RWTH-Themen Mathematik ist überall

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BERICHTE AUS DER RHEINISCH- WESTFÄLISCHEN TECHNISCHEN HOCHSCHULE AACHEN AUSGABE 2/2008 ISSN-NR. 0179-079X W -6Y3 N Z-XA7 Mathematik ist überall

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Berichte aus der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen

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BERICHTEAUS DERRHEINISCH-WESTFÄLISCHENTECHNISCHENHOCHSCHULEAACHEN

AUSGABE 2/2008

ISSN-NR.0179-079X

W-6Y3

NZ-XA7Mathematikist überall

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ImpressumHerausgegeben

im Auftrag des Rektors:

Dezernat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

der RWTH Aachen Templergraben 55

52056 AachenTelefon 0241/80-94327Telefax 0241/80-92324

[email protected]

Verantwortlich:Toni Wimmer

Redaktion:Sabine Busse

Angelika Hamacher

Fotos:Peter Winandy

Martin Lux (Seite 70, 71)

Titel:Mathematik an

der RWTH Aachen:Wissenschaft transparent

an der Schnittstelle zwischen Abstraktion

und Innovation.Peter Winandy

Rücktitel:Mitarbeiter des Lehrstuhls

D für Mathematik sowiedes Rechen- und

Kommunikations-zentrums mit „ihrer”

RWTH-ID.Peter Winandy

Art direction:Klaus Endrikat

Anzeigen:print´n´press, Aachen

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Anzeigenberatung:Elisabeth Mörs

Telefon 06131/580 04 [email protected]

DTP:ZAHRENDesign,

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Druck:Brimberg

Druck und Verlag GmbH, Aachen

Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier

Das Wissenschaftsmagazin „RWTH-Themen”

erscheint einmal pro Semester. Nachdruck einzelner Artikel,

auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion.

Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren verantwortlich.

Wintersemester 2008

THEMEN 2/2008AUS DEM INHALT

Mathematik ist überall?! Eine Schlüsseltechnologie verändert die Welt 6Die virtuelle Erschließung der Realität 12VDI-Richtlinie 4008,9 – Eine ModellerweiterungAnalyse der Zuverlässigkeit redundanter Systeme 20Yin-Yang-Kurven lösen ein Packungsproblem 26 Unendliche Spiele 30Verkehrsstau auf Autobahnen – Kann die Mathematik helfen? 34Wie viele Patienten braucht eine Klinische Studie? 36Diskret, leicht zu merken und massenhaft verfügbar 42Strömungen fordern die Numerik heraus 46Frühwarnsysteme für Technik und Wirtschaft 50Der Mathezirkel – Schüler machen Mathematik 58Mathematik in die Schulen 60Statistik multimedial 64Tagung der Deutschen Stochastiker 70Das SuperC 72Namen & Nachrichten 74

Foto: Peter Winandy

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Aachen hat wieder die Nase vorne: DasBundesministerium für Bildung und For-schung sowie der Stifterverband für dieDeutsche Wissenschaft haben ihr bewährtesVeranstaltungsformat des Wissenschafts-sommers von einem zentralen deutschenStandort auf mehrere Austragungsorte aus-gedehnt. Aachen hat den Zuschlag für dieerste Auflage dieser regionalen Veranstal-tungsformate erhalten.

Aachen wäre nicht die Spitze im Westen,wenn diese Gelegenheit nicht einvernehm-lich von allen Partnern eine besondere Aus-prägung als Wissenschaftsherbst gefundenhätte. Vom 9. bis zum 18. November bietetdie Veranstaltergemeinschaft aus Stadt Aa-chen, RWTH Aachen, FH Aachen, Musik-hochschule NRW, Abteilung Aachen, Katho-lische Hochschule NRW, Abteilung Aachen,und Forschungszentrum Jülich ein buntesFeuerwerk an unterhaltsamer Wissen-schaftsvermittlung. Kunst und Kabarett,Film und Theater, Musik und Ausstellungenstehen dabei ganz im Zeichen der Mathe-matik. Den Höhepunkt bildet die AachenerWissenschaftsnacht am 14. November. Das umfangreiche Programm erfahren Sie unterwww.aachener-wissenschaftsherbst.de.

Grundlage für diese öffentlichkeitswirksa-me Präsentation von konkreter Anwendungmathematischer Lehre und Forschung ist dieakribische Arbeit der Wissenschaftlerinnenund Wissenschaftler in der Fakultät für Ma-thematik, Informatik und Naturwissenschaf-ten. Ihr Engagement und ihre Kreativität,vor allem aber auch ihre Kooperation mitanderen Disziplinen der Hochschule schaf-fen die Voraussetzungen für wegweisendeInnovationen in gänzlich anderen Fachge-bieten. Aktuelle Beispiele dieser grundlegen-den Arbeit der Mathematik finden Sie indieser Ausgabe der „RWTH-Themen" zu-sammengefasst. Ich wünsche viel Vergnü-gen bei der Lektüre!

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ernst SchmachtenbergRektor

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Erster Wissenschaftsherbst in Aachen

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Erhard Cramer, Arnold Reusken

mathematischer Kenntnisse, umdie angebotenen Finanzproduktebeurteilen zu können. Die Risikenvon Versicherungsverträgen müs-sen bewertet und die zugehöri-gen Prämien tarifiert werden.Diese Auswahl von Anwendun-gen und Anwendungsfeldern lässtsich noch um viele Beispiele undGebiete ergänzen. Mathematikist eine Schlüsseltechnologie, ohnederen Beiträge unser Leben jetztund in Zukunft anders aussähe:im Leben steckt jede MengeMathematik.

Die Bedeutung der Mathe-matik erschöpft sich aber keines-wegs in ihrer Anwendbarkeit inWissenschaft und Praxis. Schongar nicht stellt sie eine lose Samm-lung nützlicher Methoden für Die-ses oder Jenes dar. Für das Selbst-verständnis der meisten Mathe-matiker ist vielmehr die Vorstel-lung bedeutsam, dass die Mathe-matik ihrem Wesen nach eineGeisteswissenschaft ist. Mathe-matische Denkmethoden undTheorien belegen, zu welchenautonomen und kreativen Leis-tungen der menschliche Geistfähig ist. Wie auch immer dieEntwicklung und möglicherweiseAnwendung mathematischenWissens verlaufen sind und ver-laufen, die mathematischenObjekte sind ihrer Natur nachGebilde des reinen Denkens.Das Faszinierende an der Ma-thematik ist die Möglichkeit,durch Denken neue Welten er-schaffen zu können, deren in-nere Stimmigkeit grundsätzlichvon jedem überprüft werdenkann. Was Außenstehende oftnicht ahnen: Das Universummathematischer Theorien undAnwendungen expandiert stän-dig: In Mathematik steckt jedeMenge Leben.

Aus diesen Aspekten resultie-ren die Grundpfeiler mathemati-scher Forschung: Grundlagenfor-schung und anwendungsorien-tierte Forschung. Jede für sichträgt zu neuen Erkenntnissen bei,beide sind unverzichtbar in derModellierung und Analyse realerProbleme und beeinflussen ein-ander. Aus Anwendungen erge-ben sich oft interessante, reinmathematische Fragestellungen,die in der Gegenwart keine er-kennbare Praxisrelevanz haben.In der Vergangenheit hat sich je-

Mathematik ist überall!

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Das Wissenschaftsjahr 2008 istder Mathematik gewidmet undsteht unter dem Motto „Mathe-matik – Alles, was zählt“. Damitrückt eine Disziplin in den Fokusdes Interesses, deren Ergebnisseund Beiträge Grundlage vielertechnischer Innovationen sind,deren Bedeutung aber oft nichttransparent ist.

In Mathematik steckt jedeMenge Leben und im Leben jede Menge MathematikModerne Kommunikation wieMobilfunk oder Internet basiertauf mathematischen Verfahren,die einen weitgehend reibungs-losen und störungsfreien Ablaufgewährleisten. Verschlüsselungs-techniken gestatten den Aus-tausch sensibler Daten und ma-chen damit Geschäfte über dasInternet attraktiv. Daraus erge-ben sich logistische Herausfor-derungen im Warenverkehr, dieohne mathematische Optimie-rungsverfahren nicht bewältigtwerden können. Ökologischeund ökonomische Anforderun-gen zwingen die Menschen zueinem sparsamen und verant-wortungsvollen Umgang mit denvorhandenen Ressourcen und er-fordern ständige Innovationen.Viele dieser Entwicklungen basie-ren auf mathematischen Simula-tionen der oft hochkomplexenStrukturen und erzeugen dabeiein Verständnis für diese Syste-me. In vielen Fällen sparen dieseVerfahren insbesondere Zeit undKosten für den Bau von Proto-typen, so dass Innovationszy-klen deutlich verkürzt werdenkönnen. Sinnvolle Analysen undPrognosen für komplexe Systemein Technik, Medizin, Ökonomieund Ökologie sind ohne mathe-matische Modelle kaum mög-lich. Aber Mathematik ist nichtnur in der Hochtechnologie vonBedeutung, sie spielt – oft un-bemerkt – in vielen Bereichenunseres Alltags eine wesentli-che Rolle und hilft uns, wichti-ge Entscheidungen zu treffen.Optimierte Ampelschaltungensteuern Verkehrsflüsse. Medika-mente und Therapien werdenerst nach einer gesetzlich gere-gelten statistischen Prüfung zu-gelassen. Entscheidungen zu Fi-nanzanlagen und Geldgeschäf-ten bedürfen grundlegender

Eine Schlüsseltechnologie verändert die Welt

Bild 1: Mathematik ist überall!Untersicht der Domkuppel zuAachen mit Blick durch denBarbarossaleuchter. Die Wei-heinschrift unter dem großenGesims des Oktogons lautet„In jeglichem Teil Zahl undMass“.Foto mit perspektivisch ange-legter Montage: Lambert Ro-senbusch, Architekt, Brauweiler

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doch schon oft erwiesen, dassderartige Ergebnisse in späterenZeiten Innovationen erst möglichmachten. Mathematische Grund-lagenforschung und anwendungs-bezogene Mathematik sind da-her zwei Seiten einer Medaille,sie bedingen und brauchen ein-ander.

Mathematik in AachenDie Fachgruppe Mathematik istTeil der Fakultät für Mathema-tik, Informatik und Naturwis-senschaften. Nachfolgend einÜberblick ausgewählter For-schungsrichtungen in der Fach-gruppe Mathematik, Seitenver-weise beziehen sich auf Artikelin dieser Ausgabe der „RWTH-Themen“.

Gruppen, die ebenso wie an-dere Verknüpfungsstrukturen,zum Beispiel Ringe und Körper,in der Algebra untersucht wer-den, spielen in vielen Gebietender Mathematik eine fundamen-tale Rolle, vom Rechnen mitganzen Zahlen bis hin zu moder-nen Theorien von Elementarteil-chen. Die Arbeitsgruppe „Algo-rithmische Algebra“ liefert, aus-gehend von theoretischen Er-kenntnissen, Beiträge zur Ent-wicklung von Algorithmen undSoftware im Bereich der Compu-teralgebra. Diese werden sowohlfür innermathematische Experi-mente und Forschungen, alsauch für Anwendungen außer-halb der Mathematik, etwa inden Ingenieurwissenschaften,eingesetzt. Der konstruktive As-pekt, die Verwendung des Com-puters als essenzielles Werkzeug,die thematische Breite und dasweitgefächerte Interesse an An-wendungen, sowohl innerhalbals auch außerhalb der Mathe-matik, sind hervorstehendeMerkmale dieser Arbeitsgruppe.Die „Diskrete Mathematik“und die „Zahlentheorie“ be-schäftigt sich mit den Eigen-schaften der natürlichen Zahlenund von endlichen Strukturen.Eine spannende Anwendungder Zahlentheorie findet man inder Kryptographie, deren Ver-fahren etwa bei Computersi-cherheitsfragen und dem elek-tronischen Geldverkehr einge-setzt werden, siehe Seite 42.Komplexe Probleme im BereichProduktionsplanung und Logi-

stik führen meist auf Modelleder diskreten Mathematik. Bei-spiele solcher Probleme sind et-wa: Wie hat ein Paketdienstleisterdie Standorte und Ausstattungseiner Depots zu wählen, ummit möglichst geringen Kostenseine Kunden optimal zu ver-sorgen? Oder: Wie muss einAutomobilhersteller die Lagerauf seinem Produktionsgeländebestücken, um die Transportwegezur Produktionsstraße zu opti-mieren? In der Arbeitsgruppe„Diskrete Mathematik“ werdenGrundlagenthemen aus diesemBereich untersucht, aber auchAlgorithmen und Software zurLösung solcher Optimierungs-probleme entwickelt.

In den letzten Jahren hatsich an mehreren Universitätenweltweit eine neue Disziplin„Computational EngineeringScience“, kurz CES, herausge-bildet, worin sich das enormePotenzial einer engen synerge-tischen Verbindung von Mathe-matik, Informatik, Natur- undIngenieurwissenschaften wider-spiegelt. Die RWTH definiert die-ses Thema als eines ihrer Kompe-tenz- beziehungsweise Zukunfts-bereiche, der durch geeignetestrukturelle Maßnahmen gefes-tigt und weiter ausgebaut wer-den soll. Zentrales Forschungs-thema auf diesem Gebiet ist diemathematische Modellierungund numerische Simulation tech-nischer und ingenieurwissen-schaftlicher Systeme, siehe Seite12. Die Entwicklung neuer Me-thoden zur Behandlung sehrkomplexer Modelle aus demCES Bereich ist ein Forschungs-schwerpunkt des Fachgebiets„Numerische Analysis“.

Mehrere in der Fachgruppevertretende Forschungsgebietegehören zum Bereich der „Ana-lysis“. Viele Naturgesetze kön-nen durch Differentialgleichun-gen beschrieben werden, undstrukturelle Untersuchungenvon Differentialgleichungen ha-ben deshalb neben ihrem ma-thematischen Erkenntniswertoft ganz direkte Auswirkungenauf die entsprechenden An-wendungsbereiche in Natur-und Ingenieurwissenschaften,wie zum Beispiel Aerodynamik,Meteorologie und Mehrpha-senströmungen in chemischen

Change-Point-Analyse, sieheSeite 50, und der Planung kli-nischer Studien, siehe Seite 36,behandelt. Die Entwicklungund Anwendung von Metho-den der angewandten Statistikim Rahmen der statistischenBeratung von Unternehmenund RWTH-Instituten ist dabeiebenso Bestandteil des Interes-senspektrums wie die Weiter-entwicklung von eLearning-An-geboten zur Stochastik, sieheSeite 64.

Die Fachgruppe Mathema-tik ist in mehrere an der RWTHangesiedelte größere For-schungsprojekte involviert. Mit-glieder der Fachgruppe habenTeilprojekte in den Sonderfor-schungsbereichen 401 „Strö-mungsbeeinflussung und Strö-mungs-Struktur-Wechselwirkungan Tragflügeln“ und 540 „Mo-dellgestützte experimentelle Ana-lyse kinetischer Phänomene inmehrphasigen fluiden Reakti-onssystemen“. Im Rahmen derExzellenzinitiative werden ander RWTH Aachen eine Gradu-iertenschule und drei Exzellenz-cluster gefördert. Die Fach-gruppe ist mit Projekten in die-ser Graduiertenschule und ineinem der drei Exzellenzclustervertreten. Im Rahmen der Ex-zellenzinitiative werden in derFakultät für Mathematik, Infor-matik und Naturwissenschaftenacht neue Junior Research Groupsetabliert, von denen zwei derFachgruppe Mathematik zuge-ordnet sind. Im interfakultati-ven „Center for ComputationalEngineering Science“ sind zweiMathematikprofessuren veran-kert. Von 2002 bis 2008 wardas Interdisziplinäre Graduier-tenkolleg „Hierarchie und Sym-metrie in mathematischen Mo-dellen“ in der Mathematik an-gesiedelt.

Das Studium der MathematikDie grundlegende Bedeutung derMathematik für Ausbildung,Wirtschaft und Forschung er-zeugt einen hohen Bedarf anmathematisch sehr gut ausgebil-deten Fachkräften. Neben Inge-nieuren sind dies insbesondereAbsolventen eines Mathema-tikstudiums. Banken, Versiche-rungen, Unternehmensberatun-gen, Telekommunikations- und

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!Prozessen. Im Forschungs-schwerpunkt „Mathematik strö-mungsbasierter Prozesse“ wer-den sowohl qualitative Eigen-schaften – Stichworte Existenz,Eindeutigkeit und Glattheit vonLösungen – strömungsbasierterProzesse als auch numerischeVerfahren zur approximativenBestimmung der Lösung unter-sucht. Ein weiterer Forschungs-schwerpunkt liegt im Bereichder Modellierung und Analysedynamischer Prozesse in derBiologie.

Die Minimierung von Kos-ten, die Maximierung der Effi-zienz oder die optimale Steue-rung eines Prozesses sind Ziele,die in vielen Bereichen von Tech-nik und Wirtschaft verfolgt wer-den, und Zustände maximalerEntropie oder minimaler Ener-gie spielen in der Physik einezentrale Rolle. Die Wissen-schaftler in der Arbeitsgruppe„Optimierung“ befassen sichmit grundlegenden Eigenschaf-ten von Modellen aus diesemBereich und mit der Entwick-lung von Algorithmen zur ap-proximativen Bestimmung opti-maler Zustände. Dabei werdenunter anderem grundlegendeFragen nach Existenz, Eindeu-tigkeit und Charakterisierunglokaler und globaler Minima insehr komplexen Optimierungs-problemen behandelt, aberauch numerische Verfahren zuroptimalen Steuerung von be-stimmten Strömungsprozessenentwickelt. Zur Behandlungdieser Fragestellungen werdenMethoden aus der Analysis,der diskreten Mathematik so-wie der numerischen Analysiseingesetzt, siehe Seite 34.Eine interdisziplinär ausgerich-tete, anwendungsorientierteForschung gehört zum Selbst-verständnis der Aachener „Sta-tistik“. Forschungsschwerpunk-te sind stochastische Modelleund Methoden in den Lebens-und Ingenieurwissenschaftenmit weiteren Anwendungsbe-reichen in den Biowissenschaf-ten, dem Versicherungswesenund der Informatik. Dabei wer-den zum Beispiel Fragen derModellierung und Zuverlässig-keit technischer Systeme, sieheSeite 20, der mathematischenund angewandten Statistik, der

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Softwareunternehmen, Phar-mabereich, Energieerzeuger,Forschungs- und Entwicklungs-abteilungen von Industrieunter-nehmen, öffentliche Verwaltun-gen und nicht zuletzt Bildungs-träger, Hochschulen und Schu-len haben einen hohen, ten-denziell wachsenden Bedarf anMathematikern. Viele Unter-nehmen setzen diese auch in„mathematikfreien“ Arbeitsbe-reichen ein, da sie die durch einMathematikstudium besondersgeförderten Fähigkeiten wie lo-gisches und abstraktes Denken,eine sehr gute Auffassungsga-be, Kreativität und Flexibilitätsehr schätzen. Die Chancen aufdem Arbeitsmarkt sowie dieKarrieremöglichkeiten sind ex-zellent, die Arbeitsfelder vielfäl-tig und interessant. Die Ent-scheidung für ein Mathema-tikstudium bietet daher ausge-zeichnete Perspektiven. DasStudium selbst ist abwechs-lungsreich mit unterschiedli-chen Vertiefungsmöglichkeiten,stellt jedoch auch hohe Anfor-derungen an Studieninteressier-

te. Eigenschaften wie Kreati-vität, logisches Denken, Neu-gierde, Geduld, Durchhaltever-mögen und Fleiß sowie einegute schulische Mathematik-ausbildung sind wichtige Vor-aussetzungen.

Die Fachgruppe Mathema-tik betreut die im Wintersemes-ter 2006/2007 eingeführten Ba-chelor- und MasterstudiengängeMathematik, die auslaufendenDiplom-Studiengänge Mathema-tik und Computermathematiksowie die Lehramtsstudiengänge.Im Wintersemester 2007/2008waren 1.200 Studierende in Ma-thematikstudiengängen derRWTH Aachen eingeschrieben. Die Information, Betreuungund Beratung von Studieninter-essierten und Studierenden istein zentrales Anliegen der Do-zenten. Daher ist zum Beispieldie Teilnahme an einer Studien-information vor Aufnahme ei-nes Mathematikstudiums so-wohl für den Bachelor-Studien-gang als auch für die Lehramts-studiengänge obligatorisch, wo-bei insbesondere die mathemati-

schen Vorkenntnisse durch ei-nen Test geprüft werden. Men-torenprogramme unterstützendie Studierenden in ihrer Studi-enorganisation und helfen ih-nen bei der Orientierung imStudium.

Im Bachelor-Studiengang istder Studienbeginn zum Winter-und zum Sommersemester mög-lich. Um den Studienanfängernden Einstieg zu erleichtern, fin-det im ersten Jahr eine sehr in-tensive Betreuung statt. Dazudienen eine einführende Veran-staltung zu „MathematischenGrundlagen“ und das betreu-ungsintensive, zweisemestrige„Begleitpraktikum“, in dem diein den Vorlesungen vermittel-ten Inhalte aufgegriffen undam Computer geübt werden.Wichtige Grundlagenkenntnissewerden in den Vorlesungen„Algebra“ und „Analysis“ ver-mittelt. Themen aus der ange-wandten Mathematik werdenin den Veranstaltungen „Sto-chastik’’ und „Numerische Ana-lysis“ behandelt. Außerdemgibt es schon im ersten Semes-

ter eine einführende Veranstal-tung im Bereich „Modellierungund Simulation’’. Programmier-kenntnisse werden in einem„Kompaktkurs C++’’ vermittelt.Die mathematischen Bestand-teile werden ergänzt durch einAnwendungsfach, wobei nahe-zu jedes an der RWTH studier-bare Fach gewählt werdenkann. Grundpfeiler des Lehr-amtsstudiums Mathematik sindeine solide Ausbildung in denmathematischen Grundlagender Analysis, Algebra und derangewandten Mathematik so-wie in Fachdidaktik. Ein diszi-plinübergreifender Schwer-punkt wird durch das Modul„Faszination Technik“ gebildet,das ein adäquates Verstehenvon beziehungsweise Umgehenmit Technik aus interdisziplinä-rer, fachspezifischer und päda-gogisch-didaktischer Sicht ver-mittelt.

Weitere Ausbildungs-aktivitätenDie Dozenten der Mathematikunterrichten nicht nur Mathe-

Bild 2: Friedrich Barbarossaund seine Gemahlin Beatrixstifteten für den Aachener Domden Radleuchter, Symbol deshimmlischen Jerusalems, derdie geometrischen Figuren insich vereint. Abweichend vonder biblischen Beschreibungder Stadt mit zwölf Eingängensind in Aachen je acht Haupt-und ebenso viele Nebentoredargestellt, deren Positionenjedes für sich ein Acht- bezie-

Bild 3: Grundriss der AachenerPfalzkapelle, Ausschnitt nachAlbrecht Haupt „MonumentaGermaniae Architectonica“,Taf. IX. Der inner Umfang desOktogons beträgt 144 karolin-gische Fuß von je 33,3 Zenti-meter. Die Altarnische weistexakt in Ostrichtung.

hungsweise beide gemeinsamein regelmäßiges Sechzehneckbilden. Die rosettenförmigeGestalt des Barbarossaleuchterswird aus acht Kreissegmentengebildet. Es handelt sich dabeium Abschnitte der Umkreiseder durch je zwei benachbarte Nebentore und den Mittel-punkt des Achtecks gebildetengleichschenkligen Dreiecke.

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Bild 4: Eine 360 Grad Unter-sicht des Zentralbaus der Pfalz-kapelle Karls des Großen zuAachen: Die entsprechend Eu-klid für Zentralbauten häufiggenutzte Geometrie des regel-mäßigen Achtecks bildet imAachener Dom die mathemati-sche Basis der Konstruktion.Alle architektonischen Elemen-te des Bauwerks werden aus

matikstudierende, sondern leis-ten auch vielfältige Lehraufga-ben für andere Fächer wie zumBeispiel Ingenieur-, Lebens-und Naturwissenschaften sowieBetriebswirtschaftslehre. Mehrals zwei Drittel aller RWTH-Stu-dierenden besuchen mindestenseine Mathematik- oder Statis-tikveranstaltung von Dozentender Mathematik, viele nehmenim Rahmen ihres Studiengangsan mehreren Mathematikvorle-sungen teil. Die Fachgruppe Ma-thematik ist maßgeblich am in-terdisziplinären StudiengangComputational EngineeringScience beteiligt. Zudem ist Ma-thematik ein etabliertes Neben-fach in anderen Studiengängenwie etwa Informatik oder Physik.Zu Beginn jeden Wintersemestersbietet die Fachgruppe Mathema-tik außerdem den Vorkurs Ma-thematik an, der von einemGroßteil der Studienanfänger alsVorbereitung auf die Vorlesun-gen ihres Studiengangs wahrge-nommen wird.

Neben den Angeboten fürStudierende bietet die Fach-

gruppe Mathematik vielfältigeWeiterbildungsmöglichkeitenfür Lehrer an, siehe Seite 60.Workshops zu aktuellen The-men der Mathematik werdenregelmäßig organisiert und er-freuen sich eines großen Inter-esses. Schwerpunkte in diesenVeranstaltungen bilden derComputereinsatz im schuli-schen Mathematikunterrichtsowie die Vermittlung aktuellerpraxisrelevanter mathemati-scher Themen. Ergänzt werdendiese Fortbildungskonzeptedurch Angebote für Schüler,die neben dem Werben für dasFach selbst insbesondere derNachwuchsgewinnung dienen.Dozenten der Fachgruppe Ma-thematik gehen in Schulen undreferieren dort über Themen,die mit Schulwissen verstandenwerden können. Sie informie-ren dabei insbesondere überChancen und Anforderungendes Mathematikstudiums, umInteressierte frühzeitig auf diePerspektiven dieses Studiumshinzuweisen. Den Schülern sollvermittelt werden, dass Mathe-

matik spannend, interessantund wichtig ist. Im Rahmendieser Initiativen besitzt der„Mathe-Zirkel“, siehe Seite 58,eine lange Tradition. Er richtetsich an mathematisch beson-ders interessierte und begabteSchüler und ist eine der Akti-vitäten zur Nachwuchsförde-rung. Der Erfolg dieser Maß-nahme wird dadurch unterstri-chen, dass einerseits Preisträgerin bundesweiten Mathema-tikwettbewerben aus dem Ma-the-Zirkel hervorgingen undandererseits besonders begabteStudierende für die Mathematikgewonnen werden konnten. ImRahmen der „MINT-Initiative”1

werden in Promotionsprojektenaktuelle Themen für die Schuleaufbereitet und Lernmaterialienerstellt. Weiterhin werden Mathe-Camps für Schüler der Oberstufeangeboten, in denen diese Mate-rialien eingesetzt werden.

Neben klassischen Lehrme-thoden spielen zunehmend auchNeue Medien in der Vermittlungmathematischer Inhalte eine wich-tige Rolle – Online-Kurse, Inhalte,

Animationen und Aufgaben wer-den über das Internet bereitge-stellt. Die Lernenden und Leh-renden – Studierende, Schüler,Lehrer – können so jederzeitauf die Inhalte zugreifen. Sie er-halten bei der Bearbeitung vonAufgaben und durch Online-Tests direkte Rückmeldungenüber ihren Lernerfolg. So ent-hält die Lehr- und Lernumge-bung EMILeA-stat neben Inhal-ten zur angewandten Statistikund zur elementaren Mathema-tik eine Vielzahl von Beispielen,Aufgaben mit Lösungen und in-teraktiven Elementen, siehe Sei-te 64.

Aktivitäten zum Jahr der Mathematik Die Fachgruppe Mathematikbeteiligt sich mit vielfältigen Ak-tivitäten an den Veranstaltun-gen zum Jahr der Mathematik,unter anderem fand im Juni der„Tag der Mathematik 2008“statt, im November stehen Ver-anstaltungen im Rahmen des„Wissenschaftsherbstes“ aufdem Programm. Begleitet wer-

dieser Grundform abgeleitet.Dazu zählt unter anderem -wie aus dem Grundriss ersicht-lich – der Umgang in der Arteines Sechzehnecks oder die 32antiken Säulen im Oberge-schoss.Perspektivisch angelegte Foto-montage: Lambert Rosenbusch,Architekt, Brauweiler

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den diese Veranstaltungendurch die Beteiligung am „MathFilm Festival 2008“ mitden Filmen „A Beautiful Mind“,„Proof“ und „Cube“ sowie derReihe „Mathematik in Filmen“,in der ausgewählte populärwis-senschaftliche Filme rund umdie Mathematik aufgeführtwerden. Eine Ausstellung mitExponaten des „Mathemati-kums“ in Gießen soll helfen,Mathematik zugänglich zu ma-chen. Zudem ist eine Vielzahl vonVorträgen für Mathematikinteres-sierte im Veranstaltungsprogrammenthalten. Themen sind etwa„Kunst und Mathematik“, „Ma-thematik und die Kunst der Abkür-zung“, „Kleinste Widerstände“,„Wie viel Mathematik ein Haibraucht“, „Verursacht der Klima-wandel höhere Sturmrisiken?“oder Isaac Newtons „Principia“,eine grundlegende Schrift der Ma-thematik.

Die Beiträge in dieser Aus-gabe der „RWTH-Themen“ zei-gen das Spektrum der Mathe-matik, ihrer Anwendungen und

1MINT steht für Mathematik, Informa-tik, Naturwissenschaften und Technik.Mit ihrer Initiative „MINT-Zukunft schaf-fen“ wollen die Bundesvereinigung derDeutschen Arbeitgeberverbände und derBundesverband der Deutschen Industriee.V. MINT-Einzelinitiativen bündeln unddazu beitragen, die Attraktivität vonMINT-Fächern zu steigern. Ziele der In-itiative sind unter anderem, Beiträge zurVerbesserung von Unterricht und Lehrean Schulen und Hochschulen zu leisten,Schüler für ein Studium von MINT-Fächern verstärkt zu interessieren und da-mit dem am WissenschaftsstandortDeutschland bestehenden Mangel an na-turwissenschaftlich-technisch qualifiziertenFachkräften entgegenzuwirken.

Anwendungsbereiche und be-leuchten die Grundpfeiler mathe-matischer Forschung: Grundla-genforschung und anwendungs-orientierte Forschung. NebenForschungsaktivitäten werdenauch beispielhaft einige Ange-bote im Bereich Ausbildung undNachwuchsförderung vorgestellt.Ob Verkehrsstaus, Packungspro-bleme auf Oberflächen, unend-liche Spiele, die Zuverlässigkeittechnischer Systeme, Frühwarn-systeme für Finanzmarktdaten,der Einsatz von Kundennummern,die Planung klinischer Studien, dieSimulation von Mehrphasenströ-mungen oder die Simulation geo-physikalischer Strömungen – siealle haben eines gemeinsam: dieMathematik.

www.mathematik.rwth-aachen.de

Autoren:Univ.-Prof. Dr.rer.nat. ErhardCramer betreut das Lehr- undForschungsgebiet AngewandteStochastik am Institut für Statis-tik und Wirtschaftsmathematik. Univ.-Prof. Dr.rer.nat. ArnoldReusken ist Inhaber des Lehr-stuhls für Numerische Mathe-matik.

