S.12-39 Yoga und Fitness 28S - Yoga-Therapie und Yoga ... · auf Yoga und fragt, was dabei von...

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V IVEKA 29 S. 12 ●●● ●●● Im offiziellen Gesundheitsbetrieb sind Yoga-Angebote im Rahmen präventiver Maßnahmen heute fast eine Selbstverständlichkeit ge- worden. An dieser Sichtweise wird sich wohl auch dann nichts ändern, wenn Sparzwänge der finanziellen Unterstützung von Yo- gakursen durch Krankenkassen vielleicht bald ein Ende bereiten. Ebenso wird es heute niemanden mehr wundern, wenn in einer Zeitschrift, einem Fernsehbericht oder einer Werbebroschüre unter der Rubrik »Fitness« oder »Wellness« auch von Yoga die Rede ist. Im Internet finden sich allein aus Deutschland über 40 000 Seiten, in denen Fitness und Yoga in Zusammenhang ge- bracht werden. Das liest sich dann zum Beispiel so: »...macht straff und stark: schön in Form mit Yoga«; »Yoga: Fitness, Wellness und Trai- ning für Körper, Geist und Seele«; »Wellness und Fitness von Yoga bis Solarium«; »Yoga, fernöstliche Fitness«. Ein Blick nach Amerika und in die dortigen Yoga-Zeitschriften lässt ahnen, dass dieser Trend bei uns seinen Höhepunkt noch längst nicht erreicht hat. Sicherlich fördert diese Entwicklung einen Blick auf Yoga, der von Oberflächlichkeit, Beliebigkeiten und oft auch kühl kalkulierten Marketing-Interessen geprägt ist. Niemand wird aber verhindern können, dass Yoga in der Öffentlichkeit immer wieder und immer häufiger in die Nähe von Fitness und Wellness gerückt wird. Der folgende Artikel widmet sich diesem ganz besonderen Blick auf Yoga und fragt, was dabei von einer Yogapraxis erwartet wer- den kann und was nicht. Zum besseren Verständnis werden auch wichtige physiologische Grundlagen und einige Trainingsmethoden dargestellt und diskutiert. Yoga und Fitness

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Im offiziellen Gesundheitsbetrieb sind Yoga-Angebote im Rahmenpräventiver Maßnahmen heute fast eine Selbstverständlichkeit ge-

worden. An dieser Sichtweise wird sich wohl auch dann nichtsändern, wenn Sparzwänge der finanziellen Unterstützung von Yo-gakursen durch Krankenkassen vielleicht bald ein Ende bereiten.Ebenso wird es heute niemanden mehr wundern, wenn in einerZeitschrift, einem Fernsehbericht oder einer Werbebroschüre

unter der Rubrik »Fitness« oder »Wellness« auch von Yoga dieRede ist. Im Internet finden sich allein aus Deutschland über

40 000 Seiten, in denen Fitness und Yoga in Zusammenhang ge-bracht werden. Das liest sich dann zum Beispiel so: »...macht straffund stark: schön in Form mit Yoga«; »Yoga: Fitness, Wellness und Trai-ning für Körper, Geist und Seele«; »Wellness und Fitness von Yoga bis

Solarium«; »Yoga, fernöstliche Fitness«. Ein Blick nach Amerika und indie dortigen Yoga-Zeitschriften lässt ahnen, dass dieser Trend bei

uns seinen Höhepunkt noch längst nicht erreicht hat.Sicherlich fördert diese Entwicklung einen Blick auf Yoga, der von

Oberflächlichkeit, Beliebigkeiten und oft auch kühl kalkuliertenMarketing-Interessen geprägt ist. Niemand wird aber verhindern

können, dass Yoga in der Öffentlichkeit immer wieder und immerhäufiger in die Nähe von Fitness und Wellness gerückt wird.

Der folgende Artikel widmet sich diesem ganz besonderen Blickauf Yoga und fragt, was dabei von einer Yogapraxis erwartet wer-den kann und was nicht. Zum besseren Verständnis werden auch

wichtige physiologische Grundlagen und einige Trainingsmethodendargestellt und diskutiert.

Yogaund F i tness

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Wer TeilnehmerInnen von Yoga-kursen danach fragt, was sie sichvon einer Yogapraxis an Wirkungenversprechen, wird die unterschied-lichsten Antworten erhalten. Man-che mag es erstaunen, dass in einerder wenigen Untersuchungen unterTeilnehmerInnen von Yogagruppender Wunsch nach »Fitness« mit 90Prozent auf der Liste der Bedürfnisseweit oben steht (Nur »Entspan-nung« ist mit 95 Prozent noch mehrgefragt!). Gerade YogalehrerInnenist bei einem derartigen Blick auf ihrAngebot oft nicht wohl zumute,sind sie sich doch bewusst, wie vielmehr Yoga zu bieten hat.

Vorbehalte sind sicher oft be-rechtigt. Aber sie sollten angesichtsder bestehenden Erwartungen unterYogaübenden nicht verhindern, sichum eine fundierte Antwort auf dieFrage zu bemühen: Welche Rollekann Yoga spielen, wenn »Fitness«gefragt ist?

Schauen wir etwas genauer hin.Es zeigt sich, dass einige Aspekte,die in dem Wunsch nach Fitnessenthalten sind, dem Yoga keines-wegs fremd sind. Zum Beispiel dieVorstellung, man könne und müsseselbst etwas für die eigene Gesund-heit tun und dabei Verantwortungfür das eigene körperliche Wohlbe-finden übernehmen. Oder die Vor-stellung, dass wir unsere körperlicheLeistungsfähigkeit durch regelmäßi-ges Üben besser erhalten können.

Auch scheut sich der Yoga nichtdavor, Mittel und Wege aufzuzei-gen, die eine unmittelbare Erfah-rung genussvollen Körperempfin-dens erlauben. Also Anleitungengibt für ein Erleben, das viele heut-zutage mit »Wellness« beschreibenwürden.

Tatsächlich lässt sich Yoga janicht ohne Grund so einfach in dieNähe der boomenden Wellnessbe-wegung rücken. Wir erinnern uns:Selbst die ehrwürdige, bald 500Jahre alte Ha†ha Yoga Pradîpikâpreist die Vorteile einer guten Yoga-

praxis indem sie Erstaunliches ver-spricht: «Schlanker Körper, strahlen-des Gesicht, klare Stimme, glänzen-de Augen, Freiheit von Krankheit...«

Allerdings bleiben im Yoga sol-che Vorstellungen und Angeboteeingebettet in einen Kontext, derweit hinausgeht über das, was sichheute mit Begriffen wie »Fitness«oder »Wellness« verbindet. Yoga

macht sehr deutlich, dass »fit« zusein nicht heißt, sich auch glücklichzu fühlen. Und dass eine »Well-ness«-Erfahrung keineswegs nach-haltige Zufriedenheit und schon garnicht mehr innere Freiheit garan-tiert. Andererseits lässt zum Beispieldas Yoga Sûtra keinen Zweifel dar-an, wie viel mühsamer innere Aus-geglichenheit für einen Menschenzu finden ist, wenn ihn eine Krank-heit quält: »Vyâdhi«, Krankheitnennt Patañjali dort als erstes vonvielen anderen Hindernissen, dieden Weg des Yogas erschwerenkönnen.

Noch etwas anderes ist im Zu-sammenhang mit der hier geführtenDiskussion interessant: In seinerlangen Geschichte hat sich der Yogaschon immer als nur eines von vie-len Mitteln verstanden, wenn es umGesundheit und Wohlbefinden

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Früher waren Fitnessstudios ein Ort,der nur an Schwarzeneggersche Mus-kelberge denken ließ. Heute werdensie von vielen Menschen für ganz an-deres genutzt: Oft stehen jetzt gesund-heitliche Aspekte, Fitness, Konditionund der Wunsch nach einem schönenKörper im Mittelpunkt.

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Wissenswertes 1Das Wunderwerk Muskel

Die Ergebnisse der wissenschaft-lichen Forschung in den letzten Jah-ren und Jahrzehnten haben ein-drucksvoll zu Tage gefördert, vonwelch großer Bedeutung und Kom-plexität die Bewegungsmuskulaturfür den gesamten menschlichenOrganismus ist. »Es sind unsereMuskeln, die uns »in Form« oder»außer Form« sein lassen, die uns»fit« machen. Und es ist ein ge-schmeidiger Muskel, der uns aufdirektestem Wege das Körpergefühl

und Aussehen von »Entspannung«vermittelt. Die einzigartige Fähigkeitdes Muskelgewebes zur Kontraktionist verantwortlich für alle Bewegun-gen des Körpers - von der subtilenAngleichung des Durchmessers ei-ner winzigen Arterie über ausholen-de Gesten bis zur Fortbewegung aufder Erdoberfläche. Diese Aktivitätverschlingt einen Löwenanteil derNahrung und des Sauerstoffs, denwir aufnehmen. Unsere Muskulaturist bei weitem das größte und meta-bolisch (= auf den Stoffwechsel be-zogen) aktivste Organ des Körpers.Mehr als jedes andere Körpergewe-be (mit Ausnahme von überschüssi-

gem Fettgewebe bei Übergewicht)umgrenzt es die sichtbaren Kontu-ren des Körpers. Masse oder Man-gel, Schlaffheit oder Spannung derMuskeln definieren unsere Größeund unser Profil, »Körpergefühl«und die Qualität aller körperlichenHandlungen.« (Deane Juhan, Kör-perarbeit, Knaur, München 1992)

Von den vielfältigen Funktionender Muskulatur stehen in unseremZusammenhang drei Aspekte imMittelpunkt, denen wir uns etwasausführlicher widmen wollen.

1. Muskeln verbrauchenviel Energie.

Wie viel Energie beim Arbeitender Muskeln verbraucht wird, wohersie kommt und auf welche Weise sieverwendet wird, das alles ist inzwi-schen gut erforscht. Interessant istein genauerer Blick auf die dabeiwirksamen Prozesse im Körper ausganz praktischen Gründen:

Herz- KreislauftrainingWeniger die Muskulatur als sol-

che, sondern die Auswirkungeneiner gut dosierten Muskelarbeit aufden Gesamtorganismus steht imMittelpunkt der meisten Fitness-und Gesundheitsprogramme. Das istdeshalb so, weil ein erhöhter Ener-gieverbrauch aktiver Muskeln dasHerz- Kreislaufsystem anregt. DerEnergieverbrauch der Muskeln lässtsich unmittelbar durch die Intensitätder körperlicher Aktivität beeinflus-sen Damit kann die Anregung desHerz- Kreislaufsystems einfach ge-steuert werden. Bei der Aktivierungund dem Training des Herzens undder Gefäße steht das so genannte»Ausdauertraining« (s. Wissenswer-tes 6) ganz im Vordergrund.

Pfunde verlierenÜber den Energieverbrauch bei

muskulärer Aktivität kann über-

Eine Darstellung dermenschlichen Mus-kulatur aus dem 16.Jahrhundert.(Andreas Vesalius)

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ging. So stand es wohl nie außerFrage, wie wichtig etwa eine richti-ge Ernährung für die Gesundheiteines Menschen ist. Oder wie ent-scheidend sich für unser Wohlbefin-den und innere Balance eine stimmi-ge Lebensordnung auswirkt: Ausrei-chend Schlaf, genügend Erholung,angemessener Rhythmus...

Heute ist die Situation nicht sehrviel anders. Der Yoga ist umgebenvon vielen Angeboten und Metho-den, denen es auch ernst damit ist ,Verantwortung für die eigene Ge-sundheit zu fördern. Oder die übereine positive Erfahrung des eigenenKörpers mehr Wohlbefinden errei-chen wollen. Wie sich in dieser Viel-falt zurechtfinden? Welche Ent-scheidungshilfen können Yogalehre-rInnen geben?

Die meisten Menschen, die mitdem Bedürfnis nach Fitness zumYoga kommen, sind vor allem anseinen Körperübungen, also denÂsanas interessiert. Wir müssenihnen das nachsehen und im Fol-genden soll die Âsanapraxis auchganz im Mittelpunkt unserer Diskus-sion stehen.

Für ein unbeschwertes und er-folgreiches Unterrichten ist Wenigesso hinderlich wie das Arbeiten ge-gen Erwartungen, die nicht zu erfül-len sind. Unsere kleine Positionsbe-stimmung möchte deshalb hier be-ginnen: Welche Erwartungen an ei-ne Âsanapraxis im Zusammenhangvon Fitness sind eigentlich angemes-sen, vor allem auch: Welche nicht?

1. Âsanapraxis kann keinAusdauertraining ersetzen.

Was ist Ausdauertraining? ZumBeispiel Joggen, strammes Spazierengehen, Walken, Radeln auf einemErgometer, Schwimmen und vielesandere mehr (s. dazu Kasten »Wis-senswertes 6, Ausdauertraining«).Wie können wir nun einem Bedürf-nis begegnen, das im Yoga nachden Wirkungen von Ausdauertrai-

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schüssiges Körperfett verbranntwerden. Zu einer wirklichen Ge-wichtsreduktion kann dieser Effektallerdings nur dann genutzt werden,wenn die Besonderheiten der daranbeteiligten physiologischen Prozesseberücksichtigt werden.

MuskelaufbauDie Frage der Energiebereitstel-

lung und Energieverwertung istauch beim Muskelaufbau von gro-ßer Bedeutung. Wenn mit Übungenein Muskel gestärkt werden soll,reicht es nicht aus, ihn einfach abund zu mal anzuspannen. Umge-kehrt zeigt aber auch ein Zu-Viel anBelastung keine positiven Ergeb-nisse.

Neben anderen Faktoren ist esdabei wichtig, ob beim Trainingeines Muskels die für ein Wachstumnötige Energie auch tatsächlich überdie ganze Übungszeit hinweg bereit-gestellt wird: Bei falscher Übungs-weise kann ein Muskel auch »ver-hungern«. Eine wichtige Erkenntnisaus der Erforschung der Biomecha-nik der Muskulatur ist zum Beispieldiese: Um einen Muskel wirksamund gesund zu kräftigen, muss zurAufrechterhatung der dafür not-wendigen Energiezufuhr dynamischgeübt werden. Statisches Haltenerweist sich für diesen Zweck alskontraproduktiv.

2. Muskeln geben Kraft

Wie viel körperliche Kraft einMensch zur Verfügung hat, be-stimmt sich durch die Beschaffenheitseiner Muskulatur. Das gilt auch fürbesondere Körperbereiche: Die Sta-bilität des Rückens etwa ist ein Aus-druck der Qualität der Rückenmus-kulatur. Allerdings sind die Zusam-menhänge komplexer als es auf denersten Blick scheinen mag. So istzum Beispiel die Aussage »Ein star-

ker Rücken kennt keinen Schmerz«wohl sehr eingängig, trotzdem aberirreführend: Auch ein »kräftiger«Muskel (also ein Muskel, der in derLage ist, ein großes Maß an Span-nung zu erzeugen) kann sehr wohlin ein massives Ungleichgewichtgeraten. Nicht zuletzt sind es Sport-ler, die uns dies immer wieder au-genfällig deutlich machen: Trotzsehr gut ausgebildeter und kräftig-ster Rückenmuskulatur leiden nichtwenige von ihnen an chronischenRückenproblemen bis hin zum Band-scheibenvorfall.

Ein ähnlicher Irrtum ist die Vor-stellung, mehr Muskelkraft brauchtauch mehr Muskelmasse. Wir wer-den uns genauer anschauen, waseigentlich die »Kraft« eines Muskelausmacht. Dabei zeigt sich, dass esmehr als Kraft braucht, soll ein Mus-kel zuverlässig und auf gesundeWeise funktionieren.

