RWTH-Themen Architektur

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Berichte aus der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen

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Architektur an der RWTH Aachen 6

Planen und Bauen im historischen Bestand 8

Von außen betrachtet 12

Im Schatten des Taj Mahal 14

Die Villa Imperiale in Pesaro 16

Pakistan, Afghanistan, Kasachstan, Kirgisien 18

Zur Geschichte mobiler Brückensysteme 22

Vom Entwurf zum Weltkulturerbe 26

Perspektiven und Projektionen 28

Schrumpfen unsere Städte und Regionen? 32

Zukunft Wohnen 36

Hope Homes 38

Netzentwurf.de 40

Leichte Konstruktionen aus Textilbeton 42

„The Making of.... Uzilinga“ 44

Studierende entwerfen und bauen selbst 46

Visualisierung in der Medizin 50

Lehren und Forschen in der Region 52

Grenzerfahrungen 54

Rekonstruktion historischer Bautechniken 56

Das Kármán-Atelier 58

Vom „Haus im Grünen“ zum „Grün im Haus“ 59

Zu neuen Ufern 61

Die Architektur der Habsburg-Valois-Konfliktzone 62

Lehr- und Forschungsgebiet Freiraum- und Grünplanung 64

„Umweltkommunikationszentrum“ und „Sender Euregio“ 66

Grenzen überschreiten 67

Der Aachener Dom im Wandel der Zeit 68

Ein Beispiel aus der Lehre 70

Kunst und Alsdorf 72

Alemannia Aachen und der Tivoli 74

Vor Ort 76

Das Reiff-Museum der RWTH Aachen 77

Das „Baumhaus“ 78

Autorenverzeichnis 80

Aus der Redaktion

Namen und Nachrichten 82

Bücher 85

50 Ausgaben des Wissenschaftsmagazins „RWTH-Themen“ 86

Brücken der Kultur 92

Geothermische Tiefbohrung hat ihr Ziel erreicht 94

Aus dem Inhalt

Impressum

Herausgegeben imAuftrag des Rektors:Dezernat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der RWTH AachenTemplergraben 5552056 AachenTelefon 0241/80-94327Telefax 0241/[email protected]://www.rwth-aachen.de

Redaktion:Christof Zierath

Verantwortlich:Toni Wimmer

Redaktionelle Mitarbeit:Renate KinnyThomas von Salzen

Titel:Jenny Leitze, Christian Schätzkeund Lena Klein (von links nachrechts), Lehrstuhl für Baukon-struktion 2, diskutieren ein Rau-tenfachwerk-Modell aus Textil-beton. Hiermit lassen sich zumBeispiel Überdachungen kleinerbis mittlerer Spannweite herstel-len.Foto: Peter Winandy

Rücktitel:Tragwerkkonstruktion im Gartenhinter dem Reiff-Museum, demHauptgebäude der Fakultät fürArchitektur der RWTH Aachen.Foto: Peter Winandy

Fotos: Wilhelm Busch (1), Jens Erhardt (1), Klaus Selle (4), Thomas Stachelhaus (1), Peter Winandy (25)

Art direction:Klaus Endrikat

Anzeigen:print’n’press, AachenTelefon 0241/9450-312Telefax 0241/9450-180

Satz:Goffintext, Aachen

Druck:Grenz-Echo, Eupen

Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier

Das Wissenschaftsmagazin„RWTH-THEMEN“ erscheint einmal pro Semester.Nachdruck einzelner Artikel,auch auszugsweise, nur mitGenehmigung der Redaktion.Für den Inhalt der Beiträge sinddie jeweiligen Autoren verant-wortlich.

Sommersemester 2005

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ei der Gründung der Polytechnischen Schule Aachen, aus der später unsereRWTH entstand, wurde im Jahre 1870 auch die Fachschule für Ingenieur-wesen und Hochbau eingerichtet. 1986 löste sich die Fakultät für Architek-

tur aus der zuvor gemeinsam mit den Bauingenieuren gebildeten Fakultät fürBauwesen heraus, was jedoch nicht bedeutet, dass diese nunmehr zwei Fakul-täten keine besonders intensiven Kooperationen entwickeln.

Besonders hervorzuheben sind die für die Architekturausbildung unverzichtbarenentwerferischen und künstlerischen Komponenten, die die Fakultät für Architek-tur an der RWTH Aachen in besonderer Weise pflegt, besitzen doch Architekturund Kunst von jeher eine wichtige gesellschaftliche Bedeutung an der Schnitt-stelle von Ästhetik und Technik. Die Fakultät für Architektur repräsentiert mitihrem universellen Anspruch, der Fachgrenzen bewusst überschreitet und Ko-operationen in vielen Bereichen innerhalb und außerhalb der Hochschule suchtund verwirklicht, den universitären Geist in ganz besonderer Weise.

Heute ist die Fakultät für Architektur eine der renommiertesten in der deutschenHochschullandschaft und nimmt auch innerhalb des Fächerkanons der RWTHAachen eine bedeutende Stellung ein. Die Spitzenstellung der Fakultät für Archi-tektur und ihrer Dozenten manifestiert sich in der hohen Gunst, die die Aache-ner Hochschule bei den Studienbewerberinnen und -bewerbern besitzt. Sie zeigtsich nicht zuletzt auch in den internationalen Aufträgen und der unmittelbarenBeteiligung an der zeitgenössischen Baupraxis sowie in der aktuellen Forschungzu Architektur, städtischer Kultur und Kunst.

Univ.-Prof. Dr. rer.nat. Burkhard RauhutRektor

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Vladimir Lalo Nikolic

Architektur an derEin Fachbereich im Umbruch

Im Jahre 1878 trennte manbeide Ausbildungsstränge, umdie architektonisch-künstleri-sche Komponente der Ausbil-dung zum Architekten zu stär-ken. Im Laufe der Zeit kam esspäter noch einmal zu einerZusammenfassung der Abtei-lungen für Bauingenieurwesenund Architektur in einer ge-meinsamen Fakultät. Auch siewurde wieder rückgängig ge-macht, weil sich erneut zeigte,dass das besondere Profil einerArchitekturausbildung am ehe-sten in einer eigenständigenFakultät entwickelt werdenkann. Diesem Verständnis sindwir nach wie vor verpflichtet.

2. Der Stand Seit Jahrzehnten wird die Ar-chitekturausbildung in Aachenstark nachgefragt. Diese Be-liebtheit geht – neben demsehr guten Ruf der RWTH inder europäischen Hochschul-landschaft, einer gastfreund-lichen Stadt und einer gutenBetreuung der Studierenden –vor allem auf das Profil der Aus-bildung zurück: Die kreativeAuseinandersetzung mit Bau-,Planungs- und Entwicklungs-aufgaben wird durch ein Stu-dium ermöglicht, in dessenMittelpunkt konstruktive undgebäudekundliche Fächer so-wie die Förderung künstleri-scher Fähigkeiten stehen. Er-gänzt und eingebettet wirddieses Angebot durch die Aus-einandersetzung mit der Ent-wicklung und Gestaltung vonStadt und Landschaft und dieintensive Beschäftigung mit hi-storischen Aspekten und theo-retischen Fragen – beides As-pekte, die der Aachener Aus-bildung ein besonderes Profilgeben.

Die Fakultät für Architekturstrebt die Kooperation mit vie-len benachbarten Bereichen in-nerhalb und außerhalb der ei-genen Hochschule an und iststetig bemüht, den universitä-ren Charakter der Ausbildungdurch Integration der Forschungund Entwicklung sowie der bau-lichen und gesellschaftlichenPraxis zu sichern und weiter-zuentwickeln.

Gerade in den Umbruch-zeiten erscheint es wichtig, denuniversitären Geist unserer hu-manistischen und künstleri-schen Tradition neben demfundierten Faktenwissen und

der entwurflichen und archi-tektonischen Gestaltungsqua-lität als unverzichtbaren Inhalteiner modernen Architektur-ausbildung zu sichern. Nurdann sind wir in der Lage, unsgegen technokratisch orien-tiertes Denken abzugrenzenund einen eigenen Platz inner-halb einer sehr bunten Ausbil-dungslandschaft zu definierenund diese Inhalte sichtbar, er-kennbar und studierbar zu ma-chen.

3. Der Umbruch Derzeit stehen viele Architek-turfakultäten vor großen Her-ausforderungen:● Die Arbeitsmarktsituationfür Absolventen ist – bei ohne-hin schon hoher „Architekten-dichte“ in Deutschland –schwierig und zwingt zu klarauf zukünftige Tätigkeitsprofileausgerichteten Ausbildungs-konzepten.

● Ein Großteil der Hochschul-lehrer wird in den nächstenJahren altersbedingt wechseln.In Aachen müssen bis 2010fast zwei Drittel der Stellen neubesetzt werden.● Die europäische Bildungspo-litik löst einen Prozess der Neu-strukturierungen von Studien-gängen aus: Binnen kurzemwerden aus den traditionsrei-chen Diplomstudiengängenzweistufige Bachelor- und Ma-ster-Ausbildungen.

Alles dies stellt auch die Archi-tekturfakultät in Aachen vorgroße Herausforderung, be-deutet Problem und Chancezugleich. Es liegt auf der Hand,dass die drei Herausforderun-gen – die Entwicklung des Ar-beitsmarktes, die Neubesetzun-gen und die Neustrukturierungdes Studiums – in engem Zu-sammenhang gesehen werdenund gemeinsam angegangenwerden müssen.

evor in den folgendenAbschnitten dieses Ma-gazins Lehr- und For-

schungsaktivitäten der Fakultätfür Architektur an der RWTHAachen vorgestellt werden, seieingangs ein kurzer Überblickzu Entwicklung und Stand derFakultät gegeben. Dabei ste-hen aktuelle Herausforderun-gen, die sich unter anderemaus der Neuorganisation desStudiums ergeben, im Mittel-punkt:

1. Die Geschichte1870 wurde die „KöniglichRheinisch-Westfälische Poly-technische Schule“ in Aachen(die heutige RWTH) gegrün-det. Mit ihr entstand die Fach-schule für Ingenieurwesen undHochbau, aus der sich im Lau-fe der Zeit die heutige Fakultätfür Architektur entwickelte. Siehat seit 1908 ihren (Haupt-)Sitz im „Reiff-Museum“ – sobenannt nach seinem Stifter,dem Hochschullehrer FranzReiff.

Im ersten Organisations-plan aus dem Jahre 1864 zurNeugründung der Hochschulein Aachen war die Einrichtungeiner Architektenausbildungnoch nicht vorgesehen. Manvertrat damals die Meinung,dass die Ausbildung zum Ar-chitekten gleichermaßen tech-nisch, naturwissenschaftlichund künstlerisch orientiert seinmüsse. Für die künstlerischenKomponenten aber sah man in der Region Aachen – im Ge-gensatz zu der an der geplan-ten Ausbildung an der Bauaka-demie in Berlin – kein adäqua-tes Potenzial, aus der die qua-litätsvolle Besetzung dieseswichtigen Ausbildungspartsvorgenommen werden konnte.

Wenn dennoch 1870 imZuge der Gründung der poly-technischen Schule in Aachenauch eine Fachschule für Inge-nieurwesen und Hochbau ent-stand, so lag das daran, dassder damalige GründungsrektorAugust von Kaven der Mei-nung war, die neue Schulekönne ohne Architekturausbil-dung nicht mit anderen Hoch-schulen in Preußen konkurrie-ren. So entstand zunächst einevierjährige Ausbildung im Bau-ingenieurwesen, der – als eineArt postgraduales Studium –im fünften Jahr die Ausbildungzum Architekten folgte.

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RWTH Aachen

Dieser Aufgabe stellt sichdie Fakultät. Welche Ziele da-bei verfolgt werden und inwelche Richtung die Entwick-lung weist, sei im Folgendenam Beispiel der Europäisierungdes Studiums erläutert:

4. Das Bachelor-Master-Stu-diumDer Tradition und den histori-schen Erfolgen des Fachbe-reichs verpflichtet, werden unsere Potenziale für eine dy-namische Anpassung des Stu-diums an die sich verändern-den gesellschaftlichen Bedin-gungen und dem global, abertrotzdem regional denkendenZeitgeist geweckt, ohne sichden Zeitzwängen von außen,auch wenn diese hoch aktuellklingen mögen, zu unterwer-fen. Die Ausbildung am „Reiff“soll auch nach den neuen Rah-menbedingungen die Ausbil-dung am „Reiff“ bleiben.

Was heißt das? Wie kannman die neuen Anforderungenmit den erprobten Traditionenverknüpfen?

Der Grundsatz für diesenWandlungsprozess könnte lau-ten: Wir übertragen unseregute traditionsreiche Ausbil-dung mit einem hohen Gradan Innovation und Kreativitätin das gewünschte zweistufigeSystem.

Das heißt zum Beispiel:Unser Bachelorstudium wirddie essenziellen Komponentenunseres jetzigen um ein Jahrerweiterten Grundstudiums er-halten und entsprechend denAnforderungen des Gesetzge-bers und der Forderung nachuniversitärer Ausbildung wei-terentwickelt werden.

Wir werden also unserenuniversitären, allgemein bil-denden, kulturellen Schwer-punkt von Anfang bis Endedes Studiums mit einer gebüh-renden Intensität fortsetzen.Die Kunstgeschichte, die Bau-geschichte, die Architekturthe-orie und alle anderen Fächerwerden dazu Ausschlag ge-bende Inhalte liefern.

Das Kreative – Entwerfen,Konzipieren, Gestalten – wirdunmissverständlich und sicht-bar im Mittelpunkt der Ausbil-dung stehen – ergänzt und ge-stützt durch das notwendigeFachwissen, durch das die fach-liche Kompetenz der Ausgebil-deten gesichert wird.

In einem, auf den Bache-lorabschluss folgenden Ma-sterstudium werden voraus-sichtlich drei Schwerpunktedas erworbene Wissen vertie-fen. Es sind dies:● Konstruktion und Technik● Stadt und Landschaft● Baugeschichte, Denkmal-und BausubstanzpflegeDie Diskussion über diese Neu-ausrichtung ist noch nicht ab-geschlossen. Aber die wesent-lichen Konturen und die näch-sten Schritte in der Entwick-lung der Architekturfakultät an der RWTH Aachen sind er-kennbar.

Dabei verfolgen wir folgen-de Ziele:– Wir nutzen das Bachelor-Masterstudium, um neue Ent-wicklungen zu initiieren.– Wir nutzen den Professoren-Generationswechsel, um die„Neuen“ Inhalte unverwech-selbar den „Neuen“ Persön-lichkeiten zuzuordnen. – Wir organisieren ein universi-täres Bachelorstudium, das andie Tradition des AachenerGrund- und Hauptstudiumsnahtlos anknüpft.– Wir werden Masterstudien-gänge entsprechend der Qua-lifikation einzelner Professorenbeziehungsweise Professoren-gruppierungen gestalten, umausreichende Attraktivitätennach außen sichtbar zu ma-chen, so dass nicht nur Aache-ner Bachelor-Absolventen andiesem Master-Studienab-schnitt teilnehmen werden. – Wir werden unsere AachenerArchitekturtradition des Stu-diengangs in das neu geglie-derte, sichtbar aktualisierte undan die Anforderungen der ge-

sellschaftlichen und architekto-nischen Dynamik ausgerichtetein das Bachelor-Masterstudiumintegrieren und weiterführen. ●

Blick aus dem Maschinenbau-Gebäude der RWTH Aachen aufRathaus und Dom der Stadt Aachen.Foto: Peter Winandy

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David Fischer, Hartwig Schmidt, Marc Wietheger

Planen und Bauen imVon der Bauforschung zum Entwurf

as Thema „Planen undBauen im Bestand“ wirdin einer Gesellschaft,

die sich ihrer begrenzten Res-sourcen bewusst ist, zu einerimmer wichtigeren Forderung.Die Notwendigkeit einer ver-tiefenden Ausbildung auf die-sem Gebiet beruht auf demWissen, dass die künftigen Be-rufschancen eines Architektenweit mehr als bisher im Um-gang mit vorhandenen Bautenund ihrer Neu-, Wieder- undAndersverwertung liegen wer-den. Nachhaltige Stadtentwick-lung und nachhaltiger Städte-bau verlangen andere Antwor-ten auf gestellte Bauaufgabenals den Neubau.

Historische Bauten gehörenmit zu den begrenzten gesell-schaftlichen Ressourcen. Bau-denkmale bilden in diesem Be-reich nur einen verschwindendgeringen Prozentsatz (etwadrei Prozent), doch tragen sieentscheidend dazu bei, eineVerbindung zur Vergangenheitherzustellen und Geschichtesinnlich und unmittelbar erleb-bar zu machen. Im Gegensatzzu den immer umfangreicherwerdenden virtuellen Erfahrun-gen setzen sie diesen dem Wertdes Originals, des Authenti-schen, des erkennbar Gealter-ten gegenüber.

Für denkmalpflegerischeMaßnahmen gibt es keine Re-zepte, sondern nur theoreti-sche Grundlagen, die aber meh-rere Lösungsmöglichkeiten zu-lassen. Jedes Bauwerk hat sei-ne individuelle Geschichte undjede Bauaufgabe stellt den Ar-chitekten vor ganz spezielleProbleme. Diese sind nichtmehr allein zu bewältigen,sondern nur in Gemeinschaftmit Fachkollegen: Denkmal-pflegern, Bauforschern, Restau-ratoren, Naturwissenschaftlern,Ingenieuren und natürlich fach-kundigen Handwerkern, diedie Instandsetzung und Neu-gestaltung realisieren. Dem Ar-chitekten bleiben als Aufgaben-gebiete die gestalterische, or-ganisatorische und wirtschaftli-che Abwicklung des Bauvorha-bens. Um diese Aufgaben qua-litätvoll durchführen zu kön-

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historischen Bestand nen, sind über das Standard-wissen hinaus besondere Kennt-nisse und Fähigkeiten erforder-lich:● Historisches Wissen undbaugeschichtliche Kenntnisse● Methoden der Bauanalyseund Baudokumentation● Bewertungskriterien für hi-storische Konstruktionen undBaumaterialien● Methoden der Reparaturund baulichen Ertüchtigung,konstruktives und technischesWissen● und selbstverständlich Liebezu den alten Bauten, Ehrfurchtvor dem Gealterten und Kritik-fähigkeit dem eigenen Schaf-fen gegenüber.

Eine unverzichtbare Grund-lage jedes verantwortlichenUmgangs mit einem Baudenk-mal – und das gilt selbstver-ständlich auch für jedes histo-rische Gebäude – ist eine sys-tematische Voruntersuchungund Dokumentation des be-treffenden Bauwerks. Um Pla-nungsfehler und damit verbun-dene Schäden oder den Verlustwertvoller historischer Substanzzu vermeiden, ist eine umfas-sende Kenntnis der geschicht-lichen, gestalterischen und kon-struktiven Besonderheiten desGebäudes erforderlich. Dabeiist neben den Archivalien dasBauwerk selbst die aufschluss-reichste und ergiebigste Quel-le, denn jede Veränderung hatihre Spuren im Bauwerk hin-terlassen. Mit den Methodender „Bauforschung“ lassensich diese aufspüren.

Im Falle des „GotischenHauses“ in Andernach, ein imKern auf das 14. Jahrhundertzurückgehendes Bürgerhausaus geistlichem Adelsbesitz,diente die Bestandsuntersu-chung dazu, eine Umbaupla-nung vorzubereiten. Da dievorhandene Raumstruktur fürdie Wohnnutzung einer fünf-köpfigen Familie nicht aus-reichte, wünschten sich die Ei-gentümer eine Erweiterung derWohnfläche innerhalb der andie nördliche Giebelwand an-grenzenden ehemaligen Scheu-ne. Dieser Anbau ließ sichnach dem Studium der Grund-

Lydia Konnegen und Marc Wietheger vom Lehr- und For-schungsgebiet Denkmalpflegebeim Tachymetrischen Aufmes-sen der Tambour-Fensterlaibun-

gen am Aachener Dom. Dies istdie Grundlage für weitere Kar-tierungen, Konservierungen undRestaurierungen.Foto: Peter Winandy

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bücher und des Urkatastersvorab auf die Zeit um 1860datieren, das Wohnhaus hattebis dahin zu allen vier Seitenfrei gestanden. Um bei demnötigen Durchbruch verlustrei-che Eingriffe in die Bausub-stanz zu vermeiden, wurde da-her nach bereits vorhandenen,im Laufe der Zeit aber zuge-setzten Öffnungen im Gefügeder ehemaligen Außenwandgesucht, deren Struktur an-schließend photogrammetrischdokumentiert und hinsichtlichder einzelnen Bauphasen undMaterialunterschiede ausge-wertet wurde. Zudem erfolgteeine Kartierung der Schadens-bilder und vertikalen Rissver-läufe als vorbereitende Maß-nahme für die Instandsetzungund die notwendigen Siche-rungsarbeiten.

Um den Studierenden dieheutigen Möglichkeiten derBauaufnahme zu vermitteln,wurden alle Methoden, vomHandaufmaß bis zur Photo-grammetrie, angewandt. AlsGrundlage des verformungsge-rechten Aufmaßes der Grund-risse und Vertikalschnitte wur-de ein vom Gebäude unab-hängiges, polygonales Bezugs-messnetz errichtet. Dazu wur-den mit einem elektronischenTachymeter berührungsfreiPasspunkte im Gebäude einge-messen und vermarkt, derendreidimensionale Koordinatendie freie Stationierung undOrientierung des Messgerätesan beliebiger Stelle im Gebäu-de ermöglichen. Bei einer er-reichten Messgenauigkeit von+/-3mm wurden so sämtlicheMessungen in den horizonta-len und vertikalen Schnittebe-nen in ein einziges Bezugssys-tem gebracht.

Daraufhin wurden die Ge-schosse im Grundriss mitsamtaller Raumkanten und Projek-tionen mittels Strecken undWinkelmessung erfasst undzueinander in Beziehung ge-bracht. Unter Verwendung ei-nes CAD-Systems mit einerAufmaß-Applikation ließensich die Ergebnisse der Mes-sungen direkt online auf einemNotebook visualisieren undeventuelle Messfehler sofortkorrigieren.

Ausbaudetails wie Fenster,Türen, Treppen und weitereBauzier wurden hingegen de-tailgetreu per Hand im Maß-stab 1:1 aufgemessen und ge-zeichnet.

Zusammen mit einer foto-grafischen und schriftlichen

Dokumentation wurden sie di-gital katalogisiert und in einemRaumbuch zusammengefasst.Anhand von Passpunkten lie-ßen sie sich lagerichtig in dieZeichnungen einfügen. Die Be-funde der nachfolgenden Un-tersuchungen an Dachkon-struktion, Deckenbalken undFenstergewänden sind in denaktuellen Bestandszeichnungendokumentiert.

Das besondere Augenmerkliegt dabei auf dem flach ge-neigten, sowohl das Wohn-haus als auch die Scheuneüberdeckenden Notdach derNachkriegszeit, für das – in Er-mangelung neuen Bauholzes –Dachbalken des ursprünglichen,gotischen Steildaches wieder-verwendet wurden. Eine ein-

gehende Untersuchung der er-haltenen Blattsassen und Zap-fenlöcher soll nun Aufschlussüber die Geometrie des verlo-ren gegangenen mittelalter-lichen Dachwerks geben undeine zeichnerische Rekonstruk-tion ermöglichen. Den Auf-schluss über die genaue Erbau-ungszeit des „Gotischen Hau-ses“ erhoffen wir uns von dendendrochronologischen Unter-suchungen.

Mit dem Gebäude auf dasGenaueste vertraut, haben dieStudierenden nun die Möglich-keit, die gewonnenen Erkennt-nisse über das Gebäude in ei-nen eigenen Entwurf für dieUmbauplanung einfließen zulassen.

VerformungsgerechtesBauaufmaß mit photo-

grammetrischer Darstellungder Kellerwand.

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Bildet die gute Kenntnis ei-nes historischen Baus durchdie vorausgegangene Baudo-kumentation und Bauuntersu-chung die Grundlage, so stelltsich für das Entwerfen im hi-storischen Bestand die Fragenach dem weiteren Vorgehen.Beginnt das Entwerfen erstdort, wo Denkmalpflege en-det? Gibt es einen grundsätz-lichen Gegensatz zwischenentwerferischem Neuschöpfenund der Konservierung desDenkmalbestandes?

Ein Entwurf entsteht gene-rell aus den beiden „Innen/Au-ßen-Polen“ von Funktion undSituation. Ebenso wie ein Ge-bäude durch seinen Inhaltstrukturiert und geformt wird,bestimmt auch die Umgebungin ihren Besonderheiten undAnforderungen seinen Auftritt.Liegt nicht die Qualität einesGebäudes letztlich in der Echt-heit seiner Antworten auf dieAufgabe und in der Gültigkeitseiner Reaktion auf seine Um-gebung?

Im historischen Bestandstellen sich für den weiten Be-reich zwischen Instandsetzung,Umbau und Erweiterung diegleichen Fragen, wobei derSchwerpunkt mehr zu den An-knüpfungspunkten an den Be-stand verschoben ist. In derDiskussion mit Architekturstu-denten wird hier besonders

nach der Angemessenheit derVorschläge gefragt. Wie deut-lich, wie „laut“ darf die neuhinzugefügte Architektur auf-treten? Wie kann zwischen Altund Neu ein Beziehungsgefü-ge aufgebaut werden, ohnedass die Lesbarkeit und dieAuthentizität der historischenTeile beeinträchtigt werden?

Wurde der Begriff der Echt-heit bereits als Kriterium fürden Neubauentwurf angespro-chen, so ist die „Authentizität“im historischen Bestand ohne-hin von zentraler Bedeutung.Das einzige, was wir heutenicht erzeugen können, ist dasAlter. Das Alter eines Bauwerksdrückt sich nicht nur in seinenhistorischen Formen aus, son-dern auch in seinen Beschädi-gungen und Abnutzungsspu-ren. Daher werden hier imEntwurfstraining ästhetischeKategorien entwickelt, die Al-ter und historische Bedeutungin den Vordergrund stellen.

Das Entwerfen im Denk-malbestand erfordert seitensder Studierenden fortgeschrit-tene Erfahrung, ein bereitsvorhandenes „Repertoire“, da-mit in der Bearbeitung über diegrundsätzlichen Funktionen hin-aus die tieferen Implikationender Vorschläge sinnvoll disku-tiert werden können.

Das maßstäblich andereExtrem gegenüber der detail-

lierten Umbauplanung für dasAndernacher „Gotische Haus“bildet der studentische Hoch-bauentwurf zum historischenAachener Schlachthofgelände.Auf der Grundlage eines Gut-achtens vonseiten des Rheini-schen Amts für Denkmalpfle-ge, das der teilweisen Unter-schutzstellung des dortigenBaubestands vorausging, ginges in Abstimmung mit demPlanungsamt der Stadt Aachenum Konzepte für die Erhaltungder gründerzeitlichen und früh-modernen Hallenbauten.

Denkmalpflege und Bauenim Bestand bilden generell kei-nen Unterschied, doch unter-scheiden sich die Vorgehens-weisen im Detail. Auf derGrundlage der historischen Be-deutung des Baudenkmalswird der Architekt dieses ge-nauer untersuchen, wenigerverändern und ihm gestatten,auch weiterhin sein Alter zuzeigen. „Im neuen Glanz er-strahlend“ ist die falsche Devi-se, hingegen ist die Forderungder Denkmalpflege um 1900nach „Konservieren, nicht Re-staurieren“ noch immer ein er-strebenswertes Ziel, auch wenndieses nur schwer zu erreichenist. ●

Umnutzung und Erweiterungdes Aachener Schlachthofs;gebundener Entwurf, Verfasser:Phillip Michler.

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Steffen Nadrowski, Jörg Rekittke, Rainer Rutow, Kunibert Wachten

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interessante Lösungen zu nut-zen. Die große Unterstützungaller drei Arbeiten durch dieLandesinitiative „StadtBauKul-tur“ des Ministeriums für Städ-tebau und Wohnen, Kultur undSport des Landes Nordrhein-Westfalen mag als Hinweis fürdas Gelingen dieser Absichtdienen.

1. Rotterdamer Architektur-biennale – Autobahn A42 imRuhrgebiet „Mobilität – Zimmer mit Aus-sicht“ lautete das Motto derersten Rotterdamer Architek-tur-Biennale, die 2003 im Na-tionalen Architektur InstitutNAI und einem umgenutztenHafenspeicher der Stadt aus-gerichtet wurde. Im Mittel-punkt der Biennale stand dieAutomobilität, deren Auswir-kungen und gestalterische Po-tenziale bezüglich internatio-naler Metropolen und Agglo-merationen erforscht und ver-anschaulicht werden sollten.Das Verständnis des Automo-bils als Zimmer mit Aussichtimplizierte die moderne gesell-schaftliche Interpretation desPKW als rollende Wohnungsowie der Straße als öffentli-chen Raum, in dem weitausmehr Zeit zugebracht wird, alsin jeder City und jedem Stadt-park. Die Fahrt auf der Auto-bahn wird unter diesen Prä-

missen zum filmischen Erleb-nis, als dessen „Regisseure“sich die Gestalter von Verkehr-sinfrastrukturen und deren be-nachbarter Stadt- und Land-schaftsräume verstehen kön-nen.

Nach Rotterdam eingela-den waren weltweit zehn Uni-versitätsteams, von Los Ange-les über Beirut bis Peking. Dendeutschen Beitrag, eine Unter-suchung des Ruhrgebiets, erar-beitete ein Team in Regie desLehrstuhls für Städtebau undLandesplanung der RWTH Aa-chen in Kooperation mit derBergischen Universität Wup-pertal und der TU Berlin. Auf-gabe war es, eine für den je-weiligen Ballungsraum reprä-sentative Autobahn in ihrergesamten Länge filmisch zuanalysieren und anhand einesgroßen Modells mögliche ge-stalterische Interventionen zuvisualisieren, die dazu beitra-gen können, die Aussicht undden Kontakt des Fahrendenmit Straße und Umland positivzu beeinflussen.

Fast alle Autobahnen desRuhrgebiets haben den Char-akter besonderer Stadtstraßen.Sie wurden in der Mehrzahldort gebaut, wo die direkte Er-reichbarkeit der städtischenKerne und der großen Indu-striestandorte gleichermaßengewährleistet sein musste und

vorhandene Freiflächen verfüg-bar waren. So durchlaufen fastalle Autobahnen die Grünzügedes Ruhrgebietes in Längsrich-tung – auch die AutobahnA42, der Emscherschnellweg,auf den die Wahl als Untersu-chungsgebiet für die Biennalefiel. Es zeigte sich, dass sichdas Ruhrgebiet von der A42aus betrachtet als wesentlichgrüner und landschaftlicherdarbietet, als man vermutet.Wenngleich die Städte desRuhrgebiets mit mehr als fünfMillionen Einwohnern diegrößte urbane AgglomerationDeutschlands bilden, dominiertselbst in zentralen Bereichendieser Metropolregion eherlandschaftliche Weite als ur-bane Dichte. Diente die A42ehemals der Erschließung vonIndustrieflächen des Bergbausund der Stahlindustrie, kannsie heute zum Schaufensterdes neuen Ruhrgebiets wer-den.

Wenn die A42 diese neuenFunktionen wahrnehmen soll,muss sie so gestaltet werden,

ie Mitte der Stadt stehtfür ihr Bild. Sie hat Stell-vertreterfunktion für die

Gesamtstadt – selbst wenn siedurchschnittlich nur ein Zehn-tel der überbauten Fläche aus-macht und ihr andere Stadttei-le ökonomisch und funktionalden Rang abgelaufen haben.Der Postkartenblick auf die eu-ropäische Stadt erfolgt von in-nen heraus, realitätsnäher istder Blick von außen.

Der erste Kontakt mit einerStadt erfolgt auf funktionalenVerkehrsbauwerken und un-gestalteten Trassen, die anschmucklosen Rückseiten ent-langführen. Den ersten Blickprägen zersiedelte Peripherie,Lagerhallen, Baumärkte undmonotone Vororte. Von außenbetrachtet zeigen sich seltenunverwechselbare Orte, eheraustauschbare Kulissen.

Gleichzeitig wächst die Be-deutung der Profilierung vonStädten und Regionen im inter-regionalen und globalen Wett-bewerb: Bei vergleichbarer Aus-prägung der harten Standort-faktoren kommt der Gestaltunserer Städte und der Qua-lität des individuellen Stadter-lebnisses zunehmende Bedeu-tung zu. Aufgabe des Städte-baus wird es sein, durch ge-stalterische Intervention undInszenierung das Bild der Städ-te zu erneuern. Dies gilt insbe-sondere für Autobahnen, Hoch-und Schnellstraßen oder über-lastete Innenstadtdurchfahrten.Die Randbereiche und Ver-kehrsräume sind für das Profileiner Stadt ebenso relevantwie ihr Stadtkern.

Drei am Lehrstuhl für Städ-tebau und Landesplanung be-arbeitete Projekte zeigen, wieStandortqualitäten durch ge-stalterische Eingriffe in vernach-lässigten Räumen beeinflusstwerden können: ein Beitragzur Architekturbiennale Rotter-dam, welche unter dem Motto„Mobility – A Room with aView“ stand, die Herbstakade-mie „Stadtraum B1“ und dieEntwurfswerkstatt „UrbaneSzenographien“ in Heiligen-haus. Die Projekte eint der Ge-danke, in Kooperation mit an-deren Instituten und AkteurenErgebnisse zu präsentieren, diesich an den praktischen Anfor-derungen des Planungsalltagesorientieren, sowie die universi-tären Arbeitsbedingungen für

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Multifunktionaler Verkehrs-knotenpunkt für die BonnerMuseumsmeile. Der Entwurfvon Sascha Glasl und JochenSpecht erhielt den 1. Preis beim„Renault Traffic Design Award“2004.

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dass 1.) die Zeichen des verän-derten Ruhrgebiets an der A42gut sichtbar in Szene gesetztwerden und sich beim Vorbei-fahren quasi zu einem Film desWandels der Metropolregionverdichten, 2.) die besonderen,authentischen Orte der Indu-striekultur und der neue Parkeine Adresse erfahren, 3.) dieneue Landschaft als Ergebnisdes Wandels in Ihrer Vielfaltund Weite als ein neues Mar-kenzeichen des Ruhrgebietssichtbar wird, 4.) die großeStrukturleistung des Baus einesneuen Flusstals mit allen Rei-zen einer Kanal- und Wasser-landschaft zur Autobahn hinauch präsentiert wird, unddass 5.) die Technik der Auto-bahn mit ihren Brücken, ihrenBlend- und Lärmschutzanlagenund mit ihrer Ausschilderungästhetisch kultiviert wird, umdie angestrebte Schaufenster-funktion zu unterstützen. Diegenannten Anforderungenführen zur Notwendigkeit vonEingriffen, die sich nicht durchüberdimensionierte Gesten undarchitektonische Sensations-lust, sondern durch subtile undörtlich eng begrenzte Interven-tion auszeichnen – nicht gutgemeinte Radikalkur, sondernernst gemeinte Akupunktur alsangemessene Heilmethode.Das Repertoire der Gestaltungmuss sich dafür – anders als inStadtkernen – an den Wahr-nehmungsmustern bei hohenGeschwindigkeiten orientieren.

2. Herbstakademie – Stadt-raum Bundesstraße B1 Parallel, knapp 10 Kilometersüdlich der A42, durchläuft dieB1 als eher städtisch geprägtesBand – Synonym für die Hell-weg-Zone, ebenfalls das ge-samte Ruhrgebiet in West-Ost-Richtung. Auch hier zeigtsich den Autofahrern einSchaufenster der Region. DieA42 ist primär umgeben vonlandschaftlicher Kulisse, die B1führt in großen Teilen mit teil-weise brutaler Konsequenzdurch hochverdichtete Wohn-gebiete. Die B1 verbindet dieLebens- und Arbeitszentrenfrüherer Generationen im Ruhr-gebiet, die Einkaufszentren so-wie die traditionell gut besuch-ten Veranstaltungs- und Sport-zentren der Region. Die Straßetangiert die Kerne der großenRuhrgebietsstädte und kann

in dieser Funktion deutlicheräumliche Orientierung in ei-ner ansonsten verwirrendenStadtstruktur stiften. Sie besitztdas Potenzial, aufgrund ihrerGeschichtsträchtigkeit zu ei-nem wichtigen identitätsstif-tenden Raumkontinuum zuwerden. Diesem Ziel ging 2001eine Herbstakademie mit mehrals 100 Studierenden aus demIn- und Ausland nach, die sichim Kern der Frage widmete:Kann die B1 die Champs Ely-sées oder der Kurfürstendammdes Ruhrgebiets werden? Ver-anstaltet von der RWTH Aa-chen und der Universität Wup-pertal wurden in diesem durchfünf Ruhrgebietsstädte unddas Ministerium für Städtebauund Wohnen, Kultur und Sportinitiierte WerkstattverfahrenIdeen entwickelt, wie die B1und ihr Umfeld neu gestaltetwerden können, um es von ei-ner abstoßenden Trasse mitAutobahncharakter zu einemöffentlichen Raum mit beson-deren großstädtischen Qualitä-ten zu entwickeln.

3. Entwurfswerkstatt – Ent-flechtungsstraße HeiligenhausArchitekten und Stadtplanersetzen sich zunehmend mitOrten auseinander, in denendie gestalterische Interventionweniger durch die Neuplanungvon Gebäuden oder Quartie-ren erfolgt, sondern über diegezielte „Inszenierung“ städti-scher Räume. Neben die städ-tebauliche Ergänzung tritt da-mit die eher dramaturgischeEntwicklung eines Stadterleb-nisses.

Der Kern der Stadt Heiligen-haus wird durch die Hauptstra-ße erschlossen, die die wich-tigste Geschäftsstraße ist. Auf-grund des starken Durchgangs-verkehrs wirkt sie als Barriereund ist wenig ansprechend ge-staltet. Hoffnungsträger derQualitätssteigerung der Innen-stadt ist der Bau einer Entflech-tungsstraße, ihr Ausbau soll zurVerkehrsentlastung der Haupt-straße führen. Mit dieser Maß-nahme verändert sich das Bildder Stadt entscheidend, bishe-rige Hinterhöfe werden zuSchauseiten. Ein gemeinsamesStudienprojekt der Städtebau-Lehrstühle der RWTH Aachenund der BU Wuppertal sollteHinweise liefern, welche Poten-ziale der Stadtgestaltung sich

mit der Realisierung der Ent-flechtungsstraße ergeben. Un-ter dem Titel „Urbane Szeno-graphien“ wurde vermittelt,dass Stadtgestaltung sich aktivdem Umbau und der Inszenie-rung des Vorhandenen widmenund sich auf ein verändertesRepertoire abstützen muss.

In Kooperation mit derStadtverwaltung Heiligenhausund Unternehmen der Regionwurde 2004 eine einwöchigeEntwurfswerkstatt in Heiligen-haus durchgeführt. Die Arbeits-ergebnisse zeigen die Vielfaltder Möglichkeiten zur Innen-stadtgestaltung auf, die Band-breite reicht von traditionellerStadtgestaltung über neuartigePlanungsansätze bis zur filmi-schen Potenzialanalyse derneuen Entflechtungsstraße.Die öffentliche Präsentationder Arbeitsergebnisse hat inHeiligenhaus große Resonanzin der Bürgerschaft hervorge-rufen und eine rege Stadtent-wicklungsdiskussion ausgelöst.Die Stadt Heiligenhaus plantdeshalb, die Zusammenarbeitmit dem Lehrstuhl für Städte-bau und Landesplanung derRWTH Aachen fortzusetzen.Für 2005 ist ein Forschungs-vorhaben zur wissenschaft-lichen Begleitung der Innen-stadtentwicklung in Heiligen-haus vorgesehen.