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mathematischen Modellierungder zu untersuchenden Prozes-se. Je realitätsnäher die Modellesind, umso größer sind meistdie damit verbundenen Heraus-forderungen an die Mathema-tik. Bei ausreichender Realitäts-nähe der Modelle erlaubt dieserAnsatz eine Nachbildung derrealen Prozesse oder auch nureinzelner relevanter Teilaspektein Computersimulationen. Aufdieser Basis sind virtuelle Expe-rimente möglich, die „echten“Experimenten häufig sogarüberlegen sind, da alle im Mo-dell erfassten Systemgrößen zu-mindest prinzipiell zeitlich undräumlich lokal berechnet wer-den können. Im Gegensatz da-zu können in Experimentenmeist nur einige der benötigtenGrößen direkt gemessen wer-den und diese auch meist nichtüberall und zu jedem Zeitpunkt.Die Untersuchung technischerund ingenieurwissenschaftlicherSysteme auf diese rechnerge-stützte Art und Weise ist daswesentliche Element im moder-nen Ansatz des ComputationalEngineering Science, kurz CES.

CES und MathematikUm virtuelle Experimente inForm von Computersimulatio-nen realitätsnah durchführen zukönnen, gilt es, eine ganze Rei-he an Schwierigkeiten zu über-winden. Dies gelingt nur in derinterdisziplinären Zusammenar-beit von Wissenschaftlern ins-besondere aus den BereichenIngenieurwissenschaften, Infor-matik und Mathematik. Dasshierbei Mathematik eine zen-trale Rolle spielt, ist schon des-halb offensichtlich, weil die zu-grunde liegenden Modelle ausmathematischen Beziehungen –oft in Form gewöhnlicher oderpartieller Differentialgleichun-gen – bestehen. Auf dieserEbene stellt die Mathematik dieSprache bereit, in der einerseitsalle beteiligten Disziplinen miss-verständnisfrei über die be-trachteten Prozesse und Syste-me kommunizieren können undin der schließlich Rechner über-haupt zum Einsatz kommenkönnen. Allerdings sind etlicheSchritte für den Weg hin zummodell- und rechnergestütztenVerständnis und zur Optimie-

Dieter Bothe, Wolfgang Dahmen, Arnold Reusken, Joachim Schöberl

Mathematik – die virtuelle

Erschließungder Realität

rung eines Prozesses erforder-lich. Dies beginnt mit der Erar-beitung eines mathematischenModells. Kann dies auf firstprinciples aufgebaut werden, soist die grundsätzliche Formulie-rung oft zum Beispiel aus physi-kalischen Prinzipien heraus be-kannt. Diese sind durch konsti-tuierende Gleichungen zu ver-vollständigen, durch welche dasVerhalten der beteiligten „Ma-terialien“ beschrieben wird. Obdie Gleichungen, auf denen dasresultierende Modell beruht,überhaupt Lösungen besitzen,hängt von der Form dieser Glei-chungen ab und kann nur imZusammenspiel mit mathemati-scher Analysis beantwortet wer-den. Oft ist die Lösung dieseraus Grundprinzipien abgeleite-ten Modelle zu aufwändig.Dann sind vereinfachte Modellegesucht, welche die relevantenAspekte dennoch realitätsnaherfassen. Solche Modelle kön-nen durch mathematische Tech-niken wie beispielsweise Homo-genisierung, Störungstheorieoder asymptotische Entwicklun-gen in rigoroser Weise aushöherwertigen Modellen abge-leitet werden. In beiden Fällenergeben sich mathematischeModelle, deren Lösung nicht inanalytisch geschlossener Formangegeben werden kann, son-dern nur durch numerische Be-rechnung angenähert werdenkann. Zu diesem Zweck werdenDiskretisierungsverfahren ent-wickelt, wobei ein ursprünglichkontinuierliches Problem in eindiskretes, und deshalb mit Hilfeeines Computers im Prinzip be-handelbares, Problem umge-setzt wird. Bei einer Diskretisie-rungsmethode wird das Gebiet,auf dem das Modell formuliertist, zum Beispiel das Umfeld ei-nes Tragflügels bei einem Aero-dynamikmodell, in viele kleineZellen unterteilt. Für jede Zellesoll dann ein Wert bestimmtwerden, der zum Beispiel denMittelwert der tatsächlichen Lö-sung gut annähert. Die Ent-wicklung und Implementierungvon Diskretisierungsverfahrenund Methoden zur Behandlungder sich ergebenden diskretenProbleme bilden ein zentralesThema des Fachgebietes Nume-rische Mathematik.

Innovative wissenschaftlicheHerausforderungenDie Simulationsaufgaben in CESkönnen in vielen Fällen nichtmit herkömmlichen Blackbox-Softwarepaketen angegangenwerden. Es gibt eine Klasse vonProblemen, die auf einemgrundlegenderen Niveau be-handelt werden müssen, weilsie nur durch das enge Zusam-menspiel mehrerer Aspektehandhabbar werden, die An-wendungshintergründe, Model-lierung, Analyse und Simulationdes Modells betreffen. Das istzum Beispiel dann der Fall,wenn verschiedene Skalenwichtig sind, die mit derzeitigund in naher Zukunft verfügba-ren Rechenressourcen nichtadäquat aufgelöst werden kön-nen. Das Erfassen der relevan-ten Interaktionen zwischen die-sen Skalen stellt ein mathemati-sches Problem dar, das für dieFormulierung des zugrunde lie-genden mathematischen Mo-dells und den Entwurf von Ver-fahren zur Lösung dieses Mo-dells entscheidend ist. In zahl-reichen Anwendungsgebieten,die auf den ersten Blick sehrunterschiedlich erscheinen, wiebeispielsweise der Werkstoff-kunde, der Fluiddynamik, derMolekulardynamik und den da-mit verbundenen Mehrphasen-problemen, liegen solche Situa-tionen vor. Die Stärke der Ma-thematik besteht darin, ein bes-seres Verständnis des gemeinsa-men Kerns dieser Probleme zuvermitteln, und auf dieser Basisneue allgemeine Lösungskon-zepte zu entwickeln. Dabei sindeffiziente iterative Lösungstech-niken oder adaptive Diskretisie-rungskonzepte, die analytischfundiert sind, typische Bestand-teile moderner Simulationsme-thoden. Oft liegt das eigentli-che Ziel nicht allein in der Simu-lation komplexer Prozesseselbst. Die hocheffiziente Simu-lation realer Prozesse ist typi-scherweise notwendig, um sol-che Prozesse in einen ge-wünschten optimalen Zustandzu steuern oder sogar fehlendeKomponenten eines adäquatenModells identifizieren zu kön-nen. Die zugehörigen „inver-sen“ Probleme stellen massiveHerausforderungen für die ma-

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DDie großen aktuellen Heraus-forderungen wie etwa Klima-wandel, Limitierung fossilerBrenn- und anderer Rohstoffe,Bevölkerungswachstum undGlobalisierung – um nur einigezu nennen – eröffnen in ihrerKomplexität kaum überschau-bare Problemfelder, die jedochals zentrale Komponente dieForderung nach nachhaltigerund somit höchst effizienterNutzung der immer knapperwerdenden Ressourcen unter-streichen. Vor diesem Hinter-grund müssen fortwährend eta-blierte ingenieurwissenschaftli-che Konzepte und Praktiken neuhinterfragt und in manchen Be-reichen signifikant verbessertwerden. Damit ist nicht eine oh-nehin stattfindende inkremen-telle Verbesserung gemeint,sondern gefragt sind Durch-brüche hinsichtlich der Optimie-rung beziehungsweise Intensi-vierung bestehender sowie derEntwicklung gänzlich neuer Pro-zessklassen. Dies betrifft nichtnur die Ebene der Produktions-technik sondern auch den Inno-vationsnachschub aus demGrundlagenbereich. Exempla-risch wird in der chemischenGroßindustrie der mittelfristigunumgängliche Wechsel vonpetrochemischen Chemikalienauf beispielsweise Biomasse alsAusgangsstoff völlig neue Pro-zessrouten mit sich bringen, dieverfahrenstechnisch effektiv undeffizient umzusetzen sind. Umdies zu erreichen, ist ein tiefer-gehendes Verständnis auf me-chanistischer Ebene notwendig,das allein auf Basis experimen-teller Untersuchungen nicht zuerzielen ist. Ein Schlüssel zurUmgehung der skalen- undmaterialbedingten Begrenzun-gen von Experimenten liegt inder virtuellen Erschließung desuntersuchten Problemfeldes.Die moderne Rechnertechnolo-gie eröffnet hierzu noch bis vorkurzem ungeahnte Möglichkei-ten. Um diese Technologie je-doch überhaupt einsetzen unddann zur vollen Entfaltung brin-gen zu können, bedarf es einergeeigneten Schnittstelle zwi-schen realer Welt und ihrer Be-arbeitung durch den Computer.Diese Schnittstelle liefert dieMathematik in der Form einer

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thematischen Lösungskompo-nenten dar. Dies gilt insbeson-dere dann, wenn Mehrskalen-phänomene auftreten und einegeeignete Regularisierungsstra-tegie nicht mehr ad hoc ge-wählt werden kann. Ein Merk-mal der Forschungsarbeiten imCES-Bereich ist die Interdiszipli-narität. An vielen Stellen, zumBeispiel bei der Modellierungund der Validierung der Simula-tionsergebnisse aber auch beider Methodenimplementierung,ist eine intensive Zusammenar-beit zwischen Wissenschaftlernaus unterschiedlichen Diszipli-nen erforderlich.

CES in der Fachgruppe MathematikDie RWTH Aachen hat der Be-deutung des zukunftsweisen-den Themas CES bereits vormehreren Jahren durch die Ein-führung des interdisziplinärenDiplomstudiengangs „Compu-tational Engineering Science“Rechnung getragen, der inzwi-schen auf ein Bachelor/Master-Studium umgestellt wurde. DerStudiengang CES wird durch einmodernes Promotionsprogrammin der im Rahmen der Exzellenz-initiative eingerichteten Graduier-tenschule „Aachen Institute forAdvanced Study in ComputationalEngineering Science“, kurz AICES,sowie forschungsseitig durch deninterfakultativen „Center for Com-putational Engineering Science“,kurz CCES, komplettiert. DieFachgruppe Mathematik hat zumAufbau des Studiengangs CESund zur Gründung des CCES so-wie der Graduiertenschule AICESmaßgeblich beigetragen. Vor die-sem Hintergrund hat die Fach-gruppe ihre Struktur in RichtungCES geändert.

Die aktuellen Forschungsakti-vitäten der Fachgruppe Mathe-matik im Bereich CES sollen imFolgenden beispielhaft an vierThemen angerissen werden.

Analysis und Simulation fluider Grenzflächen unter TensideinflussHautcremes und Mayonnaisesind zwei aus dem Alltag be-kannte Beispiele für Emulsionenin der Kosmetik beziehungswei-se der Lebensmitteltechnik, beidenen kleine Öltröpfchen fein

verteilt in Wasser vorliegen.Kommt es zum Zusammen-fließen der Tröpfchen, so ge-hen die positiven Eigenschaftendieser Produkte verloren. Umdies zu verhindern, werden Ten-side zugesetzt. Tensidmolekülehaben amphiphilen Charakterdurch einen hydrophilen – wasser-liebenden – Kopf und einenhydrophoben – wasserabwei-senden – Schwanz. Aufgrunddieser Eigenschaft lagern sichTenside bevorzugt an Phasen-grenzflächen an und ändernderen physikochemische Eigen-schaften. Insbesondere wird dieOberflächenspannung abhän-gig vom Belegungsgrad herab-gesetzt, siehe Bild 1. Dies be-einflusst die lokalen Kräfte ander fluiden Grenzfläche, wo-durch Strömungen einerseitsgedämpft, andererseits auchangefacht werden können – bishin zur so genannten Grenz-flächenturbulenz. In Emulsio-nen nutzt man den dämpfen-den Effekt, durch den ein Ab-fließen der Flüssigkeit zwischenzwei Tröpfen stark verzögertwird. Diese stabilisierende Ei-genschaft der Tenside wirdauch in der Verfahrenstechnikgenutzt, etwa um disperseZweiphasenströmungen mit ei-ner engen Größenverteilungder Blasen oder Tropfen zu rea-

lisieren. Beispielsweise lässtman in Blasensäulen Gas durcheine Flüssigkeit perlen, um einGas in der Flüssigkeit zu lösen,wo es anschließend mit einemin der Flüssigkeit vorgelegtenReaktionspartner ein ge-wünschtes Produkt bildet. Wie-viel von der gasförmigen Kom-ponente in die umgebene Flüs-sigkeit übergeht, hängt we-sentlich von der Größe derGasblasen ab. Je kleiner diesesind, desto größer ist die insge-samt für den Stoffübergangzur Verfügung stehende Aus-tauschfläche. Andererseits be-wirken Wirbel hinter größerenGasblasen einen schnellerenAbtransport der Übergangs-komponente, was zu einer Be-schleunigung des Stoffüber-gangs führt. Deshalb ist manbeim Betreiben von Gas-Flüs-sig-Reaktoren um eine optima-le Blasengröße bemüht. Hierkönnen Tenside eingesetztwerden, um selbst bei kleinstenKonzentrationen die Koales-zenz der Blasen zu vermeiden.Hierdurch werden die lokalenStrömungsgeschwindigkeitenin Nähe der Blasenoberflächeund damit der Stoffübergangdeutlich beeinflusst. Die Effizi-enz des Stoffübergangs ist da-mit in sehr komplexer Weisean die Blasendynamik und den

Transport der Tenside gekop-pelt. Um diesen Einfluss genau-er zu verstehen, sind Compu-tersimulationen von Einzelbla-sen sehr nützlich. Das mathe-matische Modell zur Beschrei-bung der Transportprozesse inden Volumenphasen und aufder Phasengrenzfläche basiertauf der Bilanzierung der Erhal-tungsgrößen Masse, Impulsund Tensidstoffmenge. Dies lie-fert partielle Differentialglei-chungen innerhalb der Phasen,die an der Phasengrenzflächedurch Transmissionsbedingun-gen gekoppelt sind. Mathema-tisch handelt es sich hierbei umfreie Randwertprobleme, beidenen die Lage und Form derGrenzfläche wesentlicher Teilder Lösung ist. Die mathemati-sche Analysis solcher Modelleist eines der Hauptforschungs-themen am Lehrstuhl für Ma-thematik (CCES). Hinzu kommtdie numerische Simulation mit-tels effizienter Verfahren, dieauch die Phasengrenzfläche er-

Die Rolle der Mathematik in ComputationalEngineering Science

Bild 1: Tensid, Molekülaufbauund Adsorption an Wasser-oberfläche.

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fassen. Bekannte Vertreter sinddie Volume-of-Fluid (VOF)-Me-thode, die Level-Set-Methodeund das Front-Tracking-Verfah-ren. Eine an der RWTH ent-wickelte VOF-basierte Methodeermöglicht die Simulation vonTransportprozessen auf derPhasengrenzfläche und derenWirkung auf die Partikeldyna-mik wie etwa die Abbremsungvon aufsteigenden oder absin-kenden Fluidpartikeln. Bild 2zeigt die numerisch berechneteTensidverteilung auf der Ober-fläche einer aufsteigenden Gas-blase zu unterschiedlichen Zeit-punkten. Das Tensid sammeltsich aufgrund der grenzflächen-nahen Strömungsverhältnissezunehmend an der hinterenBlasenkappe an, während dieBelegung im vorderen Bereichder Blasenoberfläche immer ge-ringer wird. Dies hat Auswir-kungen sowohl auf die Auf-stiegsgeschwindigkeit als auchauf den lokalen Stoffübergang.Durch solche „virtuellen Experi-mente“ wird Wissen und Ver-ständnis generiert, welchesdann zur Weiterentwicklungvon vereinfachten Ingenieur-Modellen wie hier dem „Stag-nant Cap Modell“ nutzbar ist.

Numerische Methoden für eininverses WärmeleitproblemViele mathematische Modellezur Beschreibung technisch-physikalischer Prozesse beruhenauf Bilanzgesetzen für Masse,Impuls und Energie. Solche Bi-lanzen bringen Änderungsratender involvierten physikalischenGrößen ins Spiel, und man er-hält partielle Differentialgleich-ungen als mathematisches Mo-dell. Ein Standardbeispiel ist dieso genannte Wärmeleitungsglei-chung zur Beschreibung der Tem-peraturverteilung zum Beispielin einer beheizten Platte. DieLösung dieser partiellen Diffe-rentialgleichung erlaubt die Be-stimmung der Temperaturver-teilung, die sich bei einer gege-benen Anfangstemperatur undgegebenen Wärmeströmen amGebietsrand im zeitlichen Ver-lauf einstellt. Aus Problempara-metern, wie den Anfangs- undRandbedingungen, werden Sys-temzustände, wie die Tempera-

turverteilung, ermittelt. Mannennt dies auch „Vorwärtssi-mulation". Andererseits ist esoffensichtlich von praktischemInteresse, bestimmte Problem-parameter wie Anfangs- undRandbedingungen oder auchMaterialparameter zu ermitteln,die einen gewünschten Zustandwie eine vorgegebene Tempe-raturverteilung induzieren. Ausden Zuständen, die experimen-tell gemessen oder durch Vor-wärtssimulation berechnet wer-den, soll auf die entsprechen-den Problemparameter zurück-geschlossen werden. Dies nenntman ein „inverses Problem“. Invielen ingenieurtechnischenFragestellungen geht es letztlichum solche inversen Probleme.

Am Lehrstuhl für Numeri-sche Mathematik werden imRahmen des Sonderforschungs-bereiches 540 „Modellgestützteexperimentelle Analyse kineti-scher Phänomene in mehrpha-

sigen fluiden Reaktionssyste-men“ Verfahren zur Lösung in-verser Wärmeleitprobleme zumBeispiel in welligen Rieselfilmenentwickelt. Die Aufklärung vonWärme- und Stofftransportme-chanismen in Rieselfilmen istvon großem Interesse, da dieseaufgrund zahlreicher Anwen-dungsbereiche in der Industrievon hoher Relevanz sind. An-wendungsgebiete sind zum Bei-spiel die Absorption in Rohrbün-delkolonnen, die Aufkonzen-trierung von Flüssigkeiten inFallfilmverdampfern, die Kühlungvon flüssigen Lebensmitteln inFallfilm-Wärmetauschern und dieVerdampfungskühlung in Kühl-turm-Füllkörpern. In vielen Studi-en wurde beobachtet, dass so-wohl der Wärme- als auch derStofftransport in Rieselfilmendurch die Welligkeit des Flüs-sigkeitsfilms signifikant beein-flusst werden. Die Transportme-chanismen und die Strömungsei-

genschaften von welligen Rie-selfilmen können aber bis heutenur unzureichend durch mathe-matische Modelle beschriebenwerden. Um den Einfluss derWellenstruktur auf den Wärme-transport in Rieselfilmen zu stu-dieren, werden am Lehrstuhlfür Wärme- und Stoffübertra-gung Messungen in einem Fall-filmapparat durchgeführt. DasErgebnis einer hochaufgelöstenTemperaturmessung mit einerInfrarot-Kamera ist in Bild 4 ge-zeigt. Die Schätzung des Wär-mestroms auf der Oberfläche K3

des Rieselfilms, siehe Bild 3, aussolchen Temperaturmessdaten,die auf der Rückseite K1 derHeizfolie aufgenommen wurden,stellt ein sehr komplexes inver-ses Problem dar, da es an dieFluiddynamik des Films gekop-pelt ist. In einem ersten Schrittwird deshalb ein einfacheresund dennoch anspruchsvollesProblem betrachtet, bei dem

Bild 2: Entwicklung der Tensidverteilung

auf der Oberfläche einer aufsteigenden Blase.

Bild 3: Detailansicht des Messausschnitts.

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diese Kopplung entfällt: Es sollder instationäre Wärmestromvon der Heizfolie zum Film alsFunktion von Ort und Zeit aufBasis der Temperaturmessungengeschätzt werden. In nachfol-genden Schritten kann dann dieSchätzgröße mit anderen fürden Fallfilm charakteristischenGrößen, wie zum Beispiel dermittleren Filmtemperatur unddem Strömungsprofil, korreliertwerden. In diesem stark interdis-ziplinären Forschungsprojekt sindexperimentelle Arbeiten am Lehr-stuhl für Wärme- und Stoffüber-tragung mit numerischen Simula-tionen am Lehrstuhl für Numeri-sche Mathematik und der Ent-wicklung einer systematischenModellierungsmethodik amLehrstuhl für Prozesstechnikeng verzahnt. Eine Schätzungdes Wärmestroms von derHeizfolie zum Film aus denTemperaturmessungen zu dreiverschiedenen Zeitpunkten wird

in Bild 5 gezeigt. Die Schätz-größe weist eine wellenförmigeStruktur auf, die sich in der Zeitmit der Wellenfrequenz desRieselfilms bewegt, was denEinfluss der welligen Filmober-fläche auf den Wärmeaus-tausch widerspiegelt. Ziel derMethodenentwicklung amLehrstuhl für Numerische Ma-thematik ist nicht nur das Lösendieses beispielhaften und insich sehr herausfordernden in-versen Problems. Vielmehr sollauch ein besseres Verständnisder unterschiedlichen Verfahrenzur Lösung mehrdimensionalerund nichtlinearer inverser Pro-bleme für Systeme von partiel-len Differentialgleichungen zurBeschreibung mehrphasiger re-aktiver Strömungssysteme ge-schaffen werden. Ein solchesVerständnis wird als eine not-wendige Grundlage zur länger-fristigen Behandlung des voll-ständigen inversen Filmproblems,

wobei Wärmeübergang durchden strömenden Film, Stoffüber-gang zwischen Film und Umge-bungs-Gas, Reaktion im Filmberücksichtigt wird, in der Zu-kunft angesehen.

Entwicklung numerischer Verfahren für die Maxwell-GleichungenDie Interaktionen elektrischerund magnetischer Felder wer-den durch die Maxwell'schenpartiellen Differentialgleichun-gen beschrieben. Damit könnensowohl elektrische Maschinenwie Motoren oder Transforma-toren, als auch elektromagneti-sche Wellen wie beim Mobil-funk bis hin zum sichtbaren Lichtmodelliert werden. Auch dieseMaxwell-Gleichungen lassensich mit modernen Verfahrender numerischen Mathematikam Computer simulieren. DieArbeitsgruppe von Univ.-Prof.Dr. Joachim Schöberl vom Lehr-

Bild 5: Schätzung des Wärme-stroms (links), gemessene undgeschätzte Temperatur (rechts).

Bild 4: Temperaturmessung mit der Infrarot-Kamera am Lehrstuhl für Wärme- undStoffübertragung.

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und Forschungsgebiet Wissen-schaftliches Rechnen ist sowohlin der theoretischen Analysesolcher Verfahren tätig, alsauch in der programmtechni-schen Umsetzung. Hier wirddas Finite Elemente Paket Net-gen/NGSolve entwickelt.

Seit etwa zehn Jahren be-steht Zusammenarbeit mit derFirma VA Tech Elin EBG mit Sitzin Linz, Österreich, bei der Si-mulation von Leistungstrans-formatoren. Im Transformatorwird der Großteil des magneti-schen Flusses durch den Kerngeführt. Ein kleiner Streuflussdringt jedoch ins Stahlgehäuseund interne massive Konstrukti-onselemente ein, und verursachtdort Wirbelströme und Verluste.Um den Streufluss zu bündeln,werden Abschirmungen ange-bracht. Ziel der Simulation ist es,die Verlustdichte möglichst ge-nau zu bestimmen, um damitdie Abschirmung optimieren zukönnen. Die Bilder 6 und 7 zei-gen die Simulationsergebnisseeines dreiphasigen Leistungs-transformators. Bild 7 zeigt dieinduzierten Wirbelströme imGehäuse. Man erkennt deutlichden Schatten der angebrachtenAbschirmungen. In Bild 6 sinddie Verlustdichten durch Wir-belströme im Gehäuse und inden Pressplatten farbig darge-stellt. Die Simulation umfassterund eine Million komplexeUnbekannte, und kann auf ei-nem PC in etwa 15 Minutendurchgeführt werden.

Bei der Chipproduktion wer-den einzelne Prozessschrittemittels optischer Messtechniküberwacht. Aus der Intensitäteines reflektierten Laserstrahlskann zum Beispiel geschlossenwerden, wie tief eine Ätzung be-reits vorgedrungen ist. Um denEffekt der Reflektion zu verstär-ken, werden hunderte Leiterbah-nen oder Kontaktierungen peri-odisch angeordnet. Mittels einesBloch-Floquet-Ansatzes kann dieSimulation auf eine Einheitszellebeschränkt werden. Bild 8 zeigtdie Streuung einer einfallendenLichtwelle von 400 nm Wellen-länge an einem in zwei Richtun-gen periodisch fortgesetzten Zy-linderloch durch den aufgebrach-ten Photolack.

Bild 6: Die Verlustdichtendurch Wirbelströme.

Bild 7: Induzierte Wirbelströme im Gehäuse.

Bild 8: Streuung einer einfallenden Lichtwelle.

a) b)

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Adaptive Lösungskonzepte Das mathematische Modell alsGrundlage rechnergestützter Si-mulation ist immer eine Ideali-sierung der Realität, deren Gradsich unter anderem an der ver-fügbaren Rechnerleistung ori-entieren muss. Trotz der rasan-ten Leistungssteigerung moder-ner Rechenanlagen werden sichbeispielsweise turbulente Strö-mungen noch auf absehbareZeit einer direkten numerischenSimulation entziehen, da dieSpannweite der dabei relevan-ten Längenskalen nicht zu be-wältigen ist. Um den Einflusskleinskaliger Wirbel auf dasmakroskopische Strömungsfeldkorrekt zu erfassen, müssennicht aufgelöste Skalen model-liert werden. Je realitätsnäherdieses Modell ist, umso auf-wändiger wird die numerischeRealisierung. Im gewissen Sinnewerden die Anforderungen mo-derner Simulationsszenarienstets die verfügbare Rechnerka-pazität überfordern. Es wirddemnach stets darum gehen,den Bereich des derzeit Re-chenbaren durch „intelligente“Diskretisierungskonzepte soweit wie möglich auszuschöp-fen, indem man eine gewün-schte Lösungsqualität mit mög-lichst geringem Rechenaufwandgewährleistet. In diesem Sinnesollte dann ein „intelligenter“Algorithmus so angelegt sein,dass während seines Verlaufsabhängig vom bereits erlangtenZwischenergebnis zusätzlicheFreiheitsgrade zur Verbesserungder Approximation so platziertwerden, dass die gewünschteGenauigkeit mit möglichst klei-ner Gleichungssystemgröße er-zielt wird. Solche Algorithmennennt man adaptiv. Die Ent-wicklung geeigneter Adaptions-konzepte ist im Kern eine An-forderung an die Mathematik.Am Lehrstuhl für Mathematikwird diese Thematik seit Jahrenaus unterschiedlichen Blickwin-keln behandelt. In theoretischerHinsicht konnten für viele Pro-blemklassen erstmals Konver-genz- und Komplexitätsratenbewiesen werden, die aufzei-gen, in welchem Verhältnis dieerreichte Genauigkeit zum ent-sprechenden Rechenaufwandsteht. Dies gelang unter ande-

rem über eine Zusammen-führung neuer Konzepte ausverschiedenen mathematischenBereichen wie Approximations-theorie und Harmonische Analy-se. Einerseits führte dies aufneue algorithmische Bausteine,andererseits erwiesen sich dieseKonzepte auch in scheinbar ganzanderen Bereichen wie Bildkodie-rung/Kompression oder in derMathematischen Lerntheorie alsähnlich tragend.

Nun bietet die RWTH undspeziell das CCES ein ideales Um-feld, eine solche eher grundlagen-orientierte Forschung in hochak-tuelle Anwendungen umzuset-zen. Im Rahmen des Sonderfor-schungsbereiches 401 „Strö-mungsbeeinflussung und Strö-mungs-Struktur-Wechselwir-kungen an Tragflügeln“ wurdein enger Zusammenarbeit mitWissenschaftlern aus der Fakul-tät für Maschinenwesen ein ad-aptives Verfahren zur Behand-lung kompressibler Strömungenmit dem langfristigen Ziel ent-wickelt, bereits auf algorithmischmathematischer Ebene eine sig-nifikante Komplexitätsreduktionbei der Behandlung von Fluid-Struktur-Wechselwirkungs-Pro-blemen zu erwirken. Gerade beider Entwicklung von Großraum-flugzeugen ist es entscheidend,absehen zu können, wie die Flü-gel- beziehungsweise Rumpf-struktur auszulegen ist, um ei-nerseits einen ökonomischenBetrieb zu gewährleisten undandererseits die Kräfte der um-strömenden Luft so aufnehmenzu können, dass Instabilität undMaterialversagen vermiedenwird. In der Kombination vonExperiment und numerischer Si-mulation zur Klärung solcherFragen möchte man das Ge-wicht mehr und mehr in Rich-tung Simulation verschieben.Hierbei stößt man allerdingsschnell an die Grenzen des der-zeit Rechenbaren. Alleine diekompressiblen Navier-Stokes-Gleichungen als Modell für dieStrömungsphase stellen enormeAnforderungen an die Numerik,die durch die Wechselwirkun-gen mit der umströmten Struk-tur, durch die dadurch bedingtezeitliche Instationarität derWechselwirkungsprozesse unddurch die zeitlich variablen Re-

chengeometrien noch erheblichgesteigert werden. Deshalb wur-de ein adaptiver Strömungslöserin enger Abstimmung mit einerGittergenerierungsmethode ent-wickelt, der insbesondere diezeitliche Variation der Rechen-netze optimal unterstützt. Hier-zu wurden insbesondere Me-thoden des Computer AidedGeometric Design, kurz CAGD,verwendet. Das entstandeneVerfahren wird nun ständigweiterentwickelt, etwa in Rich-tung Parallelität aber auch inBezug auf bessere Turbulenz-modellierung oder Einbezie-hung von chemischem undthermischem Nichtgleichge-wicht. Es spielt eine zentraleRolle bei der Auswertung deslaufenden Großexperiments„High Reynolds Number Aero-structural Dynamics“ im Euro-pean Transonic Wind Tunnel. Esbietet ferner vielversprechendeMöglichkeiten, die beim Starteines Flugzeugs entstehendenabrollenden Wirbelschleppen ineinem weitaus größeren Be-reich als bisher möglich berech-nen zu können. Ein genauesVerständnis dieser Wirbelstruk-turen und darauf aufbauend ei-ne zerfallsbeschleunigende Ein-flussnahme ist für die Startfre-quenz von Flugzeugen und da-mit für den ökonomischen Be-trieb von Flughäfen wesentlich.

