Sammelblatt Des Historischen Vereins Ingolstadt Bd. 046 (1927) (Ocr)

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I n h a l t .

Götz Ioh . B ., Ludwig der Gehärtete, der letzte Herzog derIngolstädter Linie ................................................. .....

^ Schwäb l Franz, Bangeschichtlichc Würdigung der IngolstädterL iebfrauenkirche...................................................................................21

' H age r Georg, D ie Gotik Ingolstadts und der moderne Mensch 37 Lei d ing er Georg, Ein Prachtevangeliarium der karolingischen

Zeit aris In g o ls ta d t..............................................................................47^ Götz Ioh . Bapt., D ie Ingolstädter Grabsteine, 3. Te il, S t. Sebastian

und die kleineren Kirchen. 1504— 1 8 1 3 ........................................61i ' W itz Herm., Postamtödircktor a. D . Io h . Baptist Mayer, Ehren­

vorsitzender deö Historischen Vereins In g o ls ta d t...........................103G ö tz 'Ioh . Bapt., Zur Leichenfeier deö Kurfürsten

Max Emanuel in In g o ls ta d t ........................................................... 107Zech bau e r, Rechnungsabschluß 1 9 2 6 ................................................ 111Witz Herm., Rechtörat August Schlam pp...........................................113W itz Herm., Jahresbericht des S c h r if t fü h re rs ................................ 114

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Ludwig der Gebartete,der letzte Herzog

der ingolstädter Linie

Vortragaus dem festabend der sr. rjaupt-Dersammlung

des Verbandes bayerischer Geschichts- und Urgeschichts-Vereine in Ingolstadt

lr?. Oktober 15L6)

^5gr. Dr. fohann V. Gäh.

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L -n ^^-rs -

Venützte Literatur.

L a n g H e in rich , b i t t e r v o n -

Geschichte des Bairischcn Herzogs Ludwig des Bärtigen zu Ingolstadt, N ü rn ­berg 1821.

H o ll t le C h r is t to n :

Archivalischc Beiträge zur Geschichte Herzogs Ludwig des Bärtigen von Bayern- Ingolstad, und seiner Zeit. I . T e il München 1868; H . T e il München 1872 (Sonderabdruck aus dem Oberbayer. Archiv, Band X X V I I I u. Band X X X I I ) ,

S c h re ib e r W ilh e lm :

Geschichte Bayerns in Verbindung m it der deutschen Geschichte, I . Band. Freiburg i. B r. >889.

N ie z le r S ig m n n d :

Geschichte Baierns, I I I . Band, Gotha 1889.

D o e b e r l IN . :

Entwicklungsgeschichte Bayerns, I . B and, 2. Auflage, München 1908.

B ü ch n e r f r a n z T o n e r :

Archivinventare der katholischen Pfarreien in der Diözese Cichstätt, München und Leipzig 1918, Anhang: D ie Ingolstädter Schahurkundcn Ludwig des Gebartetcn.

f r a n k e n b u rg e r IN o x : '

Zur Geschichte des Ingolstädter und Landshurcr Herzogsschatzcs und des S tiftes A ltö tting, abgedruckt in : Ncpcrtorium fü r Kunstwissenschaft, B e rlin und Leipzig, W alter dc Gruytcr Lc Co., Band X T I V , 1923, Seite 23— 77.

H a lz in g a

Herbst des M ittelalters. S tudien über Lebens- und GeisteSformcn deS 14. und 15. Jahrhunderts in Frankreich und in den Niederlanden. Deutsch von I . Tolles Mönckeberg. München 1924.

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m rz r.iO i- ttk r<L - r / . ^ L -

s r - - L r N L ^ W MS . 7 - 2 S Ä S .M L Ä K .« »stand berrschte. Im Gegensatze hl-zu nennt Dabeil m ,°.n°r wicllungsgeschichlc Bayerns die Ze'wcnodc. 'n ^ ^erdes letzten Ingolstädter Herzogs st-l. »das düstere Iahivun

"L K L U Z Z Ä u. L - A L 1 L 7 « S L M ° L A L

Gewalttaten waren an der ^ a g e so r d n u n g. N u z ^ i . ^

P ^ M Z S L - - «Verw irrung ,n das Volk trugen, ms cnv - «Person M a r-

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- L L S S M H Z MAuslassung der geschlechtlichen M o ra l aus. N iemals in der dcui,°)e

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Geschichte war bisher das Volk so rechtlos wie damals, niemals spielte man so fr ivo l m it der Frauenehre und Frauenwürde wie damals, nie­mals herrschte aber auch ein so schneidender Gegensatz zwischen der äußeren, aus größtmögliche Kirchen, funkelnde Kleinodien und reiche Stiftungen abzielenden Frömmigkeit und der wahren, den inneren Menschen erfassenden und umgestaltenden Religiosität. Das ist also das M ilie u , aus dessen Hintergründe die Gestalt des letzten In g o l­städter Herzogs erscheint, und wenn es wahr ist, daß jeder Mensch ein Produkt seiner Umgebung ist, dann haben w ir wahrlich nicht viel Gutes zu erwarten. Aber alle Erwartungen und Befürchtungen wur^ den noch weit übertrosfen. Denn „a lle Dämonen der Ze it," sagt der neueste bayerische Historiker (Döberl, I , 2. Ausl. S . 305) „tobten in seiner Seele: die Ruhmbegierde, die Streitsucht, die Lust, dem Geg­ner den Rücken zu hämmern, der Landhunger". Und merkwürdig, gerade dieser Fürst w a r es, dem Ingolstadt seine gewaltige, weit in die Donauebene hinausragende Kirche, seine reichsten Stiftungen und seine größten Kleinodien verdankt. Ih n uns etwas näher zu bringen, soll die Aufgabe dieser Stunde sein.

W oh l kein deutscher Stamm hat unter dem Hader seines Fürsten­hauses so schwer in seiner Entwicklung leiden müssen wie der bayerische. A ls er m it Ludwig dem B ayer an die Spitze des Reiches trat, ver­hinderte der Zwist Ludwigs und Rudolfs den Ausstieg des Hauses. D er Hausvertrag von Pavia riß die Psälzer Gebiete und einen T e il der nachmaligen Oberpfalz vom M utterlande, die nun nahezu 4 Jah r­hunderte ihre eigenen Wege gingen. W oh l hatte der Kaiser seine Söhne dringend vor jeder neuen Landesteilung gewarnt, allein ver­gebens. B a ld nach seinem Tode ging sein Erbe in wiederholten Teilungen (1349, 1351, 1353) in Stücke. W ie einst im M erow inger- reiche, wirkte auch hier das Teilungsprinzip verbitternd, zerstörend und auslösend. D ie Teilungen der Jahre 1392 und 1402 schufen das Herzogtum Ingolstadt. Es w ar der am wenigsten begünstigte Teil des wittelsbachischen Erbes. Denn es stand in seinen Erträgnissen gegenüber dem Münchener und noch mehr gegenüber dem Lands- huter Teile stark zurück, hatte keine S tad t von der Bedeutung M ü n ­chens oder auch nur Landshuts, hatte keine besondere Bildungsanstalt und w ar, von kleineren Parzellen abgesehen, in 3 größere nicht zu­sammenhängende Stücke aufgeteilt. Am Lech und an der Donau lag der volkreichste und fruchtbarste Te il, am In n das Gebiet von Wasser­burg m it seinen zugehörigen Aemtern, in den Alpen der Rest des einstigen wittelsbachischen Besitzes, der sich auf Kusstein, Kitzbühl und Rattenberg beschränkte. Hiezu kam in der Oberpfalz noch das Am t Hilpoltstein m it dem Städtchen Freystadt. Nach der Teilung der Straubinger Erbschaft erhielt der Herzog noch Schärding am In n m it einigen dortigen Aemtern, also eine bunte Karte von Zwergbssdungen, von denen keine innere Lebenskraft besaß.

A ls Kronprinz und präsumptiver Herrscher dieses Gebietes wurde Ludwig der Gebartete im Jahre 1366 geboren. Sein Vater war

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Stephan II I . , ein lebenslustiger, prunkvoll auftretender Fürst, stets reich geputzt, durch seine Heirat an den üppigeren Luxus Ita liens ge­wöhnt. Glanz und Festesfreude, Kamps und Abenteuer waren B e ­dürfnis für seine strotzende Lebenskraft. W a r er nicht im Felde, so r it t der Heine zierliche Herr aus die Turniere und die Weiber und die Widersacher wurde er in seinem Leben so wenig los wie seine Schul­den. Mutzte ja doch sein Sohn noch bald hier, bald da einen ver­pfändeten Rock seiner Stiesmutter auslösen. Noch im hohen A lte r blieb er frisch und kräftig. A ls er 1400 zu Brüssel m it der alten Fürstin Anna von B rabant tanzte, rechnete man aus, datz das Paar nicht weniger als 145 Jahre zählte. Seine Untertanen behandelte er gut. E r konnte seinen italienischen Vettern gegenüber sagen, datz er keine Leibwachen brauche, denn er getraue sich, unbewasfnet in dem Schoße jedes seiner Untertanen zu schlafen. Das Volk nannte ihn den Guten, meistens aber m it Rücksicht auf seine Prachtsiebe öen Kneitzei. Ludwigs M u tte r w ar Thaddäa, eine Tochter des mailändischen Herr­schers Barnaba Visconti, der dort m it großer Grausamkeit regierte und fü r die Befriedigung seiner Begierden keine Grenzen und keine Zügel kannte. D ie M u tte r starb bereits 1381. S ie erlebte es nicht mehr, daß ihre einzige Tochter Elisabeth im A lte r von 16 Jahren an den französischen König K a rl V I. verheiratet wurde. Vom Vater erb­ten die Kinder die Unruhe und die wilde Sinnlichkeit, von der M u t­ter das hitzige italienische B lu t, verbunden m it der Grausamkeit und Gewalttätigkeit der Visconti. D ie Franzosen nannten ihre Königin, die Jahre lang an der Seite eines wahnsinnigen Königs leben mutzte, nur die böse Isabeau. I h r B ruder, der ih r a ls Begleiter m it an den französischen Hos gegeben wurde, w ar schön und sauber gewach­sen, und besaß hervorragenden persönlichen M u t. I n der ritterlichen W elt hätte er sich einen glänzenden Namen erworben, wenn er sich nicht durch seine sprichwörtliche Streitsucht die Herzen entfremdet und durch seine Gewalttätigkeit die Menschen von sich abgestoben hätte. Je böser die Leute waren, die er zu Dienern hatte, sagt ein Zeit­genosse, desto lieber waren sie ihm.

D ie Hälfte seines Lebens verbrachte Ludwig der Gehärtete zu P a ris und am französischen Hose. H ier aber schien es nach dem Berichte eines französischen Autors, als ob sich der Wahnsinn des Königs seiner ganzen Umgebung mitgeteilt hätte; Sprache, Kleiber­tracht und S itten atmeten eine A r t verrückter Schamlosigkeit. Die Königin vergaß gar bald die ehrbareren S itten ihrer deutschen Heimat und bot nunmehr selbst das Vorb ild in der Ueppigkeit und in der Ausschweisung. H ier holte sich Ludwig nicht bloß seine Schätze, son­dern auch seine beiden Frauen, feine Prachtliebe, seinen hochfahren­den S inn , seinen Hang zum Spott und zur Menschenverachtung, aber auch seine Genußsucht und Sinnlichkeit, von der seine außerehelichen . K inder Zeugnis geben. H ier tra t er endlich auch der Bruderschaft des hl. Johannes bei, deren M itg lieder sich zu Ehren dieses Heiligen den B a r t nicht scheren ließen. Daher der Beiname „bar-batus", der,'

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Gehärtete. A ls B ruder der Königin hatte er in P a ris eine glanzvolle Stellung. Seit 1392 w ar er M itvorm und des Kronprinzen, später auch M itg lied des Staatsrates und sogar Reichsverweser. Frankreich vertrat er auch seinerzeit aus dem Konstanzer Konzil, wo er m it etnem glänzenden Gesolge von 600 Pferden seinen Einzug hielt.

Noch w ar er nicht zur Regierung gelangt und schon treffen w ir ihn in zwei gröbere Fehden seiner Heimat verwickelt. D ie erste bezog sich aus die Vormundschaft über die Niederbayerischen Prinzen, wo sich die beiden anderen Wittelsbacher Linien deshalb bekriegten. D a der Bischof von Freising auf Seiten Münchens stand, wollte Ludwig in der Christnacht durch V erra t die S tadt überrumpeln und einneh­men. Seine Soldaten verfehlten aber in der moorigen Gegend den Weg und mutzten sich bei Tagesanbruch unverrichteter Dinge nach Ingolstadt zurückziehen. Zum Ersatz überfiel nun der Herzog am D re i­königstage 1395 das zu München gehörige Städtchen Neustadt a. D ., plünderte es aus, lietz eine Anzahl Bürger, die sich gewehrt hatten, niederhauen und die Beute auf mehreren Wagen nach Ingolstadt fah­ren. Sein Münchener Vetter suchte Vergeltung an dem zu In g o l­stadt gehörigen Aichach zu üben und plünderte dann, a ls der Ueber- sall mitzlang, Friedberg und Schwaben aus. D er zweite S tre it bezog sich aus die Differenzen zwischen den Patriziern und den Zünsten in München. Letztere gewannen die Herrschaft für kurze Zeit, unter­stützt von dem Ingolstädter Herzoge, der in dieser Fehde u. a. Pfas- senhofen und Pasing verbrannte, während sein Vater, der alte Herzog Stephan, sogar seine Residenz vorübergehend nach München ver­legte, wo ihm die neue Beste gehörte. B u rgg ra f Friedrich von N ü rn ­berg vermittelte den Frieden zwischen der S tadt und ihrem Fürsten.

1401 heiratete der alte Vater nochmals und lietz sich von seinem Sohne die urkundliche Versicherung geben, datz er ihn bei Lebzeiten bei seiner Herrschaft und seinem Fürstentume bleiben lasten wolle. Verstimmt kehrte dieser nach P a ris zurück, wo seine Schwester im nächsten Jahre seine Heirat m it der reichen Anna von Bourbon ver­mittelte, der Schwester des Königs von N avarra, die ihm nicht weni­ger a ls 95 000 Psund an M itg if t einbrachte. S ie schenkte ihm auch um 1404 in Ludwig dem Höckerigen einen Erben, starb aber bald darnach. 1413 heiratete er zum zweitenmale und zwar die Katharina von Alenxon, G rä fin von M ortagne, die Schwester der Königin von Cypern. Seine erste G attin scheint er wirklich geliebt zu haben, denn ih r Name kehrt in allen seinen zahlreichen Schahurkunden wieder. D ie zweite Heirat w ar augenscheinlich eine Geldheirat, wenn ihm auch die Erwerbung der Grafschaft M ortagne so v ie l Freude machte, datz er sie als „G ra f von M o rta n i" sogar in seinen T ite ln weiter führte, als diese längst von den Engländern beseht war. D ie 2. Gemahlin blieb, als Ludwig nach Ingolstadt übersiedelte, in Frankreich zurück, die beiden Eheleute kümmerten sich offenbar nicht weiter mehr um­einander. S ie überlebte ihn um ein gut Stück, denn sie starb erst 1462 zu P aris . Ludwig mühte nicht der heitzblütige Charakter ge-

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Wesen sein, der er w irtlich w ar, wenn er sich nicht auch an den inneren W irren Frankreichs beteiligt hätte. Gegen ihn richtete sich denn. in der Hauptsache ein Ausstand der Burgundischen Parte i, deren E in­fluß er zurückdrängen wollte. Am 20. M a i 1413 — es w ar gerade der Vorabend vor seiner zweiten Hochzeit — wurde er m it mehreren M itg liedern der Hofgesellschaft gefangen genommen und im großen Turme des Louvre untergebracht. Eine zweite unblutige Revolution befreite ihn zwar am 4. August desselben Jahres und machte ihn zum Kommandanten des Louvre und der Bastille, er fand es aber doch geraten, den immer heißer werdenden Boden von P a ris zu ver­lassen. Willkommenen Anlaß hiezu gab ihm der Tod seines Vaters, der am 2. Oktober 1413 erfolgt war. Dieser hatte no.ch in seinen alten Tagen versucht, T iro durch einen Kriegszug zu gewinnen, hatte aber dabei keinen E rfo lg gehabt. E r fand seine letzte Ruhe­stätte zunächst im Kloster Niederschönenfeld, bis sein Sohn die Leiche in die G ru ft der Ingolstädter Frauenkirche überführen ließ. Dieser kehrte zwar auch später noch mehrmals nach Frankreich zurück, die Verhältnisse wurden aber fü r ihn dort immer ungemütlicher, bis schließlich die Verbannung der Königin nach B lo is und dann nach Tours und ihr auf das allernotwendigste beschränkter Hofhält ihm dort auch noch die letzte Stütze entzog. E r hatte freilich dafür ge­sorgt, daß er seine großen S ch ä tze vorher rechtzeitig in Sicherheit brachte.

D er König hatte ihm zunächst eine Iahrespension von 12 000 Franken bewilligt und die Lehenschaft über mehrere Grafschaften über­tragen. Hiezu hatte er ihm aus verschiedenen Anlässen im Verein m it der Königin eine solche Menge von kostbaren Kleinodien ver­pfändet, von Kunstwerken, Gold- und Silbergeschirr, Email, Kristall, Perlen und Edelsteinen, daß man sie in Deutschland vielleicht bis dahin niemals in einer solchen Fülle m e i n e r Hand vereinigt gesehen hatte. Schon seine Ingolstädter Schatzurkunden zählen nicht weniger als 33 Gegenstände aus, teils aus Gold, teils aus S ilber, alle aber beseht m it den kostbarsten Edelsteinen. Ich nenne hievon nur beispiels­weise ein goldenes Armband und 3 weitere, teils m it Rubinen, teils m it Rosen besetzte Armbänder, eine Reihe von Reliquiarien, von kostbar getriebenen B ilde rn , von Kronen, Monstranzen u. s. w . Von welch unendlichem W erte diese feinsten Arbeiten der Limousiner und Pariser Goldschmiedekunst waren, ersehen w ir aus dem einen Stück, das auf uns gekommen ist, dem „goldenen R ö ß l" in der A ltöttinger Schatzkammer. W as sonst noch an Pretiosen vorhanden w ar und in Straßburg, Ulm oder Negensburg aufbewahrt wurde, entzieht sich unserer Kenntnis. Wenig kann es nicht gewesen sein, wie sich aus der Pelralsausstattung W ielands von Frciberg ergibt. D er Herzog ver- Ichenkte diese Kostbarkeiten in der Heimat teils an Kirchen, allen voran an seine Ingolstädter Frauenkirche, teils versetzte er sie und ^w e n d e te er die erlösten Summen zur Ausstattung seiner unehe­lichen Kinder, zum Ankauf von Herrschaften, zum Baue der In g o l-

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städter Frauenkirche und zur Errichtung frommer Stiftungen von ganz ungewöhnlichem Ausmaße. M i t unverhohlenem Mißvergnügen sahen die Franzosen die m it den Schätzen ihres Herrschers schwer be° ladenen Maulesel über die Grenze ziehen. M a n hat damals ge­glaubt, es sei beim Erwerb derselben nicht m it rechten Dingen zu­gegangen. D ie im Münchener Archive hinterlegten Verpsändungs- urkunden, von denen mittlerweile auch ein T e il veröffentlicht wurde, erweisen aber das Gegenteil. N icht ganz unbegründet dürste aber das Gerücht gewesen sein, daß die Königin ihrem B ruder vieles von ihren eigenen Schätzen mitgegeben habe, weil sie eine Zeitlang sich m it dem Gedanken trug, wieder in die Heimat zurückzukehren. W as z. B . 1438 W ieland von Freiberg erhielt, w a r zum größten Teile a ls Privateigentum der Königin gezeichnet, und bei 6 m it Gold be- ladenen Pferden, die einstens von der M eher Bürgerschaft angehalten worden waren, stellte sich heraus, daß es eine Sendung der Königin war. Von a ll dem vielen Golde aber, das Ludwig der Gebartete sein Eigen nannte, kann man sagen: der Fluch des Rheingoldes lastete auf diesen Schätzen und glücklich ist ihr Besitzer durch sie nicht geworden.

A ls der Herzog die Regierung seines Landes antrat, stand er im 47. Jahre. E r w ar also in einem A lte r, wo das jugendliche Feuer bereits abgekühlt und der Mensch reiferen Erwägungen zugänglicher zu sein pflegt. Leider w ar bei ihm das Gegenteil der Fa ll. Zunächst forderte er von dem Landshuter Herzog Heinrich, später der Reiche genannt, einen T e il seines Landes m it der Begründung: Ingolstadt sei 1392 bei der Landesteilung zu kurz gekommen. Gleichzeitig be­gann er nachbarliche Händel m it den Münchener Vettern und endlich forderte er auch noch den Nürnberger Burggrafen Friedrich von Brandenburg heraus, der die schöne Elfe, die Schwester des Landshuter Herzogs, geheiratet hatte: Wittelsbach habe gegenüber den Hohenzollern ein Vorrecht aus die M a rk Brandenburg. A ls dann das Fürstengericht des Konzils zu Konstanz gegen ihn entschied, kannte seine W u t keine Grenzen. I n Gegenwart des Königs S ig - mund und zahlreicher Fürsten nannte er Herzog Heinrich einen R äu­ber und schleuderte ihm die schwerste Beleidigung ins Gesicht, die es für diesen geben konnte: er sei nicht der Sohn seines herzoglichen Vaters, sondern eines Koches. Daraus lauerte ihm dieser aus dem nächtlichen Heimwege auf und brachte ihm 7 Wunden bei, von denen 2 tödlich waren. W ider Erwarten aber genas der Herzog, der nun zeitlebens die bitterste Feindschaft gegen Heinrich von Landshut hegte. E r nannte ihn von da an nur mehr den „fahrigen M örder, der sich Heinrich von B ayern nennt." I n ähnlicher Weise bezeichnete er Friedrich von Brandenburg als „schäbigen Hund." 1420 kam es zum offenen Krieg gegen seine drei miteinander verbündeten Gegner. Der Kamps bestand hauptsächlich darin, daß man sich gegenseitig die S tädt­chen und D örfer der schuldlosen Untertanen niederbrannte. V on der nördlichen Oberpfalz bis ins obere In n ta l, vom Lech bis in den Baye­rischen W a ld loderte der B rand , an die 550 Märkte, D örfer und M ü h ­

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len sielen ihm zum Opser. bis endlich das einzige E e r c Tressen

ehemals Ncichssladl, seil 1407 aber im Besitze von A g o slad, sich hilfesuchend an die Münchener Herzog- wendete, nachdem es schon aus dem Konslanzcr Konzile über d.e B-druckung-n Ludwigs b.t- lere Klage gesuhlt halte. E iner der nach München gesandten B ü r ­ger, namens Lang, halle das Unglück, in die Handc dcs ^cizogs zu sollen. Dieser lietz ihm a ls einem Meineidigen die A u g e auslchnei- den und die beiden Hände abhauen und drohte. a>>^ Douauworlhern die in leine Hände sallen, es ebenso zu machen. D am it war es nun ein sür allemal vorüber. Es blieb dem geschlagenen pursten, wott e er nicht alles verlieren, nichts anders übrig, als ich dem Könige S ig is mund zu Flitzen zu weisen und seine Verm ittlung anzuflehen. Diese folgte denn auch in der Weise, datz seine G egnerallcs -rode - Geb,­- es waren 6 Städte, 0 M ärkte und 18 Schlosser - bis zu dcr m- nerhalb Jahresfrist erfolgenden Entscheidung behalten dursten das übrige Gebiet des Herzogs aber ,n Rcichsverwallung ^n °n m c n wurde. Diese sührtc B runo von der Lei er der >n Ingolstadt seinen Sitz nahm. A ls Fürst ohne Land und zugleich als Diener d c iP in z c sin Elisabeth, der Tochter Sigismunds, mutzte er diesen nach Ungarn begleiten, Demütigung genug sür den stolzen -^onn. . . . . .

Schon im nächsten Jahre, am 9. November " 2 3 erhalt er d.e Gerichtsbarkeit in seinen 3 Landgerichten zurück und l- l2o. a ls Herzog

he°m7ehre°7um,7in^L

wurde endlich auch die Sache m it dem Landshuter Herzog E l i c h lc l . Ludwig hatte »ach dem j»s lal.onis und den Gewöhn,icilcn d ^ H ir ch beiger Landgerichtes verlangt: Herzog Heinrich s°lle lm lc,ncn mcuch Krücken Uebersall a ll seiner Ehren und W urden entkleidet werden, kein Fürstentum verlieren, das an ihn selber lallen solle, und autzcrdem 7 Stichwunden, darunter 2 todbringende erhol en, die Hand- ° 'c seinerzeit beim Uebcrsall den Degen geführt, solle >dm abgehauen werden. Daraus konnte das Schiedsgericht natürlich nicht -mg-hem Das Reichsoberhaupt bestimmte also ,n Nurnberg: S ^z °g H ' ^ kabe den Netter um Verzeihung zu bitten, die Kurkosten zu zahlenL L S ü L 'Lder Familie Ludwigs zustehe, anderseits ,e - ne W a ll ah il nach Ie ru - salcm, Rom . Aachen, Einsiedeln und zum hl. B lu te zu Wclsensack in Sachsen ausrichten lassen. Von den 3 Messen wurde d.e e.ne ,n Kon­stanz gestiftet, die beiden anderen bestimmte Ludwig sur seine Frauenkirche in Ingolstadt.