3. Muskeln bringen (in)Form

Zusammen mit dem Fettgewebeformen die Muskeln den Körper. Esgibt keinen Grund, davor die Augenzu verschließen: Nicht wenige Men-schen, die Yoga üben, erhoffen sichdavon auch (manche vielleicht sogarvor allem) eine Straffung und Ver-schönerung ihres Körpers. Weil esvielleicht das Gewissen mancherYogalehrerInnen beruhigen kann,sei noch einmal an die schon in derEinleitung zitierte Ha†ha Yoga Pradî-pikâ erinnert: »Schlanker Körper,strahlendes Gesicht, klare Stimme,glänzende Augen...« Allerdings lässtsich die Form eines Muskels nurunter bestimmten Bedingungen ver-ändern. Die Forschung hat dazu inden letzen Jahren viel Interessantesans Licht gebracht und die dabeigewonnen Erkenntnisse könnenhelfen, Enttäuschungen zu vermei-den. t

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Wissenswertes 2So funktioniert ein Muskel:Von Querbrücken, Muskelfasernund einer ‘motorischen Einheit’

Wer beim Lesen dieser Über-schrift die Stirn runzelt, ist schonmitten drin im Thema: Was runzeltdenn die Stirn, was hebt einen Armnach oben? Es sind Muskeln. Unddiese Muskeln zeigen wie alle ande-ren auch trotz ihrer großen Komple-xität eine klare Strukturierung. Sindsie kräftig ausgebildet, kann manbei den großen Muskeln schon vonaußen erkennen, dass sie aus ver-schiedenen Muskelsträngen zusam-mengesetzt sind. (Man denke nuran Arnold Schwarzeneggers Arme!)Auch wer dann schon einmal beimZerlegen eines Hühnchenschenkelsgenauer hingeschaut hat weiß, dassdie Muskelstränge wiederum ausvielen Muskelfasern bestehen. Diesemit dem bloßen Auge sichtbarenFasern zeigen sich aber unter demMikroskop noch einmal als Bündelnoch viel feinerer Muskelfasern. Unddiese feinsten Muskelfasern beste-hen schließlich wiederum aus zig-tausenden von einzelnen Muskelzel-len.

Diese Muskelzellen sind bei derArbeit auf besondere Weise organi-siert und miteinander verbunden.

Den Anstoß zur Arbeit erhalten sievon einem Nerven. Vom Gehirn ausaktiviert überträgt er seine Erregungan die einzelne Muskelzelle: Siezieht sich daraufhin zusammen, eineMuskelkontraktion ist geboren. Einsolcher Nerv (alle zusammen sinddas motorische Nervensystem) istnun aber nicht nur mit einer einzi-gen Muskelzelle verbunden. DieNervenfasern verzweigen sich viel-mehr an ihrem Ende und verbindensich so mit mehreren Muskelzellen.Wird also ein entsprechender Nerverregt, so werden immer alle andiesen Nerven angeschlossenen Zel-len aktiviert und ziehen sich gleich-zeitig zusammen. Ein Nerv mit allden Muskelfasern, die auf sein Kom-mando hören, nennt man eine ‘mo-torische Einheit’. Sie ist die kleinsteStruktur, die noch alles das kann,

was einen Muskel ausmacht.Auch ein kleiner Muskel besteht

aus Millionen solcher motorischerEinheiten. In den Muskeln der Fingerwerden dabei nur etwa 5 bis 10Muskelzellen von einer motorischenNervenzelle kontrolliert. Dadurchsind dort besonders feine und ge-naue Abstufungen der Bewegungmöglich. Ganz anders sieht es fürdie Rückenmuskulatur aus. Dort sindeiner motorischen Nervenzelle bis zu2000 Muskelzellen zugeordnet. DerImpuls dieses Nervs regt also 2000Muskelzellen auf einmal zur Kon-traktion an. Deshalb ist die gleich-zeitig mögliche Spannungsentwick-lung hier also sehr viel größer als inden Fingermuskeln, aber die feinabgestufte Kontrolle des Nervensys-tems über die Muskelbewegung imRücken ist entsprechend geringer.

Der Aufbau eines MuskelsDie großen Muskeln bestehen aus Muskelsrtängen und diese wiederum aus vie-len kleinen Muskelfasern. Eine solche Muskelfaser ist hier dargestellt. In ihr sindviele Muskelzellen eng gepackt zusammengefasst. Diese einzelnen Zellen könnenmehrere Zentimeter lang sein. In ihnen findet sich schließlich jene Struktur, dieüber die wundersame Fähigkeit verfügt, sich selbst zu verkürzen und damit einenMuskel zur Kontraktion bringt: das sogenannte Sarkomer. Als Reaktion auf ei-nen entsprechenden Nervenimpuls verschieben sich dort über kleine Brückenmiteinander verbundene Eiweißketten (Aktin und Myosin) gegeneinander undverkürzen so die Muskelzelle: der Muskel spannt sich an.Die Zahl der an einer Kontraktion beteiligten Muskelzellen ist kaum vorstellbar:Um ein 10 Gramm schweres Gewicht nur 10 Zentimeter hoch zu heben (und dasinnerhalb einer Sekunde) braucht es die gleichzeitige Aktivität von nicht wenigerals 10 Milliarden Querbrücken.

Nerven Blutgefäße

Muskelzellen

Muskelfasern

SarkomerMyosin Aktin

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Gerade erst 50 Jahre ist es her,dass man die Mechanismen undbiochemischen Zusammenhänge zuverstehen begann, die zu einerKontraktion der Muskelzelle führen.Auch wenn sich heute immer nochneue Fragen stellen und die Wissen-schaft intensiver als jemals zuvor dasInnenleben der Muskeln erforscht,sind doch wesentliche Abläufe in-zwischen gut bekannt.

So weiß man mittlerweile zumBeispiel, dass beim Anspannen einesMuskels niemals alle seine motori-schen Einheiten gleichzeitig ange-regt werden. Vielmehr ist immer nurein Teil davon aktiv und diese Akti-vität kann je nach Aufgabe sehrunterschiedlich koordiniert werden.Dadurch lässt sich die Kraft, die einMuskel entwickelt, sehr flexibel undfein dosieren. Die Koordination dereinzelnen motorischen Einheitenspielt auch eine entscheidende Rollebei der Frage, wie kräftig und wiebelastungsfähig, ja auch wie »ge-sund« ein Muskel ist. So zeigt sichbei einem untrainierten oder chro-nisch verspannten Muskel sehr deut-lich, dass die Koordination der mo-torischen Einheiten mangelhaft ist.Durch entsprechendes Üben lässt siesich verbessern und es können mehrMuskelfasern als vorher an einerBewegung teilhaben. Ein großer Teildes Kraftzuwachses, der durch einentsprechendes Training gewonnenwird, beruht tatsächlich nicht aufeinem Zuwachs an Muskelmasse,sondern wird durch eine Verbesse-rung dieser Koordination erreicht.Auch die Gesundung eines krankenRückens hat viel mit einer Steige-rung der Koordinationsfähigkeit derMuskelfasern zu tun (und einer Ver-besserung des Stoffwechselgesche-hens) und wenig mit einem wirk-lichen Zuwachs an Rückenmuskeln.

Ein besserer und zeitgleicherZugriff auf die vorhandenen Muskel-fasern ist übrigens auch die Erklä-

rung dafür, warumes gelingen kann,in Extremsituatio-nen »übermensch-liche« Kräfte zuentwickeln. Norma-lerweise lassen sichauch bei größterAnstrengung nichtmehr als 70 Pro-zent der Muskelfa-sern eines Muskelsgleichzeitig erre-gen. Unter beson-deren Umständen,zum Beispiel wennsich vor uns ein gähnender Abgrundöffnet oder der Liebste in höchsterNot ist, kann sich die Ausnutzungder vorhandenen Muskeln auf bis zufast hundert Prozent steigern. Weilder Muskel aber nicht auf die Ver-sorgung einer solchen Energieleis-tung angelegt ist, lässt sich diesesNiveau nur für eine sehr kurze Zeithalten. Das ist anders, wenn dieAusnutzung der Muskelfasern durchMuskeltraining langsam gesteigertwird. Dann kann eine Höchstleistung

der Muskeln auch über eine längereZeit aufrecht erhalten werden. Sogarüber zwei Wochen, wenn man dafürmonatelang so hart trainiert, wie dieRadler der Tour de France. Dafürdürfen sie aber auch weniger aufWunder hoffen, wenn es einmaldarauf ankäme: Das maximal Mögli-che an Kraft stellt sich dann schonunter »normalen« Bedingungen einund lässt sich unter allen Umständennur noch unwesentlich steigern. t

NervMotorische Endplatte Muskelzellen

Motorische EinheitEin einzelner Nerv verzweigt sich und dockt an mehre-ren Muskelzellen an. Sie alle kontrahieren gleichzeitig,wann immer der Nerv vom Gehirn aktiviert wird.

Nur wenige Muskelfasern und ent-sprechend wenig motorische Einheiteneines Muskels sind aktiviert. Der Mus-kel ist nur leicht angespannt.

Wieviel Kraft einMuskel entwickelt,hängt nur zu einemTeil von seiner Masseab. Mehr Muskelkraftist vor allem auch ei-ne Verbesserung derFähigkeit des Mus-kels, die Aktivierungseiner motorischenEinheiten zu syn-chronisieren. Da-durch kann er seineReserven optimal nut-zen und auch inschwierigen Situatio-nen noch angemessenreagieren und ohneProbleme die nötigeKraft bereitstellen.

Mehr motorische Einheiten und damitmehr Muskelfasern des Muskels sindgleichzeitig aktiviert. Der Muskel hatjetzt mehr Spannung, mehr Kraft.

Maximale Kraft bei schlechter intra-muskulärer Koordination: Trotz maxi-maler Anstrengung lassen sich nur et-wa die Hälfte der Muskelfaserngleichzeitig aktivieren.

Maximale Kraft bei guter intramusku-lärer Koordination: Bis über 90% derFasern sind aktiv.

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Wissenswertes 3So funktioniert ein Muskel:Von Vorratswirtschaft, Nach-schubwegen und Schuldenabbau

Welches Training ist für welchenZweck am besten geeignet? Wiekann ein Muskel wirksam aufgebautwerden? Wie viel Anstrengung istnötig, um eine gute Wirkung zuerreichen? Wie können überflüssigeFettpolster abgebaut werden? Wiestark darf der Kreislauf belastet wer-den? Solche Fragen können heutesehr viel besser als noch vor zehnoder gar zwanzig Jahren befriedi-gend beantwortet werden. DerGrund dafür ist ein sprunghaft an-gestiegenes Wissen um die Arbeits-weise der Muskulatur.

Schon immer wusste man natür-lich, dass jede Aktivität eines Mus-kels Energie verbraucht. Erst diemodernen biochemischen Untersu-chungsmethoden führten zu einemumfassenden Verständnis davon,wie der Körper diese Energie bereit-stellt und welche Stoffwechselvor-gänge dabei eine Rolle spielen. Esgibt sicher noch unendlich mehr zuentdecken, aber für die meistenpraktische Belange sind die wichtig-sten Fakten inzwischen gesichert.

Muskeltreibstoff ATPDie Anspannung eines Muskels

ist ein sehr komplexer Vorgang.Kleinste Molekülketten werden da-bei ineinander geschoben und dafürwird andauernd und viel Energiebenötigt. Von den vielfältigen biolo-gischen Prozessen genügt es zuwissen, dass es wesentlich ein Stoffist, der dem Muskel als Treibstoffdient, seine chemische Kurzbezeich-nung ist »ATP« (Adenosintriphos-phat). Dieses ATP ist in den Muskelngespeichert, aber nur in äußerstgeringen Mengen: Schon in denersten drei Sekunden intensiverMuskelarbeit ist dieser Vorrat aufge-braucht und kann dann nur nochfür weitere etwa sieben Sekundendurch muskeleigene Stoffe neu ge-bildet werden. Nach 10 Sekunden,so lange braucht zum Beispiel dasdreimalige Anheben einer schwerenHantel, sind die muskeleigenen Vor-räte also verbraucht. Diese Zeitspan-ne ist viel zu kurz bemessen, als dassdas Herz-Kreislauf-System in derLage wäre, frischen Sauerstoff ausder Lunge zu der arbeitenden Mus-kulatur zu schaffen. Der Muskelmuss seinen Dienst ohne Sauerstoffleisten und er kann das, wenn auchnicht unbegrenzt. Diese Art derEnergiebereitstellung wird »sauer-stofflos« (»anaerob«) genannt.

Erst wenn der Muskel nun weiter

gefordert wird, muss er für seinenEnergieverbrauch neue Nachschub-wege nutzen. Er beginnt jetzt, seineReserven an Zucker, also Kohlehy-drate zur Verfügung zu stellen. AusZucker können die Muskelzellenwieder ATP bilden. Nur in den näch-sten etwa 30 Sekunden stammtdieser Zucker aus den im Muskelvorhandenen Vorräten und auchdiesen Zucker »verbrennt« der Mus-kel ohne Sauerstoff. Als »Schlacke«dieses Verbrennungsprozesses fälltnun Milchsäure an. In der entspre-chenden Menge kann Milchsäureein - immer rasch vorrüber gehen-des - Brennen in der Muskulaturerzeugen. (Aber keinen »Muskelka-ter«. Der quält einen erst am näch-sten Tag und kommt auf Grundganz anderer Vorgänge im Muskelzustande: siehe »Wissenswertes 8«).

Erst nach etwa 50 SekundenBelastungsdauer erreicht der Sauer-stoff über das Herz-Kreislauf-Systemdie Muskelzellen. Nun erst beginntdort die Energiegewinnung unterZuhilfenahme von Sauerstoff, die sogenannte »aerobe« Energiegewin-nung. Mit Hilfe des heran geschaff-ten Sauerstoffs werden weiterhinvor allem die »Zucker«, also dieKohlehydrate verbrannt. Inzwischenist auch aus der Leber Zuckernach-schub beim Muskel angelangt.

An dieser Situation ändert sich

Verbrauch des im Muskelgespeicherten ATP

SEKUNDEN

in %

Verbrauch von ATP, das ausReserven in der Muskulaturgewonnen werden kann

Verbrauch von ATP, dasohne Sauerstoff neu gebil-det werden kann: anaerobeEnergiegewinnung

Bildung von ATP mit Hilfevon durch das Blut heran-geschafften Sauerstoff:aerobe Energiegwinnung

Der Beginn eines Spaziergangs. DieBeinmuskeln werden aktiv. Nur 10 Se-kunden reicht der im Muskel selbst ge-speicherte Treibstoff ATP. Von jetztan muss ATP kontinuierlich neu gebil-det werden. Zuerst aus ATP-ähnlichenStoffen, die als Vorrat im Muskel be-reit stehen (30 Sekunden), dann wirdATP aus Zucker (Glukose) syntheti-siert, zuerst braucht es dazu keinenSauerstoff. Aber nach einer Minutehat es die Kreislaufzirkulation ge-schafft: Sauerstoff ist in den Beinmus-keln angekommen.

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nun in den nächsten 20 bis 25 Mi-nuten nur noch wenig. Dann aller-dings sind die Zuckerspeicher desKörpers entleert. Von jetzt anbraucht der Körper also andere We-ge, um die für seine Muskelarbeitnotwendige Energie bereit zu stel-len. Er findet diese Wege im Abbauseiner Fettdepots.

Es braucht also etwa eine halbeStunde intensiver Muskelarbeit, be-vor der Körper in nennenswerterWeise anfängt, seine Vorräte an Fettanzugreifen. Und nach einer weite-ren halben Stunde intensiver An-strengung setzt langsam ein neuerProzess ein: Der Körper beginnt, sichgleichsam selbst aufzuzehren: Jetztwerden zur Energiegewinnung im-mer mehr auch Eiweiße (Proteine)herangezogen. Das gilt aber nur,wenn die den Muskeln abverlangteLeistung auf sehr hohem Niveaubleibt. Selbst ein Bergwanderer odereine Tangotänzerin wird in der Regelauch nach Stunden nicht diesenBereich von Energieverbrauch vor-stoßen. Allerdings wird kein Sportlerauf die Idee kommen, zur Vorberei-tung eines Marathonlaufes an denTagen davor die ganze Distanz vonmehreren Stunden im Wettkampf-tempo als Training zu absolvieren.Die Folge davon wäre die Auszeh-rung, also Schwächung und nichteine Stärkung des Körpers.