In dem thematischen Kon-text der Gestaltung von Ver-kehrsräumen gilt es eine weite-re Notiz zu machen, die hoheAktualität besitzt. Der Hoch-schulwettbewerb 2004 „Re-nault Traffic Design Award“machte unter dem Titel „Bar-rieren überwinden – Wahrzei-chen schaffen“ die Identifika-tion und Individualisierungstädtischer Verkehrsräume zumThema. Zehn deutsche Städtedefinierten gemeinsam mit denbeteiligten Lehrstühlen Wett-bewerbsgebiete. Ziel des Wett-bewerbs war es, Lösungen fürdie Integration von Verkehrs-bauwerken und Verkehrsräu-men in den städtischen Kon-text zu entwickeln. Dabei wa-ren integrative Konzepte ausStadtplanung, Architektur undDesign gefragt, die Impulse füreine Erneuerung des Stadtbil-des bewirken und gleichzeitigallen Verkehrsteilnehmern neueOrientierung in und Identifika-tion mit der Stadt ermöglichen.

Und: Für ein Projekt inBonn, Umgestaltung des Bun-deskanzlerplatzes, hat unterder Betreuung des Lehrstuhlsfür Städtebau und Landespla-nung der RWTH Aachen eineStudierendengruppe den Hoch-schulpreis 2004 erhalten. ●

Das Bild der Städte durch Gestaltung und Inszenierung erneuern

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Christoph Ruckert Im Schatten des

neben dem Taj Mahal. Beidesführt zu breiter gestreutem,erhöhtem Einkommen für dieBevölkerung und neuen Inve-stitionen, was in der Folge wie-derum zur Stärkung eines aus-geglichenen Sozialgefüges bei-trägt. Hier schließt sich derKreis wieder, denn ein funktio-nierendes Stadtsystem wird Be-sucher verstärkt anziehen undweitere Verbesserungen imökologischen Bereich ermög-lichen.

Erste SchritteFür den Einstieg in das Projektgalt es zunächst, sich einenÜberblick über den gegenwär-tigen Stand der Dinge zu ver-schaffen. Dafür war es nebender Durchführung zahlreicherTreffen mit Entscheidungsträ-gern und der Auswertung zu-gänglicher Unterlagen wichtig,selbst die Position des Nutzerseinzunehmen und die Proble-matik auch aus dem Blickwin-kel der Betroffenen zu betrach-ten. Dabei taten sich in deneinzelnen Stadtvierteln zahlrei-che Defizite, vor allem auf Sei-ten der Bevölkerung aber auchvielfältige Potenziale auf. Dazuzählt insbesondere die weitverbreitete Fähigkeit, sich aufschwierige Rahmenbedingun-gen einzustellen und durchKreativität und Flexibilität ausder Not eine Tugend zu ma-chen. Beispiele hierfür sind dieallgegenwärtigen „Straßen-rand-Unternehmer“ vom Alt-glas-Sammler über den mobi-len Obstverkäufer bis hin zurFahrrad-Werkstatt im Holzver-schlag. Die Erkenntnisse der Be-standsaufnahme, die sowohlformelle als auch informelleQuellen und Analysen nutzte,flossen nun in eine Darstellungder Ausgangslage ein, auf de-ren Basis die weiteren Planungs-schritte getan werden konn-ten.

Der Masterplan entstehtAufgrund der unterschied-lichen Nutzungsschwerpunktein den einzelnen Stadtviertelnund der Siedlungsstruktur diesich daraus ergibt, lässt sich dasGesamtgebiet Agras in mehre-re Zonen einteilen. Neben der

wichtigen „Zone der Kulturgü-ter“ mit angrenzender „Hotel-Zone“ sind dies die „Gewerbe-“sowie die „Industrie-“ und die„Landwirtschafts-Zone“. Fürdiese Zonen wurden dem je-weiligen Handlungsbedarf ent-sprechend Maßnahmen defi-niert, die in einem stadtüber-greifenden Masterplan zusam-mengeführt wurden. DasHauptaugenmerk lag dabeistets auf den Belangen derstädtischen Umwelt in Verbin-dung mit touristischen Erfor-dernissen. So wurden Lösungs-

ansätze entwickelt in den Be-reichen Luftqualität, Wasser-ver- und entsorgung, Abfall-management und Verkehrs-systeme sowie übergeordneteRichtlinien für die weitere tou-ristische Entwicklung. Auf-grund der Aktualität und Bri-sanz der Aufgabenstellung wares jedoch mit allgemeinen Aus-sagen nicht getan. Eine ent-sprechende Detaillierung undweiterführende, umsetzungs-orientierte Planungsschrittemussten folgen.

s gehört zu den bekann-testen Bauwerken derWelt, etwa fünf Millionen

Besucher zieht es jährlich inseinen Bann: Das Taj Mahal inAgra gilt gleichermaßen alsMeisterwerk indo-islamischerBaukunst und als Wahrzeichendes indischen Subkontinents.Das Bild, das viele westlicheTouristen mit diesem Mauso-leum verbinden, steht für un-vergängliche Liebe, für roman-tische und exotische Urlaubs-träume.

Wer sich jedoch tatsächlichaufmacht nach Agra und wereinige Gehminuten außerhalbdes ummauerten, sicheren Be-reichs des Taj Mahals riskiert,dem erschließen sich Bilder diemit dem Prunk und der Prachtdes vergangenen Mogulreichsnichts mehr gemein haben:Mit Fahrzeugen und Menschenüberfüllte Straßen, allgegen-wärtiger Lärm, Müllberge imöffentlichen Raum, Abgase ausVerkehr und Dieselaggregaten,stinkende Kanäle, in welche dieNotdurft der Anwohner biswei-len direkt verrichtet wird. Dieschlechten Lebensbedingungenvieler Menschen sind – wie inanderen indischen Städten auch– unübersehbar, von den 1,5Millionen Einwohnern Agrasleben etwa 40 Prozent in Ar-mut.

Tourismus als MotorUm die zahlreichen ProblemeAgras anzugehen und die Le-bensqualität für möglichst gro-ße Bevölkerungsteile zu ver-bessern, wurde in indisch-deut-scher Zusammenarbeit das„Eco-City“-Programm entwickelt.Dabei soll die wirtschaftlicheund soziale Entwicklung einerStadt mit ihren ökologischenBelangen so zu einem wir-kungsvollen Ganzen verknüpftwerden, dass sich die einzel-nen Bereiche gegenseitig er-gänzen und fördern. Im Falleder Stadt Agra wurde der Tou-rismus als starker potenziellerMotor für eine solche Gesamt-entwicklung identifiziert. Sehrvereinfacht heißt das: Ist diestädtische Umwelt intakt undattraktiv, bleiben Touristen län-ger und besuchen weitere Orte

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Taj Mahal

Lösungen im DetailAls Beispiel für die Ausarbei-tung konkreter Maßnahmenwollen wir hier die Problematikder Entwässerungskanäle her-ausgreifen. In der Regel sinddiese „Drains“ hochgradig mitFäkalien und sonstigen flüssi-gen und festen Abfällen ver-stopft, ein stinkendes Rinnsal,das auf den nächsten Mon-sunregen wartet um in einemgroßen ‘Abwasch’ von allemUnrat befreit zu werden. DiePlanungen für diese Kanäle se-hen eine Umgestaltung mit me-

chanischen und biologischenReinigungsstufen vor, die esermöglichen, die Qualität derDrains selbst und des durchAgra fließenden Yamuna Rivererheblich zu verbessern. DieBevölkerung wird in dieses Rei-nigungssystem direkt einge-bunden und profitiert durchdie hier erbrachte Arbeit auchwirtschaftlich von den Neue-rungen. Die an die Drains an-grenzenden Uferzonen werdennun ebenfalls in die Umgestal-tung mit einbezogen und die-nen als attraktive öffentliche

Freiflächen als Aufenthalts-und Verbindungsräume in derStadt, gleichermaßen genutztvon Bewohnern wie von Besu-chern.

Weitere, im Rahmen desProjekts erarbeitete Detailpla-nungen befassen sich mit derGestaltung von Straßenräu-men oder der Anlage von We-gesystemen für Fußgänger mitRuhestationen und Aussichts-punkten sowie einem Leit- undInformationssystem. Ebensogehören die Aufwertung vonParks und Plätzen, der Entwurf

von Informations- und Besu-cher-Zentren, aber auch Maß-nahmen zur Speicherung vonRegenwasser in das Spektrumder entwickelten Lösungen.Die besten Planungen sind je-doch ohne eine Einschätzungder entstehenden Kosten nichtrealisierbar. Aus diesem Grundwurden einzelne Flächentypenwie beispielsweise „Intensiv-grünfläche“, „Extensivgrünflä-che“, „Befestigtes Ufer“ oder„Straßenraum“ festgelegt unddie zugehörigen Baukosten er-mittelt. Neben einer solchengroben Kostenschätzung istein Zeit- und Prioritätenplanfür die einzelnen Maßnahmenein wesentliches Arbeitsmittelfür ihre Umsetzung in die Rea-lität.

Projekt ohne EndeStadtentwicklung ist immerdynamisch, sie kann nicht fest-geschrieben werden. Städte imAllgemeinen und urbane Um-welt im Besonderen sind vielenunterschiedlichen Einflüssenund Prozessen ausgesetzt. Sieverändern sich daher ständigund Planungsprojekte könnenimmer nur versuchen, punk-tuell Akzente zu setzen und solenkend einzuwirken. Auch imFall Agra hängt viel davon ab,wie flexibel mit den Lösungs-ansätzen auf sich wandelndeAusgangsbedingungen einge-gangen werden kann. Insofernist dieses Projekt zur Stadtent-wicklung keinesfalls abge-schlossen, es wird vor Ortständig weitergetragen undfortgeschrieben. Für alle diesezukünftigen Anstrengungenmuss jedoch das auch hier zu-grunde gelegte Prinzip gelten:die Schaffung einer ausgewo-genen Einheit aus Sozialem,Ökonomie und Ökologie. ●

Wegeplanung entlang desYamuna River:

Neue Wege der Stadtentwicklung für die indische Stadt Agra

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Judith Bartel, Anke Fissabre, Joseph Imorde, Jan Pieper

Die Villa Imperiale

15. Jahrhunderts umgebaut.Ihre dünnen Mauern hätten je-doch keinem militärischen An-griff standgehalten. Gleichzei-tig wurde im Obergeschoss die-ser Villa eine Folge von Räu-men mit Fresken ausgestattet.Die Kamine der ehemaligenWohnräume wurden verschlos-sen, um Malfläche zu gewin-nen, Wände, Fenster und Tü-ren geändert, um die Strukturdes Gebäudes an die Auftei-lung der Fresken anzugleichen.Außerdem sollten die Räumegewölbt werden. Der stati-schen Belastung durch steiner-ne Gewölbe hätten die dün-nen Wände der alten Sforza-Villa aber nicht standgehalten.Aus diesem Grunde griff Gen-ga auf eine durch die Schriftendes antiken römischen Archi-tekten Vitruv überlieferte Kon-struktion eines leichten Schein-gewölbes zurück. Es bestehtaus einer am Dachstuhl befe-stigten Holzkonstruktion, diemit Strohmatten unterspanntwurde, auf die wiederum Kalk-putz als Malgrund aufgebrachtwar.

In diese veränderte Bau-struktur ist eine neue gemalteillusionistische Architektur ein-gefügt worden. Die Wändewurden in allen Räumen nacheinem einheitlichen Schemamit einer Folge von Schein-ausblicken aus phantastischenLoggien, Pfeilerhallen und Lau-ben ausgemalt. Die Deckendieser Architektur scheinen ge-öffnet und nur von bemaltenSegeln verhängt zu sein. Aufihnen sind bedeutende Ereig-nisse aus dem Leben des Fran-cesco Maria della Rovere dar-gestellt. Der Betrachter stehtmitten in dieser Scheinarchi-tektur und blickt aus ihr in einideales Landschaftspanoramamit römischen Ruinen, Phanta-siearchitektur und Stadtansich-ten des Herzogtums.

Diese sequenzielle Durch-dringung von Schein und Wirk-lichkeit, von Bildnis und Bau-werk, von Vergangenem undGegenwärtigem bedeutete et-was absolut Neues in der Gat-tungsgeschichte des Historien-zyklus. Da die freskierten Räu-me vom Zeitpunkt des Um-

baus an nicht mehr bewohn-bar waren und ausschließlichdazu dienten, die Erinnerungan die Taten des Hausherrn zubewahren, handelt es sich hier-bei um eine Vorform der Gale-rie.

Ganz anders in ihrem Char-akter präsentiert sich dagegendie neue Villa, die Villa Imperi-ale Nuova. Sie gehört stilistischzu den großen Komplexen derrömischen Hochrenaissance.Mit ihrer sauber gefügten Zie-gelarchitektur, den Pilastern,Säulen und Nischen weist sieauf Vorbilder aus der antikenrömischen Architektur. Trotzoffensichtlicher Parallelen imDenkmälerbestand ist sie den-noch ein Gebäude ohne Präze-denz.

Die Villa Imperiale Nuovaist abgerückt und leicht seitlichverschoben zur Sforza-Villa amHang hinter ihr errichtet wor-den. In drei Terrassen zieht sich

ine umfassende Bauge-schichte und Bautypologieder Villa Imperiale, des

Hauptwerks des Raffael-Schü-lers Girolamo Genga (1476 -1551) zu erstellen, ist eines dergroßen Ziele der Forschungzur Architektur- und Kunstge-schichte der italienischen Re-naissance.

Das Forschungsvorhabenzur Villa Imperiale des Lehr-stuhls für Baugeschichte undDenkmalpflege hat die Doku-mentation und Erforschungvon Struktur, Genese und Bau-typologie der Villa zum Ziel.Grundlage der baugeschicht-lichen Einordnung ist die Bau-aufnahme des gesamten Bausin allen seinen Grundrissen,Schnitten und Ansichten sowienotwendigen Details. Geklärtwerden sollen alle späterenVeränderungen des Gebäudesmit Hilfe von Dendrochronolo-gie, Putz- und Materialanaly-sen.

Die komplexe Entwurfsideedes Architekten Genga für dieVilla Imperiale war eng verbun-den mit den Vorstellungen derkunstbeflissenen Auftraggebe-rin Eleonora Gonzaga. Sie ließzwischen 1530 und 1536 diebereits um 1452 entstandeneso genannte Sforza-Villa um-gestalten und mit der Villa Im-periale Nuova einen großarti-gen Neubau errichten. Diesesumfassende Bauprogrammmachte sie ihrem Gatten Fran-cesco Maria della Rovere, demHerzog von Urbino, auf derHöhe seiner Laufbahn zumGeschenk.

Beide hatten in Genga ei-nen Künstler gesucht und ge-funden, der die zeitgenössi-sche Architektursprache desManierismus beherrschte. ImSinne dieser Strömung sind imBauwerk Gegensätze wie aus-gewogene Proportionen, idea-listische Antikenrezeptionen,ein gleichnishafter Symbolis-mus und verspielte Elementeauf künstlerische Weise mit-einander vereint.

Die Sforza-Villa war einkleiner, von der toskanischenFrührenaissance geprägter Bau-komplex mit einem von Arka-den umgebenen Innenhof. Siehatte bis zu ihrem Umbau alseinfaches Jagdhaus gedient.Durch Hinzufügung von wehr-haften Elementen wurde siezum Scheinkastell im Stil des

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Blick in den Innenhof der VillaImperiale Nuova. Foto: Jens Erhardt

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in PesaroBauforschung in einem Gartenpalast der Hochrenaissance

hier ein abgeschlossener Gar-ten, begleitet von schmalen Flü-gelbauten, den Hang hinauf.Den unteren Bereich bildet einmit einer Pilaster- und Grot-tenarchitektur geschmückterHof. Auf die beiden höherenTerrassen folgt ein in künstli-chen Formen angelegter Gar-ten, aus dem man schließlichdurch Öffnungen in der Gar-tenmauer in die freie Natur desWaldes hinaustritt.

Die Architektur vermitteltdem Besucher der Villa einefriedliche und festliche Stim-mung, die durch Überraschungs-effekte und ungewohnte Bau-formen verstärkt wird.

Viel Verwunderung ruft al-lein schon die Beziehung desGebäudes zu seiner Umgebunghervor. Auf dem Weg vom Hofauf die Dachterrasse wird derBesucher immer wieder in denengen, verwinkelten Treppen-häusern von der Dunkelheitdes Gebäudes aufgenommen,um beim Hinaustreten in dieitalienische Sonne einen neuenverblüffenden Anblick von demZusammenspiel der Architekturund des Gartens genießen zukönnen.

Einen großen Formenreich-tum zeigt eine Gruppe vonkleinen Zimmern im ersten Ge-schoss des südlichen Teils derVilla Nuova. Jedes dieser Ap-partements besitzt eine anderekomplizierte Gewölbeform.Am bemerkenswertesten istein sich in die Decke winden-des Spiralgewölbe. Dieses Spi-ralgewölbe stellte nicht nur ei-ne technische Leistung dar,sondern den Architekten auchvor ein Entwurfsproblem: Da-mit die Spirale eine räumlicheTiefe bekommen konnte, mus-ste der Scheitel des Gewölbeshoch liegen. Genga stand vorder Entscheidung, entwedereine sehr mächtige Geschoss-decke einzuziehen, was seineFassaden unproportioniert ge-macht hätte, oder die Gewöl-bekappe im darüber liegendenRaum zu kaschieren. Letzteresist ihm auf geschickte Weisegelungen, indem er dort einBodenpodest und einen stei-nernen Tisch einfügte.

Die erkennbaren und ge-planten stilistischen Gegensät-ze zwischen der Sforza-Villaund der Villa Imperiale Nuovakönnen als ein Hinweis auf diebeiden unterschiedlichen Le-

bensabschnitte des FrancescoMaria della Rovere gedeutetwerden. Die vorgetäuschteWehrhaftigkeit der alten Villaversinnbildlicht die kriegeri-schen Zeiten, in denen der Her-zog seinen Besitz, den Leo X.konfisziert hatte, zurücker-obern musste. Die heitere undfestliche Architektur der VillaNuova deutete dahingegenauf die friedliche Epoche nachdem Sieg über den Papst hin.

Dieser kleine Ausschnittaus den Ergebnissen der For-schung sollte verdeutlichen,dass die Villa Imperiale in ihrerArchitektursprache, ihrer Kon-struktion und ihrer malerischenAusgestaltung ein manieristi-sches Gesamtkunstwerk Gen-gas ist. Bei der Betrachtungder Villa darf nicht vergessenwerden, dass Genga nicht nurArchitekt und Maler war, son-dern am Hof von Urbino alsSzenograph für zahlreiche

Feste ephemere Architekturwie etwa Bühnenbilder ent-worfen hat. Dort hatte er ge-lernt, mit illusionistischer Ar-chitektur, Spezialeffekten undleichten Konstruktionsweisenumzugehen. Die Architekturder Villa Imperiale wird vordiesem Hintergrund zu einerArt Theaterarchitektur undTheaterkulisse.

Das mehrjährige For-schungsprojekt zur Villa Impe-riale begann im Herbst 2001.Die Bauaufnahme und Baufor-schung wird durch den Lehr-stuhl für Baugeschichte undDenkmalpflege im Rahmenvon Exkursionen durchgeführt.Für Studierende, die ihre be-rufliche Zukunft in der Denk-malpflege, in den bau- undkunsthistorischen Wissenschaf-ten bis hin zum Kulturmanage-ment suchen, ist es eine ein-malige Gelegenheit, gemein-sam mit den Forschungsteamsdie Dokumentation und dieAnalyse des Gebäudes vor Ortzu erarbeiten. Die Untersu-chung und ausführliche Do-kumentation des Hängenden

Gartens wird von der GerdaHenkel Stiftung, die der Fres-ken von der Fritz Thyssen Stif-tung finanziert. ●

Schnitt durch das Spiralgewölbeeines der Appartamenti der VillaImperiale Nuova.

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Michael Jansen, Karsten Ley

Pakistan, Afghanistan,Forschung und Konservierung in der Archäologie

fünf Jahren ein umfangreichesForschungs-, Sanierungs- undAusbildungsprogramm stattfin-den. Ziel des von der RWTHkoordinierten Projekts wird essein, eine nationale Experten-gruppe auszubilden, die als Pro-jektmanager mit Hilfe histori-scher Dokumente die bronze-zeitliche Stadt Mohenjo-Darowissenschaftlich restauriertund einem breiten Publikumerschließt. Zu diesem Zweckwurde ein italienischer Expertein Lehmkonservierung (Dr. E.Fodde) in Aachen ausgebildet.

Um besser mit internatio-nalen Einrichtungen wie derUNESCO kooperieren zu kön-nen, wurde zu Beginn 2004am Lehr- und Forschungsge-biet Stadtbaugeschichte das„Aachen Center for Docu-mentation and Conservation“(ACDC) gegründet, eine Ein-richtung, die als An-Institutausgebaut werden soll, um jun-gen Akademikern die Möglich-keit zum internationalen Ein-stieg zu geben.

AfghanistanNicht weit vom Indus, in denBergen Afghanistans, ist ACDCmit der Sanierung der großenBuddha-Figuren im Bamiyantalbefasst, die im März 2001 vonden Taliban gesprengt wordenwaren. Die Buddhas von Ba-miyan, im 19. Jahrhundert vonfranzösischen Archäologen ent-deckt, liegen in einem Seiten-hochtal in 2700 Meter Höhean der Großen Seidenstraße.Im vierten bis sechsten Jahr-hundert nach Christus entstan-den sie im Umfeld großer bud-dhistischer Klosterkomplexe,von denen allerdings heutenichts mehr zu sehen ist. Die

Buddhas stellen die westlichsteAusdehnung des Buddhismusentlang der Seidenstraße dar.Mit dem Erscheinen des Islamim achten Jahrhundert begannder Niedergang der buddhisti-schen Klöster. Bereits Mahmudvon Ghazni fügte den Monu-mentalfiguren im elften Jahr-hundert erste Zerstörungen zu:Er ließ die Gesichter entfernen.In späteren Zeiten wurden dieBeine des Großen Buddha (56Meter Höhe!) zerstört. Somitfiel das einstmals berühmtebuddhistische Zentrum imHochland Afghanistans in Ver-gessenheit. In neuesten archä-ologischen Untersuchungenversuchen japanische und fran-zösische Experten das gesamtekulturelle Areal zu identifizie-ren: Seit 2002 sind die Bud-dhas von Bamiyan und weiteTeile des Tales zum Weltkultu-rerbe erklärt worden. Im Auf-trag des Auswärtigen Amtesder Bundesrepublik und in derGeneralkoordination des Prä-sidenten von ICOMOS, Prof.Dr. Petzet, München, führtACDC derzeit die Räumungder Trümmer aus den Nischender beiden Monumentalbud-dhas und deren Lagerung inwetterfeste Unterstände durch.Es wird derzeit durch bayeri-sche Konservatoren (E. Melzl,B. Praxenthaler) überprüft, obder Wiederaufbau durch Ana-stylose möglich ist. Hierzu wur-den auch intensive Untersu-chungen zum Erdmagnetismusvon dem Geologischen Institutder Universität Köln, Dr. Urbatdurchgeführt. Die Arbeitenwerden über die UNESCO, Pa-ris (C. Manhart), mit weitereninternationalen Aktivitäten ko-ordiniert. Zu den Tätigkeiten

ie kommen Projekteaus Pakistan undZentralasien an die

RWTH Aachen? Es begann1970 mit einer Reise ProfessorMichael Jansens über Landnach Indien: viele Wochen perBus über den Balkan, die Tür-kei, Iran und Afghanistan, vondort über den Khaiber-Passnach Pakistan. Mit dem Be-such der größten bronzezeit-lichen Stadt ihrer Zeit, Mo-henjo-Daro, am unteren Indusgelegen, begann eine langeForschungsgeschichte an derRWTH, die bis heute andauert.Ein Höhepunkt war die Inter-nationale UNESCO-Ausstel-lung „Vergessene Städte amIndus“, die 1987 im Krönungs-saal des Aachener Rathauseseröffnet wurde. Zum ersten Malwurde der berühmte „Priester-könig“ außerhalb Pakistansder Weltöffentlichkeit gezeigt.Seit 1987 ist Jansen Mitglieddes UNESCO InternationalConsultative Committee (ICC)zur Rettung der Weltkulturer-bestadt Mohenjo-Daro. ImFrühjahr 2004 haben vier jun-ge Wissenschaftler der Fakul-tät für Architektur (G. Beth, S. Leythaeuser, M. Scholz undG. Toubekis) dort umfangrei-che Forschungsarbeiten durch-geführt: 40 Kilometer stehen-der Gemäuer wurden unter-sucht und in einem „ConditionReport“ zusammengestellt. Ei-ne 3D-Dokumentation der ar-chäologischen Oberfläche wur-de von Dr. Smars, UniversitätLeuven, durchgeführt. DirkRadies vom Geologischen In-stitut der RWTH führte Unter-suchungen zur Sedimentologiedurch. Gefördert von der UN-ESCO wird in den nächsten

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Panorama der Felswandim Bamiyantal.

Foto: Lehr- und Forschungs-gebiet Stadtbaugeschichte

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Kasachstan, Kirgisien

von ACDC in Afghanistan zähltebenfalls die Erstellung einesNationalinventars der Kultur-güter. Nach dem Zusammen-bruch des Taliban-Regimeswurden von der UNESCO So-fortmaßnahmen eingeleitet,um den entstandenen Kultur-schaden festzustellen. Wesent-lich betreut durch Dipl.-Ing.Toubekis, ACDC, wurde nichtnur zusammen mit dem Lehr-stuhl für Informatik V einespezielle Software entwickelt,sondern es wurden bishermehr als 800 Denkmäler in ei-ner Datenbank erfasst. Eineweitere Software für die opti-sche Erfassung der Denkmälerund für die Bildverwaltungwurde ebenfalls entwickelt (G.Mossakowski). ACDC ist auchmit der Erstellung eines Ma-sterplans für das Bamiyantalbefasst. Diese Aktivitäten fin-den gemeinsam mit NRICP To-kyo sowie mit dem Institut fürStädtebau und LandesplanungRWTH statt. Die Ergebnissewerden der Afghanischen Re-gierung zur Erstellung einesMaßnahmenkatalogs überge-ben.

KasachstanNach dem Zusammensturz derSowjetunion wurdendie zen-tralasiatischen Staaten wie Ka-sachstan, Kirgisien, Turkmeni-stan und Tadjikistan selbstän-dig. Im Rahmen der Entwick-lung neuen nationalen Be-wusstseins, wurde in umfan-greichen Programmen begon-nen, nationale Denkmäler neuzu erschließen und zu erhal-ten. Traditionell wurde archäo-logische Forschung durch diesowjetische Akademie der Wis-senschaften unterstützt und be-

trieben. In zahlreichen Grabun-gen wurden großflächig Erdar-chitekturen freigelegt, die oftzu ehemals großen Städtenentlang der Seidestraße gehör-ten. Diese Straße führte vonChina über Zentralasien biszum Mittelmeerraum und wur-de etwa auch von Marco Polobenutzt. Eine dieser großenStädte ist Otrar, Hauptsiedlungder Oase gleichen Namens amSyr Daria (griech. Hydaspes),der gemeinsam mit dem AmuDarya (griech. Oxus) in denAralsee mündet. Im spätenvierten Jahrhundert vor Chri-stus war Alexander der Großemit seinen Heeren bei der Er-oberung des persischen Rei-ches bis in diese Gebiete vor-gestoßen, um auch in Baktrienneue Städte zur territorialenSicherung zu gründen und Sol-daten zu hinterlassen. In derOase Otrar entwickelte sich,weitgehend unabhängig vonden griechischen Geschehnis-sen, seit dem zweiten Jahrhun-dert vor Christus eine hydrauli-sche Gesellschaft, die am süd-lichen Rand der großen Steppeeine eigene erste Stadtgesell-schaft entwickelte. In der StadtOtrar, der größten von cirka70 Siedlungen innerhalb dermehr als 600 Quadratkilome-ter großen Oase wurde überdie UNESCO, finanziert vomJapan Trust in Fund, ein um-fangreiches Dokumentations-und Sanierungsprogrammdurchgeführt. Ziel war es, dieGrabung Otrar zu einem ar-chäologischen Park zu ent-wickeln. Dazu zählt die Kon-servierung bereits durchge-führter Grabungen, die Land-schaftsgestaltung des Terrainsmit angelegten Wegen zum

Schutz der archäologischenOberfläche, die Entwicklungeiner entsprechenden Infra-struktur mit Parkmöglichkeitenund Sanitäreinrichtungen imEingangsbereich, ein didakti-sches Programm sowie die Wei-terentwicklung „nicht-zerstö-render Grabungstechniken“gemeinsam mit Archäologenund Konservatoren. Dabei isteine der Spezialitäten von ACDCdie in Aachen entwickelte Me-thode der 3D-Erfassung archä-ologischer Oberflächen mitHilfe von Total Stationen undAutoCad (LDDT). Ebenfalls inAachen weiter entwickelt wur-den optische Programme zurErfassung von Maueroberflä-chen, Schnitten und Plana.Hier besteht jahrelange Zusam-menarbeit mit dem Internatio-nal Centre Raimond Lemairefor Conservation an der KULeuven, an dem Jansen seit 15 Jahren einen Lehrauftragfür Archäologie und archäolo-gische Konservierung wahr-nimmt.

Innerhalb der vergangenenvier Jahre wurden mit Hilfe derTotal Station fünf große Stadt-anlagen in der Otrar-Oase 3Ddokumentiert sowie zusammenmit John Hurd, York, England,zwei Moscheen und mehrereErdbauwerke konserviert. ImAugust 2004 führte ACDC ei-nen Internationalen Workshopüber ,Site Management andConservation of EarthernStructures’ in Otrar durch.

KirgisienDas jüngste Projekt von ACDCist seit 2003 die Entwicklungeines archäologischen Parks inKrasnaya Rechka, nahe Bish-kek, der Hauptstadt Kirgisiens.Im Auftrag der UNESCO undebenfalls finanziert über denJapan Trust in Fund wird in derStadtwüstung Krasnaya Rech-ka (das alte Ak Beshim) einbuddhistischer Lehmtempelaus dem achten Jahrhundertnach Christus restauriert. Zu-sätzlich wird die Stadtanlagemit einer Fläche von mehr als16 Quadratkilometern in ihrerMakrostruktur über Luftbild-auswertung erfasst. Ak Beshimist eine der großen Städte ent-lang der Seidenstraße, die hiervom Isyk Kul, einem der größ-ten Binnenseen der Welt in2000 Meter Höhe kommend,entlang der großen schneebe-deckten Gebirge des Tien Shanin die zentralasiatischen Ebe-nen führt. Wir wissen sehrwenig über diese gewaltigenStädte, über ihre Ökonomieund gesellschaftliche Struktu-ren. Nur wenige Ausgrabun-gen in sowjetischer Zeit gebenpunktuell Auskunft. Diese we-nigen Grabungen zu sicherngilt es im derzeitigen Pro-gramm, in das ACDC involviertist. In dem buddhistischen Tem-pel, einem Umgangstempelmit Cella, fand man in den60er Jahren auf der Rückseiteeine elf Meter große Kolossal-figur des Para-Nirvana Budd-ha, des liegenden, „schlafen-den“ Buddha im Augenblickdes Übergangs ins Nirvana. Siebefindet sich derzeit, zersägt,in St. Petersburg. Mit den inPakistan, Oman und in Ka-sachstan entwickelten bewähr-

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ten Methoden wird derzeitauch Ak Beshim zu einem ar-chäologischen Park ausgebaut.Als erstes muss die archäologi-sche Fläche geschützt und ge-säubert erden. In sowjetischerZeit wurden auf dem GeländeSowchosen errichtet, derenBaureste aus Fertigbeton ent-sorgt werden müssen. Schongroße Teile der Stadt sind drei-dimensional erfasst, am Lehr-stuhl für Tragkonstruktionenwurden erste Untersuchungenfür ein Schutzdach durchge-führt: Der Tempel wurde einstaus Lehmziegeln errichtet, dasMaterial ist zu sensibel, als dasses der Witterung frei ausge-setzt werden könnte. Es wirdderzeit auch überlegt, ob dieKolossalfigur des Buddhas wie-der aus St. Petersburg zurück-geführt werden kann. ●

Verschiedene Möglichkeiten zurDarstellung des Fundortes:

Zeichnung/Simulation/ Luftbild.Abbildung: Lehr- und Forschungs-

gebiet Stadtbaugeschichte

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Mirko Baum Zur Geschichte

dem 19. Jahrhundert zu ver-gleichen.1

Nach dem Wiener Kon-gress (1814-1815) befand sichEuropa in einem desolaten unddie Stadt Paris in einem be-setzten Zustand. Unter denAngehörigen der alliierten Ar-meen, die nach der Schlachtbei Waterloo Paris besetzt hat-ten, waren es vor allem diePreußen, deren Terror gegen-über der Stadtbevölkerung vondem alliierten Kommando wennnicht direkt initiiert, doch zu-mindest geduldet wurde. Injenen unruhigen Tagen kamMarschall Blücher auf die lau-nige, zu Zeiten des Friedensverhältnismäßig unübliche Ideedie Pont d’Jena sprengen zulassen, denn sie erinnerte ihnan die Niederlage der preußi-schen und sächsischen Armeenbei Jena am 14. Oktober 1806.Seine Antwort auf die Protest-note des französischen Pre-miers Charles-Maurice deTalleyrand war lakonisch knappund mehr oder weniger aufden liebenswürdigen Satz be-schränkt: „Ich würde es gern

sehen, dass in diesem Augen-blick (wenn die Brücke in dieLuft ging) Herr von Talleyrandauf ihr stünde.“2 Auf diesegrobe Beleidigung des zweitenMannes des Staates reagierteder erste Mann des Staates,Ludwig XVIII., in einer wahr-haftig königlichen Art. Er ließsofort einspannen und fuhr zurBrücke, mit der Absicht, auf ihrso lange wie nötig auszuhar-ren. Nun, die Brücke samt demfrisch etablierten Monarchenzu sprengen, wollte Blücherdoch nicht und ließ seine Ideefallen. Dennoch war es zur Be-ruhigung der preußischen Ei-telkeit nötig, die Pont d’Jena(Gott sei Dank nur vorüberge-hend) in Pont d’Ecole Militaireumzubenennen.

In derselben Zeit befandsich der Architekt der paneuro-päischen Konfusion NapoleonBonaparte auf der Insel St. He-lena, wo er 1821 starb. Damitwar das „französische Zeital-ter“ der Jahre 1794 bis 1814endgültig beendet. Spuren derBauaktivität dieser Epoche sindauf dem Gebiet des besetzenEuropas verhältnismäßig selten

ischt man den Staubvon den Zeitschrif-ten, der Jahrzehnte

auf ihnen lag, so bemerkt man,dass die Fragen, die uns heutebewegen, über ein Jahrhun-dert in unerledigter Diskussionstehen.

Man erkennt gleichzeitig,in erhöhter Sicherheit, dassdas Bauen, das man heute als„neu“ bezeichnet, ein legiti-mer Teil jener Entwicklung ist,die sich durch das ganze Jahr-hundert zieht.

Durchaus einem großenEntwicklungsstrom angehö-rend, müssen wir uns sogarweigern, seinen Ursprung ineiner kleinen Zahl architekto-nischer Vorläufer um 1900 zusehen – z. B. Berlage, Van derVelde, Lloyd Wright, Behrens,Perret, Garnier. Das „neue“Bauen hat seinen Ursprung imAugenblick der Industriebil-dung um 1830, im Augenblickder Umwandlung des hand-werklichen in den industriellenProduktionsprozess. Wir ha-ben, was Kühnheit des Vorsto-ßes und der Werke anbelangt,kaum Berechtigung, uns mit

WPrinzip der Schwebefähre nachFaustus Verantius (Machinaenovae, Venedig 1615 - 1616).

Der Grand Canal du Nord und die Schwebefähre über die Niers bei Mönchengladbach

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mobiler

und vorwiegend auf die Infra-struktur des Verkehrs be-schränkt, auf Bauten, die derschnellen Bewegung des Mili-tärs dienten und auf die Reali-sierung der imperialen geopoli-tischen Ziele gerichtet waren.Einer der großzügigsten Bau-ten dieser Art war der unvoll-endete 50 Kilometer langeGrand Canal du Nord, der dieFlüsse Rhein und Maas zwi-schen den Städten Neuss undVenlo mit der geplanten An-bindung an die damals nörd-lichste französische HafenstadtAntwerpen verbinden sollte.Mit dem Entwurf wurden zweiIngenieure beauftragt, Hageaufür den Abschnitt Rhein/Maasund Delbergue-Cormont fürden Abschnitt Maas/Schelde.Ziel des ehrgeizigen Bauvorha-bens war der Boykott der hol-ländischen Häfen und damitdie Unterbindung der Importevon englischen Waren auf deneuropäischen Kontinent. Nichtzuletzt sollte der Grand Canaldu Nord auch als Verteidigungs-linie ausgebaut werden, sodass alle seine elf Brücken, diein Rücksicht auf den Schiffs-

verkehr als mobile Brücken ge-plant waren, ausschließlich vonder französischen Südseite be-dient werden sollten. Als Na-poleon 1810 Holland annek-tierte, wurden die holländi-schen Häfen von Frankreichkontrolliert, der Kanalbau ver-lor seinen Sinn, und alle Arbei-ten an ihm wurden stillgelegt.

2002, 200 Jahre nach demBeginn der ersten Arbeiten andem Entwurf des Grand Canaldu Nord, wurde im Rahmendes holländisch-deutschenProjekts EUROGA 2002plusein Wettbewerb ausgelobt,dessen Ziel es war, NapoleonsEntwurf umzuwerten und ihnals ein Länder verbindendeskulturgeschichtliches Land-schaftsereignis zu reaktivieren.Das hieraus entstandene Pro-jekt des Städtebauers KunibertWachten und des KünstlersMischa Kubal sowie des fran-zösischen Landschaftsarchitek-tens Henri Bava sieht sowohldie Restaurierung der vollende-ten Abschnitte und der anlie-genden Bauten vor als auchdie Konzeption einer ganzenReihe von künstlerischen Maß-

nahmen, mit dem Ziel, denGrand Canal du Nord auch aufjenen Abschnitten gegenwärtigwerden zu lassen, wo er nurteilweise oder gar nicht zurAusführung kam. Ein verbin-dendes Element stellt ein 100Kilometer langer Radweg dar,auf dem die Verbindung derhistorischen Substanz mit denkünstlerischen Maßnahmender Gegenwart erfahren unddamit das Ausmaß und die Be-deutung des fast vergessenenBauwerkes aktiv erlebt werdenkann.

