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»Das Teuflische an Zahlen ist, dass sie so einfach sind.« Dassagt zumindest der Zahlenteufel. Dabei hasst Robert alles,was mit Mathematik zu tun hat. Daran ist Dr. Bockel schuld,der Robert mit äußerst langweiligen Rechenaufgaben plagt.Fast über Nacht, genau genommen in zwölf Nächten, beweistder Zahlenteufel, dass Mathematik etwas ganz anderes ist. Erberichtet Robert von »hopsenden Zahlen«, »wie man Retti-che zieht« oder vom »Platz tauschen«. Robert merkt, dassdie Welt der Mathematik gar nicht so düster aussieht – unddas Träumen macht ihm wieder Spaß.›Der Zahlenteufel‹ wurde 1997 mit dem Luchs ausgezeich-net, für ›Die besten 7 Bücher für junge Leser‹ ausgewählt,sowie für den ›Pier Paolo Vergerio‹, den Europäischen Kin-derbuchpreis, empfohlen.

Hans Magnus Enzensberger, geboren 1929 in Kaufbeuren,lebt heute in München. Er gehört zu den renommiertestenAutoren der deutschen Literatur seit 1945. Seit einiger Zeitschreibt der Autor auch Kinder- und Jugendbücher.Rotraut Susanne Berner, geboren 1948, studierte Grafik-Design in München. Seit 1977 arbeitet sie als freie Künst-lerin im Bereich Buchillustrationen und als Autorin.

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Hans Magnus Enzensberger

Der ZahlenteufelEin Kopfkissenbuch für alle,

die Angst vor der Mathematik haben

Gestaltet und mit Bildern versehenvon Rotraut Susanne Berner

Deutscher Taschenbuch Verlag

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Das gesamte lieferbare Programm der Reihe Hanserund viele andere Informationen finden Sie unter

www.reihehanser.de

Von Hans Magnus Enzensberger ist imDeutschen Taschenbuch Verlag erschienen:

Wo warst du, Robert? (62045)

Ungekürzte Ausgabe 199911. Auflage 2011

Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG,München

© 1997 Carl Hanser Verlag, MünchenUmschlagbild: Rotraut Susanne Berner

Satz und Lithos: Reinhard Amann, AichstettenDruck und Bindung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem PapierPrinted in Germany · ISBN 978-3-423-62015-4

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Für Theresia

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Die erste Nacht

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Robert hatte es schon lange satt, zu träumen. Ersagte sich: Dabei bin doch nur immer ich derDumme.Zum Beispiel wurde er im Traum öfter von einemriesigen, unappetitlichen Fisch verschluckt, undwenn es wieder einmal so weit war, stieg ihm auchnoch ein furchtbarer Geruch in die Nase. Oder errutschte auf einer endlosen Rutsche immer tieferin die Tiefe. Er mochte Halt! oder Hilfe! schreien,soviel er wollte, es ging immer schneller undschneller bergab mit ihm, so lange, bis er schweiß-nass aus dem Schlaf fuhr.Mit einem anderen üblen Trick wurde Robert mit-gespielt, wenn er sich ganz dringend etwaswünschte, zum Beispiel ein Rennrad mit mindes-tens achtundzwanzig Gängen. Dann träumte ihm, dass das Rad, lilametallic lackiert, für ihn imKeller stand. Es war ein unglaublich genauerTraum. Da stand das Rad, links vom Weinregal,und er wusste sogar die Ziffernfolge des Zahlen-schlosses: 12345. Das konnte er sich ja spielendleicht merken! Mitten in der Nacht wachte Robertauf, noch halb schlaftrunken nahm er den Schlüs-

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sel vom Brett und wankte im Schlafanzug die vierTreppen hinunter – und was fand er links nebendem Weinregal? Eine tote Maus. Das war Betrug!Ein ganz gemeiner Trick.Mit der Zeit fand Robert heraus, wie man sich ge-gen diese Gemeinheiten wehren konnte. Sobaldihm ein solcher Traum kam, dachte er blitzschnell,ohne aufzuwachen: Da ist schon wieder dieserekelhafte alte Fisch. Ich weiß genau, wie es jetztweitergehen wird. Der will mich verschlucken.Aber es ist völlig klar, dass es sich um einen ge-träumten Fisch handelt, und der kann mich natür-lich nur im Traum verschlucken und sonst garnicht. Oder er dachte: Jetzt rutsche ich schon wie-der, da ist nichts zu machen, stoppen kann ich dasauf keinen Fall, aber ich rutsche ja nicht wirklich.

