur noch ein Neustart. Stellen Sie sich so etwas auf der Autobahn bei Tempo 200 vor. Ausfälle dieser Art dürfen in einem Auto nicht passieren. Im Internet gehören Cookies und andere Datensammler schon fast zum guten Ton. Ein Auto ist heute das zweite Wohnzimmer. Das ist privat! Der Einzige, den die Daten an Bord etwas angehen, ist der Kunde! Meine Damen und Herren, sicherlich werden wir auf unserer Zeitreise in die Zukunft viele Rechtsauffassungen und gesellschaftliche Normen überdenken. Ich persönlich trete für eine Balance zwischen Werten und Wandel ein. Wir dürfen NICHT alles über Bord werfen für neue technische Möglichkeiten. Bei allem Optimismus, was wir damit in unserer Gesellschaft verbessern: Wir haben eine historische Gestaltungsaufgabe, die über Bits und Bytes hinausgeht. Mit unserem Handeln stellen wir heute die Weichen dafür, wie das Leben und Zusammenleben künftiger Generationen aussehen wird.

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Es gilt einiges zu definieren: ein gemeinsames Verständnis über den Schutz der Privatsphäre, Regeln für den Einsatz von Big Data, eine Ethik für den Umgang mit Automatisierung in unserem Alltag: Wie lassen wir Computer entscheiden, die uns Aufgaben abnehmen? Und es gilt Standards zu bewahren, die das Vertrauen und die Sicherheit unserer Kunden schützen. Tun wir dies nicht, führt das unweigerlich zu einer Technologie-Feindlichkeit der Verbraucher. Ich bin überzeugt, Deutschland als Technologiestandort wird auch in diesem Themenfeld der Verantwortung führend sein. Dann kommt die Akzeptanz von ganz alleine. Vielen Dank. – Ende –

Kontakt

Jürgen De Graeve Kommunikation Unternehmen Tel.: +49 841 89-34084 [email protected]