Eine der künstlerischenMaßnahmen auf einem derAbschnitte, an dem der Kanalnur als eine gedachte Linie exi-stiert, ist die Fußgängerbrückeüber die Niers bei Mönchen-gladbach an der Stelle, an demsie von Napoleons Bauwerkgekreuzt werden sollte. Ein anden Autor erteilter Auftrag saheine „Erlebnisbrücke“ vor, de-ren Bauweise eine unverwech-selbare und prägnante Markie-rung in der Landschaft bildensollte. Sie wurde in dem heutewenig bekannten Prinzip derSchwebefähre gefunden, die

1888 von dem spanischen Ar-chitekten Alberto del PalacioElissague (1856-1939) paten-tiert und zum ersten Mal zurÜberbrückung des FlussesNervion vor dem Hafen Bilbaosrealisiert worden war. Aus derZusammenarbeit del Palaciosmit dem französischen Inge-nieur Ferdinand Arnodin(1845-1924) entstand um dieWende vom neunzehnten zumzwanzigsten Jahrhundert eineganze Reihe von mehr oderweniger gigantischen Bauten,die großenteils an Hafenein-fahrten situiert waren. Sie bo-ten seinerzeit Alternativen dort,wo große Spannweiten mitklassischen mobilen Brücken,ob aus technischen oder öko-nomischen Gründen, nicht lös-bar waren.3 Der bekanntesteBau dieser Art war die berühm-te „pont transbordeur“ inMarseille (1905), die vor allemdurch Sigfried Giedion, zusam-men mit dem Eiffelturm, zu ei-nem der wichtigsten Referenz-objekte der europäischen Ar-chitekturavantgarde der Zwi-schenkriegszeit wurde. Die Er-findung dieser Bauweise wird

Fußgänger-Schwebefähre überdie Niers bei Mönchengladbach.

Brückensysteme

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allgemein in der zweiten Hälf-te des 19. Jahrhunderts ange-siedelt,4 was offensichtlicheinen Irrtum darstellt, dennbeim Betrachten des Traktats„Machinae Novae“ (Venedig1615-1616) des Priesters Fau-stus Verantius (1551-1617)finden wir neben einer ganzenReihe von ungewöhnlich mo-dernen Brückenvorschlägenauch die Darstellung einer Per-sonenschwebefähre, derenPrinzip erst 250 Jahre späterwiederentdeckt wurde und diemit ihrer einfachen und über-schaubaren Mechanik zumVorbild der Fußgängerbrückeüber die Niers bei Mönchen-gladbach wurde.

Zum Schluss bleibt anzu-merken, dass die Miniaturisie-rung berühmter Bauwerke undihre Inszenierung als Exemplar-objekte in einer künstlich ge-formten Landschaft im Zeital-ter der Aufklärung ein durch-aus verbreitetes didaktisch-künstlerisches Motiv war, beidessen Anwendung auch be-deutende Brückenbauten zurDarstellung kamen. Das wahr-scheinlich bedeutendste Bau-werk dieser Zeit ist die bis heu-te erhaltene Kopie der engli-schen Coalbrookdale Bridge,5

die am Ende des 18. Jahrhun-derts Leopold Friedrich Franzzu Dessau Anhalt in seinemder Öffentlichkeit zugängli-chen Park in Wörlitz im Maß-stab 1:4 erbauen ließ, womiter, ohne es zu ahnen, dem er-sten eisernen Bauwerk aufdem europäischen Kontinentzum Leben verhalf. ●

1 Sigfried Giedion: Bauen inFrankreich – Bauen in Eisen –Bauen in Eisenbeton. Klinhard& Biermann, Leipzig – Berlin1928, S. 2

2 Jean Orieux: Talleyrand – Dieunverstandene Sphinx. Frank-furt/M 1970, S. 565.

3 Seit 1893 (Bilbao) wurden ins-gesamt 20 Schwebefähren ge-baut, von denen fünf (Bilbaoin Spanien, Newport und Mid-delsbrough in England, Ostenund Rendsburg in Deutsch-land) erhalten geblieben sindund als geschützte Monumen-te bis heute in Betrieb gehal-ten werden.

4 Als Erfinder des Systems giltder englische Ingenieur CharlesSmith, der 1873 das britischePatent Nr. 1359 erhielt, dasmit einem, in kunstvoll ge-wundenem „Patentenglisch“verfassten Text wie folgt be-schrieben wurde: „The improved apparatuscomprises a light iron frame-work consisting of horizontallattice girders supported onpillars and formed of or fittedwith rails on which there runsan open bogie. From the bogieframe there is suspended acarriage or omnibus to receivethe passengers, or a platformto receive carriages, carts, orother vehicles, such omnibusor platform being at a levelnearly coincident with the topsof the quays or the sides ofthe channel. The transferenceacross the channel or space tobe effected by a stationary en-gine at one side acting on thebogie frame by ropes or chainspassing over guide pulleys.“ –zitiert nach Franz Engler: Trans-porter Bridge, a SuspendedPlatform Ferry. Rassegna 69,Bologna 1997.

Als die tatsächlich erste Schwe-befähre muss ein nicht realisier-ter Entwurf der Überbrückungdes East River zwischen Man-hattan und Brooklyn in NewYork aus dem Jahr 1869 von J. W. Morse angesehen wer-den, an dessen Stelle 14 Jahrespäter Johann August Roeblingseine bekannte Brooklyn Bridgegebaut hat. Mit einer Spann-weite von 480 Meter sollteMorses Entwurf der größteBau seiner Art und somit nurmit der Schwebefähre in Bor-deaux vergleichbar werden,die mit einer Spannweite von410 Meter von Ferdinand Ar-nodin 1893 entworfen wordenwar. Arbeiten an diesem Bauwurden wegen technischerSchwierigkeiten erst 1910 auf-genommen und 1914, mit demAusbruch des ersten Weltkrie-ges, wieder unterbrochen. Diebis dahin errichteten beidenPylone wurden erst 1942 ab-gebrochen.

5 Es handelt sich um die bisheute existierende gusseiserneCoalbrookdale Bridge über denFluss Severn bei Ironbridge inEngland, gebaut 1779 von demSchmied Abraham Darby III.(1750-1789) nach dem Ent-wurf des Architekten ThomasFarnolls Pritchard (1723-1777).

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Wilhelm Busch, Kristina Pegels

Vom Entwurf zum

die Liste der zu schützendenObjekte gleichzeitig der An-stoß für dieses Forschungspro-jekt.

Im Kontext der feierlichenErnennung der SchachtanlageZollverein 12 zum Weltkultur-erbe und der Vorbereitung derAusstellung „Symmetrie undSymbol“ im Sommer 2002 istes dem Verfasser nach mühsa-men Verhandlungen mit denErben und Büronachfolgerngelungen, den zeichnerischenNachlass der beiden Architek-ten zugänglich zu machen unddas Material an das Bergbau-Archiv beim Deutschen Berg-bau-Museum in Bochum(DBM) zu übergeben. Ein Jahrspäter hat die Alfried Kruppvon Bohlen und Halbach-Stif-tung den gemeinsam vomDBM und dem Lehrstuhl fürGebäudelehre in Kooperationmit dem Lehrstuhl für Bauge-schichte und Denkmalpflegegestellten Forschungsantragzur wissenschaftlichen Aufar-beitung dieses Nachlasses be-willigt. Seit dem zweiten Quar-

tal 2004 hat die DoktorandinKristina Pegels begonnen, ei-nen Bestandskatalog zu erstel-len und auf diese Weise diesenunerwarteten Fundus fortander weiteren Forschung zu-gänglich zu machen. Erst einesolche wissenschaftliche Be-standsaufnahme wird die Ent-wicklungsgeschichte der für dasWeltkulturerbe bedeutsamenIndustrieanlagen unter archi-tekturgeschichtlichen Aspektenauf- und herausarbeiten kön-nen und die Entwurfsleistungvon Schupp und Kremmergleichzeitig ihrer Bedeutungentsprechend würdigen.

Fritz Schupp und MartinKremmer zählen zu den weni-gen Architekten, die erst nachdem Ende des Ersten Weltkrie-ges ihre Tätigkeit aufnahmenund schon im darauffolgendenJahrzehnt dem Kreis der renom-mierten Fachkollegen zuzu-rechnen waren. Fritz Schupp,der sein Diplom erst 1919 ab-gelegt hatte, nahm noch imselben Jahr kleinere Aufträgevom Familiensitz Essen aus an

m Abstand von zehn Jahrensind zwei in ihrer baulichenEntstehungszeit nur knapp

zehn Jahre auseinander liegen-de und dennoch grundverschie-dene Industrieanlagen des 20.Jahrhunderts in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes auf-genommen worden: 1992 dasErzbergwerk Rammelsberg beiGoslar und zehn Jahre späterdie Schachtanlage Zollverein12 zusammen mit der Denk-mallandschaft Zollverein in Es-sen, beides Werke der Archi-tekten Fritz Schupp (1896-1974) und Martin Kremmer(1894-1945). Dies war gleich-zeitig der Beginn eines fort-währenden Umnutzungspro-zesses, der den Erhalt für dieZukunft festschreiben soll. DieEhrung der Bauwerke, die inder Bau- und Industriegeschich-te vermutlich auf absehbareZeit einzigartig bleiben wird,fordert zu der längst fälligenBeschäftigung mit dieser Ar-chitektengemeinschaft gerade-zu heraus. Und so war die Auf-nahme der beiden Bauten in

IErzbergbergwerk Rammelsberg,Goslar 1934-1936. Blick vomzentralen Eingang über den Innen-hof auf die Erzaufbereitung amHang.Foto: Wilhelm Busch

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Weltkulturerbe

und gab dem StudienfreundMartin Kremmer im Sommer1921 das erste Anstellungsver-hältnis. Nachdem dieser in Ber-lin ebenfalls seinen Abschlussgemacht hatte, wurde aus demBeschäftigungsverhältnis be-reits im darauf folgenden Jahreine gleichberechtigte Partner-schaft. Der durch die französi-sche Besetzung des Ruhrgebie-tes vorübergehende Auftrags-schwund in den 1920er Jahrenverschob den Schwerpunkt ih-rer Aktivitäten für wenige Jah-re nach Berlin. Ab 1935 warFritz Schupp dann wieder amStandort Essen tätig, währendMartin Kremmer weiterhin inBerlin blieb.

Zwischen 1920 und 1945zählten umfangreiche Planun-gen für das gesamte Aufgaben-spektrum der Montanindustriein nahezu allen Revieren desDeutschen Reichs, in Schlesienund in den besetzten Montan-ländern zu ihren Aufgaben.Und entsprechend werden diestädtebaulichen Planungen imRahmen der Autarkiebestre-

bungen des „GroßdeutschenReichs“ für komplexe Industrie-ansiedlungen zu einer Neube-wertung dieses gesamten Be-reichs ihres baulichen Schaf-fens herausfordern. Bauten derKraftfahrzeug- und Zementin-dustrie, gestalterische Vorga-ben in der Zuordnung verfah-renstechnischer Aggregate,sorgfältige Ergänzungen in be-stehenden Anlagen mit eige-nem Anspruch und typologi-sche Lösungsansätze funktiona-ler Anforderungen entwickel-ten Schupp und Kremmer je-weils an den konkreten Aufga-benstellungen. Die bislang we-nig beachtete und auch in derSelbstdarstellung der Architek-ten kaum berücksichtigte Be-schäftigung mit profanen Bau-aufgaben soll ebenfalls aufge-arbeitet werden – sie wird si-cherlich ein neues Licht aufdas Gesamtwerk werfen. NachMartin Kremmers Tod im Jahre1945 führte Fritz Schupp dasBüro von Essen aus allein biszu seinem Tod im Jahre 1974weiter.

Die allmähliche Wiederbe-lebung der Montanindustrienach 1945 brachte Schupp dieersten Aufträge. Anlagen, dienoch vor dem Kriegsende imBau waren, führte er zu Endeund zerstörte Einrichtungenbaute er in nahezu ursprüng-licher Ausführung wieder auf.Da das Wirtschaftswunder er-neut die heimische Kohle alsRohstoff und Energieträger er-forderlich machte, mussten mitBeginn der 50er Jahre kom-plett neue Anlagen errichtetwerden. Schupp wandte diebewährten gestalterischenPrinzipien der streng funktio-nalen Bauweise in Anlehnungan den Zollverein in allen anla-gentechnischen Bereichen an,wobei er sie kontinuierlich wei-terentwickelte. Nur in wenigenFällen, wo der Bezug zur Land-schaft gewahrt bleiben oderdie unter starkem Kostendruckstehende Bauwirtschaft be-rücksichtigt werden mussten,hat er gestalterische Verände-rungen vorgenommen. Die re-gionale Landschaft, die durch

diese lang anhaltende Planungs-und Bautätigkeit der immergleichen Aufgabenstellungengeprägt war, ist sicherlich einbesonderer Aspekt, der für dieIndustrieregion von nicht uner-heblicher Bedeutung gewor-den ist.

In der ersten Phase der Be-arbeitung gilt es, einen Teil derPlanunterlagen mit den erfor-derlichen konservatorischenVerfahren vom Schimmelbefallzu befreien und den Erhalt si-cherzustellen. Parallel zu die-sen Sicherungsmaßnahmenwerden die Erfassungsschema-ta entwickelt, die eine syste-matische Katalogisierung allerPläne und damit die Zugäng-lichkeit von nahezu 16.000Plänen erst ermöglicht. Dabeiist eine exakte Definition dereinzelnen Erfassungskriterienebenso erforderlich wie die ty-pologische Zuordnung der un-terschiedlichen Bauwerke. Ne-ben konkreten Fragen der ver-wendeten Materialien und derKonstruktion gilt dies ebensowie für die Verfügbarkeit vonBaumaterialien und die Zuord-nung formaler Entscheidungenin Abhängigkeit von hochkom-plexen Verfahrensabläufen. Inder nachfolgenden kritischenAnalyse soll die Forschungsar-beit insbesondere den für dengestalterischen Entwurfspro-zess relevanten Fragen nach-gehen, die die Korrelation vonFunktion und Formfindung so-wie die Zusammenarbeit vonArchitekt und Auftraggeberanhand ausgesuchter Beispieleaufzeigt. Sprunghafte techno-logische Entwicklungen imBergbau ab 1900 stehen bei-spielhaft für die sich stetigwandelnden gestalterischenEntsprechungen. Gleiches giltfür die politischen Strömungender Entstehungszeit, die dieModerne in ihren Anfängenbegleitet haben, die aber fürden Bereich des Industriebausbisher nicht hinreichend er-forscht sind. ●

Erschließung des zeichnerischen Nachlasses der Architekten Fritz Schupp und Martin Kremmerund Erstellung eines Bestandskataloges

Fritz Schupp, Perspektivzeich-nung vom Kesselhaus auf Zoll-verein 12.

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Ulrich Berding, Klaus Selle

Perspektivenschiedene Weise. Das sei aneinigen Gruppen illustriert:

Die Zahl und Präsenz älte-rer Menschen nimmt auf-grund des demographischenWandels in den Städten unddamit in den öffentlichen Räu-men stetig zu. Es ist zwar nichtgenau absehbar ist, in welcherWeise sich städtische Quartierekonkret verändern werden, aberbestimmte Entwicklungen sinddoch wahrscheinlich. Da ältereMenschen generell wenigermobil sind, wird die wohnort-nahe Verfügbarkeit von attrak-tiven öffentlich nutzbaren Räu-men immer wichtiger. Attraktivwird das Umfeld durch naheVersorgungseinrichtungen, se-niorenfreundliche Gestaltungim Detail sowie durch das Ge-fühl, sich dort sicher aufhaltenzu können. Einzelhandel undDienstleistungen haben nebenihrer Versorgungsleistung auchnoch den Effekt, dass sie we-sentlich zur Belebung etwa vonPlatzrändern beitragen. Da siejedoch in vielen Quartieren ih-re ökonomische Basis verlieren,stellt sich die Frage, ob nichtVersorgungseinrichtungenneuer Art er- und gefundenwerden können, die (nichtnur) den alten Menschen imQuartier nützen und zugleichdie öffentlichen Räume bele-ben.

Nicht nur die alten Men-schen, auch die Zahl der Mi-grantinnen und Migrantenwird zukünftig weiter zuneh-men und einen größeren An-

teil an der Stadtbevölkerungbilden. Von ihren Ansprüchenan die Stadt und ihre öffent-lichen Räume ist jedoch wenigbekannt. Einige plausible Hin-weise ergeben sich aus der tra-ditionell starken Nutzung desFreiraums in den Mittelmeer-ländern. Untersuchungen zumFreiraumverhalten zeigen, dasssich Migranten oft von Einhei-mischen ungenutzte öffentlicheRäume aneignen oder auch neugestaltete Räume intensivernutzen als Einheimische. DieseIntensität der Aneignung öf-fentlich nutzbarer Räume istnicht nur durch besondere kul-turelle Voraussetzungen zu er-klären, sondern hat auch eineUrsache in oft beengten Wohn-verhältnissen und unterdurch-schnittlicher Versorgung mitprivaten oder wohnungsnahengemeinschaftlichen Freiräu-men. Zugleich wird die deutli-che Präsenz von ausländischwirkenden Menschen nichtüberall und von allen als posi-tiv wahrgenommen, so dassdie öffentlichen Räume auchzu „Austragungsorten“ gesell-schaftlicher Spannungen wer-den (können). Das gilt bis hin-ein in das Verhältnis der Ge-schlechter: So wird etwa dieDominanz türkischer Männerin öffentlichen Räumen vonFrauen gelegentlich als einen-gend, gegebenenfalls sogar alsbeängstigend angesehen.

Anders als die zuvor ge-nannten Gruppen nimmt dieZahl von Kindern und Jugend-

lichen tendenziell ab. Dennochist diese sehr heterogene Ziel-gruppe von elementarer Be-deutung für die Stadtentwick-lung. Kinder nutzen ihr direk-tes Wohnumfeld auch und vorallem als Lern- und Erfahrungs-ort, das entsprechend abwechs-lungsreich sein sollte. Um sichfrei bewegen zu können, be-dürfen sie eines besonderenSchutzes und brauchen ein ge-fahrloses Umfeld. Aus alledemist die Forderung nach „be-spielbaren Quartieren“ abge-leitet worden: Nicht einzelneInseln des Spiels sollen denKindern geboten werden, son-dern es gilt, ungefährdetes Er-kunden und Spielen im räum-lichen Zusammenhang zu er-möglichen.

Während man über Kinderviel weiß, blieben Jugendlichelange Zeit wenig beachtet. Erstin jüngster Zeit findet manwieder Hinweise auf Verhaltenund Ansprüche dieser Gruppe:Jugendliche suchen Rückzugs-räume, also Orte, wo sie un-behelligt sind von Ansprüchenund Reglementierungen Er-wachsener, wo sie mit Gleich-altrigen und gleich Gesinntenin ihrer „Clique“ kommunizie-ren können; andererseits wol-len sie sich (in) der Öffentlich-keit zeigen. Sie haben tenden-ziell wenig Interesse an explizitfür sie gestalteten Räumen,sondern suchen eher Möglich-keiten der Aneignung und Um-gestaltung.

ahrnehmung ist ei-ne komplizierte An-gelegenheit. Auf

dem Weg durch die Stadt se-hen verschiedene Menschenganz unterschiedliche Dinge.Je nach aktueller Befindlich-keit, Vorwissen, den Begleit-umständen und vielen weite-ren Aspekten interpretiert un-ser Gehirn, was das Auge anSinneseindrücken von der unsumgebenden Stadt auffängt.Das Bild einer Stadt ist alsokeinesfalls eine fest umrisseneGröße, sondern ergibt sich erstaus vielen unterschiedlichenSichtweisen und Bedeutungs-zusammenhängen.

In Städten leben sehr ver-schiedene Menschen: junge,alte, arme, reiche, eingewan-derte und einheimische, sie le-ben in der Nordstadt oder imSüdviertel – und alle erschlie-ßen sich die Stadt auf ihre Wei-se, sehen und verstehen sie un-terschiedlich. So entsteht eineVielzahl von Innen- und Außen-welten. Und das macht uns al-le zu „Fremden“, wenn es da-rum geht, die Stadt der ande-ren zu sehen und zu verstehen.Am Beispiel öffentlich nutzba-rer Räume werden die vielenverschiedenen Perspektivenund Projektionen von Stadtbesonders deutlich: Die Stadt-bewohnerinnen und -bewoh-ner haben unterschiedliche An-forderungen an Gestalt undAusstattung der Räume, neh-men sie unterschiedlich wahrund nutzen sie auch auf ver-

W

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und ProjektionenInnen- und Außen-Ansichten öffentlicher Räume

Das waren hier nur drei Bei-spiele für die Vielfalt der Nut-zer-Perspektiven auf öffentli-che Räume. Dabei ist festzu-stellen, dass diejenigen, diesolche Räume planen und ge-stalten, zumeist sehr wenigvon diesen Wahrnehmungs-und Nutzungsweisen wissen.Das mag auch daran liegen,dass die Angehörigen der ver-schiedenen „Zielgruppen“ inPlanungsprozessen – selbstdort, wo Bürgerbeteiligung an-geboten wird – kaum zu Wortkommen Wir glauben, man-ches über sie zu wissen, tat-sächlich aber wissen wir nursehr wenig von ihnen. Ebendas muss sich ändern. Daherwird immer wieder gefordert,diese „Expertinnen und Exper-ten des Alltags“ an der Gestal-tung ihrer Umwelt Teil habenzu lassen. Erst so wird der dis-tanzierten Außen-Sicht (derPlanenden) die gelebte Innen-Sicht hinzugefügt und der Viel-falt von Perspektiven auf dieStadt Rechnung getragen.

Aber mit dieser Perspekti-venvielfalt nicht genug: Auchdie Fachleute selbst sind sichoffensichtlich uneins darüber,wie es heute um die öffentlichnutzbaren Räume steht undwelcher Handlungsbedarf be-steht. Worin bestehen die Wi-dersprüche?

Vor allem in der Wahrneh-mung und Beurteilung derFakten: Die einen sehen Ver-fall, Funktionsverlust und Rück-zug ins Private. Die anderen

konstatieren den Auszug insÖffentliche, sehen Vielfalt, Le-bendigkeit und Möglichkeits-räume. Besonders in der deut-schen Stadt-Diskussion scheintes eine eigenartige Allianz zugeben, die für immer wieder-kehrende Schreckensbilder undUntergangsszenarien sorgt.Ganz nebenbei beschwört siein kulturpessimistischer Weisedas Stereotyp der einst krank-machenden Stadt, des Mo-lochs, in dem sich das hässli-che Gesicht des Kapitalismusenthüllte und jetzt im Bann der

Globalisierung in endloser undchaotischer Zersiedelung ver-schwindet.

Um dem Sog der phlegma-tischen Untergangsszenarienein aktives Element entgegen-zusetzen scheint es in der hie-sigen Debatte vor allem einMittel zu geben: den Sprungins andere Extrem. Unordnungund Chaos werden zur Ästhe-tik des Ungeplanten, aus demSiedlungsbrei wird die Zwi-schenstadt, statt des Rückzugsins Private wird der Auszug insÖffentliche festgestellt, öde

Flächen werden in schillerndeMöglichkeitsräume umgedeu-tet.

Anhand dieses Konflikteswird deutlich, dass die Fach-leute in eigenen – subjektiven– Wahrnehmungsweisen undInterpretationsmustern verhar-ren. Das Interesse an der Aus-einandersetzung mit der Wirk-lichkeit in den Städten scheintgering – was sich auch in ei-

Foto: Klaus Selle

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nem erschreckenden Mangelan empirisch gesichertem Wis-sen über die Nutzung öffent-licher Räume ausdrückt. Stattdessen diskutiert man „selbst-referenziell“ über Entwicklungs-tendenzen und Gestaltungs-maximen. Sollen Fachdebatteund „gelebte Nutzung“ wie-der stärker zusammenfinden,sind daher intensive Ausein-andersetzungen mit der tat-sächlichen Inanspruchnahmeder Plätze, Parks und Prome-naden, der Straßen, Brachenund „offenen Räume“ und mitden Ansprüchen der verschie-denen Nutzergruppen vonnö-ten. Und zugleich gilt es, Pla-nungsverfahren zu entwickeln,die die verschiedenen Bewoh-ner auch selbst zu Wort kom-men lassen und die Möglich-keit eröffnen im Dialog (unddurchaus auch im Konflikt)voneinander zu lernen und sodas Bild von der Wirklichkeit in den Städten zu vervollstän-digen.

Mehr Informationen zurAuseinandersetzung des Lehr-stuhls mit den öffentlich nutz-baren Räumen in Forschungund Lehre sind zu finden unterhttp://www.pt.rwth-aachen.de/themen/index.php. ●

Ehemaliges Zechengelände derGrube Anna in Alsdorf.Foto: Peter Winandy

Foto: Klaus Selle

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Marion Klemme, Gisela Schmitt

Schrumpfen unsere Bevölkerungsrückgang schafft Veränderung

Hintergrund der Debattesind sowohl der wirtschaftlicheals auch der demographischeWandel. Der Zusammenbruchzentraler Wirtschaftzweige, derAbbau von Arbeitsplätzen undkommunale Haushaltsproble-me verändern die ökonomi-sche und soziale Basis in Städ-ten und Regionen. SinkendeBevölkerungszahlen aufgrundniedriger Geburtenraten undWanderungsbewegungen vonökonomisch schwachen in stär-kere Regionen führen in vielenKommunen zu drastischen Be-völkerungsverlusten. Gleichzei-tig kommt es zu einer Verän-derung der Bevölkerungsstruk-tur, die sich insbesondere in ei-ner Zunahme älterer Men-schen niederschlägt.

Es sind unterschiedliche Ent-wicklungsdynamiken in ver-schiedenen Teilräumen und beieinzelnen Nutzungen zu beob-achten: Während Wohnungenleer stehen, können dennochFlächen für Neubau nachge-

fragt werden und während Ar-beitsplätze „abgebaut“ wer-den, können sich gleichwohlneue gewerbliche Nutzungenansiedeln.

Der Verlauf der Transforma-tionen und ihrer Folgen siehtvon Ort zu Ort sehr verschie-den aus. Insofern sind Phäno-mene, Probleme und die jewei-lige Maßstabsebene (Regionen– Städte – Stadtteile) differen-ziert zu betrachten.

Wechselwirkungen und Fol-gen – „down cycling“ ganzerStädte und Regionen?Ein deutlicher Bevölkerungs-rückgang hat gravierende Aus-wirkungen auf nahezu alle Be-reiche der Stadt. Betroffen sindWirtschaftsentwicklung, Woh-nungsmarkt, Ver- und Entsor-gung und soziale Netze. Füreinzelne Städte und Regionensind mangelnde Infrastruktur-auslastung, Einbrüche im Ein-zelhandel sowie im Immobi-lienmarkt, eine sinkende Inves-

titionsbereitschaft der Wirt-schaft sowie Attraktivitätsver-luste der (Innen-)Städte aktu-elle oder absehbare Probleme.Die Wechselwirkungen zwi-schen diesen Bereichen führenzu beschleunigenden Rück-kopplungsprozessen und ver-schärfen die Brisanz. Steht dieAufrechterhaltung städtischerInfrastruktur und Attraktivitätin Frage, besteht die Gefahr,dass Probleme kumulieren undStandorte in einen Prozess des„down cycling“ geraten.

Während einzelne Städteund Regionen heute und ver-mutlich auch in Zukunft mitdiesen Problemen zu kämpfenhaben, werden andere weiterprosperieren und wachsen. Die-ses Nebeneinader verschiede-ner Entwicklungen wird zu er-

n zahlreichen deutschenStädten und Regionen wer-den gegenwärtig Phänome-

ne des „Schrumpfens“ disku-tiert. In Ostdeutschland habenernorme Wohnungsleerständebereits weit reichende Spurenhinterlassen, aber auch in vie-len westdeutschen Städtensind Leerstände und riesige In-dustriebrachen erste sichtbareZeichen veränderter Stadtent-wicklungen.

Die Vermutung liegt nahe,dass unsere Städte nicht mehrwachsen, und der Begriff„schrumpfende Stadt“ soll die-se scheinbar neue Ausprägungder Stadtentwicklung beschrei-ben. Sowohl das Phänomen ansich – Stadtentwicklung ohneWachstum – als auch der Be-griff Schrumpfen sind negativbesetzt. Es existiert eine Viel-zahl von Versuchen, die aktu-ellen Stadtentwicklungen inWorte zu fassen: Transforma-tion, perforierte Stadt, Stadt-entwicklung rückwärts.

I Gartenschau auf ehemaligen In-dustriearealen in GelsenkirchenNordstern.Foto: Klaus Selle

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Städte und Regionen?

heblichen regionalen Ungleich-heiten führen und bestehendeUnterschiede noch verstärken.Vor diesem Hintergrund wirdsich die Konkurrenz der Städteund Regionen um einen Zu-wachs an Einwohnern, Gewer-beansiedlungen und Arbeits-plätzen weiter verschärfen.

Viele Probleme – aber auchChancen?Neben den Problemen solltenauch Chancen dieser Umbrü-che erkannt werden. DennSchrumpfung bedeutet nichtnur Verlust, sondern birgt auchPotenziale und Ausgangspunk-te für Neues.

In Schrumpfungsregionenkann die Flächeninanspruch-nahme für Siedlungs- und Ver-kehrszwecke reduziert werden.Brachflächen und Leerständebieten neue Gestaltungs- undNutzungsoptionen. Ein Nach-fragerückgang in den Innen-städten kann mittel- und lang-fristig zu preiswerten Wohn-

und Gewerberäumen in zen-traler Lage führen. Funktionenund Nutzungen (Wohnen, so-ziale und kulturelle Einrichtun-gen), die aus den Zentren auf-grund zunehmender Boden-und Immobilienpreise verdrängtwurden, können zurückkehren.Neue innerstädtische Freiräu-me können geschaffen wer-den.

Nicht nur weniger – auch an-ders?Wohnungsmarkt, Einzelhandelund Verkehrsanbieter sehensich nicht nur mit abnehmen-den Nachfragekapazitäten auf-grund sinkender Bevölkerungs-zahlen, sondern auch mit ver-änderten Bedürfnissen derNachfrager konfrontiert. DieAusdifferenzierung der Le-bensstile und Haushaltstypen,gestiegenes Umwelt- und Ko-stenbewusstsein, verändertesMobilitäts- und Freizeitverhal-ten führen zu neuen Anforde-rungen auf allen Ebenen – der

Gesamtstadt, dem Stadtteilund dem Quartier.

In „suburbia“ sind bei einerrelativ homogenen (alten) Ein-wohnerschaft Mobilitäts- undVersorgungsprobleme abseh-bar: ältere und teils betreuungs-bedürftige Menschen werdenverstärkt mobile Dienste desEinzelhandels oder der Pflegenachfragen.

Die entspannte Lage aufdem Wohnungs- und Immobi-lienmarkt wird gerade in Re-gionen, die durch stagnierendeund abnehmende Bevölkerunggekennzeichnet sind, dazu füh-ren, dass die Wohnbedürfnisseund Qualitätsanforderungender Nachfrager über die Zu-kunftsfähigkeit einzelner Stadt-teile (mit)entscheiden werden.

Wohnformen sind weiterauszudifferenzieren, da Lebens-formen zunehmend pluralisiertund Lebensführungen indivi-dualisiert werden. Neben dereigentlichen Wohnungsqualitäterlangen Dienstleistungs- und

Serviceangebote „rund umsWohnen“ eine wachsende Be-deutung.

Notwendigkeit neuer Lö-sungsansätze und Verfahren –Schrumpfung planen?Für den Umgang mit derleikomplexen Problemen gibt eskeine Patentrezepte. Differen-zierte Lösungen müssen ge-sucht werden. Auf die drama-tischen Leerstandsprobleme inden neuen Bundesländern rea-gierte die Bundesregierung mitdem Programm „StadtumbauOst“, dessen Fördermittel biszu 50 Prozent für Abrissmaß-nahmen eingesetzt werdenkönnen. Das entsprechendeProgramm in den alten Bun-desländern „Stadtumbau-West“ begegnet vorrangig

Wissenschaftspark auf altemZechenstandort GelsenkirchenRheinelbe.Foto: Klaus Selle

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den städtebaulichen und woh-nungswirtschaftlichen Proble-men an altindustriellen Stand-orten und Großwohnsiedlun-gen am Stadtrand.

Förderprioritäten zu ver-schieben kann jedoch nur einBaustein neuer Verfahren seinund löst die vielschichtigenProbleme schrumpfender Städ-te noch nicht. Die kommunalePlanung sieht sich mit neuenHerausforderungen konfron-tiert. Die skizzierten Transfor-mationen erfordern entspre-chende Entwicklungsstrategienfür betroffene Stadtteile undWohnungsbestände, die sichunter Umständen von einge-spielten Denkmustern und Vor-gehensweisen unterscheiden.Vieles spricht für eine generelleUmorientierung von Planungs-instrumenten, -strategien und-paradigmen.

Etabliertes Stadtentwick-lungsdenken in Deutschlandgeht von einem „Mehr“ aus –einem „Mehr“ an Menschen,Gebäuden, Einrichtungen undNutzungen. Wurde bislang umZuwächse an Bauvolumen,Wohnflächen und Ausstattun-gen gerungen, so stehen zu-nehmend Freisetzungspoten-ziale im Mittelpunkt. Vertei-lungsfragen nehmen ein stär-keres Gewicht ein. Stadtpla-nung in „Schrumpfungsräu-men“ steht im Gegensatz zu„Wachstumsräumen“ nichtvor der Aufgabe, Zuwächse anEinwohnern, Nutzungen undGewerbe zu vergeben, son-dern Verluste zu verteilen unddie Übernahme der Kosten zumanagen.

Planer und Architekten sindwie Politiker und weitere Ak-teure der Stadtplanung ge-fragt, Zugang zu neuen Praxis-anforderungen zu finden. DieBedeutung kurzfristiger, anQuantität oder Einzeloptimie-rung orientierter Investitionennimmt langfristig ab. Die Dok-trin eines „Wachstums um je-den Preis“ ist unter gegebenenRahmenbedingungen durchqualitätsorientierte Entwick-lungsziele zu ersetzen. Aktuelle(Planungs-)Debatten – vomöffentlichen Raum bis zumWohnungsbau – werden der-zeit durch Forderungen nach„mehr Qualität statt Quanti-tät“ bestimmt.

Das in der Stadtplanungvorherrschende „Denken imNeubau“ wird „Schrump-fungsbedingungen“ nicht ge-recht. Eine Perspektive ist ge-fragt, die bestehende Struktu-ren in den Mittelpunkt rückt.Innerörtliche Potenziale sind zu aktivieren, Umnutzungs-konzepte und Management-ansätze zu realisieren. MussPlanung dazu neu erfundenwerden? Es bestehen bereitszahlreiche Ansätze, die dieseIdeen aufgreifen. Unter demStichwort „Doppelte Innenent-wicklung“ wird versucht, imBestand zu verdichten undgleichzeitig die Freiraum- undGrünflächenanteile zu erhöhen.Es werden Baulücken mobili-siert und Brachen recycelt, umdie Flächeninanspruchnahmezu reduzieren.

Darüber hinaus gilt es, beigeringer werdenden Finanzie-rungsmöglichkeiten gezielte,finanzierbare Maßnahmen zuentwickeln und die „kreativenReserven“ der gestaltendenDisziplinen zu aktivieren.

Für die Zukunft - eine Dauer-aufgabe ?Prozesse der Stadtentwicklungpolitisch und planerisch zu be-einflussen wird komplizierteraber – so scheint es – auchnotwendiger. Schrumpfen alsPhänomen der Stadtentwick-lung, von vielen über langeZeit noch als ein konjunkturel-les Strohfeuer interpretiert,entpuppt sich zunehmend alsDauer- und Querschnittsauf-gabe, die eine prozessorien-tierte, integrierte, kooperativeArbeitsweise der beteiligtenAkteure voraussetzt.

Von den handelnden Akteu-ren ist eine Gratwanderung zuleisten. Die nachlassende Ent-wicklungsdynamik kann nichtbeschönigt und verharmlostwerden. Gleichzeitig darf je-doch die Einsicht in neue Rea-litäten nicht zu Resignation undKapitulation führen.

Politik und Planung in denKommunen orientieren sich –den Realitäten zum Trotz – vor-nehmlich an der Fiktion derwachsenden Großstadt. Leit-vorstellungen und Konzepte,die sich den Prozessen der De-konzentration und Transfor-mation stellen, entfalten nochwenig Überzeugungskraft. Sel-ten werden Entscheidungsträ-ger ermutigt, pro-aktiv mitSchrumpfung umzugehen. Po-litik und Planung stehen hiervor einer Vermittlungsarbeit,die bislang noch wenig erprobtist.

Wissenschaft und Forschungliefern seit einigen Jahren de-taillierte Analysen und Unter-suchungen, die dazu beitra-gen, das Problembewusstseinallmählich zu schärfen. Aberauch hier sind verstärkte An-strengungen der Kommunika-tion und Vermittlung nötig,um den Übergang vom Pro-blemverständnis zum Handelnzu bewirken.

Die „Prozesse des Schrump-fens“ zu gestalten, scheint we-sentlich schwieriger und poli-tisch unverträglicher zu sein als„Wachstum zu planen“. Dienächste Generation von Plane-rinnen und Planern sollte gera-de deshalb auf diese Zukunfts-aufgabe gut vorbereitet wer-den.

Mehr Informationen zur Aus-einandersetzung des Lehr-stuhls mit den aktuellen Ten-denzen der Stadtentwicklungin Forschung und Lehre sindzu finden unterhttp://www.pt.rwth-aachen.de/themen/index.php. ●

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Bernd Kusserow

Zukunft WohnenUntersuchung bestehender und zukünftiger Wohntypologien in Deutschland

der Nachkriegzeit gebaut undwill ausgerechnet jetzt bear-beitet werden. Darüber hinausherrscht augenblicklich nochein großer Neubaubedarf vorallem im Einfamilienhaussektor,was die Aufgabe nicht verein-facht.

Zukünftige Bauaufgabenwerden vor allem in der Be-standserhaltung zu finden sein.Für die Immobilienwirtschaftheißt das, dass bei sinkenderNachfrage die Qualität ein ent-scheidender Faktor für Erfolgoder Misserfolg sein wird. Woheute noch Wohnraum miteher geringem Wohnwert ver-kauft und vermietet werdenkann, könnte ein Überangebotan Wohnraum in Zukunft dazuführen, dass nur noch qualita-tiv hochwertige Wohnimmobi-lien auf dem Markt Bestandhaben werden.

An diesem Punkt könnenArchitekten ansetzen. Mit ih-rem Wissen um Raum und des-sen Qualitäten sind Sie mehrdenn je gefordert, an einer zu-kunftsfähigen Gestaltung desWohnens mitzuwirken.

Wie also soll der Wohnbauzukunftsfähig gemacht wer-den? Wie sind Grundrisse imFalle einer Sanierung umzuge-stalten? Welche Gebäude sinderhaltenswert, welche solltenbesser abgerissen werden? Vorallem aber, welche zukunftsfä-hige Wohntypologie wählt einUnternehmen der Wohnungs-wirtschaft, wenn neu gebautwerden muss?

„Wir bauen, was der Marktheute will, die Zukunft interes-siert uns nicht“ lautete die Ant-wort, als diese Fragen einergroßen Wohnbaugesellschaftin Süddeutschland gestellt wur-den. Diese Aussage könnte in50 Jahren einmal fatale Folgenhaben.