Auch dem Abbau der Fettspei-cher durch Muskelarbeit sind be-stimmte Grenzen gesetzt. Wird dieBeanspruchung der Muskulatur überein bestimmtes Maß hinaus gestei-gert, reicht der durch das Blut ange-lieferte Sauerstoff für die Bereitstel-lung von Energie nicht mehr aus.Der Muskel arbeitet aber trotzdemweiter, allerdings bestreitet er einenTeil seines Energiestoffwechsel nunwieder auf eine »sauerstofflose«,also »anaerobe« Weise. Das hatzweierlei Konsequenzen.

Zum einen entsteht nun wieder

vermehrt Milchsäure (nein, immernoch kein Muskelkater, aber manch-mal akute Muskelschmerzen). DieseMilchsäure schwächt die Kontrak-tionsfähigkeit des Muskels, er ver-liert also an Kraft, »die Beine wer-den schwer«.

Zum anderen können jetzt dieFette zumindest im Verhältnis zumZucker und den Eiweißen nicht mehrso gut verbrannt werden wie bei der»aeroben« Energiegewinnung. Fürein Bewegungstraining, das vor al-lem die Gewichtsabnahme zum Zielhat, wird deshalb oft geraten, im»aeroben« Bereich des Muskelstoff-wechsels zu bleiben. Das ist sicherganz sinnvoll, obwohl natürlich auchbei einer darüber hinaus gehendenAnstrengung (also im »anaeroben«Bereich) noch immer ordentlich vielFett verbrannt wird. Der entschei-dende Faktor fürein rasches Dahin-schmelzen der Pfunde sind ganzeinfach die dabei verbrannten Kalo-rien: Je mehr, desto besser. Deshalbsollte zum Beispiel das Lauftempobeim Walken oder Joggen so ge-wählt sein, dass es auch über länge-re Zeit ohne Schaden für den Bewe-gungsapparat und das Herz-Kreis-lauf-System durchgehalten werdenkann. Ein Einpendeln auf den »aero-

ben« Stoffwechselbereich kann da-bei nur nützlich sein.

Aber auch wenn der Körper übereine bestimmte Zeit und hinweg zueiner »sauerstofflosen« Energiebe-reitstellung gezwungen wird, nimmter dadurch nicht wirklich Schaden.Er verfügt nämlich über genügendMechanismen, seinen Stoffwechselohne weitere Probleme wieder in einGleichgewicht zu bringen. »Sauer-stoffschuld« nennt man die Situa-tion, welche durch eine Überforde-rung der Muskulatur und der darausfolgenden sauerstofflosen Verbren-nung entsteht. Nach Beendigungder Anstrengung, also zum Beispielnach einem sehr anstrengendenStück den Berg hinauf radeln, löstder Körper diese Sauerstoffschuldwieder ein: Die Milchsäure wird ab-gebaut, die Speicher von Zucker undATP werden wieder aufgefüllt. Umdas ordentlich und schnell zu erledi-gen, arbeitet der Kreislauf auf einemsehr hohem Niveau weiter, obwohldie Radlerin längst vom Rad gestie-gen. Obwohl sie schon die Aussichtauf der Passhöhe genießt, bleibt ihrPulsschlag noch sehr schnell undauch der Atem braucht einige Zeit,bis er wieder zu einem normalenRhythmus findet. t

Energiebereit-stellung durchPhosphate

10Sekunden

anaerob aerob

370

250

125

1Minute

10Minuten

30Minuten

100Minuten

Zeit(log)

Energie-verbrauch(kJ/min)

Glukose wird mitHilfe von Sauerstoffvollständig umgewan-delt

Fettverbrennung

Noch einmal ein Spazier-gang: Woher kommt dieEnergie für die Bildung desMuskeltreibstoffs »ATP«?Nach dem Verbrauch derReserven (Phosphate) ver-brennen die BeinmuskelnZucker. Ohne die Hilfe vonSauerstoff entsteht dabeiallerdings Milchsäure. IstSauerstoff vorhanden, wirdder Zucker vollständig ver-brannt. Erst nach etwa ei-ner halben Stunde stram-men Gehens greift der Kör-per seine Fettvorräte an.

Energiebereit-stellung durchGlykolyse:Zucker wirdzu Milchsäure

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Wissenswertes 4So funktioniert ein Muskel:»Mehr Kraft«, woherkommt sie?

Unabhängig davon ob durchKrafttraining mit Hanteln oder Ma-schinen, durch Joggen, Fahrradfah-ren oder Yogaübungen: Mehr Kraftentsteht keineswegs nur durch denZuwachs an Muskulatur. Ebensowichtig, oft sogar wichtiger für dieEntwicklung von Muskelkraft sindVeränderungen ganz anderer Struk-turen. Zu den wichtigsten gehören

p die Verbesserung der »Rekru-tierung« motorischer Einheiten, derso genannten »intra-muskulärenKoordination«

p die Verbesserung der »Syn-chronisation« der an einer Bewe-gung beteiligten Muskelgruppen,der so genannten »inter-muskulärenKoordination«

p die zusätzliche Ausbildung vonBlutgefäßen im Muskelgewebe, die»Kapillarisierung«

p die Verbesserung der »Muskel-elastizität«

p Veränderungen in den Muskel-zellen selbst, die zu einem Anwach-sen ihrer »Kleinkraftwerke«, der sogenannten Mitochondrien führt.

SynchronisationWenn ein Muskel durch Üben an

Kraft gewinnt, geschieht das nurzum Teil durch eine Zunahme vonMuskelgewebe, also durch ein An-wachsen des Muskels. Zwei ganzandere Mechanismen sind für einenKraftzuwachs der Muskulatur mit-verantwortlich. Sie sind entschei-dend daran beteiligt, wenn zumBeispiel chronisch verspannte undkranke Rückenmuskeln gesundenund belastbarer werden. Es handeltsich um die so genannte »intramus-kuläre« und »intermuskuläre« Koor-

dination. Was ist damit gemeint?

Intra-muskuläre KoordinationIm Kasten »Wissenswertes 2«

wurde schon darauf hingewiesen:Ein Muskel besteht aus vielen Mus-kelfasern, die sich aus hunderttau-senden von motorischen Einheitenzusammensetzen. Normalerweisewerden beim Anspannen eines Mus-kels nicht alle motorischen Einheitengleichzeitig angesprochen. Die Mög-lichkeit, nur einen Teil der Muskelfa-sern zu kontrahieren, ist ja auch derwesentliche Mechanismus, der unseine so feine Dosierung unsererMuskelkraft erlaubt, wie wir sie beijeder Bewegung erleben können.Auf der anderen Seite hängt dieKraft, die ein Muskel entwickelnkann, direkt davon ab, in welchemAusmaß die motorischen Einheitensynchronisiert, also gleichsinnig ein-gesetzt werden können: Je aufein-ander abgestimmter sie arbeiten,desto kräftiger spannt sich der Mus-

kel an. Diese Fähigkeit zur Synchro-nisation nennt man auch »intramus-kuläre Koordination«. Sie lässt sichdurch Üben deutlich verbessern. EinZuwachs an Kraft ist die Folge.

Inter-muskuläre KoordinationBei einer Bewegung ist immer

eine Vielzahl von Muskeln beteiligt,niemals nur ein Muskel allein. Undauch der Muskel selbst besteht jenach seiner Größe aus mehr oderweniger Muskelsträngen, die in ei-nem Bewegungsablauf ganz unter-schiedliche Aufgaben übernehmenkönnen. Entscheidend für die Har-monie einer Bewegung ist das guteZusammenspiel aller daran beteilig-ter Muskeln. Das gilt nicht nur fürdie sichtbare Harmonie, also etwaeinen »anmutigen«, »kraftvollen«,oder »Ziel gerichteten« Bewegungs-ablauf. Diese Harmonie bezieht sichvor allem auch auf einen »angemes-senen« Einsatz der für eine Bewe-gung notwendige Muskulatur: Spie-

Inter-muskuläre Koordination:Wie alle anderen großen Muskelnauch setzt sich zum Beispiel derRückenmuskel aus einer Vielzahlkleiner Muskeln zusammen. In derAbbildung sind einige der grö-ßeren dieser vielen Muskeln sche-matisch zu Gruppen zusammen-gefasst. Ob der Rücken bewegtoder in seiner jeweiligen Positiongehalten wird: Immer geschiehtdies durch das gleichzeitigeZusammenspiel unzähliger kleinerMuskelstränge. Je besser sie sichdabei koordinieren und synchroni-sieren, um so weniger anstren-gend, ermüdend und spannungs-reich gestaltet sich ihre Arbeit.Und umso besser ist die Leistungs-fähigkeit des Rückens. Ein ange-messenes Training (zum Beispieldurch entsprechende Âsanas) kanndie Koordinationsfähigkeit derMuskulatur erheblich verbessern.

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ning sucht: »Reicht es denn nicht,wenn ich jeden Morgen meine 10Sonnengrüße mache, um eine bes-sere Kondition zu bekommen?«»Kann ich denn nicht statt mit einerhalben Stunde Joggen das Gleichemit einer halben Stunde intensiverÂsanapraxis erreichen?« Die Ant-wort ist beides Mal ein eindeutigesNein.

Die Gründe dafür sind einfacherklärt:

p Die wesentlichen Wirkungeneines Ausdauertraining entstehendadurch, dass Herz und Kreislaufüber eine längere Zeit und ohneUnterbrechung belastet werden. Diedafür nötige Belastungsintensitätkann mit Âsanapraxis kaum erreichtwerden. Die Anforderungen einerÂsanapraxis an den Kreislauf sind inder Regel viel zu gering, zu oftdurch Pausen unterbrochen undkönnen vor allem den Herzmuskelnicht so stimulieren wie bei einerangemessenen Ausdauerbelastung.Es sei denn, man würde alles aufge-ben, was die besondere Qualität vonÂsanapraxis ausmacht: Zum Beispieldie Ruhe des Atems, die Achtsam-keit in den Bewegungen, die Zeitzur Körperwahrnehmung...

p Theoretisch könnte man sichvielleicht noch vorstellen, dass je-mand 30 Minuten lang eine dynami-sche Âsanareihe so übt, dass derPuls stark genug ansteigt und aus-reichend Schweiß rinnt: Das Ergeb-nis könnte sich aber selbst dannnoch nicht mit dem eines Ausdauer-trainings messen. Praktisch gesehenwäre eine solche Praxis nämlich nie-mandem zu empfehlen. Die Belas-tung für Gelenke und Rücken wäreviel höher als etwa beim Joggen. DieBewegungsabläufe in Âsanareihensind ungleich komplexer als bei je-der Art des Ausdauertrainings; es istunmöglich, sie unter hoher körper-licher Belastung lange genug in derfür ein sicheres Üben nötigen Auf-merksamkeit durchzuführen. Esbesteht also ein großes Risiko, damit

len alle Muskeln gut zusammenmuss keiner unter ungünstigerenBedingungen die Arbeit eines ande-ren übernehmen. Das Notwendigean Kraft wird zur rechten Zeit imrechten Maß bereit gestellt. DieMuskulatur arbeitet ökonomischund ist deshalb hoch belastbar. DieMuskeln werden nicht schnell über-fordert und Verspannungen bleibeneine Ausnahme. Kurz gesagt, inter-muskulär gut organisierte Muskelnsind entscheidend für Vitalität, Be-lastbarkeit und Gesundheit.

KapillarisierungWird ein Muskel viel und richtig

benutzt, regt dies das Wachstumkleinster Blutgefäße an. Dadurchwird die Blutversorgung gesteigert.Dies hilft dem Muskel gerade inschwierigen Situationen, einen aus-reichenden Stoffwechsel aufrecht zuerhalten. Er wird »belastbarer« undsein Stoffwechsel kann sich allenAnforderungen besser anpassen. FürMuskeln wie zum Beispiel die desRückens, welche den ganzen Tagüber unter oft ungünstigsten Bedin-gungen ihre Arbeit verrichten müs-sen, ist dies eine wesentliche Vor-aussetzung für Kraft und Gesund-heit.

MuskelelastizitätRegelmäßige und angemessene

Muskelarbeit erhöht die Elastizitätaller Fasern, aus denen ein Muskelzusammengesetzt ist. Dazu gehörenelastische Fasern und besonderesBindegewebe ebenso wie die Mus-kelzellen selbst. Die Verbesserungihrer Fähigkeit, sich zusammenzuzie-hen, unterstützt und »entlastet«den Muskel bei seiner Kontraktions-arbeit.

Mehr und größere KraftwerkeMehr SauerstoffGrößere Speicher

Muskeltraining bewirkt ein An-

wachsen und eine Vermehrung derso genannten Mitochondrien. Mito-chondrien sind winzige Strukturenund Bestandteil jeder Zelle und lie-fern die dort gebrauchte Energie. Siesind es, die zum Beispiel die vomBlut herangeschafften Zucker (Koh-lehydrate) und Fette in jenen Treib-stoff umwandeln, den die Muskel-zellen zum Anspannen brauchen(vor allem das so genannte »ATP«(s. unter: Die Energetik des Mus-kels).

Darüber hinaus kann die Muskel-zelle jetzt auch mehr »Myoglobin«herstellen. Myoglobin ähnelt demHämoglobin der roten Blutzellen: Estransportiert den Sauerstoff von derZellhülle zu den Kraftwerken derZelle, den Mitochodrien. Dadurchwerden sie besser mit Sauerstoffversorgt.

Schließlich wächst auch das Re-servoir an Zucker, also Glukose imKörper um bis zu einem Drittel. DerMuskulatur kann kurzfristig mehrEnergie bereit getellt werden. Auchdas macht sie belatbarer.

Gesunder RückenEin gesunder Rücken zeichnet

sich also keineswegs durch beson-ders dicke Muskelpakete aus. Auchdie Kraft allein feit ihn nicht vorUngleichgewichten und ernsthaftenProblemen. Inzwischen weiß man,dass es nicht so sehr ein Mehr anbloßer Kraft ist, das einen gesundenund stabilen Rücken von einemkranken unterscheidet. Viel wichti-ger ist die besondere Qualität, in dereine gesunde Rückenmuskulaturarbeitet. Diese Qualität stellt sich herdurch ein gutes Zusammenspielvieler Faktoren. Als Ergebnis ist eingesunder Muskel in der Lage, unterden unterschiedlichsten Bedingun-gen und Anforderungen an der»richtigen Stelle«, im »richtigemMaß« und zur »richtigen Zeit« anzu-spannen. t

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Wissenswertes 5So funktioniert ein Muskel:Kontraktionsformen

Je nach dem, auf welche Weiseein Muskel arbeitet, sind die an ihngestellten Anforderungen verschie-den. In der für unsere Fragestellungam besten geeigneten Einteilungwerden drei Arbeitsweisen der Mus-kulatur von einander unterschieden:»Dynamisch positive Muskelarbeit«(konzentrische Kontraktion), »dyna-misch negative Muskelarbeit« (ex-zentrische Kontraktion) und »stati-sche Muskelarbeit« (isometrischeKontraktion). Diese Einteilung ist inder wissenschaftlichen Diskussionüber die Muskelfunktionen weitverbreitet und hat sich gut bewährt.Mit ihrer Hilfe lässt sich besser ver-stehen, wie zum Beispiel Muskelnauf Yogaübungen reagieren, wie siebeim Joggen beansprucht werdenoder welche Art von Gewichtstrai-ning am effektivsten ist.

1.Dynamische Muskelarbeit

A. Konzentrische KontraktionDiese Form einer dynamischen

Muskelarbeit ist einfach zu beobach-ten und leicht zu verstehen: EinMuskel verkürzt sich, der entspre-chende Körperteil bewegt sich. Indieser Weise bewegen wir unsereHände, Arme und Beine, bewegenwir unseren Mund, wenn wir la-chen, oder die Stirnhaut, wenn siesich runzelt. So arbeitet auch dieRückenmuskulatur bei einer Übungwie der Kobra, während sich derKörper vom Boden nach oben be-wegt. Eine solche Art der Muskelan-spannung nennt man auch »über-windend«: Sie überwindet einenWiderstand, zum Beispiel den derSchwerkraft, wenn wir den Arm

anheben. Oder den der elastischenHautfasern, wenn wir lachen. Einanderer Begriff für diese Kontrak-tionsform eines Muskels ist »positiv-dynamisch«. Damit soll ausgedrücktwerden, dass sich der Muskel beimAnspannen auch tatsächlich verkürzt(was nicht immer der Fall ist, wie wirgleich erfahren werden) und deshalbeinen Körperteil (zum Beispiel denUnterarm beim Heben eines Ge-wichts) in die Richtung seiner Kon-traktion bewegt: also eine »positi-ve« Bewegung. Außerdem geht esum jenen Teil der Muskelarbeit, inder Bewegung stattfindet: deshalbder Zusatz »dynamisch«. Der imWissenschaftsbetrieb am häufigstengebrauchte Begriff für diese Formder Muskelanspannung lautet:»konzentrische Kontraktion«, weilsie zu einer Bewegung zum Zentrum(»konzentrisch«) des sich anspan-nenden Muskels hin führt.