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I n der Fehde der Jahre 1420 m it 1422 waren auch die Güter und Hintersassen verschiedener Klöster und S tifte durch die Banden des Ingolstädter Herzogs start mitgenommen worden. Infolgedessen forderten die Klöster Kaisheim, Fürstenfeld, Scheyern, E tta l, Münchs- rnünster, Geisenseld, Hohenwart, das Münchener Angerkloster und das Hochstist Freising 1425 von ihm Schadenersatz. D a sich Ludwig weiter um die Forderung nicht kümmerte, wurde über ihn 1426 der B ann verhängt. Nach langwierigen Verhandlungen gelang es endlich im nächsten Jahre auch hier einen Ausgleich zu stände zu bringen, fo datz die Aushebung des Bannes erfolgen konnte.

Kaum hatte aber der Herzog wieder etwas Lust, verübte er die alten Gewalttätigkeiten und forderte damit neuerdings Nachbarn und Untertanen heraus. Schon 1431 liefen auf dem Baseler Konzile von allen Seiten Klagen und Beschwerden über den Ingolstädter ein. V o r seinen Spießgesellen, hieb es, sei in Bayern fast niemand mehr sicher: offenkundige Uebestäter und Husiten nehme er in feine Dienste; Räuber lasse er in seinen Schlössern ein- und ausgehen; die Güter, welche Untertanen benachbarter Fürsten in seinem Lande haben, belege er m it ungewöhnlichen Abgaben, deren Zahlung er durch die Einlage­rung von Jägern und Falknern erzwinge; mehrere Grundbesitzer seien dadurch von Haus und Hos vertrieben worden. Seiner Landschaft habe er selbst eine gemeinsame Tagung mit derjenigen von München gestattet zur W ahrung gemeinsamer Interessen, nachher aber lietz er sich den Einigungsbrief geben und schnitt von demselben einige Siegel seiner Städte weg. Seine eigene S tadt Ingolstadt klagte wegen Ge­walttätigkeiten beim Baue seines neuen Schlosses. Den allgemeinen Klagen schlössen sich auch die Klöster neuerdings an. Den A b t von H l. Kreuz in Donauwörth habe er an den S a tte l binden, schleifen und würgen lassen; dem Kloster Fürstenfeld hatte er den Neuburger Zehent hinweggenommen und die seit alters bestehende zollfreie E in ­fuhr einer Kufe Salz unterbunden; beim Kloster Indersdors handelte es sich ebenfalls um die E infuhr einer Kufe Salz, außerdem noch um einen Hos; dem Kloster Geisenseld hatte er die Probstei und den Zehenten in Gaimersheim beschlagnahmt, außerdem im großen, dem Kloster gehörigen Feilenforste Holz schlagen lassen u. s. w. Am 27. September desselben Jahres sprach der Vorsitzende des Konzils, der Kardinallegat Ju lian, über den Herzog neuerdings den Bann aus. D a sich dieser nicht darum kümmerte, wurde am 5. Sepl. 1433 die Exkommunikation durch das persönliche In terd ik t verschärft: wo sich der Herzog aufhielt, durste kein Gottesdienst mehr gehalten wer­den. Des Weiteren w ar gegen ihn auch das Fehmgericht wegen Zahlung einer Schuld von 11000 sl., die noch sein Vater gemacht hatte, angerufen worden. Es sprach über ihn die geheime Acht aus und überwies sein Land dem Kaiser zur freien Verfügung. Trotzig und rücksichtslos, w ie er nun einmal w ar, hatte er sich auch um die wieder­holten Vorladungen des Kaisers nicht gekümmert: einem Boten, der ihm eine Vorladung gebracht hatte, lietz er die Ohren abschneiden,

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einen anderen, der ihn vor das kaiserliche LandgcrichlNürnberg citierte rwana er den Ladebrief stückweise hinunter zu würgen. An L K°nz7,chick,° er "einen Lohn Ludwig den Hocker, der aber h.er so sclbstbcwustt und hochsahrend auslrat. dost er mehr °crda ib ^ s gui machte. Insolge dessen wurde er am 14. zum l v.enma evor das kaiserliche Gericht vorgeladen und da " '"ch> °rsckMn jolgte sechs Wochen später die Rcichsacht: sem Land wurde den Münchener

^ Z u m z w Ä n L ? war also Ludwig ein Fürs. K ° L ° n d gebannt und seinen Gegnern ausgeliesert E r verlorabe E d e um d n M u l nicht. D ie Aliinchencr Linie hatte es m> der Bcsitznahmc seines Landes nicht sonderlich eilig, beim Kaiser sparte er nichl m l O U ^ So kain am 11. August 1431 die Aushebung der Acichsachl zu stände: Donauwörlh wurde wieder rcichsunm'ttclbar, dem Herzog wurde die Einlagerung seiner Jäger und üallncr m den Kloster^ gülcrn, seine Ausdehnung der herzogl^en Vogte, und ' E Swh sorderungen an die Hinterlassen d n Kloster verboten, der von hm zu leistende Schadensersatz aus 5 000 st- Icstgcletzl- F a ^ 'Bescheid durchsührtc. stand auch seiner Losung von, Banne und vo Interdikte nichts mehr im Wege. D aran dachte aber LudM g nicht > Mindesten. Kaum konnte er wieder ein wenig a men. « ^ ' - ! - er den Papst, sührtc seine Fehden gegen die Bet ern m München u Landshut weiter und kümmerte sich um die.Entscheidung ^nicht im Mindesten. M a n musste sroh sem ^ . o ^ ^ u s a n d e ü Stillstand in den Kämpsen der bayerische» Herzoge zustanoe zu

M i t dem Jahre 1438 begann der leiste Akt in dem bitteren

gesündigt hatte, ' 7 ' ! ^ ' ^ j ^ n hatte L u k ^ g ^ Gebartet- nur

e i n e ? L . L ° S Ä 'einer Ehe m it Anna Bourbon. namens

g a ^ u Ä Ä e ^ über die mästen lanqin den B °i?en! auf dem Rücken einen groben Hassern, dabe.

D er V L ' n L l N - k d e ' n t z c k e r der ^ - m s t gib. chm den B e i­

d ° ; K E i r .

1419 von N n e m 'Ä e r ^ t t ° d e r Grasschas, Graisbach ausgestattet wohnte er meistens in Friedberg bei Aug-burg. I m n ^

^ S Ader des Vaters Härte gegen seme Untertanen beklagte, ^ lu n yanc

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dieser um 1400 ein Verhältnis m it einer gewissen Eanetta, der Toch­ter eines seiner Räte, namens W ieland Schweller. Aus demselben entsproß ein Sohn, der in der Taufe nach seinem mütterlichen Groß­vater W ieland genannt wurde, später aber von dem Ehemann seiner M u tte r den Namen von Freiberg erhielt. E r w ar sehr schön gewach­sen und galt bei seinem. Vater außerordentlich viel. Dieser ließ ihn 1418 vom Papste legitimieren, schickte ihn auf die Hochschule nach Bologna, machte ihn 1429 zu seinem Kammermeister, vermählte ihn1438 m it Amalie, einer geborenen Gräsin von Wertheim, und er­nannte deren Vater zum Vitztum seines Landes. A ls Aussteuer gab er ihm in barem Gelde 60 000 sl., dazu reiche Schätze aus den K le in­odien der Königin Frankreichs, die er zu Straßburg hinterlegt hatte, nämlich:

die Krone der Königin, ihre Haube (Schappel genannt) m it 35 Rubinen und 200 Perlen, ihren G ürte l und einen Perlenkranz, ferner einen achteckigen R ubin des hl. Ludwig und ein goldenes Speiseservice sür 6 Personen.

Sollte W ieland ohne männlichen Erben sterben, dann gehören 10 000 sl. der W itw e, 8000 sl. einer bereits vorhandenen Tochter, der Rest der Ingolstädter Frauenkirche und dem dortigen Psründ- nerhause, 396 sl. zur Gründung einer Niederlassung des Deut­schen Ordens m it 8 Geistlichen in Ingolstadt.

Es lag auf der Hand, daß der eheliche Sohn m it großem M ißtrauen und m it wachsender Eifersucht diese Entwicklung der Dinge ansehen mußte und mehr und mehr dem Vater entfremdet wurde. Zum Bruch kam es durch seine Heirat. 1431, als der alte Herzog im Begriffe stand, ein Abkommen m it seinen Gegnern zu schließen, tauchte der P la n aus, seinen Sohn m it Margarete, der Tochter des Kurfürsten Friedrich von Brandenburg, zu vermählen, um dadurch die beiden Familien zu versöhnen. Schon w ar alles fertig bis auf die Heiratsabmachung, als der S tarrsinn des Vaters die Verb in­dung im letzten Augenblicke scheitern ließ. Nach verschiedenen P ro ­jekten g riff nun der Sohn aus dieses erste zurück und verlobte sich am 31. Oktober 1438 m it M argarets. D er alte Herzog w ar wütend darüber, daß der Sohn die Tochter seines erbittertsten Feindes hei­raten wollte. E r ließ ihn nicht mehr vor sich und verbot ihm an­scheinend sogar den Ausenthalt in seinem Lande. Dieser schloß nun ein Bündnis m it dem B ruder seiner B ra u t, dem Markgrafen A lb ­recht Achilles von Brandenburg—Ansbach, und den übrigen B rü - dern derselben, wie auch m it den Vettern in München und Landshut. D ie S tadt Ingolstadt scheint zwar nicht im Bunde, aber doch im Einverständnisse gewesen zu sein. Am 27. Januar 1439 schrieb er dem Vater den Absagebries, die Kriegserklärung, obwohl mittlerweile der Hauptanlaß zum Vorgehen, W ieland von Freiberg, eines schnellen Todes gestorben w ar, wahrscheinlich insolge von G ift (1438). W ie es scheint, hatte auch der Vater diese Auffassung, denn am 15. Januar1439 enterbte er seinen Sohn Ludwig den Höcker.

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S ofo rt nach der Kriegserklärung erschienen markgräsliche T ru p ­pen vor Ingolstadt, denen dieses die Tore öffnete. D ie Truhen und Schlösser wurden erbrochen, die Schätze und Staatssiegel heraus­genommen. Vergeblich gebot der Kaiser, an den sich der Vater gewandt hatte, wiederholt Frieden, der Sohn kümmerte sich nicht darum. Vom Ende J u li 1441 bis zum 3. Oktober desselben Jahres belagerte er das feste Neuburg, welches dem Vater a ls letzter Nest lemer Herrschaft geblieben w ar, ohne die S tadt nehmen zu können. Am 20. J u li, dem Namenstage seiner B ra u t, feierte der junge Ludwig m Ingolstadt seine Hochzeit. Anfangs des nächsten Jahres suchte er abermals vergeblich Neuburg zu überrumpeln. 1443 wurde endlich d n große und letzte A ng riff gegen die S tad t eingeleitet. H ier hatte sich der alle Herzog durch seine Härte einen T e il der Bürgerschaft ent­seuchet, die einen kleinen Putsch gegen seine Diener unternahm. Der Herzog versprach im Falle der Freilassung Vergebung, zwang aber, als dies geschehen w ar, die betreffenden Bürger, die S tadt zu verlassen, ^.rohdem hielt die Bürgerschaft m it einer anerkennenswerten Treue bis zum letzten Augenblicke zu ihm. Am 7. M a i begann die Belage- ru r^ , die eine der hartnäckigsten des ganzen Jahrhunderts war. Erst nach 18 Wochen, als bereits die M auern durch das Geschütz stark ge- mten hatten, gelang der S tu rm (4. September). D er A ng riff des ongolstädters wurde abgeschlagen, M arkgraf Achilles dagegen über- Wichte durch eine Kriegslist die Verteidiger und erstieg die M auer. Neiche Beute siel den Eroberern in die Hände. Jeder Reiter erhielt 11 sl., das Ansbachische Fußvolk allein 2000 sl. Beutegeld. Gefangen wurden m it dem alten Herzoge 77 Edelleute, 23 Hosbedienstete, 11 Jäger und 111 bewaffnete Bürger Neuburgs. D ie Söldner hal­len zum großen Teile bereits seit längerer Zeit Reißaus genommen. -r)er alte Herzog wurde in einem geheimen Kerker des Schlosses ge­fangen gesetzt.

Nicht lange durste sich der Sohn seines gelungenen Frevels erfreuen. Schon am 7. A p r il 1445 starb er unversöhnt m it dem A t e r zu Ingolstadt an einem hitzigen Fieber. Allgemein faßte die -^e lt seinen Tod als Strafgericht Gottes aus. E r hinterließ nur ein einziges Töchterlein namens Katharina. A u f die Kunde vom A b ­leben des jungen Herzogs drang im Austrage des Markgrafen Albrecht Achilles dessen Pfleger in Graisbach nächtlicher Weile in Neuburg ein, bemächtigte sich des alten Herzogs und schleppte ihn aus die Festung Kadolzburg. Gleichzeitig ließ der M arkgra f auch ble S tadt In -

.......... - - u ,„gehabt euch wohl, w ir hoffen zu G ott, w ir kommen schier m it Freuden wieder." Trügerische Hoffnung! Jetzt rächte sich Ludwigs Gewalt­tätigkeit gegen seine Nachbarn: er hatte keinen Freund aus der gan­zen Erde. D er einzige, der sich seiner etwas annahm, w ar Herzog Albrecht von München.

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Nach germanischem Rechte hatte einen gefangenen Fürsten die Landschaft seines Landes auszulösen. ^ Jahre tagte die Ingolstädter Landschaft, die Herzog Albrecht einberufen hatte, ohne zu einem Ergebnis zu gelangen. Denn die Forderungen, die an sie gestellt w u r­den, waren unerschwinglich. Nicht weniger als ^ M illio n sl. verlangte die Herzoginwitwe, nämlich

60 000 fü r sich,50 000 für ihre Tochter,

200 000 zur E rfü llung der Ingolstädter Stiftungen des Herzogs und142 000 fü r ihre B rüder.

D ie Ungeheuerlichkeit dieser Summe kommt uns erst dann zum B e ­wußtsein, wenn w ir bedenken, daß damals 30 fl. das Jahreseinkommen einer guten P fa rre i darstellten. Es ist einleuchtend, daß auf solcher Basis eine Einigung nie zustande kommen konnte. Hiezu kam, daß der alte Herzog erklärte, er wolle zu einem Loskauf nie seine Zustimmung geben, ja daß er seiner Landschaft geradezu verbot, ihn m it Geld zu lösen. F ü r ihn w ar die Anschauung maßgebend, er sei in einem zu Unrecht begonnenen Kriege gefangen genommen worden und müsse deshalb nach der Rechtsausfassung seiner Zeit ohne Lösegeld frei gege­ben werden. Außerdem erkannte er genau, daß die Ansbacher es lediglich auf seine Schätze abgesehen hätten. Im November 1445 ließ ihn die Herzoginwitwe nach Ansbach bringen, wo er nicht gut behan­delt wurde. D ie Kost soll so schlecht gewesen sein, daß sich sogar die Schildwachen weigerten, dieselbe zu nehmen.

D a Gefahr bestand, es möchte aus diese Weise der Ansbacher auch auf das Wittelsbacher Land des Herzogs die Hand legen, nahm Heinrich von Landshut die Sache in die Hand. Nach längeren V e r­handlungen kam endlich zwischen ihm und dem Markgrafen am 18. J u li 1446 ein Vergleich zu stände. D ie Herzoginwitwe sollte 60 000 fl. erhalten, versichert auf die Aemter Gerolsing, Kösching, Neuburg und Gaimersheim. Außerdem bekam sie ihr eingebrachtes M o b ilia r nebst ihrem S ilbe r und ihrem Schmucke wie auch die ih r gemachten Geschenke, ferners eine kleine Krone und 4 Halsbänder. A lles andere an Kleinodien gab sie zurück, nämlich die große Krone m it dem „G e ­stein vom Tage", d. h. m it den a jour gefaßten Edelsteinen, einen gro­ßen R ubin, das Frauenbild, das Perlenkreuz, 20 Diamanten, alle U r­kunden und alle Urbarien. Z u r Lösung der versetzten Kleinodien er­hielt sie außerdem noch 6 000 fl. D ie Prinzessin sollte eine den Haus­gesetzen entsprechende Aussteuer bekommen und im A lte r von 10 Jah­ren dem Niederbayerischen Herzog übergeben werden. D er M a rk ­graf bekam fü r seine Unkosten 42 000 sl. Von den Ingolstädter S t i f ­tungen ist im Vertrage nichts gesagt. D a fü r sollte der alte Herzog m it seiner ganzen Habe und seinem Lande an Herzog Heinrich ausge­liefert werden. Am 14. August erfolgte wirklich die Uebergabe. Lud­wig der Gebartete wurde an Ingolstadt vorbeigeführt, w eil die B ü r ­gerschaft, wie man sagte, den Versuch machen wollte, ihn zu befreien. A n der Landesgrenze, der Sonnenbrücke bei Unsernherrn, wurde er

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von 600 Reitern des Landshuters übernommen, erst nach Landshut und dann nach Burghausen in die Gefangenschaft geführt. Z u r Beschäf­tigung gab man ihm einen silberbeschlagenen Psalter, das Evangelium Iohannis und eine deutsche Bibelübersetzung. „W e r m ir dies gesagt hätte in meiner Jugend," hörte man den alten M ann wiederholt klagen, „lch hätte nicht geglaubt, daß alle deutschen Fürsten mich dahin drin­gen könnten."

D ie Ingolstädter Landschaft protestierte gegen diese neue Ge­fangennahme ihres Herrn und wandte sich an den Kaiser, den Frank­furter Reichstag, den König von Dänemark und denjenigen von Frank­reich, um die Freilassung ihres Herrn zu erwirken. Tatsächlich w ur­den ihre B itte n auch von einigen Fürsten unterstützt. Endlich in der Rächt vom 1. auf den 2. M a i 1447 erfolgte die Lösung, und zwar durch den Tod. Des Sterbenden letzte W orte waren: „Barmherziger ^ o t t , erbarme dich meiner!", woraus der anwesende Kaplan von Burghausen ihn von den Censuren lossprach. D ie Beisetzung erfolgte mit allen kirchlichen Ehren im Kloster Raitenhaslach. Doch ist der O rt sei­nes Grabes dort nicht bekannt. D ie Münchener Linie erhielt von dem Ingolstädter Herzogtum die beiden Aemter Deggendors und Schwa- oeu, dazu 32 000 sl., um die verpfändeten Gebiete der Oberpfalz ein- zulosen. A lles andere m it den sämtlichen Schätzen zog der Landshuter an stch. D er König von Frankreich verlangte als Schwestersohn die Herausgabe der Kleinodien, ohne aber m it dieser Forderung durchzu­r in g e n . Vorhanden waren noch diejenigen Pretiosen, die im vorigen <lahre die Herzoginwitwe übergeben hatte, ferner die Krone der Köni- Mn von Frankreich m it einem goldenen Tafelgeschirr, hinterlegt in ^tratzburg, die B ild e r vom hl. Michael, Philipp und Dionys, hinter­legt in Lauingen, die Krone vom Dorne Christi mit 2 Kreuzen und den B ildern von Petrus, K a rl dem Großen und Dionys, ein sechseckiger sn ^ aus der Krone m it dem a jour gefaßtem Gesteine. Außerdem >and man noch lausende von Gulden an Geld in Lauingen, Ulm und Regensburg.

D am it hatte Ingolstadt aufgehört, Residenzstadt zu sein. Das B ild leinem letzten Herrscher wäre aber nicht vollständig, würden w ir

nicht auch in den Kreis unserer Betrachtung ziehen, was er für seine getan hat. Seine reichen Geldmittel und sein Hang zum

r« M E N gestatteten ihm hier Großes zu schassen oder wenigstens V die Wege zu leiten. A ls Ingolstadt durch die Landesteilung unter herzog Stephan wieder Residenzstadt geworden war, w ar es noch

Städtchen m it recht bescheidenem Umfang und recht ein- «achen Verhältnissen. W oh l w ar die Stadterweiterung durch den Bau des Kreuztores i. I . 1385 zu einem gewissen Abschluß gekommen, oer die Stadtmauer w ar noch nicht fertig, die S tadt w ar noch, wie

^ ^ " " d e n heißt, „ungesichert und unbesorgt". Im Süden ar die Erweiterung überhaupt nicht geschehen, hier lag das S p ita l

au^, ^ außerhalb der M auer. Auch dort, wo die Grenzen hin- sgeruckt waren, lag das neugewonnene Baugelände zum größten

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Teile noch srei und die alte Stadtmauer, der gegenüber bereits die jetzige Echrannen- und Kupserstraße außerhalb waren, bildete immer noch einen gewissen Abschluß, da der vorgelegte Graben erst ausgesüllt und bebaut werden mußte. Unter Ludwig dem Gebarteten wurde nun im Süden das m it der Spitze an die Donau sich stützende Dreieck der S tadt einverleibt und am 18. M a i 1430 der Grundstein zum Donau­tore gelegt. Herzogliche Residenz w ar immer noch die aus der Zeit Ludwig des Strengen stammende B u rg , die einstens den Hauptstüh- punkt der alten Stadtbesestigung gebildet hatte, -e r heutige Herzogs­tasten, von dessen damaligem Zustande w ir uns freilich keine Borstet, lung mehr machen können. A n Kirchen waren vorhanden: die alte Moritzkirche, die bereits außerhalb der alten UmwaUung liegende Barsüsser- oder Minoritenkirche, das uralte Georgskirchlein in der heutigen Schässbräustraße und die Annakapelle beim Spitale. 1407 hatte Herzog Stephan eine 2. P fa rre i geschaffen, die den westlichen T e il der Stadt umfassen sollte. Aus dem freien Platze zwischen dem neuen Kreuztor und dem weiter innen liegenden alten Westertore war ein Friedhof angelegt worden, als Pfarrkirche aber mußte immer noch ein hölzernes M arienkirchen dienen und als Glockenturm der bei demselben gelegene Turm der ehemaligen Stadtbesestigung. Dem Zuge der Zeit entsprechend, wo die Gotteshäuser die Repräsentanten fü r die Größe, den Reichtum und die Macht der Städte oder Fürsten bildeten, sollte nun auch Ludwigs Residenzstadt eine Kirche erhalten, die sich an Größe und Pracht getrost m it jeder anderen messen und m it ihren hochragenden Türmen weit in die Donauebene hinaus den Glanz des Ingolstädter Fürsten künden konnte. Am 18. M a i 1425 wurde der Grundstein zur großen Frauenkirche gelegt, die zugleich für die Fam iliengruft der Ingolstädter Linie bestimmt war. M i t Urkunde v. 8. J u li 1429 verfügte der Herzog, daß hieher überführt werden soll- tcn die Gebeine seines Vaters Stephan aus dem Kloster Nicdcrschöncn- feld, diejenigen seiner ersten G attin Anna von Bourbon und seiner beiden Kindern aus P a ris und das Herz dieser seiner G attin , das cben-

. fa lls zu Niederschönensetd lag. F ü r sich selbst ließ er einen großen - ' roten Marmorstein im Chöre der Kirche und über der G ru ft aus- vstellen, der sein Grabmal enthalten sollte. D ie A r t der Ausführung

hatte er selbst genau vorgeschrieben. E in M ode ll aus Gips, wahrschein­lich den ersten Werkstättenentwurs darstellend, bewahrt die Frauen­kirche, eine seine künstlerisch wertvolle in Treuchtlinger M arm or aus­

> geführte P latte , in der w ir wohl das M ode ll des Künstlers sehen dür­fen, besitzt das bayer. Nationalmuseum in München. Tatsächlich w ur­den nun freilich hier nur sein Vater Stephan und das Herz seiner Gemahlin untergebracht. D e r Chor m it seinem Kapellenkranz wurde noch fertig und konnte 1439 eingeweiht werden, während „der Hintere Chor", wie die Urkunden immer das Schiff nennen, seine V o l­lendung erst 1495 erlebte, die Türme aber nur bis zur Höhe der Uhr gediehen und heute noch unvollendet find. D ie Kirche wurde m it S t i f ­tungen und Kleinodien aufs reichste ausgestattet, und zwar merkwürdi­

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gerweise gerade in der Zeit, wo der Herzog dem B ann und dem In te r­dikt verfallen w ar. E r bestimmte 10 Priester fü r den Chor, stiftete für jeden der 6 P fe iler desselben einen A lta r und ein Benesizium und für das Schiff außerdem noch 3, so dast w ir nicht weniger als 19 Priester erhalten hätten, zu denen 16 Psalteristen und 26 Schüler für den Chordienst gekommen wären. 1438 schenkte er der Kirche das gol­dene Frauenbild, eine Pariser Goldschmiedearbeit von unschätzbarem W erte, die man später „die G nad" nannte. Es überlebte alle Stürme der Zeiten und wurde von den Bürgern ängstlich gehütet, bis es in der Säkularisation nach Augsburg in die Münze abgeliefert werden mutzte. Aemätz der Schenkungsurkunde sollte von da an die Kirche den Namen führen zur „Schönen", d. h. zur Schönheit, Herrlichkeit U. L. M au . Es w ird in der betr. Urkunde folgendermatzen beschrieben:

E in goldenes Frauenbild, sitzend aus einem goldenen S tuhl und das Kindlein aus dem Schöbe haltend, über demselben das B ild von G ott Vater m it 4 Palas und 12 groben Perlen. D a r­unter der 'hl. Geist in Gestalt einer Taube, an jeder Seite mit 3, grotzen Perlen geziert. Ueber dem Haupte M ariens schwebt eine Krone, gehalten von 2 Engeln und geziert m it 6 mittleren Saphiren und 10 Perlen. Neben jedem der beiden Engel befin­den sich 3 Perlen, über dem Haupte eines jeden ein grober Saphir, ebenso unter den Füssen. Das Frauenbild trägt um das Haupt ein Diadem gewunden mit 5 Palas und 12 Perlen. An den beiden Schultern befindet sich ebenfalls je ein grober Saphir, der von 3 Perlen gekrönt w ird . A n dem Gehäuse von der Schul­ter bis zum S tuh l sind aus jeder Seite 2 Palas und 6 Perlen. An dem M an te l trägt U. L. Frau eine Spange, einen Nubinpalas und 10 Perlen. Rechts von M a r ia kniet der König von Frank­reich im Wasfcnrocke und mit der Krone, die m it 5 Smaragden und 24 kleinen Perlen geschmückt ist. Daneben steht ein R itte r im Wafsenrock, der den Schild und einen bekrönten Helm hält. 9n der Krone sind wiederum 6 Smaragde und 24 Perlen, ebenso in der Krone der Königin und in deren Helmkrone. D ie Königin kniet zur linken Seite; sie trägt die Krone auf dem Haupte und hat hinter sich ein stehendes Wappensräulein als Schildhalter. Aus dem Fube Les B ildes stehen 4 Engel, nämlich 2 vor U. L. M au und je einer hinter dem König und der Königin. D er Futz selber besteht aus vergoldetem S ilber; er ruht aus 6 kleinen Tigern. .D a dies kostbare B ild stistungsgemäb niemals aus der Kirche

getragen werden durste, wurde ein Abbild aus Holz gefertigt, das noch vorhanden ist. D as Gegenstück bildete das sogenannte goldene ^lotzl in der Schatzkammer zu A ltötting, welches vom Herzog von ^andshut seinerzeit dahin verpfändet wurde. D as Ingolstädter Marienbild wurde bekanntlich das V orb ild zur „Schönen M a r ia " in A gensburg , zu dem am Anfange des 16. Jahrhunderts eine gewaltige WaUsahrt entstand.