Wichtig ist eine interdiszi-plinäre Bestandsaufnahme: ei-ne Sammlung an der sich Nut-zer, Wohnungswirtschaft, Im-mobilienmanagement, Bau-wirtschaft und Architekten be-teiligen und vor allem auchwiederfinden könnten. Da dieAufgabe der Architekten imBauprozess ja genau darin be-steht, unterschiedliche Interes-

sen zu verknüpfen, passt die-ses Thema perfekt in ihr Tätig-keitsfeld.

Es gibt eine ganze Reihevon Katalogen und Sammlun-gen im Wohnbau, die sich mitder Ordnung der bestehendenWohntypologien auseinander-setzen. Sie wurden jedoch je-weils für eine bestimmte Klien-tel erarbeitet: für Architekten,für Nutzer oder für die Woh-nungswirtschaft respektive dasImmobilienmanagement. Vorallem aber sind die Bewertungs-maßstäbe völlig unterschied-lich: Finanzierbarkeit, räumli-che Qualitäten, Bedürfnissedes Marktes – um nur einigezu nennen. Das Bewertungs-kriterium „Zukunftsfähigkeit“existiert in Wohntypologie-Sammlungen nicht.

Was muss ein interdiszipli-närer Typologie-Katalog leistenkönnen? Warum könnte dieAufstellung eines solchen Port-folios für den Wohnbau wich-tig sein? „Was man nicht mes-sen kann, kann man auch nichtsteuern“ lautet ein Spruch imInternetauftritt einer Consul-ting-Firma. Qualität in der Ar-chitektur messbar zu machen,ist unmöglich. UnterschiedlicheTypologien im Wohnbau zu be-werten, respektive zu bemes-sen, ist hingegen ein durchausrealisierbares Unterfangen.

Durch die Bewertung derWohntypologien kann für einUnternehmen der Wohnungs-wirtschaft ein Typologieportfo-lio des Wohnungsbestandeserstellt werden. Wenn es rich-tig ist, ein Aktienportfolio einerFondsgesellschaft gut und lang-fristig zu strukturieren, dannsollte auch das Typologieport-folio einer Wohnbaugesell-schaft langfristig und gutstrukturiert sein. Damit sindzukünftige Investitionen desWohnungsbestandes dieserFirma planbar. Da der Woh-nungsmarkt geschwächt blei-ben wird, kann es sinnvollsein, Entscheidungen nichtausschließlich nach den tem-porären Anforderungen desMarktes zu richten. Die Quali-tätsmerkmale einer guten Ty-pologie lassen sich ähnlich be-werten wie ein Grundstück.

Ein qualitätsvolles Grundstückund eine hochwertige Typolo-gie könnten in Zukunft zweigleichwertige, starke und zu-kunftssichere Qualitätsfaktorensein.

Ein interdisziplinärer Poolfür zukunftsfähige Wohntypo-logien darf natürlich nicht starrund unveränderbar sein. Bes-ser ist eine Plattform, die sichanpassen lässt, um auf gesell-schaftliche Veränderungen rea-gieren zu können. Es ist derVersuch, ein Bewertungssy-stem einzuführen, in das stän-dig neue Erfahrungswerte ein-fließen können.

Ein erstes Experiment hier-zu läuft derzeit am Lehrstuhlfür Wohnbau und Grundlagendes Entwerfens. Gemeinsammit ThyssenKrupp Immobiliensowie dem Institut für Landes-und Stadtentwicklungsfor-schung und Bauwesen desLandes NRW wurde die Auf-gabe entwickelt, einen Woh-nungstyp der 60er Jahre zubewerten. Auf allen Ebenen –Kosten, Nutzen, Architektur.

Die Präsentation der erstenErgebnisse unserer Studieren-den bei einer Tagung des Ver-bandes der Wohnungswirt-schaft (VdW) im Herbst 2004war ein voller Erfolg. Die Initi-ative des Lehrstuhls – im Rah-men der Lehre eine aktuelleProblemstellung der Woh-nungswirtschaft zu bearbeiten– stieß auf großes Interesse.Im Frühjahr 2005 wird einezweite Siedlung dieser Zeit be-arbeitet, diesmal mit einer grö-ßeren Gruppe von Studieren-den. Mehrere Unternehmenhaben bereits darum gebeten,eine Siedlung für diesen zwei-ten Testlauf bereitstellen zudürfen.

Da hier tatsächlich Grund-lagenforschung im FachbereichArchitektur betrieben wird (diezudem auf großes Interesseder Wirtschaft stößt), ist derLehrstuhl davon überzeugt,zukünftig im Rahmen der Dritt-mittelforschung Lösungen fürdie anstehenden Probleme derWohnungswirtschaft anbietenzu können. ●

ie Bedeutung der Wohn-typologie im Wohnbaukann mit der Bedeu-

tung der Software auf einemComputer verglichen werden:Die Hardware ist das gebauteObjekt, die Software repräsen-tiert das, was man daraus ma-chen kann.

Soziale Faktoren, Migrationoder Prognosen über den zu-künftigen Aufbau der Bevölke-rungspyramide werden auchdie Inhalte des Wohnbaus be-einflussen. Der Lehrstuhl fürWohnbau befasst sich mit denEinflüssen der gesellschaftlichenEntwicklungen auf die Soft-ware, respektive die Typologieim Wohnbau.

Voraussichtlich wird sich diedemografische Lage erst ab2050 entspannen, wenn diegeburtenstarken Jahrgänge der60er Jahre langsam aus denStatistiken verschwinden. Tref-fen diese Prognosen zu, wirddie Nachfrage nach Wohnraumgeringer, um sich später auf ei-nem niedrigen Niveau einzu-pendeln. Sollten bis dahin kei-ne Umstrukturierungen in Ganggesetzt worden sein, könntenStädte und Regionen in ganzDeutschland vor Problemenstehen, die über die bekanntenPhänomene in Ostdeutschlandhinaus reichen. Gelsenkirchenwird dann nicht die einzigeStadt in Westdeutschland blei-ben, die sich heute schon zu-sammen mit Leipzig undSchwerin Gedanken über denStadtrückbau machen muss.

Erschwerend kommt hinzu,dass heute Wohnfläche ge-baut, modernisiert oder abge-rissen werden muss, von derkein Mensch weiß, welche Be-deutung sie in 50 Jahren ha-ben wird. Zudem haben Woh-nungen gerade zufällig eineHalbwertszeit von etwa 50Jahren. Zu diesem Zeitpunktfallen Arbeiten an, die mit Far-be und Pinsel nicht mehr zubewältigen sind. Dies erklärtauch, warum die deutscheWohnungswirtschaft sowie alleanderen Wohnungseigentümerderzeit massive Aufgaben zubewältigen haben. Der Groß-teil des Wohnungsbestandeswurde vor etwa 50 Jahren in

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Hier erfahren Sie mehr – Porsche Online: Telefon 01805 356 - 911, Fax - 912 (EUR 0,12/min) oder www.porsche.de.

Zum Glück läßt sich nicht alles

am Computer simulieren.

Das neue 911 Cabriolet.

Wohnen auf dem ehemaligenZechengelände der Grube Annain Alsdorf.Foto: Peter Winandy

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Veronika StützelHope

werden, die sich mit den ak-tuell vorherrschenden sozialenund kulturellen Problemen aus-einandersetzen.

Die Siedlungsstruktur sollteaus einem variablen und er-weiterbaren, jedoch raumspa-rendem Modulsystem zusam-mengesetzt werden. Ausge-hend von einem Kernbereichmit cirka 30 bis 50 Wohnein-heiten sollte sich das Quartierweiterentwickeln. Der nach-haltige Umgang mit Energie,Wasser und anderen Umwelt-gütern wurde vorausgesetzt.Niedrige Kosten, einfach zuhandhabende Bautechnikenund der Einsatz von „low-tech“sollte eine breite Bevölkerungs-gruppe in den Townships an-sprechen. Der Modellcharakterder neuen Siedlung sollte imVordergrund stehen und vonüberregionaler Bedeutung sein.

Die Bearbeitung der Ent-wurfsaufgabe erfolgte in Zu-sammenarbeit mit in der Town-

shipentwicklung erfahrenenPlanern der Stadt Kapstadt.

Entwurfsbeispiel AortaDie Entwurfsaufgabe wurdevon 25 Studierenden bearbei-tet. Für einen besonders un-konventionellen städtebauli-chen Entwurfsansatz entschie-den sich die beiden StudentenJochen Hansen und MoritzGroba. Ausgehend von derfast unvorstellbaren Armut vie-ler Townshipbewohner ent-wickelten sie in ihrem Entwurfals zentrales Modul die AOR-TA, ein über Kopf verlaufen-des Leitungssystem als Versor-gungs- und Entwicklungskorri-dor. Ziel ist hierbei die Grund-versorgung der Bewohner zusichern, ein hohes Selbstbe-stimmungsmaß an der Sied-lungsentwicklung zu berück-sichtigen und zugleich ein bau-liches Element zu entwickeln,das neben den privaten Ver-sorgungsaspekten Energie,

Wasser und Telefon auch denöffentlichen Raum mit Infra-strukturangeboten wie Straßen-beleuchtung, Telekommunika-tion, Feuerlöscher und Notruferschließt. (Bild 1)

Mit der AORTA wurde einElement konzipiert, das als Ent-wicklungskorridor für das stand-ort- und bedürfnisorientierteWachstum der Siedlung zurVerfügung steht und zugleichden öffentlichen Raum struk-turiert und gestaltet. Sie ist va-riabel einsetzbar und eignetsich sowohl für grundsätzlicheVerbesserung bereits bestehen-der Wohnquartiere als auchfür die Neuerschließungen vonSiedlungen an unterschiedlichenStandorten.

eit 2001 bietet der Lehr-stuhl für Landschaftsöko-logie und Landschaftsge-

staltung städtebauliche Ent-wurfsaufgaben für die Ent-wicklung und Erneuerung derTownships von Kapstadt an.Mit „Hope Homes“ sollen Mo-delle und Szenarien entwickeltwerden für neue platzsparen-de, variabel nutzbare und fürTownshipbewohner bezahlbareWohneinheiten.

AusgangssituationDas Leben der Bewohner inden Townships von Kapstadtwird durch existentielle Armut,Krankheit (AIDS), Arbeitslosig-keit, Kriminalität und ein deso-lates Wohn- und Lebensum-feld bestimmt. Gewohnt wirdentweder in legalen Quartie-ren in kleinen Einfachstbehau-sungen – auch Matchboxhou-ses genannt – oder in illegalenWohnquartieren in Hüttenoder zeltartigen Behausungen.Energie und Wasser wird nurin die legalen Wohnquartieregeliefert. Es gibt kaum zentraleInfrastruktureinrichtungen undein öffentliches Transportsys-tem existiert faktisch nicht. Diewenigen öffentlichen Gebäudesind mit Stacheldraht einge-zäunt und die öffentlichen Räu-me gleichen überwiegend ver-nachlässigten Brachen. Die Be-völkerungsdichte ist ernormhoch und steigt durch hoheGeburtenraten und Zuwande-rungen aus dem Umland expo-nentiell an. Über 25 Prozentder Bevölkerung ist mit HIV in-fiziert, Medikamente sind fürTownshipbewohner nicht be-zahlbar.

EntwurfsaufgabeEntwurfsziel war die Erarbei-tung eines auf die Townshipsabgestimmten universellenstädtebaulichen Lösungsan-satzes, der sich innerhalb vonKapstadt auf möglichst vieleStandorte in Elendsquartierenübertragen lässt. Aus diesemGrund wurde kein konkretesPlanungsgebiet bearbeitet. Essollten vielmehr Modelle undSzenarien – sowohl auf derstädtebaulichen als auch aufder Objektebene – entwickelt

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Aorta-Infrastrukturelement.Entwurf: Jochen Hansen undMoritz Groba

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HomesNeue Wohnkonzepte für das Leben im Township von Kapstadt

Der Anschluss der Haushal-te an die AORTA erfolgt übereinen aus recycelten Bahn-schienen hergestellten Versor-gungsstrang. Dieser ist im Bo-den mit einem Betonfunda-ment verankert und bietet da-her die Möglichkeit als ersteskonstruktives Element einerBehausung genutzt zu werden.Besonders in ärmeren Wohn-quartieren kann AORTA durchBeschattung und Möblierungdes unter ihr liegenden Frei-raumes weitere Funktionenübernehmen. Sie lässt sich alssozialer Treffpunkt und erwei-terter Wohnraum nutzen. Esgibt vielfältige Gestaltungs-und Nutzungsmöglichkeitender öffentlichen Plätze als Kom-munikationsräume für Klein-handel und Gewerbe. (Bild 2)

Die weitere städtebaulicheEntwicklung erschließt sich be-darfsorientiert, aber ohne Ge-staltungsvorgaben entlang derAORTA. Der Einsatz unter-

schiedlicher und recycelter Ma-terialien wird in geordneterWeise ermöglicht. Im Entwurfwerden beispielsweise umge-baute Schiffscontainer alsWohnbehausung vorgeschla-gen. In Abstimmung auf diespeziellen sozialen Problemesind unterschiedliche öffentli-che Gemeinschaftseinrichtun-gen vorgesehen: Waisenhäu-ser, Fahrradwerkstätten, Inter-netstationen, Kühlhäuser oderSanitäreinrichtungen.

Der Einfluss der standort-bedingten Faktoren in der vonden Bewohnern gelenktenstädtebaulichen Entwicklungwird in vier unterschiedlichenSiedlungsszenarien dargestellt.Bei allen Varianten im beste-henden Township oder in derneu entstehenden Siedlung istdie AORTA das strukturgeben-de Element. Es entstehen jenach verfügbarem Raum klei-ne oder größere öffentlichePlätze, die insbesondere in

stark verdichteten monostruk-turierten Siedlungsbereichenneue Raum- und Nutzungs-qualitäten schaffen und soneue Entwicklungsmöglichkei-ten aufzeigen.

AusblickDieser Entwurf ist als ein posi-tiver Beitrag zur Entwicklungvon neuen zukunftsorientier-ten Lösungsansätzen für dasLeben in Elendsquartierennicht nur in Südafrika zu ver-stehen. Im Rahmen der Agen-da21-Städtepartnerschaft zwi-schen der Stadt Aachen undKapstadt werden weiterhin Ent-wurfsbeiträge für KapstadtsTownships erarbeitet und auchdie Möglichkeit für Studieren-de, vor Ort projektbezogenepraktische Erfahrungen zu ma-chen, wird unterstützt. ●

Siedlungsszenario.Entwurf: Jochen Hansen undMoritz Groba

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Dietrich Elger, Peter Russell, Thomas Stachelhaus

Netzentwurf.degesetzt haben. Trotzdem wirderwartet, dass der Einsatz neu-er Kommunikations- und In-formationsformen den Arbeits-alltag von Architekten sehr ver-ändern wird.

Um die Studierenden opti-mal auch im Rahmen von Lehr-veranstaltungen auf das späte-re Berufsleben als Architektvorzubereiten, wurde eineMöglichkeit gesucht, dieseProzesse zu simulieren und zutrainieren. Nicht nur der Um-gang mit modernen Kommuni-kationstechnologien, die fürArchitekten heute unverzicht-bar sind, sollte erlernt werden,sondern auch die Möglichkeitzur Teamarbeit sollte angebo-ten werden. Als Antwort aufdie oben beschriebene Pro-blemstellung wurde Netzent-wurf als eine Art virtuelle Uni-versität entwickelt, um für netz-basierte Projekte eine Platt-form bereitzustellen.

Netzentwurf in der LehreNetzentwurf.de ist heute eineinternetbasierte, unabhängigeKooperationsplattform, auf derseit 1997 über 1.200 Studie-rende der Architektur aus Hoch-schulen in Deutschland, Frank-reich, Finnland, Ecuador, Neu-seeland und der Schweiz an sogenannten Netzentwürfen mitzum Teil sehr eindrucksvollenResultaten teilgenommen ha-ben. Die Aufgabenstellung fürdie Studierenden besteht ein-erseits darin, ihre Arbeitser-gebnisse im Internet zu veröf-fentlichen, so dass diese dortvon jedermann abgerufenwerden können. Andererseitswerden die Möglichkeiten desWorld Wide Web als Kommu-nikationsplattform intensiv er-probt und genutzt. Mit demProjekt „Liquid-Campus“ wur-de im Frühjahr 2001 eine sogenannte virtuelle Architektur-hochschule ins Leben gerufen,die aktuell von fünf Universitä-ten und Fachhochschulenunterstützt wird.

Die Studierenden der vir-tuellen Hochschule erhaltenzum Beispiel die Chance, überdas Angebot ihrer Heimat-Uni-versität hinaus Entwurfsthe-men an anderen Hochschulenzu bearbeiten. Didaktik, Zeit-plan und die technischen Vor-aussetzungen für Netzentwür-fe werden jeweils von denPartnerhochschulen gemein-

sam entwickelt. Damit wird die gegenseitige Anerkennungstudentischer Leistungen ohnegroßen administrativen Auf-wand ermöglicht.

Netzentwurf.de ist zu-nächst vor allem eine Kommu-nikationsplattform für alle anden Entwürfen beteiligten Stu-dierenden und Betreuer. DieErarbeitung einer eigenen Kom-munikationsform mit ergän-zenden Tools durch jede Grup-pe ist durchaus gewünscht undTeil der Didaktik. Die Evaluie-rung verschiedenster Plattfor-men, die bereits im Internetvorhanden sind, zeigte aberschnell, dass zur Unterstützungvon Kooperationen verschie-dene Hilfsmittel benötigt wer-den, die sich nirgendwo in die-ser Zusammenstellung fanden.Aus dieser Konsequenz wurdeNetzentwurf.de entwickelt.

Netzentwurf.de stellt heuteBasiswerkzeuge mit verschie-denen Schwerpunkten zur Ver-fügung. Diese lassen sich wiefolgt kategorisieren:● Information strukturieren● Mitglieder organisieren● Kommunikation erleichtern„Ist jemand da? Kannst dumich hören? Kann ich dir hel-fen? Who’s online?“ DieseFragen sind integraler Bestand-teil von Netzentwurf.de. Jederregistrierte Benutzer, der sichauf der Plattform anmeldet,wird am unteren Rand desBildschirms angezeigt. Schnelllassen sich so Kommunikations-partner finden, Fragen stellen,Arbeiten diskutieren und beiSchwierigkeiten Hilfe finden.Diese Form der Personalisie-rung unterstützt das Zusam-mengehörigkeitsgefühl undviele schauen auch einfach nurmal kurz vorbei, ob da nichtgerade ein bekanntes Gesichtonline ist. Aber auch nebenChat, integrierter Videokonfe-renz, Mailinglisten und weite-ren Kommunikationshelfernwurden in den letzten Jahrenneue Hilfsmittel in die Platt-form integriert. Heute könnenzum Beispiel die Studierendenein Contentmanagementsystemzur Darstellung ihrer Ideen be-nutzen, haben aber auch einWhiteboard zum gemeinsamenSkizzieren im Netz zur Entwick-lung der Ideen zur Verfügung.

Large Scale ModellingIn den vergangenen zwei Som-mersemestern wurden mit Hil-fe von Netzentwurf kooperati-ve Entwurfsprojekte durchge-führt, deren wesentliches Merk-mal die Berücksichtigung undUmsetzung im Maßstab einszu eins war. Am Ende wurdenausgesuchte Projekte von denStudierenden realisiert. Die Er-fahrung in den letzten Seme-stern hatte gezeigt, dass dieseArt der Aufgabenstellung einevertiefte Auseinandersetzungmit Bauausführung und Detailsowie ein besseres Gefühl fürden Entwurf mit sich bringt.Nach guten Ergebnissen beiden bisherigen Entwürfen„Mittsommernachtspavillon“sowie „Schutzbauten für Ex-tremsportler“ wurde beschlos-sen, in diesem Sommer dasProjekt „Hülle fürs Diplom“anzubieten. In dessen Rahmenwurde von den Studierendenein aktiver, ökonomischer undtransparenter Umgang mit Ge-staltungs-, Kommunikations-und Kooperationsprozessen er-wartet. Nach der individuellenErarbeitung von Entwürfen zuverschiedenen Aufgabenstel-lungen erfolgte deren Eins-zu-eins-Umsetzung im Team. DerSchwerpunkt im ersten Dritteldes Semesters lag im Rahmeneines Studierendenwettbewer-bes auf dem Entwurf für Pavil-lons mit unterschiedlichenNutzungsschwerpunkten. Imzweiten Teil des Semestersmussten diese Entwürfe imTeam bis zur Ausführungsreifebearbeitet werden und warensomit in Hinblick auf Konstruk-tion und Materialien zu dimen-sionieren. Abschließend warauf der Baustelle der Wahr-heitsbeweis, ob die Konstruk-tionen überzeugen konnten,zu erbringen, bevor die Pavil-lons schließlich einer öffent-lichen Nutzung zugeführt wur-den.

Die drei Bauten wurdeninnerhalb von fünf Tagen reali-siert und standen für die Di-plomverleihung sowie für dasDiplomfest der Fakultät für Ar-chitektur zur Verfügung. Mehrals 700 Gäste haben die Bau-ten besucht, benutzt und be-wundert. Nahezu alle Studie-renden, die das Projekt reali-siert hatten, standen den Be-suchern an diesem Abend zumFachgespräch zur Verfügung.

um Ende des Sommerse-mesters 2004 entstandenneben der Mensa Vita

temporäre Bauten für die Di-plomfeier des Fachbereichs Ar-chitektur. Studierende aus Aa-chen, Weimar und Karlsruhehatten diese Bauten währenddes Semesters im Rahmen ei-nes Netzentwurfs gemeinsamüber das Internet entworfenund abschließend innerhalb ei-ner Projektwoche aufgestellt.Erstmals wurde ein Netzent-wurf einer größeren Öffent-lichkeit in Aachen über die Fa-kultätsgrenzen hinaus bekannt.

Netzentwürfe werden aberschon seit einigen Jahren in Aa-chen ausgegeben und habeneine lange Tradition, die fastbis zur Gründung des Lehrge-biets Computergestütztes Pla-nen in der Architektur (CAAD)im Jahr 1998 zurückreicht. Mitder Berufung von Peter Russellals Leiter des Lehrgebiets CAADkam zudem im Jahr 2000 einerder Mitentwickler des Projektes„Netzentwurf“ (www.netzent-wurf.de) nach Aachen. Er hat-te seit 1997 mit Professor Ni-klaus Kohler und seinen Mitar-beitern am Institut für Indu-strielle Bauproduktion (ifib) derUniversität Karlsruhe an Netz-entwurf gearbeitet und diePlattform mitinitiiert.

Auf dem Weg zur virtuellenUniversität: Netzentwurf trai-niert internetbasierte, koope-rative Arbeitsmethoden

Die IdeeDas Arbeitsfeld der Architek-ten befindet sich wie auch vie-le andere Berufe im Wandel.Die Tätigkeiten der Architek-ten werden zunehmend durchInformationstechnologien un-terstützt. Das Internet dient als Informationsquelle und inwachsender Tendenz ebensoals Kommunikationsmedium.Durch neue Kommunikations-formen ist es heute möglich,dass Architekten, Ingenieure,Bauherren sowie andere Pla-nungspartner von unterschied-lichen Orten aus an einem ge-meinsamen Projekt arbeiten.Es gibt bereits einige Planungs-plattformen, auf denen Bau-vorhaben mit allen ihren As-pekten über das Internet ab-gewickelt werden, aber diesesind noch nicht so ausgereift,dass sie sich am Markt durch-

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Auf dem Weg zur virtuellen Universität

Das Projekt Mamba, einer derdrei realisierten Bauten, konnteanlässlich der Bewerbungs-kampagne der Stadt Karlsruhefür die Kulturhauptstadt 2010sowie im Rahmen der Aache-ner Design Week im Herbst2004 erneut besucht werden.

AusblickNetzentwurf wird ständig wei-terentwickelt, um im Rahmender aktuell vorherrschendentechnischen Gegebenheitenden Studierenden das Best-mögliche anzubieten. Seit demWechsel von Peter Russell vonKarlsruhe nach Aachen wirddie Initiative für die neu zu ent-wickelnden Module vermehrtin Aachen ergriffen und zumeistauch dort umgesetzt. 2004wurde das Projekt in guter Zu-sammenarbeit von Karlsruhenach Aachen übertragen. Ne-ben einer Überarbeitung derPlattform soll aktiv um mehrPartner geworben werden, die Angebote im Rahmen vonNetzentwurf machen sollen.Vorstellbar sind auch neue Mo-dule, die interaktives Lernenunterstützen. Neben einer Er-weiterung des Lehrangebotserhoffen sich die beteiligtenEntwickler ein gesteigertes In-teresse neuer Nutzer und einevergrößerte Vielfalt. Geradedieser Dienst könnte auch fürAlumni von Interesse sein.

Am Lehrgebiet CAAD be-einflussten die Erfahrungen mit Netzentwurf innerhalb derForschungstätigkeiten mehrereProjekte, die sich mit der Ent-wicklung internetbasierterWerkzeuge zur Vereinfachungund effektiven Nutzung vonKommunikation, Dokumenta-tion und Verwaltung beschäfti-gen. Die sich im Moment inständiger Weiterentwicklungbefindende Plattform „my-REIFF“ entstand auf Basis die-ser Erfahrungen und im Rah-men der durch das BMBF ge-förderten Notebook University.

Weitere Eindrücke kann mandirekt unter http://www.netz-entwurf.de gewinnen. ●

Typische Betreuungssituation imInternet.

Die temporären Bauten am Uni-versitätsklinikum sind fertig!Foto: Thomas Stachelhaus

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Christian Schätzke, Hartwig N. Schneider

Leichte KonstruktionenTendenzen zur Entmaterialisierung einer Bauweise

können Textilbetonbauteiledeutlich schlanker ausgebildetwerden. Bauteilstärken von 10bis 15 Millimeter sind durchausmöglich. Voraussetzung für dieFunktionstüchtigkeit des neu-en Werkstoffs ist ein guter Ver-bund zwischen der textilen Be-wehrung und dem umhüllen-den Beton. Daher werden beimTextilbeton sehr fließfähigeFeinbetone verwendet, die ei-nerseits die textilen Beweh-rungsstrukturen gut durchdrin-gen und andererseits aufgrundihrer selbstverdichtenden Eigen-schaften zu sehr homogenenund hochwertigen Betonober-flächen führen. Damit lassensich die folgenden drei, für denarchitektonisch-konstruktivenEinsatz wesentlichen, Mate-rialeigenschaften definieren:schlanke Bauteilquerschnittevon 10 bis 15 Millimeter, einscharfkantiges Erscheinungs-bild und hochwertige Beton-oberflächen.

Die Entwicklung des neuenWerkstoffs wird zurzeit im Rah-men des Sonderforschungsbe-reichs SFB 532 „Textilbewehr-ter Beton“ an der RWTH Aa-chen in interdisziplinärer Zu-sammenarbeit mehrerer Hoch-schulinstitute betrieben. Wäh-rend an den Fakultäten fürBauingenieurwesen, Maschi-nenwesen und der Fakultät fürMathematik, Informatik undNaturwissenschaften die Inge-nieurmäßigen Grundlagen wieVerbundverhalten, Betonre-zepturen, Bemessungsmodelle,Textilien und Verfahrenstech-niken entwickelt werden, be-schäftigt sich der Lehrstuhl Bau-konstruktion II mit der Erfor-schung von Einsatzmöglichkei-ten des neuen Baustoffes inder Architektur, der exemplari-schen Entwicklung von Bautei-len aus Textilbeton vom Ent-wurf bis zum Prototypen undder Untersuchung von Kon-struktions- und Gestaltprinzi-pien des Textilbetons.

Im Rahmen der bisherigenForschungstätigkeit wurdenzahlreiche Anwendungsmög-lichkeiten für den neuen Bau-stoff sowohl bei den Gebäude-fassaden als auch bei den Trag-werken identifiziert. Währendbeim Einsatz als Fassadenbau-stoff insbesondere die Ge-wichts- und Materialersparnis,die damit einhergehende Ver-minderung der in die Tragkon-

struktion eingeleiteten Lastenund die hochwertige Oberflä-chenqualität eine Rolle spielen,kommt die Filigranität undLeichtigkeit von Textilbeton-bauteilen vor allem bei denTragwerken als Gestalt bilden-des Merkmal zur Geltung. Ins-besondere dort, wo weit ge-spannte Tragwerke in Stab-strukturen aufgelöst werden,führen schlanke, lineare Textil-betonbauteile zu einer bislangunbekannten Entmaterialisie-rung von Betonkonstruktionen.Für den Textilbeton bieten sichbesonders bogenartige Trag-werke an, da hier im Regellast-fall nur Druckkräfte in der Kon-struktion auftreten. Eine Vari-ante von solchen Bogentrag-werken sind die so genanntenRautenfachwerke, bei denenein Netz aus rautenförmigenMaschen eine bogenartig ge-

wölbte Tragstruktur ergibt. DieRauten sind dabei das geome-trische Resultat aus sich diago-nal kreuzenden, relativ engstehenden Bogenscharen. ImIndustriebau des 20. Jahrhun-derts finden sich zahlreicheBeispiele für bogenartige Git-terschalentragwerke aus Holzund Stahl und auch einige ausBeton, die durch ihre Eleganzund effizienten Materialge-brauch vorbildhaft erscheinen.Hauptproblem derartiger Git-terschalen ist die konstruktiveAusbildung der Knotenpunkte,in denen je nach Konstruk-tionsart drei, vier oder sechsstabförmige Tragwerksteilemiteinander verbunden wer-den müssen. Im Betonbau hatdiese Komplexität dazu ge-führt, dass solche Gitterschalenheute nicht mehr realisiert wer-den. Aber auch im Holz- und

eton ist – nicht zuletztaufgrund der gegenwär-tig stark steigenden Stahl-

preise – der zur Erstellung vonTragkonstruktionen preiswer-teste und am häufigsten ver-wendete Baustoff. Wirtschaftli-che und konstruktive Zwänge,wie die Korrosionsproblematikvon Bewehrungsstahl, habendazu geführt, das seit den1960er Jahren, eine – im Sin-ne von geringem Materialver-brauch – konstruktiv intelligen-te Verwendung des Materialsmehr und mehr einer, in ihrengestalterischen und konstrukti-ven Ausdrucksmöglichkeiten,reduzierten Anwendung gewi-chen ist. Ein kubisches, massi-ges Erscheinungsbild dominiertden Betonbau und weckt oftnegative Assoziationen bei Be-trachtern und Nutzern. DassBeton in Form filigraner Bau-teile in Erscheinung tritt undVerwendung im Leichtbau fin-det, wird in Zukunft durch dieEntwicklung des textilbewehr-ten Betons, eines neuartigenFaserverbundwerkstoffes, mög-lich. Um die Eigenschaften ei-nes solchen neuen Werkstoffsgezielt entwickeln zu können,müssen Anwendungsmöglich-keiten bekannt sein und mate-rialgerechte Anwendungen inForm von Bauteilen entwickeltwerden. Erste Forschungser-gebnisse und prototypischeAnwendungen zeigen das An-wendungspotenzial im Bereichder Gebäudefassaden aberauch bei Tragkonstruktionen.

Im Gegensatz zum her-kömmlichen Beton, der mitstabförmigen Stählen bewehrtwird, werden beim textilbe-wehrten Beton technische Tex-tilien aus Glas- oder Carbonfa-sern als Bewehrungsmaterialeingesetzt. Die hohen Zugfes-tigkeiten der Glas- und Car-bonfasern sind geeignet, auf-tretende Zugkräfte in Beton-bauteilen aufzunehmen, wäh-rend Druckkräfte vom Betonaufgenommen werden. DieTextilien, die in Form von Ge-weben, Gelegen oder als 3D-Textilien vorliegen, ermöglicheneinen zielgerichteten Einbaudort, wo die Zugkräfte im Bau-teil auftreten. Da im Gegen-satz zum herkömmlichen Stahl-beton keine mehrere Zentime-ter starke Betonüberdeckungzum Korrosionsschutz der Be-wehrungsstähle notwendig ist,

B

Jenny Leitze, Christian Schätzkeund Lena Klein (von links nachrechts) vom Lehrstuhl für Bau-

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aus Textilbeton

Stahlbau sind diese Konstruk-tionen heute eher selten anzu-treffen. Der Textilbeton als pla-stisches, formbares Materialbietet hier die Möglichkeit,durch Ausformung vorgefertig-ter Bauteile den Aufwand derBauteilfügung zu verringern.Durch die Entwicklung vonrautenförmigen Grundelemen-ten mit Außenabmessungenvon 1000 mal 600 Millimeterwerden bereits vier Einzelstäbezu einem Bauteil gefügt. Da-mit verringert sich die Anzahlder in einem Knoten zu ver-bindenden Bauteile auf zwei.Um die bogenförmig gewölbteStruktur des Tragwerks zu er-zielen sind die Rautenelementean den Kopfseiten jeweils umfünf Grad abgeschrägt. In derAddition der einzelnen Elemen-te führt dies zu einer polygo-nalen Bogenkontur. Die Bau-

teile können durch stumpfenStoß an den Kopfseiten undjeweils zwei Stahlbolzen mit-einander verbunden werden.Diese trockene Fügung stellteinen erheblichen Vorteil ge-genüber Vergussverbindungendar, wie sie im konventionellenBetonfertigteilbau üblich sind.Des Weiteren ermöglicht diePlastizität des Betons, Materialdort anzulagern, wo höhereKräfte übertragen oder Verbin-dungsbauteile eingebettetwerden, beispielsweise an denKnoten. Die geringen Bauteil-stärken von 25 Millimeter inden Stegen der Rautenelemen-te führen zu einem Elementge-wicht von nur 23 Kilogramm,was wiederum ein einfachesHandling bei der Montage be-deutet. Der Anschluss vonHüllkonstruktionen kann durchIntegration entsprechender Be-

festigungsteile aus Stahl in denKnotenpunkten zwischen zweiRautenelementen erfolgen. Bis-lang wurden mit diesem Systemnur Tragwerke mittlerer Spann-weite von 10 bis 15 Meternuntersucht. Für eine Spann-weite von zehn Metern wurdeam Institut für Massivbau (IMB),RWTH-Aachen, eine statischeBemessung der Rautenelemen-te mit den bisher hergeleitetenBemessungsmethoden durch-geführt. Als erforderliche Be-wehrung wurden zwei LagenCarbon-Gelege mit einem Be-wehrungsquerschnitt von113,3 mm2/m senkrecht inden Stegen eingebaut. Zur La-gesicherung während des Be-toniervorganges werden diebeiden Textillagen in der Gieß-form unter Spannung gehal-ten, so dass ein definierter Ab-stand zur Schalhaut und damitzur Betonoberfläche eingehal-ten werden kann.

Die leichte Gitterstruktur,die sich durch die Addition dereinzelnen Rautenelemente er-gibt, führt zu einem für denBaustoff Beton bislang unbe-kannten Erscheinungsbild. Ne-ben den gitterartig aufgelöstenStabtragwerken sind es vor al-lem auf flächiger Geometrieberuhende Tragkonstruktionenwie Tonnenschalen, Faltenträ-ger oder doppelt gekrümmteSchalen, die eine materialge-rechte Verwendung des Textil-betons erlauben und bei klei-neren Spannweiten zu Materi-alstärken von 20 bis 30 Milli-meter führen. Besonders vordem Hintergrund der Forde-rung nachhaltigen Bauens,stellt der Textilbeton mit sei-nem Ressourcen schonendenMaterialverbrauch eine echteAlternative zu anderen Bau-stoffen im Bereich des Leicht-baus dar. ●

konstruktion 2 diskutieren einRautenfachwerk-Modell ausTextilbeton.

Foto: Peter Winandy

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Andreas Allen, Kirsten Dörmann, Petra Schlömer, Marcus Sporer, Gerhart Wittfeld

„The Making of....Neue Konzepte im Wohnungsbau

s klingt so einfach: Ein Pro-jektentwickler will neueWege gehen und hat den

Mut, sich akademisch betreu-en zu lassen: Karl-Heinz Fürst.Ein Professor folgt der Einla-dung: Klaus Kada mit seinemLehrstuhl für Gebäudelehreund Grundlagen des Entwer-fens. Die Assistenten GerhardWittfeld und Marcus Sporerorganisieren Workshops in Aa-chen und Salzburg, ermutigenzur Teamarbeit, fordern Ein-satz, Ausprobieren und profes-sionelle Präsentationen. Die„Salzburger“ schauen hin, hö-ren zu und spielen mit, auchStadtrat Johann Padutsch. Unddie Studierenden produzierenIdeen, Konzepte, Entwürfe.

Itzling ist ein Stadtteil vonSalzburg. Der „Wohnpark Uzi-linga“, der dort gebaut wer-den wird, ist das Ergebnis ei-nes Wettbewerbs. Teilnehmerwaren 15 Studierende derRWTH Aachen. Auftraggeberist Karl-Heinz Fürst von derFirma Kainz Immobilien. NeunVorschläge für die Bebauungder Salzburger Pflanzmann-gründe wurden innerhalb vonvier Monaten im Winterseme-ster 2003/04 erarbeitet. DerEntwurf „PixelHoch3“ von UteSchmidt und Susanne Lüschenwurde zum Siegerprojekt er-klärt und ist bereits in der Bau-planung, „heim.at“ von An-dreas Allen, Sabrina Peters undPetra Schlömer erhielt als be-sonders innovatives Projekt denSonderpreis.

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Das Siegerprojekt „PixelHoch3“.Die Wohneinheiten werden über-einander gestapelt. Ergebnis isteine virtuelle Wohnraumerweite-rung, das „Luftgarten-Wohnen“.

„heim.at“ erhielt den Sonder-preis der Jury.

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Uzilinga“

Wie wollen wir wohnen?Das ist die grundlegende Fra-ge, mit der sich Entwerfer aus-einandersetzen müssen. We-sentlich ist das Forschen nachneuen Inhalten des Wohnens,ohne die Nutzerbedürfnisse zuignorieren. Diese sollen viel-mehr mit vorausschauendenKonzepten weiterentwickeltwerden. Die Suche beginnt mitden strukturellen Möglichkei-ten des Themas. Zweiter Be-trachtungspunkt ist die Ana-lyse des städtebaulichen undraumplanerischen Potenzialsdes Areals und seines Umfelds.Infrastruktur, Belichtung, Lärm,Orientierung, Außenraum,Nutzerwünsche führen zu Ziel-setzungen, die in individuellenAnsätzen verdichtet werden.Das Programm umfasst 6.500Quadratmeter Wohnnutzflä-che, es sollen zu 42 ProzentZwei-Zimmer Wohnungen undzu 16 Prozent Vier-ZimmerWohnungen geplant werden,insgesamt rund 100 sozialeMietwohnungen. Zusätzlichsind 2.500 Quadratmeter Ge-werbe mit offenen Stellplätzenund einer Tiefgarage vorgege-ben.

Uzilinga ist ein vorbildhaf-tes Projekt. Es ist eines der grö-ßeren Wohnbauvorhaben Salz-burgs in den nächsten Jahren.Die Zusammenarbeit von Hoch-schule, Stadt und Projektent-wickler ist äußerst unüblich beider Entwicklung von Bauvor-haben. Die neue Koalition wirdin Aachen und Salzburg als Pi-lotprojekt verstanden. Was alsPlanspiel für die Studierendenbeginnt, wird durch Workshopsin Salzburg, mit Kolloquien undPräsentationen vor Vertreternder Stadt Wirklichkeit. Durchdie Konfrontation mit den tat-sächlichen Gegebenheiten ei-nes solchen Projekts – etwa mitdem gesamten Planungsappa-rat der Stadt – findet eine zu-nehmende Annäherung statt.