Und sobald das wunderbare Rennrad zum zwei-ten Mal auftauchte oder ein Computerspiel, das erunbedingt haben wollte – dort stand es doch, ganzdeutlich, griffbereit neben dem Telefon –, dawusste Robert bereits, dass es mal wieder reinerSchwindel war. Er beachtete das Rad gar nicht wei-ter. Er ließ es einfach stehen. Aber so schlau er es

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auch anfing, ärgerlich war das Ganze trotzdem,und deshalb war er ziemlich schlecht auf seineTräume zu sprechen.Bis eines Tages der Zahlenteufel erschien.Robert war ja schon froh, dass es diesmal keinhungriger Fisch war, von dem er träumte, und dasser nicht von einem sehr hohen, sehr wackligenTurm auf einer endlosen Rutsche immer tiefer indie Tiefe rutschte. Stattdessen träumte er von einer Wiese. Komisch war nur, dass die Gräserweit in den Himmel hochragten, so hoch, dass sieRobert über Kopf und Schulter reichten. Er sahsich um und erblickte direkt vor sich einen ziem-lich alten, ziemlich kleinen Herrn, ungefähr sogroß wie eine Heuschrecke, der auf einem Sauer-ampferblatt wippte und ihn aus seinen glimmrigenAugen ansah.– Wer bist denn du?, fragte Robert.Der Mann schrie ihn überraschend laut an:– Ich bin der Zahlenteufel!Aber Robert hatte keine Lust, sich von einem sol-chen Zwerg etwas gefallen zu lassen.– Erstens, sagte er, gibt es gar keinen Zahlenteufel.– So? Warum redest du dann mit mir, wenn esmich überhaupt nicht gibt?– Und zweitens hasse ich alles, was mit Mathema-tik zu tun hat.– Warum denn das?

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– Wenn zwei Bäcker in sechs Stunden 444 Brezelnbacken, wie lange brauchen dann fünf Bäcker, um88 Brezeln zu backen? So ein Blödsinn, schimpfteRobert weiter. Eine idiotische Art, die Zeit tot-zuschlagen. Also verschwinde! Hau ab!Der Zahlenteufel sprang elegant von seinemSauerampferblatt herunter und setzte sich zu Ro-bert, der sich aus Protest im baumhohen Gras nie-dergelassen hatte.– Woher hast du denn diese Brezelgeschichte?Wahrscheinlich aus der Schule.– Woher denn sonst, sagte Robert. Dr. Bockel, die-ser Anfänger, der in unserer Klasse Mathematikgibt, hat nämlich immer Hunger, obwohl er schonso dick ist. Wenn er denkt, wir merken es nicht,weil wir über unseren Rechenaufgaben brüten,holt er jedes Mal heimlich eine Brezel aus seinerAktentasche, und die zermalmt er dann, währendwir rechnen.– Na ja, sagte der Zahlenteufel und grinste. Ich willja nichts gegen deinen Lehrer sagen, aber mit Ma-thematik hat das wirklich nichts zu tun. Weißt duwas? Die meisten richtigen Mathematiker könnenüberhaupt nicht rechnen. Außerdem ist ihnendafür die Zeit zu schade. Für so was gibt es dochTaschenrechner. Hast du keinen?– Doch, aber den dürfen wir in der Schule nichtbenutzen.

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Robert erblickte einen ziemlich alten Herrn, ungefähr so groß wie eine Heuschrecke, der auf einem Sauerampferblatt wippte und ihn aus seinen glimmrigen Augen ansah.