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V on a ll den Kostbarkeiten, die der Herzog seiner Kirche schenkte, hat diese heute nur noch seinen Kreuzpartikel, aus dessen Umrahmung freilich auch die Edelsteine schon langst ausgebrochen sind und besten Seitensiguren M a r ia und Johannes durch solche aus dem 18. Jah r­hundert erseht sind. D as Kreuz selbst ist aus Gold.

M i t Rücksicht auf die zahllosen Fehden verwendete der Fürst grohe Summen aus die B e f e s t i g u n g der wichtigeren Plätze seines Landes. Wasserburg, Friedberg, Kösching, Wackerstein, Schroben- hausen, Aichach und Schärding tragen zum Teile heute noch Wappen­steine von ihm, die alle merkwürdiger Weise m it einem B ilde aus der Oswaldlegende geschmückt sind. Den Oswaldraben wollte er auch auf feinem eigenen Grabmonumente haben, wie er ihn auch in die Livree seiner Hosbedienten aufnahm, ein Zeichen, dab er an dieser mittelalterlichen Spielmannsdichtung außerordentliches Gefallen ge­funden hatte. Strategische Gründe werden wohl auch in erster Linie bestimmend gewesen sein fü r die Anlage einer großen und festen B u r g in der Nordostecke der neuen Stadtbesestigung. Versehen m it einem doppelten Graben, m it fast 3 M ete r dicken M auern m it starken, mas­sigen Türmen sollte sie m it ihren Zinnen und hochragenden Giebeln seiner Dynastie für alle Zeiten ein uneinnehmbares Bollwerk bilden. Auch hier erlebte er den Ausbau nicht mehr. D er große Wappen­stein im ersten Stockwerk, der den geflügelten Löwen der Ingolstädter Linie trägt, zeigt die Grenze, bis zu welcher der B a u unter seiner R e­gierung gediehen ist. Freilich, ganz ohne Gewalttätigkeit ging es auch Hiebei nicht. Das Feldkirchnertor, welches die Verbindung der Stadt m it den östlichen Feldern und Ortschaften herstellte, fiel noch in den Gesamtkomplex ber Burganlage. Kurz entschlossen ließ der Herzog dasselbe sperren und außerdem alle Häuser, die auf dem Gebiete der geplanten Anlage standen, ohne weiteres niederreißen. Beschwerde- führend wandten sich deshalb R a t und Bürgerschaft an das Baseler Konzil, das einen Ausgleich vermittelte: der Herzog baute den B ü r ­gern etwas weiter nach Norden und außerhalb her B u rg ein neues T o r und ließ das alte bis zu dessen Vollendung benähen; die B e ­sitzer der niedergerissenen Häuser sollten entschädigt werden. I n den letzten Lebensjahren Ludwigs w ird wohl an dem Schlosse nicht viel gebaut worden sein. Vollendet wurde es durch bie Landshuter Her­zoge, deren letzter, Georg der Reiche, dort starb. D ie schönen Säle des Erdgeschosses und ersten Stockes m it ihren wertvollen Türstöcken und ihren reizenden Durchblicken bergen jetzt das städtische Museum mit der Bibliothek und dem Archive. Leider wurde es anfangs des 17. Iahrhdts. durch Blitzschlag schwer beschädigt. Das oberste Stock­werk m it seinen Zinnen und Türmchen brannte nieder und wurde nicht mehr ausgebaut, aber selbst a ls Torso w irkt das Ganze heute noch gewaltig und imponierend durch die Wucht seiner Anlage.

E in drittes, ebenfalls außerhalb der alten Stadtmauer gelegenes - Gebäude, welches sich durch seine hervorragende Größe im Stadtbilds bemerkbar macht, ist das vom Herzoge erbaute neue P f r ü n d n e r -

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H a u s , „neues" im Gegensatz zu dem schon bestehenden, von Ludwig dem Bayer gestifteten, welches später und heute kurzweg das S p ita l genannt wurde. Es war sür 15 Arme bestimmt, hatte eine Kapelle und ursprünglich sogar 3 Benesizien, die aber ber S tifte r später in seine Frauenkirche übertrug. D ie Psründner mutzten täglich statt des Brevieres der Geistlichen 206 Paternoster und Ave M a ria beten. Das Haus wurde später das Heim der Universität, sür die auch die S tiftung verwendet wurde.

. F ü r die charitativen Bedürfnisse der Residenzstadt sollten die vielen und reichen S p e n d s t i f t u n g e n des Herzogs sorgen. Eine derselben bestimmte sür 18 Arme, die beim Stiftergrabe beten mutzten, eine Jahresra te von 109 ung. sl., eine 2. ordnete in der 4. Woche nach Pfingsten einen Iah rtag für die bayer. Fürsten in der Frauen­kirche an, dem sämtliche begründete Geistliche des Landes zwischen der Donau und dem Leche beiwohnen mutzten. Es waren damals 160 und leder derselben sollte als Anwesenheitsgeld 7 Negensburger dl. erhal­ten, entsprechend dem damaligen Betrage des Metzstipendiums. B e i diesem Iah rtag sollten 15 Arm e im Klaggewande an der Tumba stehen und zum Opfer gehen; als Entschädigung hätte jeder derselben 24 dl. velommen. Zu diesen eben aufgezählten Stiftungen kommen noch ^ *^Eere Spendstiftungen, nämlich eine für das Hofgesinde, eine, die

, bestimmten Tagen des Jahres ausgeteilt w ird , eine dritte, die an 17 Arm e zu Ehren bestimmter Heiliger gegeben w ird , und endlich eine fü r 1000 Arme aus einmal. ..

Nicht weniger als 44 solcher Stistungsurkunden kennen w ir sür Ingolstadt. S ie beginnen m it dem 8. J u li 1429 und endigen m ll oem 28. Oktober 1442. D ie meisten blieben ebenso unausgeführt wie die Gründung eines Deulschordenshauses, fü r die ebenfalls schon das ^a p u a l ausgeworfen war. Sämtliche Urkunden tragen den eigenhän­digen Namenszug des Herzog, der sich stets als „L o ys " unterzeichnete.

w ar übn'gens der erste deutsche Fürst, der neben der Besiegelung auch die Unterschrift in den Urkunden einführte. Nicht ohne eine in­nere Bewegung vermögen w ir dabei die M otivierung zu lesen, die in vielen dieser Urkunden wiederkehrt. So heißt es in jener vom 30. clanuar 1438 über die G iften der Pfründehausstistung:

„S o begern w ir zu leben und sterben in dem glauben unserer Mutter der hl. kirchen, und darumb, datz w ir ain großer sünder sein und grob gesündigt haben m it der sünd der geitigkeit (— Un° keuschheit) und v il Unrechts guts eingenommen haben wider den almächtigen got und das hail unser sel, haben w ir . . .". on dergleichen Urkunde kommt er noch einmal auf denselben Ge-

oanken zurück: D ie 15 Pfründner sollen beten„das uns got durch sein parmherzigkait a ll unser sünd ver­

geben, die w ir getan haben oder Hinfür tun, und unserm leben am gut kristenlich end und nach diesem leben die fraüd in ewigkait vor dem anplick des allmechtigen gots well geben; was w lr Un­rechts guts eingenommen haben oder Hinfür einnemen und nicht

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Widergeben hetten, so w ir von diesem leben schaiden, datz wkr darum n it geurteilt werden in die ewig verdampnus, sondern die vorgeschrieben g u t. . . abgezogen werde durch die parmherzigkait gottes".Vergessen w ir nicht, bah der Herzog zur gleichen Zeit, wo er

diese W orte niederschreiben lieh, m it der Kirche zerfallen, m it Bann und In terd ikt belegt war. W ie bei so vielen Menschen seiner Zeit lebten also auch bei ihm zwei Seelen in einer B rust und, je nachdem die eine oder die andere das llebergewicht bekam, ritz sie ihn auf die B ahn des Guten oder des Schlimmen. — .

M i t dem Ende des Herzogs Ludwig des Gehärteten sank auch die Glanzzeit Ingolsladls in den Staub. Zunächst w ird wohl eine schwere wirtschaftliche Erschütterung die Folge gewesen sein, nachdem eben alle m it den Bedürfnissen eines glänzendreichen Hofstaates zusammen­hängenden Einnahmen fü r die Bürgerschaft in W egfall gekommen w a­ren. Erst die Eröffnung der Universität im Jahre 1472 brachte Ersah hiesür. Freilich, so hoch dieser auch nach der wissenschaftlich-kulturellen Seite eingeschätzt werden mutz, aus dem Gebiete der Kunst konnte der Verlust der Residenz niemals wett gemacht werden. D ie In g o l­städter Kunstschule, die bei U. L. Frau sehr gute Arbeiten schuf und auf dem besten Wege der Entwicklung war, ging damals unter und konnte niemals wieder erstehen. Am Grabe des alten Herzogs aber, der ein so klägliches Ende fand w ie kein B e ttle r seines Landes, wurde viel vergessen und viel vergeben. Auch w ir wollen mehr an das Trotze denken, das er geschaffen, als an die Schattenseiten seines Cha­rakters und seines Tuns. A u f die S tadt aber und den Glanz ihrer damaligen Stellung dürfen w ir des Dichters W o rt anwenden:

W as vergangen, kehrt nicht wieder.Aber ging es leuchtend nieder,Leuchtet's lange noch zurück.

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Saugeschichtliche Würdigung der ingolstädter Liebfrauenkirche

0 Von Dr. ing. Schwäbl,>7ngolstadt^

Vortraguns der ir . Hauptversammlung des Verbandes bagerischer

Geschjchto- und Urgeschichtooereine in ingolstadtam 30. Oktober 1526

M it 16 Abbildungen

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. Unausgebaut, dem B ilde ihrer unvollendeten Westtürme ver­gleichbar, so steht die Ingolstädter Liebsraucnkirche bisher auch in der Kunstgeschichte: bei Lücken und Widerspruch im Einzelnen ist ihre Wertung im Ganzen unsicher geblieben. Der eigenartige Charakter dieser spätgotischen Uebergangssorm, die in wesentlichen Punkten aber doch wieder alles andere denn ein einfaches Bindeglied zwischen Basi- ma und Hallenkirche darstellt, mochte eine solche Beurteilung lange Zeit zur Genüge begründen. Heute aber, nachdem die angeblich entartete Spätgotik längst wieder ihr Recht gesunden, nachdem ins­besondere das Interesse der Forschung allgemein sich neben den aus­gesprochenen Stilrepräsentanten auch dem Ablauf der Typenände- ^ungen selber zugewendet hat, mag es wohl an der Zeit sein zu einem Versuche, auch diese in mancher Hinsicht außer der Reihe stehende, aber deshalb nicht minder große Einzelschöpfung der bayerischen Spätgotik neu zu würdigen. ,

W ollen w ir dabei letzten Endes ermitteln, was als Sonderlei- stung außerhalb des Zwanges der Zeit einer eigenen Deutung be­darf, so läßt es sich nicht umgehen, zur Wertung der jeweiligen Einzel- sorm der Uebergangsstuse, wie w ir sie gerade an diesem Denkmal vorfinden, auch Herkunft und Z ie l der Gesamtentwicklung zu beachten. Erst dann w ird das Baudenkmal im Rahmen der Zeit und im Vergleich m it den Schöpfungen der Nachbarstädte gebührend hervor­treten können.

Zwischen der Basilika der Hochgotik und der spätgotischen Hal­lenkirche liegt der Unterschied ja keineswegs n u r in der landläufigen Unterscheidung nach der Querschnittbildung, wonach die Basilika durch ein selbständig belichtetes Mittelschiff zwischen niedrigeren Seitenschif­fen gekennzeichnet ist, während bei der Hallenkirche sich gleichhohe Schisse unter gemeinsamem Dach vereinen, sondern es tr itt in diesem Unterschiede nur das grundverschiedene Wesen der beiden Typen am sinnfälligsten zutage. — Achten w ir diesbezüglich aus unsere Kirche, so stoßen w ir aber auch schon aus ihre ausfallendste und bisher meist schwer gerügte Eigentümlichkeit: Ih re drei Schisse sind ähnlich einer Basilika ungleich hoch: soserne sie ähnlich einer Hallenkirche aber unter gemeinsamem Dache geborgen sind, entbehren die Hochwände des Mittelschisscs selbständige Belichtung: in verdämmerndem Dunkel liegt sein großmaschiges Netzgewölbe über kahlen, fensterlosen Hoch- schiffeldern. Es entsteht somit ein ausgeprägtes Beispiel der „unreinen Hallenkirche", wie man mit deutlichem Unterton der Minderwertung diese Lösung zu bezeichnen pslcgt. - Ich möchte indessen hier schon

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betonen, dost ich gerade diese eigenartige Anlage weder als Ueber- gangssorm noch a ls Rücksall anspreche, vielmehr a ls eine durchaus überlegte Eigentümlichkeit, sür welche aus den allgemeinen Zielen spät­gotischer Lichtsührung eine Deutung versucht werden soll.

D e r allgemeine Uebergang von der Basilika zur Hallenkirche bat sich nun aber keineswegs sprunghaft vollzogen, soscrn man etwa der Basilika überdrüssig jenen fertigen T y p der Hallenkirche wieder aus­genommen hätte, w ie ihn schon die romanische Kunst entwickelt hatte, wie er etwa in Regensburg zu S t. Leonhard und zu K arthaus-P rü ll oder in Augsburg zu S t. Peter am Perlachturm heute noch zu finden ist und wie er — Ingolstadt näher — einst auch in der romanischen Hallenkirche des Frauenklosters Bergen bei Neuburg vertreten war. D ie deutsche Spätgotik hat sich vielmehr den von der Hochgotik seit Generationen vö llig abgelehnten Hallentyp in allmählicher Umbil­dung erst wieder neu geschossen. Es w ar das rückschauend beurteilt ein umfassender Prozest der Vereinheitlichung und Vereinfachung in allem Wesentlichen und zugleich der Uebergang von einem struktiven S t i l zu einem malerisch empfundenen Massen- und Flächenstil.

Vergegenwärtigen w ir uns z. B . den Grundrist einer gotischen Basilika - etwa den Dom zu Regensburg oder ein französisches B e i­spiel: S t. Duen zu Rouen (Abb. 5a), das man ob der Besonderheit sei­ner Schrägstellung der Westtürmc schon manchmal m it Ingolstadts Frauenkirche zusammen genannt hat —, so sehen w ir im Regelfall ein stattliches Turm paar im Westen, kräftig ausladende Querschifsarme,

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die starken «Pfeiler eines Vierungslurmes. das M itte M s s doppelt l ° breit wie die Leitenschisje. -inen ebenso gebildeten Km it einem Chorumgang und m it cmem Kranze In l aUodm a, >cw

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Gegenpol ist erreicht: aus der reich gegliederten ^ m p H '^ d c r st'i'a ist der Einhcitsraum derHaltegcworden - w V c r l a u . d e ^ «Pole in Ingolstadt. wenn auchhmsichtl'ch der b ° ^ reduziert, E I. M oritz und die Obere Franzis anerkirchc c'ncilcils. in ausgeprägter Vollendung als reine Halle ander ! lallirchc darstellen. Unsere Frauenkirche steht dazw>Ichcn A s ^,ider Basilika besitzt sie noch ein stottl'ch-s ^urm paar m W cltcn dgegen kein Querschiss. auch keinen organisch abgetrennten Chor mehr. ja auch das Uebergewich, der Mit.eUchiisbreüe ,ch°n ^Sinken, es ist weniger als doppelte Seitenschlssbrei e. ^ cy pellengrundritz ist typisch spätgotisch: ^ ' e .

W M Z ^ A L L MR undpkiler. aber in Erinnerung ^ ^ e lp lc . l c r noch^m.t zwc.

Z Z Z N L - W M— ist unsere Lurche recht

kämvlerlos ins Gewölbe über, nur von schwachenund Schildbogen umsäumt Ganz.

N c h 'L L t t e U ^ die Scheidbögen zwischen Se.ten-

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und Mittelschiff den Rundpseilern und ebenso find die Bogenprofile der späteren westlichen Kapellen entweder ohne jede Betonung der Kämpserlinie bis zu seltsam geschachtelten Sockeln herabgesührt oder es ist an die Stelle des konstruktiv-tragenden Kapitals eine nur noch dekorativ empfundene Knickung oder Ueberkreuzung getreten. Im Gan­zen also stiebender Uebergang. (Querschnitt und 3a).

Besonders interessant verlauft im Wandel von der Basilika zur Hallenkirche bekanntlich die Aenderung der Gewölbeformen. I n der hochgotischen Basilika klarste Scheidung der ungleich hohen Schiffe durch Scheidbogen; innerhalb des einzelnen Schiffes klarste Trennung der einzelnen Joche durch Gurtbogen; innerhalb des einzelnen Jochs wieder klare Trennung der vier Gewölkekappen durch Kreuzrippen. Gegen die Spätgotik hin tr it t fortgesetzte Verschiffung und Verein­heitlichung ein. A ls erstes zerstören. Sterngewölbe die klare Unter­teilung der Kreuzgewölbe und behaupten sich an Stelle von vier ge­trennten Feldern als zusammenfassende gröbere Einheit. A ls zweites folgt die Verschiffung von Joch zu Joch innerhalb der einzelnen Schiffe. D ie Scheitel der Gurtbögen werden selbst zu Mittelpunkten von Sternen oder sie werden aufgelöst; jedenfalls verwachsen die eln- zelnen Gcwölbestcrne ineinander, bis zuletzt ein einziges Netzgcwölbe als umfassende gröbere Einheit das ganze Schiff überspannt. Nach die­ser Verschiffung in der Längsrichtung erfolgt als letztes die Durch­dringung auch in der Querrichtung. D ie drei Schiffe sind gleich hoch geworden, die Scheidbogen fallen, .die einzelnen Netzgewölbe ver­schmelzen zu der nur von Einzelstühen getragenen Schale des Gesamt- gewölbcs der Hallenkirche. D er Gegenpol ist erreicht. M a n ist ver­sucht zu sagen: Aus dem föderalistisch ausgebauten Bundesstaat der organisch gegliederten, in ihrer Eigenstaatlichkeit klar gegen einander abgegrenzten, mannigfaltigen Einzelgewölbe der hochgotischen Basilika ist der unitaristisch entwickelte Einheitsstaat der spätgotischen Halle ge­worden. Den Gewölbcorganismus unserer Kirche finden nur wieder aus einer Zwischenstufe und doch nicht aus dem Wege zum soeben ge­nannten Ziel. W oh l hat sich die Gewölbeverschleisung die einzelnen Schifte entlang durchgesetzt, am straffsten im Mittelschiff; die völlige Vereinheitlichung auch in der Querrichtung steht jedoch infolge der merkwürdigen Mittelschifsüberhöhung aus, ja die Trennung ist durch dieses Hinausrückcn der Gewölbeschale des Mittelschiffes sogar sehr verschärft, sodab diesbezüglich eine Abweichung, ja eine Gegenbewe- gung zur allgemeinen Tendenz der Spätgotik, auch in der Querrichtung zu vereinheitlichen festzustellen ist. Diese im Vergleich zur Hochgotik allgemein verstärkte Betonung der Querrichtung ist auch in Ingolstadt dagegen wieder belegt durch die auch hier deutliche Vorliebe für die Anlage von auch architektonisch betonten Eeitcnportalen; die West­portale kommen aus der Mode. Auch bei uns ist das Südostportal tatsächlich das Hauptportal geworden und, hat es auch keine so reiche Ausbildung erfahren wie etwa die Brautpsorte zu S t. M a rtin in Landshut, so mag es andererseits m it der allgemein sinkenden Liebe

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fü r die Westportale doch auch zusammenhängen, daß das hiesige, das ursprünglich sogar eine offene Vorhalle erhallen sollte, nicht einmal mehr fertig gestellt worden ist. (2a, b). Denn m it Geldmangel allein wäre das deshalb schwer zu reklären, w eil M it te l genug noch flössen, um die gewiß sehr kostspieligen Gewölbe der Seitenkapellen erstehen zu lasten. W ie — anders ausgedrückt — in der Vorliebe fü r seitliche Eingänge auch ein Nachlösten der hochgotisch auss kräftigste betonten west-östlichen Nichtungskräfte zu erkennen ist, so sinkt auch die Span­nung der vertikalen Nichtungskräfte. D ie Innenräume werden niedri­ger, die Verhältnisse gehen ganz allgemein mehr in die B re ite , der u r­sprünglich spitzbogensörmige Gewölbequerschnitt w ird bis zum Halb­kreis, ja bis zum Korbbogen abgestumpft.

W ie diese Unterschiede sich bis zur vollen Gegensätzlichkeit letzten Endes auswirken, verdeutlicht so recht eine Beachtung der Lichtfüh­rung. ,Z n der Basilika" — so hat Dehio das meisterhaft form uliert — „fo lg t das Licht der Naumbewegung, sammelt sich im Mittelschiff, steigert sich im Hochschiff, in der Hallenkirche ist es nicht so . . . , hier ist das Mittelschiff am schwächsten beleuchtet und im Mittelschiff wieder der obere Raumabschnitt dunkler als der untere. Vollends bei S taffe­lung der Gewölbe tr it t ein Zustand ein, bei dem die hell beleuchteten P fe ile r nach oben in ber Dunkelheit geheimnisvoll verschwinden, — ein wesentlich malerischer Eindruck." (Geschichte der deutschen Kunst I I , S . 140). Beachten w ir unter diesem Gesichtspunkt gerade unsere Frauenkirche, so finden w ir diese Lichtsührung in der T a t erreicht, und zwar offenbar a ls ein besonderes Ergebnis der so oft schon genannten Mittelschiffüberhöhung. Sollte hier der Schlüssel zu dieser so unge­wöhnlichen Anordnung zu suchen sein?

Doch achten w ir vorerst noch weiter aus den allgemeinen Ablauf des Wandels auch bezüglich der Außenerscheinung, so können w ir hier wieder die gleiche Zielrichtung erkennen. M i t reichbewegter Um riß ' linie, m it zwei Westtürmen, womöglich m it hohem Vierungsturm, mit den unterschiedlich gestaffelten Baukörpern der einzelnen Schiffe und Kapellen, so ragt die Basilika in den Raum; ja sie verwächst m it ihm nicht nur in den durchbrochenen Helmen der Türme, sondern auch mit a ll der Fülle ihrer Strebebögen und Fialen.

Ganz anders die Hallenkirche: die unterschiedlichen Dächer ver­schwinden, m it ihnen die Strebebögen, e in mächtiger S a tte l breitet sich über den Gesamtraum und das Bestreben geht dahin, nicht nur die Schisse mitsamt dem Chor, sondern auch die Kapellen darunter zusam­menzufassen. Deshalb werden an der Münchener Frauenkirche die Kapesten zwischen den Strebepfeilern bis beinahe ans Hauptdach hoch- kwzogen (4a); bei S t. M a rtin in Amberg erhalten sie aus dem gleichen Grunde ein Obergeschoß und verschwinden m it diesem und zusammen mit den Strebepfeilern nach außen hin völlig im Gesamtbaukörper. -7 Auch in dieser Entwicklung finden w ir die Ingolstädter Kirche auf einer M ittelstufe, ja auf einer Anfangsstufe. N u r die Schiffe sind un-

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ter ein Dach gebracht, ringsum aber treten massige Strebepfeiler aus diesem Hauptkörper vor (1a), nur um den Chor herum sollten sie von Anfang an durch einen niedrigen Kapellenkranz wenigstens im unteren D ritte l körperhaft zusammengeschlossen werden, erst die 2. Halste des 15. Jahrhunderts hat die gleichen Kapellen auch dem Langhause ange­fügt, die jedoch unter eigenem Dach nach außen und innen ihr Eigen­leben behaupten (Querschnitt).

M i t beträchtlich größerem Abstände noch bleibt unsere Kirche m it ihrer Doppelturmsassade hinter der allgemeinen Entwicklung zurück (1b). Es fä llt uns das deshalb weniger auf, w eil ausnahmsweise auch die Münchener Frauenkirche noch 1468 doppeltürmig gebaut w ird , dort reilich in beurkundetem, ausdrücklichem Zurückgreifen auf einen eben- olchen romanischen Vorläufer. Von dieser Ausnahme abgesehen hat ich aber längst schon die Einturmanlage eingeführt. Es sei nur an

Landshut, S traubing, Wasserburg, Ulm, Nördlingen u. a. erinnert. Ja selbst zweitürmig begonnene Anlagen werden absichtlich eintürmig um­gestaltet wie S t. M a r t in in Amberg, wie S t. Peter in München gegen Ende des 14. Jahrhunderts oder nur eintürmig ausgebaut wie die Dome in W ien und in Straßburg. S ta tt in der Mittelachse kann der Turm dabei auch seitlich angeordnet werden und das Langhaus ma­lerisch überschneiden. Das symmetrisch angeordnete Westturmpaar un­serer Kirche ist somit für diese Zeit als eine besondere Merkwürdigkeit bezw. als ein veraltetes, aus der M ode gekommenes M o tiv zu be­zeichnen.