Uzilinga als reine Idee en-det mit der Vorstellung der Pro-jekte und ihrer Jurierung imFebruar 2004. Die Jury ent-scheidet, „dass die Entwürfedurchweg von hohem Niveausind“. Neun Projekte, neunMöglichkeiten: Ein Projekt istbesonders innovativ und eskommt weiter: Uzilinga wirdgeplant, gebaut. Aber das istdie nächste Episode. Das Ge-winnerprojekt hat über die Idee,sich in der Höhe zu entwickelnund einen mindestens dreiseiti-gen Blick aus jeder Wohnungfreizugeben, ein überraschen-des Konzept entwickelt, dasgroße Qualitäten für die ein-zelnen Wohnungen ergibt. Inseiner Höhenentwicklung vonbis zu 13 Geschossen für Salz-burg eher ungewöhnlich, hin-terlässt das Projekt seine eige-ne Handschrift in der Umge-bung, es zeigt den Bewohnern,wie man anders und gut woh-nen kann: Ein perfekter Über-gang für die Ergebnisse ausLehre und Forschung in dieWirklichkeit.

Uzilinga ist eine wichtigeErfahrung für alle Beteiligtengewesen. Universität, Lehreund Wirklichkeit: Arbeiten undEntwerfen in gezähmter Frei-heit, so geht's. Vielleicht einManifest der anderen Art.

„The Making of... Uzilinga“ istim Ernst Wasmuth Verlag er-schienen. Es dokumentiert denAblauf und die Ergebnisse desEntwurfsprojekts an dem dieFirma Kainz Immobilien, derImmobilientreuhänder Karl-Heinz Fürst, die Salzburg Wohn-bau und der Lehrstuhl für Ge-bäudelehre und Einführen in dasEntwerfen beteiligt waren. ●

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Rolf Gerhardt, Johann-Wilhelm Heyden, Evelin Rottke

Studierende entwerfenRealisierung von Experimentalbauten in Eigenleistung

Mitarbeiter des Lehrstuhls fürTragkonstruktionen diskutierendie Inhalte einer Seminararbeit.Als Ort haben sie den Colour-

dome gewählt, weil er die nötigeAbgeschiedenheit für eine kon-

zentrierte Arbeitsatmosphärebietet.

Foto: Peter Winandy

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und bauen selbst

be (THB) oder auch von Bau-unternehmen.

Die Palette interessanterBauaufgaben, die an die Fa-kultät für Architektur herange-tragen wurden, reicht von klei-neren Fußgängerbrücken undAusstellungspavillons bis hinzu kompletten Institutsgebäu-den, wobei sich die so realisier-ten Studienentwürfe nicht nurauf das Gelände der RWTHbeschränken. Diese Vorgehens-weise, Studierende mit eige-nen Studienentwürfen in diePlanung und Umsetzung kon-kret anstehender Aufgaben-stellungen einzubinden, ent-

u den Aufgaben im Ar-chitekturstudium gehörtunter anderem das Her-

anführen an die Baupraxis unddas Erkennen von Bauabläu-fen. Wie in anderen Fachberei-chen auch erweist es sich hierals didaktisch besonders wert-voll, nach der Devise „learningby doing“ vorzugehen. An derRWTH Aachen wird den Archi-tekturstudierenden immer wie-der die Gelegenheit geboten,eigene Entwurfsprojekte auchselbst zu realisieren, zum Teilmit Unterstützung des Techni-schen Hilfswerks (THW), derTechnischen Hochschulbetrie-

ZBaumstrukturen in Stahl, massen-optimiert mit normalkraftbelaste-ter Verästelung. Stahlbauförder-preis 1984. Das Strukturprinzipfand bei mehreren Großprojek-ten Anwendung.

spricht dem Anliegen der Ex-perimentellen Tragwerklehre,über konventionelle Lösungs-ansätze hinaus auch innovativeKonstruktionen zu entwickelnund im Maßstab 1:1 auf ihrebaupraktische Tauglichkeit un-tersuchen zu können. So ist esbeispielsweise in den Oberstu-fenseminaren der Tragwerkleh-re möglich, Studierende an dieaktuellen Forschungsergebnis-se der wissenschaftlichen Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiterheranzuführen und umgekehrtüber die Seminarbeiträge derStudierenden neue Ideen undEntwurfsansätze in die theore-

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Studierende entwerfen und bauen selbst

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tische Arbeit einzubringen unddurch eigene Bauaktivitätenauf ihre Machbarkeit hin zuerproben.

Dieses Konzept der Experi-mentellen Tragwerklehre ba-siert auf der Verknüpfung vonwissenschaftlicher Forschung,universitärer Lehre und bau-praktischer Umsetzung. DieKomplexität und wechselseiti-ge Beeinflussung von Planungs-und Bauprozessen wird somitan konkreten Bauaufgaben fürdie Studierenden erfahrbar.

Die Bauten konnten vomLehrstuhl für Tragkonstruktio-nen nur mit der Unterstützung

vieler Studierende realisiertwerden. Sponsoren aus derBauindustrie machten oft erstdas Erreichte möglich. Auf die-se Weise gelang nicht nur derBrückenschlag zwischen Theo-rie und Praxis, in vielen Fällenkam es auch zu Synergieeffek-ten durch eine fachübergrei-fende interdisziplinäre Zusam-menarbeit mit anderen Fakul-täten. ●

Überdachung eines Werkhofsam Institut für BauforschungIBAC der RWTH Aachen.Foto: Peter Winandy

Holzbrücke als behindertenge-rechter Zugang zum Veranstal-tungssaal im Obergeschoss derWelschen Mühle in Aachen-Haaren. Fertigstellung im Mai2004

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Hendrik Daniel, Eva-Maria Jakobs, Norbert Pallua, Peter Russell, Stefanie Vedecnik, Andreas Walther

Visualisierung inlen Mitteln im ästhetisch-pla-stischen Sektor gearbeitet. Inder Kooperation werden diefachlichen Inhalte für den Ope-rationsablauf von den Medizi-nern Professor Norbert Palluaund Dr. Stefanie Vedecnik alsGrundlage für die technischeUmsetzung der digitalen Pa-tientenaufklärungssysteme(DPAS) erstellt. Die Idee, diesefür Patienten zu entwickeln,stammt von Pallua, der mitseiner 15-jährigen klinischenErfahrung in der Chirurgie undder Durchführung von über15.000 Operationen im pla-stisch-chirurgischen Bereich um-fangreiche Kenntnisse über dasAnliegen von Patienten imAufklärungsgespräch besitzt.

Patienten, die einen ästhe-tischen Eingriff planen, sind beider Arztwahl besonders kritischund versuchen möglichst vieleInformationen über die Opera-tion zu erhalten. Eine Evaluie-rung in der Klinik für PlastischeChirurgie bestätigt diese The-se. So konnte Thilo Gröning inseiner medizinischen Disserta-tion zeigen, dass 84,4 Prozentder befragten Patienten großesInteresse an der Operation ha-ben und 74,7 Prozent sich dieBereitstellung von Informations-materialien durch ihren behan-delnden Arzt wünschen.

Das Aufklärungssystem vondiPAmed besteht aus einemtragbaren Tablet-PC, auf demein interaktiver Film in unter-schiedlichen Kapiteln die ver-schiedenen Gesichtspunkte ei-ner Operation erläutert. Fürdie Darstellung des Opera-tionsablaufs wurden die wich-tigsten Elemente und Vorgän-ge strukturiert und gut ver-ständlich in einer abstrahiertenForm mit dem Computer nach-gestellt und mit gesprochenenErläuterungstexten hinterlegt.

Die im ersten Jahr entwickel-ten Prototypen werden zurzeitin der Plastischen Chirurgie amUniversitätsklinikum sowie ineiner Klinik in Köln getestet.Die an der Evaluierung teilneh-menden Patienten bewertetendie neue Form der Aufklärungdurchgehend als positiv. DieAuswertung der anonymisier-ten Fragebögen ergab, dassdie Patienten die digitale Ope-rationsaufklärung als vorteil-haft ansehen wegen ihrer ein-fachen Bedienbarkeit, der An-schaulichkeit der Darstellung

und der Reproduzierbarkeitder Informationen. Außerdemwurde sie als eine sinnvolle Er-gänzung zum Arztgespräch be-wertet. Gegenüber herkömm-lichen Aufklärungsmethodenstufen bereits operierte Patien-ten die Anschaulichkeit undVerständlichkeit der digitalenMethode als höherwertig ein.Für das medizinische Personalbesteht der Vorteil vorwiegendin der zeitlichen Straffung desArzt-Patientengespräches durchdie ausführliche Vorinforma-tion mit Hilfe der DPAS undder erhöhten Rechtssicherheitdurch Reproduzierbarkeit.

Die interaktive Multimedia-produktion der DPAS wird aufeinem Tablet-PC abgespielt,der dem Patienten im Warte-zimmerbereich übergeben wird.Nach dem Anschauen des Auf-klärungsvideos ist der Patientumfassend informiert und kannim Gespräch mit dem Arzt ge-zielte Fragen zum bevorstehen-den Eingriff stellen (patienteducation). Das Ziel ist es hier-bei nicht, das Gespräch mitdem Arzt zu ersetzen, sondernzu ergänzen. Im Gegensatzzum traditionellen Operations-video entsteht für den Chirur-gen ein sehr viel breiteres Spek-trum von Möglichkeiten, denPatienten umfassend zu infor-mieren, ohne ihn den blutigenBildern einer echten Operationaussetzen zu müssen. Die Bil-der dazu werden teilweiseüber ein abstrahiertes 3D-Mo-dell, teilweise über animierte,schematische Darstellungenerzeugt. Das didaktische Kon-zept und die gesprochenenTexte wurden in Kooperationmit dem Institut für Sprach-und Kommunikationswissen-schaft entwickelt.

Nachdem die Entwicklungdes Aufklärungsvideos für denästhetischen Sektor abgeschlos-sen ist, ist ein Konzept auchfür andere chirurgische Eingrif-fe wie etwa Tumoroperationengeplant. Der moderne Patientist wesentlich interessierter alsPatienten vor 50 Jahren, diesich weitgehend willenlos derärztlichen Behandlung auslie-ferten. Er möchte von seinemArzt umfassend über die ver-schiedenen Behandlungsmög-lichkeiten informiert werden.

Nicht zuletzt vor diesemHintergrund sind die Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter von

diPAmed optimistisch, mit denentwickelten Systemen einenBeitrag zur besseren Arzt-Pa-tienten-Kommunikation zu lei-sten und an einem prosperie-renden und zukunftsträchtigenMarkt erfolgreich zu partizipie-ren. Nach Präsentationen aufverschiedenen Fachkongressender Vereinigung DeutscherPlastischer Chirurgen (VDPC)in Freiburg sowie der Deut-schen Gesellschaft für Chirur-gie (DGC) in Berlin haben zahl-reiche Kliniken und Praxen ihrInteresse an den Systemen ge-äußert.

Die Entwickler der DPAS –Hendrik Daniel, Stefanie Ve-decnik und Andreas Walther –

ie Zahl der in Deutsch-land vorgenommenenkosmetischen und ästhe-

tischen Operationen, den sogenannten „Schönheitsopera-tionen“, wie Fettabsaugen, Fa-ce-Lifting oder Brustvergröße-rung steigt jährlich um etwa10 bis 15 Prozent. Im Jahr2002 wurden rund 800.000ästhetische Eingriffe durchge-führt, die aus juristischer Sichteigentlich eine Körperverlet-zung darstellen.

Der Arzt ist gesetzlich dazuverpflichtet, den Patienten vorder Durchführung eines medi-zinischen Eingriffes über des-sen Art, seine möglichen Fol-gen und Risiken, aber auchüber mögliche Alternativen zuinformieren. Während des Auf-klärungsgesprächs zwischenArzt und Patient werden zurErklärung des Operationsablau-fes Aufklärungsbögen, Broschü-ren und vorgefertigte Skizzenverwendet. Auf Operationsvi-deos, die die reale Operationzeigen, wird wegen ihrer ab-schreckenden Wirkung auf denPatienten in der Regel verzich-tet. Oft ist der Patient mit denmedizinischen Erklärungen desArztes überfordert, der ausZeitmangel nicht immer alleDetails erläutern kann. EineStudie der Stiftung Warentestvom Oktober 2002 belegt,dass Patienten speziell vor äs-thetisch-plastischen Eingriffenungenügend aufgeklärt wer-den. Gleichzeitig ist die Anzahlder Kunstfehlerprozesse nachästhetisch-chirurgischen Ope-rationen seit den achtziger Jah-ren um mehr als das Zehnfachegestiegen. Eine erhebliche Ur-sache dafür sind Missverständ-nisse zwischen Arzt und Pa-tient.

Um die Kommunikationvon Arzt und Patient zu verbes-sern, wurde die Firma diPA-med gegründet. Hier arbeitetein interdisziplinäres Team be-stehend aus zwei Ingenieurenaus dem Bereich der digitalenPrototypensimulation des Lehr-und Forschungsgebiets Com-putergestütztes Planen in derArchitektur (CAAD) und zweiMedizinern der Klinik für Pla-stische Chirurgie, Hand- undVerbrennungschirurgie des Uni-versitätsklinikums erfolgreichzusammen. Seit Juli 2003 wirdan einem Projekt zur Aufklä-rung von Patienten mit digita-

D

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der Medizin

sind Stipendiaten der PFAU-Förderung (Programm zur fi-nanziellen Absicherung vonUnternehmensgründern ausHochschulen des Landes Nord-rhein-Westfalen). Zur Umset-zung der Geschäftsidee kön-nen die Gründer die Infrastruk-tur des Universitätsklinikumsund des Lehrgebietes CAADunter Leitung von Prof. PeterRussell nutzen und erhieltenim Umfeld der RWTH maß-gebliche Unterstützung durchdas Gründerkolleg und das

Technologiezentrum am Euro-paplatz. Mehrfach wurde derGeschäftsplan bei regionalenund überregionalen Wettwer-ben ausgezeichnet (NUK 2003,Start-Up 2004).

Weitere Informationen sind zufinden unter www.diPAmed.de.

Screenshot vom Tablet-PC voneiner Einheit des Aufklärungssy-stems diPAmed.

Universitätsklinikum der RWTHAachen.Foto: Peter Winandy

Architekten und Mediziner entwickelncomputerbasierte Informationssysteme für Patienten

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Klaus Selle

Lehren und ForschenBezug zum Dreiländereck hat eine lange Tradition

Traditionell nutzen nahezualle Lehrstühle und Lehrgebie-te der Fakultät diese Möglich-keit: Kleinere und größere Auf-gabenstellungen werden auf-gegriffen und als Themen fürProjektarbeiten herausgege-ben. Zusätzliche Impulse undAnregungen erhielt diese engeVerknüpfung von Hochschuleund Umfeld seitdem sich dieDrei-Länder-Region mit Unter-stützung der nordrhein-west-fälischen Landesregierung aufdie Ausrichtung der EuRegio-nale 2008 vorbereitet.

Um diese engen Bezügezwischen Fakultät, Stadt undRegion zu dokumentieren, istder folgende Abschnitt des The-men-Magazins „Architektur“der Darstellung einer Vielfaltvon Aktivitäten mit Bezug zumengeren und weiteren Umfeldgewidmet. Die Lehrstühle undLehrgebiete stellen – mal imÜberblick, mal exemplarischanhand einzelner Beispiele –Forschungsarbeiten, Diplom-arbeiten, Studienprojekte vor.Das Spektrum der Themenreicht dabei von der Ausein-andersetzung mit früheren Re-staurierungen des AachenerDoms als Grundlage heutigerErneuerungsarbeiten über dieAnalyse des Aachener Klini-kums unter ästhetischen, denk-malpflegerischen, funktionalenund bau- beziehungsweisekunsthistorischen Aspektenoder die Erfassung grenzüber-schreitender bürgerschaftlicherAktivitäten bis hin zur Entwick-lung von Szenarien für denUmgang mit den Hinterlassen-schaften des Braunkohletage-baus. Besonders zu erwähnensind zudem die zahlreichen

ochschulen haben einenStandort. Ihre Bezüge zuStadt und Region sind

heute wichtiger denn je. ImWettkampf der Regionen spieltdas Potenzial der Universitäteneine große Rolle. Und so wer-den die Kooperationen zwi-schen den Städten, Regionenund ihren Hochschulen immerenger.

Da ist es nur folgerichtig,wenn dort, wo dies thematischnahe liegt, in Forschung undLehre Aufgabenstellungen ausdem räumlichen Umfeld auf-gegriffen und bearbeitet wer-den.

Die Fakultät Architektur ander RWTH Aachen nutzt dieseMöglichkeiten auf vielfältigeWeise: Seit ihrem Bestehenwerden in der Forschung The-men und Fallbeispiele aus derDrei-Länder-Region bearbeitetund in größere Zusammenhän-ge einbezogen. Das findet inProjekten und Publikationenebenso seinen Ausdruck wiein Tagungen und Werkstätten,die sich auch an das regionalePublikum wenden.

Besonders intensiv sind zu-dem die lokalen und regiona-len Bezüge in der Lehre: ImStudium der Architektur be-steht – neben Seminaren undVorlesungen, in denen auf ein-zelne Beispiele eingegangenwird – insbesondere mit denEntwürfen und Studienarbei-ten die Möglichkeit, Studieren-de zu eigenständigen Ausein-andersetzungen mit Projektenund Aufgaben in Stadt undRegion anzuregen

H

Entwürfe und Konzepte füreinzelne Bau- und Planungs-aufgaben – handele es sichbeispielsweise um ein Umwelt-kommunikationszentrum, einMuseum für Grenzerfahrungen,eine Konzerthalle, ein neuesStadion oder ein künstlerischesPark-Konzept.

Mit allen diesen Arbeitenwerden nicht nur zum Teil sehraktuelle Themen aufgegriffen,sondern ihre Ergebnisse kön-nen auch Impulse für die poli-tische und fachliche Diskussionin Stadt und Region geben.Dieser Dialog hat Traditionund auch in Zukunft werden

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in der Region

sich zahlreiche weitere Mög-lichkeiten bieten, ihn zu pfle-gen und weiter zu intensivie-ren. ●

Blick aus dem Maschinenbau-Gebäude der RWTH Aachen aufdas Kármán-Forum.Foto: Peter Winandy

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Michael Kloos, Rainer Rutow, Kunibert Wachten

GrenzerfahrungenStädtebau und Landesplanung in der Euregio Maas-Rhein

Die EuRegionale 2008 isteine neue grenzüberschreiten-de Initiative zur Entwicklungder Drei-Länder-Region. Mitherausragenden Projekten sol-len Strukturimpulse und Zei-chen für eine länderübergrei-fende Region gesetzt werden.Dabei besteht die besondereHerausforderung darin, Gren-zen zu überwinden und dievielfach noch bestehendenGrenzen in den Köpfen zu be-seitigen. Es sollen Projekte ver-wirklicht werden, die die Re-gion zu einem „Laboratoriumfür Europa“ werden lassen.

Die Entwicklung und Rea-lisierung vorbildlicher, die Zu-kunftsgestaltung anstoßenderProjekte geschieht unter demDach von Leitthemen, die mit-einander verflochten sind. Un-ter anderem gibt es die folgen-den Themen:

● „Europa + Grenzen“: DieEuRegionale 2008 zeigt diebesonderen Gesichter der Re-gion mit historischen, politi-schen, sprachlichen, kulturellenVerschiedenheiten, die sich lan-ge hinter Grenzen entwickelthaben und heute das Funda-ment für die Gestaltung derZukunft sein müssen.● „Stadt + Landschaft“: DieEuRegionale 2008 zeigt diebesonderen Orte der Regionmit ihren vielfältigen Prägun-gen, gibt Anstöße für eine län-derübergreifende Landschafts-entwicklung, setzt baukulturel-le Zeichen und will Modellvor-haben für die Gestaltung desLebensraumes etablieren.● „Wissen + Bildung“: DieEuRegionale 2008 zeigt dieBesonderheit des dichten An-gebotes von europa- und welt-weit renommierten Hochschu-

raditionell bearbeiten derLehrstuhl und das Institutfür Städtebau und Landes-

planung kleinere und größereAufgabenstellungen aus derAachener Region. Verstärkt hatsich dieses Engagement auchüber die Grenzen hinweg, seitim Frühjahr 2002 die EuregioMaas-Rhein um Aachen denZuschlag für die Ausrichtungder EuRegionale 2008 erhaltenhat.

Das Land Nordrhein-West-falen hat mit dem „REGIONA-LE-Strukturimpuls“ ein in die-ser Form einzigartiges Förder-programm auf den Weg ge-bracht. Es ist ein offenes, res-sortübergreifendes Programm,das ausgewählten Regionendie Chance gibt, maßgeschnei-dert zu erarbeiten, die anhandvon beispielgebenden Projek-ten hoher Qualität konkret undanschaulich werden sollen. An-ders als die „ordnende Regio-nalplanung“ ist das Ziel der RE-GIONALE nicht vorrangig diesinnvolle Nutzungsverteilungund der Ausgleich von Dispari-täten in regionaler Dimension,sondern das Erzeugen vonQualität und Innovation inpunktuellen Maßnahmen undProjekten, die sich als Impulsefür langfristig angelegte Regio-nalentwicklungen verstehen.Die REGIONALE verfolgt alsoein projektorientiertes Planungs-verständnis.

T

Michael Kloos (links) und Rainer Rutow diskutieren ein

städtebauliches Umgebungsmo-dell (Entwurf: Jonas Knoke) vor

dem Bunker am Salvatorbergin der Aachener Ludwigsallee.Das Modell eines Bunkermu-seums zeigt die Einfügung indie bestehende Topographie

des Gebietes.Foto: Peter Winandy

len und Forschungseinrichtun-gen sowie innovativen Unter-nehmen in der Dreiländerre-gion, stärkt die grenzüberschrei-tende Kooperation, verbessertund bereichert die Lern- undForschungsorte und initiiertProjekte, die Bindungen an dieRegion erhöhen sollen.

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55Im Vorfeld und im Rahmen derEuRegionale sind am Lehrstuhlfür Städtebau und Landespla-nung einige Projekte bearbei-tet worden: Beispielsweise:● Umnutzung des Schlacht-hofgeländes in Eupen● Entwicklung eines interkom-munalen Gewerbegebietes● Eurostadt – Entwicklung ei-nes neuen Wohngebietes ander deutsch-niederländischenGrenze● städtebauliche Aufwertungdes „innerstädtischen Campus“der RWTH● Entwicklung eines neuenWohngebietes auf einem ehe-maligen Sportplatz in Heerlen● Städtebau- und Hochbau-konzepte für das „Science Lab“auf dem binationalen Gewer-bepark „Avantis“

● Konzepte für die Umnut-zung und Neubestimmung derOrdensburg Vogelsang

Besonders hinzuweisen ist aufdas Projekt „Aachen – unterdem Salvatorberg, Entwurf ei-nes Museums für Grenzerfah-rungen in einem ehemaligenBunker an der Aachener Lud-wigsallee“. Die Grenze zwi-schen Belgien, den Niederlan-den und Deutschland bei Aa-chen hat eine vielfältige Ge-schichte, die durch die politi-schen Veränderungen der letz-ten Jahre immer mehr in Ver-gessenheit geraten ist. Deshalbsollte bei dem Museumsbau-entwurf eine Umgebung ge-schaffen werden, in der dievielen Facetten der Regionveranschaulicht werden kön-nen. Der unterirdische Bunkerist für ein solches Vorhaben

besonders gut geeignet, weiler unmittelbar mit der Thema-tik der Grenze in Verbindungsteht und weil das Betretenoder Benutzen eines solchenStollensystems für den Schutz-suchenden im Ernstfall bedeu-tete, an die Grenze seiner psy-chischen Belastungsfähigkeitzu geraten. Zur Einführung indie Thematik fand eine Exkur-sionen in verschiedene Bunker-bauten und in das Grenzgebietdes Dreiländerecks statt. DieEntwürfe haben gezeigt, dassein attraktiver Ort entstehenkann, wenn man seine Authen-tizität, seine architektonischeBesonderheit mit einem spezi-fischen, fast maßgeschneider-ten neuen Inhalt in Verbindungbringt. ●

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Wilfried Führer, Rolf Gerhardt, Jan Pieper, Bruno Schindler

Rekonstruktion

Mit biegeschlaff herabhän-genden Ketten wurden die Pfei-ler, Bögen und Gewölbe maß-stäblich nachgebildet und mitGewichten wie das gebauteVorbild belastet. Die auf dieseWeise erzeugten dreidimensio-nalen Gebilde aus belastetenSeillinien ergeben in ihrer Um-kehrung biegesteife Stützlinien,welche die Druckbelastung derKonstruktion ohne jegliche Mo-mente ableiten können. Diedavon abweichenden Baufor-men in Gestalt von lotrechtenWänden und kreisförmigenBögen und Gewölben erzeu-gen demnach Spannungen,welche meistens in der Formvon Schubkräften konstruktivabgefangen werden müssen.Sie wurden in den Modellenmessbar, als die biegeschlaffenräumlichen Kettengebilde mithorizontal angreifenden Ge-wichten in die von der Geo-metrie des Gebäudes vorgege-benen Formen gezogen wur-den.

Nicht invasive Methode zurBestimmung von konstrukti-ven EigenschaftenInsbesondere das von den Stu-denten Soheil Seyedahmadiund Tobias Daniel gebauteModell zum Oktogon des Aa-chener Domes bewies auf ein-drucksvolle Weise die analogeÜbereinstimmung mit der ge-bauten Wirklichkeit: Währendim Herbst 2001 mit mehrerenSondierungen vom AachenerDombauamt das oktogonaleKlostergewölbe in situ unter-sucht wurde und dessen nichthomogenes Mauerwerk letzt-lich nur mit mechanischen Ein-griffen in die historische Sub-stanz bewiesen wurde, konntemit dem Modell gezeigt wer-den, dass die Dichte des Mau-erwerks vom Kämpfer bis zumScheitel abnehmen müsste, umBauschäden zu vermeiden.Trotz der für die Aachener Kup-pel berühmten horizontalen

Anker aus Schmiedeeisen, wel-che über dem schlanken Tam-bour das Gewölbe am Kämp-fer sichern, kann der Halbkreisdes Querschnittes der Gewöl-bekappen nicht spannungsfreiohne einen Wechsel des Bau-materials im oberen Drittel vonTravertin zu Tuff erzeugt wer-den. Zudem zeigt das Modellzweifelsfrei, dass mit rund 2½Tonnen Schub pro laufendenMeter des Kämpfers, die Zug-anker rund 20½ Tonnen Zug-spannung aufnehmen und sodie Standsicherheit gewähren.Die 8½ großen Bögen überden Emporen erzeugen an denacht Ecken des Oktogons 40Tonnen horizontalen Schub,der zu gleichen Teilen mit 20Tonnen von den 16 dort paar-weise angreifenden Bögen desUmgangs aufgenommen wer-den. Sie sollten von dem heutestellenweise durchtrennten An-ker im Mauerwerk des umge-benden Sechszehnecks gesi-chert werden.

Geometrische EigenschaftenDas Schema des KonstruktivenPrinzips der beiden konzentri-schen Lagen der Ringanker imOktogon und im 16-Eck, ver-bunden mit den Streben desUmgangs, kann mit ein PaarStreichhölzern leicht verständ-lich aufgebaut werden, wasallerdings die Frage nach demgeometrischen Grundmusterstellt: In der Tat kann schein-bar nur ein sechsseitiger Grund-riss mit quadratischen Gewöl-ben in einem zwölfseitigen Um-gang die Idee des AachenerBaumeisters geometrisch ein-deutig umsetzen, wie es rundzwei Jahrhunderte später mitder Ritterstiftskirche Wimpfenim Tal (979-998) erreicht wur-de. Der Aachener Grundrissmit den Rechtecken im Um-gang überrascht jedoch mit denacht Dreiecken die mit demmittleren Oktogon kongruentund flächengleich ausfallen

müssen. Diese geometrischeEigenschaft wird eindrucksvollvon einem Steinmosaik desFelsendoms in Jerusalem do-kumentiert, das ebenfalls einAchteck zum Sechszehneck er-weitert.

Skalierung der historischenBausubstanzWenn auch die Bestimmungder Lasten im Kettenmodell zueiner Auflösung der Bausubs-tanz in Einzugsgebiete der ein-zelnen Stützlinien und letztlichzur Skalierung des Bauwerksführen, gibt das Kettenmodelljedoch keine Auskunft überdie notwendigen Querschnittevon Wänden, Pfeilern, Bögenund Gewölben. Erst die geo-metrische Analyse des kon-struktiven Grundschemas er-möglicht eine Skalierung desGrundrisses des Oktogons mitseinen Pfeilern, indem dieSpannweiten der acht Bögenmit den seitlichen um 45 Gradabgeschrägten Seiten des Ok-togons identifiziert werden.Der so festgelegte Querschnittdes Pfeilers beträgt ungefähr87,5 Zentimeter und entsprichtauch dem Querschnitt desMauerwerkes der Kuppelkon-struktion: Eine gleichmäßigePfeilerstellung von rund einszu fünf und deren Verschrän-kung um 45 Grad ergab dieGrundlage für einen statischstabilen Plan. Zu einer ähnli-chen Skalierung führt die Ana-lyse von Walter Horn und Er-nest Born zum Plan des Klo-sters Sankt Gallen, dem einzi-gen erhaltenen Plan aus karo-lingischer Zeit: Auch diesemGrundriss ist ein Raster von2½ Fuß (rund 87,5 Zentime-ter) unterlegt, das alle wesent-lichen Details festlegt.

as Tragverhalten histori-scher Konstruktionenstellt meistens ein kom-

plexes Gleichgewicht von Kräf-ten dar, welches auch mit denMitteln der modernen Wissen-schaften nicht immer eindeutigbeschrieben werden kann. Um-so mehr überrascht es, dassohne statische Berechnungenauf der historischen Baustellemit Ökonomie oft an der Gren-ze der Tragfähigkeit konstru-iert wurde. Dies einzig der blo-ßen Intuition zuzuschreibenwürde den Vorstellungen derBaumeister nicht gerecht undnur unser mangelndes Wissendokumentieren. Weil die Praxisder Baustelle die wichtigsteQuelle der baumeisterlichenErfahrung darstellte, werdenam Lehrstuhl für Baugeschich-te und Denkmalpflege histori-sche Baukonstruktionen unter-sucht, insbesondere durch Auf-maß, Skalierung und Rekon-struktion der Bausubstanz.

Anschauliche Modelle zur Si-mulation komplexer Struktu-renIm Rahmen der Vorlesungsrei-he „Geschichte der Konstruk-tion" werden am Lehrstuhl fürBaugeschichte und Denkmal-pflege eine Reihe praktischerExperimente zu historischenBauten durchgeführt, welcheden Studierenden ein Gefühlfür das Zusammenspiel vonBauformen und konstruktivenZusammenhängen vermittelnsollen. In Zusammenarbeit mitdem Lehrstuhl für Tragkonstruk-tionen wurde im Sommerse-mester 2001 ein Seminar über„Die Theorie der Wölbungund die Praxis des Grundris-ses" veranstaltet, zu dem vonden Studenten Kettenmodellezur anschaulichen Analyse hi-storischer Gebäude angefertigtwurden:

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Skalierung der Bausubstanz am Beispiel der Aachener Pfalzkapelle

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historischerBautechniken

Vermessung der karolingi-schen Kapelle und algorithmi-sche AuswertungDiese Feststellungen wurdendurch die Vermessung derwichtigsten Punkte im Innerender Pfalzkapelle bestätigt. Diegewonnenen Daten wurdenmit einem Algorithmus verar-beitet, um weitere eventuelleSkalierungen des Bauwerkesmathematisch einwandfreinachzuweisen. Wenn auch dieAuswertung noch nicht abge-schlossen ist, so kann der Wertvon 17,6 Zentimeter (½ Fußnach Horn/Born) als Grundmaßder Ausführung angegebenwerden. ●

Das Kettenmodell des AachenerOktogons nach Daniel & Seye-dahmadi. Unten sind links daskonstruktive Muster aus Ring-ankern und Strebewänden sowierechts die Skalierung des Grund-risses in Querschnitte von 2½Fuß (87,5 cm) dargestellt.

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Michael Doering

Das Kármán-AtelierRaum für Experimente

Ein weiteres Experimentwird die beabsichtigte Nut-zung des Kármán-Ateliers dar-stellen. Das Gebäude soll aufunterschiedliche Anforderun-gen und Nutzer flexibel rea-gieren können. Hier kann ent-wickelt und getestet werden,was eine international renom-mierte Hochschule zukünftiganbieten muss: offene, flexibleRäume für Gastprofessuren,temporäre Forschungsvorha-ben und studentische Arbeits-gruppen.

Die Zonierung der Grund-risse in einen Service- und Er-schließungsbereich entlang derBrandwand und in einen Haupt-nutzbereich entlang der trans-parenten Längsfassade ermög-licht auf fünf Geschossebeneneine flexible Nutzung. Auf dersieben Meter schmalen und42 Meter langen Grundflächekönnen durch unterschiedlicheTrennwandkonstellationen va-riable Nutzungen angebotenwerden. Durch Einzelbüros undBesprechungsräume ließen sich

verschiedene Nutzungen fürForschung, Lehre und Verwal-tung realisieren, durch offene,atelierartige Arbeitsräumekönnten bis zu 120 studenti-sche Arbeitsplätze angebotenwerden. Eine Besserung desArbeitsplatzmangels der Archi-tekturfakultät wäre im Kármán-Atelier möglich.

Die Längsfassade wird alstransparentes Mosaik konstru-iert, dessen Grundstruktur auseinem Fachwerk filigraner, tex-tilbewehrter Betonprofile be-steht. Die Füllungen diesesFachwerks erfolgen mit trans-parenten und farbigen Vergla-sungen, Holz- und Metallpa-neelen und Filigranelementenaus Textilbeton. Das durchlau-fende Band von Dach undStirnseiten wird als mehrschich-tige Textilbetonschale konstru-iert, die das Regenwassersichtbar sammelt und ableitet.

Dieses Projekt ist Teil einesintensiven Bauprogramms. Ne-ben der Sanierung der vorhan-denen Bausubstanz will der

as Kármán-Atelier sollals multifunktionalesGebäude an der Kár-

mánstraße entstehen. Auf demschmalen Grundstück an derBrandwand hinter dem ehe-maligem Couven-Gymnasium(Fakultät für Philosophie) möch-te die RWTH für kurzfristigeAnforderungen ihr Raumange-bot erweitern. Wie bei jedemHaus stehen auch beim Kár-mán-Atelier Standort, Zweckund die an Planung und BauBeteiligten in einmaliger Kon-stellation zueinander. Jedes Bau-vorhaben stellt dahingehendein Experiment, jedes Gebäudeeinen Prototyp dar. Das Kár-mán-Atelier eröffnet darüberhinaus weitere Optionen zumExperiment.

Als Experiment kann die integrierte und fakultätsüber-greifende Planung und Ent-wicklung innerhalb der RWTHangesehen werden. Auf Initia-tive und unter Beteiligung desRektorats der RWTH wurdeein Entwurf am Lehrstuhl Bau-konstruktion III vom Büro Nikolic + Doering erstellt, derin Abstimmung mit dem BLBAachen ökonomisch und funk-tional weiterentwickelt wurde.In den konstruktiven Planungs-schritten sollen weitere For-schungsergebnisse einfließen,hier insbesondere die Erkennt-nisse des Lehrstuhls Baukon-struktion II und Entwerfen ausdem DFG-Forschungsprojekt„Textilbewehrter Beton“. Spe-ziell bei der Neuentwicklungvon Fassaden- und Tragsyste-men aus Textilbeton kann dasKármán-Atelier zum signifikan-ten Versuchsträger werden, andem Forschungsergebnisse pra-xisbezogen angewendet undweiterentwickelt werden.

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Bau- und Liegenschaftsbetrieb(BLB) NRW gemeinsam mitder RWTH brachliegende undminder genutzte Hochschul-grundstücke insbesondere inder Innenstadt nutzen. Ähnlichwie das SuperC am Hauptge-bäude eine neue Landmarkeder Hochschule wird, könntenauch an anderen Stellen bauli-che Maßnahmen zur Verbesse-rung der Standortqualität grei-fen.

Die Hochschulgebäude wa-ren immer schon architektoni-sches Abbild der RWTH, alleStandorte der Hochschule sindeng mit dem Stadtgrundrissverwoben und beeinflussen diestädtebauliche EntwicklungAachens nachhaltig. Zukünfti-ge Projekte werden diese Be-ziehung fortschreiben, in derdie RWTH Aachen nicht nureine Einrichtung in der Stadtist, sondern einer ihrer integra-len Bestandteile. ●

Das geplante Kármán-Atelierhinter dem ehemaligen

Couven-Gymnasium.

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Björn Martenson

Vom „Haus im Grünen“zum „Grün im Haus“„Implodierte“ Häuser in Bad Neuenahr

Das für eine Zweitnutzungzur Verfügung stehende inner-städtische Grundstück (ein ehe-maliger städtischer Bauhof)liegt in einem rund 120 mal260 Meter tiefen Baublock. Ei-ne Bau- und Entwicklungsge-sellschaft plant, dieses Grund-stück mit Wohnhäusern zu be-bauen. Das Grundstück ist inder Tiefe nur unzureichend füreine der üblichen Bauformendes Einzel-, Doppel- oder Rei-henhauses nutzbar, zusätzlicheStraßen würden den Erschlie-ßungsflächenanteil pro Haus-parzelle stark erhöhen.

Doch sind neue Einzelhäu-ser nach wie vor der Wunschder meisten Bauherren. DieGrundstückspreise aber sind re-lativ hoch und erfordern einedichte Bauform.

Die Ausgangssituation istjedermann geläufig: Es wird zu-erst ein Grundstück benötigt.Auf diesem soll das Haus ge-baut werden. Die Privatsphäresollte dabei auf Wunsch allerBauherren durch einen mög-lichst weiten Abstand zumnächsten Haus gewahrt wer-den. Dieser Abstand ist mitt-lerweile aber wegen der allge-meinen Verknappung des Bau-landes in zentrumsnahen La-gen kaum noch bezahlbar. Erist aber auch nicht mehr ge-wollt, weil diese Art zu bauenin hohem Maße zur Zersied-lung der Landschaft beiträgt.

Ausgangspunkt unsererÜberlegungen war es, dassman sich von diesem überlie-ferten Bild des Hausbaus ver-abschieden muss. Es galt eineneue, flächen- und kostengün-stige Typologie zu entwerfen.