Der Adaptionseffekt wird inBild 9 zunächst anhand einesklassischen Benchmark-Pro-blems gezeigt. Hierbei handeltes sich um eine transsonischereibungsfrei modellierte Strö-mung um ein Tragflügelprofilunter den typischen Bedingun-gen des Reiseflugs. Insbesonde-re soll hier die Fähigkeit desStrömungslösers getestet wer-den, die Interaktion der unter-schiedlichen Verdichtungsstößeauch noch in größerer Entfer-nung vom Flügel genau auflö-sen zu können. Die unter-schiedliche Färbung deutet dieVariation des Drucks im Strö-mungsfeld an. Das überlagerteGitter zeigt die stark örtlich va-riierenden Diskretisierungstie-fen, die wiederum die relevan-ten kleinskaligen Strömungsan-teile widerspiegeln, während inanderen Bereichen eine grobeDiskretisierung ausreicht. Auf

Bild 9: Druckverteilung einer Strömung um ein Tragflügelprofil.

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der Grundlage rigoroser mathe-matischer Analyse werden sol-che Bereiche im Verlauf des Lö-sungsprozesses automatisch de-tektiert. Extrem kleine Gitter-weiten sind erwartungsgemäßin der Umgebung der Verdich-tungsstöße zu erkennen. Miteinem herkömmlichen Verfah-ren auf der Grundlage unifor-mer Diskretisierungen würdedie erreichte Genauigkeit etwa70 Millionen Freiheitsgradebenötigen, während das adap-tive Verfahren eine vergleichba-re Qualität bei nur 55.000 Frei-heitsgraden liefert. Bild 10 zeigtdas Strömungsfeld um eineHochauftriebskonfiguration,diesmal unter Berücksichtigungder Reibung. Der rechte Teil derAbbildung zeigt die hohe Über-einstimmung zwischen Experi-ment und Simulation. Bild 11zeigt ein ähnliches Strömungs-feld nun jedoch für eine Hyper-schallströmung, etwa 8.5Mach. Hier ist unter anderemdie korrekte Erfassung der demBug vorgelagerten Stoßfrontwichtig, über die thermischeEnergie abgeleitet wird.

www.aices.rwth-aachen.dewww.cces.rwth-aachen.dewww.ces.rwth-aachen.de

Autoren:Univ.-Prof. Dr.rer.nat. DieterBothe ist Inhaber des Lehrstuhlsfür Mathematik am Center forComputational EngineeringScience.Univ.-Prof. Dr.rer.nat. WolfgangDahmen ist Inhaber des Lehr-stuhls für Mathematik und Lei-ter des Instituts für Geometrieund Praktische Mathematik.Univ.-Prof. Dr.rer.nat. ArnoldReusken ist Inhaber des Lehr-stuhls für Numerische Mathe-matik.Univ.-Prof. Dr.rer.nat. JoachimSchöberl leitet das Lehr- undForschungsgebiet Wissen-schaftliches Rechnen.

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Bild 10: cp-Wertverteilung für eine Hochauftriebs-

konfiguration.

Bild 11: Strömungsfeld für eine Hyperschallströmung.

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Erhard Cramer, Udo Kamps

chen Komponenten, die gleich-zeitig in Betrieb genommenwerden. Das Gesamtsystem istfunktionstüchtig, falls mindes-tens k seiner Komponenten in-takt sind, beziehungsweise esfällt aus, wenn die (n-k+1)teKomponente ausfällt. DieserAusfallzeitpunkt wird als Sys-temlebensdauer bezeichnet.Wichtige spezielle k-von-n-Sys-teme sind das Seriensystem (n-von-n-System), bei dem dieBauteile hintereinander geschal-tet sind und daher alle intaktsein müssen, und das Parallel-system (1-von-n-System), beidem erst der Ausfall der letztenKomponente den Ausfall desSystems nach sich zieht. Im Fol-genden wird nur die Situationder so genannten „heißen“oder aktiven Reserve betrach-tet, das heißt alle Komponen-ten sind von Beginn an aktiv.Stark vereinfachend kann derAntrieb eines viermotorigenFlugzeugs als ein Beispiel fürein 2-von-4-System mit heißerReserve dienen. Mindestenszwei intakte Motoren gewähr-leisten die Flugfähigkeit, oderanders ausgedrückt, bis zu zweiTriebwerksausfälle führen nichtzu einem Unfall. Erst der dritteKomponentenausfall hat denSystemausfall zur Folge. Das

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EEin Schwerpunkt der wissen-schaftlichen Arbeit am Institutfür Statistik und Wirtschaftsma-thematik ist die Stochastik imIngenieurwesen, insbesonderedie Zuverlässigkeitstheorie. Zur Verringerung der Ausfall-wahrscheinlichkeit werden invielen Bereichen technischerAnwendungen so genannte re-dundante Systeme eingesetzt.Dabei werden mehr Kompo-nenten im Gesamtsystem ein-gebaut als für den ordnungs-gemäßen Betrieb eigentlichnotwendig sind – die Betriebssi-cherheit wird durch zusätzliche„Reserven“ erhöht. Eine derar-tige Vorgehensweise ist beson-ders bei sicherheitskritischenSystemen notwendig, da einSystemausfall fatale Konse-quenzen haben kann. Eine re-dundante Auslegung von Syste-men ist somit einerseits zur Er-höhung der Zuverlässigkeit wün-schenswert. Andererseits führtsie durch die erhöhte Kompo-nentenanzahl zwangsläufig zuMehrkosten. Die damit einher-gehende zunehmende Komple-xität des Systems – eventuellauch durch notwendige Hinzu-nahme weiterer Hilfskomponen-ten – kann möglicherweise neuerelevante Zuverlässigkeitsproble-me bedingen. In der Praxis ist al-so stets ein guter Kompromisszwischen Zuverlässigkeit auf dereinen sowie Aufwand und Kos-ten auf der anderen Seite zuwählen. In einem Teilgebiet derStochastik, der Zuverlässigkeits-theorie, werden die Modellie-rung, die deterministische undprobabilistische Analyse von Sys-temen basierend auf der System-struktur und Eigenschaften derSystemkomponenten, Kenn-größen der Zuverlässigkeit, Alte-rungseigenschaften sowie statis-tische Aussagen über Kompo-nenten und Systeme behandelt.Der Nutzen und die Anwendungmathematischer Methoden zurpraxisnäheren Modellierungtechnischer Strukturen werden indiesem Beitrag exemplarisch ank-von-n-Systemen aufgezeigt.

k-von-n-SystemeEine häufig anzutreffendeStruktur mit redundanten Kom-ponenten ist das k-von-n-Sys-tem. Es besteht aus n bauglei-

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VDI-Richtlinie 4008,9 – Eine Modellerweiterung

Analyse der Zuverlässigkeit redundanter Systeme

zugehörige Zuverlässigkeits-schaltbild ist, neben Parallel-und Seriensystem, ist in Bild 1dargestellt. In der Lesart einerParallelschaltung ist ein funktio-nierender Zweig hinreichendfür die Funktionsfähigkeit desSys-tems. Der Ausfall vonKomponente 1 führt daher je-weils zum Wegfall der rot mar-kierten Wege. Beim Parallelsy-stem beziehungsweise beim 2-von-4-Sys-tem ist das Systemwegen bestehender alternativerVerbindungen aber weiterhin in-takt. Bei dieser Darstellung ist zubeachten, dass die Komponenteneventuell mehrfach genannt sind.

Analyse der ZuverlässigkeitAufgrund der Systemstruktursowie Wissen oder Modellan-nahmen über die Lebensdauer-verteilungen der Komponentensind etwa Aussagen über diezufallsabhängige LebensdauerT des Systems von Interesse.Zur Beschreibung der Lebens-dauern werden den n Kompo-nenten Zufallsvariablen X1,...,Xnmit jeweils derselben Vertei-lungsfunktion F (hier zur Ver-

einfachung) zugeordnet. DieVerteilungsfunktion F einer zu-fälligen Lebensdauer X gibt anjeder Stelle die Wahr-scheinlichkeit dafür an, dass dieLebensdauer X Werte kleineroder gleich t annimmt. F mo-delliert also die Wahrscheinlich-keit, dass das Bauteil vor Errei-chen des Zeitpunkts t ausfällt.Alternativ kann diese Wahr-scheinlichkeit bei entsprechen-den Voraussetzungen durch ei-ne Dichtefunktion fest-gelegt werden.

Die Standardmodellierungeines k-von-n-Systems gehtvon unabhängigen und iden-tisch verteilten Komponenten-lebensdauern X1,...,Xn aus, dasheißt, die Bauteile werden alsgleichwertig angesehen. Ge-genseitige Beeinflussungen fin-den nicht statt. Die Systemle-bensdauer T wird dann durchdie so genannte Ordnungsstatis-tik b beschrieben, dieden k-t größten Wert der Kom-ponentenlebensdauern reprä-sentiert. Mit der Notation

hat die zugehörigeDichtefunktion die Gestalt

Bild 1: Zuverlässigkeitsschaltbilder.

(siehe VDI-Richtlinie 4008, Blatt 9, Formel 7.4-7).

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In der Praxis werden meist wei-tere Modellannahmen getrof-fen: Die Verteilungsfunktion Fwird häufig als Exponentialver-teilung mit Parameter gewählt, das heißt

mit der zugehörigen Dichte-funktion

Exponentialverteilungen besit-zen sehr angenehme Eigen-schaften, sind allerdings in derModellierung auch sehr ein-schränkend. Eine flexiblere Ver-teilungsklasse ist die der Wei-bull-Verteilungen, deren Vertei-lungsfunktionen durch

und deren Dichte durch

mit Parametern und gegeben sind. Mit der speziel-len Wahl 1 sind Exponenti-alverteilungen in dieser Klasseenthalten. Für wird die Weibull-Verteilung auch alsRayleigh-Verteilung bezeichnet.

Bild 2: Dichten von Wei-bull-Verteilungen für h=1

und verschiedene `.

Die mittlere Systemlebensdauereines 2-von-4-Systems mit zu-grunde liegender Weibull-Ver-teilung und Parameternund ist mit gegeben durch den Ausdruck

Im Spezialfall einer Exponential-verteilung ergibt sich

(siehe VDI-Richtlinie 4008,Blatt 9, Formel 7.4-9).

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Bild 3 zeigt den Effekt einer re-dundanten Auslegung eines Sys-tems sehr gut: Die Fläche übereinem Intervall und unterhalbdes Grafen der Dichtefunktiongibt die Wahrscheinlichkeit fürden Ausfall einer Komponentebeziehungsweise des Systemsin diesem Zeitintervall an. DieBildung eines k-von-n-Systemsführt also zu einer „Massenver-schiebung“ nach rechts in Rich-tung wachsender Zeit, also län-gerer Lebensdauer.

Vierstrahliges Verkehrsflugzeugals Beispiel eines 2-aus-4-Systems

mit heißer Reserve.Foto: Peter Winandy

Bild 3a: Dichten von k-von-4-Systemen mit k=1,..,4 bei einerRayleigh-Verteilung mit h=1.

Bild 3b: Dichten von 2-von-n-Systemen mit n=2,..,6 bei einerRayleigh-Verteilung mit h=1.

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ModellerweiterungDie Modellannahme, dass keinegegenseitige Beeinflussung derKomponenten stattfindet, kannauch so verstanden werden, dassdie Ausfallrate dies ist der Quotient aus Dich-te- und Überlebensfunktion –nach Ausfall einer Komponenteunverändert bleibt. Die Ausfall-rate gibt näherungsweise dieWahrscheinlichkeit an, dass einBauteil mit VerteilungsfunktionF in der nächsten Zeiteinheitnach dem Zeitpunkt t ausfällt,wenn es zum Zeitpunkt t nochfunktionsfähig war.

Es ist jedoch nicht immerrealistisch anzunehmen, dassausfallende Komponenten kei-nen Einfluss auf die Lebensdau-er der verbleibenden Kompo-nenten haben. Am BeispielFlugzeug wird deutlich, dassder Ausfall eines Triebwerks ei-ne höhere Belastung der restli-chen Motoren zur Folge hat.Zudem können durch einenAusfall verursachte Schädennicht ausgeschlossen werden.In einer erweiterten Modellie-rung von k-von-n-Systemen mitsequenziellen Ordnungsstatisti-ken (siehe Kamps 1995) ist esmöglich, derartige Effekte durchAnpassung der Ausfallraten dernach einem Komponentenaus-

teilungen, quantitativen (Kenn-größen) und qualitativen (Alte-rungseigenschaften) Ergebnis-sen, und dass auf der Basis vonBeobachtungen und Experi-menten statistische Schlüssegezogen werden können. Statistische Methoden werdenbeispielsweise dazu eingesetzt,Parameter der zugrunde liegen-den Verteilungsfunktion F oderdie Modellparameter _1,_2, ...zu schätzen oder belastbare Aus-sagen über die Parameter mit-tels eines statistischen Tests zuerhalten. Dabei ist stets einModelltest von zentraler Be-deutung, der – vereinfachendausgedrückt – aufgrund vonBeobachtungen darüber ent-scheidet, ob ein System mit ei-nem umfassenderen Modellbeschrieben werden muss oderob nichts gegen die Verwen-dung des vereinfachten Modellsspricht. Liegt ein statistisch signi-fikanter Unterschied vor, ist dieVerwendung des allgemeinerenModells adäquat. Eine detail-lierte Beschreibung von Para-meterschätzungen und statisti-schen Tests für sequenzielle k-von-n-Systeme findet sich inCramer und Kamps (2001).Bild 5 und das zugehörige Ab-lesebeispiel zeigen die Wahr-scheinlichkeit für das Überle-

Bild 4: Proportionale Anpassung der Ausfallrate nach Komponentenausfällen.

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fall noch intakten Elemente zuberücksichtigen. Steigen diesewie vermutet, wird ein tenden-ziell früherer Ausfall des Sys-tems induziert. Auf diese Weiseentsteht eine realitätsnähereModellierung, die einer erhöh-ten Belastung oder Vorschädi-gung noch aktiver Komponen-ten Rechnung trägt. Allerdingszieht diese scheinbar kleine Än-derung einige Konsequenzennach sich.

Das Modell der sequenziellenOrdnungsstatistiken X(1), X(2),... ist für ein 2-von-4-System mitproportionaler Anpassung derAusfallraten in Bild 4 darge-stellt.

Die Veränderung nach je-dem Komponentenausfall wirdalso durch eine multiplikativeKonstante beschrieben, so dassdie Ausfallraten auf den Stufenproportional zueinander sind.Diese Konstanten werden zuModellparametern im erweiter-ten Modell der sequenziellenOrdnungsstatistiken.

Ein allgemeineres oder pra-xisnäheres Modell ist dann vonwirklicher Bedeutung, wenn esnoch mathematisch handhab-bar ist. Das bedeutet in diesemFall, dass weiterhin Aussagenüber die Systemlebensdauermöglich sind in Form von Ver-

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ben eines 2-von-4-Systems mit _1=1 und zugrundeliegenderRayleigh-Verteilung nach derZeit t >0 beziehungsweise spe-ziell für t=1. Die Grafik illus-triert, dass im Fall einer Belas-tung überlebender Komponen-ten durch Ausfälle von Bautei-len das herkömmliche Modellder Ordnungsstatistiken die Sys-temlebensdauer überschätzt(rote Kurve in Bild 5, sieheauch Bild 6 und Bild 7)! Abhän-gig von der Stärke der Auswir-kungen kann die tatsächlicheLebensdauerverteilung erheb-lich von der im Standardmodellresultierenden Verteilung ab-weichen.

Auswirkungen der allgemeineren ModellierungDie aufwändigere Modellierunggeht einher mit einer erhöhtenmathematischen Komplexität.Beispielsweise kann die Dichte-funktion der Systemlebensdau-er nur noch durch eine spezielleFunktion – eine so genannteMeijer-G-Funktion – beschrie-ben werden (siehe Cramer undKamps 2003), die von den Mo-dellparametern _1, ...,_nabhängt:

Jedoch sind über diese Funkti-on viele nützliche Eigenschaf-ten bekannt oder nachweisbar.Dadurch können bekannte undwichtige Eigenschaften im her-kömmlichen Modell auf dieneue Modellklasse übertragenwerden. Falls keiner der Nennerin der folgenden Formel zu Nullwird, dann kann auch die mitt-lere Systemlebensdauer einessequenziellen 2-von-4-Systemsbasierend auf einer Weibull-Verteilung mit Parametern h>0und `>0 bestimmt werden:

Bild 6 und Bild 7 zeigen diemittlere Lebensdauer eines se-quenziellen 2-von-4-Systemsfür _1=1 und verschiedeneWerte _2 und _3. In der Konse-quenz kann festgehalten wer-den, dass ein handhabbaresModell gefunden und analysiertist, mit dem praxisnähere Be-schreibungen und statistischeAnalysen möglich sind. Weiter-hin sind - wie im Standardmo-dell - explizite Verteilungsaussa-gen und statistische Verfahrenebenso möglich wie etwa Aus-sagen über die Vererbung ge-wisser Alterungseigenschaftender Komponenten auf das Ge-samtsystem.

Dieser Beitrag sowie ergän-zende Literaturangaben sindunterwww.isw.rwth-aachen.de/themen verfügbar.

Autoren:Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Erhard Cramer leitet das Lehr- und ForschungsgebietAngewandte Stochastik am Institut für Statistik und Wirtschaftsmathematik. Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Udo Kamps ist Inhaber des Lehrstuhls für Statistik am Institut für Statistik undWirtschaftsmathematik.

Bild 5: Überlebenswahr-scheinlichkeiten sequenzieller

2-von-4-Systeme.

Bild 6: Mittlere Lebensdauereines sequenziellen 2-von-4-Systems bei _1 =1und Rayleigh-Verteilung (h=2)für verschiedene Werte von _2

und _3 .

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Bild 7: Mittlere Lebensdauereines sequenziellen 2-von-4-Systems bei _1 =1 und Rayleigh-Verteilung (h=2)für verschiedene Werte von _2 und _3

im Vergleich zur Lebensdauer eines gewöhnlichen 2-von-4-Systems.

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Henryk Gerlach, Heiko von der Mosel

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Klasse der Kurven, die eine sol-che Längenmessung zulassen.Aber wie beschreibt man mathe-matisch die „Dicke” einer Kurve?Die entscheidende Idee für einein der Variationsrechnung geeig-nete Definition einer Kurvendickehatten Oscar Gonzalez und JohnMaddocks im Jahre 1999, indemsie auf den klassischen Umkreis-radius R(x,y,z) dreier Raumpunk-te x,y und z zurückgriffen. Wer-tet man diese Radiusfunktion anallen Tripeln von Kurvenpunktenentlang einer Kurve aus und fin-det dabei eine positive untereSchranke e>0 für alle diese Radi-en, dann schreibt man der Kurvedie Mindestdicke e zu. Wird derUmkreisradius R für ein Tripelvon Kurvenpunkten klein, dieentlang der Kurve sehr dicht auf-einander folgen, bedeutet das,dass sich die Kurve dort verstärktkrümmt. Dies ist ein Effekt, dernur von der lokalen Gestalt derKurve in diesem Bereich abhängt.Wird R aber für drei Kurven-punkte klein, von denen min-destens zwei durch einen län-geren Kurvenbogen getrenntsind, dann kommen sich zweiverschiedene Kurvenstränge imRaum sehr nahe – abhängigvon der Gestalt der Kurve alsGanzes, siehe Bild 2.

Mit Methoden der Variations-rechnung kann man zeigen, dassdas Problem (P) auf der Sphäretatsächlich für jede vorgeschrie-bene Dicke eD(0,1] mindestenseine Lösung besitzt. Darüber hin-

WWie muss man eine unhandlicheMatratze verbiegen, damit siemöglichst wenig aus dem Koffer-raum herausragt? Warum lohntsich das behutsame und saubereAufrollen auf eine Kabelrolle, umein langes Stromkabel zu bändi-gen? Diese und ähnliche Fra-gestellungen lassen sich zu denPackungsproblemen zählen, beidenen man einen möglichstgroßen Anteil eines Gegenstan-des durch geeignete Verformungin einen Behälter oder auf einervorgegebenen Oberfläche plat-zieren möchte. Auch die Naturkennt solche Optimierungspro-bleme: Es ist faszinierend, wieund in welch verblüffender Dich-te extrem lange Stränge viralerDNA in das sehr kleine Volumeneines Bakteriophagenkopfes ver-packt werden können.

Für die Modellierung undComputersimulation derartigerVorgänge ist es oft von entschei-dender Bedeutung, solche Pro-bleme in mathematisch idealisier-ter Form zu analysieren. Ein Bei-spiel ist die folgende Version.

Packungsproblem (P): Gesuchtist die längste Kurve vorge-schriebener Mindestdicke auf einer gegebenen Oberfläche.

Als eine solche Oberfläche wirddie Sphäre vom Radius 1 ge-wählt. Dann lassen sich für un-endlich viele Werte vorgeschrie-bener Mindestdicke eindeutigeLösungen des Packungsproblemskonstruieren. Die einfachstendieser Lösungskurven erinnernan das aus der fernöstlichen Kul-tur bekannte Yin-Yang-Symbol.In abgewandelter Form findetman solche Kurven als Nahtlinienauf handelsüblichen Tennisbällen,siehe Bild 1. Auch für Kurven mitverschiedenen Anfangs- und End-punkten kann man aus geeigne-ten Halbkreisen eindeutige Lösun-gen konstruieren, siehe Bild 6.

Mit dem Problem (P) betrittman das mathematische Teilge-biet der Variationsrechnung, die -ganz dem Prinzip natürlicher Effi-zienz folgend - nach energetischgünstigsten Lösungen sucht. DieRolle der „Energie“ übernimmthier das Längenfunktional, wel-ches Kurven ihre Länge zuord-net. Die Lösungen des Varia-tionsproblems sucht man in der

Yin-Yang-Kurven lösen ein Packungsproblem

aus lassen sich für die unendlichvielen Mindestdicken e1 =sin//2 =1, e2=sin//4,...,en= sin//(2n),...

geschlossene Kurven konstru-ieren, deren Länge von keineranders geformten Kurve dieserMindestdicken erreicht wird. Spe-ziell liefert die weiter unten be-schriebene Konstruktion die Yin-Yang-Kurve auf der Sphäre fürdie gegebene Dicke e2, siehe Bild 1.

Die Tatsache, dass man expli-zite und eindeutige Lösungskur-ven erhält, ist erstaunlich, wennman berücksichtigt, dass man füreng verwandte Probleme, etwa

für die Suche nach so genannten„idealen Knoten“ zwar die Exis-tenz von Lösungen beweisenkonnte, aber fast gar nichts überderen tatsächliche Gestalt weiß.Ideale Knoten sind die Kurven ei-ner vorgegebenen Knotenklasse,welche die Länge bei fixierterMindestdicke minimieren. In ei-nem Gedankenexperiment er-zeugt man beispielsweise die„ideale Kleeblattschlinge“, indemman einen losen Kleeblatt-Kno-ten fester und fester zusammen-zieht, siehe Bild 3. So wie dasPackungsproblem (P) ist auch dieSuche nach idealen Knoten nichtnur aus mathematischer Sicht in-

Bild 1: Die Nahtlinien einesTennisballs, die aus Halbkrei-sen zusammengesetzte Kurve

Bild 2: Die Zentrallinien dieserschlauchförmigen Gebilde sindKurven mit positiver Dicke. DieDicke wird bei beiden Kurvenjeweils durch den Radius derschwarzen Kreislinie bestimmt,den man durch Annäherungmit Umkreisradien R(x,y,z)dreier Kurvenpunkte x,y,z

des Yin-Yang-Symbols und einesphärische Lösungskurve für dasPackungsproblem (P).

erhält. Links beschränkt die lokaleKurvenkrümmung die Dicke;rechts führt die räumliche Näheverschiedener Kurvenbögen zu einer beschränkten Dicke.Quelle:www.ma.utexas.edu/users/og/curvature.html

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Explizite geometrische Konstruktionenin der Variationsrechnung

teressant: Es ist experimentellnachweisbar, dass DNA-Mo-leküle häufig eine verknoteteund extrem verdrillte Gestalt an-nehmen. Aus dem mathemati-schen Studium idealer Konfigura-tionen erhofft man sich Rück-schlüsse auf die mikrobiologi-schen Prozesse, bei denen großeMengen verknoteter DNA-Mo-leküle platzsparend in kleine Vo-lumina verpackt werden. Sucht man zur Lösung des Pro-

Bild 4: Konstruktion der Lö-sung mit Dicke e2 = sin//4:Ein Breitenkreis zum sphäri-schen Winkel //4 (grüne Pfei-le) und ein zweiter Breiten-kreis im sphärischen Abstand//2 (blaue Linie) werdendurch die Trennung der He-misphären in vier Halbkreiseunterteilt. Nach der Drehungum den Winkel //2 fügen sichdiese Halbkreise zur geschlos-senen Yin-Yang-Kurve zusam-men.

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Bild 3: Die ideale Kleeblatt-schlinge entsteht durch Festziehen eines Knotens, alsodurch das Minimieren derKurvenlänge bei gleichbleiben-der Mindestdicke.Quelle:www.ma.utexas.edu/users/og/curvature.html

blems (P) auf der Sphäre zu-nächst die längste geschlosseneKurve der Mindestdicke e1=1, soist der Äquator überhaupt dereinzige Kandidat und damit dieeindeutige Lösung. Tatsächlich istder Äquator ein Großkreis, alsoein Kreis der Länge 2/ auf derSphäre, und besitzt als Kurve imRaum die Dicke 1. Jede andersgeformte Kurve auf der Sphäreenthält mindestens drei Punkte,die nicht auf einem Großkreis lie-

gen. Die Ebene durch diesePunkte schneidet demnach dieSphäre in einem Kreis, dessenRadius strikt kleiner als 1 ist.Folglich ist die Dicke jeder sphäri-schen Kurve, die kein Großkreisist, strikt kleiner als 1.

Für die folgende Konstruktionwird dem Äquator der vomNordpol aus gemessene sphäri-sche Winkel //2 zugeordnet. Fürdie vorgeschriebene Mindest-dicke e2=sin//4 wählt man an-

stelle des Äquators den Breiten-kreis zum sphärischen Winkel//4 und dazu einen weiterenBreitenkreis im sphärischen Ab-stand //2. Um aus diesen zweiBreitenkreisen der Dicke e2 eineeinzige geschlossene Kurve der-selben Dicke zu konstruieren,zerschneidet man die Sphäre ent-lang eines Längenkreises in einewestliche und eine östliche He-misphäre. Dann verdreht man dieöstliche Hemisphäre um denWinkel //2 gegenüber der west-lichen und klebt die so gegenein-ander verdrehten Hemisphärenabschließend wieder zusammen,siehe Bild 4. Das Ergebnis ist diesphärische Yin-Yang-Kurve, be-stehend aus den zusammenge-fügten Halbkreisen der östlichenund westlichen Hemisphäre.

Allgemein wählt man zu vor-gegebener Mindestdickeen=sin//(2n) für n=1,2,3,... ge-nau n Breitenkreise im sphäri-schen Abstand //n. Dann drehtman die östliche gegen die west-liche Hemisphäre um den Winkelk//n für ein k aus der Menge{1,2,...,n-1}, bevor man die He-misphären in verdrehter Stellung

Bild 5: Lösungskurven für n=1,4 und 12. Der Parameter k be-stimmt den jeweiligen Dreh-winkel der Hemisphären. (Wiein Bild 4 werden die Kurvenaus Gründen der Übersicht-lichkeit nicht in ihrer vollenDicke en dargestellt.)

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n 2 3 4 5 6 7 8 9 10 97 120 121 122 123 124 125

�(n) 1 2 2 4 2 6 4 6 4 96 32 110 60 80 60 100

wieder zusammenklebt. Mit ele-mentaren Methoden aus der Al-gebra lässt sich feststellen, wanndieses Verfahren zu geschlosse-nen Kurven wie in Bild 5 führt.Dies ist genau dann der Fall,wenn die Zahlen k und n teiler-fremd sind. So produzieren etwabei vorgeschriebener Mindest-dicke e4=sin//8 nur die Drehun-gen um die Winkel //4 und 3//4geschlossene - und verschiedene -Schleifen. Wenn diese Konstrukti-on also wirklich zu Lösungenführt, dann weiß man aus derZahlentheorie auch direkt, wiegroß die Lösungsmengen sind.Die Eulersche Phi-Funktion �(n)gibt an, wie viele teilerfremdeZahlen k aus der Menge {1,...n-1}zu n=1,2,3,... existieren, siehe Ta-belle 1. Bei jeder Primzahl sinddies naturgemäß alle natürlichenZahlen, die kleiner sind als diesePrimzahl. Es ergeben sich alsoteils sehr große Mengen an expli-ziten und in ihrer Gestalt eindeu-tigen Lösungen.

Warum aber sind diese sokonstruierten geschlossenen Kur-ven tatsächlich Lösungen desPackungsproblems (P) auf derSphäre? Den Schlüssel zur Beant-wortung dieser Frage liefert einfür Untersuchungen aus der statis-tischen Physik hergeleiteter Satzvon Harold Hotelling aus demJahr 1939. Dieser Satz erlaubt dieexplizite Berechnung desFlächeninhalts von tubenförmi-gen Umgebungen von dickenKurven auf der Sphäre. Hat dieKurve der Dicke e=sin_ die Län-ge L, dann gilt für den Flächenin-halt F ihrer Tubenumgebung mitsphärischem Radius _ die Bezie-hung F=2e L. Andererseits ist dermaximal auf der Sphäre über-

deckte Flächeninhalt die Gesamt-oberfläche der Sphäre, also 4/.Die Formel von Hotelling liefertdemnach die Zahl 2//e alsgrößtmögliche Länge einer Kur-ve der Mindestdicke e. Für diezu den Dicken en=sin//(2n)konstruierten Kurven kann manleicht zeigen, dass deren sphäri-sche Tubenumgebungen jeweilsden maximalen Flächeninhalt 4/

haben. Damit ist bewiesen, dassdiese Kurven die größtmöglicheLänge haben. Es wurden alsotatsächlich explizite Lösungendes Packungsproblems für jededer vorgeschriebenen Mindest-dicken en für n=1,2,3,... gefun-den.

Kann man aber ausschließen,dass es noch ganz andere Lösun-gen mit diesen Dicken gibt? Beiallgemeinen Variationsproblemenist dies oft sehr schwierig, und invielen Fällen ist die Frage nachder Größe der Lösungsmenge bisheute ungeklärt. Hier aber ist dieSituation günstiger; denn es lässtsich folgendes beweisen: Ange-nommen die Tubenumgebungeiner dicken sphärischen Kurvehat den auf der Sphäre maxima-len Flächeninhalt 4/, dann mussdie Kurvendicke den Werten=sin//(2n) für ein n aus derMenge {1,2,3,...} haben. An-schaulich bedeutet das: Möchteman einen Fußball statt mit Ge-schenkpapier mit einer dickenKordel einlagig umwickeln, umden Ball als Geschenk zu ver-packen, so wird dies nicht mit je-der Kordel funktionieren. DieDicke der Kordel muss in einembestimmten Verhältnis zur Ober-fläche des Balles stehen. An-dernfalls entstünden Lücken,und man wäre gezwungen, die

Bild 6: Lösungskurven mit ver-schiedenen Anfangs- und End-punkten zu unterschiedlichenDicken. Die beiden äußerenKurven sind mit ihrer vollenKurvendicke dargestellt.