B. Exzentrische KontraktionVon dieser »konzentrischen

Kontraktion« unterscheidet man die

zweite Art und Weise, in der einMuskel dynamisch arbeiten kann:Wieder wird eine Situation beschrie-ben, in welcher der Muskel in Span-nung gebracht wird. Aber jetzt ver-kürzt er sich dabei nicht, im Gegen-teil: Er verlängert sich. Diese Art derMuskelanspannung ist weniger of-fensichtlich aber trotzdem eigentlichnicht schwer zu verstehen. StellenSie sich vor, sie halten bei ange-beugtem Unterarm ein Gewicht inder Hand. Um dieses Gewicht zuhalten, ist ihr Bizeps am Oberarmangespannt. Jetzt lassen sie denUnterarm langsam sinken. Dabeiverlängert sich der Bizeps, er dehntsich. Würden Sie den Bizeps einfachentspannen, würde ihre Hand samtdem Gewicht schlagartig nach untensausen. Obwohl der Bizeps sich alsodehnt und verlängert, braucht eseine Spannung, um die Bewegungso langsam auszuführen, wie Sie eswünschen. Diese Spannung»bremst« deshalb die Bewegungdes Armes nach unten. Was denArm nach unten zieht, ist das Ge-

konzentrischeKontraktion

Abb. 1

Abb. 2

Zwei Beispiele für eine konzentrischeoder »dynamisch positive« Muskelar-beit:Abb. 1 zeigt das Anheben des Körpersvon der Bauchlage in die Position vonBhuja~gâsana. Diese Bewegung entstehtdurch eine konzentrische Kontraktionder Rückenmuskulatur: Der Muskel ver-kürzt sich und der Rücken bewegt sich indie Richtung dieser Verkürzung. Hat derOberkörper die höchste Position er-reicht, ist diese Form der Kontraktionbeendet. Weder beim Halten dieser Posi-tion noch beim Zurückkommen in dieAusgangsposition arbeitet die Rücken-muskulatur auf konzentrische Weise.In Abb. 2 sind es die Muskeln der vorde-ren Oberschenkel und des Bauches, diebeim Anheben der Beine vom Boden inkonzentrischer Weise aktiv sind. DurchVerkürzung der Oberschenkelmuskelnstreckt sich das Bein.

konzentrischeKontraktion

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schließlich in ernsthafte gesundheit-liche Probleme zu geraten.

p Ausdauertraining muss darü-ber hinaus die aufgewendete An-strengung möglichst fein dosierenkönnen. Beim Joggen oder Walkenzum Beispiel ist das sehr einfach,man läuft einfach ein klein wenigschneller oder langsamer. Âsanapra-xis auf hohem Belastungsniveaukann in seinen Anforderungen fürdas Herz-Kreislauf-System nur sehrviel schwieriger reguliert werden.

Wer also für sein Herz-Kreislauf-System nach den Wirkungen einesAusdauertrainings sucht, brauchtAnderes als eine Âsanapraxis.

Kondition

Auch wem es um die Steigerungder Kondition geht, wird mit denWirkungen von Âsanapraxis nichtsehr zufrieden sein. Die Verbesse-rung der Kondition ist ein Prozess, indem sich unter anderem der Stoff-wechsel, die Durchblutung des Her-zens und der Bewegungsmuskulaturzusammen mit einer Vielzahl vege-tativer Regulationsmechanismen ineine ganz besondere Richtung hinverändern. Dies ist nur durch eineregelmäßig wiederholte Dauerbelas-tung zu erreichen. Sicher kann eineregelmäßige Praxis körperlich for-dernder Âsana die Kapazität fürkörperliche Belastungen erweitern.So beschreiben Menschen immerwieder, dass sie sich durch ihre Yo-gapraxis einer Anstrengung wie zumBeispiel Wandern oder Treppenstei-gen besser gewachsen fühlen. Sol-che Erfahrungen bleiben aber in derRegel nur denjenigen vorbehalten,die Yogapraxis aus einer Situationextremen Bewegungsmangels her-aus beginnen. Oder es sind Wirkun-gen, die einer besseren Körperbe-herrschung und Beweglichkeit ge-schuldet sind. Wer aber zum Beispielbeim sommerlichen Fahrradurlaubimmer LetzteR am Berg war unddies bis zum nächsten Mal ändern

möchte,, braucht entschieden inten-sivere und vor allem andauerndeBelastungen des Herz-Kreislauf-Systems als das jede noch so an-strengende Âsanapraxis bietenkönnte. Das gilt natürlich um somehr, wenn jemand vorhat, denKailash zu umrunden und sich fürdie Überwindung 5000 Meter hoherPässe besser vorbereiten möchte.

2. Âsanapraxis fürmehr Kraft:»Ja sicher, aber...«.Für mehr Muskeln:»Naja...«.

Natürlich gibt es Leute, die mitYoga mehr Kraft gewinnen möch-ten. Und Menschen, die bestimmteMuskeln etwas wachsen lassen unddamit ihrem Körper ein aus ihrerSicht besseres Aussehen verleihenwollen. Zweifellos kann ihnen Âsa-napraxis dabei behilflich sein. Werallerdings mit Âsanapraxis Kraftge-winn oder Muskelwachstum errei-chen will, muss dafür sehr gezieltund auf besondere Weise üben.Nicht jede Anstrengung eines Mus-kels - sei sie auch noch so Schweißtreibend - ist ihm nämlich auchAnlass, kräftiger zu werden oder garzu wachsen.

Der RückenMehr als für jeden anderen Be-

reich bietet Âsanapraxis für die Kräf-tigung der Muskulatur des Rückensausgesprochen differenzierte, sehrerfolgreiche und bewährte Mittelan. (Vielleicht deshalb, weil die Auf-richtung der Wirbelsäule dem Yogaimmer ein wesentliches Anliegenwar). Um diese Mittel richtig einzu-setzen, hilft das Verständnis davon,was eigentlich »Kräftigung« einesMuskels wirklich meint. Wenn vomRücken die Rede ist, ist mit »kräf-tig« meistens so viel gemeint wie

wicht, das Sie in der Hand halten,also die Schwerkraft. Die Schwer-kraft wird jetzt aber nicht mehrüberwunden wie es der Fall ist,wenn Sie das Gewicht anheben. Der

Abb. 3

Abb. 3 als Beispiel für eine exzentri-sche Muskelarbeit: Die Rückenmus-keln strecken sich und gleichzeitigmüssen sie sich anspannen. Nur sokönnen sie die Bewegung desOberkörpers nach unten kontrollierenund bremsen. Jede langsame oder ge-führte Bewegung des Körpers, die derSchwerkraft folgt, verlangt exzentri-sche Kontraktionen der entsprechen-den Muskeln.Abb. 4: Die Bewegung ins Virabha-drâsana verlangt von der Muskulaturder Vorderseite des Oberschenkels ei-ne exzentrische Kontraktion: Auchhier werden die Muskeln gedehnt undgleichzeitig sind sie dafür verantwort-lich, die Beugung des Beines zu führenund zu bremsen.

exzentrischeKontraktion

exzentrischeKontraktion

Abb. 4

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Muskel gibt ihr vielmehr nach. Trotz-dem muss er in Kontraktion unddeshalb auch in Arbeit bleiben (so-gar in einer besonders anstrengen-den Arbeit), um seine Dehnung zukontrollieren. Deshalb spricht manjetzt auch von einer »nachgeben-den« Kontraktion. Ein anderer fürdiese Situation benutzter Begriff ist:»negativ-dynamisch«. »Negativ«,weil das Ergebnis der Muskelarbeitkeine Bewegung ist, die der Rich-tung seiner Anspannung folgt, son-dern im Gegenteil: Obwohl derMuskel arbeitet, zieht er sich nichtzusammen und verkürzt sich, son-dern er muss sich verlängern. »Dy-namisch«, weil mit dieser Arbeits-weise des Muskels nur jene Arbeits-phase beschrieben werden soll, inder sich der Muskel und damit derentsprechende Körperteil auch wirk-lich bewegt. Ist der Arm mit demGewicht am Ende ganz ausge-streckt, ist die negativ-dynamische

Arbeit beendet. Der wissenschaftli-che Begriff für diese »nachgeben-de«, oder »negativ-dynamische«Muskelarbeit ist: »ExzentrischeKontraktion«, weil die zu beobach-tende Bewegung vom Zentrum desMuskels weg (exzentrisch) führt. Istdie nachgebende Kontraktion desArms in unserem Beispiel beendet,hört aber die Arbeit des Muskelsnoch nicht auf. Er bleibt weiter inSpannung (er muss jetzt die Gelenkegegen das an ihnen ziehende Ge-wicht zusammen halten). Nunspricht man jedoch von einer stati-schen Kontraktion.

2.Statische Muskelarbeit

Auch hier wird wieder eine Kon-traktion, also Anspannung des Mus-kels beschrieben. Aber obwohl sichder Muskel anspannt, findet keineBewegung statt, weder eine »positi-ve«, in welcher der Muskel sich ver-kürzt, noch eine »negative«, in wel-cher der Muskel kontrolliert nach-gibt. »Haltend-statisch« wird alsofolgende Arbeit eines Muskels ge-

nannt: Der Muskel ist aktiv, aberseine Länge ändert sich dabei nicht,er »hält« die Spannung nur. AlsFachbegriff wurde dafür die Bezeich-nung »isometrisch«, gewählt: »vongleich bleibender Länge«.

Die Einteilung in»konzentrisch«,»exzentrisch« und »isometrisch«,hat sich heute weitgehend durchge-setzt. Andere Unterscheidungen derMuskelarbeit wie zum Beispiel »iso-ton« für eine Muskelspannung vongleich bleibender Intensität eignensich für die Diskussion der in denletzten Jahren gewonnenForschungsergebnisse weniger gutund haben deshalb an Bedeutungverloren. Warum ist ausgerechnetdie Einteilung in »konzentrisch«,»exzentrisch« und »isometrisch« sosinnvoll? Weil damit jene dreiKontraktionsformen voneinanderabgegrenzt werden können, dietatsächlich wesentliche Unterschiedein ihrer Biomechanik und in ihremStoffwechsel zeigen.

Vom intelligenten Umgang mitKörperübungen wird eine bestimm-te Wirkung auf die Muskulatur er-wartet. Hier erweist sich die Diffe-renzierung der drei Kontraktionsfor-men von großer praktischer Bedeu-tung.

Statisches Üben - Isometrisches Üben

Für einen Aufbau und die Kräfti-gung von Muskulatur ist statischesÜben, also ein langes Halten vonMuskelspannung, gänzlich ungeeig-net. Das liegt unter anderem daran,dass bei jeder Muskelkontraktion dieBlutgefäße zusammen gepresst wer-den, die Muskeldurchblutung sichdadurch schnell verringert und dieVersorgung des Muskels deutlichverschlechtert. Außerdem ist daslange Anspannen eines Muskels keinReiz für die Entwicklung eines besse-ren Stoffwechsels oder vermehrtesWachstums der Muskelzellen. Trotz

Wissenswertes 5(Fortsetzung)

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bc

Es gibt kaum eine Körperbewegung, in der sich nicht alle dreiKontraktionsformen finden lassen. Bei der in Abb. 5 gezeigtenBewegung zum PârÍva Konâsana werden zum Beispiel dierechten Schulter- und Oberarmmuskeln konzentrisch ange-spannt (a), die Muskeln der rechten Rücken- und Rumpfseite inexzentrischer Kontraktion aktiviert (b) und die Muskeln deslinken Oberschenkels bleiben in isometrischer Spannung (c).

Abb. 5

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- um nur einige wichtige zu nen-nen. Spielen alle diese Ebenen aufgute Weise zusammen, drückt sichdas in größerer Leistungsfähigkeit,besserer Belastbarkeit aus. Der Rü-cken ist »gesund«. Man kann auchsagen, der Rücken hat mehr»Kraft«, was auch zutrifft: Es fälltihm zum Beispiel leichter, aus derBauchlage heraus den Oberkörperanzuheben. Wachsen, also vergö-ßern, braucht der Muskel dafür aberin der Regel nicht, und wenn, dannnur unwesentlich.

Einem schmerzenden Rückenmangelt es also in der Regel nichtan Muskelmasse. Was ihn krankmacht ist vielmehr ein ungünstigesZusammenspiel aller in einer Mus-kelanspannung beteiligten Faktoren.»Muskuläre Dysbalance« wird dieserZustand in der wissenschaftlichenFachsprache genannt.

Wer einer solchen Dysbalancevorbeugen oder schon bestehendenchronischen Verspannungen oderSchmerzen in der Rückenmuskulaturentgegen arbeiten will, kann diesmit einer entsprechenden Âsanapra-xis ausgesprochen wirksam tun.Dafür braucht es allerdings einekonsequente Aktivierung der Rüc-kenmuskulatur. Übungen wie Bhu-jangâsana, ‡alabhâsana oder auchVîrabhadrâsana können hier guteDienst leisten. Gerade die Rückbeu-

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des Gefühls großer Anstrengungbleibt deshalb die Wirkung statischgehaltener Muskelspannung auf dasEntwicklung und die Kraft einesMuskels enttäuschend.

Wozu überhaupt kann es danngut sein, statisch in der Kraft zubleiben? Müssen Muskeln lange inSpannung ausharren, können siezeigen, was in ihnen steckt. Manch-mal muss es ja auch darum gehendürfen. Eine Veränderung einesMuskels ist damit aber nicht zu er-reichen.

Folgerichtig wird auch in keinerder vielen ausgeübten Formen desMuskeltrainings eine intensive Mus-kelspannung für länger als etwamaximal 10 Sekunden gehalten.Normalerweise ist die Zeit, in derbeim Training ein Muskel in sehrstarker Kontraktion arbeitet, sogarwesentlich kürzer.

Das gilt ebenso für jenes Üben,in dem Muskeln ohne Bewegungtrainiert werden, nämlich beim sogenannten »isometrischen Muskel-training«. Obwohl äußerlich statischanmutend lebt auch dieses Trainingvon kurzen und wiederholtenKontraktionen der entsprechendenMuskulatur. Wer zum Beispiel mitden Händen gegen die Wanddrückt, um Arm- und Brustmuskelnzu stärken, oder den Rücken imLiegen zum Boden presst, umBauch- und Rückenmuskeln anzu-sprechen, muss dies rhythmisch,also im zügigen Wechsel von An-spannung und Entspannung tun.Andernfalls zeigen sich kaum nen-nenswerte Ergebnisse. Das bedeu-tet, dass in der Regel ein Muskeldurch das Drücken gegen einenfesten Widerstand für 6 bis höch-stens 10 Sekunden angespannt unddiese Anstrengung einige Malewiederholt wird. Auch hier gilt wiein anderen Trainingsformen auch:Jede Anspannung eines Muskelsüber diese Zeitspanne hinaus lässt

»gesund«. Das ist so nicht richtig.(S. »Wissenswertes 4«). Ein gesun-der, also schmerzfreier und belast-barer Muskel zeichnet sich dadurchaus, dass er seine Kraft auf harmo-nische Weise entwickeln kann.»Harmonisch« bedeutet übersetztin die Sprache der Physiologie: Öko-nomisch, von den beteilgten Nervengut koordiniert, im Stoffwechselge-schehen angemessen reguliert. Fürdas Anspannen der Rückenmusku-latur bedeutet das konkret: Ein ge-sunder Rücken geht nur dort in eineSpannung wo dies wirklich notwen-dig ist. Seine Muskulatur kann überStunden hinweg arbeiten ohne zuermüden. Verlangt man von ihmeine besondere Anspannung, rea-giert er sehr schnell und ohne Zö-gern. Das Maß der Anspannung istimmer der gestellten Aufgabe ange-messen: Kein Zu Viel und kein ZuWenig. Das verlangt ein komplexesZusammenspiel vieler Prozesse: Aufder Ebene der Nerven, welche dieMuskeln steuern; auf der Ebene derBereitstellung von Energie, die derMuskel für seine Arbeit braucht; aufder Ebene der Muskelzellen undihrem Stoffwechsel, auf der Ebeneder Koordination von hundertenvon Muskelgruppen, die zusammenden Rückenmuskel bilden; auf derEbene der Dehnfähigkeit und Be-weglichkeit der Bänder und Sehnen

Ý

Die Rückbeugen aus der Bauch-lage wie Bhuja~gâsana oder‡alabhâsana mit ihren vielenVariationsmöglichkeiten erlau-ben eine differenzierte und nach-haltige Kräftigung des Rückens.Um eine solche Wirkung zu er-reichen, muss die Praxis dieserÂsanas allerdings bestimmte Be-dingungen erfüllen.