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– Aha, sagte der Zahlenteufel. Macht nichts. Einbisschen Einmaleins, dagegen ist ja nichts einzu-wenden. Kann ganz nützlich sein, wenn einem dieBatterie ausgeht. Aber Mathematik, mein lieberSchwan! Das ist ganz was anderes!– Du willst mich bloß rumkriegen, sagte Robert.Ich trau dir nicht. Wenn du mich auch noch imTraum mit Hausaufgaben plagst, dann schreie ich.Das ist Kindesmisshandlung!– Wenn ich gewusst hätte, sagte der Zahlenteufel,dass du ein solcher Angsthase bist, wäre ich garnicht erst gekommen. Schließlich will ich michbloß ein bisschen mit dir unterhalten. Nachts habeich nämlich meistens frei, und da dachte ich mir:Schau mal bei Robert vorbei, der hat es sicher satt,immer wieder dieselbe Rutsche runterzurutschen.– Stimmt.– Na also.– Aber reinlegen lasse ich mich nicht, rief Robert.Das kannst du dir merken.Doch da sprang der Zahlenteufel in die Höhe, undauf einmal war er gar nicht mehr so klein.– So redet man nicht mit einem Teufel, schrie er.Er trampelte auf dem Gras herum, bis die Halmeplatt am Boden lagen, und seine Augen funkelten.– Entschuldigung, murmelte Robert.Das Ganze kam ihm allmählich doch etwas un-heimlich vor.

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– Wenn man sich über Mathematik so einfach un-terhalten kann wie über Filme oder Fahrräder,wozu braucht es dann einen Teufel?– Das ist es ja gerade, mein Lieber, erwiderte derAlte. Das Teuflische an den Zahlen ist, dass sie soeinfach sind. Im Grunde brauchst du nicht einmaleinen Taschenrechner dazu. Du brauchst, um da-mit anzufangen, nur eins: die Eins. Mit der kannstdu fast alles machen. Wenn dir zum Beispiel großeZahlen Angst machen, sagen wir mal fünfmillio-nensiebenhundertdreiundzwanzigtausendacht-hundertzwölf, dann fang es einfach so an:

und so weiter, so lange, bis du bei fünfmillionen-undsoweiter angekommen bist. Sag bloß nicht,dass dir das zu kompliziert ist! Das kapiert dochder letzte Idiot. Oder?– Schon, sagte Robert.– Und das ist noch nicht alles, fuhr der Zahlenteu-fel fort. Er hielt jetzt einen Spazierstock mit silber-nem Knauf in der Hand und wirbelte damit vorRoberts Nase herum.

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– Wenn du bei fünfmillionenundsoweiter ange-kommen bist, zählst du einfach weiter. Du wirstschon sehen, das geht bis ins Unendliche. Es gibtnämlich unendlich viele Zahlen.Robert wusste nicht, ob er das glauben sollte.– Woher willst du das denn wissen?, fragte er. Hastdu es ausprobiert?– Nein, hab ich nicht. Erstens würde das zu langedauern und zweitens ist es überflüssig.Das leuchtete Robert nicht ein.– Entweder ich kann bis dahin zählen, dann ist esnicht unendlich, wandte er ein, oder es ist unend-lich, dann kann ich nicht so weit zählen.– Falsch!, schrie der Zahlenteufel. Sein Schnurrbartzitterte, er wurde rot im Gesicht, sein Kopf schwollan vor lauter Wut und wurde immer größer.– Falsch? Wieso falsch?, fragte Robert.– Dummkopf! Was glaubst du, wie viele Kaugum-mis bis heute auf der ganzen Welt gekaut wordensind?– Weiß ich nicht.– Schätzungsweise.– Entsetzlich viele, sagte Robert. Allein Albertund Bettina und Charlie, die in meiner Klasse unddie in unserer Stadt und die in ganz Deutschlandund die in Amerika . . . das geht in die Milliarden.– Mindestens, meinte der Zahlenteufel. Also, neh-men wir an, wir wären beim allerletzten Kau-