Das übliche Baugrundstückist heute nur noch 250 bis 500Quadratmeter groß. Das heißt,dass die gängigen Bauformendes Einzel-, Doppel- oder Rei-henhauses nur unzureichendund unbefriedigend umgesetztwerden können. Ein ausreichen-der individueller Rückzugsraumfür die Hausbewohner ist ein-fach nicht mehr vorhanden,weil der Außenraum den be-nötigten Abstand zum Nach-barn nicht herstellen kann. Dasbedeutet, dass dieser Außen-raum nicht mehr konfliktfreigenutzt werden kann.

ad Neuenahr ist ein idylli-scher Luftkurort im Ahr-tal. 28.000 Einwohner le-

ben in der Kleinstadt, die nichtnur wegen ihrer guten Luft,sondern auch wegen der Spiel-bank über die Stadtgrenzenhinaus bekannt ist. Durch sei-ne direkte Anbindung an dieAutobahn ist der Ort schnellaus den umliegenden Ballungs-räumen zu erreichen. Hier-durch wird die Stadt zum po-tenziellen Wohnstandort fürPendler.

Von dichter Bebauung kannin Bad Neuenahr nicht die Re-de sein. Die kleine Stadt hatsich als Flächensiedlung ent-lang des Flusslaufes der Ahrausgebreitet.

Die umliegenden Hängesind entweder bewaldet oderwerden als landwirtschaftlicheFlächen vorzugsweise vonWeinbauern genutzt. Für dievorhandene Struktur sind lan-ge, schmale Parzellen charak-teristisch. In ihrem rückwärti-gen, der Straße abgewandtenTeil werden sie in aller Regelals Gartenbauland genutzt.Hieraus ergibt sich eine weit-maschige Erschließungsstruk-tur.

„Implosion“ die LösungDurch die Transformation derAnordnung des Grünraumesentsteht ein Typus, der das all-gemein angestrebte und be-liebte „Haus im Grünen“ zueinem „Grün im Haus“ um-wandelt. Die Innenräume wer-den um den Außenraum her-um angeordnet. Der Außen-raum ist nun auch Innenraum.Das Grün in diesem zum Innen-raum erhobenen Außenraumlässt sich so gestalten, dassdieser Außenraum eine Renais-sance seines Nutzens erlebt.Was früher das so genannte„Abstandsgrün“ war, wird nundurch seine räumliche Begren-zung zum individuell nutzba-ren Grünraum. Das auf dieseWeise implodierte Haus be-steht aus einem zweigeschos-sigen Hauptbaukörper und ei-nem eingeschossigen Neben-baukörper, die sich gegenüberliegen. Verbunden werden bei-de Teile durch einen einge-schossigen Service- und Er-schließungsgang der alle haus-technischen Anschlüsse undAnlagen enthält und direkt andie Straße grenzt.

Der entwickelte Typus be-nötigt lediglich ein 170 Qua-dratmeter großes Grundstück.Er ermöglicht urbane Parzellendicht und ebenerdig zu bebau-en. ●

B

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05Florian Kluge

Zu neuen UfernStudenten entwickeln Visionen für Tagebaunachnutzung

AusgangssituationDer Braunkohletagebau durch-wandert bis zum Jahr 2030 dieLandschaft zwischen Aldenho-ven, Jülich, Inden, Düren undEschweiler und bedingt grund-legende Eingriffe in das sozialeund räumliche Gefüge. Daherist es notwendig, Planungenfür die Zukunft des Siedlungs-und Landschaftsraums zu ent-wickeln.

Der von den Gemeindengemeinsam erstellte Master-plan verfolgt als Leitidee dieEntwicklung eines Erholungs-und Freizeitraumes für das ge-samte Gebiet der EuRegionale2008. Zentrum des Plans istein bis zu 1300 Hektar großerSee, der als touristische Attrak-tion und Kristallisationspunktfür weitere Projekte fungierenund bis 2050 umgesetzt seinsoll.

Studentischer EntwurfEntwurfsaufgabe war, dieIdeen des Masterplans im OrtLucherberg umzusetzen. Einer-seits klein und ländlich, ande-rerseits vom Tagebau geprägt,wird Lucherberg zukünftigUferstandort sein und bietetdamit das außergewöhnlichePotenzial, Wohnen, Sport,Spiel und Freizeit am und aufdem Wasser zu entwickeln.Die funktionale Zonierung so-wie die landschaftliche undstädtebauliche Gestaltung desUferbereichs gewähren großenFreiraum für modellhafte Pro-jekte. Zusätzlichen Reiz bietetdie Erhebung Goltsteinkuppe,die als Landmarke am Ufer ei-ne neue Bedeutung erlangt.

ukunftskonzepte für dieOrtschaft Lucherberg –das war das Ziel eines im

Sommer 2004 am Lehrstuhlfür Landschaftsökologie undLandschaftsgestaltung heraus-gegebenen städtebaulichen Ent-wurfs. Nachdem die Gemeindeals langfristige Perspektive denMasterplan „WasserlandschaftInden“ entwickelt hat, sollenim Rahmen der Euregio ersteKonzepte zur Nachnutzungdes Tagesbaus angeschobenwerden. Für Lucherberg gilt es,zukunftsträchtige Ideen für ei-ne Ortsentwicklung aufzuzei-gen. Nach einem Entwurf imJahr 2002 war es bereits diezweite Aufgabe, die in engerZusammenarbeit mit der Ge-meinde Inden formuliert undbetreut wurde.

Blick auf den Braunkohletage-bau der Firma Rheinbraun beiJüchen.Foto: Peter Winandy

Die studentischen Entwürfebrachten eine breite Palette anIdeen hervor: Um dem beste-hendem Ortskern und Neubau-gebieten gleichermaßen Zu-gang zum Wasser zu gewäh-ren, zeigen mehrere Arbeitenschwimmende Bauten, die dasWasserpotenzial nutzen. In an-deren Entwürfen werden künst-liche Inseln entwickelt, auf de-nen Sport, Wohnen und Kon-sum thematisiert werden. Be-hutsamer mit dem Bestand ge-hen die Arbeiten um, die klein-teilige, ortsangepasste Quar-tiere schaffen und die Ufer-kante als großzügige Prome-nade mit neuer Ortsmitte ent-wickeln.

Häufig wiederkehrendeMotive sind Hafen und Marinaals Kristallisationspunkte einesneuen Ortszentrums, breiteSandstrände, die auch überre-gionales Publikum anziehensollen, Inszenierungen der Golt-steinkuppe als Landmarke so-wie eine Bezugnahme zu Berg-bau und Ortsgeschichte.

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Eine Planung für das Jahr2050 erfordert konzeptionelleDenkweise, maximale Flexibi-lität und große Visionskraft.

AusblickDie Entwurfsergebnisse wur-den auch außerhalb der Hoch-schule vorgestellt und disku-tiert und stießen dabei auf gro-ßes Interesse: In Vorbereitungder EuRegionale möchte dieGemeinde Inden die Ergebnis-se in Broschüre und Wander-ausstellung präsentieren. DerDüsseldorfer Architekt PeterJansen, der die Entwicklungder Entwürfe als Experte be-gleitet hat, kann sich vorstel-len, eine der Ideen für ein ei-genes Projekt im arabischenRaum aufzugreifen. Auch RWEPower, als Betreiber des Tage-baus, hat bereits Interesse anden Arbeitsergebnissen ange-meldet.

So tragen die Arbeiten da-zu bei, die Wasserlandschafteiner breiteren Öffentlichkeitzugänglich zu machen und dieDiskussion anzufachen. Siezeichnen ein erstes Bild, dasdie Vorgaben des Masterplansvisualisiert und konkretisiert –auch, wenn sich Ansprücheund Rahmenbedingungen inden nächsten Jahren noch oftverändern werden. Bis 2050darf also noch eine Menge dis-kutiert und geplant werden. ●

„ZUFERSICHT für Lucherberg“,Entwurf von Jens Goose undMartha Nunes.

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Piet Geleyns, Michael Jansen, Karsten Ley

Die ArchitekturTradition und Innovation in der Militärarchitektur des 16. und 17. Jahrhunderts der Niederlande und des Rheinlands

programms zur Universität La Sapienza Rom (Professor Franchetti Pardo, ProfessorBruschi), sowie zur UniversitätLeuven (Professorin de Jonge)eingehend erörtert und auchin Arbeiten von Studierendenabgehandelt worden. Nachdem Sacco di Roma, mit demder europäische Herrschaftsan-spruch der Päpste gebrochenworden war, hatten viele italie-nische Künstler und Architek-ten respektive Baumeister Ita-lien verlassen und waren ent-weder an den französischenoder an den habsburgischenHof gezogen, um dort ihrenUnterhalt zu finden. Dazu ge-hörte auch Alessandro Pasqua-lini (1493-1559), der bereitsfür Karl V. in den Niederlandengearbeitet hatte und dannschließlich von Herzog WilhelmV. von Jülich mit dem Wieder-aufbau der durch einen Brandverwüsteten Stadt und demNeubau einer befestigten Resi-denz beauftragt wurde. Wennvom eigentlichen Palazzo in

Fortezza nach dem Bombarde-ment im 2. Weltkrieg und an-schließendem Abriss auch nurein Flügelbau erhalten blieb,zeugt die Zitadelle selbst nocheindrücklich von der frühneu-zeitlichen Bautechnik Pasquali-nis, von dem selbst nur grobeSkizzen für den Zitadellenbauüberliefert sind. Weitere Stu-dien ergaben, dass sich ent-lang der damaligen franzö-sisch-habsburgischen Grenze,weitgehend im heutigen Bel-gien gelegen, viele weitere Fe-stungssiedlungen und Städtebefanden, die zur Zeit Franz I.und Karls V. gegründet wor-den waren. Dazu gehören Fe-stungssiedlungen wie Rocroiauf französischer Seite oderPhilippeville, Mariembourgund Montmédy auf habsbur-gischer Seite. Diese Festungenbildeten ein planvolles Vertei-digungsnetz, das die topogra-phisch unbewegte Grenzzonezwischen den beiden neuenweltpolitischen Konfliktpar-teien absichern sollte.

as gemeinsame For-schungsprojekt „Archi-tektur der Habsburg-

Valois Konfliktzone“ der Uni-versitäten Leuven, Leiden undAachen entwickelte sich Endeder 90er Jahre aus Forschungs-seminaren über die frühneu-zeitliche Festung Jülich, dievon dem italienischen Archi-tekten Pasqualini 1548 für denHerzog von Jülich errichtetworden war. Damals wurdeklar, dass der frühneuzeitlicheFestungsbau zwischen Rheinund Schelde keineswegs alleinals Import aus Italien nach demSacco di Roma 1527 angese-hen werden konnte. Jülich inseiner Komplexität damals mo-dernster Festungstechnologieerschien als ein Erzeugnis einerSynthese zwischen italienischimportierten Architekturwissensund lokaler Weiterentwicklung:Jülich hatte in Italien keineVorbilder.

Das Thema Jülich war be-reits seit einiger Zeit über dieneuen Kontakte des Erasmus-

DBlick auf die Zitadelle der StadtJülich.Foto: Peter Winandy

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einer Konfliktzone

Erst durch den Antrag vonKrista de Jonge beim flandri-schen Wissenschaftsfond er-hielten die Forschungsansätzeeine systematische wissen-schaftliche Qualität. Heute ste-hen wir vor dem unmittelba-ren Abschluss des Forschungs-programms, dessen Fragestruk-tur sich im wesentlichen dar-auf konzentrierte nachzuwei-sen, dass die Renaissancebefe-

stigungsarchitektur zwischenRhein und Schelde tatsächlicheine eigenständige Entwick-lung nahm. Die Beweisführungerfolgte zum einen durch Un-tersuchungen zu materiellenTransformationen und zum an-deren durch solche zur Wissens-verbreitung. Im Rahmen derTransformationsuntersuchun-gen wurden Bautechniken imBereich von Fundamenten, Fuß-

böden, Gewölben, Tür- undFensterfassungen bauhistorischund archäologisch untersucht,im Bereich der Wissensvermitt-lung alle erschließbaren Quel-len erforscht. Die Frage nachVermittlung von Fachwissenüber weitere Ausbildung/„Schu-len“ spielte ebenfalls eine gro-ße Rolle. Zur näheren Untersu-chung wurden schließlich dieStädte Renty, Gent, Cambrai,Philippeville, Jülich, Thionville,Montmédy und Utrecht aus-gewählt und die Ergebnisse imFestungsatlas (virtuell) veröf-fentlicht.

„Architektur der Habsburg-Valois Konfliktzone“ ist ein ge-meinsames Forschungsprojektder KU Leuven (Professorin Dr. Krista de Jonge), der RWTHAachen (Professor Dr. MichaelJansen) und der UniversiteitLeiden (Professor Conrad Ottenheym); es wird gefördertdurch den ,Fonds voor Weten-schapplijk Onderzoek Vlaan-deren’, Brüssel. ●

Kapelle des Jülicher Schlosses.

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Gabriela Krüger, Hajo Lauenstein

Lehr- und Forschungsgebiet

„Reiff für die Region“ ist so-mit für unsere Lehreinheit einMotto, das bereits Traditionhat und nach wie vor einengroßen Stellenwert einnimmt.Zu den jüngsten Themen ge-hören – neben einer Diplomar-beit zum Residenzschloss Jülichfür den Förderverein FestungZitadelle Jülich e.V. und einerPlanung für eine Kölner Bür-gerinitiative zur Umgestaltungder Berrenrather Straße – dieunten vorgestellten Entwurfs-aufgaben, welche sowohl gro-ße öffentliche Aufmerksamkeitals auch reges Interesse seitensder EuRegionale 2008 AgenturGmbH fanden.

„Geflutete Landschaft“:Die Entwicklung innovativerSzenarien und Konzepte zurNach- beziehungsweise Zwi-schennutzung des Braunkohle-tagebaus Inden II war dasHauptanliegen dieses Entwurfs-themas.

Nachdem – fußend auf demMasterplan „Wasserlandschaft

Inden“ – bereits erste Ideenzur Nachnutzung des Tage-baus entstanden sind, ging esbei dieser Aufgabe vorrangigum die Erarbeitung von Visio-nen und Nutzungskonzeptenfür den Zeitraum zwischen derStilllegung und dem Abschlussder Entwicklungsmaßnahmen.

Der Braunkohleabbau hin-terlässt eine gigantische „Wun-de“ in der Landschaft in Formeines etwa 13 Quadratkilome-ter großen Restlochs. Diesessoll nicht verfüllt und anschlie-ßend wieder agrarisch genutzt,sondern geflutet und in einenFreizeitsee umfunktioniert wer-den – ein Ziel, dessen Realisie-rung wegen des voraussicht-lich nur sehr langsam anstei-genden Wasserspiegels erst inden nächsten Jahrzehnten zuerwarten ist.

In den zu entwickelndenSzenarien sollten neue Formendes Umgangs mit dieser sichwährend der Flutung sukzes-sive verändernden, bizarrenLandschaft entwickelt werden.

Den Studierenden ließ die Auf-gabenstellung viel Raum fürKreativität und visionäre Ideen.

Die Entwürfe sehen ver-schiedenartigste Nutzungenvor, von großzügigen, raum-greifenden Angeboten für denFreizeitsport, wie beispielswei-se abenteuerlichen Treckings-trecken für Mountainbiker überTauchausflüge zu überflutetenBaggern bis hin zu kontem-plativen Angeboten auf land-schaftskünstlerisch gestaltetenInseln, deren allmähliches Ver-sinken den Flutungsprozess be-sonders eindrucksvoll verdeut-lichen würden.

Die Stadt Inden sieht in denArbeiten einen ausgesprochenwertvollen Beitrag zur künfti-gen Entwicklung ihrer Gemein-de im Rahmen ihres Vorhabens„Wasserpark“, welches inzwi-schen als eines der Projekteder EuRegionale 2008 nomi-niert worden ist.

as Lehr- und Forschungs-gebiet Freiraum- undGrünplanung hat schon

immer großen Wert darauf ge-legt, Aufgabenstellungen fürstudentische Arbeiten anzubie-ten, die regionalen Bezug ha-ben – Entwürfe für Aachen,aber auch für Düren, Eschwei-ler, Herzogenrath, Jülich, Mön-chengladbach und andere mehr.Die Entwurfsthemen, die Ge-staltung städtischer Freiräumeunterschiedlichster Couleur wieParkanlagen, Wohngebietsfrei-räume, Stadtgrünplätze, Fuß-gängerzonen, Schulhöfe, Kin-dergärten oder Spielplätze wa-ren – dank kontinuierlich ge-pflegter Kontakte zu den Äm-tern der Stadt Aachen – über-wiegend brandaktuell undkonnten wertvolle Anregun-gen für spätere Ausführungs-planungen liefern. So ist bei-spielsweise die neue Pinguin-anlage im Aachener Euregio-Zoo weitestgehend auf der Ba-sis studentischer Entwurfsideenrealisiert worden.

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www.westwall.de; Entwurf ei-nes „Multimedialen Museums“von F. Javier-Berdud.

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Freiraum- und GrünplanungErfolgreiche Konzepte und aktuelle Projekte

„www.westwall.de“:Der Westwall, stiller Zeuge ei-nes der dunkelsten Kapitel eu-ropäischer Geschichte, mit ei-nem immensen Aufwand anMaterial und Arbeitskräften bis zum Ende der Nazizeit alsGrenzbollwerk gegen die Alli-ierten „aus dem Boden ge-stampft“, ist bald nach seinerEntstehung nahezu in Verges-senheit geraten. Heute wirddiese mehrere hundert Kilome-ter lange Verteidigungslinie –strategisch wie ökonomisch eingigantischer Flop – kaum nochbewusst wahrgenommen, ge-schweige denn richtig interpre-tiert.

Entwurfsaufgabe war dieEntwicklung eines Konzepts,welches dieses Bauwerk in sei-ner historischen Bestimmungund Dimension erfassbar, wieauch aus heutiger Situationund Sicht deutbar und inter-pretierbar gestaltet. Auf inno-vative Art und Weise aufberei-tete und präsentierte Informa-tionen und Installationen soll-

ten die Geschichte des West-walls zeitgerecht vermitteln.

Die Entwürfe zeigen eineBandbreite von minimalisti-schen Eingriffen in Form subti-ler künstlerischer Interventio-nen bis hin zu hochkomplexenLösungen, wie einem multime-dial ausgestatteten Museum.

Die EuRegionale 2008 be-grüßte diese Stegreifentwürfeals willkommene Beiträge zumMotto der Ausstellung „Gren-zen überschreiten“.

„Kinderbauernhof für den Eu-regio-Zoo Aachen“Die Substanz des Kinderbau-ernhofes im Aachener Tierparkist überaltert und ein geeigne-terer Standort im Gelände warbereits auserkoren. Nachdemschon die Pinguinanlage aufder Basis bei uns gefertigterStegreifentwürfe gebaut wor-den war, bat man uns, überstudentische Entwürfe Vor-schläge für einen neuen Kin-derbauernhof erarbeiten zulassen.

Da sowohl hinsichtlich derTierhaltung als auch bezüglichdes pädagogischen Programmsumfängliche Grundlagen zu er-arbeiten waren, konnte einsolcher Entwurf nur an einentheoretischen Part gebundensein („Gebundener Entwurf“),der interdisziplinär angelegtsein musste. Einbezogen wur-den der emeritierte Zoologie-Professor Hennig Stieve (RWTHAachen) sowie TierparkdirektorWolfram Graf-Rudolf und daspädagogische Personal desKinderbauernhofes. Für einender Entwürfe wurde in Zusam-menarbeit mit Professor LeifKobbelt vom Lehrstuhl für In-formatik VIII eine interaktive3D-Simulation erstellt.

Bei der öffentlichen Präsen-tation der Entwürfe waren in-teressierte Bürger, Mitgliederdes Vereins der Tierparkfreun-de, Persönlichkeiten der Lokal-politik und die Presse anwe-send.

Aufgrund des knappen fi-nanziellen Rahmens kann die

heute in Bau befindliche Anla-ge leider nur als „abgespeck-te“ Variante der ideenreichenStudentenentwürfe bezeichnetwerden. ●

Gabriela Krüger vom LehrgebietFreiraum- und Grünplanung aneinem Teilstück des Westwallsbei Aachen. Sie betrachtet einenStehgreifentwurf von Architek-tur-Studierenden zu einemWestwall-Museum.Foto: Peter Winandy

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Rolf Gerhardt, Helmut Hachul, Jan Wurm

„Umweltkommunikationszentrum“und „Sender Euregio“

Diplomarbeiten im WS 2003/2004 und im SS 2004

Das von Bettina Brehler ent-worfene „Umweltkommunika-

tionszentrum“. Die Wegführunginnerhalb des Gebäudes ermög-

licht eine Differenzierung zwi-schen öffentlichen und privaten

Bereichen.

Der als Stabwerk ausgebildeteTurm für den Dreiländerpunkt

wurde von Alexander Kühneentworfen.

as Thema „Eutopion“ derDiplomarbeiten im Jahr2003/04 wurde in Zu-

sammenarbeit mit dem Freun-deskreis Botanischer Garten e.V.,dem Lehr- und Forschungsge-biet Abfallwirtschaft und demLehrstuhl für Landschaftsökolo-gie und Landschaftsgestaltungherausgegeben. Die erarbeite-ten Entwürfe stellen einen mög-lichen Beitrag für den geplan-ten Bau eines Euregionalen Wis-senschaftsforums am Techno-logie- und Wissenschaftsstand-ort Aachen im Rahmen der imJahr 2008 stattfindenden Eu-Regionalen dar: Als Standortist der leicht abfallende Gelän-deverlauf des Wilkensbergeszwischen Klinikum und Erwei-terungsgelände der RWTH vor-gesehen.

So soll beispielsweise das„Umweltkommunikationszen-trum“ von Bettina Brehler alsPlattform dienen, auf der sichdas wandelnde Verhältnis vonMensch, Natur und Technikumfassend und interdisziplinärdarstellt, wobei die Kommuni-kation zwischen Natur- undGeisteswissenschaftlern, Leh-renden und Schülern, Speziali-sten und Laien vernetzt wird.

Mit einem neu zu projek-tierendem Turm soll der Drei-länderpunkt künftig aus allenRichtungen besser erkennbarsein. Gleichzeitig soll der Ortdem Gedanken der Euregio-Maas-Rhein entsprechend auf-gewertet werden. Im Turmselbst ist hierzu in großer Höheein weithin sichtbares Sende-studio vorgesehen, das imSchnittpunkt der drei Ländergrenzübergreifende Sendun-gen ausstrahlt, vor allem zu ge-meinsamen Veranstaltungen,kulturellen Angeboten undÄhnlichem. Außerdem ist ne-ben der Aussichtsplattform ei-ne kleine Präsentationsflächegeplant, welche interessiertenTouristen oder Wanderern ei-nen Überblick über das Ange-bot der Region gibt. DieserRaum stellt damit gewisserma-ßen ein „Euregionales Fenster“dar. ●

D

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Ulrich Berding, Frank Pflüger

Grenzen überschreitenin Lehre, Praxis und Forschung

wünschten Zweck: ZahlreichePassanten blieben neugierigstehen und erlebten neueSichtweisen auf die mobilenImbissbuden – und obendreinberichtete auch noch die Pres-se von der gelungenen Aktionüber die „bedrohten Biotope“der Euregio.

Weitere Informationen zurAktion gibt es hier:http://www.pt.rwth-aachen.de/2004_SS_Ergebnisse/Startsei-te.html

AVANTI! – Die Zukunft hatbegonnen„Avantis“ gilt als ein ehrgeizi-ges Gewerbeprojekt in der Aa-chener Region. Beiderseits derGrenze zwischen den Nieder-landen und Deutschland sollein hochwertiges technologie-bezogenes Gewerbegebiet re-alisiert werden. Doch außerder Erschließung und Gestal-tung der öffentlichen Räumeund drei weitgehend leerste-henden Gewerbebauten konn-te von der Planung bishernichts realisiert werden. Ange-sichts der ökonomischen unddemographischen Wandlungs-prozesse stellt sich die Fragenach der Zukunft solcher sub-urbanen Flächen.

Studierende haben sich imRahmen eines Entwurfsprojek-tes der Lehrstühle Planungs-theorie und Stadtplanung so-wie Landschaftsökologie undLandschaftsgestaltung dieserAufgabe angenommen. Sie un-tersuchten den Standort, dieRahmenbedingungen und di-skutierten mögliche Zukunfts-szenarien. Die erarbeiteten Vor-schläge reichen von der tem-porären Nutzung der vorhan-denen öffentlichen Räume,über den Entwurf für eine 24-Stunden-Stadt bis zur völligenNeudefinition der Zielsetzungvon AVANTIS in einer renatu-rierten Landschaft.

Günstige Verkehrsanbin-dung, anspruchsvoll gestalteteöffentliche Räume eingebettetin eine abwechslungsreicheLandschaft inspirieren dazu,AVANTIS – zumindest tempo-rär – zu EVENTIS umzufunk-tionieren. Als Ort für Kunst,Konzerte oder Großveranstal-tungen wie Jugendcamps kannsich der Ort etablieren. Dienotwendige Infrastruktur wirdim Bereich des heutigen Fo-rums in Form temporärer Bau-ten errichtet. Es wird vorge-schlagen, die neue gewerbli-che Entwicklung im Bereich

obile Imbissbuden –Bedrohte Biotope inder Euregio Maas-

Rhein?Belgien gilt als Mutterland derPommes frites und vermutlichauch der ersten mobilen Frit-tenbuden. Die mobile Fritten-bude ist zu einer Ikone urba-ner und euregionaler Kulturgeworden. Sie ist zugleich so-zialer Treffpunkt und Störfak-tor im öffentlichen Raum. In-zwischen aber wird die Grund-form der Imbiss-, Pommes-oder Frittenbude – der monoli-thische Kubus oder Würfel aufRädern – immer mehr von Dri-ve-Ins, Edel-Buden und Fast-foodfilialen abgelöst. Auch dieBemühungen um die Aufwer-tung des „wieder entdeckten“öffentlichen Raumes drängendie mobilen Buden von Super-markt-, Park- und Bahnhofs-vorplätzen. Höchste Zeit also,sich einmal um diese „bedroh-ten Biotope“ der Region zukümmern und sie zum Gegen-stand gestalterischer und krea-tiver Auseinandersetzung zumachen. Im Rahmen einesStegreifentwurfs sollten Stu-dierende eine Aktion konzipie-ren und durchführen, mit derauf das Thema der mobilenImbissbuden aufmerksam ge-macht wird.

In einem Ideenwettbewerbwählten die Studierenden einKonzept aus, das die gestellteAufgabe auf kreative Weiselöste. Kerninhalt waren die vierImbissbuden-spezifischenSchlagworte Frische, Kontakt,Spektakel und Insel; diese wa-ren filmisch umzusetzen. DieStudierenden drehten also vierKurzfilme, die diese Titel auf-griffen und interpretierten. Umden schnellen Genuss der mo-bilen Fritte richtig zur Geltungzu bringen, wandten die Jung-filmer eine spezielle Zeitraffer-technik an – Prädikat: sehr se-henswert!

Doch zu guten Bildern ge-hört auch eine passende Prä-sentation. Gerade recht er-schienen da leer stehende Aa-chener Ladenlokale. ModerneVideotechnik half, die Filmevon innen auf abgeklebteSchaufensterscheiben zu proji-zieren. Die von außen sichtba-ren bewegten Bilder in Verbin-dung mit einem passendenSound und informierendenFlugblättern erfüllten den er-

M

der weitgehend brachgefalle-nen Zoll- und Raststation an-zusiedeln. Durch die Wieder-nutzung bereits versiegelterFlächen kann damit ein we-sentlicher Beitrag zum scho-nenden Umgang mit Grundund Boden geleistet werden.

Der exponiert an der Auto-bahn Köln-Antwerpen gelege-ne Standort könnte sich auchals weltweit vernetzter Stand-ort eines neuen Typus vonHochschule entwickeln. Dergaia.campus ist ein internatio-naler und multikultureller Ortwo Lehre und Forschung neuerdacht werden. Studierende,Wissenschaftlerinnen und Wis-senschaftler treffen sich alsglobal vernetzte Nomaden inWohnkapseln und Projekttür-men, um gemeinsam zu lebenund zu arbeiten. Die als Ge-werbegebiet vorgesehene Flä-che entwickelt sich in einemnatürlichen Prozess zu einemWaldgebiet, das Bestandteildes neuen Campus wird.

Mit ihren visionären Vor-stellungen stellen sich die Stu-dierenden den zukünftigenHerausforderungen für Archi-tekten und Stadtplaner. ●

Sind die Imbissbuden in der Re-gion vom Aussterben bedroht?

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Lydia Konnegen, Hartwig Schmidt

Der Aachener DomNeue Forschungen zur jüngeren Restaurierungsgeschichte

ter Gebäudeteile. Allzu häufigbemühte man sich im Rahmender „Wiederherstellung“ einenidealtypischen Zustand wieder-herzustellen. Geläufiges Bei-spiel ist der Kölner Dom, der inwesentlichen Teilen erst in derzweiten Hälfe des 19. Jahrhun-derts als „gotische“ Kathedralevollendet wurde.

Auch in Aachen bestandder Wunsch, das Münster wie-der im Glanz des Mittelalterserscheinen zu lassen. Intensivwurden die einzelne Baumaß-nahmen diskutiert, häufig vordem Hintergrund, dass Quel-len und Baubefunde zum ur-sprünglichen Bauzustand fehl-ten. Dies trifft insbesondereauf die Innendekoration derKirche zu, für die am Beginndes 20. Jahrhunderts die impo-sante Marmor- und Mosaikde-koration entworfen wurde, diesich jedoch am Bau nicht zwei-felsfrei nachweisen ließ.

Über einen langen Zeit-raum fand ein reger Schrift-wechsel zwischen den einzel-nen an der Restaurierung desAachener Münsters beteiligtenInstanzen statt. Vorschlägeund Restaurierungspläne wur-den zwischen dem Stiftskapi-tel, dem Karlsverein, den preu-ßischen Ministerien und gegenEnde des Jahrhunderts mit denInstanzen der preußischenDenkmalpflege ausgetauscht.Deshalb werden heute die zurRestaurierung erhaltenen Do-kumente, Zeichnungen, Fotosund Aufmaße nicht geschlos-sen an einem Ort verwahrt,sondern sind auf verschiedeneArchive in Deutschland verteilt.Anfänglich zusammengehören-de Dokumente, insbesondereSchriftstücke und Pläne sindan unterschiedlichen Orten ab-gelegt, so dass der ursprüngli-che Informationszusammen-hang verloren gegangen ist.

Für die jüngsten Restaurie-rungsmaßnahmen am karolin-gischen Zentralbau war es not-wendig, Entscheidungen aufder Grundlage einer wissen-schaftlich abgesicherten Ge-schichte der „Wiederherstel-lung“ im 19. Jahrhundert fäl-len zu können. Dies geschiehtim Rahmen eines seit Mitte2001 von der DFG gefördertenForschungsprojekts am Lehr-und Forschungsgebiet Denk-malpflege der Fakultät für Ar-chitektur. In der ersten Phase

wurde zu diesem Zweck einVerzeichnis aller den Restaurie-rungszeitraum betreffendenQuellen erstellt. Im zweitenSchritt schloss sich eine Sich-tung und Sortierung der Archi-valien an, deren abschließendeAuswertung einen Überblicküber den Verlauf der Restau-rierungen am Aachener Müns-ter sowie eine vertiefende Dar-stellung der wesentlichen Re-staurierungsmaßnahmen erge-ben wird.

Die im Herbst 2000 begon-nenen aktuellen Sanierungs-maßnahmen am karolingischenKernbau des Aachener Domesboten die einmalige Gelegen-heit, am Bauwerk selbst die Er-gebnisse der Archivstudien zuüberprüfen und zu ergänzen.In Kooperation mit der Dom-bauleitung Aachen konntendrei Bauforschungskampagnenmit Studierenden der Fachrich-tung Architektur durchgeführtwerden. Die Studierenden wur-den im Rahmen jeweils zwei-wöchiger Veranstaltungen mitden unterschiedlichen Metho-

er heute Aachensbekanntestes Bau-werk, die ehemalige

Palastkirche Karls des Großen,betritt, ahnt in der Regel nichtsdavon, dass das heutige Er-scheinungsbild dieses berühm-ten Kirchenbaus in weiten Tei-len das Resultat einer mittler-weile 150-jährigen Restaurie-rungsgeschichte ist. Reisende,die Mitte des 19. Jahrhundertsdas Aachener Münster besuch-ten, fanden einen in weitenTeilen vernachlässigten Kirchen-bau vor. Von der Marmor- undMosaikdekoration, die nun dasInnere des karolingischen Zen-tralbaus ziert, von dem hohenneogotischen Westturm sowievon der Bauzier des gotischenChors gab es noch keine Spur.

In den 40er Jahren des 19.Jahrhunderts, getragen vonder wiedererwachten Wert-schätzung der eigenen Vergan-genheit, begannen die Bemü-hungen um eine würdige Wie-derherstellung der Münsterkir-che – zunächst getragen vomKollegiat-Stiftskapitel, dem Vor-gänger des heutigen Domkapi-tels. Da dessen Finanzkraft beiweitem nicht ausreichte, umdie nötigen Arbeiten durchzu-führen, wurde eine Unterstüt-zung von staatlicher Seite, indiesem Fall beim preußischenKönigshaus, beantragt. EinenBeitrag leisteten auch die Aa-chener Bürger, die sich ab 1849im „Karlsverein“ organisierten,der die Federführung bei derDurchführung der Restaurie-rungsarbeiten vor Ort über-nahm.

Der Beginn der Restaurie-rungsmaßnahmen in Aachenfällt nicht von ungefähr in dieMitte des 19. Jahrhunderts.Die sich rasch entwickelnde In-dustrialisierung, die einen tiefgreifenden gesellschaftlichenWandel mit sich brachte, sen-sibilisierte insbesondere dasBildungsbürgertum, das kultu-relle Erbe der Vergangenheitvor dem hektischen Zeitstromund den Gefahren des Verges-sens und Zerstörens zu bewah-ren. Mittelalterliche Bauwerkeund dabei insbesondere Kir-chenbauten wurden als mate-rielle Zeugen der eigenen hi-storischen Vergangenheit ge-sehen. Die Erhaltung dieserBauten umfasste im 19. Jahr-hundert jedoch mehr als dieeinfache Reparatur schadhaf-

W

den des Bauaufmaßes vertrautgemacht. Es wurden von ein-zelnen Teilbereichen des karo-lingischen Mauerwerks, zu de-nen bisher kein Planmaterialvorlag, steingenaue Pläne ge-zeichnet, auf deren Basis eineKartierung der unterschiedli-chen Stein- und Mörtelartensowie eine Bestimmung desBaualters durchgeführt wurde.Anhand der so erzielten Be-funde ließen sich Steinaus-wechselungen und Reparatu-ren des Mauerwerks im Laufeder Geschichte unterscheiden.

Die Studierenden lerntenim Rahmen dieser Kampagnenwesentliche Handwerksmittelund grundlegende Umgangs-formen mit historischer Bau-substanz kennen, die angehen-de Architekten benötigen, umim wachsenden Feld des „Bau-ens im historischen Bestand“tätig sein zu können. ●

Aachener Dom und Rathaus derStadt.Foto: Peter Winandy

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im Wandel der Zeit

Abwicklung einer Fenster-laibung des Sechzehn-ecks des Aachener Doms.Ergebnis des Baufor-schungsseminar Winter-semester 2003/2004. Planersteller: MelanieKlötzel und Marc Wietheger

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Alexander Markschies, Gerhard Vinken

Ein BeispielEin Seminar zum Aachener Klinikum

ls Krankenhaus ist dasAachener Klinikum einBau der Superlative, ein

Denkmal des High-Tech: For-schung, Lehre und Praxis sindhier zusammengefasst, bis zu9.000 Personen halten sich mit-unter gleichzeitig in dem Ge-bäude auf. Schon während derBauzeit des ab 1969 durch die Architektengemeinschaft Weber, Brand & Partner errich-teten Klinikums meldeten sichgleichwohl kritische Stimmenzu Wort, der Bau ist durchausauch mit einem Negativimagebelastet.

Ein Intensivseminar, das ge-meinsam vom Lehrgebiet Ar-chitekturtheorie und vom Lehr-stuhl für Kunstgeschichte imSommersemester 2004 abge-halten wurde, widmete sichdem Objekt unter ästhetischen,denkmalpflegerischen, funktio-nalen sowie bau- und kunsthi-storischen Fragestellungen.Das Seminar wird fortgesetzt,es dient der Vorbereitung einerPublikation, denn eine Mono-graphie über das Klinikum exi-stiert bislang nicht.

Die Themenfelder wurdenin Projektgruppen untersucht,Grundlage war dabei eine aus-führliche Dokumentation, diePressestimmen und die bisheri-ge Beschäftigung mit dem Ge-bäude zusammenfasste. Dabeizeigte sich etwa, dass das Kli-nikum im Ausland einen we-sentlich besseren Ruf genießtals in Deutschland und dasshier sein Image weitgehendaus der Kostenexplosion wäh-rend der Errichtung sowie ausangenommenen Planungs-mängeln resultiert. Vergleichemit anderen Großkliniken wieEssen, Münster und Berlin so-wie ein Blick auf die Geschich-te des Krankenhausbaus unddabei insbesondere auf dasMedizinische Zentrum derMcMasters Universität in Ha-milton/Kanada als konzeptuel-les Vorbild erwiesen indes dieinnovative Komponente desAachener Klinikums. Demnachist seine Megastruktur als Ma-schine zu beschreiben, derenModularisierung auch ein kre-atives Potenzial für die Zu-kunft bereithält.

A

Die Rhetorik der Funktion: Un-ter dem Motto „Das Innere nachAußen kehren“ wurden die Ver-sorgungsleitungen markant her-vorgehoben.

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aus der LehreAm Beispiel der geplanten

Erneuerung des Belüftungssy-stems lässt sich exemplarischdie besondere denkmalpflege-rische Problematik von High-Tech-Architektur aufzeigen:Einerseits sind die offen amAußenbau geführten Lüftungs-rohre signifikanter Träger desArchitekturkonzepts, anderer-seits ist eine im übrigen kos-tenaufwendige Erhaltung alsfunktionslose Attrappe mit ge-rade diesem technozid funktio-nalistischen Konzept kaum zuvereinbaren.

Das Klinikum ist ambiva-lent, ist funktional und bildhaftzugleich. Vielleicht ist es gera-de diese Ambivalenz, die alswesentlich für seine Architek-tur anzusehen ist. Der Bau istzum Symbol für Fortschritt undzur Forderung an die Technikgleichermaßen geworden. Sei-ne Faszination gründet sichnicht allein in der reinen Inge-nieurleistung sondern in derÜberhöhung von Konstruk-tion. ●

Universitätsklinikum der RWTHAachen.Foto: Peter Winandy

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Michael Schulze

Dieser Ort, in dem sich die Ge-schichte der Region mit denzeitgemäßen städtebaulichenAnforderungen mischt, ist Aus-gangspunkt für die künstleri-sche Konzeption, die der Lehr-stuhl für Plastik entwickelt hat.Das Forschungsprojekt wurdevon der Alsdorfer FirmaTrommsdorff finanziert.

Obwohl wir manches Malmit „Frei lassen“ und „Abstandhalten“ auf die vorgefundenenGegebenheiten reagieren, er-weisen sich doch vielfältigeMöglichkeiten künstlerischerEingriffe als sinnvoll und wün-schenswert. Mit konkreten Ent-würfen und Modellen bespie-len wir – quasi virtuell – dieeinzelnen Situationen. AlsKünstler nehmen wir dabei

formale, inhaltliche, historisch-soziale und architektonischeBezüge mit einer subjektivenSichtweise auf. Einzelne Ent-wurfsaspekte konnten sogar inder Form kleiner Ideenwettbe-werbe in die Grundlehre desLehrstuhls eingebunden wer-den.