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ihn weder wachsen noch kräftigerwerden.

Aber selbst das früher sehr be-liebte und verbreitete isometrischeMuskeltraining erscheint im Lichteneuer Erkenntnisse und Erfahrungeninzwischen als insgesamt zu statisch.Es wird zunehmend nur noch fürganz bestimmte Ziele eingesetzt.Gegenüber einem dynamischen,also »bewegten« Muskeltraining hatsich isometrisches Üben in vielenAspekten nämlich als weniger wirk-sam erwiesen. Die wichtigsten Mi-nuspunkte des isometrischen Übenssind:

p Die für eine gesunde Muskel-aktion so wichtige intermuskuläreKoordinationsverbesserung (s. dort)bleibt aus

p Die Zunahme an Muskelum-fang wird nicht durch Zellwachstumverursacht, sondern ausschließlichdurch eine Vergrößerung der einzel-nen Muskelzellen und eine Zunah-me an Bindegewebe. Diesen Effektnutzen allerdings Bodybuilder, de-nen es mehr um deutlich hervortre-tende Muskeln als um mehr Muskel-kraft oder verbesserte Muskelaktiongeht: Ein, wenn auch sehr kleinerTeil ihres Trainings besteht aus iso-metrischem »Drücken«.

p Es findet überhaupt keine Aus-dauerverbesserung statt.

p Die zu gewinnende Kräftigungbezieht sich nur auf genau jene Situ-ation des Muskels, in der er ange-spannt wurde

p Der Anstieg des Blutdrucks istbei isometrischem Üben größer alsbei den anderen Formen der Mus-kelkontraktion.

Die Domäne des isometrischenMuskeltrainings ist heute die Reha-bilitation nach Verletzungen. Hierzeigen sich die Vorteile dieser

Übungsform: Ein noch schmerzen-des Gelenk muss für den Muskelauf-bautraining nicht bewegt werden,bestimmte durch Verletzungen ge-störte oder geschwächte Muskelnlassen sich sehr differenziert errei-chen. Wann immer es möglich ist,wird heute aber auch im therapeuti-schen Bereich einer Rehabilitations-gymnastik ein isometrisches Übendurch dynamische Übungsformenergänzt oder ersetzt.

3.Konzentrische und exzentrischeAnspannung als Grundlage je-den Muskeltrainings

Konzentrisches und exzentrischesÜben sind die wirksamsten und ge-bräuchlichsten Übungsformen,wenn es um eine Stärkung der Mus-kulatur und die Verbesserung ihrerFunktionsweise geht. Praktisch gese-hen besteht fast jede Bewegungsowohl aus konzentrischen wie auchexzentrischen Anteilen. Wird zumBeispiel der Arm gebeugt, ist das fürbestimmte Muskeln (zum Beispielden Bizeps) eine konzentrische Mus-kelarbeit. Sinkt der Arm wieder nachunten, ist dies eine exzentrischeKontraktion. Oder wie das Anhebendes Körpers in die Kobra für dieRückenmuskeln eine konzentrischeAnspannung ist, bedeutet dagegendas wieder Ablegen des Körpers anden Boden für Rückenmuskulatureine exzentrische Arbeit. Was aberunterscheidet diese beiden Formender Muskelanspannung voneinan-der?

Exzentrische AnspannungDie »nachgebende« Anspan-

nung verlangt von einem Muskelganz besonders viel und schwieri-ges. Man hat herausgefunden, dassbei einer exzentrischen Bewegungweniger Muskelfasern benutzt wer-den als bei einer konzentrischen:Wenn wir ein Gewicht anheben

beteiligen sich also mehr Muskelfa-sern an dieser Arbeit als wenn wirdas Gewicht langsam Richtung Bo-den sinken lassen. Das setzt die ein-zelnen an der exzentrischen Muskel-kontraktion mitarbeitenden Muskel-fasern einer höheren Spannung aus:Beim Absenken des Gewichts müs-sen weniger Muskelfasern mehrleisten als beim Anheben. Deshalbkommt es bei sehr intensiver exzen-trischer Muskelarbeit mehr als beiallen anderen Kontraktionsformenleicht zu »Mikroverletzungen«,mikroskopisch kleinen Verletzungendes Muskelgewebes. Solche Verlet-zungen sind verantwortlich für denMuskelkater (s. dort). Und wie jederBergwanderer weiß, plagt der Mus-kelkater tatsächlich vornehmlichjene Muskeln, die einer übermäßi-gen exzentrischen Kontraktion aus-gesetzt waren, zum Beispiel dieVorderseite der Oberschenkel beimbergab Gehen. Sind sie nicht zumassiv ausgeprägt, zeigen solcheMikroverletzungen des Muskelge-webes durchaus positive Effekte. Sieregen nämlich mehr als alles anderedas Wachstum, also die Vergröße-rung der Muskulatur an. In vielenUntersuchungen wurde inzwischennachgewiesen, dass dem Muskeldaraus wirklich kein weiterer Scha-den entsteht. Für uns genügt es ersteinmal festzuhalten, dass exzentri-sche Kontraktionen der Muskulaturbesonders viel abverlangen und sieeinen starken Reiz für ein Muskel-wachstum darstellen.

Konzentrische AnspannungGanz zu Recht sind Übungen

»konzentrischer Kontraktion« dieüblichste Art, Muskeln zu trainieren.Was so kompliziert klingt, ist näm-lich sehr einfach: Gewichte heben,Treppensteigen, Fahrradfahren, Lau-fen, Springen, ein Training mit alldiesen Bewegungen beruht wesent-lich im Ausnützen konzentrischer

Wissenswertes 5(Fortsetzung)

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innermuskuläre Koordination wirdverbessert, ihr Stoffwechsel opti-miert, das Zusammenspiel ihrerzahlreichen kleinsten Muskelgrup-pen verfeinert. Das macht den Rü-cken belastungsfähiger, verhindert

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Kontraktionen: Die Beine hebensich, der Arm beugt sich, die Pedalewird getreten, ein Gewicht wirdgestemmt, ein Expander auseinan-der gezogen, der Körper bewegt. Esist ein sicheres, einfaches und wir-kungsvolles Üben, sei es für sichtbarmehr Muskelmasse, sei es um dieLeistungsfähigkeit eines Muskels zuverbessern.

Ob exzentrisch oder konzentrisch- die wesentliche Grundlage für einerfolgreiches Üben bleibt immer dieDynamik. Durch den Wechsel vonAnspannung und Entspannungmuss während des Übens eine guteDurchblutung der Muskulatur ge-währleistet bleiben. Mehr noch:

p Dynamisches Üben regt dieBildung neuer feinster Blutgefäßean und verbessert dadurch auchlangfristig die Versorgung der Mus-kulatur mit allen wichtigen Nähr-stoffen ebenso wie den schnellenAbtransport anfallender Schlacken-stoffe.

p Nur mit dynamischem Übenkann die Ausdauerkraft erhöht wer-den und die aufgebaute Muskel-kraft bleibt länger erhalten als beimÜben ohne Bewegung.

p Nur dynamisches Üben verbes-sert die Fähigkeit des Muskels, sichmit so viel Sauerstoff zu versorgen,dass auch unter vermehrter Belas-tung die Energiegewinnung »ae-rob« also »mit Sauerstoff« aufrechterhalten wird. Soll also im Übenauch der Stoffwechsel angeregtwerden und womöglich auch nochetwas Körperfett verbrannt werden,muss es dynamisch geschehen. Eineweitere Wirkung, die nur durchdynamisches Üben zu erreichen ist,besteht in der Verbesserung der sogenannten »intermuskulären Koor-dination« (s. »Wissenswertes 2«und Wissenswertes 4«). t

gen aus der Bauchlage (Bhujangâs-ana und ‡alabhâsana) sind in ihrerWirkung weit reichend. Sie könnendie Rückenmuskulatur »kräftigen«im Sinne einer Harmonisierung ihrerFunktion: Ihre Durchblutung und

Abb. 2: Bei durchschnittlicher Atemlänge kann ein Üben noch als »dyna-misch«gelten, wenn die Spannung der Muskulatur nicht mehr als einen Atemzuglang gehalten wird (Beispiele a und b). Durch Bewegungen zum Beispiel der Ar-me kann ein statisches Halten »dynamisiert« werden: Verschiedene Muskelgrup-pen müssen jetzt die notwendige Spannung unterschiedlich lange und unter-schiedlich intensiv aufbauen (Beispiele c und d). Ein Halten des Âsanas übermehr als zwei Atemzüge hinweg wird aber auch in solchen Varianten die Wirk-samkeit des Übens für ein Kräftigen der Muskulatur schmälern.

Abb.1: Statisches Üben wie zum Beispiel das Halten einerÜbung wie Bhuja~gâsana für sechs Atemzüge ist für die Kräf-tigung oder das Gesunden der Rückenmuskulatur wenig effek-tiv. Für das Erreichen solcher Wirkungen muss vielmehr dyna-misch geübt werden.

d

c

6 Atemzüge bleiben

AUS

EIN

AUS

EIN

AUS

EIN

Einen Atemzug bleiben

AUS

EINAUS

EIN

AUS

EIN AUS

EIN

Abb 1

Abb 2

b

a

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Wissenswertes 6Das Ausdauertraining

Jede Körperbewegung kann zueinem so genannten Ausdauertrai-ning werden, wenn sie intensiv ge-nug und ohne wesentliche Unter-brechung über eine längere Zeitdurchgehalten wird. Für ein Ausdau-ertrainung spielt es keine Rolle, wel-che Muskelgruppen sich dabei mü-hen müssen: Ob Radfahren, Joggen,Walking, Rudern, Schwimmen, alleBewegungen sind möglich. Wesent-lich ist, dass sie sich einfach unddauerhaft wiederholen lassen. Tat-sächlich ist das vorrangige Ziel einesAusdauertrainings nicht Muskelauf-bau oder Kraftzuwachs. Im Mittel-punkt steht vielmehr die Reaktiondes gesamten Organismus auf diegeleistete Muskelarbeit.

Muskelarbeit verbraucht vielEnergie und schon nach kurzer Zeitintensiver Bewegung sind die Ener-giespeicher in den Muskeln selbstaufgebraucht. Nachschub muss jetztüber das Blut heran geschafft wer-den. Über hormonelle (durch Frei-setzung bestimmter Botenstoffe)und neurale (über die Aktivierungbestimmter Nervenzentren) Mecha-nismen reagiert nun der Körper ins-gesamt: So beschleunigt sich derHerzschlag, bestimmte Blutgefäßeweiten sich, die Atemfrequenz steigtan. Aber nicht nur das Herz-Kreis-lauf-System wird nun in besondererWeise gefordert. Je intensiver darü-ber geforscht wird, als desto vielfäl-tiger erweisen sich die nachweisba-ren Auswirkungen intensiver körper-licher Aktivität auf alle Bereiche desmenschlichen Systems. Das reichtvon der viel beschriebenen Aus-schüttung von Morphium ähnlichenSubstanzen (»Glückshormone«) imGehirn bis zu Veränderungen imWachstumsprozess der Knochen.Für die meisten Menschen, die Aus-

dauertraining betreiben, stehen aberneben der Freude an der Bewegungnach wie vor die Wirkungen auf dasHerz-Kreislauf-System ganz im Vor-dergrund. Und nach wie vor machtnichts das Ausdauertraining so at-traktiv wie die Tatsache, dass da-durch das Risiko von Herzinfarktund Schlaganfall deutlich gesenktwerden kann.

Bewegung ist gesundHeute erscheint es den meisten

Menschen ganz selbstverständlich,dass regelmäßige Bewegung mehrGesundheit bringt. Das war keines-wegs immer so. Noch in den 50erJahren galt Bewegung für Herzkran-ke als schädlich. Fahrradergometerzum Beispiel gibt es erst seit 1954und sie wurden damals nur in weni-gen sehr fortschrittlichen Klinikeneingesetzt. Wie kam es dann zueinem so radikalen Bruch mit herge-brachten Vorgehensweisen? Warumsetzte sich so schnell und gründlichjene Vorstellung durch, die wesent-lich für den heutigen Fitnessboomverantwortlich ist: Bewegung istgesund!

Der Grund für diese Entwicklungist einfach erklärt. In den 50er Jah-ren wurden mit umfangreichen Stu-

dien begonnen, welche die Wirkungvon Körpertraining auf die Gesund-heit prüfen sollten. Dafür wurdentausende von Menschen erfasst undderen Gesundheit über viele Jahrehinweg im Zusammenhang mit ih-ren Lebensgewohnheiten beobach-tet. Als Jahre und Jahrzehnte späterdie Ergebnisse dieser groß angeleg-ten Langzeitstudien veröffentlichtwurden (denen bis heute viele wei-tere folgten), war die Botschaft vonunerwarteten Eindeutigkeit: Regel-mäßige körperliche Aktivität verbes-sert entscheidend die Gesundheitund verlängert das Leben. Geradedie in den Wohlstandsgesellschaftenstark zunehmenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen konnten nachweislichdurch entsprechendes Trainingdeutlich reduziert werden. Allenvoran die Arteriosklerose mit ihrenFolgen wie Herzinfarkt und Schlag-anfall. Anders formuliert:Bewegungsarmut ist für Herz-Kreis-lauf-Erkrankungen ein Risikofaktor.Je weniger regelmäßige Bewegung,desto höher die Wahrscheinlichkeit,einen Herzinfarkt zu bekommen.Durch die selben Studien wurdenübrigens noch andere Risikofaktorenzum ersten Mal »wissenschaftlichgesichert« nachgewiesen, zum Bei-

Soll eine körperliche Aktivität als Ausdauertrai-ning gelten, braucht es ein wenig Anstrengung undetwas Zeit. Das Herz muss schneller als normalschlagen und das nicht nur für ein paar Minuten.Es muss aber keineswegs immer gleich ein Dauer-lauf sein. Strammes Spazierengehen oder »Wal-king« sind eben so wirksam.

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oder mindert Verspannungen undhilft so, das Risiko von Rücken-schmerzen zu senken.

Um solche Wirkungen zu errei-chen, muss für die Âsanapraxis aller-dings einiges beachtet werden. Vorallem, dass es ausschließlich dyna-misches Üben ist, das einen Rückenkräftigt. »Dynamisch« bedeutet: dasÂsana langsam einnehmen und eslangsam wieder auflösen. Aber je-mand mit normal entwickelterAtemlänge übt auch dann noch»dynamisch«, wenn er die Endposi-tion für einen Atemzug hält. Alleswas darüber hinaus geht , bringtkeinen Zuwachs an Wirkung. ImGegenteil. Bleibt der Muskel längerangespannt, verschlechtert sichseine Stoffwechselsituation sehrrasch und das Üben wird wirkungs-los. Jedenfalls dann, wenn es umdie Kräftigung, die Gesunderhal-tung oder Gesundung der Muskula-tur geht. In der Statik kann derMuskel zeigen, was er kann. Zulernen gibt es für ihn dabei nichts.