Umgekehrt aber verhält es sich m it der durchaus neuartigen archi­tektonischen Fassung dieser Türme, wobei ich von der vielbeachteten Uebereckstellung noch gänzlich absehe. Schon eingangs wurde der Uebergang von der Basilika zur Hallenkirche auch als Wandel von einem struktiven S t i l zu einem Massen- und Flächenstil bezeichnet. Das Unterdrücken der Kapitäle, das Ausmerzen der schier unzählbaren lo t­rechten Linien der Bündelpfeiler zugunsten der Rundsäulen, das V e r­schwinden der Strebebögen, das Hereinholen womöglich auch der Strebepfeiler in die Baumasse selbst, alles dieses Aufsaugen der vor­maligen Ausstrahlungen liegt in der gleichen Linie; ebenso — wenn auch im Gegensatz zum oft übertriebenen Hochschießen der Einzel­türme — das Nachlassen der Vertikalspannung in den Ouerschnittver- hältnissen, die Verbreiterung der Fenster, das Erschlaffen der Spitz­bögen, die Häufung horizontaler Gesimse, das neue Gefallen an ven von der Hochgotik beinahe völlig aufgelösten, ruhigen, ungegliederten Flächen. Dieser Aufsassungswandel läßt sich an unseren Türmen dank einem merkwürdigen Zusammentreffen wie an einem Schulbeispiel er­läutern.

Glücklicherweise ist uns nämlich der alte Ausbauplan der Türme in einer Fassung ungefähr vom Jahre 1520 im Originale erhalten ge­blieben (6a, b); außerdem besitzen w ir aber noch einen zweiten Ausbau­plan aus den achtziger Jahren des vor. Iahrhdts., welcher der dama­ligen Einstellung zur angeblich entarteten Spätgotik entsprechend die

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Türme neugotisch, d. h. in nachempfundener Hochgotik ausbauen wollte. (6e). Substituieren w ir nun diesen erfreulicherweise nicht ver­wirklichten, aber immerhin keinesfalls unbeachtlichen P lan eines M ü n ­chener Architekten Grast! fü r jene hochgotischen Tendenzen, denen er ja in Heister Sehnsucht nacheifert, so können w ir in der T a t an zwei Ent­würfen fü r die gleiche Aufgabe die weit auseinanderstrebenden Ziele dieser beiden Entwicklungsphasen der Gotik deutlich verfolgen.

D ie neugotisch-hochgotische Lösung kann sich gar nicht genug tun an Aufglpfelung unter gleichzeitiger Auslösung in durchbrochene Helme und Fialen; der alte spätgotische P la n dagegen arbeitet aus anderem W ollen heraus vorwiegend flächig m it nachdrücklich wiederholter B e ­tonung der Horizontalen und er läßt seine Türme schliesslich ohne Helme mit offenen Galerien enden, ähnlich der Stiftskirche in S tu tt­gart, der Kirche in R ottw e il oder der Ludgerikirche in Münster. Es ist schon die Frage ausgeworfen worden, ob dieser spätgotische P lan etwa nur den Steinmetz- und M auerplan darstelle, den erst noch ein Z im ­merwerksplan für einen Spitzhelm ergänzen sollte. Ich glaube das aber verneinen zu dürfen, und zwar nicht nur aus dem erwähnten, a ll­gemeinen Zielwechsel heraus, sondern auch auf gründ eines Einzel­merkmales des alten Hüttenrisses. D ie Oktogontreppentürmchen soll­ten nämlich deutlich erkennbar m it kleinen Halbkugeln enden, die zu­sammen mit einem Spitzhelm doch wirklich nicht geplant sein konnten. Es scheint m ir der letztere daher nicht nur in der Darstellung zu feh­len, sondern er darf gerade durch die dargestellte Endigung als aus­geschlossen erachtet werden.

B is zu welchen Mißverständnissen sich die Neugotik des 19. Jahr­hunderts nun aber in der Umdeutung des spätgotischen Planes ver­griffen hat, lästt sich besonders schön am Aenderungsplan bezüglich der Ecklisenen erkennen. D ie Türme der Ingolstädter Frauenkirche sind, soweit ich sehe, neben S t. M a rtin in Amberg die ersten, an denen im Gegensatz selbst zum hiesigen Langhaus die vordem so beliebten, auch von Stetheimer stets noch angewandten Eckstrebepseiler völlig verschwunden sind. D ie Eckbetonung durch Lisenen ist, w ie der alte Ausbauplan zeigt, etwas gänzlich anderes; diese Lisenen, welche über der Uhr im fünften Stockwerk in einem großen Eselsrücken zusammen­laufen sollten, sind nicht mehr funktionell empfunden, sondern dem Kuhus des Turmes lediglich als belebendes Zierm otiv angefügt. Dergleichen kannte die Hochgotik freilich nicht und so deutet denn auch her Neugotiker des 19. Jahrhunderts die Ecklisenen vö llig um; er steht über Eck je zwei plastisch zusammen, fastt sie dadurch struktiv- körperlich auf und lästt sie nun als eine A r t riesiger Ecksialen völlig gegen ihren S inn gen Himmel stürmen. S o erläutert uns gerade diese Doppelfassung trefflich, wie weit sich die Spätgotik von der Hochgotik tatsächlich entfernt hatte, wie somit unser spätgotischer Meister das an sich altertümliche Doppelturmmotiv sormal durchaus neuartig zu ge­stalten wußte.

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Für die Uebereckstellung unserer Türme, fü r dieses besondere Wahrzeichen der Kirche, bietet die allgemeine Entwicklung der Spätgotik dagegen kein Analogon. Es ist aber mindestens ebenso berechtigt an eine völlige, dem S in n der Spätgotik grundsätzlich nicht widersprechende Neuschöpsung zu denken — an ein kirchliches Gegen­stück gewissermaßen im Westen der S tad t zu den auch schräg ange­setzten Ecktürmen des Ingolstädler Herzogschlosses im Osten — ja man kann m it weit mehr Recht hieran denken, wie etwa an eine A n ­lehnung an das eingangs erwähnte hochgotische Denkmal S t. Ouen zu Rouen, das a ls einziges älteres Beispiel o ft genannt w ird , das jedoch ebenso weit örtlich abliegt, wie es form al in allem übrigen völlig anders geartet ist (5a). Unter diesen Verhältnissen muß es doch höchst unwahr­scheinlich dünken, daß Ludwig der Gebartete, der freilich lange Jahre in Frankreich lebte, gerade diese auch dort ganz vereinzelte Turmlösung hieher verpflanzt hätte. Auch die hiesige Schrägstellung bleibt im M i t ­telalter ohne Nachahmung.

A u f weiter F lu r allein, jedoch gleichwohl weit weniger einsam als bezüglich der eben behandelten Besonderheit, bleibt unser Denkmal auch m it seinen m it Recht berühmten spielerisch-freitragenden Hänge­gewölben und Hängeschlußsteinen in den letzten Seitenkapellen (3b). D ie allgemeine Entwicklung der Spätgotik läuft aus solche Bravourstücke der Meißelkunst, verbunden m it starker Naturalistik schließlich hinaus und als verwandt, wenn auch nicht vergleichbar sei an das Chor­gewölbe der Marienkirche in P irn a erinnert. Aber w ie bescheiden ist das gegen die hiesige Formenwelt! E in Dornengerank hat H ofm il­ler kürzlich diese Gebilde genannt, „e in Gerank, das sich überwächst, durchzweigt, verknotet; und von diesem Dornengerank, das ist das Tollste, hängen doldenhaste Märchen herunter w ie steinerne S ilbe r­disteln. Dieses spätgotische F ilig ran in S te in geht weit hinaus über alles, was ein paar Jahrhunderte später das Rokoko in Stuck riskiert."

Und am Schlüsse dieses Abschnittes noch ein W o rt über das B a u ­material. D ie Spätgotik bringt den Backstein zu Ehren. Es ist nicht umgekehrt, daß dieses M a te ria l etwa maßgebend ihre Formen be­stimmt hätte. Auch damals w ars der Geist, der sich den Körper schuf. Und w eil eben die Spannung der Hochgotik, deren Ziele sich schließlich nur in Haustein verwirklichen ließen, abflaute, weil eine geänderte Anschauungsweise an breiten Flächen und massigen Körpern wieder Genüge und neues Gefallen fand, eben deshalb konnte auch der Ziegel­stein sich im Monumentalbau so allgemein einbürgern. Unsere Kirche sieht Haustein nur an den Porta len, an den P fe ilern, an den dekorativ wichtigen Stellen und als Eckquader verwendet und hält sich damit im Nahmen des Ueblichen. D aß die Kirche dabei v ie l weitgehender verputzt werden sollte, als es schließlich nur an den Strebepfeilern ge­schah, muß wohl angenommen werden.

Haben w ir so die allgemeine Umgestaltung von der Basilika zur Hallenkirche verfolgt, so erhebt sich die Frage nach der tieferen Ursache dieses Wandels zu einer Zeit, während der kirchliche Gebrauch des

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Gotteshauses kaum wesentlich gewechselt hat. D ie Ursache ist auch wirklich nicht hier zu suchen, vielmehr zunächst in einem auch ander­weitig deutlich merkbaren Wandel des Weltgesühls. D er streng aske­tische Zug der Frühgotik, die rein religiös-innerliche Kreuzzugbegeiste­rung der Ritterschaft der Hochgotik ist vorüber; die religiöse S tim ­mung bleibt nach wie vor stark und lebendig, aber sie ist diesseitiger, naturnä'her, daseinssreudiger gefärbt. Und gleichzeitig, und das dürste ausschlaggebend sein, wechselt der Stand der Bauherren. Entstanden die maßgebenden Kathedralen der Hochgotik an den Bischossitzen, so waren es eben dort die Aristokraten des Hochadels, die Bischöfe und Landesherren, welche so bauten. D ie Hallenkirche dagegen, welche — wie w ir sehen — die alte Rangordnung der Basilika so weitgehend abbaut, ist die Schöpfung des eben damals als neuer Stand erblühen­den demokratischen Bürgertums der Städte. Diese veränderte gesell­schaftliche S truktur und m it ih r ein andersartiger Ehrgeiz und W ett­bewerb ist es, was diesen neuen Kirchentyp schasst und begünstigt. E r hat sich, wie w ir sehen, zu Beginn des 15. Jahrhunderts bereits zu solcher Geltung durchgesetzt, daß wie später in München auch hier der Herzog sogar sich seiner bedient, wenn er modern, wenn er zeitgemäß- sortschrittlich bauen w ill.

Gehen w ir diesem Auskommen der Hallenkirche örtlich und zelt- lich weiter nach, so ist vor allem zu betonen, daß es sich hier um eine ausschließlich deutsche Schöpfung, um eine nur deutsche Spie lart der Gotik handelt. Frankreich, die Heimat der Gotik überhaupt, kennt in seinem st^ lo klambozmnt wohl auch eine Spätstuse, allein der Naumsorm nach hält es durchaus an der Basilika fest, die Hallen­kirche erscheint in Frankreich nicht. Es hat daher manche Berechti­gung, wenn Gerstenberg fü r diesen rein deutschen Zweig der Gotik die Bezeichnung „Deutsche Sondergotik" prägen wollte, und es ist für uns Süddeutsche dabei eine besondere Freude gerade Altbayern und Schwaben wieder als eine engere Heimat — ein anderer Ast wächst in Westfalen — nachweisen zu können.

Rund 100 Jahre vor unserer Frauenkirche entsteht um 1330 aks erste gotische Hallenkirche die Stadtpfarrkirche in Lausfen an der Salzach als unvermittelt ---- vereinzelter Vorläufer der Bewegung. Nicht so die Zisterzienserkirche in Zwettl in Oesterreich, wo 1343 erst­malig ein hallensörmkger Chorabschluß m it Umgang a u ftritt; denn wahrscheinlich geht hierauf Schwäbisch-Gmünd zurück, wo an ein hal- lensörmiges Langhaus von 1350 an Heinrich P a rie r einen gerade der Ingolstädter Lösung sehr verwandten Hallenchor m it Umgang und Kapellenkranz anfügt. 1355 folgt als erste Hallenkirche in Franken nach einem unmittelbaren V orb ild in P rag die Nürnberger Frauen­kirche, und zwar vermutlich durch einen Sohn Parlers. 1 3 6 1 -7 2 ent­steht der Nürnberger Sebalduschor, 1377 gründet — wieder ein Parker — das ursprünglich als Halle geplante Ulmer Münster. 1365 bis 1383 erneuert übrigens bemerkenswert fortschrittlich auch der Eich- stätter Bischof Raban von Wilburgstetten das Langhaus seines D o­

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mes in Hallenform. Endlich liegt vor unserer hiesigen Gründung noch das geschlossene Lebenswerk Hans Stetheimers aus Burghausen, der die Hallenkirche in Altbayern einführt und zugleich zu großartigster Entfaltung bringt. Ih m verdankt Straubing die Karmelitenkirche und S t. Jakob, Landshut S t. M a rtin und H l. Geist, Salzburg den blenden­den Chor der Franziskanerkirche, Neuötting und Wasserburg je ihre Pfarrkirchen. Hans Stetheimer ist etwa 70 Jahre a lt 1432 in Lands» Hut gestorben, ohne daß er die Vollendung auch nur einer seiner gro­ßen Kirchen erlebt hätte. Denn um dieses Jahr w ar zu S t. M a rtin das Langhaus noch ohne Wölbung, der Turm erst auf Dachstuhlhöhe; auch zu S t. Jakob in Straubing w ar erst der Chor fertig und ähnlich und schlimmer stand es um die anderen Bauten. Gerade dieses nach heutigen Begrissen langsame damalige Bauen w ill neben den G rün­dungsjahren sehr wohl beachtet sein, wenn w ir uns fragen, welches V o rb ild etwa den noch unbekannten Meister unserer Kirche beein­flußt habe, welcher Schule er entstamme. A ls bedeutsam ist jeden­fa lls festzustellen, daß überhaupt noch recht wenig rings umher fertig stand, wenn auch gerade in diesen Jahren die Verbreitung der H a l­lenkirche rasch und jetzt allgemein zunimmt. So geht unserem G rün­dungsjahre 1425 noch die wichtige Amberger Martinskirche 1421 vor­aus, während 1427 S t. Georg in Nördlingen und im gleichen Jahre die Pfarrkirche in V ilsbiburg in Niederbayern folgen, 1444 Donau- wörth, 1448 Dinkelsbühl, 1445—72 endlich der glänzende Chor zu S t. Lorenz in Nürnberg von Konrad R oriher; 1468—88 aber erst die Münchener Frauenkirche; 1472 entstand im nahen Eichstätt danach der Säkularisation wieder abgebrochene Stadtpfarrkirche, 1487 die zweischifsige Halle des Eichstätter M ortuarium s, — um nur einige der zahlreichen Beispiele zu nennen. Gleichwohl t r if f t es keineswegs zu, daß während dieser Ausbreitung des Hallentyps basilikal etwa über­haupt nicht mehr gebaut worden wäre. Vielmehr entsteht erst gegen 1400 noch im nahen Augsburg der gänzlich in französischer Hochgotik befangene L5stchor des Domes, dessen Weihe erst 1431 erfolgt; ja selbst im letzten V ie rte l des 15. Jahrhunderts noch, von 1474— 1500, erbaut in Augsburg Burkhardt Engelberger S t. Ulrich als Basilika, somit in einem fü r diese späte Zeit ausgesprochenermaßen veralteten Typ.

W ürdigen w ir diese Verhältnisse, so haben w ir unsere Kirche trotz manchem Vorläufer immerhin noch dem Beginn der neuen Entwick­lung zuzuzählen, nachdem vor ihrer Gründung kaum mehr als die Werke der P a rle r und die Schöpfungen Stetheimers liegen. Der einen oder der anderen Schule muß daher der nicht genannte Meister unserer Kirche entstammen, ob er nun — um die nä'chstverwandten Grundrißlösungen herauszugreifen — vom Schöpfungsbau der P arle r in Schwäbisch-Gmünd unmittelbar kam oder wahrscheinlicher vom näheren S t. Jakob in S traubing, der ähnlichsten Anlage Stetheimers, die denn auch ihrerseits wieder von Schwäbisch-Gmünd schon her­geleitet werden wollte. Nach Straubing und Landshut scheinen ja auch die ältesten Plastiken des Südostportales unserer Kirche zu weisen.

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Versuchen w ir nunmehr die Frauenkirche a ls Einzelleistung ein­zureihen, so haben w ir vor allem die Langhauskapellen, welche erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zwischen die vortretenden Strebepfeiler eingesägt wurden, vom Gründungsbau von 1452 in A b ­zug zu bringen; dieser hatte nur um den Chor Kapellen vorgesehen, was schon eine Generation später als offenkundiger M angel empfun­den und ausgemerzt worden ist. W a r die Gründungsanlage hiedurch schon im Grundritz hinter gleichzeitigen Schöpfungen z. B . S t. M a r ­tin in Amberg, zurückgeblieben, so noch mehr, wie schon erwähnt, der Ausbau hinsichtlich der Nichteinbeziehung der Kapellenräume in den Gesamtraum. Bezüglich der allgemeinen Raumsormung dagegen, in der W ah l weiter, breit gelagerter Verhältnisse liegt im Sinne der Stilentwicklung ein ganz offenkundiger Fortschritt gegenüber Stethei­mers Werken vor. Denn dessen geradezu bewunderswerte Kühnheit der Höhenentwicklung zu S t. Jakob in S traubing und noch mehr zu S t. M a rtin in Landshut ist entwicklungsgeschichtlich gesehen doch noch als deutliches Relikt der Hochgotik zu bewerten, als eine altertümelnde Auffassung, der auch der Meister der Münchener Frauenkirche noch­mals huldigen sollte. D e r allgemeine Zug ging dagegen aus Höhen- minderung, auf die Gewinnung breiter, weitgeössneter Räume, wie das z. B . im Chor zu S t. Lorenz in Nürnberg in vollendetem Matze erreicht w ird . I n dieser Hinsicht kommt nun unserer Kirche der beacht­liche Vorzug zu, datz sie als erste in A ltbayern diesem neuen Raum­ideale huldigt.

Um so verwunderlicher mutet daneben wieder ih r Zurück­bleiben in der Gewölbelösung infolge der so oft bemängelten Ueber- höhung des Mittelschiffes an. W as wollte der Architekt damit erzielt wissen? W as konnte unseren Meister, der doch Stetheimers vollen­dete Chorlösungen sicher kannte — denn er hat ja auch dessen charak­teristisches Friesband über den Strebepfeilern m it übernommen was mochte ihn nur veranlassen die Gewölbeschale des Mittelschiffes so viel höher über den Seitenschiffen erst anzusetzen, datz eine dem S inn der Hallenentwicklung geradezu widersprechende Lösung zustande kam? S ta tt lediglich zu bemängeln möchte ich, wie schon angedeutet, die be­sonderen Ziele spätgotischer Lichtsührung als Ursache annehmen. Wenn schon die Spätgotik im ausgesprochenen Gegensatz zur Hochgotik Däm ­mern und Zwielicht im Hochraum des Mittelschiffes sucht, w ie das S- B . zu S t. Stephan in W ien gegenüber dem Kölner Dome deut­lich offenbar w ird , w ie das Gerstenberg auch schon geistvoll m it den Lichtessekten spätgotischer Flügelaltäre verglichen hat, bei denen ja auch zwischen den helleren seitlichen Tafeln der geschnitzte M itte l­schrein häufig die stärksten Dunkelheiten bringt, dann mag solche unserm Empfinden zunächst unwahrscheinliche Absicht dennoch ein gewolltes Z ie l gewesen sein. Auch Stetheimer strebt ja schon danach, indem er zu S t. M a r t in in Landshut das Mittelschisfgewölbe bei allerdings gleicher Kämpferhöhe m it den Seitenschiffen beträchtlich höher sprengt.' A lle in bei der dortigen Gesamthöhe bleibt die W ir-

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kung gering. W o llte etwa unser Meister um jeden P re is gerade diese W irkung steigern, sodaß er aus diesem Grunde das Netzgewölbe des Mittelschiffes so weit über die Kämpferlinie der Seitenschiffe hob, datz er darüber selbst die sonst so heiß erstrebte Gewölbeeinheit w ie­der preisgegeben hat? Ich möchte diese Deutung wagen. Wenn uns heute rückschauend der Weg zu diesem Ziele auch verfehlt erscheinen mag, w ie diese Lösung ja auch keine Nachahmung mehr an bedeuten­deren Kirchen sinden sollte, so ließe sich ein solches Z ie l entwicklungs­geschichtlich immerhin eingliedern und auch weit eher als ein sonst unerklärlicher M angel m it so vielerlei Fortschrittlichkeit vereinbaren, w ie w ir sie neben der Raumbehandlung ja beispielsweise auch bei der Turmgestaltung schon beachten konnten.

Gerade die in der L iteratur bisher noch gar nicht gewürdigte Turmlösung des alten Ausbauplanes zeigt uns beispielsweise ja auch im Vergleich m it den jüngeren Münchener Frauentürmen, wie sehr viel stattlicher die Türme in Ingolstadt geplant gewesen (6). Auch die Münchner Türme besitzen einen m it Ecklisenen gefaßten, quadratischen, mehrstöckigen Unterbau, über welchem sich eingezogene Achteckausbau­ten bis zur Kuppel erheben. Während dort und auch in Landshut dieser Uebergang durch einfache Schrägen vermittelt w ird , sollte in Ingolstabr eine m it reicher Brüstung umgürtete Terrasse überleiten und, während in München nur Allerweltsstrebepfeiler den Ausbau begleiten, sollten in Ingolstadt sich je 4 Ecktürmchen an den Oberbau lehnen und die abschließende Brüstung m it Kuppelabschlüssen malerisch überragen. Während die Ecklisenen in München in dekorativem Maßwerk enden, sollten sie in Ingolstadt Figurenschmuck erhalten und überdies in einem mächtigen Eselsrücken, der wimpergartig die Brüstung noch überragt hätte, über großen Zifferblättern zusammengeführt werden. Diese noch gotische Zifserblattumrahmung ist dabei als älteste, die m ir bisher be­kannt geworden, gewiß auch kulturgeschichtlich von Interesse. D ie hiesige Turmlösung liegt sonach ebenso glücklich in der Linie der Ge- samtentwicklung, wie sie deren originellste und stattlichste Lösung dar­stellt. Auch ein Vergleich m it Landshut mag das noch dartun. Auch der Turm zu S t. M a r t in verjüngt sich in 4 Ecktürmchen; aber dadurch, daß diese ungleich hoch geführt werden, sprechen sie neben der nicht enden wollenden Aufgipfelung überhaupt nur als untergeordnetes M o ­t iv dort mit.

Auch auf dekorativem Gebiete erreicht unsere Kirche m it den ge­radezu einzigartigen, in ihrem Ueberschwang echt spätgotischen Ge­wölben und Hängeschlußsteinen der rückwärtigen Kapellen noch einen unbestrittenen Höhepunkt der ganz unkonstruktiv gewordenen, gänz­lich malerisch empsindenden Spätphase des S tils , m it diesen Meister­werken, die Erhard und Ulrich Heidenreich, zwei auch in Regensburg tätigen Dombaumeistern, zugeschrieben werden.

Aber auch von diesen letzten Zutaten des Ausbaues abgesehen haben w ir die Ingolstädter Liebfrauenkirche, die Gründung Herzog Ludwig des Gebarteten, als die stark persönliche Leistung eines M e i-

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sters zu werten, der m it an der Spitze der Entwicklung seiner Zeit steht und ringt, als die T a t eines Meisters, der Kühnes, Neues wagt, der auch Großes erreicht und, wenn er vielleicht in einseitiger Überspan­nung des Zieles malerischer Lichtsührung durch die Preisgabe der Ge­wölbeeinheit aus der allgemeinen Entwicklungslinie als Außenseiter ausspringt, uns dasür ein Denkmal hinterlassen hat, das uns mensch­lich und entwicklungsgeschichtlich betrachtet auch wieder von beson­derem W ert und Reiz erscheint. Kann es uns neben dem Zwang der Entwicklung doch mehr w ie manch anderes auch wieder die Freiheit im Schassen der alten Meister offenbaren und bekundet es uns gerade dadurch eine außergewöhnliche W eite und Fülle gotischer Schaffens­möglichkeiten. Diese Spätgotik zeigt sich hier so recht noch vo ll reicher Erfindung und Entfaltung und bekräftigt somit durchaus, was W ö lfflin gelegentlich ausführt: „Spätgotik sei ein ungeschickter Name; denn ur­alte Eigentümlichkeiten germanischen Formgefühles seien es, die damit genannt werden sollten; ja in gewisser Hinsicht sei dieser spätgotische S t i l der deutsche S t i l überhaupt," Und Gerstenberg hat bekanntlich diese Doppelwertung der Spätgotik als ein Produkt nicht nur der Zeit, sondern noch v ie l mehr auch der Nasse, als die deutsche Umbil­dung der französischen Lehnform der Hochgotik, noch w eit ausführlicher unterstrichen. Wenn ich hiezu auch noch daran erinnern darf, daß ge­rade die spätgotische Hallenkirche nicht nur eine ureigen und aus­schließlich deutsche, vielmehr im besonderen auch eine bodenständig a lt­bayerisch-schwäbische Schöpfung darstellt, und daß w ir in Ingolstadt, in Oberbayerns größter Hallenkirche auch eine der eigenartigsten Lö­sungen dieser Bauweise besitzen, dann schien m ir das Anlaß genug zu sein, diesem Denkmal gerade in einer Versammlung der bayerischen Geschichts- und Urgeschichtsvereine in Ingolstadt eine eingehendere W ürdigung zuteil werden zu lassen.