Was dem Anna-Park ausunserer Sicht fehlt sind Moti-ve, die dem Menschen einPhantasiepotenzial zur Verfü-gung stellen, Orte zu denen ersich hingezogen fühlt, die Iden-tität vermitteln. Deshalb be-spielen wir die obere Parkflächenicht mit klassischen Außen-skulpturen, sondern versuchenüber das ganze Areal hinweg„Lieblingsorte“ zu schaffen –individuell gestaltete Sitzmöbel

Alsdorf erfindet sich gera-de neu“...Mit diesen Worten be-

schreibt Professor GerhardCurdes, Leiter des Stadtmarke-ting Alsdorf, den Wandel derehemaligen Bergbaustadt in ei-ne moderne Kultur- und Indu-strieregion. Da die Innenstadtvon Alsdorf geradezu um denBergbau herum gebaut wurde,kommt der Umstrukturierungdes Zechengeländes eine her-ausragende Bedeutung zu.Nach außen durch drei Haldenbegrenzt, hat das Gelände mitdem Anna-Park eine neue Mit-te bekommen. Um die erhalte-nen Baudenkmäler Förderturm,Langhaus und Bergbaumuseumentstehen neue Wohn-, Ein-kaufs- und Gewerbegebiete.

„ und an Unterstände erinnerndeSitzplastiken (Bild 2) – Ortezum Ausruhen und Innehalten,aber auch Treffpunkte mit kom-munikativer Ausstrahlung.

Der wichtigste Zugang ver-läuft von der Durchgangsstra-ße zum Anna Platz. Als leichtverständliches und humorvol-les Symbol soll die Glühbirne(Bild1) wie ein Ausrufezeichenauf das Gelände aufmerksammachen. Ein Projektor, der eineweiß verputzte Wandfläche wieeine Kinoleinwand bespielt,könnte ein fester Ort für Video-kunst werden.

Die Halde Anna I wird aufunabsehbare Zeit in ihrem In-nern brennen. Aus der Not ei-ne Tugend machend ist dieDarstellung dieses Umstandes

Alsdorfer Glühbirne am Aufgangzum Annaplatz.

Künstlerische Konzeptionfür den Anna-Park Kunst

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als Forschungsobjekt wie auchals Attraktion geplant. Ein ro-ter Faden wirkt hier als Leitsys-tem, grafische Landschafts-skulptur und optische Verbin-dung von Platz, Park und „wil-dem Gelände“, das von Kin-dern spielerisch abgetastet,erlaufen und erraten werdenkann.

Wasserturm und Bergbau-museum sind Orte der leben-digen Erinnerung an die ehe-malige Zechenanlage als Hei-mat der Bergleute.

Die verlorene Funktion desWasserturmes förderte die Ideeeiner großen Brunnenfläche zuTage. Die jahrzehntelange Auf-und Abwärtsbewegung desWassers wird als Metapher fürWerden und Vergehen in einerzyklisch funktionierenden Brun-nenplastik rekultiviert. Die Bo-denfläche des Brunnens trägtauf der gesamten Fläche einegusseiserne Reliefplastik, die mitkubischen Formen die ehema-lige Zechenanlage als abstrak-tes Landschaftsmodell aufle-ben lässt.

Das Gipfelplateau der Hal-de Anna 2 könnte Standortder Reliefrunde sein – eine Ro-tunde aus Beton, die an denInnenflächen die Themen Tech-nik, Energie sowie an den Au-ßenflächen das Thema Naturals Relief sichtbar und tastbarmacht.

Die beiden Wege unterhalbder Parkebene sind bereitsdurch die Parkaufgänge starkakzentuiert. Dennoch bietendie fast 500 Meter langenGrünstreifen genügend Raumfür einige ebenso sensibel wiesubversiv ins Gelände einge-fügte plastische Ensembles mitdem Titel „Umwelt – Ding-welt“.

Der angrenzende Kinder-garten inspirierte zu der Ideeeines archäologischen Spiel-platzes – ein richtiges Erlebnis-feld für Kinder! So als habeman hier begonnen, Dinosau-rier und urzeitliche Pflanzenauszugraben, kommen dieseaus der Betonfläche halbplas-tisch hervor und können vonKindern spielerisch abgetastet,erlaufen und erraten werden. ●Blick auf den ehemaligen Förder-

turm der Grube Anna in Alsdorf.Foto: Peter Winandy

und Alsdorf

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Daniel Knieß

Alemannia AachenEin neues Fußballstadion für Aachen

laufende Fuge lässt ihn dasGeschehen im Innern bereitserahnen. Unterschreitet er dieüber ihm aufragende Wanddurch eine der vier weit aus-kragenden Ecken eröffnet sichihm ein großzügiger Blick aufdas Spielfeld, das – deutlichertiefer gelegen – durch umlau-fende Ränge dicht umgrenztwird.

Diese Mulde wird allseitigvon vier einfachen geraden Zu-schaueranlagen umstanden.Möbelstücken ähnlich, wirkensie wie eingestellt, jede für sich.Sie folgen der vermittelndenRundung der Mulde nicht, un-terstreichen somit ihre räum-liche Eigenständigkeit, ohnedabei die Abhängigkeiten zurschottenartigen Substruktionzu verschweigen.

Die Besucherströme fließendirekt von der Plateau-Ebene,teils unter den aufgeständer-ten Tribünengebäuden hin-durch, in die kesselartige Mul-de. Alle kleinteiligen Raum-strukturen, seien es VIP-Loun-ges, Pressebereiche oder Ga-stronomieflächen, finden sichin die Tribünengebäude inte-griert. Serviceräume, Technik-und Lagerflächen dagegen,sind im ersten Untergeschosseingegraben. Auf diese Weisehat der Nutzer vom Umgangaus stets Blickkontakt zum Her-zen des Stadions.

Das in östlicher Richtungflach abfallende Gelände er-möglicht durch die gewählteinnere Höhenentwicklung desStadions die ebenengleicheZugänglichkeit der Spielfeldflä-che für Rettungs- und Liefer-fahrzeuge bei Großveranstal-tungen. Während in den west-lichen Bereichen mit höherernatürlicher Geländeoberflächedie unterirdischen Räumlich-keiten auf ein Minimum redu-ziert sind, bietet sich anderer-seits östlich die Integration vonMannschaftsräumen mit denangeschlossenen dienendenBereichen an.

Die Serviceräume werdenauf südlicher Seite von einerzweigeschossigen Parkanlageflankiert. Als Pendant findensich auf der nördlichen Längs-seite dem Spielfeld zugeordne-te Bereiche für Lagerzweckeund Werkstätten.

Ein vorgeschalteter Bügelmit Verwaltungseinheiten, Ti-cketcenter und Fanshop wird

über einen angelagerten Vor-bereich erschlossen. Von hieraus hat der Besucher, genauwie der Büronutzer, Blickkon-takt zum niedriger liegenden

Trainingsplatz. Über diesenWeg erreichen Spieler und Per-sonal Mannschaftsräume undSpielfeld.

ufgabenstellung undstädtebauliche Situa-tion

Der Aachener Tivoli ist ein Sta-dion, welches weithin bekanntist für seine Atmosphäre. Es istein „reines“ Fußballstadion, indem die Fans direkt an der Au-ßenlinie das Spiel verfolgenund ihre Mannschaft anfeuern.

Dem alten Stadion kannman die vielen Jahre ansehen.Für viele ein Ort großer Emo-tion – hier wurde manch gro-ßer Sieg gefeiert, manch großeNiederlage beweint – bis heute.Diese Jahre sind nicht spurlosvorübergegangen. Der Charmedes Verfalls macht sich breit. Einneues Stadion soll entstehen.

Das Gelände des VereinsAlemannia Aachen liegt an ei-ner der Haupteinfahrtsstraßenin das Aachener Zentrum, derKrefelder Straße. Die umge-bende Bebauung ist hetero-gen. Entlang der vierspurigenStraße befinden sich Tankstel-len, Baumärkte, weitere Sport-stätten, aber auch – insbeson-dere stadteinwärts – Wohn-häuser.

Dieser städtebaulichen Viel-falt einen klaren, zurückhalten-den, aber dennoch präsentenBau einzufügen, ist Ziel desEntwurfs, der am Lehrstuhl fürBaukonstruktion II der RWTHerarbeitet wurde.

Durch die Reduktion dereingesetzten Elemente auf we-nige, sich stets wiederholendePrinzipien, entwickelt der Ent-wurf eine eigene strukturelleGesetzmäßigkeit. Der ordnen-de Gedanke des räumlichenRasters ist spürbar, ohne sichin den Vordergrund zu drän-gen. Es hält das Einzelne, gibtdennoch Luft, und fügt es zueinem logischen Ganzen.

Leicht und elegant erhebtsich der flache Kubus des neu-en Stadions. Der Sockel überdem es zu schweben scheint,wirkt wie in den Hang gegra-ben. Eine Terrasse, ein Plateau– Freiraum und gleichzeitig Er-schließungsebene für die Tri-bünen, die der Besucher überzwei breite Freitreppen erreicht.Hier wird der Strom der Fansgefiltert und kontrolliert.

Auf dieser Ebene kann derGast das Stadion allseitig er-fahren. Eine leuchtende, ver-heißungsvoll schimmerndeWand trennt ihn noch von sei-nem Ziel. Eine schmale um-

A

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und der Tivoli

Uniform – Einfachheit durchBeschränkungDer zentrale Entwurfsansatz,der Wunsch nach formalerund konstruktiver Konzentra-

tion auf eine möglichst kleineZahl von Einzelkomponenten,legt die Suche nach einer Trag-struktur nahe, die mit einemRegelfall eine möglichst große

Bandbreite von Problemstel-lungen bewältigt, IdealerweiseHülle und Technik gleicherma-ßen integriert.

Das gefundene Raumtrag-werk, eine zweilagige Okta-struktur, bildet eine Art Haubeoder Glocke, ein räumlich wirk-sames Tragwerk. Mit einemSchuhkarton vergleichbar, indessen Mitte man ein Lochschneidet, werden die Lastenin den Flächen – hier in einvektoraktives Stabwerk aufge-löst – zu den Auflagern abge-führt. Ein napfförmiger Guss-knoten bringt die Quadratroh-re der oberen und unteren La-ge mit den runden Rohren derDiagonale zusammen. Sowohlüber Wandungsstärke als auchüber Außenabmessung kannauf unterschiedliche Spannun-gen reagiert werden.

Die HülleDas quadratische Modul desTragwerks ist Taktgeber fürdie Gebäudehülle. Sowohl dieäußere als auch die innere La-ge des Tragwerks ist mit trich-terförmigen Membranen aus-gefacht. Der Halboktaeder derRaumstruktur ist dabei form-generierend. Über den Kno-tenpunkt wird in jedem qua-dratischen Rasterfeld ein Trich-ter aufgespannt. Die notwen-dige Krümmung der Membranund die Ausbildung eines mit-tigen Tiefpunktes bietet sichzur Entwässerung der Dach-fläche im Zwischenraum desStabwerks an. Die Konstruk-tionshöhe des Tragwerks stehtals Installationsraum für Tech-nik wie Beschallung und Be-leuchtung zur Verfügung.Durch das Bespannen gewinntdas Fachwerk eine zusätzlicheplastische Komponente. DieIdee der schützenden Haubesetzt sich fort.

Dieser Entwurf hat eine Aner-kennung durch den „Förder-preis des Deutschen Stahlbaus2004“ erhalten. Er wurde be-treut durch Professor HartwigN. Schneider, Robert Thoméund Arndt Bischof. ●

Bilder: Entwurf von DanielKnieß

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Karin Damrau

Studienprojektein Zusammenarbeit mit

der Stadt Aachen

werden soll. Gerade waren aufkommunalpolitischer Ebene dieWeichen für eine AachenerKonzerthalle gestellt, da wurdeschon über eine architektoni-sche Umsetzung debattiert.

Zweifellos ist der EntwurfMies van der Rohes ein hoch-wertiges Zeitdokument, das je-doch auf die damaligen Anfor-derungen zugeschnitten ist. Einfür die Stadt Aachen so wichti-ges, zukunftsweisendes Projektan prominenter Stelle an derMonheimsallee neben demSpielkasino verlangt nach einerAuseinandersetzung mit demOrt sowie einer zeitgemäßenInterpretation.

Ein Brief des Lehrstuhls andie damalige Aachener Kultur-dezernentin Isabel Pfeiffer-Poensgen stieß auf offene Oh-ren. Der Vorschlag, das Themavon den Diplomanden bear-beiten zu lassen und somit ei-nen zeitgenössischen, jungenBeitrag als mögliche Diskus-sionsgrundlage für das Kon-zerthausprojekt zu liefern, wur-de begrüßt.

In enger Zusammenarbeitmit dem Kulturdezernat derStadt, dem Aachener General-musikdirektor Marcus Boschsowie dem damaligen Inten-danten der Philharmonie KölnAlbin Hänseroth wurde einProfil der Konzerthalle erstellt.Dieses diente den Studieren-den als Raumprogramm für ih-ren Entwurf.

Präsentiert wurde eineVielzahl möglicher Lösungsan-sätze, die sich allesamt aus den

Gegebenheiten des Ortes undden spezifischen Anforderun-gen an eine Aachener Konzert-halle entwickelten. Die Ergeb-nisse der Diplomanden reich-ten von skulpturalen Solitär-bauten bis hin zu „informier-ten Topografien“, die das Kon-zerthaus weniger als Gebäudedenn als Teil des Parks ver-standen.

Die Diplomarbeiten wurdenunter der Schirmherrschaft derStadt Aachen und mit der Un-terstützung des Bundes Deut-scher Architekten (BDA) imAachener Suermondt-Ludwig-Museum ausgestellt.

Gewiss kann dieser Beitragals Wegbereiter für den imSommer 2003 ausgelobten Ar-chitektenwettbewerb „Hausfür Musik Aachen“ gesehenwerden. Unter dem Vorsitzvon Prof. Fritz Eller wurdenaus einer Fülle von Bewerbun-gen 36 qualifizierte Architek-turbüros zur Teilnahme an demWettbewerb ausgewählt. DasDüsseldorfer Büro „SchusterArchitekten“ ging schließlichdaraus als Sieger hervor(http://www.aachen.de/DE/kultur_freizeit/kultur/architek-tur/hfm.html). Die eigens fürdie Projektrealisierung des Mu-sikhauses ins Leben gerufeneprivate Stiftung i.G. versuchtnach wie vor, eine Finanzie-rung des preisgekrönten Wett-bewerbbeitrags zu ermögli-chen. ●

Dirk Zweering, Konzerthalle Aachen. Die Arbeit gewann beider Verleihung der von der Zeit-schrift ARCH+ gestifteten Preisefür die besten Abschlussarbeitendes Jahrgangs 2001 den 2. Preis.

ie wird das Bild derStadt Aachen in Zu-kunft aussehen?

Diskussionsthemen gibt es ge-nug: Das geplante „BauhausEuropa“ am Katschhof, dieKrefelder Straße, der AachenerBushof oder das „Haus für Mu-sik“ – um nur einige Beispielezu nennen. Sie alle bedürfeneiner sorgfältigen architektoni-schen und städtebaulichen Be-arbeitung, um der Stadt ein zu-kunftsfähiges Gesicht zu ver-leihen.

Der Lehrstuhl für Gebäude-lehre und Grundlagen des Ent-werfens greift solche aktuellenThemen gerne als Entwurfs-aufgaben auf. Zum einen umdie Studenten an praxisnaheProblemstellungen heranzufüh-ren, zum anderen um einenvon politischen Vorgaben undwirtschaftlichen Interessen un-abhängigen Diskussionsbeitragzu leisten.

Der Oberbürgermeister derStadt Aachen Linden initiierteim Herbst 2002 den Zusam-menschluss von Stadt, Fach-hochschule sowie einigen Lehr-stühlen der RWTH zur „Tria-de“. Die „Triade“ hatte zumZiel, in unterschiedlichen, auf-einander aufbauenden Pla-nungsschritten, ein zukunfts-weisendes Konzept für das Ge-bäude „Neuer Bushof Aachen“zu erarbeiten. Das Bauwerk istein prototypisches Beispiel ei-ner Großform der 70er Jahreund hat das Potenzial für Rück-bau, Sanierung, Erweiterungoder auch den Abriss.

Das Entwurfsprojekt amLehrstuhl für Gebäudelehrehatte zum Ziel, ein konkretesNutzungsprofil und einen stra-tegischen Ansatz zum Umgangmit dem Bauwerk zu erstellen,aus dem heraus sich der Ent-wurf entwickeln sollte. Es ent-stand eine Reihe von Projek-ten, die der Stadt Impulse zurWeiterentwicklung des Arealsgeben könnten.

Noch mehr Nachwirkungzeigte ein Diplomthema, des-sen Geschichte mit einem imSommer 2000 erschienenenArtikel in der Aachener Zei-tung begann. Diesem war zuentnehmen, dass möglicher-weise der Wettbewerbsbeitragdes Architekten Mies van derRohe für das NationaltheaterMannheim aus dem Jahr 1952in Aachen postum umgesetzt

WVor Ort

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Martina Dlugaiczyk, Alexander Markschies

Das Reiff-Museum der RWTH AachenZu Vergangenheit und Zukunft einer akademischen Institution

Zu den noch erhaltenen Höhe-punkten der Sammlung, die ei-nen nicht unerheblichen Wertdarstellen, gehören Gemälde-kopien, etwa nach der „Sixtini-schen Madonna“ Raffaels, aberauch Originale, so der Sintflut-Zyklus von Wilhelm von Kaul-bach oder eine Marmorbüstevon Enrico Lampini.

Vom Projektseminar wirdzurzeit eine virtuelle Rekon-struktion des Museums erar-

008 kann das einhundert-jährige Jubiläum des Reiff-Museums der RWTH Aa-

chen gefeiert werden. Das istmehr als genug Grund und An-lass, an ein Museum zu erin-nern, das momentan eher vir-tuell existiert.

Namentlich verbindet sichdas Museum mit Franz Reiff(1835-1902), der seit 1870Ordinarius für Figur- und Land-schaftszeichnen an der dama-ligen Königlichen Rheinisch-Westphälischen Polytechni-schen Schule war und ihr 1902seine umfangreiche Sammlungstiftete. Die Sammlung umfass-te vornehmlich Kopien vonKunstwerken berühmter Mei-ster. Mit ihren über 250 Kunst-werken aus den Bereichen Ma-lerei, Graphik und Skulptur –hinzu kamen noch Gipsabgüs-se sowie Architekturmodelle –gehörte sie zu den größten Ko-piensammlungen des begin-nenden 20. Jahrhunderts über-haupt. Gedacht war sie für denanschaulichen Unterricht derStudierenden, ihre Präsenta-tion in mehreren Räumen deszwischen 1906 und 1909 er-richteten Gebäudes der Archi-tekturfakultät kann als überausinnovativ gelten.

Erster Direktor der Samm-lung war der Professor fürKunstgeschichte Max Schmid-Burgk (1860-1925). Er brachtedie Moderne nach Aachen. Sofanden hier zahlreiche Aus-stellungen statt, darüber hin-aus wurden mit „Blauer Berg“(1908/09) und „Improvisation24“ (1912) zwei Gemälde vonWassily Kandinsky für dieSammlung erworben. Es han-delt sich dabei um die erstenöffentlichen Ankäufe von Wer-ken Kandinskys in Deutsch-land. Ihr Verbleib ist leider un-bekannt.

Nach dem Tod von Schmid-Burgk hörte das Museum prak-tisch auf zu existieren, vor al-lem in den Jahren nach 1933sind viele Exponate verschenkt,veräußert oder in dunklen Kel-lern abgestellt worden, wo-durch sie in vielen Fällen leiderin Vergessenheit geraten sind.

Ein Projektseminar desKunsthistorischen Instituts ver-sucht seit geraumer Zeit denVerbleib der Werke genauernachzuweisen, bislang konntenknapp 40 Exponate im Umfeldder RWTH gesichert werden.

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beitet, die weitere Aufschlüsseüber Idee und Konzeption derSammlung ermöglicht. Geplantist darüber hinaus ein „Aus-leihpool“ von Kunstwerken zurAusstattung von Diensträumeninnerhalb der RWTH. Wie vieleandere Universitäten in Deutsch-land, allen voran die Humboldt-Universität in Berlin, kanndann auch die RWTH Aachenwieder stolz darauf sein, einMuseum zu haben. ●

Blick in das Museum. Man erkennt Kopien von Werken Dürers, Peter Paul Rubens, Jacob Joradaens und Antoniusvan Dycks.

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Mirko Baum

n seiner Aufgabenstellung,ein Ateliergebäude mit rund200 Arbeitsplätzen zu errich-

ten, stellte das Bauvorhabeneine ungewöhnliche Heraus-forderung dar. Einerseits solltedie Fakultät für Architektur vorder Öffentlichkeit ihre Fach-kompetenz unter Beweis stel-len, andererseits wurde sie mitden genehmigten, weit unterdem Minimum festgelegten Fi-nanzmitteln (4,9 Millionen DM)herausgefordert, ungewöhnli-che, auf Kostenminimierung,Wartungsfreiheit und äußersteRationalität gerichtete Wegezu beschreiten. Dies führte zueinem Konzept des „benutz-baren Rohbaus“, in dem aufdie gewöhnlichen Ausbaustan-dards weitgehend verzichtetwerden konnte.Das Gebäude besteht aus ei-ner Reihung von drei vonein-ander separierten Bauteilen: ei-nem Erschließungsbaukörpermit Rampe und Behinderten-fahrstuhl, einem Stahlgerüstmit Sonnenschutz, Fluchtbal-konen und Fluchttreppen, so-wie dem eigentlichen Gebäudedas – auf „Baumstützen“ auf-geständert – eine Art schwe-benden gläsernen Baukörperdarstellt. Dieser ist als eine inder Mitte durch Treppenraumund minimierte Infrastruktur(Sanitärräume, Nasszellen,Schließfächer und Teeküchen)geteilte Großraumanlage kon-zipiert, in die jeweils ein Empo-rengeschoss eingebaut ist.

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Impression vom so genannten„Baumhaus“ der Fakultät fürArchitektur.Foto: Peter Winandy

Das

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Neues Seminargebäude für die Architektur

Die aufgeständerte Gebäu-dekonzeption ist nicht nur tech-nisch in der auf wenige Punktekonzentrierten Berührung desschwierigen, größtenteils durchKriegsbauschutt geprägtenBaugrundes begründet (daherpunktuelle Bohrpfahlgründung),sie stellt auch im Hinblick aufpotenzielle Erweiterungen einein die Zukunft gerichtete städ-tebauliche Vorleistung dar, in-dem sie das zwischen demBahngelände und der Altbau-substanz gefangene Parterreals fußläufig durchgängige Zo-ne freihält.

Entsprechend dem anfangserklärten Konzept der War-tungsfreiheit und der „Philo-sophie des benutzbaren Roh-baus“ werden alle Teile des63,00 Meter langen, 12,60Meter breiten und 9,45 Meterhohen Gebäudes in ihrer na-türlichen Beschaffenheiten be-lassen und so durch feuerver-zinkten Stahl, scharfkantig ge-schälten Sichtbeton und Klar-glas geprägt. Demselben Ge-danken folgend wurden auchsämtliche Installationen sicht-bar verlegt. Somit wurde derGebäudeorganismus nicht nurkostensparend gestaltet, son-dern auch als ein exemplarischund didaktisch wirksames Stückder Baukonstruktion und derGebäudetechnik für die Benut-zer erlebbar gemacht. ●

„Baumhaus“

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● Dipl.-Ing. Kirsten Dörmannist Wissenschaftliche Mitarbei-terin am Lehrstuhl für Gebäu-delehre und Grundlagen desEntwerfens.

● Dipl.-Ing. Dietrich Elger istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Institut für industrielle Bau-konstruktion der UniversitätKarlsruhe.

● Dipl.-Ing. David Fischer istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehr- und Forschungsge-biet Denkmalpflege.

● Dipl.-Ing. Anke Fissabre istWissenschaftliche Mitarbeiterinam Lehrstuhl für Baugeschich-te und Denkmalpflege.

● Univ.-Prof. i.R. WilhelmFriedrich Führer war Inhaberdes Lehrstuhls für Tragkon-struktionen.

● Ir. Arch. Piet Geleyns M.S.war Wissenschaftlicher Mitar-beiter des Lehr- und Forschungs-gebietes Stadtbaugeschichte.

● Dr.-Ing. Rolf Gerhardt istProfessurvertreter am Lehr-stuhl für Tragkonstruktionen.

● Dipl.-Ing. Helmut Hachulist Wissenschaftlicher Mitarbei-ter am Lehrstuhl für Tragkon-struktionen.

● Dr.-Ing. Johann-WilhelmHeyden ist WissenschaftlicherMitarbeiter am Lehrstuhl fürTragkonstruktionen.

● Dr. phil. Joseph Imorde istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehrstuhl für Baugeschichteund Denkmalpflege.

● Univ.-Prof. Dr. phil. Eva-Maria Jakobs ist Leiterin desForschungsgebiets Textlinguistikam Institut für Sprach- undKommunikationswissenschaft.

● Univ.-Prof. Dr.-Ing. MichaelJansen ist Leiter des Lehr- undForschungsgebiets Stadtbau-geschichte.

● Dipl.-Geogr. Marion Klemmeist Wissenschaftliche Mitarbei-terin am Lehrstuhl für Planungs-theorie und Stadtplanung.

● Dipl.-Ing. Michael Kloos istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehrstuhl für Städtebauund Landesplanung.

● Dipl.-Ing. Florian Kluge istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehrstuhl für Landschafts-ökologie und Landschaftsge-staltung.

● Daniel Knieß ist Student ander Fakultät für Architektur.

● Lydia Konnegen M.A. istWissenschaftliche Assistentinam Lehr- und Forschungsge-biet Denkmalpflege.

● Dipl.-Ing. Gabriela Krügerist Wissenschaftliche Mitarbei-terin am Lehrgebiet Freiraum-und Grünplanung.

● Dipl.-Ing. Bernd KusserowM.Arch. ist WissenschaftlicherMitarbeiter am Lehrstuhl fürWohnbau und Grundlagen desEntwerfens.

● Univ.-Prof. Dr.-Ing. HajoLauenstein ist Leiter des Lehr-gebiets Freiraum- und Grün-planung.

● Dipl.-Ing. Karsten Ley istWissenschaftlicher Mitarbeiterdes Lehr- und Forschungsge-biets Stadtbaugeschichte.

● Dr. phil. AlexanderMarkschies ist Juniorprofessorfür Kunstgeschichte.

● Dipl.-Ing. Björn Martensonist Wissenschaftlicher Mitarbei-ter am Lehrstuhl für Wohnbauund Grundlagen des Entwer-fens.

● Dipl.-Ing. Steffen Nadrowskiist Wissenschaftlicher Mitarbei-ter am Lehrstuhl und Institutfür Landesplanung und Städte-bau.

● Univ.-Prof. Dr.-Ing. VladimirLalo Nikolic ist Inhaber desLehrstuhls für BaukonstruktionIII.

● Univ.-Prof. Dr. med. Dr. univ.med. Norbert Palluaist Direktor der Klinik für Plas-tische Chirurgie, Hand- undVerbrennungschirurgie.

● Dipl.-Ing. Kristina Pegelsist Wissenschaftliche Mitarbei-terin am Fachbereich Montan-historisches Dokumentations-zentrum/Bergbau-Archiv beimDeutschen Bergbau-Museumin Bochum.

● Dipl.-Ing. Andreas Allen istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehrstuhl für Bauplanung.

● Dipl.-Ing. Judith Bartel istWissenschaftliche Mitarbeiterinam Lehrstuhl für Baugeschichteund Denkmalpflege.

● Univ.-Prof. Dipl.-Ing. MirkoBaum leitet das Lehr- und For-schungsgebiet KonstruktivesEntwerfen.

● Dipl.-Ing. Ulrich Berding istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehrstuhl für Planungstheo-rie und Stadtplanung.

● Dr.-Ing. Wilhelm Busch istPrivatdozent für das LehrgebietGeschichte des Industriebausam Lehrstuhl für Gebäudelehreund Grundlagen des Entwer-fens.

● Dipl.-Ing. M.Arch. KarinDamrau ist WissenschaftlicheMitarbeiterin am Lehrstuhl fürGebäudelehre und Grundlagendes Entwerfens.

● Dipl.-Ing. Hendrik Danielist Wissenschaftlicher Mitarbei-ter am Lehr- und Forschungs-gebiet für ComputergestütztesPlanen in der Architektur.

● Dr. des. Martina Dlugaiczykist Wissenschaftliche Mitarbei-terin am Lehrstuhl und Institutfür Kunstgeschichte.

● Dipl.-Ing. Michael Doeringist Wissenschaftlicher Mitarbei-ter am Lehrstuhl für Baukon-struktion III.

Autoren

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● Dr.-Ing. Frank Pflüger istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehrstuhl für Planungstheo-rie und Stadtplanung.

● Univ.-Prof. Dr.-Ing. JanPieper ist Inhaber des Lehr-stuhls für Baugeschichte undDenkmalpflege.

● Dr.-Ing. Jörg Rekittke istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehrstuhl und Institut fürLandesplanung und Städtebau.

● Dr.-Ing. Evelin Rottke istOberingenieurin am Lehrstuhlfür Tragkonstruktionen.

● Dipl.-Ing. ChristophRuckert ist WissenschaftlicherMitarbeiter am Lehrstuhl fürLandschaftsökologie und Land-schaftsgestaltung.

● Univ.-Prof. Peter RussellM.Arch. ist Leiter des Lehr-und Forschungsgebiets Com-putergestütztes Planen in derArchitektur (CAAD).

● Dipl.-Ing. Rainer Rutow istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehrstuhl und Institut fürLandesplanung und Städtebau.

● Dipl.-Ing. Christian Schätzkeist Wissenschaftlicher Mitarbei-ter am Lehrstuhl für Baukon-struktion II.

● Dipl.-Arch. Bruno Schindlerist Wissenschaftlicher Mitarbei-ter am Lehrstuhl für Bauge-schichte und Denkmalpflege.

● Dipl.-Ing. Petra Schlömerbeendete ihr Architekturstu-dium mit dem Wintersemester2004/05.

● Univ.-Prof. Dr.-Ing. HartwigSchmidt ist Leiter des Lehr-und Forschungsgebiets Denk-malpflege.

● Dipl.-Ing. Gisela Schmitt istWissenschaftliche Mitarbeiterinam Lehrstuhl für Planungsthe-orie und Stadtplanung.

● Univ.-Prof. Dipl.-Ing.Hartwig N. Schneider ist In-haber des Lehrstuhls für Bau-konstruktion II.

● Univ.-Prof. Michael Schulzeist Inhaber des Lehrstuhls fürPlastik.

● Univ.-Prof. Dr.-Ing. KlausSelle ist Inhaber des Lehrstuhlsfür Planungstheorie und Stadt-planung.

● Dipl.-Ing. Marcus Sporer istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehrstuhl für Gebäudelehreund Grundlagen des Entwer-fens.

● Dipl.-Ing. ThomasStachelhaus ist Wissenschaft-licher Mitarbeiter am Lehr-und Forschungsgebiet Com-putergestütztes Planen in derArchitektur (CAAD).

● Veronika Stützel M.A. istWissenschaftliche Mitarbeiterinam Lehrstuhl für Landschafts-ökologie und Landschaftsge-staltung.

● Dr. med. Stefanie Vedecnikist Assistenzärztin an der Klinikfür Plastische Chirurgie, Hand-und Verbrennungschirurgie.

● Dr. phil. Gerhard Vinken istProfessurvertreter am Lehr- undForschungsgebiet Architektur-theorie und Kunstgeschichte.

● Univ.-Prof. Dr.-Ing. KunibertWachten ist Inhaber des Lehr-stuhls und Leiter des Institutsfür Landesplanung und Städte-bau.

● Dipl.-Ing. Andreas Waltherist Wissenschaftlicher Mitarbei-ter am Lehr- und Forschungs-gebiet für ComputergestütztesPlanen in der Architektur(CAAD).

● Dipl.-Ing. Marc Wiethegerist Wissenschaftlicher Mitarbei-ter am Lehr- und Forschungs-gebiet Denkmalpflege.

● Dipl.-Ing. Gerhart Wittfeldwar Wissenschaftlicher Mitar-beiter am Lehrstuhl für Gebäu-delehre und Grundlagen desEntwerfens und ist jetzt Pro-fessurvertreter für Gebäude-lehre an der FH Bochum.

● Dipl.-Ing. Jan Wurm istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehrstuhl für Tragkonstruk-tionen.Details der Fassade des so ge-

nannten „Baumhauses“ derFakultät für Architektur.Foto: Peter Winandy

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Namen&Im August brach eine Gruppevon Wissenschaftlern und Stu-dierenden des Lehr- und For-schungsgebietes Wirtschafts-und Sozialgeschichte zu einerzehntägigen Forschungsexkur-sion nach Weißrussland auf.Ziel des Projektes, das seitOktober 2003 an der RWTHAachen vorbereitet wurde, istdie Untersuchung und Doku-mentation eines Kriegsverbre-chens, das die 9. Armee derWehrmacht im März 1944 imGebiet um Ozarichi verübt hat.Dabei wurden etwa 50.000 Zi-vilisten – mehrheitlich alte Men-schen sowie Frauen mit Klein-kindern – in einen Lagerkom-plex auf dem Gefechtsfeld de-portiert und dort als menschli-che Schutzschilde missbraucht,um den Rückzug von Wehr-machteinheiten zu decken. Dieeinwöchige Aktion fordertenahezu 9.000 Todesopfer. DieForschergruppe der RWTH un-ter Leitung von Dr. ChristophRass kooperiert mit einer Ar-beitsgruppe der UniversitätKöln, die Zeitzeugenbefragun-gen durchführt, und mit derHistorischen Fakultät der Bela-russischen Staatsuniversität inMinsk. Dort wurden unter derLeitung von Professor ViktorKonstantinovitsch Korschukparallel zu den von der RWTHin Archiven in Berlin, Freiburgund Kornelimünster durchge-führten Recherchen Quellen-bestände gesichtet und ausge-wertet.

Martin Tillmann vom Aache-ner Fraunhofer-Institut für Pro-duktionstechnologien (IPT) er-hielt den mit 5.000 Euro do-tierten Walter-Masing-Preisder Deutschen Gesellschaft fürQualität (DGQ). Der nach demEhrenvorsitzenden der Gesell-schaft benannte Preis wurdezum neunten Mal verliehen.Tillmann wurde ausgezeichnetfür seine Arbeit über „Ganz-heitliche Qualitätsverbesserun-gen in der Produktion mit Hilfesystematischer Innovationsme-thoden“.

Der Deutsche Stahlbau-Verband(DSTV) zeichnete Univ.-Prof.Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. GerhardSedlacek mit der Auszeich-nung des deutschen Stahlbaus2004 aus. In der Begründungheißt es: „Er ist ein herausra-gender und international aner-kannter Wissenschaftler, derseit mehr als 25 Jahren maß-gebend die europäischen Re-gelwerke des Stahlbaus prägt.Seine fundierten Forschungs-und Entwicklungsarbeiten imStahlbau und in benachbartenGebieten überzeugen in ihrerBreite und Vielfalt. In uner-müdlicher und kraftvoller Arthat er zukunftsweisende inno-vative Ideen für den Stahlbauentwickelt, wissenschaftlichaufbereitet und konsequent indie Baupraxis umgesetzt.“

In seiner erfolgreichen Ge-schichte haben viele herausra-gende Forscher im CERN ge-forscht. Drei von ihnen wurdesogar die größte wissenschaft-liche Ehre, der Nobelpreis, zu-teil. Zwei dieser Nobelpreisträ-ger bekamen nun die Ehren-doktorwürde der RWTH verlie-hen. Zum einen wurde Profes-sor Dr. Carlo Rubbia geehrt,der zwischen 1989 und 1993CERN als Präsident vorgestan-den hat. Der italienische Expe-rimentalphysiker erhielt denNobelpreis 1984. Ebenfalls die Ehrendoktorwürde erhieltSamuel C.C. Ting, der langeJahre am CERN als Teamleitergeforscht hat.

Die drei besten Diplomarbeitendes Lehrstuhls für Stahlbau,die 2003 eingereicht und mit„Sehr gut“ bewertet wurden,wurden mit dem Hans-Albert-Neuman Preis ausgezeichnet.Der erste Preis ging an KaiSchmidt für seine Diplomar-beit mit dem Thema „Experi-mentelle und numerische Un-tersuchung zur Bewertung undOptimierung von Fußgänger-brücken“. Den zweiten Preisnahm Haval Khaffaf entgegen.Der dritte Preis wurde an JanHenrich Wagener verliehen.

Den Adolf-Martens-Preis 2004erhielt Dipl.-Ing. MatthiasMaurer vom Lehr- und For-schungsgebiet Werkstoffwis-senschaften für seine Arbeit„Aluminiunischaum-Spritz-schichtverbunde für den Leicht-bau“. Pulvermetallurgisch her-gestellte AI-Schäume wurdendurch thermische Spritzverfah-ren veredelt. Zwei neue vor-teilhafte Prozessrouten, dereasyFoam- sowie der spin-Foaming-Prozess wurden ent-wickelt und ihre technischeUmsetzbarkeit nachgewiesen.

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Nachrichten&Univ.-Prof. em. Prof. h.c. EgonKrause PH. D. erhielt auf demDeutschen Luft- und Raum-fahrtkongress den Ludwig-Prandtl-Ring. Dieser Ring istdie höchste Auszeichnung derDeutschen Gesellschaft fürLuft- und Raumfahrt. Krausewar bis 1998 Inhaber desLehrstuhls für Strömungslehreund Leiter des Aerodynami-schen Instituts. Auch die Aa-chener Professoren Theodorvon Kármán (1957), AugustWilhelm Quick (1975) undFritz Schultz-Grunow hattenden Ring erhalten.

Dr. med. Timo Krings, Klinikfür Radiologische Diagnostik,ist mit dem Wissenschaftspreisder Europäischen Gesellschaftfür Neuroradiologie ausge-zeichnet worden. Im Rahmender Jahrestagung der Gesell-schaft wurde der Preis für dieArbeit über die Behandlungvon Aneurysmen verliehen.

Seit 1989 förderte Univ.-Prof.Dr. Reiner Kopp Austauschund Kooperation zwischen denFachbereichen als Rektoratsbe-auftragter für die Interdiszipli-nären Foren. Dieses Amt über-gab er zum Jahreswechsel anUniv.-Prof. Dr. Thomas Gries.An einer großen Hochschulewie der RWTH Aachen bedarfes der organisierten Durchmi-schung der Fachbereiche, uminterdisziplinäre Themen er-folgreich zu bearbeiten. „Mitden Foren haben wir eine Platt-form gefunden, auf der dieKollegen unterschiedlicher Fach-bereiche zusammenkommenkönnen, um zukunftsträchtigeProjekte zu initiieren“, erklärteKopp. Auch für die Zukunftsieht er wichtige Aufgaben aufdie internen Netzwerke derHochschule zukommen. In Zei-ten des verstärkten Wettbe-werbs und der Debatte um Eli-teuniversitäten gelte es, dieschnelle Entscheidungsfähig-keit dieser flexiblen Struktur zunutzen und als Ratgeber fürdas Rektorat zu fungieren.