Neben der Dynamik im Üben istauch eine angemessen intensiveAnforderung nötig, wenn es um dieEntwicklung einer gesunden Musku-latur geht. Am Wichtigsten dabei isteine ausreichende Anzahl an Wie-derholungen und die Regelmäßig-keit der entsprechenden Übungen.Für einen schmerzfreien Rücken sindzum Beispiel vier Wiederholungenvon Bhujangâsana sicher zu wenig,um langfristige und stabilisierendeWirkungen zu erreichen. Ebensogenügt ein einmaliges Üben proWochen nicht aus, um einen Rü-cken wirklich zu kräftigen. So wieein Unterfordern unbefriedigendeErgebnisse zeigt, führt allerdingsauch jede Überforderung zu einerWeigerung der betroffenen Mus-keln, sich positiv zu entwickeln. Einverspannter Muskel kann nicht ge-deihen.

Die BeineNachdem wir nun etwas besser

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spiel das Rauchen oder die fettreicheErnährung. Aber trotz der Bedeu-tung anderer Faktoren beim Entste-hen vieler Wohlstandskrankheitenwurde mit jeder neuenUntersuchung Eines immer wiederbestätigt: Ausdauertraining kannhelfen, Krankheiten zu vermeidenund dazu beitragen, ein Leben inGesundheit zu verlängern.

Wie muss eine körperliche Akti-vität aussehen, damit sie als ein ef-fektives Ausdauertraining geltenkann? Entscheidend für die Wirkungdes Ausdauertraining sind drei Fak-toren: Die Übungsdauer, dieÜbungsregelmäßigkeit und dieÜbungsintensität.

ÜbungsdauerÜber eine für gute Ergebnisse

notwendige Dauer eines Trainingswird noch manche Diskussion ge-führt. Vor allem Fitness-Zeitschriftenüberbieten sich in immer neuenTipps für »das« definitive Trainings-modell. In Wirklichkeit liegen dieDinge recht einfach, wenn man demfolgt, was heute in der Wissenschaftals gesichertes und gut bewährtesWissen gilt. Dazu gehört zum Bei-spiel, dass Joggen, Fahrradfahren,Spaziergehen, Schwimmen oderanderes Training für die Verbesse-rung der Ausdauer nicht weniger als20 Minuten lang sein darf. 20 Minu-ten ohne Unterbrechung braucht esnämlich, um den Organismus, dasHerz-Kreislauf-System, den Herz-muskel, die Blutgefäße so zu aktivie-ren, dass daraus längerfristig wirksa-me Stoffwechselprozesse entstehen.

RegelmäßigkeitDies allerdings nur, wenn ein

zweiter Faktor beachtet wird: DieRegelmäßigkeit. Auch hier gibt esviele und sehr unterschiedliche Rat-schläge. Aber je umfangreicher dasin zahllosen Studien ausgewerteteMaterial wird, desto mehr bewahr-

heitet sich die gute Nachricht auchfür eher Faule: Selbst wer nur einmalin der Woche sein Herz-Kreislauf-System lange und intensiv genugbelastet, profitiert davon. Als genauso sicher nachgewiesen gilt jedoch:Durch größere Regelmäßigkeit lässtsich dieser positiver Effekt nochdeutlich steigern. Allerdings ist dieGrenze für weitere Verbesserungendurch häufigeres Üben wohl rechtschnell erreicht. Vieles deutet daraufhin, dass ein dreimaliges Dauertrai-ning pro Woche in seiner Wirkungdurch häufigere Wiederholungennur noch unwesentlich übertroffenwerden kann. Also: Dreimal die Wo-che eine halbe Stunde, mehr mussnicht sein. Weniger ist aber auchschon was.

IntensitätSchließlich ist noch die Intensität

des Übens von Bedeutung: Die An-strengung muss so intensiv sein,dass sie einen positiven und längernachwirkenden Impuls für das Herz-Kreislauf-System zu setzen vermag.Andererseits darf sie aber auch nichtso groß werden, dass sie zu einerÜberlastung führt. Zwei Prozessegreifen dabei ineinander. Zum einengeht es ja in der Vorbeugung vonHerz-Kreislauf-Erkrankungen vorallem darum, ganz gezielt die Ar-beitssituation des Herzmuskels zuverbessern. Das betrifft seine Kraft,seine Durchblutung, seine Anpas-sungsfähigkeit an unterschiedlicheAnforderungen. Zum anderen ist esdie Bewegungsmuskulatur des ges-amten Körpers, die beim Ausdauer-training als Energieverbraucher dasHerz-Kreislauf-System überhaupterst in Bewegung bringt. Für dieGesundheit des Herzens ist es nunentscheidend wichtig, dass seineoptimale Versorgung auch im Trai-ning gewährleistet bleibt. Jede Über-lastung wäre hier schädlich undwürde alle positiven Wirkungen

Ý

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zunichte machen. In Bezug auf diejoggenden oder radelnden Beinmus-keln und kraulenden Armmuskelnwäre eine Überforderung weit weni-ger problematisch. Die Muskulaturdes Bewegungsapparates kann sichauch nach völliger Erschöpfungrecht schnell und ohne bleibendenSchaden regenerieren. Jedoch wirdein anderer Aspekt in diesem Zu-sammenhang bedeutungsvoll: Wer-den Muskeln über ein bestimmtesMaß hinaus gefordert, müssen sieihren Stoffwechsel immer mehr auf»sauerstofflose«, »anaerobe« Weise(s. »Wissenswertes 3«) aufrechterhalten. Das ist nicht wirklich unge-sund und die dadurch entstehende»Sauerstoffschuld« wird in der da-rauf folgenden Erholung bald wie-der ausgeglichen.

Glücklicherweise deckt sich beigesunden Menschen der grüne Be-reich für beides, die Versorgung desHerzen und den Stoffwechsel derMuskulatur. Deshalb ist eine unge-fähre Bestimmung der persönlichoptimalen körperlichen Anforderungnicht sehr schwer. Das Maß allerDinge ist dabei die Belastung desHerz-Kreislauf-Systems. Um hier denindividuell angemessenen Leistungs-bereich zu finden, genügt es völlig,sich an einigen einfachen Hinweisenzu orientieren. Sie haben sich sehrgut bewährt und sind inzwischenauch vielen bekannt. So sollte esbeim Laufen, Gehen, Rudern, Fahr-radfahren oder anderem Dauertrai-ning immer möglich bleiben, einGespräch zu führen, ohne dabeiaußer Atem zu geraten. Sicher einesehr grobe, aber für viele Situatio-nen ausreichende Methode zur Vor-beugung einer Überlastung vonHerz-Kreislauf-System und Muskula-tur. Etwas genauer Maß nehmen

lässt sich über eine Kontrolle derPulsfrequenz. Mit Formeln wie etwa»170 minus Lebensalter« lässt sichfür jedes Alter eine Pulsgeschwindig-keit bestimmen, die beim Ausdauer-training nicht überschritten werdensollte: Bis dorthin wird das Herzwirklich gestärkt, die Muskulaturarebitet aerob. Wird der Puls zumBeispiel beim Joggen tatsächlicheinmal geprüft, zeigt sich bei vielen,dass ihr bisheriges Lauftempo deut-lich zu schnell war. Zu schnell jeden-falls, um damit für das Herz und denStoffwechsel die optimalen Wirkun-gen zu erreichen. Weniger ist auchhier oft mehr.

Etwas anders sieht es natürlichaus, wenn jemand in ein Leistung-straining einsteigen will, zum Bei-spiel, um einmal einen Marathonoder Halbmarathon mitzulaufen. Fürsolche Ziele braucht es ein dafürangemessenes Training.

Die Langzeitstudien der letztenJahre sprechen dafür, dass einewirksame Vorbeugung gegenKrankheit gerade durch eine milde,aber eben regelmäßige Belastungam Besten zu erreichen ist. Regel-mäßigkeit ist wichtiger als die Inten-sität. Was heißt das konkret? 30Minuten strammes Spaziergehendreimal in der Woche reicht ganzsicher aus, um im Bereich von kör-perlicher Bewegung Entscheidendeszur Verbesserung und Beibehaltungder Gesundheit zu tun. Die das Le-ben verlängernden und Krankheitvermindernden Effekte werdendurch intensiveres Training nichtwesentlich gesteigert. Und auchwenn es nur für zweimal in der Wo-che reicht, sind die damit erreichtenWirkungen außerordentlich. Wasviele Menschen natürlich nicht darinhindert, mehr zu tun: Sie habeneinfach Freude an der Bewegungund den damit verbunden Gefühlen,möchten Grenzen erfahren, sich aufbesondere Weise erleben. t

Wissenswertes 6(Fortsetzung)

verstehen, was es braucht, um Mus-keln zu kräftigen, können wir einfa-cher erkennen, dass manche Yoga-versprechen nicht realistisch sind.Auch wenn dies manchmal behaup-tet wird: Bei einer statischen Praxisvon Vîrabhadrâsana werden dieBeinmusklen nicht gekräftigt. Wenn

jemand dennoch durch die wieder-holte Praxis von Vîrabhadrâsanaimmer stabiler in der Position steht,dann hat das nichts mit einemKraftzuwachs in der Beinmuskulaturzu tun. Vielmehr ist die erlangteStabilität der Ausdruck davon, dassdiese besondere Haltung besserbeherrscht wird. Dies geschiehtwesentlich durch eine Gewöhnungdes Gleichgewichtssinns an dieseKörperstellung und einer Verbesse-

Abb 1

Abb. 1: In einer Haltungwiezum Beispiel Virabhadrâsanastabil zu stehen hat nichts mitbesonders ausgebildeter Mus-kelkraft zu tun. Auch wird einstatisches Üben dieser Hal-tung kaum eine wesentlicheVergrößerung der Beinkraftbewirken können. Ein stabile-rer Stand in diesem Âsanas istvielmehr die Folge einer Ver-besserung der Koordinationund des Zusammenspiels vonGleichgewichtssinn und Be-wegungsmuskulatur.

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den nicht nur Beinmuskeln gekräf-tigt (wesentlich die vorderen), son-dern auch die Knie stark belastet.Vor allem, wenn das Becken dabeizu tief gerät. Tiefe Kniebeugen, wiesie früher sehr beliebt waren, sind

heute auch aus der Gymnastik ver-bannt. Sie bringen den Knien erheb-lich mehr Schaden als sie den Bein-muskeln nutzen. Auch hier gilt: Sowirkungsvoll das anstrengende Ver-weilen im Ardha Utkatâsana aucherscheinen mag - wer damit mehrKraft gewinnen will, muss dieÜbung dynamisch und nicht statischausführen.

Die ArmeDie Möglichkeiten, mit Âsanas

die Armmuskeln zu kräftigen sindbegrenzt. Gerade für den Bizepsgibt es kein Âsana, dessen Praxiswirklich Erfolg versprechend wäre.Anders die Rückseite der Armmus-keln: Der Weg aus der Bauchlage indas CatuÍpâda Dandâsana trainiert

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rung des Zusammenspiels der vielenan dieser Haltung beteiligten Mus-kelgruppen vom Fuß bis zum Na-cken.

Der Vorstellung, man könne dieStabilität einer Haltung direkt mitMuskelkraft in Verbindung bringen,liegt ein falsches Verständnis vonMuskelfunktion zu Grunde. Stabi-lität in einer Haltung ist kein Aus-druck besonders großer Muskel-

kraft. Vielmehr sind es oft geradedie kräftigsten Muskeln, die beieiner statischen Âsanapraxis schnellins Zittern geraten und instabil wer-den. Vor allem dann, wenn sie zumHalten eines Âsanas etwas gedehntwerden müssen. Das zeigt sich imVîrabhadrâsana zum Beispiel amnach hinten gestellten Bein oder imUrdhva Pras®ta Pâdâsana, wenn dieBeine nach oben gestreckt werdensollen. Gerade bei sehr muskulärenund kräftigen Beinen ist da schnellein Zittern und Wackeln zu beob-achten. Es rührt daher, dass dieentsprechenden Muskeln sich ge-gen ihre Dehnung wehren, indemsie eine starke Gegenspannungaufbauen. Dieser Konflikt zwischendem sehr hohem Tonus (Span-nungsgrad) der Muskeln und ihrerstarken Dehnung führt schließlich

zu unkontrolliertem Zittern und In-stabilität der Übung.

Nicht das Ausmaß an Kraft, son-dern die Qualität der Koordinationsorgt für Stabilität im Âsana. Dasdafür notwendige Gefühl für

Gleichgewicht lässt sich durch wie-derholtes Praktizieren einer be-stimmten Übung einfach trainieren;mehr Muskelkraft ist dafür nichtentscheidend.

Wer die Beine wirklich kräftigenwill, muss sie unter Last dynamischfordern. Das wäre dann auch ineinem dynamisch geübten Vîrabha-drâsana möglich, aber nur, wenndabei darauf geachtet wird, dasvordere Bein möglichst stark imKnie zu beugen. Nur so wird näm-lich das Körpergewicht für die voer-den Beinmuskeln zu einem genü-gend großen Widerstand.

Ausgesprochen gut geeignet füreine Kräftigung der Beine ist ArdhaUtkatâsana mit seinen vielen Varian-ten. Aber Vorsicht: Auch hier wer-

Abb 2

Abb. 2: Instabilität und Zit-tern der Beine ist in einerÜbung wie Urdhva Pras®taPâdâsana oft gerade bei sehrkräftigen Beinmuskeln zu be-obachten.

Abb 3

Abb. 4: Zum Kräftigen vor allemder vorderen Beinmuskeln gut geeig-net: Ardha Utka†âsana in dynami-scher Praxis. Auch hier werden dieKnie stark belastet.Abb 4

AUS

EIN

AUS

EIN

Abb. 3: Soll Virabadhrâsana dieKräftigung der Beinmuskeln fördern,muss es 1. dynamisch und 2. so geübtwerden, dass dabei das vordere Knieweit nach vorne geschoben wird.Nur so trägt das Bein genug Gewichtund kann eine zum Training ausrei-chende Spannung aufbauen. AberVorsicht: Eine solche Intensivierungdes Âsanas stellt dann auch großeAnforderungen an die Knie.

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Wissenswertes 7Das Krafttraining

Was bringt einen Muskel dazu,kräftiger zu werden, was brauchtein Muskel, wenn er anwachsensoll? Der Blick auf den Körperbauvon SportlerInnen unterschiedlicherDisziplinen macht schnell deutlich,dass Muskelmasse und Kraft nichteinfach gleich gesetzt werden kön-nen. Während etwa ein Marathon-läufer trotz intensivstem Muskeltrai-ning eine hagere Statur mit schma-len Muskeln zeigt, entpuppen sichKurzstreckenläufer oder eine Kugel-stoßerin als wahre Muskelpakete.Was ist verantwortlich für diesen soauffälligen Unterschied? Es ist dieverschiedene Art des Muskeltrai-nings der SportlerInnen in ihrenjeweiligen Disziplinen. Aus den Er-fahrungen und Erkenntnissen derSportmedizin kann auch Nutzenziehen, wer sich auf ganz andererEbene mit Muskelaufbau und Mus-kelkräftigung beschäftigt, zum Bei-spiel im Yoga. Hier in Kürze dasWesentliche:

1. Die wichtigste Art, Muskulaturzu stärken und aufzubauen ist dyna-misches Üben.

2. Arbeit gegen großen Wider-stand mit kleiner Wiederholungszahlschafft viel Muskelmasse. Wird einMuskel nur kurz, vielleicht sogar nurfür einen Augenblick gefordert (zumBeispiel beim Gewichtheben, einemkräftigen Schlag mit dem Tennis-schläger oder einem 100-Meter-Lauf), dann gilt: Je größer der Mus-kel, desto größer seine maximaleKraft.

3. Arbeit gegen geringeren Wi-derstand mit größerer Wiederho-lungszahl schafft Ausdauer. Die beieinem solchen Training entwickelteKraft kann über lange Zeit aufrechterhalten werden (zum Beispiel über

Stunden bei einem Marathonlaufoder den ganzen Tag lang von ei-nem gesunden Rücken).