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Kordel in mehreren Lagen umden Ball zu wickeln. Hat mandies eingesehen, dann kann manzeigen, dass die Kurve mit denoben konstruierten Lösungenübereinstimmen muss. Insbeson-dere liefert dieser Satz die Ein-deutigkeit der Lösungen. Hatbeispielsweise eine Kurve derDicke e2=sin //4 die nach Hotel-ling maximal mögliche Länge2//e2, dann muss die Kurve diesphärische Yin-Yang-Kurve in Bild 4 sein.

Analoge Resultate konntenfür Kurven erzielt werden, derenAnfangs- und Endpunkte ver-schieden sind. Einige der explizi-ten und eindeutigen Lösungensind in Bild 6 dargestellt. Auchfür die ZwischenwerteeD(e2,e1)=(sin//4,1) einer gege-benen Mindestdicke wurdenKurven durch Zusammensetzengeeigneter Kreisbögen konstru-iert, siehe Bild 7. Da aber die zu-gehörigen Tubenumgebungendie Sphäre nicht vollständig aus-füllen, ist es bislang eine offeneFrage, ob diese Kurven die maxi-male Länge haben. Gute Kan-didaten für die Lösung des Pack-ungsproblems (P) sind sie in je-dem Fall.

www.instmath.rwth-aachen.de

Autoren:Dipl.-Math. Henryk Gerlach pro-moviert an der EPFL Lausanne.Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Heiko vonder Mosel betreut das Lehr- undForschungsgebiet Mathematik.

Tabelle 1: Einige Werte der Eulerschen Phi-Funktion �(n),welche die Zahl der Lösungs-kurven der Dicke en angibt.

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Bild 7: Eine aus kürzeren Kreis-bögen zusammengesetzte Kurveder Dicke e D(e2 ,e1): zumindestein sehr guter Kandidat.

Wie lässt sich ein Fußball miteiner Kordel „verpacken”?Professor Heiko von der Moselvom Lehr- und Forschungs-gebiet Mathematik analysiertPackungsprobleme.Foto: Peter Winandy

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Erich Grädel

on erfüllt, ist eine von der Steu-erung gewonnene Partie desSpiels; wenn der Verlauf aber dieSpezifikation verletzt, dann hatdie Steuerung verloren. Syntheseund Verifikation nichtterminie-render, reaktiver Systeme sindalso einer der Anwendungsbe-reiche für unendliche mathe-matische Spiele.

GewinnstrategienGrundlegend für die mathema-tische Analyse eines Spiels istder Begriff einer Strategie. EineStrategie liefert einem Spieler injeder erreichbaren Position ei-nen seiner möglichen Züge. In-dem sich alle beteiligten Spielerauf eine Strategie festlegen unddiese befolgen, ergibt sich einStrategieprofil, welches die Par-tie eindeutig bestimmt. Natür-lich strebt jeder Spieler nach einer optimalen Strategie. BeiGewinn-Verlust-Spielen wie etwa Schach wäre dies eineGewinnstrategie, eine Strategiealso, mit der ein Spieler jedePartie gewinnt, unabhängig davon, wie der Gegner ziehenwird. Schon vor 95 Jahren hatder Logiker Ernst Zermelo be-wiesen, dass im Schachspiel einer von drei Fällen eintretenmuss: entweder hat Weiß oderSchwarz, eine Gewinnstrategie,oder aber beide Spieler habeneine Strategie um mindestensein Unentschieden zu errei-chen. Dieses Resultat hat abereigentlich nicht viel mit dem

Schachspiel als solchem tun. Esgilt für jedes Spiel, in dem allePartien endlich sind, oder manzumindest nach endlich vielenZügen das Resultat der Partie –Gewinn, Verlust, Unentschie-den – kennt. Bis heute ist übri-gens nicht bekannt, welche derdrei Möglichkeiten im Schachtatsächlich zutrifft.

Bei – echten – unendlichenSpielen bestimmt aber erst dervollständige unendliche Verlaufeiner Partie, wer diese gewon-nen hat. Bekanntlich kann manjede reelle Zahl, etwa zwischen0 und 1, durch einen unendli-chen Dezimalbruch darstellen.Jede Eigenschaft reeller Zahlen,etwa die Eigenschaft, dass dieZahl irrational ist, kann dann alseine Gewinnbedingung in ei-nem unendlichen Spiel aufge-fasst werden, bei dem die Spie-ler abwechselnd die Ziffern desDezimalbruchs auswählen.Spieler 1 bestimmt also die un-geraden Positionen der Dezi-malbruchentwicklung, währendSpieler 2 die Ziffern wählt, diean geraden Positionen stehen.Nach unendlich vielen Zügen istein unendlicher Dezimalbruchund damit eine reelle Zahl fest-gelegt. Eine solche unendlichePartie wird von Spieler 1 ge-wonnen, wenn die dadurchfestgelegte Zahl die Gewinnbe-dingung erfüllt ist, andernfallshat Spieler 2 gewonnnen. Einegrundlegende Frage ist, welcheGewinnbedingungen zu Spielen

führen, bei denen Spieler 1oder Spieler 2 eine Gewinnstra-tegie besitzt. Wenn Spieler 1bei irrationalen Zahlen gewinnt,und bei rationalen Zahlen ver-liert, dann hat er eine sehr ein-fache Gewinnstrategie: erbraucht gar nicht zu beachten,was sein Gegner tut, sondernspielt einfach in seinen eigenenZügen eine irrationale Zahlen-folge. Normalerweise sind Ge-winnstrategien nicht so einfachund hängen in komplizierterWeise von den Zügen des Geg-ners ab.

Es gibt aber auch Spiele, beidenen keiner der beiden Spielereine Gewinnstrategie besitzt.Solche Spiele bezeichnet manals nichtdeterminiert. Es ist garnicht so einfach, solche Spielezu finden, und in der Tat be-sagt ein fundamentales Resultatder Theorie unendlicher Spiele,dass dies nur bei topologischkomplizierten Gewinnbedin-gungen auftreten kann. DiesesResultat ist Teil eines For-schungsprogramms, das bis indie 50er Jahre zurückreicht,welches die Existenz von Ge-winnstrategien in unendlichenSpielen mit den topologischenEigenschaften ihrer Gewinnbe-dingungen in Beziehung setzt.Auf diese Resultate kann manheute noch aufbauen. Aller-dings hat die klassische Theorieunendlicher Spiele einen funda-mentalen Mangel: sie hat kaumalgorithmischen Gehalt.

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Unendliche SpieleWie gewinnt man Spiele,

die nie enden?

SSpiele, die wir aus dem Alltagkennen und mit Kindern undFreunden spielen, sind natürlichvon endlicher Dauer. Spiele, diein der Mathematik und ihrenAnwendungen auftreten, kön-nen dagegen durchaus aus ei-ner unendlichen Folge von Zü-gen bestehen. Es geht dabeiweniger darum, solche Spieletatsächlich zu spielen. Sie die-nen einerseits als Gedankenex-perimente um komplizierte ma-thematische Konzepte und Pro-bleme auf neue Weise zu ver-stehen, und sie mit spielbasier-ter Intuition und spieltheoreti-schen Methoden zu analysie-ren. Vor allem aber liefern sol-che Spiele allgemeine mathe-matische Modelle, mit denensich viele Probleme und Syste-me beschreiben lassen, bei de-nen verschiedene Agenten - et-wa Komponenten und Benutzereines Rechnersystems - mitwir-ken und dabei verschiedeneZiele und Interessen verfolgen.Es ist ja längst nicht mehr so,dass Rechner nur dazu einge-setzt werden, um aus einer Ein-gabe, etwa einem Gleichungs-system, in endlich vielen Schrit-ten eine Lösung zu berechnen.Rechner werden zum Beispielzur Steuerung von Anlagen ein-gesetzt, die ständig weiterlau-fen, also nicht terminieren, unddabei fortwährend mit ihrerUmgebung interagieren. DieSteuerung muss dabei garantie-ren, dass die möglichen unend-lichen Verläufe des Gesamtsys-tems, die sich aus dem Zusam-menspiel der Aktionen der Um-gebung mit den Aktionen derSteuerung ergeben, gewissenBedingungen genügen. DieseBedingungen, die Spezifikatio-nen des Systems, werden oftdurch Formeln - zum Beispieleiner temporalen Logik - be-schrieben.

Ein solches System lässt sichmathematisch als ein nichtter-minierendes, also unendlichesSpiel modellieren, bei dem dererste Spieler die Rolle der Steu-erung übernimmt, und derGegner die Umgebung simu-liert. Die Spezifikation der er-laubten Systemverläufe ist da-bei Gewinnbedingung für denSteuerungsspieler: ein unendli-cher Verlauf, der die Spezifikati-

Interaktive Konstruktion von Gewinnspielen.

Foto: Peter Winandy

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Realisierung und Optimierungvon GewinnstrategienIn der oben beschriebenen Mo-dellierung lässt sich ein Soft-waremodul für die Steuerungeines reaktiven Systems als eineStrategie in einem unendlichenSpiel verstehen. Die Konstrukti-on eines Steuerungsmodulsentspricht also der Berechnungeiner Strategie, und die Verifi-kation des Moduls - die Frage,ob die Spezifikationen erfülltwerden - entspricht mathema-tisch der Frage, ob die Strategieeine Gewinnstrategie ist.Bei Spielen, welche solche An-wendungen modellieren, sinddie Gewinnbedingungen in derRegel nicht gar so kompliziert,so dass die Existenz von Ge-winnstrategien in der Regel ausbekannten mathematischenSätzen unmittelbar folgt. Damitist aber für die Praxis nochnicht viel gewonnen: dieseStrategien müssen gefunden,algorithmisch realisiert und op-timiert werden. Von besonde-rer Bedeutung ist dabei derSpeicherbedarf einer Strategie,und damit die Frage, in welcherWeise die Strategie vom bishe-rigen Verlauf der Partie ab-hängt. Es gibt Spiele, in denenGewinnstrategien den ganzenbisherigen Verlauf einer Partieberücksichtigen müssen, um ei-nen guten nächsten Zug zu lie-fern. Dies kann die praktischeRealisierung extrem schwierigoder unmöglich machen.

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Glücklicherweise kann manaber in vielen - praktisch rele-vanten - Spielen Gewinnstrate-gien finden, welche nur be-schränkte Information über dieGeschichte einer Partie benöti-gen. Solche Strategien sinddurch endliche Automaten rea-lisierbar und erlauben, das Pro-blem der algorithmischen Kon-struktion von Gewinnstrategieneffektiv zu lösen. In Verbindungmit mathematischer Logik undAutomatentheorie liefert dieTheorie unendlicher Spiele da-mit eine tragfähige Methodolo-gie für die Synthese und Verifi-kation reaktiver Systeme. Auchfür andere Aufgaben, etwa dieAuswertung logischer Formeln,liefern endliche und unendlicheSpiele effiziente algorithmischeMethoden. In wichtigen Fällen,etwa bei Formeln, die auf kleins-ten und größten Fixpunkten re-lationaler Operatoren aufge-baut sind, sind spielbasierte Al-gorithmen die besten bekann-ten Auswertungsstrategienüberhaupt.

MehrpersonenspieleDie algorithmische Theorie un-endlicher Spiele ist recht weitentwickelt für Zweipersonen-Spiele bei denen jeweils einSpieler gewinnt, der andereverliert, den so genannten Null-summen-Spielen. In diesen ste-hen den Spieler perfekte Infor-mation zur Verfügung: sie ken-nen die vollständige Beschrei-

bung des Spiels, die genauePosition und den gesamtenVerlauf der bisherigen Partie. Es gibt allerdings gute Gründe,um über das Modell der Zwei-personen-Nullsummen-Spielemit perfekter Information hin-auszugehen und ehrgeizigere,aber auch wesentlich schwieri-gere Modelle zu untersuchen.

In zahlreichen Situationen wieRechnernetze und verteilte Sys-teme, Steuerungssysteme mitmehreren unabhängigen Kom-ponenten oder Mehragenten-Systeme liegt eigentlich eine In-teraktion vieler Spieler vor.

In Mehrpersonen-Spielen oh-nehin, aber auch in vielenZweipersonen-Spielen, ist dieSituation in der Regel nicht völ-lig antagonistisch. Die Model-lierung durch ein Nullsummen-Spiel ist daher nicht angemes-sen und trägt dem implizit vor-liegenden Kooperationspotenzi-al nicht Rechnung.

Auch die Annahme, dass jederSpieler über den aktuellen Zu-stand, alle Spielregeln undsämtliche Gewinnbedingungengenau Bescheid weiß, ist oftunrealistisch. Im Gegenteil lie-gen in der Praxis vielerlei Infor-mationsunschärfen vor, derenalgorithmische Effekte derzeitnoch nicht gut verstanden sind.

Es ist daher eine theoretischinteressante und praktisch rele-vante Herausforderung, dasnicht-terminierende Interakti-onsverhalten zwischen mehr als

zwei Agenten, die zwar ei-gennützig handeln, deren Ziel-vorgaben sich aber nicht unbe-dingt gegenseitig ausschließen,und die nicht die vollständigeInformation über das gesamteSystem besitzen, angemessenzu modellieren, Lösungskon-zepte für diese Modelle zu be-gründen und algorithmisch zurealisieren.

Als Grundlage in dieser Pro-blematik können Konzepte ausder klassischen, mathematisch-wirtschaftswissenschaftlichenSpieltheorie herangezogen wer-den. Das populärste Lösungs-konzept der Spieltheorie istwohl der Begriff eines Nash-Gleichgewichts. Dies ist einStrategieprofil bei dem keinerder Spieler ein Interesse hat,einseitig zu einer anderen Strategie abzuweichen. Einberühmter Satz des Nobel-preisträgers John Nash besagt,dass jedes endliche Spiel einNash-Gleichgewicht besitzt.Dabei setzt man allerdings vor-aus, dass es den Spielern er-laubt ist, zufällig zwischen ihrenverschiedenen Strategien zuwählen. Im bekannten Kinder-spiel Stein-Schere-Papier etwaist ein Nash-Gleichgewicht da-durch gegeben, dass jederSpieler zufällig, jeweils mitWahrscheinlichkeit 1/3, zwi-schen den drei MöglichkeitenStein, Schere, oder Papierwählt. Zwar sind die klassischenLösungskonzepte der Spiel-

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Bild 1: Spiele, in denen zweioder mehr Spieler in einer un-endlichen Folge von Zügen ei-nen Pfad durch einen Spiel-graph definieren, haben vielfäl-tige Anwendungen in verschie-denen Zweigen der Mathema-tik und Informatik, zum Bei-spiel zur Modellierung reakti-ver Systeme.

Bild 2: Die wichtigsten mathe-matischen Probleme bei derUntersuchung unendlicherSpiele sind die Berechnung vonGewinnpositionen und dieKonstruktion optimaler Strate-gien für die einzelnen Spieler.

theorie, wie etwa Nash-Gleich-gewichte nicht ohne weiteresauf Mehrpersonenspiele vonunendlicher Dauer übertragbar,aber sie liefern wichtige Grund-lagen für das aktuelle For-schungsprogramm, die Metho-den der klassischen Spieltheoriemit der aus Logik, Automaten-theorie, und Verifikation kom-menden algorithmischen Theo-rie unendlicher Zweipersonen-Spiele zu kombinieren, umtragfähige und algorithmischrealisierbare Lösungskonzeptefür unendliche Mehrpersonen-spiele zu finden und damitneue Anwendungen zu er-schließen.

Die RWTH Aachen spielthier international eine führendeRolle, unter anderem mit demGraduiertenkolleg AlgoSynund in dem Europäischen Netz-werk GAMES (Games for De-sign and Verification).

http://logic.rwth-aachen.de

Autor:Univ.-Prof. Dr.phil. Erich Grädelleitet das Lehr- und Forschungs-gebiet Mathematische Grundla-gen der Informatik (Logik undKomplexität).

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EVerkehrsstau auf Autobahnen Kann die Mathematik helfen?

Ein täglicher Blick auf die Straßenzeigt, dass inzwischen kein Tagvergeht, in dem Verkehrsteilneh-mer nicht in einem Verkehrsstaustehen. Viele Arbeitnehmer undUrlaubssuchende verbringen ei-nen nicht unerheblichen Teil ihrerZeit in kilometerlangen Schlangenauf Autobahnen oder Fern-straßen. Statistisch gesehen hatsich in dem vergangen Sommer2007 eine Staustrecke von13.417 Kilometern gebildet – eineSchlange von Deutschland bisAustralien. Neben dem persönli-chen Zeitverlust haben Stausauch eine wirtschaftliche undökologische Dimension. LautUmweltbundesamt haben Ver-kehrsstockungen zu einem er-höhten Benzinverbrauch von 288Millionen Liter und zusätzlichen714.000 Tonnen CO2 -Ausstoßgeführt. Viele weitere Datenließen sich angeben, um die Be-deutung des stockenden Straßen-verkehrs aufzuzeigen.

Welche hilfreichen Beiträge zur Verkehrsproblematik kanndie Mathematik liefern? Die Ursachen der Verkehrsproble-me sind vielfältig und natürlichnicht vollständig mathematischbeschreibbar. Seit den fünfzigerJahren werden beginnend mitForschungsarbeiten in den USAVerkehrsphänomene methodischmit Hilfe von mathematischenAnsätzen untersucht. Im Vorder-grund stehen seither analytischeund numerische Methoden, diedas Verhalten des Verkehrs vor-hersagen und simulieren. Zusätz-lich werden in jüngster Zeit ver-mehrt Fragen der optimalen Ver-kehrssteuerung diskutiert. Lang-fristig ist ein Ziel der mathemati-schen Modellierung und Simulati-on, durch präzise Vorhersage zu-sammen mit einer intelligentenUmleitungsempfehlung via Rou-tenplaner oder Anzeigetafeln anAutobahnen mögliche Stauungenfrühzeitig zu erkennen, derenVerlauf abzuschätzen und Ver-kehrsteilnehmern die Möglichkeitzu geben, ihre Fahrverhalten denGegebenheiten anzupassen. EinBeispiel für mathematisch simu-lierte Verkehrsprognosen in Nord-rhein-Westfalen findet man unterwww.autobahn.nrw.de.

Wie kann das Phänomen Verkehr mathematisch beschrieben werden?Inzwischen existiert eine großeZahl an Modellen zur Beschrei-bung des Verkehrsphänomens.Diese reichen von mikroskopi-schen Modellen für einzelne Teil-nehmer bis hin zu makroskopi-schen Modellen. In den makro-skopischen Modellen werdenAussagen über die Verkehrsdichtepj(x,t), also die Anzahl der Teil-nehmer pro Meter Straße x zumZeitpunkt t auf Straße j, getrof-fen. Eine mathematische Glei-chung erhält man aus demGrundsatz der Erhaltung derFahrzeuge entlang jedes Straßen-stückes:

Dieses Modell wurde in den 50erJahren von M. Lighthill und R.Whitham zur Beschreibung vonVerkehrsfluss auf Autobahnenvorgeschlagen. Der auftretendemathematische Fluss fj - Fahrzeu-ge pro Meter und Zeit - kannzum Beispiel aus experimentellenDaten bestimmt werden. Typi-scherweise erhält man eine kon-kave Funktion ähnlich der rotenLinie im Diagramm in Bild 1, indem die eingezeichneten blauenPunkte Messwerte sind. Falls manannimmt, dass der Fluss sich als fj(x,t)=pj(x,t) vj(x,t)Produkt der Dichte pj(x,t) undder durchschnittlichen Geschwin-digkeit vj(x,t) darstellen lässt, ist

die Form erklärbar: In Bereichengeringer Verkehrsdichte, das heißtwenige Autos, wird mit hoher Geschwindigkeit und in Bereichenhoher Dichte aber mit geringerGeschwindigkeiten gefahren.

Welche Vorhersagen ergebensich aus dem mathematischenModell?Die Gleichung lässt ebenfalls Aus-sagen über das qualitative Verhal-ten des Verkehrs zu. Eine mathe-matische Analyse zeigt, dass dieGleichung zwei Klassen von Lö-sungen erlaubt. Im Falle, dassVerkehrsteilnehmer aus einen Be-reich hoher in einen Bereich mitgeringer Dichte fahren, ist diemathematische Lösung „glatt“.Sie bewegt sich in derselben Rich-tung wie der Verkehr. Anschau-lich bedeutet dies, dass Autoskontinuierlich anfahren, wie eszum Beispiel nach der Rotphaseeiner Ampel zu beobachten ist.Eine qualitative unterschiedlicheLösung ergibt sich in der umge-kehrten Situation. AngenommenVerkehrsteilnehmer fahren aus ei-nem Bereich niedriger in einenhoher Verkehrsdichte, dann sagtdie Modellgleichung eine unsteti-ge Lösung vorher, die sich gegendie Fahrtrichtung ausbreitet. Die-ses Phänomen ist als Stau be-kannt. Eine Interpretation dermathematisch vorhergesagtenLösung könnte die folgende sein:Betrachtet man von einem Heli-kopter aus in einem Stau das

Bremsverhalten der Teilnehmer, soerkennt man, dass das Aufleuch-ten der Bremslichter der Autossich gegen die Fahrtrichtung aus-breitet. Interessant ist, dass dasvorgesagte Verhalten allein ausder Form des Fundamentaldia-gramms folgt und nicht a priorimodelliert worden ist! Somit wur-de aus der einfachen Annahmeder Erhaltung der Autos und eini-ger Messwerte ein - einfaches -mathematisches Modell aufge-stellt, dessen Lösung zwei we-sentliche Verkehrsphänomene,den frei fließenden und denstockenden Verkehr, beschreibt.Ein Beispiel einer numerischen Simulation einer komplizierten Lösung pj(x,t) ist in dem x-t-Diagramm in Bild 2 abgebildet.

Welche Erweiterungen werdenaktuell diskutiert?Neben der Modellierung des Ver-kehrsflusses auf Straßen sollteVerkehrsfluss auch auf Kreuzun-gen beschrieben werden. Im ein-fachsten Fall werden Prozentsätzeangegeben, die den Fahrern vor-geben, in welche Richtung sieweiterfahren sollten. Diese Emp-fehlungen können zur optimalenAuslastung eines gegebenen Net-zes verwendet werden. Heutesind diese Informationen zum Teilals Umleitungsempfehlungen in

Mathematik bewegt: Staufrei dank Differentialgleichungen.Foto: Peter Winandy

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Navigationssystemen und dyna-mischen Anzeigetafeln in die Pra-xis umgesetzt.

Das einfache Modell erlaubtnur eine durchschnittliche Ge-schwindigkeit für alle Fahrzeuge.LKWs und PKWs haben jedochstark unterschiedliches Fahrver-halten. Ein Modell mit mehr Va-riabilität für die Geschwindigkei-ten ist im letzten Jahrzehnt vor-geschlagenen worden und beruhtauf der im Bild 3 dargestelltenModifikation des vorher vorge-stellten Fundamentaldiagramms.Das ursprüngliche Modell wurdedann um eine zweite Gleichungerweitert. Dadurch ergibt sich einhyperbolisches System, welchesweitere Vorhersagen erlaubt undderen Untersuchung Grundlageaktueller Forschung ist.

Neben einfachen Staus gibtes eine weitere Vielzahl an Phä-nomenen, die auftreten können.Ein Beispiel sind die Stop-and-Go-Wellen. Im täglichen Auto-bahnverkehr erlebt man häufigdie Situation einer Phase schein-bar spontanen plötzlichen Ver-langsamens gefolgt von an-schließender Beschleunigung. Eine Möglichkeit zur Erklärungund Vorhersage dieses Verhaltensist im Rahmen einer Stabilitäts-analyse spezieller Lösung einesmodifizierten Systems. In Bild 4sind Isolinien für Simulationser-gebnisse der Fahrzeuggeschwin-digkeit abgebildet. LeichteStörungen in den Anfangsdatenfür die spontanen Beschleunigun-gen führen hier zu Wellenaus-breitungen der starken Ge-schwindigkeitsschwankungen.Diese Lösung kann als Stop-and-Go-Welle interpretiert werden.

Die mathematische Modellie-rung und Analyse der Verkehrs-phänomene kann seit den Anfän-gen in den 50er Jahren inzwi-schen die verschiedensten Phä-nomene erklären und zur aktuel-len Vorhersage von Verkehrsver-halten beitragen. Die Mathematikhat hier praxisbezogene Beiträgeliefern können. Moderne Naviga-tionssysteme oder automatischgesteuerte Umleitungssystemewären ohne das mathematisch-technische Grundlagenverständ-nis nicht möglich. Verkehr undLogistik werden auch in naherZukunft beherrschende Themenin der technisierten und globali-sierten Welt sein. Die präzise undkorrekte Vorhersage von Auswir-kungen der Transportphänomeneauf Mensch und Umwelt ist hierein Teilaspekt neuer Fragestellun-gen, der wiederum Anstoß fürweitere mathematische Untersu-chungen geben wird.

www.mathc.rwth-aachen.de

Autor:Univ.-Prof. Dr.rer.nat. MichaelHerty betreut das Lehr- und Forschungsgebiet Mathematik(Kontinuierliche Optimierung).

Bild 1: Fundamentaldiagramm füreinfache Verkehrsmodelle. DiesesDiagramm zeigt die Abhängigkeitdes Verkehrsflusses (y-Achse) vonder Verkehrsdichte (x-Achse). Dierote Linie ist die mathematischeNäherung, während die blauenPunkte Messpunkte sind.

Bild 2: Simulation der räumli-chen und zeitlichen Veränderungder Verkehrsdichte im Falle einerAuffahrt. Die Auffahrt befindetsich an der Stelle x=1/2 und istnicht dargestellt. Das Bild zeigtlediglich die Verkehrsdichte aufder Hauptstraße. Durch stetigeZufahrt beobachtet man zur Zeitt=0.025 eine sprunghafte Er-höhung. Dies ist ein Stau, derdurch die zu geringe Kapazitätder Hauptstraße entstanden ist.

Bild 3: Komplexere mathemati-sche Modelle erweitern die ur-sprüngliche Dichte-Fluss Bezie-hung, die in Bild 1 dargestelltwar. In dem gezeigten Diagrammerhält man entlang der roten Ge-raden eine Schar verschobenerFundamentaldiagramme, diezum Beispiel zur Beschreibungvon PKW- und LKW-Verkehr be-nutzt werden können.

Bild 4: Mit einem Modell basie-rend auf Differentialgleichungenmit Verzögerungen können kom-plexe Verkehrsmuster erzeugtwerden. In der dargestellten Si-mulation sind die Höhenlinieneines Dichteprofils in Raum undZeit aufgezeichnet. Bereiche ho-her Dichte (rot) wechseln sichmit Bereichen niedriger Dichte(blau) ab. Solche Phänomenesind als Stop-and-Go-Wellenauch auf Autobahnen beobach-tet worden. Durch Analyse derGleichungen versucht man zumBeispiel zu verstehen, woherdiese Wellen kommen und obsie stabil sind.

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Nicole Heussen, Ralf-Dieter Hilgers

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Wie viele Patienten braucht eine Klinische Studie?

Klinische Studien sind ein wichti-ges Instrument zur wissenschaft-lichen Absicherung der Effizienzeiner Behandlung von Erkrank-ungen. Bei der Planung undDurchführung von klinischenStudien müssen viele Aspekteberücksichtigt werden. Nebender Festlegung des Studienzielsund der Wahl des geeignetenStudiendesigns, ist die Bestim-mung der benötigten Patienten-zahl ein wesentlicher Punkt derStudienplanung.

In einer Studie, die in derMedizinischen Klinik I des Uni-versitätsklinikums Aachen durch-geführt wurde, sollte das thera-peutische Potenzial von Kakaomit hohem Flavanolgehalt beikardiovaskulären Erkrankungendiabetischer Patienten untersuchtwerden. In der Planungsphasedieser Studie wurden die Statisti-ker von den Medizinern gefragt,wie viele Patienten behandeltwerden müssen, damit die Studieeine ausreichend große Aussage-kraft aufweist.

Mit Hilfe der Studie sollte ei-ne verbesserte Wirksamkeit vonKakao mit hohem Flavanolgehaltnachgewiesen werden. Hierzumuss eine Abgrenzung der Wir-kung unter der Therapie mit ei-ner hohen Flavanoldosis gegenü-ber derjenigen Wirkung, die „üb-licherweise“ in einer solchen Pa-tientengruppe beobachtet wer-den würde, erfolgen. Zur Mini-mierung äußerer beeinflussenderFaktoren wählt man eine zeit-gleich rekrutierte Vergleichsgrup-pe, die einen Kakao mit niedri-gem Flavanolgehalt erhalten soll.Darüber hinaus benötigt man einBewertungskriterium, etwa denDurchmesser der Arteria brachia-lis, zur Bemessung der verbesser-ten Wirksamkeit. Insgesamt lässtsich damit die Ausgangsfragestel-lung in zwei komplementäre sta-tistische Hypothesen übertragen:Die Ausgangshypothese oderNullhypothese beschreibt denZustand, dass keine Wirksamkeitvorliegt, das heißt, dass sich dieerwarteten Durchmesser zwi-schen den beiden Gruppen nichtunterscheiden. Ziel des statisti-schen Nachweises ist es, dieseNullhypothese zugunsten der Al-terna-tivhypothese „die erwarte-ten Durchmesser zwischen denbeiden Gruppen unterscheiden

sich“ zu verwerfen. Dabei be-schreiben die Hypothesen eineEigenschaft, etwa den Wirksam-keitsunterschied, einer gedach-ten, zeitlich unbeschränkten, un-endlich großen Population. DieseEigenschaft wird üblicherweisemit dem Begriff „Wirklichkeit“umschrieben. Für die Studie ent-spricht diese Population derMenge aller Diabetiker mit einerkardiovaskulären Erkrankung.Nach Beobachtung der Durch-messer bei jedem Patienten zwei-er unterschiedlich behandelterPatientengruppen wird ein statis-

tischer Test durchgeführt, dessenErgebnis unter Berücksichtigungder Wirklichkeit vier Möglichkei-ten aufweist: Einerseits kann aufder Basis des statistischen Testsdie unbekannte Wirklichkeit be-stätigt werden. Dies ist dann derFall, wenn die Nullhypothesegleicher Wirksamkeit verworfenwird und dies in Wirklichkeit auchkorrekt ist, oder wenn die Nullhy-pothese gleicher Wirksamkeitnicht verworfen wird und dies inWirklichkeit auch nicht zutrifft.Problematischer sind die beidenFälle nicht übereinstimmender

Entscheidungen. Man spricht voneinem Fehler erster Art, wenndas Verwerfen der Nullhypothe-se im Gegensatz zur Wirklichkeitsteht. Die Häufigkeit des Auftre-tens solcher Fälle möchte man inengen Grenzen halten, weshalbman als Wahrscheinlichkeit für ei-nen Fehler erster Art fünf Prozentvorgibt. Würde die Studie unterdenselben Bedingungen beliebighäufig wiederholt und bestehtkein Unterschied zwischen denBehandlungen, so ergäben sichaufgrund von Zufallsschwankun-gen nur in durchschnittlich fünf

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Statistiker planen den Stichprobenumfang

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von 100 dieser Studien fälschli-cherweise ein Wirksamkeitsun-terschied. Andererseits kann auchdie Situation auftreten, dass dieNullhypothese durch den statisti-schen Test nicht abgelehnt wird,obwohl diese in Wirklichkeit zu-trifft. Die Gegenwahrscheinlich-keit für das Auftreten dieser Fehl-entscheidung, der so genannteFehler zweiter Art, wird als Po-wer bezeichnet und gibt dieEmpfindlichkeit des statistischenTests an. Üblicherweise wird imRahmen Klinischer Studien 80Prozent oder mehr gewählt. Die-

se Wahrscheinlichkeit besagt,dass bei beliebig häufiger Wie-derholung der Studie ein tatsäch-lich zwischen den Behandlungenbestehender Unterschied auch indurchschnittlich 80 von 100 die-ser Studien korrekterweise ent-deckt wird.