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gummi angekommen. Was mache ich dann? Ichziehe einen neuen Kaugummi aus der Tasche, undschon haben wir die Zahl aller bisher gekautenKaugummis plus eins – die nächsthöhere. Hast dukapiert? Ich brauche die Kaugummis gar nicht zuzählen. Ich gebe dir einfach ein Rezept an, wie esweitergeht. Mehr braucht es nicht.Robert überlegte einen Moment lang. Dann muss-te er zugeben, der Mann hatte recht.– Übrigens geht das auch umgekehrt, fügte derAlte hinzu.– Umgekehrt? Was heißt umgekehrt?– Tja, Robert – jetzt grinste der Alte wieder –, esgibt eben nicht nur unendlich große, sondern auchunendlich kleine Zahlen. Und zwar unendlich viele.Bei diesen Worten ließ der Kerl seinen Spazier-stock vor Roberts Gesicht herumschwirren wieeinen Propeller.Da wird einem ja schwindlig, dachte Robert. Eswar das gleiche Gefühl wie auf der Rutsche, aufder er schon so oft immer tiefer in die Tiefe ge-rutscht war.– Aufhören!, schrie er.– Warum denn so nervös, Robert? Das ist dochganz harmlos. Schau mal, ich nehme einen neuenKaugummi. Hier ist er . . . Tatsächlich zog er einen echten Kaugummi aus derTasche. Nur dass das Ding so groß wie ein Regal-

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brett war, dass es verdächtig lila aussah und stein-hart war.– Das soll ein Kaugummi sein?– Ein geträumter Kaugummi, sagte der Zahlenteu-fel. Den teile ich jetzt mit dir. Pass auf. Bis jetzt ister noch ganz. Er ist mein Kaugummi. Eine Person,ein Kaugummi.Er steckte ein Stück Kreide, das verdächtig lila aus-sah, auf die Spitze seines Spazierstocks und fuhrfort:– Das schreibt man so:

Die beiden Einsen schmierte er direkt an denHimmel, genau wie es die Reklame-Flugzeuge tun,die irgendwelche Werbesprüche in die Luft schrei-ben. Die lila Schrift schwebte auf dem Grund derweißen Wolken, und erst nach und nach zerlief siewie Brombeereis.Robert starrte in die Höhe.– Wahnsinn, sagte er. So einen Spazierstockkönnte ich auch brauchen.– Das ist doch nichts Besonderes. Mit dem Ding

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schreibe ich alles voll, Wolken, Hauswände, Bild-schirme. Ich brauche kein Notizbuch und keineAktentasche. Aber darum geht es nicht! Schau lie-ber auf den Kaugummi. Den breche ich jetzt aus-einander, dann hat jeder von uns einen halben. EinKaugummi, zwei Personen. Der Kaugummikommt oben hin und die Personen unten:

Jetzt wollen natürlich auch die andern was abkrie-gen, die aus deiner Klasse.– Albert und Bettina, sagte Robert.– Meinetwegen. Albert kommt zu dir und Bettinazu mir, und wir beide müssen teilen. Jeder be-kommt ein Viertel:

Das ist natürlich noch lange nicht das Ende. Eskommen immer mehr Leute an, die etwas abhabenwollen. Zuerst die aus deiner Klasse, dann die

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ganze Schule, die ganze Stadt. Jeder von uns vierenmuss von seinem Viertel die Hälfte abgeben unddann die Hälfte von der Hälfte und die Hälfte vonder Hälfte von der Hälfte und so weiter.– Das geht ja bis ins Aschgraue, meinte Robert.– Bis die Kaugummistücke so winzig werden, dassman sie mit bloßem Auge gar nicht mehr sehenkann. Aber das macht nichts. Wir teilen sie immerweiter, bis von den sechs Milliarden Menschen aufder Erde jeder etwas abkriegt. Und dann kommendie sechshundert Milliarden Mäuse an die Reihe,die wollen auch was haben. Du siehst schon, aufdiese Weise kommen wir nie an ein Ende.

Der Alte hatte mit seinem Stock immer mehr lilaEinsen unter einem endlos langen lila Strich anden Himmel geschrieben.– Du schmierst ja die ganze Welt voll, rief Robert.– Ha!, schrie der Zahlenteufel, und jetzt blähte ersich immer weiter auf. Das mache ich nur dir zu-liebe! Du bist es doch, der Angst vor der Mathe-matik hat und alles so einfach wie möglich habenwill, damit du nicht durcheinanderkommst.– Aber immer nur lauter Einsen, das ist auf Dauer

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