Dynamisches ÜbenKraftentwicklung und Muskel-

wachstum werden am Besten ange-regt, wenn die Muskulatur einemrhythmischen Wechsel von Anspan-nung und Entspannung ausgesetztist. Die dafür verantwortlichen bio-mechanischen und biochemischenVorgänge sind inzwischen zu einemgroßen Teil aufgeklärt:

Muskeltraining braucht Dynamik,weil im angespannten Muskel dieGefäße zusammengepresst werdenund ohne einen raschen Wechselzur Wiederauflösung der Muskel-spannung die Versorgung des Mus-kelgewebes rasch abnimmt. Schonnach wenigen Sekunden fließt nurnoch so wenig Blut, dass ein ausrei-chender Stoffwechsel nicht mehrgewährleistet ist. Davon nimmt derMuskel keinen Schaden, aber untersolchen Bedingungen kann er wedermehr Kraft noch Masse entwickeln.

Zwei Athleten, die beide ein extrem intensives Muskeltrai-ning betreiben, allerdings auf verschiedene Weise und mitganz offensichtlich unterschiedlichem Ergebnis: LinksHaile Gebrselassie, vielfacher Goldmedalliengewinnerüber 10 000 Meter: Wenig Muskelmasse, aber hohes Aus-dauervermögen. Rechts Dwain Chambers, Europameisterin 2002 über 100 Meter (neuerdings allerdings unter Do-pingverdacht): Viel Muskelmasse, um in kürzerster Zeit(in knapp 10 Sekunden ist ja schon alles vorbei) sehr vielKraft zu entwickeln. Auf einer Distanz von 10 000 Meternoder gar bei einem Stunden dauernden Marathon hätte erallerdings keine Chance ganz vorne mitzuhalten. Ihmfehlt die dafür nötige Ausdauerkraft.

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genau diesen Bereich der Arme.Diese Bewegung ist keine andere alsdie wohl bekannte Liegestütze. DasKörpergewicht ist allemal groß ge-nug, um genügend Spannung inden Armen aufzubauen und diedabei geforderten Muskeln auchwachsen zu lassen. Betroffen davonsind neben den rückwärtigen Ober-armmuskeln vor allem jene Mus-keln, die vom Schultergelenk zurBrust ziehen. Wir dürfen aber auchhier nicht vergessen: Soll sich dieMuskulatur tatsächlich verändert,braucht es eine genügende Anzahlvon Wiederholungen der Übungselbst und eine Regelmäßigkeit im

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Darüber hinaus ist der entscheiden-de Reiz für den Muskel nicht dieAnspannung an sich, sondern jenerMoment, in der die Muskelzellenaus der Ruhe heraus in die Aktivitätund Spannung gebracht werden.Alle Muskelkontraktion über etwazehn Sekunden hinaus trägt nichtsbei zur Verbesserung von Muskel-kraft und Muskelumfang. Die Stär-kung der Muskulatur lebt deshalbvon der Dynamik und der Wiederho-lung.

Muskelwachstum»Mensch, hast Du Muskeln ge-

kriegt!« Wer so etwas hören will,wer Muskeln deutlich wachsen se-hen möchte, muss sich quälen. Mus-keln nehmen an Masse dann amschnellsten zu, wenn sie bis zur völli-gen Erschöpfung gefordert werdenund die Anstrengung, die bei jederWiederholung aufgebracht werdenmuss, sehr hoch ist. ProfessionelleMuskelbildner und Sportler folgendabei einem einfachen Schema.

Schritt eins, der Ausgangspunktwird gesucht: Wie viel Gewicht kannein bestimmter Muskel bewegen?Nehmen wir als Beispiel den Bizepsam Oberarm, den Jungs (jedenfallsim Kino) so gerne anspannen, wennsie zeigen wollen, was sie an Mus-keln zu bieten haben. Wie schwerdarf eine Hantel sein, damit sie gera-de noch angehoben werden kann?Dieses für jeden Menschen ganzindividuelle Gewicht nennt sich 1

RM (1 repetition maximum). Sagenwir es wären für jemanden 10 Kilo-gramm. Eine 10 Kilo schwere Hantelkönnte diese Person also mit größterAnstrengung gerade noch anheben.

Schritt zwei, das Trainingbeginnt. Sollen die Oberarme mög-lichst schnell die Ärmel des T-Shirtssprengen, wird für das Training nunein sehr hohes Gewicht gewählt,zum Beispiel eine 9 Kilogrammschwere Hantel. Viel an Wiederho-lungen wird mit diesem Gewichtnicht zu schaffen sein. Für eine guteWirkung reicht es tatsächlich auchaus, wenn die Hantel ein oder zweiMal angehoben wird.

Schritt drei, erst einmal eine Pau-se. Fünf Minuten kann diese Unter-brechung schon dauern und dannwird das Gleiche noch einmal ver-sucht. Bis der Arm erschöpft ist. Inder Regel ist das spätestens nachdrei Wiederholungen (diese Wieder-holungen heißen »Serie«) der Fall.Dann braucht dieser Muskel einoder zwei Tage, in denen er nichtauf diese extreme Weise traktiertwerden darf, sonst fehlt ihm dieZeit, auf den so gesetzten starkenReiz maximal zu reagieren. Dafürkönnten jetzt oder am nächsten Tagandere Muskelgruppen trainiertwerden.

Man sieht, es ist ein recht müh-sames Geschäft, wenn man denKörper auf diese Weise in Form brin-gen will. Dabei irrt die manchmalgeäußerten Häme, die Muskeln ei-

Wer Muskeln nicht nur kräftigen, son-dern auch wachsen lassen möchte,muss sich - jedenfalls ein bischen -quälen. Am schnellsten nehmen Mus-keln an Masse nämlich dann zu, wennsie bis zur Erschöpfung gefordert wer-den.

Ý

AUS

EIN

Abb. 1: Die rückwärtigen Oberarm-muskeln und Brustmuskeln werdendurch »Liegestütze« gekräftigt. Werdafür den korrekten Âsana-Namensucht: Es ist die dynamische Form vonCatuÍpâda Da~∂âsana (»Stock aufvier Füßen«)

Abb. 2: Zur Kräftigung der Bauch-muskeln eignen sich Varianten vonNavâsana (a) und Urdhva Pras®ta Pâ-dâsana (b)

Abb 1

Abb 2

a

b

Rückseite desOberarms

Brust-muskulatur

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nes Bodybuilders wären nur »künst-lich« aufgeblasen. Das Training vonBodybuildern arbeitet mit sehr ho-hen Belastungsintensitäten.Dadurch fördern sie nicht nur ihrMuskelwachstum, sondern natürlichauch die Kraft. Vor allem die»Schnelle Kraft« kann auf dieseWeise enorm gesteigert werden. ImSport brauchen diese »SchnelleKraft« nicht nur Sprinter, Turnerund Kugelstoßer, sondern für be-stimmte Muskelgruppen auchAusdauersportler wie Tennisspieleroder Fußballspieler.

AusdauerAnders wird trainiert, wenn es

um die Entwicklung von Muskel-kraft geht, die über längere Zeitverfügbar sein soll. In unserem Bei-spiel würde jetzt eine Hantel ge-wählt, die »nur« 6 Kilo wiegt. Damitließen sich jetzt nicht nur ein paarwenige, sondern vielleicht sogarzehn oder zwanzig Wiederholungenschaffen. Darüber hinaus wird derMuskel nun auch in der Lage sein,diese »Serie« öfter zu wiederholen,als mit einem schwereren Gewicht,zum Beispiel fünf oder sechs Mal.Auch könnten die Pausen zwischenden »Serien« kürzer sein, zwei bisdrei Minuten werden in der Regelgenügen.

Natürlich wird bei fast allenMenschen auch unter einem sol-chen Training die Muskulatur deut-lich anwachsen. Nur bei einemMenschen, der schon austrainiert istund seine Tage vorwiegend im Fit-nessstudio verbringt, wird sich miteinem solchen Üben an der Muskel-masse nichts Wesentliches mehrändern lassen.

Neben einer Zunahme an Mus-kulatur verändert sich beim Training

mit leichteren Gewichten nun abervor allem die Durchblutung desMuskels. Neue Gefäße werden ge-bildet, die Versorgung der einzelnenMuskelfasern und Muskelzellen wirdentscheidend verbessert. Auch dieKraftwerke in den einzelnen Mus-kelzellen lernen, ihren Stoffwechselzu optimieren. Neben anderen Me-chanismen ist es die bessere Mus-keldurchblutung und die bessereEnergieausbeute in den Muskelnselbst, die schließlich auch zu einerspürbaren Verbesserung der Aus-dauer führen: Wo früher schonnach 10 Minuten die Puste wegwar, geht es jetzt noch nach 20Minuten ganz locker zu.

Auch wenn bestimmte Muskelndamit sehr viel effektiver und geziel-ter erreicht werden können, ist klar:Eine Verbesserung der Kraft brauchtfür viele Bereiche des Körpers natür-lich weder Gewichte noch besonde-re Geräte. Bestes Beispiel hierfür istdas Laufen.

Die Anspannung der bei jedemeinzelnen Schritt benutzten Musku-latur kostet recht wenig Anstren-gung; was deshalb zählt, ist dielange Dauer der Muskelarbeit. Weralso nur ab und zu einmal für zweiMinuten zur Bushaltestelle rennt,wird deshalb kaum mit einem Kraft-zuwachs für die Beine rechnen dür-fen. Wer aber von heute an alle dreiTage für 20 Minuten durch den Parkläuft, kann getrost erwarten, dass inein paar Wochen die Beine nicht nurkräftiger geworden sind, sondernauch ein bischen mehr Muskelnspielen lassen. t

Wissenswertes 7(Fortsetzung)

Üben.

Der BauchHier liegen die Dinge sehr ein-

fach. Die entsprechenden Übungensind vielen vertraut. Als Âsanas kön-nen sie als Varianten von Navâsana,(»Boot«) oder von Urdhva Pras®taPâdâsana geübt werden. Einige Va-rianten des Weges vom Liegen hinzu Nâvâsana ähneln dem, was Fit-ness Treibende als »Sit up« kennen.In der Fitness-Szene selbst wird dieFrage einer richtigen Praxis dieserSit ups allerdings noch immer kon-trovers diskutiert. Ein Ergebnis ent-sprechender Untersuchungen giltjedenfalls als sicher: Ein vollständi-ges Aufsitzen vom Liegen bedeutetfür den unteren Rücken (einschließ-lich der Bandscheiben) eine sehrhohe, viele argumentieren: zu hoheBelastung. Deshalb wird heute mei-stens empfohlen, den Oberkörpernur so weit vom Boden abzuheben,dass der untere Rücken noch imKontakt zum Boden bleibt.

Effektiv ist auch die aus der Âsa-napraxis gut bekannte Variante vonUrdhva Pras®ta Pâdâsana, in der dieBeine gestreckt angehoben undgesenkt werden (auch hier natürlichwieder alles nur dynamisch). Aberauch dabei ist die Belastung für denunteren Rücken erheblich.

Abb. 1: »Sit up«, die einfachste Art,die Bauchmuskeln zu kräftigen. Wirddabei der Rumpf vom Boden abgeho-ben, gerät die Muskulatur des unterenRückens in eine hohe Spannung undes entsteht ein hoherDruck auf dieBandscheiben.

Abb 1

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Yoga und F i tness

Hinderlich für realistische Erwar-tungen an ein Training der Bauch-muskeln erweist sichallerdings im-mer wieder ein weit verbreitetes

Missverständnis. Es ist der falscheGlaube, ein Training der Bauchmus-keln wäre ganz besonders gut ge-

eignet, gerade die Fettpolster imBauchbereich zu erreichen undschmelzen zu lassen. Fettpolster ste-hen aber in ihrem Stoffwechsel in

keinerlei direktem Zusammenhangzu den Muskeln, denen sie auflie-gen. Das gilt für den Bauch ebenso

wie für die Beine oder das Gesäß.Eine Kräftigung der Bauchmuskelnan sich wird deshalb kein GrammBauchfett abtragen. Vielleicht ist

optisch ein Gewinn erreicht, weilder Bauch insgesamt straffer ist,aber das Fett kümmert sich nicht

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Abb 2

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Abb. 2: Ein fordendes Vinyâsa für das »Boot«, Navâsana. Es zeigt, dass in einer dynami-sche Praxis dieses Âsanas den Bauchmuskeln viel Arbeit abverlangt werden kann. In die-ser Form schafft sie aber viel Druck und Spannung im Lendenbereich; dynamisch geübterheblich mehr als in statischer Praxis. Sinnvolle Variationen werden sich davon vor al-lem darin unterschieden, dass der untere Rücken weniger belastet wird.

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Abb. 3: Im Unterschied zu Navâsana kann Urdhva Pras®ta Pâdâsana sehr viel einfacher dosiert werden. Es erweist sichfür eine Aktivierung der Bauchmuskeln als sehr wirkungsvoll. Nur für Wenige sinnvoll ist Variante (a). Besser variierenund anpassen lassen sich Variationen wie in (b) oder (c) gezeigt.

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Abb 3

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Wissenswertes 8Der Muskelkater

Immer wieder wird auch Yoga-unterrichtenden die Frage nach demWie und Warum von Muskelkatergestellt: Wie entsteht der Schmerz?Ist er ein gutes Zeichen, weil sichdarin zeigt, dass eine Arbeit an denMuskeln effektiv war? Ist er einschlechtes Zeichen, weil dadurcheine Muskelkräftigung behindertwird, oder der Muskel gar langfristigSchaden nimmt?...

Obwohl schon 1956 ein heuteklassisches Experiment erste Klarheitüber die Frage nach den Ursachenvon Muskelkater schuf, brauchte esnoch einige Jahrzehnte, bis die Bio-logie und Neurophysiologie wesent-liche Fakten für die damaligen Beob-achtungen nachlieferte. In den fünf-ziger Jahren glaubten viele noch,dass Muskelkater durch zu vielMilchsäure in der Muskulatur ausge-löst würde. Eine irrige Vorstellung,die Ende des 19. Jahrhunderts auf-

kam, und sich fast hundert Jahrelang halten konnte. Man wusstedamals schon, dass bei ermüdenderMuskelarbeit als Abfallprodukt derEnergiebereitstellung Milchsäureentsteht und sich im Muskel ansam-melte.

Um die Entstehung des Muskel-katers zu ergründen, entwickelteder skandinavische Sportphysiologe

Asmussen1956 eineebensoeinfachewie genialeVersuchs-anord-nung. Erließ einigeFreiwilligeimmer undimmer wie-der mitdem einenBein einenStuhl hin-aufsteigen,mit demanderenherabstei-gen. Unddas bis zur

Erschöpfung. Dabei zeigte sich, dassalle Versuchspersonen im Aufsteige-bein zuerst ermüdeten, aber denMuskelkater am nächsten Tag imAbsteigebein hatten. Die These vonder Milchsäure als Ursache von Mus-kelkater war damit widerlegt.

Woher aber kam dann dieser socharakteristische Schmerz? Heute istdiese Frage geklärt. Muskelkaterentsteht durch kleinste Verletzun-gen von Muskelzellen. Weil dieSchmerz registrierenden Nervennicht innerhalb sondern außerhalbdieser Zellen liegen, wird zunächstkein Schmerz wahr genommen.Diese Verletzungen führen zu kom-plexen Stoffwechselprozessen undeiner Anschwellung des Gewebes,was schließlich nach einigen Stun-den den typischen »Kater«-Schmerzentstehen lässt. Es ist vor allem dieexzentrische Kontraktion, bei As-mussens Experiment durch das Ab-steigebein geleistet, die solche Ver-letzungen des Muskelgewebes be-wirken kann. Bei exzentrischer, alsoder »bremsenden« Anspannungeines Muskels kontrahiert der Kör-per einen Muskel anders als in ande-ren Bewegungsformen. Es werdenweniger Muskelfasern eingesetzt,

Obwohl die Beinmuskeln beim Bergaufgehen extrem belastetwerden, stellt sich auch nach größter Anstrengung kein Muskel-kater ein.Ganz anders beim Absteigen. Hier kommt es schnell zu einemMuskelkater, vornehmlich an der Vorderseite der Beine: Dortmuss die Muskulatur in exzentrischer Kontraktion arbeiten undsteht unter hoher Spannung: Mikrorisse sind die Folge

Elektronenmikroskopische Untersuchungen las-sen keinen Zweifel zu:Nach der Belastung durch sehr starke Abbrems-bewegungen (exzentrische Kontraktionen) zei-gen vorher intakte Muskelfasern (a) winzigeVerletzungen (b). Wie alle anderen Gewebe imKörper auch, reagiert der Muskel darauf mit Re-paraturprozessen: Das Gewebe schwillt an undschließlich schmerzt der betroffene Bereich, derMuskelkater ist da.