Sollte eine Studie jedochnicht ausreichend dimensioniertsein, wenn etwa die Zahl der Pa-tienten in den beiden Gruppennicht genügend groß ist, wirdman sehr häufig einen tatsächlichbestehenden Unterschied durchdie Studie nicht nachweisen kön-

nen. Dann ist die Power des Ver-suchs geringer als 80 Prozent. Inder Praxis wird die Größenord-nung des nachzuweisenden Un-terschiedes Gegenstand von Ab-wägungen zwischen dem Statis-tiker und dem Kliniker sein, wo-bei Schweregrad und Folgen derKrankheit zu berücksichtigensind.

Patientenzahl versus Unterschied Der Frage nach der Dimensionie-rung einer Studie kommt eineentscheidende Bedeutung bei derPlanung einer Klinischen Studie

zu. Es lässt sich nämlich nachwei-sen, dass die Anzahl zu behan-delnder Patienten von der Größen-ordnung des nachzuweisendenUnterschiedes abhängt. Wie er-wartet steigt die Zahl, wenn dernachzuweisende Unterschiedkleiner ist. Andererseits benötigtman auch eine gewisse Anzahlvon Patienten, um einen Unter-schied überhaupt nachweisen zukönnen. Hierzu ein Beispiel: In ei-ner Quizshow soll ein Kandidatnachweisen, dass er eine be-stimmte Fähigkeit besitzt. Dazusoll der Kandidat diese Fähigkeitin vier Versuchen unter Beweisstellen dürfen. Die Nullhypothesewürde lauten, dass die Wahr-scheinlichkeit rein zufällig dieFähigkeit erfolgreich nachzuwei-sen 0.5 beträgt. Die entsprechen-de Alternative lautet, dass dieWahrscheinlichkeit von 0.5 ver-schieden ist. Nun nehmen wir an,dass der Kandidat in allen mögli-chen Versuchen die Fähigkeitnachweisen konnte. Die Wahr-scheinlichkeit dafür beträgt unterder Gültigkeit der Nullhypothese0.54=0.0625. Dies bedeutet, dassin diesem Versuch die Nullhypo-these nicht verworfen werdenkann. Entgegen der emotionalenBewertung hätten also alle vierVersuche auch rein zufällig er-folgreich verlaufen können, ohnedass der Kandidat diese Fähigkeittatsächlich besitzt. Entsprechen-des würde auch gelten, wenn derKandidat fünf oder sechs Versu-che hätte, von denen einer er-folglos verläuft.

Diese Überlegungen liefernjedoch keine befriedigende Lö-sung für das Problem der Festle-gung einer Fallzahl. Denn durchdieses Vorgehen wird nicht si-chergestellt, dass ein tatsächlichbestehender Unterschied auchmit hoher Wahrscheinlichkeit,entsprechend einer Power von 80Prozent, entdeckt wird. Wendetman dies auf die Kakaostudie anund berücksichtigt, dass es zweigleichgroße Patientengruppengeben soll und die verbesserteWirksamkeit anhand des Durch-messers der Arteria brachialis be-urteilt wird, so ist der Zusammen-hang zwischen der Anzahl zu be-handelnder Patienten je Gruppeund dem nachzuweisenden Ef-fekt (6) gegeben durch dieFaustformel N=16/62. Dabei be-

Medizinische Studien brauchenMediziner und Statistiker. Am Universitätsklinikum Aachenwird beispielsweise das thera-peutische Potenzial von Kakaomit hohem Flavanolgehalt beikardiovaskulären Erkrankungendiabetischer Patienten unter-sucht.Foto: Peter Winandy

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zeichnet 6 den Unterschied immittleren Durchmesser der Arteriabrachialis dividiert durch die ge-meinsame Standardabweichung.Die Wahl von 6 wird durch kei-nen internationalen Standard all-gemeingültig vorgegeben, so wiedies etwa für die Wahrscheinlich-keiten für einen Fehler erster Artoder zweiter Art – mit fünf Pro-zent und 80 Prozent – durch dieInternationalen Guidelines zurDurchführung Klinischer Studiengegeben ist. In der Praxis wirddie Größenordnung des Effektes6 abhängig von der klinischen Si-tuation festgelegt, so dass in vie-len klinischen Disziplinen, wie et-wa der Onkologie, auch derNachweis kleiner Unterschiedeetwa in der Mortalitätsrate inter-essieren.

Abschätzung des UnterschiedsWie aber gelangt man zu eineAbschätzung für den nachzuwei-senden Effekt 6? Hierzu gibt esim Allgemeinen drei Ansätze:Möglicherweise liegen zu dersel-ben Fragestellung Ergebnisse ei-ner vergleichbaren Populationund ähnlichem Studientyp vor.Dann können, wenn in der Lite-ratur die notwendigen Daten an-geführt werden, diese für eineAbschätzung von 6 herangezo-gen werden. Ist dies nicht der Fallkann eine Vorstudie mit begrenz-tem Umfang von höchstens zehnPatienten die gleichen Erkennt-nisse liefern. Der Vorteil einer

Vorstudie besteht sicherlich auchin der Erprobung des Studien-szenarios, hierzu später mehr. Dieletzte Möglichkeit besteht in der„plausiblen“ Annahme über denzu erwartenden Unterschied.Man bewertet im Fall des Mittel-wertunterschiedes ein 6 von 0.2als kleinen, 0.4 als mittleren und0.8 als großen nachzuweisendenUnterschied. Setzt man dies indie obige Formel ein, so ergebensich Fallzahlen von 400, 100oder 25 pro Gruppe. In der Ka-kaostudie kann ein 6 von 0.9 an-genommen werden, woraus einegeplante Patientenzahl von 20 jeGruppe resultiert. Die bisherigenBetrachtungen liefern eine valideAbschätzung für die Anzahl zubehandelnder Patienten, wennzwei Behandlungsgruppen – alsozwei Therapien – anhand eineskontinuierlichen Bewertungskrite-riums miteinander verglichen unddie Werte des Bewertungskriteri-ums normalverteilt sind. Dies istsicherlich nicht der Fall, wenn dieBehandlungen anhand eines Kri-teriums verglichen werden, wel-ches lediglich wenige diskrete,geordnete Werte aufweist. EinBeispiel für ein solches Kriteriumwäre eine Einschätzung des Arz-tes über den Behandlungserfolgauf einer vierstufigen Skala mitsehr gut, gut, mittel, undschlecht. In einem solchen Fallwürde man einen statistischenTest verwenden, der auf demVergleich der Häufigkeitsvertei-

lung der Ausprägungen basiert,was in der obigen Formel zurnäherungsweisen Abschätzungder benötigten Patientenzahldurch einen Korrekturfaktor auf-gefangen werden kann.

Wird nun auf der Basis dieserÜberlegungen die Anzahl be-stimmt, so muss bei der Durch-führung Klinischer Studienberücksichtigt werden, dass dievor der Studie festgelegte Anzahlselten erreicht wird. Hier sind esvor allem praktischen Gründe,wie ein Umzug oder das Nicht-Erscheinen eines Patienten zuden Nachuntersuchungen, aberauch Therapieabbrecher, die da-zu führen, dass nicht für alle Pati-enten Beobachtungen am Endeder Studie vorliegen. Selbstver-ständlich resultiert aus einem Un-terschreiten der geplanten An-zahl eine Reduzierung der Power.Um dies zu kompensieren, wirdim einfachsten Fall die avisierteAnzahl um den zu erwartendenAnteil von Verlusten – der Drop-outrate – erhöht. Dieses Vorge-hen ist jedoch nur dann zulässig,wenn das Auftreten von Drop-outs unabhängig von der Thera-pie und begleitenden Faktorenist. Kann dies nicht mit Sicherheitangenommen werden, so sindmodifizierte Überlegungen not-wendig.

Es sei hier nur am Rande er-wähnt, dass das „Auffüllen derPatientenzahl“ – etwa in Formfür jeden Dropout-Patienten wird

ein Patient nachrekrutiert – nichtzu einer validen statistischenAussage bei dieser Art der stati-stischen Modellbildung führt.Da die Zahl der nachträglich zurekrutierenden Patienten beidiesem Vorgehen von der Beob-achtung der vorangehendenDropouts abhängt, sind anderestatistische Verfahren, etwa sequenzielle statistischeVerfahren, notwendig.

Benötigte Patientenzahl bei VorinformationenIn manchen Situationen führenweitere Überlegungen dazu, dieAnnahmen über den nachzu-weisenden Unterschied 6 zumodifizieren. So will man imRahmen Klinischer Studien häu-fig den Erfolg als Veränderunggegenüber dem Ausgangszu-stand bemessen. Beispielsweisewurde im Rahmen einer europa-weiten Klinischen Studie im Be-reich der Augenheilkunde, dieVeränderung der Sehschärfenach einem Jahr gegenüberdem Vorwert, in Abhängigkeitvon der Wahl des Operations-verfahrens, bewertet. Die Pati-enten wurden durch eine Zu-fallszuteilung zugewiesen. DieMethode der Wahl zur Auswer-tung solcher Daten, ist eine Ko-varianzanalyse, bei der die Be-ziehung zwischen Anfangs- undEndsehschärfe in den beidenGruppen modelliert wird. Hin-sichtlich der Anzahl, mag es ein-

Statistiker im Gespräch mit einer Studienkoordinatorin.

Foto: Peter Winandy

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sichtig sein, dass sich die Infor-mation über den Zusammenhangzwischen Anfangs- und Endwertpositiv auf die Power des Ver-gleichs der beiden Operations-verfahren auswirkt. Unter gewis-sen Annahmen wie einer mode-rat positiven Korrelation von 0.5zwischen Anfangs- und Endwertwird man mit einem um 25 Pro-zent reduzierten Stichproben-umfang auskommen, damit ver-ändert sich die obige Faustformelzu N=12/62.

Benötigte Patientenzahl in speziellen StudiendesignsDarüber hinaus kann auch dieArt der Studiendurchführung zueiner Reduzierung der benötig-ten Anzahl von Patienten führen.So wird in frühen Phasen derArzneimittelentwicklung, in de-nen die Reaktion des Arzneimit-tels im Körper untersucht werdensoll, den Studienteilnehmernzunächst ein Placebo und danndas neue Arzneimittel verab-reicht. Um auszuschließen, dassdie beobachtete Reaktion nurvon der Reihenfolge der Anwen-dung abhängt, wird einer zwei-ten Gruppe von Studienteilneh-mern Placebo und Arzneimittel inumgekehrter Reihenfolge verab-reicht. Dieses so genannte Cross-over-Design zeichnet sich durcheinen deutlichen Powergewinnaus, bedingt durch die Möglich-keit des Vergleichs der Behand-lungen am selben Individuum.

Im Crossover-Design erhaltenbeide Gruppen beide Behandlun-gen, nur in umgekehrter Reihen-folge: Gruppe 1: Placebo, Arznei;Gruppe 2: Arznei, Placebo. Da-mit wird jeder Proband zu seinereigenen Kontrolle. Unter der An-nahme einer moderat positivenKorrelation von 0.5 zwischen denMesswerten desselben Patientenund einer nicht anhaltenden Wir-kung über die erste Behand-lungsperiode hinaus, lässt sichder Stichprobenumfang um 75Prozent reduzieren. Eine weitereReduktion ist durch die Wieder-holung der Behandlung derzweiten Periode in einer drittenPeriode möglich. Wenn solchkomplexe Studienanlagen auchunter den gegebenen prakti-schen Bedingungen zu realisierensind, können Empfehlungen zuoptimalen Versuchsplänen hilf-reich sein. Zur Zeit werden imRahmen eines vom Bundesminis-terium für Bildung und For-schung geförderten Koopera-tionsprojektes der Ruhr-Univer-sität Bochum, der TechnischeUniversität Dortmund, der Otto-von-Guericke-Universität Mag-deburg, der RWTH Aachen so-wie einigen pharmazeutischenUnternehmen solche Versuchs-pläne entwickelt. Diese sind abersicher nicht in allen klinischen Si-tuationen anwendbar, etwa dannnicht, wenn sich der Schwere-grad der Erkrankung über dieStudiendauer ändert. Auch ethi-

sche Überlegungen müssen beider Planung der benötigten Pati-entenzahl berücksichtigt werden.Um die Sicherheit der Patientenin der Studie zu gewährleisten, istman bestrebt, eine sich bereits imLaufe der Studie abzeichnendeWirkung möglichst frühzeitig zuentdecken. Dies impliziert, dasszu vorher festgelegten „Zeit-punkten“ die Daten ausgewertetwerden, um die Studie mögli-cherweise vorzeitig beenden zukönnen. Natürlich haben Zwi-schenauswertungen einen nega-tiven Effekt auf die Power derstatistischen Aussage. Die Frage,wie groß dieser Powerverlust ist,lässt sich allgemein nicht beant-worten. Hierzu ein Beispiel: Füreine Studie sah die Planung vor,dass 770 Patienten verteilt aufzwei Behandlungsgruppen zu re-krutieren seien. Da eine großeUnsicherheit bei der Festlegungdes nachzuweisenden Unter-schiedes vor Studienbeginn be-stand, sollte eine Verbesserungfrühzeitig entdeckt werden. Dazuwurden drei Zwischenauswertun-gen geplant, so dass nach jeweilseinem Drittel der rekrutierten Pa-tienten eine Zwischenauswertungerfolgen sollte. Dieses Vorgehenzeichnet sich dadurch aus, dassvor allem bei der zweiten sowiebei der letzten Auswertung einenahezu ähnliche Chance für dasEntdecken eines tatsächlich be-stehenden Unterschiedes be-steht, wie bei einer Studie ohne

Zwischenauswertung. Für diesenEffekt muss die Patientenzahlzwar erhöht werden, aber ledig-lich um zwei Prozent.

Ein anderer Ansatz ist derdes adaptiven Designs. Hierbeiwird zunächst eine erste Studien-phase durchgeführt und anhandder Auswertung der Ergebnissedieser Studienphase über denAbbruch zu Gunsten der Wirk-samkeit oder Unwirksamkeitoder aber über die Fortführungder Studie entschieden. Offen-sichtlich lässt sich mit diesem An-satz die bestehende Unsicherheitbei der Festlegung des nachzu-weisenden Unterschiedes über-brücken, wenn man die erstePhase als Vorstudie betrachtet.Die Medizinische Statistik liefertfür die Planung der benötigtenPatientenzahl in Klinischen Studi-en viele methodische Ansätze, indie sowohl klinische Inhalte, ethi-sche Gesichtpunkte sowie dasstatistische Analyseverfahren miteinfließen. In jedem Fall sollteman prüfen, ob sich die erforder-liche Patientenzahl durch ein al-ternatives Studiendesign mini-mieren lässt.

Autoren:Dr.rer.medic. Dipl.-Stat. NicoleHeussen ist WissenschaftlicheMitarbeiterin am Institut für Medizinische Statistik. Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Ralf-DieterHilgers ist Leiter des Instituts fürMedizinische Statistik.

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Jürgen Müller

mit jeder Person, die irgendwel-che Dienstleistungen der Hoch-schule in Anspruch nimmt, eineeinheitliche Kundennummer zuassoziieren, mit Hilfe derer sichdie notwendigen Informationenbei Bedarf aus den verschiedenenDatenbanken synthetisieren las-sen. Die Kundennummer soll alsoals Datenbankschlüssel verwen-det werden und deshalb die fol-genden Eigenschaften haben:

Großer Nummernvorrat: Für dienächsten Jahrzehnte sollen aus-reichend viele Kundennummernzur Verfügung stehen, ohne alteerneut verwenden zu müssen.Mit einem konservativen Ansatzist von 10.000 neuen pro Jahr zuvergebenden Kundennummernauszugehen.

Anonymität: Aus der Kunden-nummer sollen keine personen-bezogenen Informationen ables-bar sein. Zurzeit werden Matri-kelnummern zum Beispiel fort-laufend vergeben, woraus sichdas ungefähre Eintrittsdatum er-kennen lässt.

Leichte Merkbarkeit: Die Kun-dennummer soll einprägsamsein und leicht wiedererkanntwerden.

Robustheit: Einfache Übermitt-lungs- oder Tippfehler sollen be-merkt werden, also keine gültigeKundennummer ergeben. DerBenutzer wird in diesem Fall ein-fach aufgefordert, die Zahlen neueinzugeben.

Gemeinsam haben der LehrstuhlD für Mathematik sowie Christi-an Bischof und Guido Bunsenvom Rechen- und Kommunikati-onszentrum folgenden Vorschlagfür eine einheitliche RWTH-Kun-dennummer, die so genannteRWTH-ID, vorgelegt. Inzwischenhat sie Einzug in die Praxis gehal-ten: Bisher wurden fast 44.000RWTH-IDs an Angehörige derHochschule vergeben.

Die verwendeten SymboleZunächst ist festzulegen, auswelchen Symbolen die RWTH-IDgebildet werden soll. Beschränktman sich auf die zehn Ziffernbenötigt man sechs Ziffern für106 = 1.000.000, also eine Milli-on verschiedene Kundennum-mern und zusätzliche Stellen fürPrüfziffern. Bildet man die Kun-dennummer jedoch aus den 26Buchstaben des Alphabets unterEinbeziehung von Groß- undKleinschreibung und den zehnZiffern, so hat man 62 Symbolezur Verfügung. Damit könnenschon mit vier Symbolen 624 =14.776.336, also fast 15 Millio-nen, Kundennummern gebildetwerden. Für die RWTH-ID findenunter Einbeziehung von Ziffernund Großbuchstaben 32 ver-schiedene alphanumerische Sym-bole Verwendung, die in Bild 1aufgeführt sind. Kleinbuchstabenund Symbole, die leicht verwech-selt werden können, werdennicht benutzt: Die Symbole I undJ unterscheiden sich nur wenigvon 1, das Symbol O nur wenigvon 0 und das Symbol V nur we-

nig von U. Deshalb kommen I, J,O und V nicht vor. Damit kannman mit vier Symbolen 324 =1.048.576, mehr als eine Million,Kundennummern bilden und mitfünf Symbolen bereits 325 =33.554.432. Das ist eine komfor-table Anzahl.

Kommt noch ein Prüfsymboldazu erhält man eine sechsstelli-ge RWTH-ID. Um ihren Wieder-erkennungswert zu steigern, wirdeine einheitliche Schreibweisevereinbart, die immer verwendetwird, wenn eine RWTH-ID aufBescheinigungen, Anträgen, Aus-weiskarten oder Internet-Seitenausgegeben wird: Es kommenimmer genau sechs Symbole zumEinsatz, wobei zwei Gruppen vonje drei Symbolen durch einenBindestrich voneinander getrenntwerden, etwa SL8-BRX. Mankennt ein ähnliches Verfahrenauch von Kreditkarten, auf de-nen die 16-stellige Kreditkarten-nummer in Vierergruppen darge-stellt wird.

Damit sind bereits die erstendrei der genannten Anforderun-gen an gute Kundennummernfür die RWTH-ID erfüllt. Wasaber ist mit der Robustheit?Wenn man das Prüfsymbol derRWTH-ID irgendwie zufälligwählt, kann es passieren, dassman einen Übermittlungs- oderTippfehler womöglich nicht be-merkt und einen Kunden falschidentifiziert. Die bei Weitem häu-figsten Tippfehler bei Tastaturein-gaben sind einzelne falsche Sym-bole, so genannte “Einzelfehler”,und das Vertauschen zweier be-

WWozu vergibt die RWTH eineKundennummer? Wie bei allenOrganisationen, die viele Perso-nen als Kunden oder Mitgliederzu verwalten haben, reicht auchbei einer Hochschule der Nameeiner Person allein nicht aus, umein Zeugnis auszustellen, einBuch auszuleihen oder eine Klau-suranmeldung vorzunehmen. Beimehreren Zehntausend Studie-renden, Alumni und Mitarbeiternist die Gefahr zu groß, demfalschen „Thomas Lehmann”oder der falschen „Julia Schrö-der” eine Mahnung für ausgelie-hene Bücher zu schicken oder siemit einem vorzeitigen Diplom-zeugnis für das falsche Fach zubeglücken. Eine Lösung wärenatürlich, den Namen immer nurin Kombination etwa mit der An-schrift, dem Geburtsort und demGeburtsdatum zu verwenden. Al-lerdings sollen nicht bei jedemVerwaltungsvorgang all diese In-formationen offengelegt werdenmüssen. Daher verwenden Orga-nisationen in der Regel Kunden-nummern oder Mitgliedsnum-mern, um eine Person eindeutigzu identifizieren.

Leider nutzt dabei jede Orga-nisation eine andere Methode,um die Nummern zuzuweisen.Das gilt nicht nur für die Vielzahlverschiedener Verwaltungen, wieetwa den Rentenversicherungen,Krankenversicherungen, Melde-behörden, Finanzämtern oderAutomobilklubs, sondern bereitsinnerhalb einzelner Organisatio-nen: Das Studierendensekretariatvergibt Matrikelnummern, diePersonalabteilung Personalnum-mern, die Bibliothek markiert Le-seausweise mit einer Zahlenkom-bination und das Rechen- undKommunikationszentrum vergibtBenutzerkennungen. Wie nichtanders zu erwarten, sind dieseNummern und Kennungen völligunabhängig voneinander und diemeisten betroffenen Personenbenötigen mehrere solcher Zah-lenkombinationen: Viele Studie-rende beispielsweise stehen alsWissenschaftliche Hilfskräfte ineinem Angestelltenverhältnis undnutzen sowohl die Bibliothek alsauch die Dienste des Rechen-und Kommunikationszentrums.Im Rahmen der Einführung einesIdentitätsmanagements an derRWTH wurde nun beschlossen,

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Diskret, leicht zu merken undmassenhaft verfügbar Die RWTH-Kundennummer isteine einfache aber robusteIdentitätsnummer

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nachbarter Symbole, so genann-te “Dreher”. Also kommt es dar-auf an, das Prüfsymbol so ge-schickt zu wählen, dass solcheFehler immer bemerkt werden.Hier kommt die Mathematik insSpiel.

Die KodierungZunächst werden die verwende-ten Symbole in Folgen von fünfBinärziffern, also 0 oder 1, über-setzt, wie dies in Bild 1 angege-ben ist. Es gibt gerade 25 = 32solcher Binärfolgen, was auchdie Anzahl der ausgewähltenSymbole erklärt. Eine RWTH-IDentspricht also einer Binärfolgeder Länge 30; die alphanumeri-schen Symbole werden nur zurEin- und Ausgabe benutzt. Fürdas Beispiel SL8-BRX erhältman etwa:

Ausdrücke dieser Form werdenals Polynome in der Variablen xbezeichnet. Nach dieser weiterenÜbersetzung entspricht einerRWTH-ID also ein Polynom mitd = 29. Dabei gibt es zulässigeund unzulässige Polynome, alsosolche, die zu einer gültigenRWTH-ID gehören, und solche,die dies nicht tun. Die Aufgabebesteht nun darin, festzulegen,welche Polynome zulässig seinsollen und welche nicht.

Die Summenschreibweisevon Polynomen legt bereits na-he, wie man mit Polynomensinnvoll rechnen, sie also addie-ren und multiplizieren kann. Fürdie ai sind Addition und Multipli-kation schon festgelegt und ins-gesamt rechnet man so, wie esdie aus der Schule bekanntenRechengesetze befehlen: Für die

Potenzen von x gilt das Potenz-gesetz xi+j=xi ·xj und zwischenAddition und Multiplikation giltdas Distributivgesetz. Beim Rech-nen mit Polynomen kommt esletztlich immer nur auf die zu-grunde liegenden Binärfolgen an,deshalb können Addition undMultiplikation als Bitoperationenauf dem Rechner implementiertwerden.

Die hier wichtigste Eigen-schaft von Polynomen ist, dasssie analog zu den ganzen Zahleneine Division mit Rest erlauben:„19 durch 7 ist 2 Rest 5”, dasheißt es gilt die Gleichung 19 = 2 · 7 + 5. Die wesentlicheEigenschaft des eindeutig be-stimmten Restes 5 ist, dass erkleiner als der Divisor 7 ist. Für Polynome kann man dasganz ähnlich so formulieren: Ist f =a0 x0+a1 x1+a2 x2+...+adxd

mit ad=1, so heißt d der Gradvon f, wobei sich der Grad einesPolynoms als Ersatz für das „klei-ner” ganzer Zahlen erweist. Sindnämlich f und g = 0 Polynome,so gibt es eindeutig bestimmtePolynome q und r mitf = q · g + r; wobei r = 0 oderder Grad von r kleiner als derGrad von g ist.

Mit einem der Divisionganzer Zahlen völlig analogenAlgorithmus kann man q und rberechnen, wobei dieser Algo-rithmus leicht mit einem rückge-koppelten Schieberegister fürdie notwendigen Bitoperationenimplementiert werden kann.Wie bei den ganzen Zahlen gibtDivision mit Rest noch Anlass zufolgenden Sprechweisen: Hat fbei Division durch g den Rest r = 0, so sagt man g teile f ana-log zu „7 teilt 14”; und ist das

Bild 1: Übersetzung alphanumerischer Symbole in Binärfolgen.

PolynomeDer Vorteil dieser Übersetzungist, dass man mit diesen Binärfol-gen sehr gut rechnen kann:Zunächst können die Binärziffern0 und 1 addiert und multipliziertwerden, so dass jeweils wieder 0oder 1 herauskommt. Diesmacht man einfach so, wie manes von den Zahlen 0 und 1 ge-wohnt ist, lediglich das Ergebnisder Addition von 1 und 1 ist nuneben 1 + 1 = 0. Fasst man Addi-tion und Multiplikation als Bit-operationen auf, so sind diesübrigens gerade „exklusivesOder” und „Und”.

Eine Binärfolge a0, a1,...,adder Länge d+1 interpretiert man als formale Summe f =a0 x0+a1 x1+a2 x2+...+adxd.

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S L 8 B R X11001 10011 01000 01011 11000 11101

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Polynom 1 der einzige gemein-same Teiler von f und g, soheißen f und g teilerfremd ana-log zu „11 und 7 sind teiler-fremd”.

Zurück zur RWTH-ID und zurAufgabe festzulegen, welche Po-lynome zulässig sein sollen. Mitden eben eingeführten Sprech-weisen geht das so: Man wähltein geeignetes Polynom g, hältdieses fest und genau diejenigenPolynome sollen zulässig sein, dievon g geteilt werden. Die mögli-chen RWTH-IDs entsprechenden Polynomen vom Grad klei-ner 30 und wählt man g vomGrad k etwa, so kann man zei-gen, dass es genau 230-k zulässigePolynome gibt. Um zu sehen,wie g genau gewählt werdenmuss, um eine robuste Kunden-nummer zu erhalten, werdenEinzelfehler und Dreher in dieneue Sprache übersetzt.

Einzelfehler und Dreher Bei der Bestimmung eines geeig-neten Polynoms g nutzt manaus, dass Tippfehler bei der Ein-gabe der RWTH-ID aufgrund derKodierung der Symbole in Binär-folgen der Länge fünf nur in be-stimmten Fenstern der Binärfolgeauftauchen. Ein Einzelfehler ver-ändert maximal fünf Binärziffernin den Positionen 1-5 oder 6-10und so weiter aber nicht fünfBinärziffern etwa in den Positio-nen 3-7. Ein Dreher verändertanalog maximal zehn Binärziffernin den Positionen 1-10 oder 6-15und so weiter durch Vertauschendes jeweils ersten und zweitenBlocks der Länge fünf darin.

Ist f ein zulässiges Polynom,das heißt f wird von g geteilt, soliefert ein Tippfehler ein gestörtesPolynom f’. Der Tippfehler wirdbemerkt, wenn f’ nicht zulässigist, also wenn f’ nicht von g ge-teilt wird. Eine genaue Untersu-chung der gestörten Polynomef’, die von Einzelfehlern oderDrehern herkommen, zeigt, dassjeder Einzelfehler bemerkt wird,wenn g mindestens den Gradfünf hat und teilerfremd zum Po-lynom x ist und dass jeder Dre-her bemerkt wird, wenn g teiler-fremd zum Polynom 1+x5 ist.

Diese Analyse liefert also ge-naue Bedingungen an das zurBeschreibung gültiger RWTH-IDsbenutzte Polynom g, so dassbeim Eintippen einer RWTH-IDjeder Einzelfehler oder Dreherauch wirklich bemerkt wird. Daes möglichst viele zulässige Poly-nome geben soll, wählt man gvon möglichst kleinem Grad mitden verlangten Eigenschaften,also vom Grad fünf. Man kannzeigen, dass es genau acht sol-cher Polynome vom Grad fünfgibt, darunter das so genannteUSB-5-Polynom g=1+x2+x5, dasauch in anderen Bereichen derInformationstechnik eine Rollespielt und für die RWTH-ID ver-wendet wird. Damit gibt es also230-5=225=325 zulässige Poly-nome, das heißt gültige RWTH-IDs.

Prüfung und Erzeugung Die Prüfung einer RWTH-ID istnun ganz einfach: Man übersetztsie mittels Bild 1 in eine Binärfol-ge der Länge 30, diese in ein Po-

lynom f vom Grad kleiner 30und berechnet den Rest r der Di-vision von f durch g. Nur wenn r = 0 ist, das heißt g teilt f, ist dieuntersuchte RWTH-ID gültig. Für das Beispiel SL8-BRX erhältman

Dabei gehören die eingeklam-merten Ausdrücke zu den Blöckender Länge fünf in der zugehöri-gen Binärfolge und man kannnachrechnen, dass f von g geteiltwird.

Zur Erzeugung einer RWTH-ID geht man wie folgt vor: Manwählt eine beliebige Folge vonfünf Symbolen aus Bild 1, die dieletzten fünf Symbole einer gülti-gen RWTH-ID werden sollen.Diese übersetzt man in eine Binär-folge der Länge 25, dann in einPolynom h vom Grad kleiner 25und berechnet den Rest f derDivision von h·x5 durch g. Dannist f=r+h·x5 ein zulässiges Poly-nom vom Grad kleiner 30 unddie daraus gebildete RWTH-IDbesteht aus einem Prüfsymbol ge-folgt von den gewählten fünfSymbolen. Zum Beispiel entsprichtL8BRX dem Polynom

Division von h·x5 durch g ergibtin der Tat den Rest r=1+x+x4,der zur Binärfolge 11001, alsoSymbol S gehört.