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Die Gotik Ingolstadts und der moderne Mensch

v o n Dr. Gg. HagerGeneralkonservotor der Ruustdenkmale und fllte rlüm er Vayerns

Müuchen

Vortragaus der ir . Hauptversammlung des Verbandes bagerischer

Geschichto. und Urgeschichtsvereine in Ingolstadtam 30. Oktober l-rs

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D ie allen Städte sind vom Leben des Tages durchflutet. I h r A lte r hat keinen andern S inn , als der Gegenwart zu dienen. Nicht m it den persönlichen Erinnerungen an die Menschen, die einmal in ihren M auern geatmet und gelebt haben, brauchen w ir uns zu be­schweren. V iele suchen nicht gerne die Schatten der vom Lichte Ge­schiedenen. Aber die sinnlich sichtbar gebliebenen Zeugnisse des Geistes und der Phantasie der vergangenen Generationen, w ie sie vor allem in den Bauwerken fortdauern, mögen der unsterblichen Sehnsucht des Menschen nach Schönheit und Eigenart immer wieder aufs neue Nahrung geben und durch ihre M annigfaltigkeit dem Innenleben spä­terer Geschlechter a ll das zur Ergänzung schenken, was eine einzelne kurzlebige und schöpferisch eng begrenzte Generation in solcher A r t nicht selbst denken, sinnen und schassen kann.

Wenn ich über die Ingolstädter Gotik spreche, möchte ich die Gedanken über die historische Forschung hinaus zu der Frage führen: „W a s bedeutet die Ingolstädter Gotik fü r den modernen Menschen?" Es ist die gleiche Frage, m it der w ir schließlich am Ende aller F o r­schung an den Lebenswert jedes alten Kunstdenkmals überhaupt rüh­ren: „W a s bist du m ir heute?" Keine allgemein gültige und keine er­schöpfende A n tw ort gibt es aus diese Frage. W oh l aber ist es gestattet, aus der unerschöpflichen Fülle von W erten, in denen Kunstdenkmale dem Beschauer sinnlich lebendig werden können, aus dem H inter­grund tieferen geschichtlichen Einblicks in Entstehen und Werden wenigstens bescheiden von einem T e il der Ahnungen zu reden, die den sehnsuchtsvollen Geist beim Schauen in die alten Kunstwerke über­kommen. Es wäre die schönste Frucht dieses Unterfangens, wenn jeder Einzelne je nach Neigung und Ind iv idua litä t von solchen E in ­drücken sich zu weiterer Vertiefung in die Geheimnisse der Denkmäler­welt anregen ließe.

W e it eigenartiger und überraschender als gotische Kirchen wirken gotische Wohnräume auf den modernen Menschen. S ind w ir ja doch gewohnt, die feierliche Raumdichtung eines gotischen Gotteshauses als wahlverwandt zu empfinden m it religiöser Erhebung, die im wesent­lichen heute ist w ie vor Jahrhunderten. D as wirtschaftliche und gei­stige Leben des Menschen aber hat sich gewandelt, und als den Geist einer andern, einer fremden Umwelt empfinden w ir den Ausdruck pro­faner gotischer Räume. Wenn w ir nun vollends durch eine ganze Reihe gotischer Profanräume von größter Abwechslung wandern

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dürfen wie im ehemaligen Ingolstädter Herzogsschlosse, so fühlen w ir uns der Gegenwart entrückt, versetzt in eine andere Geisteswelt. Es gibt keinen zweiten gotischen Prosanbau in Bayern, der eine solche Flucht eindrucksvoller gotischer gewölbter Räume enthält wie das I n ­golstädter Schloß. Selbst das Schloß in Burghausen an der Salzach kann sich in dieser Beziehung nicht m it Ingolstadt messen. A ls den auffallendsten Gegensatz zu den Anschauungen neuerer Zeit suhlen w ir vor allem die umfassende Verwendung fester, massiver Gewölbe in den Räumen nicht nur des Erdgeschosses, sondern auch des Ober­geschosses. D as Denken und Dichten in gewölbten Räumen haucht dem Inne rn des Ingolstädter Schlosses eine eigenartige Seele ein, die die Komposition der Architektur in G rundriß und Ausbau auss tiefste beeinflußt. Es g ilt, nicht nur in den Spitzbögen, P feilern, Säulen, Konsolen und Nippen die gotischen Formen zu sehen, sondern auch das gotische Raumteilungs-, Raum- gliederungs- und Raumausbaugefühl zu erfassen, damit diese uns sremd gewordene B auw elt uns ihre Ideen vo ll schenken kann. Je öfter w ir in a ll den mannigfaltigen Räumen hin und herwandeln und das Leben ihrer Linien und Flächen, ih r Licht- und Schattenspiel stu­dieren, desto mehr spüren w ir das W alten einer Phantasie, die im Schaffen von Raumbildern und in der sinnlichen Gestaltung von tragenden und lastenden Kräften durchaus individuell ist. E in großer Reichtum des Dichtens, Formens und Gestaltens enthüllt sich uns in dieser gotischen Bausprache. W ir erleben etwas von dem Geheimnis, das in der Variationsmöglichkeit der gotischen Bogenweilen, der go­tischen Stützen und Träger, der gotischen Gewölbelinien, der gotischen ornamentalen Glieder steckt und in den Produkten der freien Anwen­dung von des Zirkels M a ß und Gerechtigkeit die Größe des mensch­lichen Geistes ahnen läßt. Es ist ein fast sinnverwirrendes Schauspiel, wie aus der B indung an abwechslungsreiche Größen- und selbst auch Formenverhältnisse der geometrischen Grundgestalt der Räume die Umfassungswä'nde aufsteigen und sich bald m it, bald ohne Zwischen­sätzen oben in Gewölben zusammenschließen nach einem einheitlichen Bildungsgeseh, jeder Raum immer wieder einen andern, neuen O r­ganismus bildend. D er Eindruck des organischen Wachstums der Räume und weiter der Eindruck der großen Mannigfaltigkeit dieser organischen Gebilde in den Proportionen, in der Schwere oder in der Leichtigkeit der Massen, in der Einfachheit oder im Reichtum der belebenden Glieder, im Einfallen des Lichtes und im Fallen der Schatten — das ist das künstlerische Erlebnis der Ingolstädter Schloß­gotik.

H at uns im Schloß das Innere veranlaßt, die Gestaltungsgedan­ken der Gotik zu suchen, so regt das gotische Kreuztor bei der Frauen­kirche an, daß w ir uns in das Wesen der gotischen Außenarchitektur vertiefen. Im Kreuztor verehre ich ein klassisches Beispiel für die fast unbegrenzte organische Gliederungssähigkeit der Gotik. D as T o r ist ganz durchdrungen von geometrischem Geist. Es ist trotz des geringen

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Umfanges der kubischen Erscheinung der Baumasse von reichster Form der Flächen- und Massenbewegung. Und zwar ist die Gliederung or­ganisch entwickelt aus dem Kern und vollkommen angepaßt dem prak­tischen Zweck der Verteidigung. D as Bauproblem ist im höchsten Grad sinnlich geschaut und gelöst. E in kurzweiliges und lustiges gotisches Schauspiel fü r die Augen. E in Schauspiel, das allen der S tad t N a ­henden zum Bewußtsein brachte: D u betrittst eine S tätte hoher mensch­licher K u ltu r, eine S tätte der Freude an Geist, K ra ft, Schönheit.

Es ist ein Zeugnis des großen Zuges der gotischen Denkmäler­welt der S tadt, daß auch die Kirchengotik den gotischen Baugeist in einer Fülle von Gestaltungsmöglichkeiten offenbart. W ie w ir im Schloß in die Abwechslung der einzelnen gotischen Raumgebilde ein­dringen müssen, so wollen die gotischen Kirchen in ihrer Verschiedene- tigkeit geschaut sein. D as Raum bild der Moritzkirche besteht aus zwei vö llig anders gearteten Raumteilen, indem es die traditionelle Schei­dung von dreischisfigem Langhaus und einschiffigem Chor festhält. Aber welch ein Langhaus und welch ein Chor! D ie Seitenschiffe nicht halb so hoch wie das M ittelschiff, die drei Schiffe durch eng gestellte massive und dicke Säulen geschieden. Gesammelte K ra ft und Wucht spricht aus diesen Säulen, sie erscheinen wie Symbole der starken Grundfeste des ganzen Baues, w ie Träger des Vertrauens in die Standfestigkeit des Gotteshauses. Umso leichter erscheint die hoch darüber emporschnellende Hochwand des Mittelschiffes m it ihrer jochweisen Gliederung durch überaus schmächtige und zierliche Halb- säulen, die zarte, hohlprofilierte Gurtrippen und ebenso zarte D ia - gonalrippen eines Kreuzgewölbes tragen. W ie gleichförmig lesen sich die Beschreibungen unserer gotischen Kirchen in den Büchern, und doch gleicht kaum eine von den ungezählten Tausenden von gotischen K ir ­chen in Geist und Erscheinung des Raumbildes der andern! D ie Leich­tigkeit der Ausbauerscheinung der oberen Raumregion des M ittelschif­fes von S t. M oritz w ird erhöht durch den erst hoch oben erfolgenden Lichteinsall. Daß dem Mittelschiff gegenüber die Seitenschiffe fast lm Halbdunkel dämmern, erhöht nicht nur die Wucht des Akzentes der Säulenstühen, sondern bereichert auch die Lichtpoesie des ganzen Baues. Dieser sowohl in den Ausbaukrästen wie im Lichtgeheimnis verschieden geteilten und gegliederten Erscheinung der Langhausschöp­fung steht als Gegensatz gegenüber der ungeteilte, hohe, einheitlich lichte Chor. E r w irkt wie eine Erlösung von der Erdenschwere. I n ih­rer ganzen B re ite sind die Polygonwände des Chorschlusses von Fen­stern durchbrochen und weit herab senken sich ihre Lichtöfsnungen ge­gen den Fußboden. Einfacher ist die Aufbauform dieses Chores als jene des Langhauses, aber mächtiger und gewaltiger ist sein Raumein­druck. Ew ig wirkungsvoll bleibt das uralte M o tiv der Aneinanderkop- pelung eines einschiffigen Chores und eines dreischifsigen Langhauses — das predigt wieder aufs neue das Raum bild von S t. M oritz.

Eine andere gotische Ind iv idua litä t bedeutet die Minoritenkirche, Earnifonskirche genannt. Im Aufbautypus gleich der Morihkirche

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bajilikal, b ringt sie durch ih r Aeußeres in das Linienkonzert der Stadt eine ganz bestimmte Note, indem der F irst von Chor und Langhaus in ununterbrochener langer Linie dahinzieht. Wenn uns noch heute der gewaltige Zug der Horizontale dieses Dachfirstes ergreift, wie mag die W irkung vollends im M itte la lte r gewesen sein, als das Aus- und Absteigen der Linien im Stadtbild entsprechend dem gotischen Bewegungsgesühl noch weit stärker w ar. Und wiederum ist es Eigen­a rt des Liniengefühls, die uns die gotischen Chorfenster am Aeußern des Baues unvergeßlich macht: schmal, schlank, hochschießend — iehe, das ist gotische Beseelung der Mauerwände, Umdichtung der csten Baustoffmaterie der N a tu r in ein reines Gebilde des mensch- ichen Geistes. Und nun nach diesem Auftakt von aufregenden K ra ft­

äußerungen wagrechter und senkrechter Linien das Innere, vom Lichtgaden des Mittelschiffes herab von mildem Licht überhaucht, die Seele dem Alltagstreiben entrückend. D er Umstand, daß das M it te l­schiff in der Gotik einst slachgedeckt w ar, ladet die Phantasie des B e ­schauers ein, das Wesen eines die rechtwinklige Trennung von wag- rechter Holzdccke und senkrechten M auern markierenden Raumes zu erleben im Unterschied zu der M auern und Decke einheitlich und or­ganisch zu einer fortlaufenden Raumschale zusammenfassenden Ueber- wölbung.

Wieder ein anderes gotisches Erlebnis haben w ir in der S p i­talkirche. Das Spitalgotteshaus ist die gotische Id y lle der Stadt. Eine kleine Hallenkirche m it drei fast gleich breiten Schiffen. D ie gleiche B re ite und die gleiche Höhe der Gewölbe in den drei Schiffen gibt dem Raum bild den Charakter ruhigster K larheit, dem P la n und Aufbau das M erkm al vollster Durchsichtigkeit. D ie gewölbetragenden Säulen von gleichsam selbstverständlicher Schlankheit. S o und nicht anders erwarten w ir die Raumpoesie eines Gotteshauses, das wie Schuh und Schirm vorgelagert ist den Wohnräumen des Spita ls, der Z u ­fluchtsstätte christlicher Caritas für die alten B ürger. Es ist w ie wenn ständig leises Orgelspiel durch den Raum töne. Eine Gotik, die H ar­monie in der Seele weckt.

Und nun das ganz große Erlebnis der Gotik in Ingolstadt, die Liebsrauenkirche.

D ie Liebsrauenkirche ist wohl die abgeklärteste von den großen Raumschöpfungen der Gotik in Deutschland. W ie beim Fernblick aus die S tadt die kubische Erscheinung der Liebsrauenkirche m it dem hoch­aufstrebenden und weithin gelagerten Dach alles Relies des S tad tb il­des hoch überragt und tief unter sich läßt und in stundenweiter Ent­fernung schließlich als alleiniges S innb ild des Gedanken- und Taten­dranges der im städtischen Gemeinwesen eng geschahen Tausende von Menschen übrig bleibt, so fließt das Innere w eit über alle Raum ­ausdehnungen der übrigen Gebäude der S tad t hinaus. Und es fließt auch troh der lang gedehnten Tiesenbewegung zu einem in sich ge- ichlossenen und abgerundeten Raum bild einheitlich zusammen. W as der Kirchenplan von alters her in Jahrhunderte langer Entwicklung

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festhält, die Abgliederung des A lta r- und Priesterraumes, d. h. des Chores vom Langhaus, das w ird am Ausgang des M itte la lte rs von dem nun erwachten Schwelgen der Raumphantasie in einheitli­chen W eiten abgelöst durch Zusammenschluß im Einheitsgedanken von Chor und Langhauswänden. Es ist gleichsam ein geheimer Sieg des Zentralbaugedankens auch im Langhausbau, des Zentralbauge- dantens, der dem italienischen Renaissancemenschen als das Vollendet­ste und Höchste der Kirchenanlage erschien. Das fühle ich besonders hier in der Liebsrauenkirche in Ingolstadt, wo nicht nur die Umfas- fungswände von Langhaus und Chor ununterbrochen sich um den dreischisfigen Raum herumziehen, nur am Thorschluß in stumpfen Winkeln gebrochen, sondern auch durch die Uebereckstellung der den Seitenschiffen vorgelagerten Westtürme für den westlichen Abschluß der Seitenschiffe im Inne rn ähnlich wie im Chor hohe Schrägwände gewonnen sind, die zur geraden westlichen Abschlußwand des M it te l­schiffes überführen. Durch Vermeiden von rechten Winkeln und durch stumpfwinklige Lleberleitung der Linien- und Wandbewegung in den östlichen und westlichen Schluß des Mittelschiffes w ird eine fortlau­fende Bewegung gleichsam ohne Ansang und ohne Ende erreicht. So ist die Seele der Erscheinung der Raumbewegung der Liebsrauenkirche Harmonie. M i t dem Grundgedanken der Harmonie in G rundriß - und Aufdaubewegung erscheint die Ingolstädter Frauenkirche als echtes K ind der ersten Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts. Denn diese Jah r­zehnte sind jene gesegnete Zeit der Kirchenbaukunst in Bayern, in der "ach dem Ausleben der an die Zweiteilung von Chor und Langhaus gebundenen Bauideen des 14. Jahrhunderts neue Baugedanken ein­heitlicher Geschlossenheit des Raumes den Kirchenbau befruchten und äu neuem Aufschwung führen. D er Meister des Planes der Frauen­kirche bewegt sich fre i und weit blickend in der B ahn des Fortschrittes, er kombiniert das M o tiv des von niederen Kapellen begleiteten drei­schisfigen Hallenbaues der Langhausanlagen des Landshuter Meisters Hans Stetheimer m it dem Chor und Langhaus einheitlich zusammen­schließenden B a u der Landshuter Spitalkirche H l. Geist desselben Meisters und er geht über diese Kombination zugleich noch hinaus durch harmonische Abeckung des westlichen Abschlusses. S o steht I n ­golstadt damals m it der Konzeption der Frauenkirche an der Spitze der Architekturbewegung in A llbayern. Aber w e il der B a u bei seiner Große nur langsam zur Einwölbung und zur Vollendung fortschritt

die geplante Vorhalle im Westen und die Türme wurden über­haupt nie vollendet — , w ar er, als er in den ersten Jahrzehnten de" 16. Jahrhunderts im wesentlichen fertig stand, von der Entwick­lung wieder überholt. Denn seit der M itte des 15. Jahrhunderts ge­hörte es zum Fortschritt, daß die bis dahin niederen Seitenkapellen an den Hallenkirchen bis zur Seitenschisfhöhe hinauswuchsen, so daß auch die Seitenschisfwände keinen P latz für Fenster mehr boten, londern wie die ganze Kirche ih r Licht nur durch die hohen Kapellen- «enster erhielten. Aber mochte auch die Frauenkirche bei ihrer Vollen-

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düng durch den Fortschritt des Anlagensystems überholt sein, nicht überholt w a r sie in der Schönheit der Raumwirkung. D ie Schönheit des Raumbildes w ar ih r mitgegeben in der Geburtsstunde ihres P la ­nes und sie blieb ih r sür immer eingeboren. W as haben die Kunst­historiker nicht alles an dem B a u aussetzen wollen, vom Fehlen von Kapitellen an den Säulen bis zu den als untektonisch bezeichneten durchbrochen vollrund gearbeiteten Rippensigurationen an den Ka- pcllengewölben des Langhauses! Und doch werden w ir den vollen W e rt dieser Kunstschöpfung nur dann fü r den modernen Menschen ersassen, wenn w ir uns der Herrlichkeit des Ganzen hingeben und alle Einzelheiten als Eigenarten hinnehmen, die das Gesamtbild ge­genüber anderen Werken variieren und m it besonderem Formen- und Phantasieleben begaben.

Datz bei a ller Einheitlichkeit des Raumes doch eine wechselvolle Teilung und Gliederung herrscht, darin beruht ein T e il des Geheim­nisses der Wirkung. Dreigeteilt ist die breite Halle, aber wie das M i t ­telschiff viel breiter ist als die Seitenschiffe, lo ist es auch im Gegen­satz zu den reinen Hallenkirchenanlagen (z. B . der H l. Geistspitalkirche Ingolstadt) um ein gutes Stück höher als die Seitenschisse, aber ohne Raum zu lassen sür einen eigenen Lichtgaden. D ie Ungleichheit in lich­ter W eile und in lichter Höhe begründet sür das Mittelschiff ein durchschlagendes Uebergewicht, eine Beherrschung des ganzen Raum ­bildes, die einen belebenden Rhythmus der G rundriß - und Ausbau­prinzipien hervorruft. Und zugleich begründet die fensterlose Ueber- höhung des Mittelschiffes und die dadurch hervorgerufene energische Beschallung des Mittelschissgewölbes gegenüber der viel stärkeren Belichtung der Seitenschiffe einen belebenden Rhythmus in den Licht­Verhältnissen des Raumes. D er Wechsel der K räfte in der Austeilung der Grundrißfläche, der Ausbauhöhen und der Lichtregionen schasst eine M annigfaltigkeit der Eindrücke, die keinerlei Langweile auskom­men laß!; und doch herrscht auch wieder nicht das Gefühl des Un­gleichmäßigen, das Unruhe statt Ruhe bewirken würde. Denn dem wechselnden Rhythmus stehen genug Kräfte des Beharrens und des Gleichmaßes gegenüber, um der Seele des Raumes den Grundakkord der Ruhe zu verleihen.

D ie Kräfte des Gleichmaßes sind vor allem in den Säulen geborgen, welche die Scheidbögen tragen, die die drei Schiffe hoch oben trennen. Wenn ich stundenlang Volumen und Ausstreben dieser Säulen betrachte, kann ich mich nicht satt sehen an ihrem Umriß, Auge und Gevsühl nicht sättigen am In h a lt und am Klang dieser Kraftträger. Dann empfinde ich auch, wie trefflich es w irkt, daß diese gleichwie m it K ra ft und S a ft so auch m it Hochdrang geladenen S tü t­zen ohne Abschluß durch Kapitelle oder Kämpfer die spitzen Scheid­bögen unmittelbar aus dem Schaft herauswachsen lassen wie die Aeste vom Baumstamm, so daß die über Säulen und Scheidbögen zum Ge­wölbe hinanstrebenden Uebermauerungen der Mittelschissjoche a ls or­ganische Entfaltung der Ausbaukräste sich geben. A u f solche Weise

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erzielt die Spätzeit der Gotik am Abschluß einer langen Entwicklung die Homogenität von stützenden und lastenden Kräften und erhöht da­durch wieder den Eindruck -e r Einheitlichkeit.

Noch aber haben w ir das Geheimnis dieser wunderbaren S äu­len nicht ganz ersaßt. S ie sind nicht nur in ihrem Kern m it Krast ge­sättigt und m it Hochdrang geladen, sie zeigen auch in den ihnen nach dem Mittelschiff zu vorgelegten, gleichsam angeklebten schmächtigen Drciviertelsäulen oder Diensten eine solch komprimierte Konzentra­tion des Hochdranges -es ganzen Ausbaues, daß man diesesMotiv ge­radezu als sinnfällig gewordene Seele des Hochtriedes des R aum bil­des bezeichnen kann. W ie diese Dienste vom Sockel an an den Säu- lenschästen hinaufklettern, rastlos, ohne Unterbrechung, wie hervorge- schossen aus den Grundfesten des Baues, unaufhaltsam auch über die Ansätze der Scheidbögen hinaus, bis sie oben in Profilkapitelle ausla­den, um auf diesen die Gewölberippen sich verzweigen zu lassen — das gehört zu den überraschendsten und eigenartigsten Erlebnissen des Baues. Dadurch, daß diese gleichsam sadendünnen Dienste D re i- viertclskreisquerschnitt haben, bilden sich zwischen ihnen und dem Kern der gewaltigen Säulenstühen W inkel m it Schattenlinien, die den Eindruck des Ausschießens der Dienste beflügeln. Achtzehnmal wie­derholen sich im ganzen die Freisäulen als Träger des Hochbaues und achtzehnmal erneuert sich an ihnen das Spie l -es elektrischen Funkens diejer Dienste. H at Auge und Seele in Wesen und A r t dieser spries- senden, hebenden, tragenden Kräfte geschwelgt, dann wachsen die achtzehn Säulenstühen zu einem Gleichmaß und Gleichklang zusam­men. so -aß die Verschiedenheiten, von denen ich oben gesprochen, nur noch eine untergeordnete R olle spielen. Dieses Gleichmaß und dieser Gleichklang geben dem Naumbilde jene Sicherheit und Festigkeit, die Auge und Seele des Beschauers beruhigen.

Um die 18 Säulen herum schließen den Raum die Umfassungs­wände m it den stolzen Fensterreihen und zwischen den Säulenreihen und den Umsassungswänden spannen sich die Hochgewölbe m it ihrem zum T e il gleichmäßigen, zum T e il abwechselnden Rippenspiel. Das Geheimnis aber, das die Spannungen zwischen Fußboden, Wänden und Gewölbe beseelt, ist der Geist der Proportionen, -e r Geist des Verhältnisses zwischen den lichten Weiten und Höhen des ganzen Raumes und der drei Schisse. S o hochgemut auch der Raumgeist der Frauenkirche steigt, immer bleibt es charakteristisch sür hin, daß er - r n Ueborschwang vermeidet. Dieses M aßhalten bei allem Hochflug der K räfte ist der wahrhaft edle, der vornehme Zug der Lievsrauen- kirche. H ier ist etwas zu spüren vom Geist -e r italienischen Renaissance inmitten der deutschen Gotik, -enn M a ß hallen und Vermeidung von Ucberschwang ist das Id e a l des Renaissance-Menschen. Nicht als ob etwa E influß des italienischen Renaissancegeistes sich geltend machte. Aber eine gewisse Wahlverwandtschaft m it dem italienischen Renais­sance-Ideal läßt sich in dieser Ingolstädter Liebfrauenkirch-Gotik ah­nen. M i r sühlen uns in dieser A r t gotischer Proportion außerordent­

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lich wohl und warm berührt, gar milde und leise getragen in H im ­melsnähe. W ie ganz anders ist der Raumgeist der Frauenkirche in München mir seiner Wucht oder der Martinskirche in Landshut m it seiner übermütigen, verwegenen Kühnheit!

Sicherheit und Ruhe umfängt uns auch im Verhältnis der lich­ten Höhe zur lichten Weite des Raumes. Um so gewaltiger, um so hinreißender w irkt die Längenausdehnung des Raumbildes, w irkt die Tiesenbcwegung. Sie ist der ganz große, wahrhaft überwältigende Zug des Raumbildes. Dank der nach Westen zurückfliehenden Einzie- bbung der Westempore hat man schon auf der Schwelle des West­portals Ausblick auch zum Hinteren T e il des Mittelschisfgewölbes und überschaut den Zug der Linien und Flächen in die ganze Tiefe des Raumes. D a erhält erst vollends die Nehfiguration der Gewölbe ih­ren S inn , den S inn des Vorwärtsleitens der Tiesenbewegung am Gewölbe fü r das Auge. Und da führt auch das M o tiv des Höherlie- gens der Mittelschiffgewölbe zu dem schönen Ergebnis, daß die Ueber- Mauerung der Scheidbögen im Polygonschluß des Mittelschiffes über dem Hochaltar sich wie ein schützender und schirmender Abschluß herab - senkt.