Die Leitung des in vielenBereichen interdisziplinär agie-renden Instituts für Textiltech-nik prädestiniert den neuenRektoratsbeauftragten gerade-zu für das Amt an der Spitzeder Foren. „Ich möchte“, sag-te Gries, „dass die RWTH Aa-chen in einigen Jahren sofortmit den Interdisziplinären Fo-ren und nicht nur mit einigenstarken Instituten in Verbindunggebracht wird.“ Erreichen will

er das Ziel auch durch stärkeresEinbeziehen von Nachwuchs-wissenschaftlern. Daneben liegtihm der Ausbau des Dialogsmit der Öffentlichkeit am Her-zen. Hier können die Forendurch Ringvorlesungen und diealljährlichen Themenabende ei-nen wertvollen Beitrag leisten.

Univ.-Prof. Dr. Leif Kobbelt,Inhaber des Lehrstuhls fürComputergraphik und Multi-media (Informatik VIII) derRWTH Aachen, erhielt den2004 zum ersten Mal vergebe-nen „Outstanding TechnicalAchievement Award“ der Eu-rographics Association. Die Eu-rographics Association ist eineinternationale Vereinigung vonWissenschaftlern und indu-striellen Anwendern, die sichmit Themen aus den BereichenComputergraphik, Visualisie-rung, Virtuelle Realität undMensch-Maschine-Schnittstel-len beschäftigt. Der Eurogra-phics Preis gilt als die wichtig-ste wissenschaftliche Auszeich-nung auf dem Gebiet der Com-putergraphik in Europa.

Fünf Jahre lang war der Kanz-ler der Heinrich-Heine-Univer-sität Düsseldorf, Ulf PallmeKönig, Sprecher der nordrhein-westfälischen Kanzlerkonfe-renz. 2004 hat der Kanzler derRWTH Aachen, Dr. MichaelStückradt, das Amt übernom-men. Der Wechsel war Anlasszum Blick nach vorn. BeideKanzler skizzierten bei derAmtsübergabe die zukünftigenAufgaben und Themenkreise,die die Arbeit der Kanzlerkon-ferenz NRW bestimmen wer-den.

Im November 2004 fand eineauswärtige Sitzung des Lan-deskabinetts in der RWTHstatt. Die Politikerinnen undPolitiker nutzten diese Gele-genheit, um sich über Lehreund Forschung an der Aache-ner Hochschule zu informie-ren. Peer Steinbrück und seinKabinett besuchten in Beglei-tung von Rektor Univ.-Prof.Dr. Burkhard Rauhut das In-stitut für Kraftfahrwesen (ika)sowie das Laboratorium fürWerkzeugmaschinen und Be-triebslehre (WZL).

In Aachen trafen sich Wissen-schaftler und Ingenieure ausLehre, Forschung und Industriezur zweiten europäischen Kon-ferenz über Farbwissenschaftund ihrer Anwendung in derdigitalen Bildtechnik – CGIV2004: „Farbe in Graphik, Bild-kommunikation und dem vi-suellen System“. Die Teilneh-mer kamen aus mehr als 20Ländern. Die von Univ.-Prof.Dr. Bernhard Hill, Inhaber desLehrstuhls und Leiter des Insti-tuts für Technische Elektronik,geleitete Konferenz befasstesich mit den Problemen derAufnahme, Verarbeitung undWiedergabe von Farbinforma-tion in der digitalen Bildtechnik.

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& Namen

Anlässlich seines 80. Geburts-tags hat die RWTH Univ.-Prof.Dr. Dr. h.c. Karl-HeinrichHeitfeld, einer der Begründerder Ingenieurgeologie inDeutschland und Ehrensenatorder RWTH, jetzt mit einer Fest-veranstaltung geehrt. Die Di-plom-Geologen Tobias El-Fahem, Marc Holland undTill Karl Rubbert erhieltenden „Heitfeld-Preis 2004“.Dipl.-Geol. Katharina Wulffund Dipl.-Geol. Andreas Buschkönnen sich dank Reisestipen-dien an ausländischen Univer-sitäten weiterqualifizieren.

Im Dezember 2004 vollendeteProf. Dr. rer. pol. Hans Hirschsein 80. Lebensjahr. Er vertratvon 1967 bis zu seiner Pensio-nierung im Jahre 1990 dasLehr- und ForschungsgebietAllgemeine Volkswirtschafts-lehre und Finanzwissenschaft,zunächst in der AbteilungWirtschaftswissenschaften derPhilosophischen Fakultät, da-nach in der neu gegründetenFakultät für Wirtschaftswissen-schaften. Hirsch wurde in Göt-tingen als Sohn des TheologenEmanuel Hirsch geboren. DieGegenstände seiner aktuellenInteressen und Forschungenhat Hans Hirsch in dem Sam-melband „Der schwierige Wegzur Marktwirtschaft – Abhand-lungen zur Transformationspo-litik“ zusammengefasst.

Aus der Fakultät für Bergbau,Hüttenwesen und Geowissen-schaften wurde die Fakultät fürGeoressourcen und Material-technik. „Seit dem Zusammen-schluss dieser Fächer 1880 ha-ben sich unsere Forschungsge-biete rasant weiterentwickelt“,so Univ.-Prof. Dr.-Ing. ReinerKopp, jetziger Dekan der Fa-kultät. „Es ist höchste Zeit, dasssich diese Dynamik auch imNamen der Fakultät widerspie-gelt. Der Titel ‚Georessourcenund Materialtechnik’ bringtdas breite Spektrum der Fakul-tät sehr gut zum Ausdruck.“

Zum zwölften Mal vergab dieOtto-Junker-Stiftung Preise fürhervorragende Studienleistun-gen in der Fakultät für Geores-sourcen und Materialtechnikund in der Fakultät für Elektro-technik und Informationstech-nik. Die Preisträger 2004 wa-ren Karsten Sommer, HaraldTatlik, Gerd Hinüber undThomas Plum. Die Preise sindmit jeweils 2.500 Euro dotiert.Die Otto-Junker-Stiftung wur-de 1970 von Dr.-Ing. e.h. OttoJunker, dem Gründer der OttoJunker GmbH in Lammersdorf,ins Leben gerufen.

Gleich zwei Aachener Fraun-hofer-Institute wurden aufdem „Fest der Forschung“ inDresden in Anwesenheit vonBundesbildungsministerinEdelgard Bulmahn und Mini-sterpräsident Prof. Dr. GeorgMilbradt mit Preisen des Stif-

terverbands und der Fraunho-fer-Gesellschaft ausgezeichnet.Das Fraunhofer-Institut für Pro-duktionstechnologie IPT erhieltden mit 10.000 Euro dotiertenJoseph-von-Fraunhofer-Preisfür die marktreife Entwicklungeiner minimalinvasiven Punk-tionsnadel aus kohlenstofffa-serverstärktem Kunststoff.

Das Fraunhofer-Institut fürLasertechnik ILT wurde gemein-sam mit dem Lehrstuhl für La-sertechnik der RWTH Aachen,der AIXUV GmbH und derPhilips Extrem UV GmbH mitdem mit 50.000 Euro dotiertenWissenschaftspreis des Stifter-verbands geehrt. Die Auszeich-nung gewann das Team ausForschung und Industrie fürdie besonders fruchtbare undenge Zusammenarbeit bei derEntwicklung eines neuen EUV-Lithographieverfahrens.

Gleich zwei von drei landeswei-ten Förderpreisen der StiftungDeutscher Architekten gingenan Studenten der RWTH Aa-chen. Eine Urkunde und 2.500Euro erhielt bei der Siegereh-rung in Düsseldorf Tobias Klodtfür seine Arbeit „ecovin – EinWeingut in Rheinhessen“, beider er den Ablauf der Wein-produktion auch auf die Archi-tektur des „Weingutes mit Be-herbergungsmöglichkeit“ über-tragen konnte. Den gleichenPreis erhielt Stefan Unnewehrfür seine „schwimmende Start-und Landeplattform für Zeppe-lin LZ-N07“. Darüber hinaussprach die Jury fünf mit jeweils500 Euro dotierte Anerkennun-gen aus. Eine davon erhielt derAachener Robert Hormes, dersich in seiner „Einsicht Garz-weiler“ mit den sozialen undökologischen Aspekten des Ta-gebaus auseinandergesetzt hat.

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Bücher„Geschichte der Physik ander TH Aachen im Chaos des2. Weltkrieges“Der pensionierte AkademischeDirektor des III. PhysikalischenInstituts Hubert Geller hat dieGeschichte der physikalischenInstitute während und kurznach dem 2. Weltkrieg ge-schrieben. Eingebettet in dielokalen Aachener Ereignissebeschreibt der Autor dieschwierigen Arbeitsbedingun-gen der Wissenschaftler in die-ser Zeit. Heute fast vergessenist die damalige Auslagerungder Physik-Institute nach Um-mendorf in Oberschwaben.Koloriert ist diese Geschichtedurch das Einfließen von zahl-reichen persönlichen Erlebnis-sen und Anekdoten.

Das Werk ist im AachenerHelios Verlag erschienen.

„Hospital-Kunst-Medizin.Festschrift für Axel HinrichMurken“Am Lehrstuhl für Geschichteder Medizin und des Kranken-hauswesens wurde seit 1981unter Leitung von Univ.-Prof.Dr.med Dr.phil. Axel HinrichMurken die Medizinhistoriestets vor dem Hintergrund all-gemeiner kultureller Hinter-gründe gesehen. Eine zum An-lass seines 65-jährigen Geburts-tags herausgegebene Fest-schrift bietet einen eindrucks-vollen Querschnitt zur Histo-riographie der Medizin, diesich auch durch ihre komple-xen Verknüpfungen mit demHospital- und Krankenhaus-wesen sowie mit der Literatur-und Kunstgeschichte vielfältigausgedrückt hat.

Die Festschrift ist als Sonder-band der Zeitschrift der Deut-schen Gesellschaft für Kranken-hausgeschichte, HISTORIAHOSPITALIUM, erschienen.

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50 Ausgaben

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Jubiläum

„RWTH-Themen“Redakteure und Redakteu-

rinnen kamen und gingen. 1980sind die Namen Gerd Wassen-berg, Ursula Kapitza und PeterHeusch im Impressum vertre-ten. Doris Herr und Maria Lutzkamen hinzu und mit der Aus-gabe 3/82 übernahm der heu-tige Leiter der RWTH-Presse-stelle Toni Wimmer die Redak-tion der „Themen“; Peter Klaueund Hans Wipperfürth unter-stützten ihn. 1991 wird Ange-lika Hamacher Redakteurin desMagazins. Die Auflage erreichteine Höhe von 8.000 Exempla-ren, die „Themen“ werdennicht nur in Aachen verbreitet,sie werden in ganz Deutsch-land, in Europa und auch in an-dere Kontinente versandt.

m Wintersemester 1979/80wurde eine neue Publikationder RWTH Aachen aus der

Taufe gehoben: die „RWTHThemen“. Die „Themen“ er-setzten die „Mitteilungen“.Und da 1979 im Frühjahr dieNummer 1 der „Mitteilungen“erschienen war, erhielt die er-ste Ausgabe der „Themen“ dieNummer 2/79.

Gegenüber den „Mitteilun-gen“ wurde der redaktionelleAnteil in den „Themen“ erheb-lich erweitert, Schwerpunktbe-richte über die wissenschaftli-che Arbeit der RWTH nahmenjetzt den größten Platz ein. Ver-antwortlich für den Relaunchdes Aachener Wissenschafts-magazins zeichneten der Rek-torreferent Walter Schlebuschund die Redaktion, bestehendaus Hanneliese Bertram undLeo Bosten. Angesichts dernoch reduzierten technischenMöglichkeiten war das Layouteher bescheiden und der DruckSchwarz/Weiß.

I Bereits 1989 gab es einengroßen Moment für das Lay-out: Farbe kam ins Spiel, zu-nächst aber nur auf den äuße-ren Umschlagseiten. Das Er-scheinungsbild des Magazinswurde klarer und erstmals fo-tografierte Peter Winandy fürdie „Themen“. Seine Bilderverleihen dem Wissenschafts-magazin bis heute eine eigenegestalterische Note. 1991 folg-te ein weiterer großer Sprungnach von: Professor KlausEndrikat übernahm die Gestal-tung der „Themen“ und schufihnen ein Aussehen, das in sei-nen Grundzügen bis heute ge-blieben ist. Redaktionell ver-abschiedete sich das Wissen-schaftsmagazin der RWTHvom Konzept der thematischenVielfalt und stellte nun pro Aus-gabe einen Forschungsschwer-punkt in allen seinen Facettenvor.

Weitere Farbe tröpfelte1992 in das Innere des Maga-zins: die Artikelüberschriftenleuchteten in Rot. Und mitdem neuen Millennium kamauch die Vierfarbigkeit, dieAusgabe 1/2000, „Geschichts-wissenschaften“, bestach erst-mals mit durchgehender Viel-farbigkeit und großflächigenFotos.

Im Sommersemester 2005ist nun die vorliegende Ausga-be der „RWTH-Themen“ er-schienen, es ist die 50.; anbeieinige Stimmen und Glück-wünsche zum Jubiläum vonVertretern aus Politik und Me-dien, Wissenschaft und Wirt-schaft. Bei dem derzeitigengroßen Erfolg der Gestaltungund des redaktionellen Kon-zepts sowie einer stetigen An-passung an Ansprüche und Er-wartungen werden sicherlichzahlreiche weitere Ausgabenfolgen, die weiterhin ein brei-tes Publikum erreichen wer-den. ●

Autor:

Dr. phil. Christof Zierath ist seitder Ausgabe 2/2002 Redakteurder „RWTH-Themen“.

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Berufsbedingt kreuzen nichtwenige Hochschulzeitungenund Forschungsmagazine mei-nen Tisch. Leider kann ichnicht jedes davon mit der ge-bührenden Aufmerksamkeitzur Kenntnis nehmen. Es gibtaber auch solche, wo meineSpannung größer ist als beianderen. Dazu gehören dieRWTH-Themen. Ich freuemich darüber, auf diese Weiseseit vielen Jahren schon überdas imposante Spektrum unddie weithin bekannte Exzellenzder Forschung an der RWTHzu lesen. Dazu lädt nicht zu-letzt eine ansprechende grafi-sche Gestaltung ein.

Prof. Dr. Detlev Müller-Böling,Leiter des Centrums für Hoch-schulentwicklung (CHE)

Die RWTH-Themenhefte, diedie Freundesgesellschaft derHochschule (proRWTH) mit ih-ren 1.300 Mitgliedern erhält,ermöglichen der Gesellschaft,ihre Mitglieder über Entwick-lungen an der RWTH sowieThemen- und Forschungs-schwerpunkte umfassend zuinformieren. Die Berichte undBeiträge spiegeln wider, dasses eine lohnenswerte Aufgabefür die Freunde und Fördererbleibt, die RWTH Aachen zustärken, ihre weltweite Spitzen-stellung weiter auszubauen unddamit eine notwendige Res-source für Spitzentechnologieund Eliteausbildung zu erhal-ten.

Dr.-Ing. Gunther Voswinckel,Vorsitzender von proRWTHund Vorsitzender der Geschäfts-führung der Otto Junker GmbH,Simmerath

Sowohl als Unternehmer –durch den Stiftungslehrstuhlfür Palliativmedizin meines ei-genen Familienunternehmens– wie auch als Präsident derIndustrie- und HandelskammerAachen (IHK), pflege ich seitvielen Jahren gute Kontaktezur RWTH Aachen. Auf Basisdes bundesweit ersten Koope-rationsvertrages zwischen einerHochschule und einer Wirt-schaftsregion unterstützenRWTH und IHK seit fast 30Jahren Existenzgründer undansässige Unternehmen. Die„RWTH-Themen“ gewährenden Lesern tiefe Einblicke indie Forschungsschwerpunkteder Hochschule, die ich mitgroßem Interesse verfolge.Mein Dank gilt besonders derRedaktion, der es immer wie-der gelingt, komplizierte Zu-sammenhänge verständlichdarzustellen.

Dipl.-Kfm. Michael Wirtz,Präsident der Industrie- undHandelskammer (IHK) Aachen

Seit mehr als 25 Jahren verfol-ge ich nun schon die „RWTH-Themen“. Sie sind ein wirklichgelungenes Werk, das es denwissenschaftlichen Mitarbei-tern ermöglicht, ihre Arbeit ei-ner breiten Öffentlichkeit vor-zustellen. Sehr anschaulich, mitBildern verdeutlichend, schaf-fen sie es, die hochwissen-schaftlichen Themen und For-schungsergebnisse auch denNicht-Spezialisten zu präsen-tieren. Bisweilen haben dieAusgaben sogar die Qualitätvon populären Bestsellern, mitder Folge, dass man fasziniertund gefesselt ist und das Heftgar nicht mehr aus der Handlegen möchte.

Forschung ist nicht etwas,was im stillen Kämmerlein be-trieben wird. Forschung sollunser Leben bereichern, er-leichtern und verbessern. Dazubraucht sie ein geeignetes Fo-rum. Die „RWTH-Themen“finden nicht nur Beachtung inder Hochschule und der StadtAachen, sie haben Dank desInternets eine weltweite Platt-form und, was von entschei-dender Bedeutung ist, auch ei-ne entsprechende Nachfrage.

Ich wünsche den RWTH-Themen auch für die Zukunfthochinteressante Ausgabenund die noch viel wichtigereentsprechende Resonanz.

Dr. Jürgen Linden, Oberbür-germeister der Stadt Aachen

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Ich lese die „RWTH-Themen“immer wieder gern, weil sie ei-nen guten Einblick in die Spit-zenforschung einer der bestenHochschulen Europas geben –der RWTH Aachen. Besonderserfreulich: Die Beiträge sindgut aufbereitet und sind Orien-tierung für den Wissenschafts-journalismus. Die „RWTH-Themen“ zeigen: Wissenschaftund Forschung sind nicht nurspannend, sondern sie sindauch wichtig für die Zukunftunseres Landes. Als Wissen-schaftsministerin ist mir sehrdaran gelegen, möglichst vieleMädchen und Jungen für einStudium zu motivieren. Ichwünsche mir daher, dass die„RWTH-Themen“ vor allembei jungen Menschen Lust undNeugier auf das AbenteuerForschung weckt.

Das Lay-out der „RWTH-Themen“ ist sehr ansprechendund ich bin sicher, dass auchWissenschaftler anderer Fakul-täten, die sich über den Standin einem der Schwerpunktthe-men informieren wollen, dieeinzelnen Hefte gern zur Handnehmen. Dieser Spagat zwi-schen fachlich solider Informa-tion und moderner Darstellungist gelungen. Eine solch guteAufbereitung steigert das Ver-ständnis der Menschen für Wis-senschaft und Technik. Dennfest steht: Nur exzellente Lei-stungen in Wissenschaft undForschung sichern unsere Zu-kunft und Wettbewerbsfähig-keit. Wir müssen die Menschenwieder für den Fortschritt be-geistern.

Die 50. Ausgabe der„RWTH-Themen“ macht Lustauf mehr. Alles Gute zur Jubi-läumsausgabe und: weiter so!

Hannelore Kraft, Ministerinfür Wissenschaft und ForschungNRW

Der RWTH verdanke ich Bil-dungs-Einsichten, die Neugierweckend und oft anregend wa-ren. Bei Besuchen ais „HalloÜ-Wagen“-Moderatorin zuThemen wie zum Beispiel Son-nen-Energie, PC-Entwicklungoder Roboter-Zukunft und alsJury-Mitglied des „RWTH-Prei-ses Wissenschaftsjournalismus“.Seit 1996 komme ich dadurchmit völlig neuen Erkenntnissenin Kontakt. (Ehrlicherweisewürde ich mich als Spezialistinfür den Sachbereich kommuni-kative und soziale Auftritts-,Gruppen- und Erfolgs-Kompe-tenzen sonst wohl kaum mitThemen wie Delfin-Haut oderSchwarze Löcher beschäftigen).Atemberaubendes und man-ches echt Geniale war dabei.Also: Herzliche Gratulation zumGeburtstag und die bestenWünsche für viel Erfolg in derZukunft.

Carmen Thomas, Geschäfts-führende Direktorin der 1. ModerationsAkademie fürMedien und Wirtschaft

Die Wettbewerbsfähigkeit desStandorts Deutschland hängtentscheidend von seiner Inno-vationskraft ab. Dafür gilt esVerständnis zu wecken, dennin der deutschen Gesellschaftist zum Teil eine große Skepsisgegenüber neuen Technolo-gien zu beobachten.

Ich sehe in den „RWTH-Themen“ einen gelungenenBeitrag unseres Kooperations-partners RWTH Aachen, dieFaszination Technik in sehr an-schaulicher Form zu vermitteln.Die interdisziplinär gestaltetenInhalte sprechen ein breitesPublikum an, helfen, das Ver-stehen von Technik gezielt zufördern und Innovationen alsChance zu begreifen.

Dr.-Ing. Karl-Ulrich Köhler istVorsitzender des Vorstands derThyssenKrupp Stahl AG

Jubiläum

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Das Wissenschaftsmagazin ei-ner der führenden europäi-schen, technischen Hochschu-len, gibt einen breiten, aberauch detaillierten Einblick indie Wissens- und Forschungs-gebiete der RWTH. Die Qua-lität, das Layout und der Pra-xisbezug bieten eine Informa-tionsplattform über die Lehr-und Forschungsgebiete derRWTH Aachen für Freundeund Studenten der Hochschule.

In einer Zeit, wo es mehrdenn je auf Bildung, Forschungund Innovation sowie die dazunotwenige Erbringung vonSpitzenleistungen in Deutsch-land ankommt, damit wir dieHerausforderungen der nahenZukunft meistern und dieGrundsteine für den Ausbaueiner hochentwickelten Indu-strienation legen können, istInformation und Öffentlich-keitsarbeit besonders wichtig.

Arndt G. Kirchhoff, Vorsitzen-der des VDA-Mittelstandskrei-ses und GeschäftsführenderGesellschafter der KIRCHHOFFAutomotive GmbH & Co. KG

Die „RWTH Themen“ sind fürmich ein ganz spezielles Wis-senschaftsmagazin. Spezielldeshalb, weil es zum jeweiligenFachgebiet den Stand von Wis-senschaft und Forschung ein-drucksvoll dokumentiert. Spe-ziell aber vor allem, weil esnicht anonym ist. Die „RWTHThemen“ stellen den Kontaktzur Hochschule her, zu ihrenInstituten, den Arbeitsschwer-punkten, den Mitarbeitern. Die„RWTH Themen“ vermittelnnicht nur Information, sondernsie sind ein erstklassiger Bot-schafter der RWTH und ihrerwissenschaftlichen Kompetenz.

Dr.-Ing. Mario Theissen,Direktor BMW Motorsport

Die „RWTH-Themen“ bietenfundierte Fachinformationen inbesonderer Tiefe an. Trotz dereher zielgruppenspezifischenOrientierung werden die häu-fig komplexen Themen an-schaulich dargestellt. Das Ma-gazin ist Medium und Motiva-tion für Dozenten und Studen-ten, sich über die Grenzen derRWTH Aachen hinaus darzu-stellen. Als ehemaliger Kommi-litone freue ich mich, gelegent-lich ein Exemplar der „RWTH-Themen“ in den Händen zuhalten und so an vergangeneErlebnisse an der RWTH erin-nert zu werden.

Ich gratuliere zur 50. Aus-gabe.

Kemal Sahin, Präsident derTürkisch-Deutschen Industrie-und Handelskammer (TD-IHK)und Vorsitzender der SahinlerHolding

Die „RWTH-Themen“ glei-chen einem Eisberg, der denLeser nur erahnen lässt, wieviele intensive Aktivitäten in-nerhalb der RWTH ablaufen.Immer wieder belegt das Ma-gazin, dass in Aachen auf viel-fältigsten Gebieten an vorder-ster Front geforscht wird. Die-se Abbildung der Aktivitätenhat nicht nur in der Außenwir-kung eine wichtige Funktion,sondern erlaubt auch jedemMitarbeiter den so wichtigenBlick über den fachlichen Tel-lerrand. So erfährt man, dassauch im Nachbargebäude anInteressantem gearbeitet wird,wobei Interessierte auch überdie Details der Forschung vie-les erfahren. Diese interneKommunikation ist entschei-dend für die Genese weitererinterdisziplinärer Projekte undführt auf Dauer zu einer Stär-kung des Selbstbewusstseinsaller Mitarbeiter. So interessantdie Beiträge auch sind, sie blei-ben nur die Spitze eines gro-ßen Eisbergs der Forschung!

Ranga Yogeshwar, Leiter derProgrammgruppe Wissen-schaft des WDR

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Deutschland hat leider nochkeine Alumni-Kultur, wie wirdas von amerikanischen Uni-versitäten kennen. Viele Absol-venten wissen deshalb zu we-nig von den Kompetenzen ih-rer Hochschulen. Sie könnendiese Kompetenzen in ihrerberuflichen Tätigkeit nicht indem Maße nutzen, wie diesbeiden Seiten Vorteile brächte.Die „RWTH-Themen“ helfenmit, diese Brücke zu bauen.

Dr. Alfred Oberholz, Vorstandsmitglied der Degussa AG

Mit den „RWTH-Themen“ er-füllt die RWTH Aachen in vor-bildhafter Weise den Anspruch,die Leistungen ihrer Forsche-rinnen und Forscher ans Lichtder Öffentlichkeit zu bringenund damit der Gesellschaft Re-chenschaft über ihre Arbeit zugeben. Sie tut dies sehr an-schaulich, ohne dabei den An-spruch an eine wissenschaft-liche Berichterstattung preis-zugeben. Ich wünsche den„RWTH-Themen“ deshalbweiterhin eine breite und in-teressierte Leserschaft.

Prof. Dr. Peter Gaehtgens,Präsident der Hochschul-rektorenkonferenz

Obwohl ich seit vielen Jahrenmein Berufsleben fern von denBrennpunkten der Wissenschaftverbringe, bleibt doch die Neu-gier lebendig. Die „RWTH-Themen“ erlauben mir vonZeit zu Zeit Einblick in Schwer-punktsthemen, die in Aachenbehandelt werden. Die Spra-che ist verständlich und die Illu-strationen machen die behan-delten Themen anschaulicher.Jedes Heft ist darüber hinauseine Erinnerung an die eigeneStudienzeit. Auch das hat sei-nen Wert.

Gert Schulte-Hillen, Vorsitzender des Aufsichtsratesder Bertelsmann AG

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Toni Wimmer

Brücken

● Erstens geht es um das Zu-sammenspiel der Medien, etwaum das Verhältnis von Text, Bildund/oder Musik. Multimedia-lität – so zeigen bereits die Er-gebnisse der letzten Forschungs-phasen – gewinnt nicht erst imComputerzeitalter Bedeutung,sondern war immer schonKennzeichen kultureller Kom-munikation.● Zweitens befassen sich dieWissenschaftler mit der media-len Infrastruktur einer Kulturund den institutionalisiertenMassenmedien, wie Hörfunk,Fernsehen, Film und Internet.Dabei geht es vor allem umdie Frage, wie in einer globali-sierten Gesellschaft und einerimmer unübersichtlicheren Me-dienlandschaft Mitteilungenihre Empfänger erreichen. „Umein Thema in den Medien zuplatzieren, bedarf es der Sicht-barkeit“, so Jäger. „Die Visua-lisierung ist Voraussetzung undOrientierung für Aufmerksam-keit in den Medien. Deshalb istSichtbarmachung nicht nur im

Sinne der Verbildlichung längstein Zauberwort in Wissenschaftund Politik.“● Drittens wird auch unter Ein-beziehung außereuropäischerKulturen analysiert, wie die Re-flexion über Medien erfolgt.Wer beteiligt sich in welcherWeise am Diskurs über Me-dien? Und wie wirkt dieser aufdie Mediennutzung zurück?Die Kommunikation über Me-dien gibt nicht nur Aufschlussüber die Publikumswirkung,sondern prägt auch die Me-dien selbst. In derartigen Di-skurszusammenhängen kom-men sowohl die jeweiligen me-dialen Machtverteilungen alsauch das kulturelle Selbstver-ständnis einer Gesellschaft zumAusdruck.

„Diese Fragen reichen von neu-rologischen und informatischenGesichtspunkten über Kultur-vergleiche bis hin zu Musik-und Kunstgeschichte“, be-schreibt Jäger das fachüber-greifende Spektrum. Nur indieser Breite lassen sich ausseiner Erfahrung die Ursachenund Wirkungen medialer Zu-sammenhänge sinnvoll erfas-sen. „In der Mediengeschichtehaben sich komplexe Mythenentwickelt, zu deren Entschlüs-selung ganz unterschiedlichefachliche Expertise erforderlichist.“

Einer dieser Mythen be-sagt, dass das Bild den Textverdränge. Solche Befürchtun-gen lassen sich jedoch kaumerhärten, meint Jäger. Vielmehrbestehe zwischen beiden For-maten eher eine verstärkendeWirkung. Genauso verhält essich mit dem Vorurteil, globaleTrends zerstörten lokale Kultu-ren. Jäger: „Regionale Kultu-ren reagieren sehr einfallsreichauf neue Medien, verleiben sie

ie beeinflussen Me-dien unsere Kultur?Was ist neu an den

,Neuen Medien’? Wie reagie-ren lokale Gesellschaften aufglobale Medien? Mit der Be-antwortung dieser und andererFragen beschäftigt sich seitnunmehr sechs Jahren das vonder Deutschen Forschungsge-meinschaft und dem Ministe-rium für Wissenschaft und For-schung des Landes NRW ge-förderte Forschungskolleg „Me-dien und kulturelle Kommuni-kation“. Insgesamt 21 Profes-soren aus zwölf Fachbereichen,35 Wissenschaftliche Mitarbei-ter und zahlreiche Hilfskräftearbeiten in diesem Forschungs-verbund der Universitäten Aa-chen, Bochum, Bonn und Kölnzusammen. Zu Beginn der drit-ten Förderphase wurde Univ.-Prof. Dr. Ludwig Jäger vomLehrstuhl für Deutsche Philo-logie des Instituts für Sprach-und Kommunikationswissen-schaft der RWTH als Geschäfts-führender Direktor wiederge-wählt. Das Kolleg verfolgt einekulturwissenschaftlich orientier-te Medienwissenschaft, die in-novative Forschungsthemen zuMedientheorie und -entwick-lung erschließt.

„Menschliche Kommunika-tion war schon immer medial.Medien und Kultur sind so ge-wissermaßen die zwei Seitender gleichen Medaille“, um-reißt Professor Jäger den Hin-tergrund der interdisziplinärenKooperation. „Mediale Gesell-schaften befinden sich bei derRezeption und Reflexion derKommunikationsmittel immerim Spannungsfeld von Geistund Technik.“ Deshalb sind fürden Sprachwissenschaftler kul-turelle Entwicklungen nichtohne ihre technischen Rahmen-bedingungen zu verstehen.Dieser Zusammenhang wird ininsgesamt 14 Teilprojekten vorallem mit Blick auf folgendedrei Aspekte untersucht:

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Ludwig Jäger vom Lehrstuhl fürDeutsche Philologie und Institutfür Sprach- und Kommunika-tionswissenschaft der RWTHAachen.Foto: Peter Winandy

Forschungskolleg „Medien und kulturelleKommunikation“ in der dritten Phase

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der Kultur

in ihren kulturellen Kontext einund entwickeln sie weiter.“Und auch die Beeinflussungdes Individuums durch die Me-dien wird den Ergebnissen vonJäger und seinen Kollegen zu-folge überbewertet: „Der ge-nerelle Manipulationsverdachtdurch Medien hat sich so nichtbestätigt.“

Die Fülle der Ergebnisseaus theoretischen und empiri-schen Einzelanalysen unter-schiedlichster Fachdisziplinenermöglicht es, solche Mythenkritisch einzuschätzen undneue Einsichten in die Verfah-ren zu gewinnen, mit denenMedien Kultur erzeugen undverändern. Kommunikationvollzieht sich – so ein zentralerBefund – nie monomedial, siewar vielmehr immer schonintermedial. „Die Inhalte wan-dern durch die verschiedenenMedien und wandeln sich da-durch“, schildert ProfessorJäger. Informationen sind nichtmedienneutral; sie werden viel-mehr durch das jeweilige Me-

dium geprägt. Durch die Über-tragung in ein anderes Mediumändern sie nicht nur ihre Form,sondern auch ihren Inhalt. Zu-gleich erhalten sie durch ziel-gruppenspezifische Aufberei-tung jeweils andere Schwer-punkte und Akzente. „Wir le-ben in einer Welt der Trans-kription. Zu fragen ist deshalbimmer: Woher kommt die In-formation und durch welcheHände ist sie gegangen?“

Von der medialen Infra-struktur einer Kultur hängt esab, wie und worüber sie zukommunizieren erlaubt. Me-dien machen vor allem sicht-bar, hörbar, lesbar, kurz: wahr-nehmbar. „Durch ihre Verfah-ren der Veranschaulichungkonstruieren sie in gewisserWeise unser Verständnis vonWelt“, so Jäger. „Medien ma-chen die Welt plausibel“. Sieschaffen demnach Evidenz fürSachverhalte und Ereignisse,die sonst unzugänglich und un-verständlich bleiben. Diese me-diale Inszenierung von Ereig-

nissen wird nach Jägers Auf-fassung bedeutender werden:„Die Rolle der Medien in mo-dernen Gesellschaften wirdauch deshalb immer unent-behrlicher, weil sie selbst eineForm der Wirklichkeit darstel-len, die sich ständig reprodu-ziert.“

Der veränderte Blick aufmediale Entwicklungen wirftmit den neuen Antworten zu-gleich weitere Fragen auf, dieinsbesondere das Verhältnisvon Medien, Kultur und Tech-nik betreffen. Denen will sichProfessor Jäger ab 2009 in ei-nem Zentrum für Medienkul-tur widmen, für dessen Ein-richtung er sich gemeinsammit den beteiligten Universitä-ten einsetzt. ●

Autor:

Toni Wimmer M.A. ist Leiter des Dezernats Presse-und Öffentlichkeitsarbeit.

Im Rechen- und Kommunika-tionszentrum werden die Grund-lagen geschaffen für webbasier-te Informationssysteme.Foto: Peter Winandy

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Geothermische TiefbohrungMehr als 12.000 Besucher informierten sich über „SuperC Geotherm“

Die Energieversorgung des„SuperC“ erfolgt durch einetiefe Erdwärmesonde. Im äu-ßeren Ringspalt eines 20 Zen-timeter starken Rohres gelangtkaltes Wasser in die Tiefe, woes sich langsam am Gestein er-wärmt und vom tiefsten Punktder Bohrung über ein in derMitte liegendes Rohr nachoben steigt. Erhitzt auf 70 bis80 Grad Celsius fließt es in dasEnergieversorgungssystem desneuen Gebäudes, in dem esein Kaskadensystem, die Warm-wasserbereitung, Konvektoren,die Fußbodenheizung undDeckenheizkörper durchläuft.Im Winter wird das Gebäudemittels der gewonnenen Wär-meleistung beheizt, im Som-mer wird die Erdwärme durcheine Adsorptionskältemaschinezur Gebäudekühlung genutzt.Durch das konstante Tempera-turgefälle zwischen Gesteinund Sondenwasser kommt esnach einiger Zeit zu einem kon-tinuierlichen Wärmezuflussund die Bohrung kann dauer-haft einen großen Teil zur Ener-gieversorgung des „SuperC“beitragen.

Im Juli 2004 hatten dernordrhein-westfälische Energie-minister Dr. Axel Horstmann,Aachens OberbürgermeisterDr. Jürgen Linden sowie derRektor der RWTH Prof. Dr.Burkhard Rauhut das Projektvorgestellt und den Startschusszur größten Tiefbohrung derAachener Stadtgeschichte ge-geben. In den folgenden Mo-naten nutzten mehr als 12.000Besucher die Gelegenheit, dieInfo-Station zur Tiefbohrungzu besuchen und unter fach-kundiger Leitung einen Blickauf den ohne Unterbrechungarbeitenden Bohrmeißel zuwerfen. Durch die verwende-ten schallgedämpften Diesel-aggregate sowie die Kapselungder Arbeitsbühne kam es wäh-rend der gesamten geothermi-schen Bohrung zur Zufrieden-heit der Anwohner nicht zuden im Vorfeld befürchtetenGeräuschpegeln.

Nach zahlreichen geophysi-kalischen Messungen und demAusbau des Bohrgestängeswurde das Bohrloch gesäubert,verrohrt, zementiert und durcheinen Bodenflansch verschlos-sen. Während der gesamtenBohrung nahmen im Rahmender geologischen Begleitfor-schung des Projektes wissen-schaftliche Mitarbeiter des Geo-logischen Instituts Gesteins-proben aus verschiedenen Tie-fen, die wichtige Aufschlüsseüber das Aachener Unterlandgeben können.

Weitere Informationen zumProjekt „SuperC Geotherm“finden sich unter www.superc.rwth-aachen.de. ●

Autor:

Stefan Schlitt ist StudentischeHilfskraft in der Pressestelleder RWTH.

ie Geothermische Tief-bohrung „RWTH-1“neben dem Hauptge-

bäude der RWTH hat im No-vember 2004 ihre Zieltiefe von2,5 Kilometer erreicht. Das Pro-jekt „SuperC-Geotherm“ wur-de geleitet vom Institut fürMarkscheidewesen, Bergscha-denkunde und Geophysik imBergbau. Im weiteren Projekt-verlauf konnte nach umfang-reichen Arbeiten am Bohrlocheine kontinuierliche Wärmezu-fuhr sichergestellt werden, diedas neue studentische Service-center „SuperC“ versorgen soll.Sie wird einer Leistung von 450Kilowatt sowie einer erzeugtenWärmemenge von 625 Mega-wattstunden pro Jahr entspre-chen und bis zu 80 Prozentdes gesamten Heiz- und Kühl-bedarfs des neuen RWTH-Ge-bäudes decken. Das studenti-sche Servicecenter „SuperC“,das im Profil einem überdimen-sionalem C gleicht, wurde vonden Aachener ArchitektinnenFritzer und Pape entworfen.

Alle Dienstleistungen, vonder Zentralen Studienberatungüber das Studierendensekreta-riat, das Akademische Auslands-und das Prüfungsamt bis hinzu einem Career-Center sollenunter einem Dach vereint wer-den. Damit bietet die RWTHeine zentrale Anlaufstelle fürdie verwaltungstechnische Be-treuung während des gesam-ten Studiums. Dies ist einmaligin der deutschen Hochschul-landschaft.

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Der Bohrturm der Geothermi-schen Tiefbohrung „RWTH-1“.

Foto: Peter Winandy

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hat ihr Ziel erreicht

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Molecular

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ScienceMolekülebestimmenunserLeben

for Life

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Tragwerkkonstruktion im Gartenhinter dem Reiff-Museum, demFakultätsgebäude für Architektur.Foto: Peter Winandy

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Von Anfang an gut beraten.Mit dem Sparkassen-Finanzkonzept.

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© Muppets Holding Company, LLC.

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