ErweiterbarkeitSollte der Nummernvorrat doch ir-gendwann zur Neige gehen, solässt sich die RWTH-ID übrigensauf beliebig lange Kundennum-mern erweitern, indem einfach diealten RWTH-IDs durch angehäng-te Nullen ergänzt werden. Damitgeht keinerlei Verlust an Robust-heit, sondern lediglich ein leichterVerlust von Anonymität einher, daes offensichtlich wird, wenn manzu den ersten paar Millionen Nut-zern gehört!

www.math.rwth-aachen.de

Autor:Privatdozent Dr.rer.nat Jürgen Müller ist Wissenschaft-licher Mitarbeiter am Lehrstuhl Dfür Mathematik.

f=(1+x+x4)+(1+x3+x4)·x5+(x)·x10+(x+x3+x4)·x15+(1+x)·x20

+(1+x+x2+x4)·x25.

h=(1+x3+x4)+(x)·x5+(x+x3+x4)·x10+(1+x)·x15+(1+x+x2+x4)·x20.

Die Mitarbeiter vom LehrstuhlD für Mathematik sowie dem Rechen- und Kommunikations-zentrum sind überzeugt von „ihrer” RWTH-ID.Foto: Peter Winandy

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Sebastian Noelle

wobei x, t Raum- und Zeitkoor-dinate sind und h, u die Was-serhöhe und horizontale Ge-schwindigkeit. Die Steigung desUntergrundes ist bx, und g istdie Gravitationskonstante.

Herausforderungenfür die NumerikEs gibt mehrere analytische undnumerische Schwierigkeiten beider Lösung dieser Gleichungen,und eine Arbeitsgruppe der Ab-teilung Numerische Mathema-tik hat eine Reihe von Beiträ-gen zu ihrer Lösung geliefert:

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Strömungen forderndie Numerik heraus

DDie Geophysik weist eine Viel-zahl interessanter Strömungenauf, die von der Atmosphäreüber Ozeane, Seen und Flüssebis hin zu Lawinen und Lava-strömungen reichen. Grundle-gende Naturgesetze sind dieMassenerhaltung und das zwei-te Newtonsche Gesetz, die Im-pulserhaltung. Das führt zu in-kompressiblen, zeitabhängigenStrömungsgleichungen in dreiRaumdimensionen mit ofthochkomplexen physikalischenZustandsgesetzen für die betei-ligten Kräfte.

In vielen Fällen macht ersteine sinnvolle Vereinfachungdiese Gleichungen der Analyseund der numerischen Simulati-on zugänglich. Man betrachtefolgendes Beispiel: Der Atlantikmit seinen Nebenmeeren hateine Fläche von rund 106,2Millionen km2 und eine durch-schnittliche Tiefe von rund 3,34km. Wollte man nun eine Rech-nung mit je einem Gitterpunktpro km2 Oberfläche und 10 mWassertiefe durchführen, sohätte man circa 334 x 106.2 x106 = 3.54 x 1010 Gitterpunkte(fünfunddreißig MilliardenPunkte), auf denen man dannZeitrechnungen über Tage undWochen durchführen müsste,was mehrere hunderttausendZeitschritte erfordern kann.

Eine klassische Vereinfach-ung ist die Dimensionsredukti-on durch Tiefenmittelung, diezu den so genannten Flachwas-sergleichungen führt (Saint-Venant 1843). Diese Gleichun-gen modellieren Oberflächen-wellen, deren Wellenlänge we-sentlich größer als die Wasser-tiefe ist. Hierbei werden dieDichte und die horizontalenGeschwindigkeitskomponentenin der Tiefe gemittelt, und dievertikale Geschwindigkeit wirdvernachlässigt. Das entstehendeSystem ist nicht nur von niedri-gerer Dimension - bei der obengenannten Auflösung wärendas circa 106 Millionen Gitter-punkte. Mit ihm lassen sichauch die Strukturen von Ober-flächenwellen sehr transparentbeschreiben, wie beispielsweisedie Wellen, welche ein Stein er-zeugt, der in ein flaches Was-serbecken fällt, oder die Wel-lenfront eines Tsunamis auf

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Die Nichtlinearität

führt zur Entstehung von Sin-gularitäten. Das sind sich bre-chende Wellen, die in derTheorie hyperbolischer Erhal-tungssätze auch Stoß- oderSchockwellen genannt werden.So genannte „konservative“Verfahren lösen Schocks scharfund robust auf, siehe Bild 1.

Die Gravitationsbeschleuni-gung -ghbx wirkt dem Gradien-ten des hydrostatischen Drucks(g/2)(h2)x in der Natur entgegen.Beides sind große Kräfte, diesich in der Regel nahezu per-fekt aufheben. Man nennt dasein hydrostatisches Gleichge-wicht, und es ist von großer Be-deutung, dieses in Simulationenzu erhalten. Beide Kräfte wur-den traditionell aber mit Algo-rithmen behandelt, die zwar je-

Bild 1: Wasserfall über eineeindimensionale Kanalstufe.Das Gleichgewicht wird fehler-frei erfasst. Eine aufgebrachteStörung von 2,5 Prozent derWasserhöhe wird nahezu per-fekt über den Wasserfall trans-portiert, wie der Vergleich derbeiden Detailausschnitte zeigt.

dem offenen Meer. Die Flach-wassergleichungen gehörendeshalb zur Familie der Wellen-gleichungen oder hyperboli-schen Gleichungen. In einerRaumdimension schreibt mansie als

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der für sich für den jeweiligenTerm bestens untersucht waren.Das Zusammenspiel der beidenalgorithmischen Komponentenverletzte aber in vielen Fällendas geophysikalische Gleichge-wicht. Die so entstehenden Os-zillationen ließen sich dann nurschwer von den wirklichen phy-sikalischen Wellen unterschei-den, was Simulationen un-brauchbar oder unnötig teuermachte, siehe Bild 2.

Verfahren hoher Genauigkeitsind zwar je Rechenschritt teu-rer als solche niedriger Genau-igkeit. In vielen Fällen erreichensie eine vorgegebene Fehlerto-leranz aber schon auf deutlichgröberen Gittern, und könnendeshalb insgesamt Rechenzeitsparen. Erst in jüngster Zeit istes Noelle, Pankratz, Puppo undNatvig sowie einer spanischenund amerikanischen Gruppe

mit jeweils unterschiedlichenMethoden gelungen, korrekt bi-lanzierte Verfahren hoher Ge-nauigkeit zu entwickeln, sieheBild 1.

Die korrekte Bilanzierungkomplexerer geophysikalischerGleichgewichte, wie zum Bei-spiel fließende Gewässer, Strö-mungen mit Bodenreibung oderErdrotation stellt neue Heraus-forderungen dar. Vor kurzemkonnten Noelle, Xing und Shuerstmals ein korrekt bilanziertesVerfahren hoher Ordnung fürfließende Gewässer konstru-ieren (siehe Bild 1-2). Die Kern-schwierigkeit war es, aufgrundder berechneten numerischenZell-Mittelwerte der physikali-schen Erhaltungsgrößen (Was-sertiefe, Massenfluss) zu ent-scheiden, ob ein Gleichgewichtvorliegt, welches durch einepunktweise Energiebilanz be-

schrieben wird. Dieses Kernele-ment ist sofort von zwei anderenweltweit führenden Arbeitsgrup-pen aufgegriffen und weiterent-wickelt worden.

Wasserströmungen könnenzu einer Vielzahl von Randbedin-gungen führen. Oft muss die Bo-denreibung berücksichtigt wer-den, deren Modellierung je nachUntergrund eine große Heraus-forderung ist. Gewässer habenmeist freie Ränder (Strand, Flus-sufer). Hier muss man unbedingtsicherstellen, dass die jeweils neuberechneten Wasserhöhen nicht-negativ bleiben. Das ist oft einsehr schwieriges Detailproblem.In einer Raumdimension wurdehierfür für ein tiefengemitteltesLawinenmodell ein eleganterFrontverfolgungs-Algorithmusentwickelt, siehe Bild 3.

Weitere Randbedingungenentstehen, wenn man nur einen

Mathematische Modellierung und Simulation in der Geophysik

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a) b)

Bild 2: Störung eines fließen-den Gewässers im zweidimen-sionalen Kanal. a) korrekte Bilanzierung nach Noelle, Xing und Shu. b) NumerischeStörung aufgrund vereinfachterBilanzierung.

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ten wir nicht nur Gjeviks Vor-hersagen bestätigen, sondernauch eine neue Einström-Rand-bedingung für den Golfstromaufstellen, siehe Bild 4.

Weitere laufende und ge-plante Projekte betreffen dieÜberlagerung und Vermischungvon Mittelmeer und Atlantik,die wir mit den ProfessorenManuel Castro und Carlos Pa-res der Universität Malaga undGabriella Puppo des PolitecnicoTorino durchführen. Eine ver-besserte Modellierung vonFlusssystemen und Überflu-tungsgebieten untersuchen wirmit Univ.-Prof. Dr.-Ing. HolgerSchüttrumpf und Dipl.-Ing. Se-bastian Roger vom RWTH-In-stitut für Wasserbau und Was-serwirtschaft. Die Geophysikwirft immer wieder mathemati-sche und numerische Fragenauf, für deren Lösung die An-wender Mathematiker brau-chen. Oft erfordern diese Fra-gen die Entwicklung neuer mathematischer Methoden.Das macht die Zusammenarbeitfür beide Seiten so fruchtbar.

www.igpm.rwth-aachen.de/noelle

Autor:Univ.-Prof. Dr.rer.nat. SebastianNoelle betreut das Lehr- undForschungsgebiet Mathematikund die Abteilung NumerischeMathematik.

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Ausschnitt eines Gewässersrechnet, zum Beispiel den Golf-strom als Ausschnitt des Atlan-tiks. Dann hat das Rechenge-biet offene Ränder, über dieWellen mit beliebigen Rich-tungswinkeln frei ein- und aus-laufen sollten. Ad-hoc Algorith-men führen hier leicht zu künstli-chen Oszillationen, siehe Bild 4.

Instabilitäten des GolfstromsEiner der führenden norwegi-schen angewandten Mathema-tiker und Ozean-Spezialisten,Björn Gjevik, sagte in den ver-gangenen Jahren aufgrund li-nearer Stabilitätsbetrachtungenund numerischer Experimenteeine Klasse von Instabilitätendes Golfstroms voraus. Auf-grund der zeitlichen Variationdes Golfstroms können sich ho-rizontale Wirbel von mehrerenhundert Kilometern Durchmes-ser mit erheblichen Wasserge-schwindigkeiten ausbilden. EinSchwachpunkt der Vorhersagewar jedoch, dass die Strö-mungsrechnungen mit einemtraditionellen Finiten-Differen-zen-Verfahren durchgeführtworden waren, welches in ge-wissen Situationen rein nume-risch bedingte Instabilitätenentwickelt. In Zusammenarbeitmit Gjevik führten wir unab-hängige Rechnungen mit unse-rem hochgenauen und stabilenVerfahren durch. Dabei konn-

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Bild 3: Simulation einer granu-laren Lawine mit Frontverfol-gung nach Tai, Noelle, GrayHutter.

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Bild 4: Instabilität des Golfstroms.Links: horizontales Geschwindig-keitsfeld. Rechts: Wasserspiegel.Quelle: Pankratz, Natvig, Gjevik,Noelle, Ocean Modeling 2007

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Ansgar Steland

nomisch vertretbaren Kostentechnisch erreichbare Qualitätgleichzeitig die treibende Kraftfür die Forschung. Die erreich-bare Produktqualität schlägtsich direkt auf die Rentabilitätder Milliardeninvestitionen nie-der. Bei Solarmodulen ist etwadie dauerhaft abgegebeneStromleistung die relevanteGröße. Für Betreiber von Solar-kraftwerken ist die Qualität ei-ner einzelnen Lieferung ent-scheidend. Hierzu hat der Lehr-stuhl für Stochastik in Zusam-menarbeit mit der TÜV Rhein-land Group spezielle innovativePrüfverfahren entwickelt. UmReklamationen und hieraus re-sultierenden Preisabschlägenvorzubeugen, setzt die Indus-trie zudem seit Jahrzehnten aufdie kontinuierliche Überwa-chung von Produktionsprozessendurch stochastische Verfahren.

Der Weg zu guten Monitoring-Verfahren1. Stochastische Modellierung: Anwendungssituation und Pro-blemstellung müssen durch eingeeignetes Modell mathematischerfasst werden. Wie sieht dieWelt vor und nach einem Struk-turbruch aus? 2. Stochastische Methodenent-wicklung: Zur Lösung des ge-stellten Problems muss einekonkrete Methode gefundenwerden. Wie sehen geeigneteProzeduren (Algorithmen) aus,um Strukturbrüche frühzeitig zuerkennen?3. Mathematische Analyse: Welche analytischen Eigen-schaften hat die Lösung? Wel-chen Einfluss hat etwa die Ab-hängigkeitsstruktur des Daten-stroms?4. Simulation: Durch Compu-tersimulationen werden die fini-ten Eigenschaften des Verfah-rens für realitätsnahe Modell-welten untersucht, auch umEmpfehlungen für die Praxisableiten zu können.

Die erfassten Qualitätsdatenwerden in Echtzeit auf Auffäl-ligkeiten und Abweichungenvon der Spezifikation unter-sucht. Eine abrupte Änderungkann oftmals mit einem techni-schen Defekt in Verbindung ge-bracht werden, beispielsweise

dem Ausfall eines Sensors. Kon-tinuierliche Änderungen deutenhingegen eher auf Verschleißer-scheinungen hin. Bei einemFehlalarm können jedoch durchProduktionsverzögerungen im-mense Kosten entstehen. Somitbesteht der Zielkonflikt, einer-seits Abweichungen mit mini-maler Verzögerung erkennenzu wollen und andererseits dieFehlalarmrate so gering wiemöglich zu halten. Die Überwa-chung von realen Produktions-daten aus der Fertigung vonMikroprozessoren (CPUs),für Computer zeigt Bild 1.

...und der Finanzökonometrie...Die modernen Finanzmärkteliefern Datenströme, in denensich auf komplexe Weise struk-turelle ökonomische Zusam-menhänge und Zufallseinflüsseüberlagern. Wichtige Größenwie Preisnotierungen von Roh-stoffen und Aktien werden aufverschiedensten Zeitskalen –von Quartalsdaten bis hin zuTickdaten – erfasst und stehenonline zur Verfügung. Die Zu-fallskomponente speist sich ausverschiedenen Quellen: Kon-sumentenverhalten, Stimmun-gen von Investoren aber auchNaturkatastrophen nehmenEinfluss. Ohne die moderneStochastik geht hier nichts!

Strukturelle Zusammenhän-ge zwischen ökonomischen Va-riablen müssen jedoch nichtzeitlich konstant sein; abrupteoder kontinuierliche Änderun-gen sind möglich. Dies könnenunerwartete Bilanzzahlen, feind-liche Übernahmen oder Ände-rungen des Konsumentenver-haltens sowie neue Gesetzeaber auch technologische Inno-vationen sein. Die Anwendungvon Monitoring-Verfahren liegtauch hier auf der Hand. Nur sokönnen Strukturbrüche, bei-spielsweise mögliche Risikofak-toren für die Rendite eines Ries-ter-Fonds, rechtzeitig erkanntwerden.

Ein Forschungsschwerpunktdes Lehrstuhls für Stochastikliegt in der Entwicklung vonOnline-Detektionsverfahren fürProbleme, die in einem engenZusammenhang mit der so ge-nannten Kointegrationstheoriestehen. Diese stellt einen ma-

thematischen Ansatz dar, öko-nomische Gleichgewichtsbezie-hungen nicht-stationärer Zeit-reihen zu modellieren. Für seineBahn brechenden Arbeitenwurde Clive W. Granger zu-sammen mit seinem Kollegenund Koautoren Robert F. Engleim Jahr 2003 mit dem ökono-mischen Pendant zum Nobel-preis ausgezeichnet. Beide stu-dierten zunächst Mathematikund Physik; Granger studierteWirtschaftsmathematik an derUniversität Nottingham. Nachseinem Ph.D. in Statistik war erals Lecturer für Statistik amMathematik-Department inNottingham tätig, bevor er Pro-fessor an der Universität vonKalifornien in San Diego(UCSD) wurde.

...über mathematische Modelleund Methoden…Betrachten wir zunächst einentechnischen Produktionspro-zess, bei dem ein Input Xtzurzeit t theoretisch zu einemOutput Yt=gXt mit einer Pro-portionalitätskonstante g führt.Input und Output werden an dis-kreten Zeitpunkten t=0,1,2,...erfasst. In der Realität sind nunzufällige Störeinflüsse wie Mess-fehler zu berücksichtigen. EinModell der Form Yt=gXt+Etmit einem stochastischen Stör-term Et, der die zufälligen Ab-weichungen vom wahren Wertnach oben und unten be-schreibt, ist schon realistischer.Meist werden Input-Änderun-gen nur zeitverzögert umge-setzt. So dauert es beim Färbenvon flüssigen Kunststoffen bisFarbzusatz und Kunststoff ho-mogen vermischt sind. Ein ge-eignetes Modell hierfür ist:Yt+1=bYt+(1-b)gXt+Et+1Der Parameter b D [0,1]

misst die Trägheit des Prozes-ses. Für b=0 reagiert das Sys-tem unmittelbar auf den Input.Große Werte von b korrespon-dieren zu einem trägen System.Setzt man den Input Xt kon-stant auf a und die Proportio-nalitätskonstante g auf 1, dannerhält man die GleichungYt+1=bYt+(1-b)a+Et+1die man bei einem StartwertY0= 0 explizit auflösen kann:

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DDie Stochastik ist die Mathema-tik des Zufalls, also die formaleBeschreibung und Analyse vonzufallsbehafteten Phänomenen.Nach solchen muss man nichtlange suchen: Vorgänge in derNatur oder von Menschenhandgeschaffene technische Syste-me liefern unzählige Beispiele,bei denen der Zufall und somitdie Stochastik ins Spiel kom-men. Zu nennen sind hier etwadas Wetter, Wirtschafts- undFinanzdaten oder industrielleProduktionsprozesse. Häufig istman an zeitlichen Entwicklun-gen interessiert und erhebt da-her an ausgewählten Zeitpunk-ten Datenmaterial. Eine wichti-ge Problemstellung ist dann dieFrage, ob strukturelle Zusam-menhänge – zumindest über ge-wisse Zeitabschnitte – unverän-dert Bestand haben oder Ände-rungen unterworfen sind. DieZeitpunkte, an denen Struktur-brüche erfolgen und neue Ent-wicklungen einsetzen, sind dannzu detektieren. Nur so könnenaus dem Ruder gelaufene tech-nische Prozesse wieder unterKontrolle und in ihren Optimal-zustand gebracht werden. Auchdie Einleitung notwendigerMaßnahmen zur Anpassung anneue ökonomische Gegebenhei-ten erfordert die frühzeitige Er-kennung von Strukturbrüchen.Es geht also um die Konstruktionvon Frühwarnsystemen, die unsrechtzeitig auf neue Entwick-lungen hinweisen und somit ei-ne Ampel-Funktion überneh-men. Hierzu dienen stochasti-sche Monitoring-Verfahren zurÜberwachung von Datenströ-men. Ein Schwerpunkt der Aa-chener Stochastik liegt in derErforschung der nötigenGrundlagen mit dem Ziel, dieResultate zur Konstruktion undAnalyse innovativer Verfahrenfür komplexe technische undökonomische Datenströme an-zuwenden.

Von der Anwendung in der Industrie…Über Erfolg oder Nichterfolg ei-nes Produktes entscheidet oftdie Produktqualität, die erheb-lich schwanken kann. WichtigeBeispiele sind Hightech-Produk-te wie Computerchips oder So-larmodule. Hier ist die zu öko-

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Frühwarnsystemefür Technik und WirtschaftOnline-Detektionsverfahrenfür stochastische Prozesse sind verborgenen Struktur-brüchen auf der Spur

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Angewandte Mathematik erfordert ein präzises Problem-verständnis und auchdie Diskussion mit Experten vor Ort. Dann können neuemathematische Lösungen zur Handlungsanweisung für die Praxis werden.Foto: Peter Winandy

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Für ´b´<1 konvergiert der nicht-stochastische Term gegen a unddie Stochastik lehrt, dass sichdann die auftretende gewichte-te Summe der Et nahezu wieein stationärer Prozess verhält.Um diese genau zu verstehen,braucht man einiges an fortge-schrittener Stochastik. Hierreicht die folgende Anschau-ung: Stationäre Prozesse be-schreiben zufälliges „Rauschen“gleicher Struktur um eine Mit-tellage, wobei sich Struktur undMittellage nicht ändern. Dieschwarze Zeitreihe in Bild 4zeigt einen mustergültigen sta-tionären Prozess. Im Fallnimmt das Modell die Form

an.Jetzt werden die stochastischenFehlerterme sukzessive aufsum-miert, so dass sich die Vertei-lung von Yt mit der Zeit ändert.Man spricht von einem inte-grierten Prozess oder einer zu-fälligen Irrfahrt. Die blaue unddie rote Reihe in Bild 4 folgensolchen Irrfahrten. Ihr Verhaltenist grundverschieden von demstationärer Prozesse und daherbei weiteren Analysen zuberücksichtigen.

Integrierte Prozesse tretenauch in der Ökonomie auf. Lo-garithmierte Aktienpreise folgentypischerweise einer Irrfahrt. Beianderen Zeitreihen ist dies je-doch fraglich, so dass mathe-matische Methoden zur Klärungnötig sind. Bei der Kointegrati-onstheorie von Engle und Gran-ger stehen sie sogar im Vorder-grund.

Wagen wir einen anschau-lichen Einblick:Erfüllen zwei Variablen an allenZeitpunkten t eine lineare Glei-chung, sagen wir wieder inForm mit einer Kon-stanten g, dann sprechen Öko-nomen von einem Gleichge-wicht. Man muss jedoch Ab-weichungen vom Gleichge-wichtspfad zulassen.Welcher Natur können dieseAbweichungen sein? ManchePaare integrierter ökonomischerZeitreihen scheinen „einanderzu folgen“ und um einenGleichgewichtspfad zu schwan-ken. Kann aber überhaupt zwi-schen zwei integrierten Zeitrei-hen eine Langfristbeziehung der

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Bild 1: Ein Wafer (links) mitDutzenden von CPUs. Einwichtiges Qualitätsmaß ist dieStrukturbreite (CD) der kleins-ten Mikro- und Nanostruktu-ren. Die Überwachung von rea-len CD-Messungen durch ein

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Standard-Verfahren ist rechtsgezeigt. Bis auf einen Wafer(rot) ist der Prozess unter Kontrolle.Quelle:© Christian Delbert –Fotolia.com.

Form mit stationären Ab-weichungen bestehen? DieseFrage hat auch Engle und Gran-ger beschäftigt und sie zu ihrerKointegrationstheorie geführt.

Für eine mathematisch rigo-rose Beantwortung benötigtman profunde Kenntnisse ausdiversen Gebieten der Stochas-tik. Die Grundideen könnenaber anhand der folgendenAnalogie verstanden werden – fürden Zusammenhang mit Perlen-ketten sei auf die Nobelpreisredevon Granger verwiesen.

Ein Betrunkener und seinHund: Ein Betrunkener verlässteine Kneipe. Er kann noch lau-fen, macht aber nur noch ziel-und planlos mal einen Schritt indiese Richtung und mal in jene,ohne eine spezielle Richtung zupräferieren. Seine Schritte sindzufällig und bilden einen sta-tionären Prozess. Wie verhält essich mit seiner Position? Be-zeichnen wir mit Ui die Schritt-weiten in horizontaler Richtung(x-Achse), so ist seine Entfer-nung von der Kneipe in x-Rich-tung nach n Schritten durch

gegeben. Diesist eine Irrfahrt. Irrfahrten wur-den bereits vom BotanikerRobert Brown (1773-1858) be-obachtet: Unter dem Mikroskopvollziehen Pollen in einer Flüs-sigkeit eine scheinbar regellose,unvorhersehbare Zick-Zack-Be-wegung. Albert Einstein (1879-1955) gelang es 1905 diesesPhänomen physikalisch zu er-klären und mathematisch zumodellieren: Die sichtbaren Par-tikel erhalten unregelmäßigeStöße der sich ständig bewe-genden Atome und Moleküleder Flüssigkeit. Es ist das Ver-dienst von Norbert Wiener(1894-1966), die Verteilung der Brown’schen Bewegungmathematisch exakt konstruiertzu haben. Tragen wir die ska-lierten Positionengegen die Zeitpunkte i auf undverbinden die Punkte durch Linien, so lehrt der Satz vonDonsker, dass das stochastischeVerhalten der so konstruiertenzufälligen Funktion asympto-tisch durch die Brown’sche Be-wegung beschrieben ist!

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Wir nehmen an, dass der Trun-kenbold einen jungen Hundhat. Auch junge Hunde wan-dern ziel- und planlos umher:Jede neue interessante Duft-spur, die ihre Nase berührt, dik-tiert ihnen eine neue Richtung.Der Hund vollzieht also aucheine Irrfahrt Yi mit stationärenSchritten Vi. Der Trunkenboldruft periodisch seinen Hund,damit er bei ihm bleibt. DerHund hält kurz inne, um zubellen. Beide taxieren ihren Abstand und korrigieren ihrennächsten Schritt so, dass sieden Abstand wenigstens einwenig verringern. Dies führtauf die Gleichungen

für Konstanten c,d. Bild 3zeigt die ersten zwölf Schrittedieser Irrfahrt mit Fehlerkorrek-tur. Folgt man den beiden ein-zeln, dann sieht es so aus, alsob beide ziel- und planlos – ei-ner Irrfahrt folgend – durch dieNacht schreiten. Dennoch ent-fernen sie sich nicht weit von-einander: Hat man den einengefunden, ist der andere nichtfern. Der Abstand der Pfade iststationär und die Reihen Xnund Yn sind kointegriert.

Verfolgen wir das Paar noch et-was länger: Bild 4 zeigt die Ab-stände von der Kneipe für 100Schritte und die zugehörigen Dif-ferenzen Xn- Yn. Man erkennt:Über lange Zeiträume könnensich kointegrierte Zeitreihen weitvom Ausgangsniveau entfernen.Die stationären Differenzen hin-gegen schwanken um ein mittle-res Niveau.

Sowohl bei technischen An-wendungen als auch in der Öko-nomie stellt sich also oft die Fra-ge, ob eine gegebene ZeitreiheZn einen stationären Prozess bil-det oder sich wie eine Irrfahrtverhält. Hierzu betrachten wirdas Modell

Wie viele Solarmodelle müssengeprüft werden? Ein altes statistisches Problem, für das Stochastiker der RWTH im Rahmen eines Forschungspro-jektes mit dem TÜV Rheinlandeine neue Lösung fanden.Foto: Peter Winandy

mit einem stationären Prozess En ,der um 0 schwankt und einemParameter b. Für b=1 erhalten wireine Irrfahrt. Im Fall ´b´<1gibt es unter gewissen Bedin-gungen an die Fehlerterme Et stationäre Lösungen. Welcherdieser beiden Fälle gilt nun? Dader Parameter b unbekannt ist,bedienen wir uns der Methodeder kleinsten Quadrate, um ei-ne Schätzung

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Page 55: RWTH-Themen Mathematik ist überall

...zur mathematischen AnalyseWie klein muss nun die Test-funktion sein, damit wir die Irr-fahrts-Hypothese verwerfendürfen? Manchmal ist eine wei-tere Frage der Weg zur Lösung:Wie wahrscheinlich ist es, dasswir fälschlicherweise die eineMöglichkeit zu Gunsten der an-deren verwerfen? Das Ableh-nen einer Hypothese ist ja nurdann stichhaltig, wenn es beiGültigkeit der Hypothese nursehr unwahrscheinlich ist. Zur Berechnung solcher Fehler-wahrscheinlichkeiten benötigtman die Verteilung der Test-funktion. Für unser Problem istdiese nicht exakt berechenbar,unter anderem weil die zugrun-de liegenden Prozesse durchZeitreihenmodelle beschriebenwerden müssen. Wenn Mathe-matiker etwas nicht exakt be-rechnen können, wollen sie eszumindest möglichst gut appro-ximieren. Die moderne Stochas-tik stellt mit dem zentralenGrenzwertsatz ein mächtigesInstrument bereit. Das klassi-sche Ergebnis (,,In großenStichproben sind Mittelwertenäherungsweise normalver-teilt“) reicht jedoch nicht aus.Man braucht solche Grenz-wertsätze für allgemeine Klas-sen von (nicht-) stationären Pro-zessen. Auch zu berücksichtigenist, dass bei Detektionsverfahrendie Testfunktion an jedem Zeit-punkt berechnet wird. AachenerStochastiker beschäftigen sich da-her mit den zugehörigen zufälli-gen Funktionen, für die so ge-nannte funktionale Grenzwertsät-ze zu beweisen sind, um die ge-

für b zu erhalten. Diese Me-thode – sie geht auf den Göt-tinger Mathematiker Carl Frie-drich Gauß (1777-1855)zurück – minimiert die Summeder Quadrate (Zn-bZn-1)2 . DieDifferenz zwischen Schätzwertund hypothetischem Wert 1verwenden wir als Testfunkti-on. Es ist nun nahe liegend,von einem stationären Prozessauszugehen, wenn die Test-funktion sehr klein ist. Dochwas heißt hier „sehr klein“?

Mathematische Gemein-samkeiten technischer und ökonomischer Daten:

Oft liegen Zeitreihen vor:Jede Beobachtung kann einemZeitpunkt zugeordnet werden.Zu ihrer Modellierung habensich stochastische Ansätzedurchgesetzt.

Die Beobachtungen stehenonline als sequenzieller Daten-strom zur Verfügung: NachEintreffen einer neuen Beob-achtung können die zur Verfü-gung stehenden Daten (neu)analysiert werden.

Viele Modelle in beiden Be-reichen weisen starke struktu-relle Ähnlichkeiten auf, so dassinteressierende Fragen mitdemselben mathematischen In-strumentarium gelöst werdenkönnen.

Die Datenströme sind zeitli-chen Änderungen unterwor-fen, die sich in den Verteilun-gen widerspiegeln. Die Zeit-punkte von Strukturbrüchensind oft hochinformativ.

Bild 2: Die Notierungen von Akti-enpreisen liefern Datenströme, indenen sich ökonomische und reinzufällige Einflüsse überlagern.Wissenschaftler des Lehrstuhls für

Stochastik beschäftigen sich mit Verfahren zur frühzeitigen Erkennung von Strukturbrüchen. Quelle: ©Gina Sanders - Fotolia.com

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suchten Approximationen zu er-halten. Für viele Verfahren weißman hier noch nicht sehr viel,aber es bestehen enge Beziehun-gen zur Brown’sche Bewegungund hieraus abgeleiteten Ito-Pro-zessen.