D ie Raumpoesie der Liebsrauenkirche umfängt uns wie ein Traum . Und in dieser Traum welt der Naumdichtung geht der starre S te in selbst ins Knospen und B lühen über, denn nicht anders wirken die wunderbaren Gefilde der Kapellengewölbe des Langhauses mit der Frühlingspracht ihres luftigen Stengel- und Pslanzenwerks. D a lebt noch einmal die ganze sinnliche Freude des Menschen der Früh­gotik am Schauen des Lebens der N a tu r auf. Feiner und zarter ist das Atmen dieser Freude am beseelten B lattwerk der Kapitelle des Westchores des Münsters in Naumburg. Lauter und jauchzender aber ist der Trium ph des spätgotischen Steinmetzen in der Kunst des Schwellens und Biegens des Steines in den Traumgesilden der K a ­pellengewölbe der Liebsrauenkirche in Ingolstadt.

Ich halte still aus dem Gang durch Ingolstadts Gotik und über­laste es der Seele, weiter aus das Singen und Klingen der Steine, der Linien, der Flächen, der Räume zu lauschen. D ie unendliche V ie l­seitigkeit des Schöpfergeistes des Menschen - sie ist das letzte und tiefste Erlebnis der Gotik Ingolstadts und das Ahnen dieser Schöp­ferkraft des Menschen ist der sinnvollste Segen, den die Denkmäler­w elt der S tad t sür uns bereit hat.

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Ein Vrachtevangeliarium der karolingischen Leit

aus ingolstadt"

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' Von Univ.-Pros. Dr. Georg Leidinger,Geheimer Negierungsrat,

Direktor der Vager. Staatsbibliothek

Vortragaus der ir . Hauptversammlung des Verbandes bayerischer

Geschichts- und Urgeschichtsvereine in ingolstadtam 30. Oktober 1-L6

M it 10 Abbildungen

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A ls Grundlage fü r die Geschichte Ingolstadts in karolingischer Zeit, also fü r den Zeitraum von 751—911, haben w ir nur drei feste Anhaltspunkte. Erstlich die Erwähnung Ingolstadts in der be­kannten zu Diedenhosen ausgestellten Reichsteilungsurkunde Kaiser K a rls des Groben vom 6. Februar 806. S ie ist zwar nicht mehr im Urstück vorhanden, sondern nur in späteren Abschriften, der Textteil, m welchem IriLo16e8tat erwähnt ist, sogar nur in einer einzigen sehr jungen Abschrift aus der Zeit um das Jah r 1600. D ie schlechte Ueber­lieferung des Textes aber hindert nicht, alle seine Angaben sür richtig Zu halten. W ie uns Einhard, der berühmte Biograph K arls des Groben, übereinstimmend m it den W orten der Einleitung jener T e i­lungsurkunde berichtet, legte K a rl darin fest, w ie er sein Reich geteilt haben wollte, fa lls er sterben sollte, damit schon zu seinen Lebzeiten je­der seiner Söhne wisse, welchen T e il er später zu regieren und zu schuhen habe (ut se ire t unusquisque illo i'u m , quam partom lu e ri e t regere ckebuisset, 8i superstes i l l i ckevemret).

. I n dieser Teilung erhielt P ipp in Ita lien und Bayern, letzteres wie Herzog Tassilo es besessen habe, excepto ckusbus v ill is , quaimm vom ina sunt Inxo läesta t e t Im trakakok, quas nos quonäam Ta88i!oni bonekieiavimus s t pe rtine n t ack paßum, q u i ckicitur d lortk^owo.

. Unter einer v!Ha der damaligen Zeit haben w ir ein grobes Kö­nigs- oder Kammergut zu verstehen. W ir haben also zu übersetzen: P ipp in sollte Bayern erhallen m it Ausnahme der zwei Kammergüter ingolstadt und Lauterhofen, die K a rl der Grobe einst Tassilo zu A h e n gegeben habe und die zu dem sogenannten Nordgau gehörten. D er Nordgau aber m it Ingolstadt und Lauterhosen sollte nach Karls des Groben W illen zum Teile seines gleichnamigen Sohnes K a rl geschlagen werden.

M i t Recht hat der gelehrte und hochverehrte H err Stadtdekan Monsignore D r. Götz in seinen verdienstvollen und methodisch vor­züglichen „Beiträgen zur ältesten Geschichte Ingolstadts" (Sammel- blatt des Historischen Vereins Ingolstadt X I.I, 1921) hervorgehoben, datz Ingolstadt und Lauterhosen zu der Zeit, a ls jene Reichsteilung be­urkundet wurde, eine hohe Bedeutung gehabt haben müssen, da man fte sonst kaum in einem so wichtigen Aktenstücke m it Namen genannt haben würde. W o rin diese Bedeutung bestand, hat er weiter sehr gut ausgeführt, ohne dast ich im Rahmen dieses Vortrages weiter darauf einzugehen brauche. Jedenfalls stimme ich m it dem Hauptergebnis ' ^ e r Untersuchung überein, welches darin besteht, dab Ingolstadt ein altes bayerisches Hofgut der Agilolsinger w ar, welches aus politisch­

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strategischen Gründen von den Karolingern in Besitz genommen und dem bayerischen Herzoge lediglich als Lehen belasten worden ist. N e­benbei möchte ich die Ingolstädter geschichtliche Ortssorschung daraus ausmerksam machen, daß Königsgut der karolingischen Zeit und Her­zogsgut der Agilolfinger sich immer mehr als Fiskalgut der Römerzeit erweist, so datz Ingolstadt möglicherweise schon in der letzteren Zeit vorhanden gewesen sein kann.

D er zweite feste Punkt, um den w ir unsere Anschauungen von dem Ingolstadt der Karolingerzeit zu gruppieren vermögen, ist eine heute noch vorhandene Pergamenturkunde vom 18. August des Jahres 841 (nicht 840, wie öfter unrichtig angegeben w ird), ein ehrwürdiges Ge- schichtsdenkmal, aus das die S tadt Ingolstadt stolz sein kann. G ar manche gröbere S tadt wäre froh, wenn sie ein solches Schriftstück aus ihrer Vorzeit ausweisen könnte. D ie nun bald eintausendeinhun- dert Jahre alte Urkunde liegt bei anderen Schätzen der bayerischen Vergangenheit jetzt im Hauptstaatsarchiv zu München, wohin sie in der Zeit der Säkularisation aus dem Archiv des niederbayerischen Donau­klosters Niederaltaich gelangt ist.

I n ih r schenkt nämlich König Ludwig der Deutsche, der Enkel K a rls des Groben und Sohn Ludwigs des Frommen, dem Abte Eoz- bald von Altaich auf besten B itte fü r treugeleistete Dienste zwei K ir ­chen und einen Herrenhof,mit den übrigen dabei stehenden Gebäuden und reichem Zubehör in der „v !U a quae voeatur IngoIckegZtst" (im Drucke der Nonum enta Lo ica X I , 108 steht fälschlich „In^olcker- s ta t") zu freiem Eigentum, nachdem Gozbald das alles bisher nur zu Lehen gehabt hatte. Ausgestellt ist die Urkunde zu Heilbronn am Neckar in der königlichen Pfalz.

Das dritte Ingolstädter karolingische Stück ist eine heute ver­schwundene, wahrscheinlich bei der Säkularisation des Archivs von Niederaltaich zugrunde gegangene Uebergabsurkunde des ebengenann­ten Abtes Gozbald, deren Text w ir jetzt nur mehr in sehr schlechtem Abdrucke der klonum enta Lo ica vom Jahre 1771 besitzen. Goz­bald, welcher der Erzkanzler König Ludwigs war, wiederholt in dieser wohl nicht lange nach der königlichen Schenkung versabten Urkunde den grötzten T e il des Textes jener m it der Erwähnung der zwei K ir ­chen und des Herrenhoses m it dem übrigen Zubehör zu Ingolstadt und gibt das königliche Geschenk weiter an die seinem Kloster gehörige Kirche der heiligen M ä rty re r Felicistimus und Agapitus zu Isarhofen (bei Niederaltaich), sich selbst aus Lebzeiten die Nutznießung vorbehal­tend.

Zu den genannten drei Geschichtsdenkmälern Ingolstadts aus karolingischer Zeit tr itt meines Trachtens nunmehr noch ein viertes, welches bisher noch nicht als solches gewürdigt worden ist, ein greif­barer Gegenstand aus jener Zeit. D as ist jenes Prachtevangelienbuch oder vielmehr das sind die Reste jenes Prachtevangelicnbuches, von welchem ich jetzt berichten w ill.

so

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I n den 70er Jahren des verflossenen Jahrhunderts w ar man in der Registratur des Münchener Kgl. Salz- und Bergwerksamtes aus Anbände von alten Rechnungsbüchern und Umschläge von Akten- bundeln gestoben, die sich a ls Pergamentblätter m it biblischen Texten erwiesen. Nach und nach kamen 52 B lä tte r zum Vorschein. M a n ver­lauste sie um billiges Geld an die Münchener Kgl. H of- und S taa ts­bibliothek, wo sie alsbald als Reste eines Evangelienbuches aus dem IX . Jahrhundert erkannt und dort a ls Cod. lat. 27270 aufgestellt wurden. W o die B lä tte r sich befunden hatten, bevor das Münchener Salzamt in ihren Besitz gelangt w ar, das bekundeten geschriebene T ite l auf Papierschilden, welche denjenigen B lä tte rn ausgeklebt waren, die als Vorderdecke! von Rcchnungsbüchern gedient hatten. Aus diesen Papierschilden, die nun abgelöst wurden, stehen folgende T ite l zu lesen:„Hällingische S a ltz - vnd Gelt-Rechnung des Ambts Ingolstatt de

Anno 1688. R apu la r."„Hällingisches Saltz- vnd Wochen-Extract-Buech des Am bts In g o l-

.statt de Anno 1689."„Reichenhallerisches S a ltz - vnd Wochen-Handt-Buech des Ambts In -

statt de Anno 1690."„Hällingische S a ltz - vnd Gelt-Rechnung des Am bts Ingolstatt de

. Anno 1690. R apu la r."„Hällingisches Saltz- vnd Wochen-Handt-Buech des Ambts In g o l­

statt de Anno 1693."Und auf eines der B lä tte r hatte man sogar kein Papierschild ge­

le b t, sondern mitten in die schöne Schrift des IX . Jahrhunderts mir oen krausen Zügen der Kanzleischrist einer Zeit, die eben andere Schön- heitsbegrisse hatte, den T ite l geschrieben:„Lasten-Rechnungs R apu la r Von Georg! 1689 bis Georg! 1690.". Und darunter schrieb eine Hand vom Ansänge des 19. Jahrhun­derts noch einen Registraturvermerk: , L . V I I F . 22. N o . 2602."

A us den erstgenannten 5 Büchertiteln w ar zu schließen, daß alle die aus dem Salzamt München erworbenen B lä tte r einst im Salz-

Su Ingolstadt zum Einbinden der Rechnungsbücher und E in ­j a g e n der Akten verwendet worden waren. D as geschah, da aus einem Pergamentblatte sich noch die Zahl „1687" geschrieben findet, in den «wahren 1687— 1693.

. D ie Münchener B lä tte r erhielten einen hocherwünschten Zuwachs, als im Jahre 1907 der H err Benesiziat Klemens Schlecht bei der Neu­ordnung der Bücherbestände des Historischen Vereins von Ingolstadt

Hausen von N ichts", wie er sagte, auf eine Anzahl P e r- »ameniblatter stieb, welche seine besondere Aufmerksamkeit erregten. ^ " u r damals die B lä tte r zu näherer Bestimmung vorgelegt w ur- en, erkannte ich alsbald ihre Zugehörigkeit zu demselben Evangelia-

von welchem w ir schon die aus dem Münchener Salzam l erwor- B lä tte r besaßen. D ie Anregung der Bibliocheks-Verwaltung,

acht neuaufgetauchten B lä tte r den 52 hinzuzufügen, stieb bei der

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Vorslandschast des Historischen Vereins von Ingolstadt dank der ta t­kräftigen Verm ittlung -es Herrn Benesiziaten Klemens Schlecht auf volles Verständnis und in rühmenswertem Entgegenkommen über­liest der Verein im November 1907 die B lä tte r der Staatsbibliothek im Tausche gegen eine Anzahl von alten, fü r die Geistesgeschichte In g o l­stadts bedeutsamen Ingolstädter Drucken und Drucken von Johannes Eck aus den Dubletten der Staatsbibliothek.

Zu den nunmehr 60 B lä tte rn des einstigen Buches kam dann 1913 noch ein Doppelblatt, das merkwürdigerweise aus dem Nachlast des berühmten Münchener M a le rs K a r l Spitzweg herstammte und später, nachdem ich die Zugehörigkeit der beiden B lä tte r zu eben den andern bestimmt hatte, von dem Antiquariat Ludwig Rosenthal in München in anerkennenswerter Weise der Staatsbibliothek geschenkt wurde.

D er einstige Umfang der Handschrift läh t sich auf Grund der vor­handenen Reste und durch Vergleichung m it anderen gleichzeitigen Evangelienbüchern der nämlichen Textanordnung einigermasten an­nähernd bestimmen. Nach der von m ir vorgenommenen Berechnung zählte der ganze Kodex, in welchem — abgesehen von den Kanones- taseln — auch die Vorreden und die Inhaltsverzeichnisse vor jedem einzelnen Evangelium vorhanden waren, 32 Lagen von wohl regel­mäßig je 8 Pergamentblättern, zusammen demnach 256 B lä tte r — 512 Seiten in Folio, kommt also dem Tegernfeer Evangelienbuch der gleichen Zeit und gleichen Schriftart (Clm. 19101), welches — heute noch vollständig erhalten - 244 B lä tte r umfaßt, an Umfang ziemlich nahe. Von allen diesen 32 Lagen ist keine einzige im V o lt­mast ihrer 8 B lä tte r auf uns gekommen, nur drei m it je 6 B lättern, sieben m it je 4 und acht m it je nur 2 B lä tte rn . Vierzehn Lagen, be­sonders die größere Hälfte des Evangeliums des Johannes, sind vö l­lig verloren gegangen. D ie von dem einst umfangreichen Buche nur mehr vorhandenen 62 B lä tte r bilden also ungefähr den vierten Teil des ursprünglichen Bandes, wobei auf 22 dieser B lä tte r der Text zudem arg beschnitten ist. Auch sonst sind die sämtlichen B lä tte r in­folge ihrer Verwendung fü r die Zwecke des Buchbinders durch Schere und Messer, Leim und Kleister schlimm mitgenommen. Es finden sich viele Schnitte im Pergament zum Durchziehen der Aktenbänder. Und bei der notwendigen Ablösung von den Einband-Pappdeckeln ist auch nicht immer eine kundige Hand tätig gewesen, so dast auch Hiebei noch mancher Schaden verursacht worden ist.

Nichtsdestoweniger freuen w ir uns noch über die Reste.Schönes weißes Pergament, manchmal wie Seide schimmernd,

wurde zu dem Evangelienbuch verwendet. D ie Höhe der B lä tte r be­trägt, soweit sie nicht beschnitten sind, 35 Zentimeter, die B re ite 26 Zentimeter. A u f jeder Textfeste sind zwei Spalten angeordnet, beider­seits durch in das Pergament eingedrückte Linien abgegrenzt, so daß breite Ränder blieben und in der M itte eine ziemlich breite senkrechte Leiste. M a n ging also m it dem kostbaren Pergament verhältnismäßig

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verschwenderisch um. Aus jeder Seite beträgt die Zahl der Zeilen 23, wobei 46 Linien so gezogen sind, daß innerhalb von ihnen die Buch­staben in der Höhe von 5 M illim e te r lausen, während die Zwischen- räume noch etwas höher sind, nämlich 6 M illim e te r, ein Umstand, der die Lesbarkeit der Schrift noch wesentlich erhöht.

I n jenen Evangelienbüchern des M itte la lte rs , welche m it beson­derer Pracht ausgestattet wurden, gingen dem eigentlichen Texte der v ier Evangelien die sogenannten Kanontaseln oder Kanonestaseln voraus.

F ü r diejenigen unter den geehrten Lesern, welche vielleicht nicht wissen, was man sich unter Kanonestaseln vorzustellen hat, muh ich eine Erklärung über Wesen und Gebrauch jenes sür die Kunstgeschichte nicht unwichtigen Bestandteiles der Evangelienbücher geben.

D er Bischof Eusebius von Caesarea hatte als Erster die vier Evangelien i n n u m e r i e r t e Abschnitte zerlegt. A n dem Rande der Texte merkte er überall m it den Zissern seiner Numerierung die S te l­len gleichen In h a lts aus den anderen drei Evangelien an. A ls Ergeb­nis seiner die übereinstimmenden Stellen Herausmerkenden Verglei­chung legte er außerdem zehn Tafeln an, Kanones (von griechisch xar-cü». --- Richtschnur), welche eine Uebersicht a ller jener gleich­inhaltlichen Stellen der Texte bieten sollten. D ie erste Tafe l gab in vier senkrechten Reihen ein Verzeichnis a ller jener Stellen, an welchen alle vier Evangelisten übereinstimmen, die 2 . - 4 . Tafe l in je drei senk­rechten Reihen die bei drei Evangelisten gleichartig sich findenden Stellen, die 5. bis 9. Tasel jene, an denen zwei Evangelisten den glei­chen Bericht bringen, und die letzte Tasel die Stellen ohne Parallele. Aene Taseln fanden allgemeinen Anklang; man gab sie den meisten Evangelienbüchern bei, indem man sie an deren Ansang setzte. D a ­mit die Zahlenreihen der Taseln in Ordnung blieben und keine V e r­w irrung entstand, wurden die Reihen durch senkrechte Striche getrennt. Um die Zusammengehörigkeit der Reihen, insbesondere aus Selten, aus denen mehrere und verschiedenartige Tafeln zusammentrafen, zu kennzeichnen, verband man die zueinander gehörenden oben durch bogenförmige oder winkelige Verbindungslinien.

D as ursprünglich nur zur Ordnung dienende Liniensystem, dessen Her tellung zunächst dem Schreiber zufiel, stellte ein Grundgebilde ein­fach ter Form dar. Es reizte aber alsbald zu zierhaster Ausgestaltung, die denn auch nicht lange auf sich warten ließ. N u r eine ganz natur- gemätze Entwicklung fand also statt, wenn nunmehr die einfache V erti- kallinie zur Säule wurde, die einfache Verbindungslinie zum Säulen- b ^e n und zum Säulenspitzgiebel. D as lineare Grundgebilde wuchs ftch zu den nächstgelegenen architektonischen Formen aus. Befördert wurde dieser Vorgang durch die Architektur der Zeit der Spätantike und des frühen M itte la lte rs selbst; denn Säulenanlagen in Verb in­dung m it Bogenkonstruktionen gehörten zum Baustil jener Zeiten. D ie M llektonischen Formen, welche die Schreiber und M a le r der Hand- IHnsten an zahlreichen Bauten stets vor Augen hatten, beeinslutzten

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sie beim Streben nach Zierformen im Buchschmuck und brachten die Verzierungen der Kanonestaseln zustande.

D ie Säulengebilde der Kanonestaseln m it ihren Bogen und Gie­beln hätten naturgemäß so dargestellt werden müssen, daß sie zu pla­stischer W irkung kamen. A lle in diese Grundforderung wurde durch die Buchmaler nur in den allerseltensten Fällen erfüllt. Schon in den ältesten Zeiten vergessen sie — an den Linien haftend — die plastische Durchführung. S ie zerstören die architektonische W irkung dadurch, daß sie die Säulen m it Flachverzierungen belegen; infolgedessen sehen die Säulen häufig wie bemalte B re tte r aus. Auch die Kapitale und Basen werden ohne Tiefengestaltung in einfachen geometrischen F o r­men dargestellt. D ie ältesten uns e r h a l t e n e n Handschriften m it Kanonestaseln weisen bereits die F la c h Verzierung ihrer architektoni­schen Teile aus. Es ist fraglich, ob ihnen andere Handschriften vorher­gehen, deren Schreiber, wenn auch in einfacher und ungeschickter Weise, noch bestrebt waren, in der Ausstattung der Kanonestaseln plastische Wirkungen zu erzielen. Schon in der Frühzeit der Kanonestaseln ent­faltete vielmehr die Flächentendenz der Buchleite ihre Herrschaft und machte sich die plastischen F o r d e r u n g e n der architektonisierenden Ziergebilde Untertan, zumal diese aus linearen Grundzügen hervorge­gangen waren. Aus diesem Wege entstand absichtslos in natur­gemäßer Entwicklung ein stilistisches Ganzes, zu besten einheitlicher W irkung die dazugehörige Schrift m it den aus Buchstaben bestehenden römischen Zahlen nicht wenig beitrug.

Auch unser Evangelienbuch war m it solchen Kanonestaseln aus­gestattet. N u r vier davon sind uns auf einem Doppelblatt erhalten ge­blieben, wertvolle Denkmäler der Ornamentmalerei im Buche darbie­tend.

E rs te S e i t e : D ie drei Konkordanzenreihen, welche die Ueber­einstimmungen der Evangelientexte bei M atthäus, M arkus und Lukas unter Angabe der betreffenden Kapitelzahlen enthalten, sind zwischen vier Säulen, zwei stärkeren und zwei schwächeren, eingetragen. Reiche Ornamente sind auf die Basen und Flächen der Säulen gelegt, und ihre Kapitale zeigen phantastische Gestaltung. E in breiter, ornament- bedeckter Bogen wölbt sich über den äußeren Säulen, während unter ihm je zwei schlankere Bögen von den inneren Säulen ausgehend, diese m it den äußeren verbinden und — nach weiteren seitwärts nicht mehr vorhandenen Stützen strebend, jedoch abbrechend — an dem gro­ßen Rundbogen sich einhaken. Ziegelrot, Fahlgrün und Graublau sind die verwendeten Hauptfarben.

„Ite m 63N0N 866uncku8, u t sup ra ", sagt unter dem oberen B o ­gen die Überschrift und läßt dadurch erkennen, daß zwei vorher­gehende B lä tte r verloren gegangen sind, deren erstes m it der Vorder­seite des zweiten den Ssnon p rim us, den ersten Kanon enthielt, während auf der Rückseite des zweiten der Ansang des zweiten Kanon. stand. D ie W orte „Oanon seeunckus e x p lie it" am Ende der dritten Zahlenreihe zeigen den Schluß des Kanons an.

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Z w e i t e S e i t e : D ie Überschrift „Oanon te rtiuZ , in quo tei-3" und die Schlußschrist „L xp U e it 6anon te rtiu s " sagen uns, daß hier der ganze dritte Kanon vorliegt, in welchem die Uebereinstim­mungen zwischen weiteren drei Evangelisten, nämlich diesesmal zwi­schen M atthäus, Lukas und Johannes angegeben sind.

W ieder umfängt eine Säulenanlage die Zahlenreihen, ein grober Bogen verbindet die äußeren Säulen, drei kleine darunter diese m it den inneren Säulen und letztere unter sich, wobei die Endung der Bögen in Schneckenform besonders beachtet sein mag. A lle Einzelteile der ganzen Säulen- und Bogenanlage sind reich verziert. I n der Fläche unter dem Hauptbogen sind drei Rundungen angebracht: sie enthalten die Symbole der drei in dem dritten Kanon behandelten Evangelisten. W ir sehen einen Menschenkopf — man beachte das antike Stirnband — als Sym bol des M atthäus, einen Ochsenkopf für Lukas, einen Adlerkopf fü r Johannes. Ziegelrot, Gelb und Grasgrün beherrschen hier die Seite, Graublau ist weniger als aus der vorher­gehenden Seite verwendet.

D r i t t e S e i t e : W ir sehen hier die vierte Kanontasel vor uns, die wieder dreier Evangelisten Uebereinstimmungen aufzählt, diesesmal von M atthäus, M arkus und Johannes. D ie Ornamentierung weicht von jener der beiden ersten Tafeln stark ab. Rechts ist leider ein Stück des Pergamentblattes abgeschnitten, so daß die Anlage nicht vö llig zur Geltung kommt. Wieder erblicken w ir oben in Rundungen drei Evangelistensymbole, in der M itte diesesmal den allerdings nicht besonders gut geratenen Kopf des Löwen des M arkus.

V i e r t e S e i t e : Zum Unterschiede von der bisherigen V ie r- säulen-Ordnung sehen w ir hier süns angebracht. Zwischen ihnen war beabsichtigt, den fünften Kanon einzutragen, die zahlreichen Ueberein­stimmungen zwischen M atthäus und Lukas. Dementsprechend sehen w ir oben in Vierecken, die auf den Winkel gestellt sind, den Menschenkopf als Sym bol des M atthäus und den Ochsenkops für Lukas, diesesmal in Vorderansicht, nicht wie auf der zweiten Tasel in Zweidrittelwen­dung. A ls der Schreiber aber an das Ende der Mittelslächen kam, brachte er dort noch den Nest der Liste unter und hatte dann noch die Fläche zwischen der vierten und fünften Säule übrig: die konnte er nun noch fü r den ganzen sechsten Kanon verwenden, nämlich für die Ueber­einstimmungen zwischen M atthäus und M arkus. I n die ursprüngliche Anlage kam damit eine unschöne Störung.

W ir bemerken, wenn w ir die v ier erhalten gebliebenen Kanones­tafeln betrachten, eine außerordentliche Verschiedenheit der Säulen- und Bogenanlagen und eine bewunderungswürdige Mannigfaltigkeit der Verzierungen aller Seiten. Es ist anzunehmen, daß auch die ver­lorengegangenen Seiten durch ähnliche Reichhaltigkeit sich auszeich­neten.. W ieweit die einzelnen Teile selbständiger Gestaltungskraft des M a le rs entsprangen, läßt sich kaum sagen. Aber selbst wenn er alle

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Einzelheiten aus verschiedenen Vorlagen entnommen hat, ist ihm eben doch ein Verdienst fü r die reiche und bunte Anordnung und Ausfüh­rung zuzuerkennen. Und hat er nur eine einzige Vorlage wiedergege­ben, so gebührt ihm Anerkennung für den Geschmack, m it dem gerade jene Vorlage zur Wiedergabe gewählt worden ist.