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um die Arbeit der Muskeln von ne-benan.

Fettabbau geschieht allein überzentral regulierte Stoffwechselpro-zesse. Wenn also das Bauchfett we-niger wird, dann deshalb, weil derKörper begonnen hat sein Gesamt-körperfett abzubauen. In welchemBereich er damit zuerst anfängt, hatsich bei genauerer Betrachtung lei-der als recht fest programmiert er-wiesen (es ist leider nicht derBauch). Keine noch so raffinierteTechnik kann dieses individuelleMuster wesentlich beeinflussen.Also: Bauchmuskeltraining strafftMuskeln, baut aber kein Fett ab.Wer das möchte, muss aufs Fahrradoder in den Park.

Âsanas zum Muskelaufbau?Offensichtlich eignen sich man-

che Âsanavariationen tatsächlichauch dafür, Muskeln zu kräftigenoder gar wachsen zu lassen. Aller-dings müssen sie dann auch in an-gemessener Weise praktiziert wer-den. Nicht nur ein oder zwei Mal,sondern so oft, dass die getane Ar-beit wirklich zu spüren ist. Und werMuskeln wachsen sehen will, mussbeim Üben sogar bis zu einer gewis-sen Erschöpfung gehen.

Die wichtigste Frage wird nunsein: Passt ein solches Üben zu einervorgeschlagenen Âsanapraxis? Oderwird das Üben zum Fremdkörper,zur mechanischen Gymnastik zwi-schen ganz anders gearteten Yoga-übungen? Nur ein geschicktes Vor-gehen kann verhindern, dass dieNutzung von Âsanas zum Krafttrai-ning nicht genau das verlieren lässt,was Yogapraxis so wertvoll macht.

Sehr einfach ist dies bei allenÜbungen zur Stärkung des Rückens.Das liegt wohl daran, dass dieseÂsanas die Rückenkräftigung als ei-nes ihrer wesentlichen Ziele beinhal-ten. Eine wirkungsvolle Arbeit ander Rückenmuskulatur auch übermehrere Minuten erreicht man mitÜbungen wie Bhuja~gâsana oder

‡alabhâsana ohne Kompromisse.Anders sieht es aus, wenn jemanddurch Liegestütze seine Arm- undBrustmuskulatur wachsen lassenwill. Wo bleibt der gut geführte undlangsame Atem, wo die Achtsam-keit? Nicht dass es unmöglich wäre,aber es verlangt einen sehr beson-deren Umgang mit diesen Übungen.

Und schließlich gibt es noch Ei-nes zu bedenken: Viele unserer Be-wegungsmuskeln können mit Yoga-übungen nicht wirkungsvoll genugerreicht werden, da wo es um ihreKräftigung gehen soll. Noch mehrgilt dies, wenn ein Muskelzuwachsgewünscht wird. Um falschen Er-wartungen vorzubeugen, solltenYogalehrerInnen dies auch vermit-teln. Sie sollten deutlich machen,dass es nicht genügt, wenn sichnach einer Praxis das Gefühl ein-stellt, man habe sich ordentlich an-gestrengt. (Das ist mit Âsanas jasehr einfach zu bewerkstelligen). Esbraucht mehr. Dieses Mehr ist ofteinfacher zu erreichen, wenn je-mand neben seiner Yogapraxis zweiMal in der Woche für eine viertelStunde mit ein paar Hanteln trai-niert oder in ein gutes Fitness-Studiogeht. Der ungünstigste Fall: EinEYogalehrerIn versucht ohne großeinnere Zustimmung und im Gefühl,viel Kompromisse zu machen, denBedürfnissen von TeilnehmerInnennach Muskelaufbau wenigstens et-was entgegen zu kommen. In Wirk-lichkeit schafft und pflegt sie abernur eine Illusion, die ihre Teilnehmerdaran hindern kann, das Gewünsch-te auf einfache und effektive Weiseanzugehen und zu erreichen.

TraditionAuch ein Blick in die Tradition

des Yoga selbst hilft, in diesen Fra-gen mehr Klarheit zu finden. Wirkennen dort ja eine Vermittlung vonÂsanapraxis, in welcher der Fitness-aspekt einen großen Raum ein-nimmt. »S®‚ti Krama« wird jeneLebensspanne eines Menschen ge-

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die eine höhere Last tragen undmehr Arbeit leisten. Dadurch steigtdie Rissgefahr dieser einzelnen Mus-kelzellen an.

»Die beste Vorbeugung gegenden Muskelkater ist, ihn für einebestimmte Bewegungsform bereitserlitten zu haben. Diese Wirkunghält über Wochen an. Die Erklärunghierfür sind: Eine verbesserte Koor-dination, eine verstärkte mechani-sche Belastbarkeit« oder sogar eineZerstörung der schwächsten Faserndes entsprechenden Muskelgewe-bes. »Zehn maximale exzentrischeKontraktionen sollen bereits zurVerhütung ausreichen, ohneSchmerzen auszulösen«. Bisher wur-den nach Muskelkater »keine we-sentlichen Dauerschäden beobach-tet; es kommt zur vollständigenRegeneration«. (Alle Zitate aus:Deutsche Zeitschrift für Sportmedi-zin, Jg. 51. Nr. 2 (2000) Prof. Dr.Böning: Muskelkater, Standards derSportmedizin.)

Alles in allem ist Muskelkateralso eine recht harmlose Nebener-scheinung einer ganz besonderenÜberlastung der Muskulatur. Weil erdie Muskeln zu Wachstum, bessererKoordination und vermehrter Kraft-entwicklung anregt, erleben hartge-sottene Freunde des Bodybuildingseinen Muskelkaters weniger alsQual denn als Bestätigung einererfolgreichen Anstrengung im Fit-nessstudio. Und wer einmal nacheiner Yogastunde am folgenden Tagunter Muskelkater leidet, brauchtsich keine Sorgen zu machen: Erwird die nächsten Wochen an dieserStelle nicht wieder kommen undSchaden wird daraus keiner entste-hen. Dennoch sollten wir nicht ver-gessen, dass Muskelkater immer einZeichen für eine voraus gegangeneÜberlastung des Muskels ist. t

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nannt, in der Wachstum, körperli-che Entwicklung und Kräftigungganz im Vordergrund steht: Kind-heit und Jugend, wir würden heutesagen, die Schulzeit. Die Praxis, diefrüher für diese Zeit vorgeschlagenwurde, unterscheidet sich grund-sätzlich von der für eineN Erwachse-neN (»Sthiti Krama«) oder jeman-den, der mit einem gesundheitli-chen Problem zum Yoga kommt(»Cikitsa krama«). Im Mittelpunktdes S®‚ti Krama stehen körperlichsehr fordernde Übungen und vielKraft verlangende dynamische Ab-folgen von Âsanas. Dass solchesÜben bei Erwachsenen oft mehrProbleme schafft als dass es positiveWirkungen zeigt, wurde in dieserZeitschrift schon des Öfteren darge-legt und begründet.

Heutzutage ist allerdings auch

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schon mit Kindern undJugendlichen kaum noch möglich,was vor hundert Jahren gängigerStandard einer Âsanapraxis für jun-ge Menschen war. Zu verbreitetsind Haltungsschäden, chronischeVerpannungen, Übergewicht undUnbeweglichkeit schon im Schulal-ter.

Sind allerdings die Vorausset-zungen gegeben, lässt sich mitKindern und Jugendlichen sehrwohl eine Âsanapraxis erarbeiten,die neben Beweglichkeit, Koordina-tionsfähigkeit und Körperbewusst-sein auch ein hohes Maß an Kraft-zuwachs und Muskelentwicklungermöglicht.

3. Âsanapraxis ist Wellness

So schwierig für den Yoga der

Umgang mit Bedürfnissen nachFitness im Sinne von Bodybuildingoder Bodyshaping auch sein mag,so einfach ist es, den Wunsch nachetwas zu befriedigen, was heuteunter dem Begriff »Wellness« mehroder weniger seriös vermarktetwird. Es geht um die Erfahrung kör-perlichen Wohlbefindens. Eine diffe-renzierte und positive Körpererfah-rung gilt im Yoga als wichtiger Aus-gangspunkt für die persönliche Ent-wicklung. Die unterschiedlichstenWirkungen von Âsanapraxis habenkörperliches Wohlbefinden im Übenzur Voraussetzung. Man muss nun»Wellness« nicht gleich mit demSanskrit-Begriff »sukha« (ange-nehm, leicht) übersetzen, um dieNähe zum Yoga zu untermauern.Aber es ist in der Tat die Erfahrungeiner Leichtigkeit des Körpers, nachder das Yoga Sûtra für die Praxisvon Âsana verlangt. Wenn es alsoum eine gute Erfahrung mit demeigenen Körper gehen soll, dannkann dafür aus dem großen Schatzan Konzepten und Übungen ge-schöpft werden, den Yoga in Formvon Âsanas, Prânâyâma und natür-lich auch bestimmter Meditations-techniken zu bieten hat.

Die Übungsprinzipien des Yogasind mehr als viele andere Übungs-weisen geeignet, jemandem dieErfahrung von körperlichem undganzheitlichem Wohlbefinden zuvermitteln. Und dies unabhängigvon komplizierten Gerätschaften,aufwändigen Techniken oder be-sonderer Umgebung. Ein einigerma-ßen ruhiger Platz, groß genug füreine schmale Matte, eine kompe-tente Anleitung und der Wille,selbst etwas für sich tun zu wollen,reichen aus. Was will man mehr?

4. »Fit« durch Yoga

Natürlich macht auch Yoga »fit«,körperlich ebenso wie mental. Fitfür jeden Alltag, wie immer er auchaussehen mag. Auch hier gilt: Kaum

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Yoga für das »S®‚ti Krama«: Früher wurden Âsanasauch dafür benutzt, Kinder und Jugendliche in ihrerkörperlichen Entwicklung zu fördern: Die dafür ge-wählten Âsanas stellten hohe Anforderungen nichtnur an die Beweglichkeit und Koordinationsfähigkeit,sondern auch an die Kraft.Der Bildausschnitt zeigt T. Krishnamacharya mit ei-nigen seiner Schüler in seiner Yogaschule im Palastvon Mysore im Jahre 1934.

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eine Methode verfügt dabei übereinen so großen und differenziertenSchatz an Übungen wie der Yoga.Allerdings erreicht Yoga seine Wir-kung nicht über die Beschleunigungdes Herzschlags oder eine Verände-rung des Fettstoffwechsels.

In der kühlen Sprache der Wis-senschaft geht es beim Fit-Werdenum die Verbesserung muskulärerKoordination und Kraftentwicklung,um größere Beweglichkeit, um ver-besserte Körperwahrnehmung undum positive Anregung vegetativerRegulationsmechanismen. JenerBereich, in dem der Ursprung allenYogaübens liegt, ist damit aber nursehr bedingt angesprochen. ImYoga geht es zentral immer um einbesseres Verständnis der eigenenPerson. Im Zusammenhang mit Fit-ness berührt diese Frage neben derschon erwähnten besseren Körper-wahrnehmung vor allem Themenwie:

Was tut mir wirklich gut? Wosind meine Grenzen? Welche Zielesind mir angemessen? Was moti-viert mich, wieviel davon ist selbst-bestimmt, wieviel fremdbestimmt?Wie gehe ich um mit der Wahrheit,dass ich nicht ewig jung bleibe?Was kann ich tun, wenn mich ein-mal körperliche Einschränkungenbedrücken? Wie kann ich Verände-rungen gegenüber offen bleiben?

Solche Fragen lassen sich nie-mandem aufdrängen. Aber ein gu-tes Yogaangebot kann dafür sor-gen, dass deutlich wird: Yoga bietetKonzepte und Handlungsmöglich-keiten an, die bei der Auseinander-setzung mit solchen Themen eineHilfe werden können.

Wer nach griffigen Schlagwortensucht, könnte es vielleicht so formu-lieren: »Yoga macht fit und selbst-bewusst«.

5.Yoga für Fitness-Treibende

Einseitige Belastungen könnenzu körperlichem Ungleichgewichtführen. Das gilt für das andauerndeSitzen am PC genauso wie für man-ches Fitnesstraining. Und so, wieYogapraxis einer Fehlbelastung amArbeitsplatz entgegen wirken kann,vermag es auch negative Nebenwir-kungen von Fitnesstraining zu min-dern. Dazu zwei Beispiele.

JoggenVielen tut ein regelmäßiges Aus-

dauertraining durch Joggen gut.Dennoch sind sowohl der untereRücken als auch die Knie dabei be-sonderen Belastungen ausgesetzt.Bei entsprechender Veranlagungoder falschem Training kann diesernsthafte Probleme machen. Unter-suchungen unter Menschen, die einregelmäßiges Lauftraining absolvie-ren, weisen zum Beispiel darauf hin,dass sich durch dieses Training ver-mehrt Rückenschmerzen einstellen.Ebenso geraten nicht selten die Kniedurch die besonderen Anforderun-gen beim Laufen in Schwierigkeiten.Natürlich kann dann manchmal einWechsel des Trainings, zum Beispielvom Joggen zum strammen Gehen(»Walking«) Abhilfe schaffen. Odereine Verbesserung der Lauftechnik.Daneben kann aber eine gezielteÂsanapraxis einen wichtigen Beitragdazu leisten, einem Menschen et-was zu erhalten, was Spaß machtund seine Gesundheit fördert. So-wohl bei der Stabilisierung eineslabilen Rückens als auch bei einerHarmonisierung der Kniegelenkekann Yoga gute Dienste tun. Wirbeobachten immer wieder, dassgerade um ihre Fitness bemühteMenschen dankbar sind für einYoga-Angebot, das ihnen Hilfe zurSelbsthilfe ist. Dann ist die Erfah-rung der Besonderheiten einerYogapraxis nicht selten der Anfangeines neuen und bewussteren Um-gangs mit dem eigenen Körper.

Fitness-Studio

Aber auch für echte Studiogän-ger hat Âsanapraxis Einiges zu bie-ten. An Maschinen im Fitnessstudiointensiv am Muskelwachstum zuarbeiten, kann auch Negatives be-wirken. Neben dem Entwickeln voneinem Übermaß an Spannung wirdauch die Körperhaltung manchmalin Mitleidenschaft gezogen. Vieleder Übungen an schweren Gewich-ten und Maschinen haben denNachteil, dass sie eine Krümmungdes oberen Rückens begünstigen.Auf Dauer kann dies zu einer deut-lich sichtbaren Fehlhaltung führen.Eine regelmäßige Praxis entspre-chender Âsanas kann dagegen steu-ern. Und auch hier lehrt die Erfah-rung, dass der Einfluss von Yogaschnell über das Körperliche hinausgehen kann. Das zeigt sich dannetwa in einer größerer Achtsamkeitdem eigenen Körper gegenüber undRespekt gegenüber den erkannteneigenen Grenzen.

6. Klarheit

Wer Yoga unterrichtet, kannimmer neu frei entscheiden, in wel-che Nähe zu Fitness und Wellnesssie oder er sich begeben will. Darfman den entsprechenden Befragun-gen trauen, dann gilt für die sehrgroße Mehrheit der TeilnehmerIn-nen an Yogakursen, dass ihr Ver-hältnis zu Fitness durchaus positiv istund sich mit ihrer Entscheidung fürYoga auch Wünsche in diese Rich-tung verbinden. Mehr Klarheit überdie Möglichkeiten und Grenzen vonYoga können da für beide Seitennur von Nutzen sein. t

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