ComputersimulationenWas bringen der Einsatz moder-ner mathematischer Methodenund Resultate über Verfahren zurErkennung von Strukturbrüchenkonkret für die Anwendungen?Mehr, als man zunächst denkt!

Die Anwendung in Bild 5zeigt, dass die Konstruktion vonDetektionsverfahren durch Vertei-lungsapproximationen gute Er-gebnisse liefert: Die gezeigte Zeit-reihe erscheint stationär. Da sie je-doch am Computer simuliert wur-de, ist das wahre Modell bekannt:Die ersten 99 Beobachtungen fol-gen einem stationären Zeitreihen-modell. Ab der 100ten Beobach-tung liegt eine Irrfahrt vor. DasComputermodell wurde so spezi-fiziert, dass es als typisch für realauftretende Zeitreihen geltenkann. Ein am Lehrstuhl für Sto-chastik entwickeltes Detektions-verfahren – basierend auf einemneuen funktionalen Grenzwert-satz – erkennt den Strukturbruchab der 161ten Beobachtung!

Der Computer ist auch einwichtiges Instrument für weitereAnalysen: Die Simulation vonModellwelten erlaubt es, wichtigeEigenschaften zu quantifizieren.Das Verfahren wird wiederholt(mitunter millionenfach) aufkünstlich erzeugte Datensätze an-gewendet. Wichtige Größen kön-nen so nahezu beliebig genau be-rechnet werden. Bei realitätsnaherWahl des Computermodells erge-ben sich sehr verlässliche Aussa-gen über die Anwendbarkeit inder Praxis.

www.stochastik.rwth-aachen.de

Autor:Univ.-Prof. Dr.rer.nat AnsgarSteland ist Inhaber des Lehr-stuhls für Stochastik am Institutfür Statistik und Wirtschaftsma-thematik.

Bild 3: Der Trun-kenbold (blau) undsein Hund (rot)vollziehen beideeine Irrfahrt. DerFehlerkorrekturme-chanismus bewirkt,dass sie sich den-noch nicht weitvoneinander entfernen: Ihre Pfade sind koin-tegriert.

Bild 4: HorizontaleAbstände (Trunken-bold: blau, Hund: rot)von der Kneipe für100 Schritte. BeideReihen zeigen das Ver-halten einer zufälligenIrrfahrt. Die Differen-zen (schwarz) bildenjedoch einen sta-tionären Prozess, dergleichmäßig um dieNulllinie fluktuiert.

Bild 5: Eine Zeitreihe,die auf den erstenBlick stationär er-scheint. Ihr stochasti-sches Verhalten än-dert sich jedoch abder hundertsten Be-obachtung (Struktur-bruch) grundsätzlich(rot). Das RWTH-Ver-fahren deckt dies abder 161ten Beobach-tung auf (grün).

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Eberhard Triesch

Die Schüler sollen hier erleben,dass Mathematik nicht lang-weilig ist, sondern spannend,herausfordernd und elegant. ImMathe-Zirkel werden Themenaus den Bereichen Geometrie,Zahlentheorie, Kombinatorik,Graphentheorie oder Algebrabesprochen, die so in der Schu-le normalerweise nicht behan-delt werden. Die Schüler kön-nen auch selbst Themen vor-schlagen und beliebige Fragenzur Mathematik stellen. Bei-spiele für Gebiete, die in denletzten Jahren behandelt wur-den, sind etwa: GeometrischeTransformationen (Kongruenz-abbildungen, Ähnlichkeitstrans-formationen und projektiveTransformationen), konvexe Fi-guren, Rechnen mit Kongruen-zen, Primzahlen und ihre An-wendungen in der Kryptogra-phie, pythagoräische Zahlentri-pel und andere diophantischeGleichungen, elementare Ab-zählprobleme, der EulerschePolyedersatz, der Fünffarben-satz, Polynome, komplexe Zah-len, Konstruktionen mit Zirkelund Lineal und vieles mehr. Die Teilnehmer des Mathe-Zir-kels haben zum großen Teil be-reits an den jährlich stattfinden-den Mathe-Camps teilgenom-men. Zu diesen einwöchigenMathematikfreizeiten werden inZusammenarbeit mit demSchulamt 16 Schüler der Klas-sen 9 oder 10 in ein Schulland-heim in der Eifel eingeladen.Die Bürgerstiftung der Sparkas-se Aachen unterstützt diesgroßzügig und unbürokratisch.Im Laufe der Zeit haben immermehr Schüler begonnen, sichfür mathematische Wettbewer-be zu interessieren wie bei-

spielsweise den Bundeswettbe-werb Mathematik und die Ma-thematik-Olympiaden. Bei die-sen Wettbewerben werdenAufgaben gestellt, die so an-spruchsvoll sind, dass sie auchvoll ausgebildeten Mathemati-kern viel abverlangen. Im Ma-the-Zirkel werden Beispiele sol-cher Aufgaben besprochen undes wird versucht, den Jugendli-chen das Hintergrundwissen zuvermitteln, das zum Lösen sol-cher Aufgaben benötigt wird.Hier sind einige Beispiele vonAufgaben, die bei solchenWettbewerben gestellt wurdenund die den Schwierigkeitsgradillustrieren. Zugleich ist der in-teressierte Leser eingeladen, sieselbst zu lösen:1. Ein beliebiges Dreieck solldurch einen geraden Schnitt inzwei umfangs- und inhaltsglei-che Teile zerschnitten werden.2. Um eine Kugel ist ein räumli-ches Viereck beschrieben. Zei-ge, dass die 4 Berührpunkte ineiner Ebene liegen. 3. Gegeben sei eine Folge von1000 Dezimalziffern. Zeige, dasses eine Zweierpotenz gibt, derenDezimaldarstellung mit diesenZiffern beginnt. 4. Die Zahlen 1,2,3,…,101 sindin einer beliebigen Reihenfolgenebeneinander geschrieben. Zei-ge, dass man 90 von ihnen sodurchstreichen kann, dass dieübrigen 11 der Größe nach ge-ordnet sind (steigend oder fal-lend).5. Wir betrachten die Mengealler Punkte (x,y,z) des Raumes,deren Koordinaten x,y,z ganzeZahlen aus dem Bereich0,1,…,100 sind, ohne den Null-punkt (0,0,0) selbst. Was ist dieminimale Anzahl von Ebenen,deren Vereinigung alle diesePunkte enthält, aber nicht denNullpunkt (0,0,0)?

In den letzten beiden Jah-ren konnten zwei Schüler ausdem Mathe-Zirkel bei solchenWettbewerben hervorragendeErfolge erzielen: Jan Simon ge-wann im Sommer 2007 beimBundeswettbewerb Mathema-tik den Weizmann-Sonderpreis,einen vierwöchigen Aufenthalt

am Weizmann Institute ofScience in Rehovot, Israel. JanSimon studiert mittlerweile Ma-thematik an der RWTH Aachenund engagiert sich weiter imMathe-Zirkel.

Im Mai 2008 gewann Bach-Huy Tran einen ersten Preis beider Bundesrunde der Mathe-matik-Olympiade in Dresden.Bach-Huy gehört der Klas-senstufe 9 an, in der für dasganze Bundesgebiet nur dreierste Preise vergeben wurden.Unter den Aachener Schülerngibt es eine ganze Reihe vonaußerordentlichen mathemati-schen Talenten, zu deren För-derung wir durch den Mathe-Zirkel gerne beitragen.

www.math2.rwth-aachen.de

Autor:Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Eberhard Triesch hat den Lehrstuhl für Mathematik II(für Ingenieure) inne.

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DDie Entdeckung und Förderungbesonders begabter Schülerwird in manchen Fachgebieten,wie etwa dem Sport und derMusik, seit langer Zeit mitgroßem Aufwand betrieben.Dabei wird die Talentförderungkeineswegs den Schulen alleineüberlassen. Sportvereine allermöglichen Disziplinen bezie-hungsweise Privatlehrer undKonservatorien bieten begabtenKindern die Unterstützung, diesie brauchen, um ihre Talenteso zu entwickeln, wie es ihrenMöglichkeiten entspricht. Ganzanders stellt sich die Situationim Bereich Mathematik dar.Während die mathematischeHochbegabung vieler Kinderbereits in frühem Alter erkenn-bar ist, gibt es, verglichen mitSport und Musik, nur wenigeregelmäßig stattfindende För-dermöglichkeiten. In derHauptsache sind dies Mathe-matik-Arbeitsgemeinschafteneinzelner engagierter Lehrer.Die Situation im Schulunterrichtist nicht selten alarmierend.Häufig langweilen sich begabteSchüler und mancher Lehrer istnicht in der Lage, ihre Fragenentsprechend zu beantwortenoder angemessene weiter-führende Literatur zu empfeh-len. So berichtete mir einSchüler, der sich unterfordertfühlte und dem die Darstellungim Unterricht zu oberflächlicherschien, sein Lehrer habe ihmals weiterführende Literatur dasSchulbuch des nächsten Jahresempfohlen!

Vor diesem Hintergrund ha-be ich im Jahr 2001 den Ma-the-Zirkel gegründet. Ein Ange-bot für mathematisch beson-ders interessierte und begabteSchüler, das einmal im Monatan der RWTH stattfindet und beidem ich seit einiger Zeit von mei-nem Kollegen Professor Dr.Bernd Schäfer unterstützt werde.

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Der MathezirkelSchüler machen Mathematik

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Professor Eberhard Triesch erklärt dem Mathezirkel die Potenz-Rechengesetze.Foto: Peter Winandy

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Erhard Cramer, Aloys Krieg,

Sebastian Walcher

RWTH eigene Akzente. Bei-spielsweise wird die Ange-wandte Mathematik in denfachwissenschaftlichen Studi-enanteilen betont und dieFachdidaktik-Ausbildung be-handelt verstärkt den Einsatzvon Software, wie etwa Dyna-mische Geometrie-Systemeoder statistische Software zurAuswertung von Daten. DieseAkzentuierung wirkt durch Ver-anstaltungen zur Lehrerfortbil-dung darüber hinaus direkt indie Schulen hinein. Solche Fort-bildungen erfolgen unter ande-rem in Kooperation mit demVerein zur Förderung des ma-thematisch-naturwissenschaftli-chen Unterrichts (MNU) sowie

im Rahmen der MINT-Initiative(Mathematik, Informatik, Na-turwissenschaften und Tech-nik). Zu den thematischenSchwerpunkten „Computerein-satz im Mathematikunterricht“und „Stochastik in der Schule“fanden im Frühjahr 2008 Vor-trags- und Diskussionsforen so-wie Workshops für Lehrer statt.Diese Veranstaltungen, die imRahmen des Jahres der Mathe-matik angeboten wurden, fan-den überregional großen Zu-spruch. Weitere Workshops mitunterschiedlichen Themen wer-den auch künftig angeboten.

Schüler erfahren Mathematikan der Universität Seit vielen Jahren bietet dieFachgruppe MathematikSchülern der Sekundarstufendie Möglichkeit, im Rahmenvon Workshops und Praktikaihre Mathematikkenntnisse zuerweitern und neue Dimensio-nen der Mathematik zu erfah-ren. Zentrales Prinzip ist hierbeidie eigenständige aktive Be-

schäftigung mit mathemati-schen und anwendungsorien-tierten Problemen, wobei ne-ben einer Einführung und Mo-deration gegebenenfalls Hilfe-stellung geboten wird. Die The-menliste umfasst so unter-schiedliche Bereiche wie Kodie-rungstheorie, Kryptographie,die Arbeit mit Computer-Alge-bra-Systemen, Fibonacci-Zah-len, die Modellierung biologi-scher Systeme, Regressionsana-lysen, Markov-Ketten und dieStatistische Qualitätskontrolle.Im Rahmen des MINT-Pro-gramms werden – auch geför-dert durch Mittel aus der Exzel-lenzinitiative – jährlich mehrtä-gige Mathe-Camps an derRWTH Aachen organisiert.

Mathematikergehen in die SchuleEin weiteres Angebot der Fach-gruppe sind Vorträge zur Ma-thematik, die Lehrende derRWTH Aachen an Schulen hal-ten. Das Themenangebot reichtvon Dynamischen Systemen

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BBesondere Anliegen der Fach-gruppe Mathematik sind dieKooperation und der Gedan-kenaustausch mit den Lehrernder Schulen in der Region Aa-chen. Ein wesentlicher Aspektist hierbei der Wissenstransferzwischen Hochschule undSchule, dessen Notwendigkeitunbestritten ist. Eine Analyseder aktuellen Situation im Hin-blick auf folgende Fragen zeigtdringenden Handlungsbedarf:

In welcher Beziehung stehendie Mathematik in der Schuleund die Mathematik an derUniversität?

Wie wirkt die Hochschule indie Schule hinein und wiewirkt die Schule in die Hoch-schule hinein?

Sollte sich an dieser Wech-selwirkung etwas ändern?

Den Status quo halten wir fürverbesserungsbedürftig gerademit Blick auf Mathematikkennt-nisse und mathematische Ar-beitstechniken, die Studienan-fänger an einer TechnischenUniversität beherrschen sollten.Um Missverständnisse zu vermei-den: Diese Anforderungen wer-den nicht in erster Linie durch einMathematikstudium bestimmt.Viele Studiengänge und insbe-sondere die zahlreichen natur-und ingenieurwissenschaftlichenStudiengänge der RWTH sind je-doch auf ein solides Mathematik-Fundament angewiesen und set-zen entsprechendes Schulwissender Studierenden voraus. Derschulische Mathematikunterrichtmuss daher auch auf diese An-forderungen vorbereiten, um denSchülern die mit diesen Fächernverbundenen guten Berufsaus-sichten zu eröffnen. Unsere Akti-vitäten sollen die Lehrer dabeiunterstützen sowie helfen, denSchülern die bestmögliche Pers-pektive zu bieten. AusgewählteAngebote werden nachfolgenddargestellt.

Lehrer bilden sich an der RWTH fortIn der Ausbildung für dieLehrämter Mathematik anGymnasien, Gesamtschulen so-wie Berufskollegs setzt die

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Bild 1: Dieses Bild zeigt einenAusschnitt der Mandelbrot-Menge. Schüler lernen dieseMenge kennen und untersu-chen ihre Struktur sowohltheoretisch als auch praktischmit interaktiven Visualisierun-gen am Computer.

Mathematik in die Schulen

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Fortbildung für Lehrer und aktuelle Mathematik-Themen für Schüler

oder der Mathematik in einerCD über den Nutzen von Vorin-formationen bei Glücksspielen.Auch dichte Kugelpackungenund Primzahlen in der Krypto-graphie gehören dazu. Interes-senten können aus diesem Ka-talog ein Thema wählen undsich zur Terminabsprache direktan den jeweiligen Dozentenwenden. Weitere Informationenliefert die Webseite der Fach-gruppe Mathematik:http://www.schule.mathema-tik.rwth-aachen.de.

Neue Themen werden erschlossenIm schulischen Mathematikun-terricht steht zunehmend derAnwendungsaspekt im Vorder-grund. Dabei ist gegenwärtigeine Tendenz bemerkbar, Ma-thematikaufgaben in (oft sehrkonstruierte) „Sachzusammen-hänge“ zu stellen. Andererseitswerden authentische und rea-litätsnahe Anwendungen derMathematik zu wenig behan-delt. Im Rahmen didaktischer

Promotionsprojekte an derRWTH werden deshalb aktuel-le interessante Anwendungenund Themenkreise der Mathe-matik für den Unterricht auf-bereitet. Als Ergebnis dieserPromotionsvorhaben werdeninsbesondere Lehrmaterialienerstellt und den Schulen fürden Mathematikunterricht zurVerfügung gestellt.

Grundlage aller Projekte istdie Einsicht, dass Mathematikgerade von und für Anwen-dungen lebt. Bei authentischenBeispielen ist jedoch meist zu-sätzlicher Aufwand nötig, umdiese fach- und sachgerecht zuerschließen. So können Grund-ideen oft zugänglich und er-fahrbar gemacht werden, ob-wohl die theoretischen mathe-matischen Voraussetzungen imSchulwissen nicht zur Verfü-gung stehen; Computer kön-nen dabei als Black Box oderGrey Box wertvolle Hilfe leisten.Nicht verzichtet wird aber aufdie gedankliche und begrifflicheHerausforderung. Gerade in

solchen Projekten zeigt sich dieNotwendigkeit, mehr Theoriezu begreifen und zu ent-wickeln.

In laufenden Promotions-projekten werden Themen ausder Modellierung biologischerSysteme, aus Prinzipien undAnwendungen der Fourierana-lysis sowie aus der StatistischenQualitätskontrolle bearbeitetund aufbereitet. Auch dieseProjekte, die wir untenstehendnäher erläutern, werden durchMittel aus der Exzellenzinitiativeunterstützt.

Lehrerbildung und Schulen stehen im FokusDie Fachgruppe Mathematikbetrachtet die Ausbildunghochqualifizierter Lehrer sowiedas frühzeitige Ansprechen vonSchülern als eine Investition inihre eigene Zukunft. Die Ange-botspalette für diese Zielgrup-pen wird deshalb laufend er-weitert und der Dialog in Zu-kunft intensiviert.

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Bild 2: Screenshot eines Com-puter-Simulationstools zumProjekt „Populationsmodelle“,das Gelegenheit zum eigen-ständigen Entdecken bietet.Das Bild zeigt Räuber (rot) undBeute (blau) in einem ideali-sierten Biotop. Was passiertwohl weiter?

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Projekt:Populationsmodelleim Mathematik- und BiologieunterrichtWie lässt sich die Wechsel-beziehung verschiedener biolo-gischer Spezies mathematischbeschreiben? Was bestimmtÜberlebenschancen und Populationsentwicklung?Im Rahmen dieses Projektesentsteht eine Software für dieSimulation zweier interagieren-der Populationen zum Einsatzim Unterricht. Die Software ge-stattet die Simulation einerVielzahl von Systemen, wie bei-spielsweise Räuber-Beute, Kon-kurrenz oder Parasitismus, undstellt die Interaktion zwischenden Individuen anschaulich dar.Weiter ermöglicht sie die Her-leitung einer mathematischenBeschreibung und einer Pro-gnose für die Populationsent-wicklung. Im Unterricht wird so anhand einer authentischenund relevanten Anwendungdas Verständnis für die Bildungund den Nutzen von Modellengefördert.

Christina Roeckerath

Projekt:Visuelle WahrnehmungWarum sehen wir dreidimen-sional? Wovon hängt die Qualität des Tiefensehens ab?In diesem Projekt soll Schülernunterschiedlicher Jahrgangsstu-fen der mathematische Hinter-grund des biologischen Themas„Tiefensehen” zugänglich ge-macht werden. Schüler der Se-kundarstufe I können die Be-deutung der Elementargeome-trie in diesem Kontext – auchunter Nutzung dynamischerGeometrie-Software – erfahren.Schüler der Sekundarstufe IIsollen mit Hilfe des Computer-einsatzes eigenständige Experi-mente zum Tiefensehen durch-führen, Daten erheben, mathe-matisch auswerten und analy-sieren.

Anne Schüller

www.schule.mathematik.rwth-aachen.de

Autoren:Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Erhard Cramer leitet das Lehr- und ForschungsgebietAngewandte Stochastik.Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Aloys Krieg ist Inhaber desLehrstuhls A für Mathematik.Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Sebastian Walcher leitet das Lehr- und ForschungsgebietMathematik.

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Mathematik mit Alltagsbezug:Kombinatorische Grundformelnam Beispiel Lotto.Foto: Peter Winandy

Projekt:StatistischeQualitätskontrolleWas hat das zufällige Ziehenvon Kugeln aus einer Urne mitder Größe von Papierbögen,der Füllmenge von Marmela-dengläsern oder dem Durch-messer von Autoreifen zu tun?In allen erwähnten Produkti-onsbereichen ist die betrieblicheQualitätssicherung zum Beispielin Form einer „statistischenQualitätskontrolle“ notwendig.Die statistische Qualitätskon-trolle bietet die Möglichkeit,Schülern das gesamte Spektrumeiner statistischen Analyse vonder Modellierung, wie dem Ur-nenmodell, über die Herleitungund Auswahl statistischer Ver-fahren bis hin zur Auswertungder Daten mittels einer Statis-tiksoftware an realen und reali-stischen Situationen erfahrbarzu machen. Für aufwändigereMethoden, die weitergehendesWissen erfordern, bedarf es ge-eigneter Hilfsmittel, wie bei-spielsweise Simulationstools mitintegrierten Möglichkeiten zurAuswertung der Datensätze.Diese werden unter anderemim Rahmen dieses fachdidakti-schen Promotionsprojekts ent-wickelt.

Ramona Au

Projekt:Beste Approximation und OrthogonalitätWas hat die Abstandsbestim-mung eines Punktes von einerGeraden mit der Fourieranalysevon Geräuschen, der Speiche-rung von Songs auf USB-Sticksoder der Komprimierung vonBildern im JPEG-Format zu tun?Hinter diesen Anwendungensteckt eine gemeinsame mathe-matische Idee: Die Bestimmungbester Approximationen mittelsder Entwicklung über Orthonor-malbasen. Diese übergeordneteund tragfähige Methode, die mitAnalytischer Geometrie und Ana-lysis zwei der wichtigsten Teilge-biete der Oberstufenmathematikverbindet, steht im Mittelpunktder Arbeit. Mit einem genauerenBlick auf die Abstandsbestim-mungen im dreidimensionalenRaum beginnend, wird sie überAnwendungen in vier oder mehrDimensionen bis zu Fourier-Ent-wicklungen und Wavelets ausge-baut.

Johanna Heitzer

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Erhard Cramer, Udo Kamps,

Helmut Schottmüller

fahren in Theorie und Praxisverfügen. Anderen Anwendern,etwa Berufspraktikern, muss ei-ne realistische Möglichkeit zumErwerb eines Basiswissens inder Statistik eröffnet werden.

Die Lehr- und Lernumge-bung EMILeA-stat bietet dengenannten Gruppen und allenInteressierten die Möglichkeit,sich über statistische Begriffe,Methoden und Verfahren viaInternet zu informieren sowiemittels der in großer Zahl ver-fügbaren Beispiele, Aufgaben,Lösungen und interaktiven Ele-mente die grundlegenden Kon-zepte zu verstehen und einzu-üben: eLearning mit EMILeA-stat.

Was ist EMILeA-stat?Das System EMILeA-stat dientder Bereitstellung von Wissens-inhalten der Statistik in einemweiten Verständnis für unter-schiedliche Zielgruppen in un-terschiedlichen Kontexten. Da-bei können die Benutzerinnenund Benutzer weitgehend un-abhängig und selbstständigdurch die Wissenslandschaftnavigieren, aber auch geführtin Form von Kursen einen Wis-sensbereich erarbeiten. Weiter-hin kennzeichnen die ausge-prägten Schwerpunkte Visuali-sierungen, Interaktionen undkontextbezogenes Lernen alszentrale, konzeptionelle Aspek-te die Lehr- und Lernumge-bung EMILeA-stat als ein Nut-zer-orientiertes System.

Die Struktur von EMILeA-stat unterstützt die Umsetzungunterschiedlicher Lehr- undLernkonzepte. Ein Defizit in derherkömmlichen Präsenzlehre inder Statistik besteht in der oft-mals mangelnden Akzeptanzder Lernenden hinsichtlich derBedeutung, der Notwendigkeitund der Nützlichkeit der Inhal-te. Mit Hilfe von EMILeA-statkönnen nun punktuell und„just in time“ authentische Bei-spiele oder praxisnahe Anwen-dungen in die Präsenzlehre ein-gebunden werden, die ansons-ten den zeitlichen Rahmensprengen würden oder für diemit herkömmlichen Lehrmittelnein unverhältnismäßig hoherAufwand entstünde. Neben derPräsenzlehre werden auch rei-

nes eLearning und „BlendedLearning“ unterstützt, das heißteine Kombination aus compu-tergestützten Selbstlernphasenund klassischen, von Lehrendendurchgeführten Veranstaltun-gen (Präsenzveranstaltungen).Für das computergestützteSelbststudium kann auf die imSystem implementierten Lern-einheiten und Kurse zurückge-griffen werden. Diese lassensich durch entsprechende An-gebote, die von den Lehrendenfür ihre spezielle Nutzergruppezusammengestellt wurden, er-gänzen.

Welchen Nutzen hat EMILeA-stat?Zeitgemäßes Lehren und Ler-nen machen in der heutigenWissensgesellschaft den Einsatzvon Computern, Lernsoftwareund Internet unverzichtbar. Derkompetente Umgang mit die-sen Medien wird inzwischennicht nur in speziellen berufli-chen Feldern, sondern auch invielen Alltagssituationen alsGrundqualifikation vorausge-setzt. Im Schulunterricht, imStudium sowie in der Aus- undWeiterbildung eröffnen dieseHilfsmittel – aufgrund zentralerAspekte wie hohe Interaktion,starker Realitätsbezug, flexiblesund individuelles Lernen – um-fangreiche Möglichkeiten zurQualitätsverbesserung der Lehre.

Besonders im Bereich der Sta-tistik und Mathematik ist die eige-ne Aktivität für das (Ein-)Übenund Aneignen dieser Methodikenunerlässlich. Anders als ein klassi-sches Lehrbuch können Mate-rialien unter Verwendung Neu-er Medien diesem Anspruchnach aktiver Beteiligung derLernenden in vielfältiger Weisegenügen. So führen etwa inter-aktive Visualisierungen zu einerdeutlich intensiveren Auseinan-dersetzung mit den zu analysie-renden Daten oder den verfüg-baren Diagrammtypen, als dieseine Auswahl statischer Abbil-dungen vermag. Dies ist einAspekt, der auch im Hinblickauf die Ergebnisse der PISA-Studie, beispielsweise in Zu-sammenhang mit der Lesekom-petenz von Grafiken, von we-sentlicher Bedeutung ist. Bei

dieser Herangehensweise andas Thema Grafiken werdenzum Beispiel im schulischenStatistikunterricht Grundfertig-keiten für das Alltagsleben ver-mittelt, die ein Verstehen undHinterfragen der in Printmedienoft verwendeten Darstellungenerst ermöglichen.

Statistische Kenntnisse wer-den heute in den unterschied-lichsten Bereichen und somitvon vielen Gruppen benötigt.Ein Vergleich der entsprechen-den Lehr- und Ausbildungsan-gebote zeigt große inhaltlicheÜberschneidungen auf. Hiersetzt die zentrale Idee der Lehr-und Lernumgebung EMILeA-stat an: Die Entwicklung einesmodular aufgebauten Systems,mit dem alle genannten Grup-pen aus- und weitergebildetbeziehungsweise informiertwerden können, siehe Bild 1.Diese Ausrichtung erfordert ins-besondere eine spezielle undgruppenspezifische Aufberei-tung der Inhalte.

Diese Charakteristika einesnutzerorientierten Systems bil-den gleichzeitig einen wichti-gen Beitrag zur Wiederverwert-barkeit der Inhalte. Ein weitererzentraler Aspekt im Sinne derNachhaltigkeit ist die Strukturvon EMILeA-stat. Der kleinsteinhaltliche Baustein, also einBeispiel, eine Aufgabe, ein Be-griff oder eine Erläuterung,wird als „Modul“ bezeichnet.Die Module bilden einerseitsdie Modulwelt, die über denZugang „Stöbern“ zum freienNavigieren und Erkunden be-reitsteht. Andererseits sind siedie Bausteine vorhandener be-ziehungsweise zu erstellenderKurseinheiten und Kurse. Ne-ben den im System verfügbarenKursangeboten können Lehren-de über eine Warenkorbfunkti-on eigene Lerneinheiten konzi-pieren. Sie haben damit dieMöglichkeit, ein zielgruppen-spezifisches Lehrangebot zu-sammenzustellen.

Wie kann EMILeA-stat genutzt werden?EMILeA-stat kann zunächst alsreines Informationsforum zumNachschlagen statistischerFachbegriffe und Methoden

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DStatistische Denkweisen sowiedie in der Statistik entwickeltenModelle, Werkzeuge und Me-thoden sind zu fundamentalenEntscheidungs- und Beurtei-lungshilfsmitteln in vielen Berei-chen der Natur-, Lebens-, Sozi-al-, Wirtschafts- und Ingenieur-wissenschaften geworden undwerden dort zur Modellbildungund Datenanalyse eingesetzt.

Die Statistik gliedert sich inverschiedene Teilbereiche. Ne-ben der beschreibenden (des-kriptiven) und der schließenden(induktiven) Statistik haben sichdie explorative und die rechner-gestützte interaktive Statistikherausgebildet. Gegenstand derbeschreibenden Statistik ist dieAufbereitung und Darstellungvon Daten mit den Zielen desErkennens und Messens vonZusammenhängen und Abhän-gigkeiten. In der schließendenStatistik wird der Schluss voneiner Stichprobe auf die Ge-samtheit vollzogen. StatistischeSchätz- und Testverfahren be-stätigen oder verwerfen vermu-tete Strukturen. In der explora-tiven und interaktiven Statistikwerden aus den Daten herausModelle entwickelt. Diese die-nen dann der Beschreibungrealer Situationen mit mathe-matischen Ansätzen und führenzu einem besseren, strukturel-len Verständnis.

Aus den vielfältigen An-wendungen und der Notwen-digkeit statistischer Methodikleiten sich unter anderem Kon-sequenzen für das Lehren undLernen ab. Schülerinnen undSchüler sollten im Rahmen derCurricula elementare Statistik inanwendungsorientierter Aus-richtung kennen gelernt haben.Demnach sollten Lehramtsstu-dierende in ihrem Studium dieGrundzüge der Statistik erlerntund empirische Datenanalysepraktisch eingesetzt haben. Ab-solventinnen und Absolventender Mathematik, Informatik,Wirtschafts- und Sozialwissen-schaften, Naturwissenschaften,Psychologie, Medizin, Ingeni-eurwissenschaften, Pädagogikund weiterer Disziplinen mitstarkem Statistikbezug solltenüber eine solide Vertrautheitmit gängigen statistischen Ver-

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Statistik multimedial Lehren und Lernen mitEMILeA-stat

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Das Projekt e-statDas Verbundprojekt „e-stat“ wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung imProgramm „Neue Medien in der Bildung (Förderbereich Hochschulen)“ mit einem Fördervolu-men von 2.9 Mio. Euro von April 2001 bis Dezember 2004 gefördert (Projektleitung: Prof. Dr. U.Kamps). An der Entwicklung waren Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer an mehr als zehnUniversitäten beteiligt. Weitere Information zum Projekt sind unter www.emilea.de verfügbar.

Ergebnis des Projekts ist eine innovative Lehr- und Lernumgebung in der angewandten Statistik.Der Name EMILeA-stat bezieht sich auf die zentralen Charakteristika: Multimedialität, Internet-basiertheit, Interaktivität und Anwendungsorientierung.

Die Lehr- und Lernumgebung ist derzeit in der Version 2.0 verfügbar. Sie wird am Institut fürStatistik und Wirtschaftsmathematik der RWTH Aachen gepflegt und weiterentwickelt. Sie kannunter http://emilea-stat.rwth-aachen.de kostenfrei genutzt werden.