Vom kunstgeschichtlichen Standpunkt aus sind unsere Kanones­taseln besonders beachtenswert wegen der auf ihnen verwendeten Kopse der Evangelistensymbole in Rundungen bezw. Vierecken unter den Rundbögen. Diese Symbolköpfe geben den B lä tte rn unseres Evangeliariums eine ganz eigene, ja vielleicht sogar einzigartige S te l­lung unter allen bekannten Evangelienbüchern der Karolingerzeit. Sie kommen nämlich sonst nicht in dieser Weise vor. W o die Evangelisten­symbole aus Kanonestaseln karolingischer Evangeliarien verwendet sind, erscheint stets die ganze F igur des Symbols, nicht der Kopf allein.

Von den Kanonestaseln wenden w ir uns zur Betrachtung der wundervollen Formen der in den Texten unseres Evangelienbuches verwendeten Schrift.

Nach dem Verfalle der lateinischen Schrift in der Merowingerzeit hatte sich in dem Staate Karls des Großen mit dem auf allen Gebieten einsehenden Streben nach kulturellem Aufschwung auch das Bedürf­nis nach K larheit und Schönheit der Schrift eingestellt. Es entwickelte sich unter dem persönlichen Einflüsse des Kaisers und der m it ihm in Beziehung stehenden M änner der Wissenschaft eine Erneuerung der alten lateinischen Schrift, und das Ergebnis dieser Regeneration und Reform w ar eine wundervolle Großbuchstabenschrift aus der einen, eine elegante Kleinbuchstabenschrift auf der andern Seite. D as Vorb ild der Großbuchstabenschrift w ar die gerundete Schrift der römischen Kaiser­zeit, jene kraftvolle Unziale, wie der fachmännische Ausdruck lautet, die einst aus der klassischen Kapitalschrift der römischen monumentalen I n ­schriften hervorgegangen war.

Aber jene alte Unziale wurde weit in den Schalten gestellt durch die seinen, in raffinierter Ueberlegung ausgestalteten Formen der karo- lingischen Reform-Unziale. I n ihnen ist unser ganzes Evangeliarium geschrieben.

Diese aus Großbuchstaben zusammengestellte Unzialschrist m it ih­ren ruhigen, gefälligen Zügen w irkt überaus wohltuend auf das Auge. S ie steht auf einem der Höhepunkte mittelalterlicher Schristentwicklung.

Hat sich das Auge schon über die schönen Schriftarm en auf den B lä tte rn unseres Evangeliariums gefreut, so steigern sich unsere ästhe­tischen Empfindungen noch, wenn w ir die prächtigen In itia le n betrach­ten, welche an wichtige Ansänge von Textabschnitten, nämlich der V o r­reden, der Inhaltsverzeichnisse, der Evangelien selbst und wichtiger A b ­schnitte in den letzteren gesetzt sind.

S ie sind alle in seiner Federzeichnung ausgeführt und sehr ge­schmackvoll m it Farben ausgefüllt. Von letzteren sind gebraucht ein leb­haftes N ot, ein sanftes Gelb und Hellgrün, ein fahles B laugrau.

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Die Ornamentik dieser In itia len setzt sich zusammen aus Pslcm- äen-, Vogel- und Fischsormen, welch' letztere man als zoomorphe V e r­zierungen bezeichnet, wozu sich noch Riemen- und Bandwerk gesellt. I n der Zeit, in welcher unsere Handschrift entstand, haben alle diese Ziermotive sich zu einem ziemlich einheitlichen S t i l vereinigt. W ir erkennen Einflüsse, die von der Kunst der M ittelmeerländer herkom­men, solche, die aus Ir la n d und England stammen, wieder andere, welche aus der nordisch-germanischen Kunst übernommen sind.

Besonders sorgfältig sind von den vorhandenen In itia le n die Anfange der Vorreden zu M arkus und Lukas ausgeführt und jener des Evangeliums des Lukas. D er Ansang der Vorrede zu Lukas ist leider sehr zerrissen, die beiden anderen Ansänge sind gut erhallen.

D ie Seite m it dem Anfange der Vorrede zu M arkus zeigt außer­ordentlich geschmackvolle Raumausnühung. Oben in den ersten zwei Zeilen liest man in Nachahmung von altrömischer Kapitalschrift, wobei die eckigen 6 bemerkenswert erscheinen, die Ueberschrift:

Ineipit praekatio klarer).D ie Umrisse der Buchstaben der ersten Zeile sind m it Farben

ausgefüllt. I n der dritten Zeile beginnt der Text m it einer wunder­vollen In itia le , einem unzialen M . Aus dem kelchähnlichen M itte l­stamm, den unten Flechtwerk ausfüllt, streben nach beiden Selten aus dünnen Hälsen zwei Tierköpfe in die Höhe: in ihre geöffneten Nachen schieben sich zu beiden Seiten zwei Figuren, halb Fisch, halb Vogel, Bänder und Schuppen am Hals, Flügel am Leib, krampfhaft die eigenartigen Beine ausstreckend, in Blattornamenten endigend. G rau, R o t, Hellgrün sind die Farben, m it denen diese Federzeichnungausgefüllt ist.

. B e im Anfang des Markusevangeliums ist infolge unsachmän- nischer Ablösung des Doppelblattes, aus welchem es sich befindet, von dem Einband, zu dem es verwendet war, das Pergament leider sehr beschädigt. Aber man sieht doch den groszen Anfangsbuchstaben, der hier dem W o rt, ,k n it ju m " gegeben ist, verhältnismätzig noch gut. Das o ist aus einem phantastischen T ie r gebildet, das man wohl als D ra ­chen bezeichnen darf. Ob man es als den Löwen des hl. M arkus be­trachten kann, wie Jemand gemeint hat, bleibe dahingestellt. D er nach Hechts gewendete Kops trägt einen eigenartigen Schmuck, der rechte Vordersutz m it Krallen ist hochgezogen, links sind kurze Flügel ange­bracht, der Leib ist sonderbar gekerbt, unten läuft ein Hintersutz in d ra llen aus und der Schweif endigt in Pslanzenornament. R o t und 6run sind die beherrschenden Farben in der merkwürdigen Figur.

Von den kleineren In itia le n ist noch ein I7-sörmiges V hervorzu­heben, das zu dem W o rt „V e sp e re " des Textes gehört. D er Körper ves Buchstabens ist m it farbigem Riemenwerk angefüllt. Von beson­derer D ichtigkeit aber ist die Ausfüllung des freien Raumes innerhalb oes Buchstabenkörpers m it seiner Linienverzierung: sieben S p ira ­len sind hier m it einander vereinigt und bilden einen ausnehmend w lr-

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kungsvollen Schmuck, der zeigt, daß der Künstler dieser In itia len mit den einfachsten M itte ln zu arbeiten verstand.

W o ist die Handschrift wohl hergestellt worden? Jedenfalls nicht in Ingolstadt.

M a n pflegt die Entstehung dieser und anderer geschmackvoller E r­zeugnisse ber Buchkunst jener Zeiten in den Residenzen und Haupt­orten des fränkischen Reiches im heutigen Nordfrankreich und im Rheinland zu suchen. Ob man damit völlig im Recht ist, w ird m ir im­mer mehr zweifelhaft. Ich denke, daß an Kulturstätten, von der B e ­deutung, wie in jener Zeit auch schon Regensburg, Salzburg, Freising, Tegernsee usw. sie besaßen, auch schöne Bücher hergestellt werden konnten, wobei allerdings die Vorlagen aus dem Westen oder Süden gekommen sind. I n einzelnen Fällen ist das schon sicher, z. B . bei zwei Evangeliarien, die Bischof Anno von Freising (854— 875) für Freising und Schästlarn nach einem V orb ild aus Reims herstellen ließ, in anderen Fällen, wie bei unserem Evangeliarium, müßte der Nachweis allerdings erst erbracht werden, was bei den geringen vorliegenden Anhaltspunkten zunächst noch sehr schwierig ist. Vielleicht h ilft uns hier die von der Deutschen Gesellschaft für Kunstwissenschaft in die Wege geleitete Bearbeitung der sämtlichen karolingischen m it Buchmalerei geschmückten Handschriften weiter. I n einer Tegernseer Handschrift, die vielleicht dortselbst hergestellt ist, dem Münchener Cod. lat. 18092, finden sich schöne In itia le n , die sehr den unsrigen gleichen. A ls Zeit der Herstellung unseres Evangeliariums dürfte die zweite Hälfte oder vielleicht schon die M itte des IX . Jahrhunderts in Betracht kommen.

W o befand sich die Handschrift, ehe der entsetzliche Unverstand irgend eines Banausen ihre Teile dem Buchbinder für die Ingolstädter Salzrechnungsbücher überantwortete?

Sollten w ir zur Beantwortung dieser Frage nicht das Nächst­liegende annehmen dürfen, daß nämlich diese Handschrift einer In g o l­städter Kirche gehört hat? M ir scheinen hiefür alle Umstände zu sprechen.

I n der Urkunde König Ludwigs des Deutschen für A b t Gozbald von Niederaltaich aus dem Jahre 841 ist von zwei Kirchen die Rede, die bereits damals zu Ingolstadt sich befanden. Es ist sehr leicht mög­lich, daß eine davon unsere Handschrift besaß. Ich möchte mich nicht in den seit noch nicht langer Zeit unter den verehrten Ingolstädter O rts ­geschichtsforschern entstandenen Zwiespalt mischen, welche in der einen jener zwei Kirchen zwar einhellig jene zu Feldkirchen erblicken, bezüg­lich der zweiten aber darin uneins sind, ob die S t. Morihkirche oder das S t. Georgskirchlein jene zweite karolingische Kirche auf In g o l- stadts Boden gewesen ist. Vielleicht könnte aber in dieser Frage unsere Handschrift ein gewisses Gewicht bekommen, wenn man herausbringen würde, aus welcher der beiden Kirchen eine Handschrift wie die unsrige in das Ingolstädter Salzamt gelangen konnte. H ier versagen meine Kenntnisse, und ich kann den Ingolstädter Ortssorschern nur die drin­

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gende Anregung geben, unsere Handschrift im Auge behaltend, der Geschichte des Ingolstädter Salzamts nachzugehen.

Gozbald ist 855 gestorben. E r wurde noch Bischof von W ürz- bürg, behielt aber die Abtwürde von Niederaltaich bei. E r w ar ein gelehrter M ann . Handschriften, die er fü r seine Kirche schreiben ließ, liegen jetzt in Oxford und in Würzburg. I n der letzteren befindet sich ein offenbar von ihm selbst verfaßtes Bruchstück der Geschichte der Übertragung der vorhin genannten M ä rty re r Felicisfimus und Agapitus nach Isarhofen.

S o llte er selbst es gewesen sein, der auch unsere Handschrift hat schreiben lassen und eine seiner Ingolstädter Kirchen damit ausge­staltet hat?

Is t wirklich - was sehr wahrscheinlich ist — eine Ingolstädter Kirche m it der im Inne rn luxuriös ausgestatteten Evangelienhandschrist beschenkt worden, die außen vielleicht auch einen Prachteinband trug, wie sich deren manche noch in unseren Bibliotheken befinden, so würde m it dem Buche ein bedeutendes Licht aus die kulturelle Bedeu­tung jener Kirche fallen und das 300jährige Dunkel in der Geschichte von Ingolstadt — erst 1148 w ird es wieder genannt — wenigstens für den Ansang jener nachrichtlosen Zeit einigermaßen erhellt werden.

Ich schließe m it einem Wunsche: Kommt Ihnen vielleicht irgendwo noch eines oder das andere B la t t des Buches unter die Hand, so ver­anlassen S ie, daß es zu den schon vorhandenen gelangt.

OoMgite, quue suporaverunt, kragments, ne psreant.Sam m elt die übrigen Bruchstücke, damit sie nicht umkommen, g ilt

auch in diesem Falle wie im Evangelium Iohann is (6,12).

6 ^

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ingolstädter Grabsteinez. Teil

St. Sebastian und die kleineren Kirchen

1 6 0 4 - M 3

v Von lVlsgr. Dr. lostann Vapt. Göh

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EinleitungNachdem durch die Errichtung der Frauenpfarrei i. I . 1407

S t. M oritz den dortigen Friedhof verloren hatte, schuf man noch im gleichen Jahre fü r die Bedürfnisse der P fa rre i im Nordosten der S tad t eine neue Begräbnisstätte (Sb l. IV 174). 1444 erbaute man dort hauptsächlich aus den M itte ln der Bürgerschaft eine Friedhos° kirche, die heutige Sebastianskirche. A n den Rippen des Nehgewölbes, die unmittelbar aus den Wandpseilern herauswachsen, sehen w ir die Wappenschilde mehrerer Ingolstädter Patriziergeschlechter, der Schwab, Kaiser, Hanenkampl, Schober, Ehinger, Pehringer, G reif, W ild , Zainer, Fragner, die alle zum Baue beitrugen. Trotzdem stand die Kirche von Ansang an im Eigentume der Stadt. 1634 wurde sie erweitert, indem man das westliche Joch neu anbaute und das östliche des Langhauses etwas breiter machte. B e i der Säkularisation tra f auch sie das Los der Aushebung: 1804. Doch kaufte schon am 13. J u li 1804 die Sebastianibruderschast Kirche und Friedhof um 1600 fl. 1810 verkaufte sie den ganzen ehemaligen Friedhof um 480 sl. an den Q uartlbräu Georg Knabl, von dem ihn dann später die S tadt zurück erwarb. 1824 gab die Bruderschaft die Kirche ganz auf und zog zu den Franziskanern in die ehemalige Augustinerkirche. 10 Jahre lang kümmerte sich nun niemand mehr um sie. D ie Orgel erhielt die pro­testantische Gemeinde (1824), ebenso nach 5 Jahren die Stühle, die grötzere Glocke verkaufte man 1832 an die Kirche auf dem Katha- rinenberge, während die 2 kleineren die Bruderschaft M a ria vom Siege entlehnte. S o w ar die Kirche nun vollständig ausgeraubt und schon 1834 so verwahrlost, das; man sie entweder niederreiben oder baulich instand setzen mutzte. M a n entschlojz sich fü r das letztere und stellte sie in dem gegenwärtigen Zustande wieder her. 1844 wurde das 400jährige Jubiläum unter grober Beteiligung gefeiert. Bischof Neisach nahm selber an der Feier te il (Sb l. 39, 1920, S . 72— 75; Unterhaltungsblatt zur „Ingolstädter Zeitung", 1900, S . 25). Aus dem ehemaligen Friedhofe erbaute die S tad t 1872 die noch stehende Turnhalle. D er südliche T e il des Friedhoses ist Garten, die M auer zeigt noch Spuren einstiger Bemalung der Arkaden. E in B i ld aus dem18. Jahrhundert stellte Christus und die Ehebrecherin dar laut noch erhaltener lleberschrist.

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Ueber den Grabsteinen waltete kein günstiges Schicksal. Soweit sie austen an der Kirchenwand waren, sind sie säst alle verloren und auch im In n e rn sind die meisten ausgetreten, zerschlagen und zer­stückelt. W as noch vorhanden, wurde im Folgenden ausgenommen und so wenigstens seinem Inha lte nach sür die Zukunft gerettet. Lei­der fanden sie bisher niemanden, der sie ausgezeichnet hätte. Selbst Ostermair ging an ihnen vorüber und auch Ignatz Dominikus Schmid bat sich in seiner „Lepu lebrograpb ia Inßo lstad iana" die ich später zu behandeln hoffe, nicht weiter um sie gekümmert. D e r G rund w ird darin liegen, dast die Kirche fast immer geschlossen ist. E in Grostteil der I n ­schriften ist deshalb unwiederbringlich verloren und auch bei den er­haltenen müssen w ir wegen des schlechten Zustandes, in dem sich die Steine befinden, oft genug mehr als ein Fragezeichen machen.

Im Anschlüsse hieran sollen zugleich die paar Grabsteine m it ver­öffentlicht werden, die sich noch in den kleineren anderen Kirchen fin ­den. Jene bei den M ino riten (Garnisonskirche) behandelte bereits Hugo K ö g e r l im Programme des Ingolstädter Gymnasiums, das auch dem Sammelblatt 36, 1917, beigcgeben wurde. Leider hat er die am meisten gefährdeten Grabsteine an der Austenwand der Kirche nicht genau ausgenommen, sondern nur verzeichnet. Eine genaue Nachprüfung liegt aber außerhalb des Rahmens dieser Arbeit. V ie l­leicht bietet die Behandlung der „Lepu leb rog rap liia Ingolstuckiana" hiezu einmal Gelegenheit.

Literatur und Abkürzungen wie in den beiden voraus­gehenden Veröffentlichungen. Besonderen Dank schulde ich den Herrn Beamten des baycr. Kricgöarchiveö in München, die m ir über ehemalige Hcereöangehörigc jederzeit in lie­benswürdigster Weise Aufschluß gaben.

Ingolstadt, den 15. Dezember 1927.

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Topographie der Grabsteine.I n der Sebastianskirche.

(Von den durchschossen gedruckten Namen werden unten dieInschriften gegeben).

Im Kirchenpslaster beim Südeingang:1. Kalksteinplatte, teilweise von der Türschwelle verdeckt, soweit

sichtbar 1,54 : 0,61 m, vollständig abgetreten. N u r von der vorletzten Zeile - es waren ursprünglich 8 Zeilen — ist noch er­kennbar „G o tt ge(naden w olle)". Unten 2 Wappen, die später auf einem anderen Grabsteine wiederkehren, nämlich:n) Zwei Balken; die Helmzier zeigt einen nach links gewendeten

Kops eines Schafes, also das Wappen von S c h a s s h a u s e n . b) Das Wappen der Familie S a n d i z e l l , einen Ochsenkopf,

der in der Helmzier wiederkehrt. Es ist möglicherweise der Rest vom Grabstein der Susanna von Schasshausen, einer geborenen von Sandizell. V g l. N r. 11 ,13 und 15.

2. Georg S u l .3. Grotze Kalksteinplatte neben der vorhergehenden, einem Priester

angehörend, vollständig abgetreten, so daß nichts mehr zu sehen ist als der Kelch.

4. M e i l l i n g e r Paulus.5. B i l r o s t i n Anna M aria .6. E h i n g e r i n Barbara.7. H a n e n k a m p l Georg.8. H ü t z h o f e r Paulus.9. Große Kalksteinplatte, neben der vorherigen, unmittelbar beim

Stiegenausgang 1,67 : 0,68 m,ganz abgetreten, so daß wohl ein­zelne Buchstaben der ursprünglich deutschen Schrift zu sehen, aber kein zusammenhängendes W o rt zu lesen ist. 17. Jahrh. 2 Wappen: :r) drei rechte Schrägbalken; Helmzier: ein wachsender, nach

rechts schauender Ziegenbock. b) Vom Stiegenansatz verdeckt.

10. Kalksteinplatte, 1,67 :0 ,6 8 m, neben der vorherigen, vollständig ab­getreten, so daß überhaupt nichts mehr sichtbar ist. Unten in einem groben Kreise Doppelwappen, von dem auch nichts mehr erkenn­bar ist.

11. Jörg von S c h a s s h a u s e n ' s c h e Töchter.Unmittelbar an der Westwand, hinter den genannten groben

Steinen:12. Kalksteinplatte, zerschlagen. Von dem Reste ist noch zu lesen

starb(fr)au W arbara

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. . sein Eheliche (haussra)w. Deren Seelen

Amen.H art am Ecke beim Südeingang; der Nest ist noch 0,81: 0Z 4 m.

13. S c h a s s h a u s e n Georg von.14. N i e d m a y e r i n Ottile.15. Kleiner Grabstein 0,38 : 0,59 m, ganz abgeschiefert, so dast kein

zusammenhängendes W o rt mehr zu entzissern ist. Hatte deutsche Schrift. Unten Doppelwappen. Soweit noch erkennbar, sind es die beiden Wappen von N r. 1.

16. S l a d i Wilhelm.17. K i r n e r Georg und Barbara. .18. T a s f e l m a y r Simon.19. D ü m p f l i n M a ria Katharina.

A n der Westwand, unter der Empore lehnend:20. N u d o l p h Johann Gerhard.

I n der Westwand unter der Empore:21. E r o l z h e i m ' s c h e Tochter.

Im Kirchenpslaster nahe dem Südeingang:23. S c h e s f e r Johann Michael.

Desgleichen beim Iosephsaltar:24. I r l e Johann.25. M a y r M o ls Andreas.26. M u m e t h o f e r Franz.27. E g g e r Johann.

I n der Wand vor dem Iosephsaltare:28. P r ä n d t l 'sche Töchter.

Im Pflaster vor der Chorstufe:29. F r e y in Ursula.30. P r ä n d t l i n M a r ia Johanna.32. R e i g e r t s b e r g Johann Leonh. M a r ia von.33. S c h m i d t Augustin.

Am Chorbogen:34. N e u b e r t Georg (Epistelseite).35. L a u b s c h e r Ursus (Evangelienseite).

A n der Chorwand:36. B r o d r e i s t Joseph von. (Evangelienseite).37. Schr anck ' sches Epitaph (Epistelseite).

6. Allsten an der Sebastianskirche.W ir beginnen bei dem gewöhnlichen Eingang zur Kirche, also

an der S ü d s e i t e.38. Kalksteinepitaph aus dem Ende des 16. Jahrhunderts, vollständig

verw ittert, 0,84 : 0,74 m. Es trug in der M itte eine Kreuzigungs­gruppe m it der Familie des Verstorbenen in der bekannten A n ­ordnung: rechts der Vater m it 7 oder 8 Knaben, links die M u tte r m it 4 Mädchen. Darunter die Schristtasel, von der nichts mehr zu lesen ist.

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39. A ls Türschwelle verwendet eine Kalksteinplatte, die in der M itte vollständig abgetreten ist, m it 2 Wappen und gotischer Schrift:

1562 amSontag nach Martin starb der E rbar Hans

ria Hedllin (?)sein eheliche Hausfrauen denen Gott ge(nad).

1,46 : 0,67 m; die Inschriftplatte 1,08 : 0,67 in. D er Todestag ist der 15. November.Wappen:a) Eine ausrechte Schaufel ohne S tie l; d) Soweit noch erkennbar, ein M ührad.Im Garten an der Kirchenwand.

40. Nenaissanceepitaph aus Kalkstein, vollständig verwittert. Oben spitzer Giebel mit 2 nicht mehr erkennbaren Wappen, darunter, von 2 M astern eingerahmt, eine Auserstehung m it der Familie des Verstorbenen — Vater m it 2 Knaben, M u tte r m it 3 Mädchen — ; über derselben im Tympanon die noch lesbaren W orte:

8vm liesvrree tio N V ita .(Ich bin die Auferstehung und das Leben. Io h . 11,25.)

Unten die Schristtafel, von der aber nichts mehr zu lesen ist. Gröhe: 1,68 : 0,80 m.

41. Kallsteinplatte, 0,70 : 0,50 m, ganz verwittert und teilweise über­tüncht, nichts mehr zu lesen.

42. S c h r o l l i n M a r ia Susanna.43. Renaissanceepitaph, vollkommen verwittert und nichts mehr zu

lesen. 0,96 : 0,64 m. V o r dem Gekreuzigten kniet die Familie, der Vater m it einem erwachsenen Sohn, die M u tte r m it 3 M ä d ­chen. Das Epitaph ist wie das vorhergehende übertüncht und ge­schwärzt (!).

44. Kleines Kalksteinplättchen im Ecke des Seitenkapellenanbaues:Anno domini 1563 den 20 September starb der Erbar Item Im 15 . . den . . . .

starb die E rbar Anna . . . . sein eheliche Haus

(srau) . . . Ehekinder auch . . . . denen allen

gott genade.0,39 : 0,63 m, stark verwittert. Unten 2 Wappen, von denen das eine ein Sieb (?), das andere ein M ührad zeigt.

45. Barockepitaph 1,65 : 0,75 m, welches in der M itte einen Engel zeigte, der das Wappen trug. Dessen Kopf fehlt ganz, das andere

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ist alles vollkommen verw ittert. Darunter die Inschrift, von der ebenfalls nichts mehr zu sehen ist. Kalkstein.

46. Kaltsteinepitaph m it gröberer, heule nicht mehr erkennbarer D a r­stellung und unlösbarer Schrift in deutschen Buchstaben; 1,17 : 0,70 m, wohl das Gegenstück zum vorherigen Grabstein.

47. S e m e l r o c k i n M a r ia Anna.48. P r u n o l 1 i n Johanna M a r ia Katharina von.49. D e v i g n a u i n M a r ia Franzista.60. Kalksteinplättchen ohne jede Inschrift, die vollständig abgefallen

ist, 0,63 : 0,44. m.61. Renaissanceepitaph, 1,17 : 0,56 m, an der äußeren Chorwand,

oben spitz zulaufendes Tympanon m it dem Namen Jesu, ln der M itte Darstellung des Gekreuzigten, vor dem rechts eine Frau kniet m it einem Spruchbande, links unten in der Ecke der m itt­leren Tasel ein Wappen, welches einen geteilten Schild zeigt. Unterhalb die Inschrift. A lles vollständig verw ittert, so daß nichts mehr zu erkennen ist. Kalkstein. '

52. Auszen am Aufgang zum Turme.S t o l l . . M a rtin .

53. Archen an der Sakristei:O s w a l d N ., Büchsenmacher.

54. S c h e r m e r i n M a r ia Katharina.A n der Westwand:

55. P r i n i n g e r Johann Michael.56. Kallsteintasel, die oben ein Wappen trug, in der M itte die A u f­

erstehung Christi m it der Familie des Verstorbenen, darunter die Schrifttafel, barock, 1 ,21: 0,60 m, vollkommen verwittert und nichts mehr zu entziffern. Ueber der Tasel aus hartem Kalkstein eine Sanduhr m it der Unterschrift

I t tk M N I 'O K IM !.Ob die beiden ursprünglich zusammen gehörten, scheint fraglich.