Kontakt:Prof. Dr. U. Kamps, Prof. Dr. E. CramerInstitut für Statistik und WirtschaftsmathematikRWTH Aachen, Wüllnerstraße 3, 52056 AachenE-Mail: [email protected]

Bild 1: Nutzergruppenvon EMILeA-stat.

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Lernprogramm seriell ab, kannsich jedoch bei Bedarf oder In-teresse jederzeit frei in der Mo-dulwelt bewegen und zumStartpunkt des „Ausflugs“zurückkehren. Dies kann so-wohl begleitend zu einem Prä-senzkurs als auch in reinemSelbststudium erfolgen. In die-sem Sinne wird das System inVeranstaltungen zur angewand-ten Statistik des Instituts fürStatistik und Wirtschaftsmathe-matik genutzt. Studierendekönnen die verfügbaren Kursesowohl als vorlesungsbegleiten-des Skript, aber auch als vertie-fende Ergänzung des Vorle-

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genutzt werden. Hilfreich isthier insbesondere eine umfang-reiche Suchfunktion, die nebeneiner reinen Schlagwortsucheauch die gezielte Suche nachstrukturierten Inhalten erlaubt.Beispielsweise können nur Defi-nitionen oder nur Aufgaben zueinem Begriff von Interesse an-gezeigt werden. Darüber hin-aus bietet EMILeA-stat aber ei-ne Vielzahl von Beispielen undÜbungsaufgaben, die in derAuseinandersetzung mit derThematik helfen sollen, die Be-griffe einzuüben und zu verste-hen. Die Beispiele und Übungs-aufgaben sind durchgehend mitVisualisierungen, teilweise in-teraktiv, und ausführlichen Lö-sungen versehen, so dass ins-besondere das Selbststudiummöglich ist und auch gefördertwird. Die Inhalte sind miteinan-der verknüpft und gestattendamit ein freies Navigieren undentdeckendes Lernen. Natürlichsind die Nutzergruppen hin-sichtlich ihrer mathematischenund statistischen Vorkenntnissewie auch hinsichtlich ihrer Nut-zungsintention inhomogen. DieserTatsache begegnet EMILeA-statdurch drei Abstraktionsstufen, diebeginnend bei der allgemein ver-ständlichen Ebene A die Abstrak-tion bis zum „Expertenlevel“ Csteigert. Dies kommt unter an-derem dadurch zum Ausdruck,dass auf Formeln in Stufe Aweitgehend verzichtet wird unddie Funktionalität interaktiverGrafiken eingeschränkt ist. Ausgrundsätzlichen Erwägungensind Inhalte nicht notwendigauf allen Abstraktionsstufen

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sungsstoffs nutzen. Weiterhinsind speziell auf den Schulun-terricht abgestimmte Kurse ver-fügbar, die in Schulversuchenbereits erfolgreich durchgeführtwurden.

EMILeA-stat umfasst viel-fältige Inhalte zu unterschiedli-chen Bereichen der Statistik, diekontinuierlich gepflegt undausgebaut werden, siehe Bild 2.Inhaltliche Schwerpunkte liegenauf den zentralen Themen „Be-schreibende und SchließendeStatistik“, „Wahrscheinlich-keitsrechnung“, „StatistischeGrafiken“, „MathematischeGrundlagen“ und „Vorkurs Ma-

verfügbar. Einerseits können Er-läuterungen der Stufe A durch-aus als Ergänzung der Darstel-lung auf Stufe C sinnvoll sein,so dass Level A-Module auchauf einem höheren Abstrak-tionsniveau verwendet werden.Andererseits lassen sich Inhaltefür Fortgeschrittene nicht sinn-voll auf dem untersten Leveldarstellen und werden auf die-ser Stufe daher auch nicht the-matisiert.

Im System können auchvorgegebene Kurseinheitenzum Einsatz kommen, die zu ei-nem Thema konzipiert wurden.Der Lernende arbeitet dann ein

Bild 2: Inhalte von EMILeA-stat.

Statistik multimedial – Lehren und Lernen

mit verschiedenen Medien: Lehrbuch, Tafel, Diskussion, interaktive Visualisierungen,

Computereinsatz.Fotos: Peter Winandy

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thematik“ sowie „Elementare Fi-nanzmathematik“. Der Springer-Verlag publiziert eine Buchreihemit Inhalten aus EMILeA-stat.

EMILeA-stat unterscheidetverschiedene Nutzerrollen wieLernende, Kursdesigner und Mo-dulautoren. Lernende greifen nurauf vorgegebene Inhalte zu, dasheißt sie rufen entweder einzel-ne Inhaltsmodule ab oder nut-zen abgespeicherte Kurse undKurseinheiten. Kursdesigner kön-nen über eine Warenkorbfunkti-on aus vorgegebenen Inhaltsmo-dulen eigene, serielle Abfolgendieser Module – eine Kurseinheitbeziehungsweise einen Kurs –generieren. Dabei können zwi-schen den ausgewählten Modu-len eigene Texte, Kommentareund Erläuterungen eingefügtwerden, die insbesondere dieÜberleitung zwischen den Modu-len glätten sollen und es demKursdesigner ermöglichen, eigeneSchwerpunktsetzungen vorzu-nehmen. Ausgewählte Modul-autoren haben darüber hinausdie Berechtigung neue Module in das System einzugeben. DieSchreibberechtigung ist aufgrundeines im Konsortium vereinbartenQualitätsmanagements einge-schränkt. Zudem müssen alleModule durch einen Modulver-antwortlichen freigegeben wer-den. Für einen Nutzer ist über ei-ne Informationsfunktion stetseinsehbar, wer das Modul erstelltund freigegeben hat.

Dieser Beitrag sowie ergänzen-de Literaturangaben sind unter: www.isw.rwth-aachen.de/themen undhttp://emilea-stat.rwth-aachen.de verfügbar.

Autoren:Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Erhard Cramer leitet das Lehr- und ForschungsgebietAngewandte Stochastik am Institut für Statistik und Wirtschaftsmathematik.Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Udo Kamps hat den Lehrstuhl für Statistik am Institut für Statistik und Wirtschafts-mathematik inne.Dipl.-Inf. Helmut Schottmüllerist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Statistik.

Schwerpunkt Grafiken in EMILeA-statGrafische statistische Darstellungen spielen in EMILeA-stat eine ausge-zeichnete Rolle. Die Vor- und Nachteile bestimmter grafischer Darstel-lungen und die damit verbundenen Möglichkeiten der Wissensvermitt-lung wie auch der Manipulation werden für den Lernenden durch dieInteraktionen erfahrbar. Auch ein verstärkter Praxisbezug durch dieAnalyse realer und aktueller Daten dient dem Verständnis der Lernin-halte und dem Erkennen ihrer Bedeutung. Die folgenden Darstellungenzeigen ausgewählte statistische Grafiken.

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VVom 4. bis zum 7. März2008 veranstalteten dieFachgruppe Stochastikder Deutschen Mathe-matiker-Vereinigungund die RWTH die „8th German OpenConference on Proba-bility and Statistics(GOCPS 2008)”. DasProgramm sah 21 ein-geladene Plenar- undSektionshauptvorträgeund rund 300 weitereVorträge in 16 Sektio-nen vor. Dort präsen-tierten die Sprecher aus35 Ländern ein breitgefächertes Spektrumvon Themen aus denBereichen Wahrschein-lichkeitstheorie und Sta-tistik mit Anwendungenin der Finanz- und Ver-sicherungswirtschaft so-wie in den Wirtschafts-,Natur-, Lebens- und In-genieurwissenschaften.Insgesamt waren mehrals 500 Tagungsteilneh-mer registriert. Im Rah-men der Tagung wurdeauch eine Informations-veranstaltung für Leh-rerinnen und Lehrerzum Thema „Stochastikin Schule und Hoch-schule" angeboten.Im Anschluss fand vom 7. bis 8. März eineKonferenz zum Thema„Ordered Statistical Da-ta and Its Applications"(OSDA 2008) als achteTagung einer Serie vonTreffen zu diesem The-ma statt.

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Tagung der Deutschen Stochastiker an der RWTH

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Fotos: Martin Lux

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http://gocps2008.rwth-aachen.de

http://osda2008.rwth-aachen.de

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Fotos: Peter Winandy Nach nur 22 Monaten Bauzeit wurde jetzt das studienfunktionale Zentrum SuperC derRWTH Aachen fertiggestellt. Es beherbergt alle wichtigen Verwaltungseinrichtungen fürdie Studierenden – von der Einschreibung bis zur Zeugnisausgabe. Damit ist die RWTHdie erste deutsche Hochschule, die die Serviceleistungen für Studierende räumlich derartbündelt.

Nicht nur in Sachen Funktion, sondern auch architektonisch setzt das SuperC imKernbereich der Hochschule neue Maßstäbe. Die Pläne zu dem Gebäude stammen vonden Architektinnen Susi Fritzer und Eva-Maria Pape, die sich in einem hochschulinternenWettbewerb durchsetzen konnten. Zu den charakteristischen Merkmalen des studien-funktionalen Zentrums gehören die Glasfassade sowie das weit überkragende Dach, dasden Vorplatz überspannt. Durch diese Form erinnert es in der Seitenansicht an den Buch-staben C.

Auf den insgesamt 4.600 Quadratmetern verfügt das SuperC außerdem über Ta-gungs- und Veranstaltungsräume, eine Cafeteria sowie eine zentrale Informationsstelle.

Das Energiekonzept der SuperC basiert zum großen Teil auf der Nutzung der Geo-thermie. Im Rahmen eines EU-Demonstrationsprojektes der Fakultät Georessourcen undMaterialtechnik wurde im Vorfeld eine 2,5 Kilometer tiefe Bohrung durchgeführt. Mittelseines Wärmetauschers im Untergrund wird das Gebäude über einen geschlossenen Was-serkreislauf gekühlt und beheizt.

Das studienfunktionale Zentrum

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2/2008 Bündelung der

fügetechnischen KompetenzDie RWTH Aachen und dasForschungszentrum Jülich ha-ben einen Kooperationsvertragfür ein Fügetechnisches Exzel-lenz-Zentrum unterschrieben.Dabei bringen die RWTH ihrInstitut für Schweiß- und Füge-technik und das Forschungs-zentrum Jülich die AbteilungFüge- und Prüftechnik der Zen-tralabteilung Technologie ein.Die Fügetechnik ist eine Schlüs-seltechnologie, die entschei-dend die Entwicklung und Pro-duktion fast aller technischenProdukte beeinflusst. Sie um-fasst die stoffschlüssigen Ver-fahren des Schweißens, Lötens,Klebens und des umformtech-nischen Fügens. Viele techni-sche Fragestellungen könnennur durch innovative Lösungs-ansätze aus der Fügetechnikgelöst werden. Beispiele hierfürsind insbesondere im Fahrzeug-bau, in der Luft- und Raum-fahrttechnik, im Schiffbau, inder Energietechnik sowie imBau von Geräten für die Spit-zenforschung zu finden. Durchdie gemeinschaftliche Nutzungder personellen und apparati-ven Ressourcen in Aachen undJülich entsteht eine in Europaeinmalige Bündelung fügetech-nischer Fachkompetenz zumNutzen von Wissenschaft undIndustrie. Im globalen Wettbe-werb der ingenieurwissen-schaftlichen Forschung wird dasExzellenz-Zentrum als größtenationale fügetechnische Ar-beits- und Forschungsorganisa-tion ein deutlich sichtbarer An-laufpunkt für Industrie- undForschungspartner werden.

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KooperationsvertragunterzeichnetDas Forschungszentrum Jülich,die University of California,Berkeley, USA, und die RWTHunterzeichneten ein Memoran-dum of Understanding. Es be-siegelt die Zusammenarbeitzwischen dem Ernst Ruska-Centrum für Mikroskopie undSpektroskopie mit Elektronen(ER-C), betrieben durch dasForschungszentrum Jülich unddie RWTH Aachen, und demNational Center for ElectronMicroscopy (NCEM), vertretendurch die University of Califor-nia, Berkeley, USA. Die lang-jährige gute Zusammenarbeitder beiden international her-ausragenden Zentren für Elek-tronenmikroskopie wurde damitformal und inhaltlich auf eineneue Stufe gehoben. Vereinbartwurden gemeinsame Studienbeider Zentren zur Entwicklungund Verbesserung modernsterelektronenoptischer Methodenals Wegbereiter für die Materi-alforschung. Auch ein verstärk-ter Austausch von Know-howund Personal sowie die ge-meinsame Ausbildung vonDoktoranden und Postdokto-randen im Rahmen eines Nach-wuchsförderungsprogrammsgehören dazu. RWTH-RektorErnst Schmachtenberg undProf. Dr. Achim Bachem, Vor-standsvorsitzender des For-schungszentrums Jülich, konn-ten NRW-InnovationsministerProf. Andreas Pinkwart, undden Staatssekretär bei der Bun-desforschungsministerin, Tho-mas Rachel, anlässlich der Ver-tragsunterzeichnung begrüßen. Mit dem ER-C betreiben dasForschungszentrum Jülich unddie RWTH Aachen seit 2004ein Kompetenzzentrum für ato-mar auflösende Elektronenmi-kroskopie und -spektroskopieauf international höchstem Ni-veau. Das ER-C entwickelt wis-

senschaftlich-technische Infra-struktur und Methoden für dieMaterialforschung von heuteund morgen und ist zugleichdas erste nationale Nutzerzen-trum für höchstauflösendeElektronenmikroskopie. Es ge-währleistet Forschern aus Wis-senschaft und Industrie den Zu-gang zu den leistungsfähigstenElektronenmikroskopen unsererZeit und ist Garant für kompe-tente Betreuung. Das NationalCenter for Electron Microscopy(NCEM), gegründet1983, isteins der führenden Zentrenweltweit in der Elektronenmi-kroskopie und Mikrocharakteri-sierung. In der unmittelbarenNähe der University of Califor-nia, Berkeley, im Lawrence Ber-keley National Laboratory be-heimatet verfügt das NCEMüber mehrere einmalige Instru-mente sowie hervorragendeKompetenz in der Simulationund Analyse von computerge-nerierten Bildern. Das NCEMbesitzt auch einzigartige Instru-mente zur Abbildung von ma-gnetischen Werkstoffen. Darü-ber hinaus entwickelt dasNCEM Verfahren und Werk-zeuge für dynamische Experi-mente vor Ort.

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RWTH Aachen und Forschungszentrum Jülich

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Auszeichnung für Professor Reiner KoppAuf der 9. Internationalen Kon-ferenz zur Umformtechnik inGyeongju, Südkorea, erhielt der ehemalige Institutsleiter für Bildsame Formgebung,Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. Dr. h.c.mult. Dr.-Ing. E.h. Reiner Kopp,den „JSTP International Prizefor Research & Development inPrecision Forging“. Mit derAuszeichnung ehrte die Japani-sche Gesellschaft für Umform-technik den Aachener für seinebesonderen Verdienste um dieForschung und Entwicklungneuer Umformprozesse undmultiskaliger Simulationsprozes-se. Mit dem „JSTP InternationalPrize for R&D in Precision For-ging” werden Wissenschaftlerausgezeichnet, die durch ihreherausragenden Forschungsar-beiten zur Weiterentwicklungund Optimierung der Umform-technologien beigetragen ha-ben. Ziel ist es, mit dem hoch-dotierten Preis die Forschungund Entwicklung von Präzisi-onsschmiedeverfahren und an-deren Methoden des endkon-turnahen Umformens zu för-dern.

Fünf Jahre Philips Lehrstuhl für Medizinische InformationstechnikDer Philips Lehrstuhl für Medi-zinische Informationstechnikfeierte jetzt sein fünfjährigesBestehen. Im Jahre 2003 ge-gründet und mit Mitteln desPhilips Forschungslabors in Aa-chen in Höhe von insgesamt1,3 Millionen Euro unterstützt,hat sich der von Univ.-Prof. Dr.med. Dr.-Ing. Steffen Leon-hardt geleitete Lehrstuhl in denletzten fünf Jahren sowohl na-tional wie auch international ei-ne hohe wissenschaftliche Re-putation aufbauen können.

Erfolgreich im „Model T-Wettbewerb“ Pünktlich zum 100. Geburtstagdes legendären Ford Model That sich das Institut für Kraft-fahrzeuge (IKA) erfolgreich ineinem weltweiten Wettbewerbdes Fahrzeugbauers durchge-setzt. Ziel war es, ein innovati-ves Auto für die Mobilität im21. Jahrhundert zu entwickeln.Es sollte einfach, leicht, robustund kostengünstig sein. Ein Er-folgsmodell wie das von HenryFord im Jahr 1908. Das Kon-zept von Wissenschaftlern undStudierenden des IKA über-zeugte die Fachjury und konntesich erfolgreich gegen fünf wei-tere Hochschulen aus den USAund Australien durchsetzen. DieRWTH war als einzige europäi-sche Universität für den Wett-bewerb ausgewählt worden.Nun winken Stipendien inHöhe von 25.000 US-Dollar.Für die Teilnahme am Wettbe-werb musste das AachenerTeam ein zuverlässiges Fahr-zeug mit geringem Gewicht,das Platz für mindestens zweiPersonen bietet, entwickeln.Außerdem soll der Wagen eineReichweite von mindestens 200Kilometern haben und zu ei-nem Grundpreis von 7.000 US-Dollar (umgerechnet knapp5.000 Euro) verkauft werdenkönnen. Und das haben dieAachener Wissenschaftler ge-schafft: Das Basismodell ihresFahrzeugs kostet 6.780 US-Dollar und bleibt damit sogarleicht unter dem vorgegebenenHöchstpreis des Herstellers.

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Nachrichten

60 Jahre Institut für Bauforschung Das Institut für Bauforschung,kurz ibac, feierte jetzt sein60jähriges Bestehen. Seit seinerGründung im Jahre 1948 ent-wickelte sich das Institut zu ei-ner Plattform für Forschungüber Bindemittel, Beton, Ver-bundwerkstoffe, Mauerwerk,Bauwerkserhaltung und –in-standsetzung sowie Stahl undStahlkorrosion und führt Mate-rial- und Überwachungsprüfun-gen durch. Auch am DFG-Son-derforschungsbereich „Textilbe-wehrter Beton - Grundlagen fürdie Entwicklung einer neuarti-gen Technologie", ist das ibacaktuell mit mehreren Projektenbeteiligt ist. Den Grundstein fürdiesen Erfolg schufen die frühe-ren Leiter Prof. Dr.-Ing. Hum-mel, Prof. Dr.-Ing. Wesche,Prof. Dr.-Ing. Sasse und Prof.Dr.-Ing. Schießl. Mit den beidenInstitutsleitern Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Brameshuberund Univ.-Prof. Dr.-Ing. Micha-el Raupach freuten sich zahlrei-che Gäste beim Festakt undanschließendem Kolloquiumüber das Jubiläum des Instituts.

Auszeichnungfür Claude BouvyDr.-Ing. Claude Bouvy vomLehrstuhl für Technische Thermodynamik erhielt den Dr. Tyczka Energierpreis. Der Preis –gestiftet von der Tyczka EnergieGmbH & Co. KGaA – wurdevon der TU München verliehen.Bouvy erhielt für seine Disserta-tion „Kombinierte Struktur-und Einsatzoptimierung vonEnergieversorgungssystemenmit einer Evolutionsstrategie“ein Preisgeld in Höhe von2.500 Euro.

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Werner von Siemens ExcellenceAward für vier AbsolventenDie Absolventen Melanie Klei-ner, Kerstin Meisa, Moritz Pis-tor und Mark Stegelmann wur-den mit dem Werner von Sie-mens Excellence Award ausge-zeichnet. Bei dem mit insge-samt 100.000 Euro dotiertenWettbewerb honoriert die Sie-mens AG herausragende Di-plom- und Masterarbeiten, dieim Rahmen eines technisch-na-turwissenschaftlichen Studien-gangs erstellt wurden und diein einem thematischen Bezugzu den Geschäftsaktivitäten derSiemens Sektoren Industry,Energy und Healthcare stehen.Neben der wissenschaftlichenLeistung wurden vor allem derInnovationsgrad der einge-brachten Ideen und deren prak-tische Umsetzbarkeit bewertetund pro Arbeit mit 2.500 Europrämiert. Im Studiengang Infor-matik erarbeitete Melanie Klei-ner in ihrer Diplomarbeit „Einroutine-integrierbares Pla-nungswerkzeug zur operativenRekonstruktion der Orbita“ einsoftware-basiertes Tool, das beider Operation der Augenhöhlenach schweren Verletzungengenutzt werden kann. Die vonKerstin Meisa im StudiengangElektrotechnik und Informati-onstechnik erstellte Diplomar-beit „Entwicklung einesrechnergestützten Verfahrenszur Ermittlung von Höchstspan-nungsreferenznetzen“ ermög-licht die Bestimmung kostenmi-nimaler Stromnetze für dieTransportnetzebene nach vor-gegebenen Randbedingungen.Im Studiengang Elektrotechnikund Informationstechnik ent-wickelte Moritz Pistor im Rah-men seiner prämierten Diplom-arbeit „Entwicklung und Auf-bau eines tragbaren drahtlosenSensorennetzwerkes zur PDAbasierten Erfassung von Vital-parametern“ ein mobiles Tele-monitoring System, das dieDiagnose von Krankheiten unddie Überwachung von Patien-ten und Patientinnen außerhalbvon Kliniken und Arztpraxenermöglicht. Mark Stegelmannhat in seiner im StudiengangInformatik erstellten Diplomar-beit „Spezifikation und Kompo-sition von Diensten in dynami-schen eHome-Systemen“ einKonzept entwickelt, mit demsich solche Dienste automatischoder nutzergesteuert an sichändernde Anforderungen an-passen lassen. Der Werner vonSiemens Excellence Award wirdjährlich an 14 Hochschulen aus-geschrieben.

Auszeichnung für Professor Peter Hanrath Mit der Carl-Ludwig-Ehrenme-daille erhielt Professor em. Dr.med. Peter Hanrath die höchsteAuszeichnung der DeutschenGesellschaft für Kardiologie.Der Vorstand der Gesellschaftehrte den ehemaligen Direktorder Medizinischen Klinik I desUniversitätsklinikums für seineherausragenden Verdienste aufdem Gebiet der Herz- undKreislaufforschung. Hanrathwar einer der Impulsgeber fürdie technische Entwicklung unddie klinische Anwendung dertransösophagealen Echokardio-graphie. Bei dieser speziellenForm der Echokardiografie, ei-ner Ultraschalluntersuchung desHerzens, wird ein Endoskop miteingebautem Schallkopf in dieSpeiseröhre eingeführt und da-durch eine Darstellung des Her-zens und benachbarter anato-mischer Strukturen ermöglicht.Auf diese Weise können Verän-derungen an den nativen Herz-klappen bei Entzündungen undSchädigungen von Herzklap-penprothesen diagnostiziert so-wie die Funktion des Herzenswährend großer Operationenoder kathetertechnischer Inter-ventionen kontinuierlich über-wacht werden.

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Ehrendoktorwürdefür Professor BockDie Cracow University of Economics hat Univ.-Prof. i.R.Dr.rer.nat. Hans-Hermann Bockdie Ehrendoktorwürde verlie-hen. Mit dieser Auszeichnungwürdigt die Krakauer Univer-sität die wissenschaftlichen Leis-tungen des Mathematikers aufdem Gebiet der Klassifikations-verfahren und der statistischenDatenanalyse sowie im Beson-deren seine Verdienste um dieEtablierung wissenschaftlicherKontakte zwischen polnischenund deutschen Wissenschaft-lern und deren Fachgesellschaf-ten. Bock wurde 1978 für dasLehr- und Forschungsgebiet„Angewandte Statistik“ an dieRWTH berufen.

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THEMEN 2/2008

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Volkswagen-Stiftung fördert Projekt des Philosophischen Instituts Für das Vorhaben „Vernünfti-ger Umgang mit unscharfenGrenzen. Vagheits- und Unbe-stimmtheitsphänomene als Her-ausforderung für Philosophieund Recht“ von Univ.-Prof.Dr.phil.habil. Geert Keil vomPhilosophischen Institut vergabdie Volkswagen-Stiftung einFördergeld in Höhe von800.000 Euro. Keil entwickeltein Zusammenarbeit mit Prof.Dr. Ralf Poscher vom Lehrstuhlfür Öffentliches Recht, Rechts-soziologie und Rechtsphiloso-phie der Universität Bochumdieses Forschungsprojekt. Eshat das Ziel, Vagheits- und Un-schärfephänomene in verschie-denen Feldern zu identifizierenund Verfahren des vernünftigenUmgangs mit unscharfen Gren-zen zu entwickeln und umzu-setzen. Das Projekt wird einenArbeitsschwerpunkt im Anwen-dungsfeld „Technik/Umwelt“haben und sich auf diesem Ge-biet die an der RWTH vorhan-dene ingenieurwissenschaftlicheExpertise zunutze machen. Da-bei werden Keil und Poschereng mit „HumTec“ kooperie-ren, einem aus Mitteln der Ex-zellenzinitiative eingerichtetenProjekthaus, das interdisziplinä-re Spitzenforschung zwischenden Geistes- und den Ingeni-eurswissenschaften fördert.

Früher Forschen mit UROP InternationalDas neue „Undergraduate Re-search Opportunities Program“,kurz UROP International, star-tete jetzt. UROP ermöglichtStudierenden ab dem zweitenStudienjahr, zeitlich begrenzteForschungsprojekte an derRWTH Aachen durchzuführenoder Teil eines bestehendenForschungsteams zu werden. Inder Startphase von UROP wer-den zwei unterschiedliche Pro-grammkomponenten angebo-ten: RWTH UROP für Studie-rende der RWTH Aachen undUROP International für Studie-rende von US-amerikanischenund kanadischen Hochschulen.Ziel von UROP International istes, die Beziehungen zu norda-merikanischen Partnern undpotenziellen Partnern zu stär-ken sowie die fachliche undaußerfachliche Entwicklung derStudierenden zu fördern. Quali-fizierte RWTH-Studierende so-wie besonders geeignete Stu-dierende von Partnerhochschu-len sollen früh in ihrem Studi-um durch eigene Projekte anforschungsrelevante Themenherangeführt werden und da-durch die Forschungsaktivitätender RWTH effektiv unterstüt-zen. Die UROP-Projekte wer-den aus Mitteln der Exzellenzi-nitiative gefördert.

Ehrendoktorwürdefür Professor Rafig Azzam Die University of Shanghai forScience and Technology hatUniv.-Prof. Dr.rer.nat. RafigAzzam die Ehrendoktorwürdeverliehen. Mit dieser Auszeich-nung würdigt die chinesischeUniversität die wissenschaftli-chen Leistungen des AachenerLehrstuhlleiters für Ingenieurge-ologie und Hydrogeologie so-wie im Besonderen seine Ver-dienste um die Etablierung wis-senschaftlicher Kontakte zwi-schen chinesischen und deut-schen Forschern und derenFachgesellschaften. Im Rahmeneines Festakts wurde die Eh-renurkunde in Shanghai über-reicht. Azzam übernahm imSeptember 2002 die RWTH-Universitätsprofessor für dasFach Ingenieurgeologie undHydrogeologie.

Auszeichnung für Dr. Olav GressnerDr.med. Olav Gressner ist mitdem Ivar-Trautschold-Nach-wuchs-Förderpreis geehrt wor-den. Gressner ist Wissenschaft-licher Mitarbeiter am Institutfür Klinische Chemie und Pa-thobiochemie des Universitäts-klinikums Aachen. Der Preiswird von der Deutschen Verein-ten Gesellschaft für KlinischeChemie und Laboratoriumsme-dizin e.V. (DGKL) alle zwei Jah-re an Nachwuchswissenschaft-ler, die hervorragende Arbeitenauf dem Gebiet der KlinischenChemie und Pathobiochemieerbracht haben, vergeben. Er istmit 5.000 Euro dotiert undkann an Wissenschaftler bis zurVollendung ihres 36. Lebens-jahres verliehen werden.

Zwei RWTH-Professoren im Senat der DFG Die Mitgliederversammlung derDeutschen Forschungsgemein-schaft wählte jetzt acht neueMitglieder für den Senat. Zumersten Mal wurde Univ.-Prof.Dr.rer.nat. Dieter Enders vomInstitut für Organische Chemieder RWTH Aachen für zunächstdrei Jahre in das wichtigste po-litische Gremium von Deutsch-lands größter Forschungsförder-organisation gewählt. Im Be-reich der Mathematik wurdeUniv.-Prof. Dr.rer.nat. WolfgangDahmen für eine zweite Amtszeitvon drei Jahren bestätigt. Der Se-nat ist das wissenschaftspolitischeGremium der Deutschen For-schungsgemeinschaft. Er nimmtübergeordnete Anliegen der For-schung wahr, fördert ihre Zu-sammenarbeit und berät Regie-rungen, Parlamente sowieBehörden durch wissenschaft-lich begründete Stellungnah-men. Durch die Einrichtung vonSchwerpunktprogrammen undForschergruppen setzt er Ak-zente in der Forschungspla-nung. Der Senat besteht aus 39wissenschaftlichen Mitgliedern,von denen 36 von der Mitglie-derversammlung gewählt wer-den.

Nachrichten

Professor Martin Möller in dieDeutsche Akademie der Tech-nikwissenschaften gewähltUniv.-Prof. Dr.rer.nat. MartinMöller wurde zum Mitgliedvon acatech, seit dem 01. Ja-nuar 2008 Deutsche Akademieder Technikwissenschaften, ge-wählt. Möller ist Direktor desDeutschen Wollforschungsinsti-tuts e.V. (DWI) an der RWTHAachen und Lehrstuhlinhaberfür Technische und Makromo-lekulare Chemie. Die Wahl indie Akademie ist eine hoheAuszeichnung. Als Vereinigungherausragender Wissenschaftlerberät acatech die Politik, Wirt-schaft und Gesellschaft mit ak-tuellsten Kenntnissen aus derWissenschaft. Möller wird seinWissen und seine Erfahrungenzu Polymer- und Materialwis-senschaften einbringen und ak-tiv in den ThemennetzwerkenNanotechnologie und Werk-stoffe mitarbeiten. Nach derWahl von 23 neuen Wissen-schaftlern verfügt acatech nun-mehr über 282 Mitglieder. Da-von kommen mit Möller 19Wissenschaftler von der RWTHAachen.

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In der nächsten Ausgabe:

Globales E-Learning in der Wasserwirtschaft

Klimawandel und Wasserhaushalt

Hochwasserrisiko Wasser – alles klar?

Nutzung alternativer Wasserressourcen

Kleinkläranlagen aus Textilbewehrtem Beton

Dem Grundwasser auf der Spur

DICLOFENAC und Co – Arzneimittel im Abwasser

Kläranlagen als Energiequelle und -verbraucher

Abwasser auf dem Wasser

Elektrokoagulation – Vom Abwasser zum Nutzwasser

Sauberes Trinkwasser für die Zukunft

Automatisierung in der Abwasseraufbereitung

Wasser und Sediment

Adsorption in der Abwasseraufbereitung

Hochwasserschutz aus sozialwissenschaftlicher Perspektive

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