57. V o r m u n d e n Bernhard von.I n der alten Kirchhosmauer, die m it M alereien geschmückt war,

befinden sich ebenfalls noch einige Steine:58. Kalkstein m it 2 Wappen und längerer Inschrift, von der aber

nur mehr die Jahreszahl 1569 m it dem Namen Michael und jene von 1571 zu lesen ist. Auch die beiden Wappen sind vo ll­ständig verwittert; 0,70 : 0,47 in.

59. Nenaissancestein, in der M itte Christus am Kreuze, darunter die Familie, der Vater m it 3 Söhnen, die M u tte r m it 3 Töchtern, oben ein Wappen, unten die Inschrift, 0,68:0,55 m; alles vo ll­kommen verwittert.

60. S u c h e r Jörg.D er im Inventarisationswerk S . 54 erwähnte Grabstein des 1652

-s- Ulrich S t a n g l m a n n mit dem R elie f der Himmelskönigin konnte nicht mehr gesunden werden.

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6. I n der Franziskanerkirche61. P r e y s i n g Johann K a rl Joseph Klemens M a ria , G ra f von62. P r e y s i n g M . Theresia Josephs Thaddaea, G rä fin von

I). I n der Spitalkirche63. B e r k m ü l l e r Johann64. M a n - Johann65. S c h e c h te l M atthäus und Kunigunde66. W a l t h e r Ulrich

L . I n der Friedhoskapelle67. L e x l P . Helanus

k'. Im Kloster Gnadenthal:I n der Kirche

68. B a u h o f e r i n Anna Renata69. M a d e r i n M . Ursula70. M e n z l i n Ludovika71. U h l i n Barbara Cäcilia72. S c h u s t e r i n M . Susanna.

2 weitere Plättchen konnten nicht gelesen werden, da sie zur Zeit von B rettern bedeckt sind.

Im Klostergange:73. M a y r i n Elisabeth74. R y d l e r i n Barbara75. G r ö tz Dorothea76. H a b e r m a y e r i n Walburga.

6. Verschleppte Grabsteine Im Schlofi:

77. V i l l e n i n M . JustinsI n Privathäusern:

78. P r a u n Wolfgang.

L. Chronologie der Grabsteine.1504 Hanenkempl Jörg 1507 Ehingerin Barbara 1507 Hützhoser Paulus1556 Schranck Nikolaus1557 Schasshausen'sche Töchter 1561 (?) Schasshausen Georg von 1572 Sucher Jörg1577 S to ll M a rtin1579 Verwunden Bernhard von1 5 . . M e illinger Paulus1 5 . . S ladius W ilhelm 15 . . S u l Georg1 5 .8 K irn e r Georg

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1 6 .. Riedmayer O ttilia 1611 B ilrostin Anna M a r.1535 B raun Wolfgang 1534 G röhln Dorothea 1586 Niedlerin Barbara 1614 M anz Johannes 1614 Schechtel M atthäus 1629 W alther Ulrich 1632 P ränd l M a r . Franziska 1635 Erolzheim'sche Tochter 1655 P rändtlin M a r . Johanna 1662 N . Oswald1671 Berkmüller Johanna1672 Schusterin M . Susanna1673 Zottin M . Franziska1676 Bauhosin Anna Renata1677 M aderin Ursula1677 M enzlin Ludovika1678 Freyin Ursula1679 M a y r in M . Elisabeth 1682 Uhlin B arbara Cäcilia 1687 V illen in M . Iustina 1693 M a y r W o lf Andreas 1696 Schmidthuber Augustin 17 . . I r le Johannes1701 Habermayerin M . Walburga1703 Egger Johann1704 Mumethofer Franz 1704 Tasfelmayr Simon 1711 Laubscher Ursus1731 Schrölin M a r . Susanna1741 Schefser Io h . Michael1742 Neubert Georg 1752 W ieland Franz Jakob 1758 Schesser Sebastian1761 Schermerin M a r. Katharina1762 D im pfl M a r . Katharina1765 Semelrockin M a r. Anna1766 Reigertsberg Io h . Leonh. M a r . von 1768 Devignauin M a r. Franziska1770 Preysing Io h . K a rl Ios. Klein. M a r ia Gras von 1776 Preysing M a r ia Theresia Iosepha Thaddäa Gräsin von1778 Rudolph Io h . Gerhard1779 P rin inger Io h . Michael1780 P runo ltin Johanna M a r. Katharina 1788 B rodre ih Joseph von1813 L e x l? . Helanus.

6-

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3. Die Grabsteine der Sebastianskirche,i .

Vilrostin flnna M aria1611.

Anno D n i 1611 M ittwoch den 9. Novem.Is t die Edl vnd Tugentsame Frau Anna M a riaB i l r o s t i n , weylund des Edlen vnd HochgelegenHerrn Johann B ilrosts der Arznei Doctorsvnd gemainer löblichen Landschasst in B ayrngewesnen M edici zu Landshut seeligen Nachgelassne w ittib in Gott verschiden, deren beidenvnd allen Christglaubigen Seelen sein SeitlicheAllmacht die Ewig Freud vnd Seeligkeit gnedig verleihen woll. Amen.

Doppelwappen.Kallsteinplatte unter der Empore im M a s te r der Kirche, ziemlich

gut erhalten, 1,78 : 0,89 m, ohne Schmuck.W a p p e n :a) Im geteilten Schilde oben 2 Rosen, unten ein nach links

schauender Schwan m it ausgebreiteten Flügeln. Helmzier: Aus einer Krone wachsender offener Doppelslug mit einer Rose in der M itte .

b) D rei Psa'hle im Schilde. Helmzier: D re i Strauszensedern.

2.

Vrodreiß ?oses von1788.

Wappen.

sHier ruhet

derHochgeborne Herr Joseph v o n B r o d r e i s t Ware W ürkl. Granadier Hauptmann Unter

den (!) Churpfalz Baierisch. Lobl. G ra l (!) M a jo r B aron von Weichsischen Negimsnt

Zue Fuest.E r starb den 19. Nov.

1788.seines A lters

56 Jahre, t t . I . ? .

1-

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Sandsteinplatte in der Chonvand unter dem Fenster aus der Evangelienseite, schmucklos, 1,23 : 0,64 m, gut erhalten. Oben, dem Uebergangsstile entsprechend ausgeschnitten.

W a p p e n : E in rechts aufsteigender Löwe, der m it den beiden Vordersätzen einen geraden, fünfblätterigen Zweig hält. I n der Helmzier wiederholt sich das Wappenbild.

S b l. 4 (1879) S . 138 kennt eine Ehefrau M a ria Barbara Isabella v. B r ., die als Tochter des Ingolstädter Stadtphysitus D r. Johann M einrad von Vonvaldner am 2. 3. 1696 geboren war. I n ih r haben w ir wohl die M u tte r unseres Verstorbenen. Dieser selbst w ar nach der Sterbematrikel nicht verheiratet.

Nach den freundlichen M itteilungen des bayerischen Kriegsar­chives stammte v. B rodreis aus Riglersreuth bei S tadt Kemnath, war 1746 in die Armee eingetreten und wurde 1756 bei Errichtung des bayer. Kadettenkorps in dieses aufgenommen. 1. 7. 1757 zum Fähn­rich im Negimente Morawitzky — 5. bayer. Ins.-Regt. — ernannt, machte er in demselben den siebenjährigen Krieg mit, wurde 1758 Unterleutnant, 1764 Oberleutnant und 1773 Hauptmann. 1778 auf Wartegeld gesetzt, wurde er 1782 wieder als Stabskapitän bei der Leibkompagnie angestellt und erhielt im nächsten Jahre eine Kom ­pagnie.

3.

Devignauin M a ria franziska1768.

Wappen.

H ier RuhetDie Hoch Edlgebohrne Frau

M a r ia Franziska D e v i g n a u i n S r. Chursrtl D r lt in B a yrn

Haubtmännin So in Kindsnöthen den 17. A p r il ao 1768 in (!) 38. Jahr

Ih res A lters in G o tt Seelig entschlafen.G ott gebe Ih r die Ewige

Ruhe.Kalksteintasel an der äußeren südlichen Chormauer, 1,12 : 0,65 m

im S tile des beginnenden Empire, verhältnismätzig gut erhalten.W a p p e n : E in Weinstock m it 4 Trauben, oben in 2 Kreisseg­

menten je ein Stern. D as Wappen ist also ein sprechendes — Da V in.Das Sterberegister der Psarrei hat als Todestag den 16. A p r il

m it der Bemerkung: „ in pa rtu obzck."D ie Verstorbene war eine geborene Kolb aus München, wo der

V a te r Aumeister war, und hatte 1752 den Fähnrich im Leibregimente Franz Joseph Ignaz Devignau geheiratet, der 1730 zu Seyboldsdors bei Landshut geboren worden w ar. S e it 1746 beim M ilitä r , w ar er 1757 zum Unter- und noch im gleichen Jahre zum Oberleutnant im

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Leibregimente befördert worden. M i t diesem nahm er am sieben­jährigen Kriege teil, wurde 1763 Stabshauptmann und erhielt im nächsten Jahre eine Kompagnie im Regimente Lerchenseld — 4. bayer. Ins.-Regt. —, die er 1767 an den ehemaligen preußischen Prem ier­leutnant Franz Ludwig von Gaza verkaufte. E r hatte damals 2 un­versorgte Kinder und eine „schwere oeeonomia." Weiteres ist nicht mehr bekannt. (F rd l. M itte ilung des bayer. Kriegsarchives).

4.Dimpfl M ar, Kathar.

1762.

Dem (!) 29. Oew. Anno 1762 Is t in G ott selig entschlossen die

W ohl Edl Gebohrne Frau M a ria Catharina D ü m p s l i n , verwittw. Churftl.

R äth in und Stadt-Ober-Richterin alhier, dann auch Stüssterin deß üenelioii

zu S t. Sebastians Gotts Acker ihres A lters (Wappen) 72 Jahr.

lieguieseat in paee.Kalksteinplättchen, gut erhalten, im Pflaster unter der Empore,

0,36 : 0,35 in.W a p p e n : E in nach rechts aufsteigender, anscheinend gekrönter

Löwe, der ein Gesäß (?) in der Pranken hält. Helmschmuck: drei Straußenfedern.

W a r die 2. Ehefrau des Franz Ferdinand Dimpsl (seit 19. Ja ­nuar 1745) und in erster Ehe m it dem inneren Rate Johann Gabler ln Ingolstadt verheiratet. Das Sterberegister hat als Todes -(Beiset- zungs-?)Tag den 30. Okt. S ie stistete den nach ih r benannten „Dimpsl'schen Messensond" bei S t. Moritz.

5

Ehinger Barbara1507.

Anno dni m ccccc v ii an sandt vinczenczen tag starb die Erberg

Thugenthaste Frau Barbara E h i n g e r i n von Ulm d' G o t genad.

Doppelwappen in einem Dreipaß.Rote M arm orplatte im Kirchenpslaster unterhalb der Empore,

gut erhalten 2,— : 1,02 m. Ohne Schmuck. Zwischen der Schrift und dem Doppelwappen ist ein 0,97 m langer Zwischenraum.

W a p p e n :a) 2 gekreuzte ausrechte Hölzer.b) E in rechter Schrägbalken, beseitet von je einem Lindenblatt.

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D ie beiden Wappen sind ohne Helmzier.D er Grabstein ist erwähnt im In v . Werk S . 54. D as Todes­

datum ist der 22. Januar.

Egger Johann 1703. n . v .

.1 0 s tn n n 6 8 L s e e r 1703

Kelch m it Hostie.Pslästerchen im Kirchenpslaster beim Iosephsaltar, 0 L 6 : 0,31 m,

ziemlich gut erhalten.D a in der Sterbematrikel das Jah r 1703 sehst, sann Näheres

nicht angegeben werden.7«

Lrolzlieim'sche Tochter1635

Anno 1635 den 1. November starb des W o l Edlgebornen Herrn

Hans Erharden von E r o l z h e i m dan auch der W o l Edlgebornen.

Frau (Regina) Sallome von Erolzhcim geborne von

Kleiner Grabstein aus Kalkstein in der Westwand innen, 0,56 : 0L1 m, in der unteren Halste der Inschrift nicht mehr zu lesen. Es handelt sich wohl um eine 1- Tochter, die im oberen Teile der P la tte dargestellt ist, zu Häupten von 2 einfachen Wappen beseitet, un­ten ebenfalls 2 Wappen m it Helmzier. D ie Schrifttasel trägt eine ba­rocke Linienumrahmung. Eine handwerkerliche Arbeit, die aber kostüm- llch interessant erscheint.

W a p p e n :a) Erolzheim: im geteilten Schilde oben ein Wagenrad;b) Landfrit: ein rechts aufsteigender Löwe.o) Nonhait: Im gespaltenen Schilde je ein Psahl.6) Seestet: 3 Seeblätter.A ls Helmzier hat Erolzheim ein Nad, Nonhait 2 Schrötterhörner.N L. D ie Ausschriften der 4 Wappen sind sehr schlecht, so daß

sie kaum zu lesen sind.Hans E rhärt von Erolzheim w ar nach Sammelblatt 2 ,1 4 Obrist­

wachtmeister im Nuppschen Regimente; angeblich wäre seine Frau am 10. November 1633 gestorben. Ostermair hat wohl den G rab­stein falsch gelesen. D er Grabstein ist als Epitaph des „H ans E r­hard! und seiner Frau Salom e" erwähnt im Inv .-W erk S . 54.

75

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fre y in Ursula1678 '

(der) . . . .Fraven Ursula

F r e y i n so den 18. october 1678 seel. verschiden, seye

gott genedig. Amen.Pslästerchen im Kirchenpslaster vor dem Chor, 0,36 : 0,36 m,

gut erhalten.

9.

Hanenkempl fö rg1504.

Anno dni ü l LOO LL I IH am (mit) tichen vor Sandt Laurenczius

starb der Ersam vnd weis Jörg H a n e n k e m p l stistter des altars

dem got genedig sey. amen.I n einem Dreipast Doppelwappen, über demselben ein Schristband:

Jörg Hannenkempl — M a rth a uxor.Note M arporp la tte im M a s te r unterhalb der Empore, bis aus

das obere linke Eck gut erhalten, 2,— : 1,03 m. Ohne Schmuck. W a p p e n :a) 2 stehende, gekreuzte Fischerhacken. l>) die 2 gekreuzten Hölzer der Ehinger.

Beide ohne Helmschmuck.Erwähnt unter dem Namen „Hanenhaupt" im Invent.-W erk

S . 54. D as Sterbedatum ist der 7. August. Seine Frau stiftete 1505 das Gottesackerbenesizium, auch Hanenkampl-Messe genannt. Nach S b l. 2 (1877) 21 waren die beiden Fischerhacken golden auf B lau .

10.

Hütztiofer Paulus1507.

Anno D n i 1507 vicesi ma die Mensis Jun i! obyt honorabilis v ir dominus

Paulus A ü t z h o f e r , quondam primissarius in perckhaim

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huiusque cappelle cappella nus, c. aia deo vivat.

Kelch im Dreipast.

Uebersetzung: Im Jahre des Herrn 1507, am 20. Tage des M ona ts Jun i, starb der ehrenfeste M ann , H err Paulus Hützhoser, ehedem Frühmesfer in Perckhaim und Kaplan an dieser Kapelle. Seine Seele möge in G ott ruhen!

Kalksteinplatte im Kirchenpslaster unterhalb der Empore, im a ll­gemeinen gut erhalten, nur unten rechts etwas gebrochen, 1,78:0,77 m, ohne Schmuck.

Erwähnt im Inventarisationswerk S . 54. D er Name ist nicht weiter bekannt.

11.I r l e J o h a n n e s

18. Jahrhundert.. . . . Die 30

.0611'. 61-8 61' .DOOl'mg. I)il8

4 0 ^ M 6 8 . I 6 6 6 .-VO O. 0 0 0 6 6 6 ^ . .

Kelch m it stehender Hostie.Kleines Kalkplättchen im Kirchenpslaster unmittelbar beim A u f­

gang zum Iosephsaltar (Epistelseite), 0,26 : 0,29 m. D ie Halste der ersten Zeile ist abgeschlagen, so dast das Sterbejahr fehlt.

12.Rirner Georg und Varbara

1 5 .8. . . 8 den 27. Oktober

(starb der) erbar Georg K i r n e r .Ao 15 . .

(starb) B arbara Sein (H)ausfrau vnd A lle r Sein K inder deren Sollen G ott

gnedig. Amen.Doppelwappen.

Kallsteinplatte 0,56 : 0,41 m im Kirchenpslaster unter der Em ­pore unmittelbar beim Westeingang und teilweise von dessen Stufe bedeckt, vielfach zerbrochen.

W a p p e n :a) 2 Getrcidekörner, von denen das eine steht, das andere liegt —

also sprechendes Wappen für K irne r — Körner, d) Eine Laterne (7).

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Laubscher Ursus1711.

M r i'V Z ( ! ) I . ^ 1H Z 8 6 t t 6 i r V 0^ ZO I.O TN IIN ^O W V L N T . 6 M 0

8T H M llk ^v O ^ O e X L ^ O M 88 . 181 IN 001 "? M '?O H 0 8 8 6 ^ M w X I . ^ ^ 0 8IR M H

T V O M 1'1M V X H K 8T O M 27. A l^N T H 1711

Broncetasel an dem Chorbogen auf der Evangelienseite, 0,67 : 0,40 m im Negencestile: ein Kruzifix w ird von einem Baldachin m it Drapperie überhöht, rechts davon Moses m it der ehernen Schlange und der Gesetzestasel (7), links ein Bischof im O rna t m it einer Glocke. D ie kleine Schristtafel ist von Ornamenten umrahmt. D as Ganze erscheint etwas handwerkerlich, macht aber einen gefälligen Eindruck. Einige Notizen über die Familie „Laubser" im Sbl. 4 (1879) S . 103. D er Tausname ist nach dem Sterberegister „Ursus".

D er Bischof m it der Glocke ist der hl. Theodul, Bischof von S itten und P a tron von W a llis . Nach der Legende zwang er den Teufel, ihm eine von Papst geschenkte Glocke über die Alpen zu tragen. Laubscher wurde am 28. September 1677 zu Ingolstadt als B ürger aufgenom­men. V g l. H . Witz in der In g . Zeitung 1927 (N r. 127 und 132 vom 4 bezw. 11. Jun i 1927).

13.

14.

M a y r W olf Andreas1693.

sHier L ig t begraben der

Edle gstr. H err W olfs And ereas (!) M a y r grass M om t-

sortischervnd Fenderich, demc gott

gnedig seyn wolle gestorben den 28. klares

A o 1693.

Pflästerchen, 0,33 : 0.33 m, im Kirchenpslaster aus der Epistel­seite beim Iosephsaltar, gut erhallen.

12. 10. 1675 w ar ein Leutnant M a y r des Gras Montfort'schen Regiments zu Futz m it der Kompagnie in Cham einquartiert. E r w ird wohl m it unserem Verstorbenen identisch sein. Weiteres war über ihn auch im bayer. Kriegsarchiv nicht zu finden.

Page 79: Sammelblatt Des Historischen Vereins Ingolstadt Bd. 046 (1927) (Ocr)

15.

M eillinger Paulus1 5 ..

DnsPaulus M e i l l i n g e r prim i

sarius cuius anima deo vivat.

Kelch in einem Dreipaß.

Große Kalksteinplatte, 1,70 : 0,79 m, im Kirchenpslaster unter der Empore neben den anderen Grabsteinen, stark abgetreten, so daß man kaum den Namen mehr entziffern kann.

16.

Mumethofer franz1704.

sH ie jaeet

» . O. k'raneiseus ^ t u m e t b o k e r §8. tkeo l.

Oanci. p io in v n o obz't Nie 5 X b ris

17046 . 8 . 28.Kelch m it Hostie.

Plättchen im Kirchenpslaster beim Iosephsaltare, abgetreten, 0,36 : 0:36 m.

A ls „M um enhoser" unter dem 6. Dezember 1704 eingetragen; scheint keine Stelle gehabt zu haben, denn die Beerdigung erfolgte „g ra tis ".

17.

Neubert Georg1742

.10» 0 2 0 K0 L M . 8 1 » .0 » M v 0 » 0 0 X » N O IL 8M ^ » » I M

I8 1 M 001 "? 0 » 0 8 8 1 '» ^ M » » L I» 0 0 » » ^ k l ^ N O 8» I M »

» M X M 8 1 'V M ^ X X 0 174 . » .

^ l. 8V 88^X^VBronceplatte an der Epistelseite des Chorbogens, 0,58 : 0,30 m,

die sich der Meister bei Lebzeiten fertigte und sehte, weshalb die Sterbedaten nicht nachgetragen wurden.

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6 8 6

Oberhalb der Inschrift in der Form eines spätbarocken Haus- altärchens die aus dem Drachen stehende Madonna mit dem Kinde, die dem rechts vor ih r knieenden S tifte r die Hand m it einer Palm e auf das Haupt legt. Unten eine fre i gearbeitete Ansicht von Ingolstadt, bei der das Donautor erkenntlich ist. Eingerahmt von 2 gewundenen Säulen, auf denen je ein Engel sitzt. I n der M itte als Abschluß des Altärchens der Iesusname nach A r t der Jesuiten.

D ie Darstellung ist sauber modelliert und nicht ohne Reiz.Unterhalb der Inschrift ein W a p p e n , welches leider teil­

weise überweißt wurde. A ls Wappenbild ist so etwas wie ein Faß zu erkennen.

S ta rb nach dem Totenregister am 6. M ä rz 1742.Nach den oben bei Laubscher angegebenen Notizen von H. Witz

stammte Neubert aus Nandersacker bei Würzburg. E r heiratete am 13. November 1713 die W itw e Laubschcrs, Anna Katharina, und er­hielt damit auch besten Geschäft. A ls diese 1735 starb, heiratete er im nächsten Jahre die Jungfrau M . Susanna Friesmüller. I n der Grabschrkst werden die beiden Hausfrauen genannt.

18.

N. Oswald, Vüchsenmacher1662.

Hausmarkedarunter die Monogramme Jesus und M a ria .

Anno 1662 den 6. M ä rz starb der Erenfestvnd kunstreich O sw a ld -----------------

vnd pixenmacher — -------------alhie ------------------

3. Hausfrau denen G o tt genedig (sein wolle). .K leiner Kalkstein, 0,48 : 0,46 m, an der äußeren Nordwand der

Sakristei, wiederholt gebrochen und darum nicht mehr ganz zu lesen.D a im Sterberegister der Jahrgang 1662 kehlt, w ar es nicht

möglich, den Familiennamen zu finden. Auch im Kriegsarchive war es nicht möglich, denselben zu eruieren.

w .

p rä n d tl M a ria franziskaund M a ria .

1632 bezw. 1636.Den 18

Decembris Ano 1632 ist in G ott verschiden M a ria

Franzistca (!) vnd den 17. Februa(r)Ao 1636 M a r ia des W o l Edlen

Gestrengen Herrn W olfs Bernhar

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dten P r ä n d l von vnd Zu Irnsing dero Chsstl. D lt. in bayrn bestellten Oberisten Leittenandt zu Ingolstadt und der W o l Edlen frommen M a r ia

Magdalena P rä n d tlin geborne von Weichs Eheleibliche Zw ay Döchterlein, deren

Seellen G ott genedig sein wolle.

Kalkplatte in der Südwand beim Aufgang zum Iofephsaltar, 0,57 : 0,33 m, gut erhallen, aber sehr schlechte Beleuchtung. D ie Schrist umrahmt ein Lorberoval, an den 4 Ecken des Steines je ein Wappen.

W a p p e n :1. P ränd l, ein offener Flug.2. Weichs, stehende Spihe, (geradlinig)3. Name nicht zu lesen: E in Strauch m it 3 Zweigen, endigend in

kugelartige Früchte (Aepsel?).4. (Irnsi)nng (?): E in in der M itte senkrecht geteilter Rechts­

balken.Wolsgang Bernhard P ränd l w ar der Sohn des Kastners Hans

Georg P ränd l in Vurghausen. E r w ar H err zu Irns ing und Hien- heim und wurde Stadtkommandant von Ingolstadt. Seine M u tte r hiest Kunigunde und w ar eine Tochter des Bernhard S tö r zu Lim- herg. E r w ar zweimal verheiratet, nämlich m it M a r ia Magdalene, einer geborenen Fre iin von W e ir, die ihm 5 K inder schenkte, und mit M a r ia Johanna von Parsberg, von der er 10 Kinder hatte. A ls Kursstl. A o fra t, Hofoberrichter und Assessor am Reichsgericht in Speier stiftete er in der Sebastianskirche den Seitenaltar aus der Epi­stelseite. S b l. 4, 173 und 116; 2, 48. V g l. K l e e m a n n O tto, Ge­schichte der Festung Ingolstadt bis zum Jahre 1815, S . 120. Darnach w ar P rä n tl „e in sehr verständiger, tüchtiger Kommandant, der auch das volle Vertrauen des Kurfürsten besah". E r wurde 1646 zum Obersten befördert, w ar noch 1648 aktiver O ffizier und Stadtkom­mandant und Landrichter zu Hirschberg.

Ueber W o lf Bernhard P rä n tl zu Irns ing verdanke ich dem bayer. Kriegsarchive weiters nachstehende Daten:

D ie P rä n tl stammen aus Burghausen, wo der Grojzvater unseres W o lf Bernhard sürstl. R a t und Nentschreiber w ar (-s- 1592). Dessen Sohn Hans, der Vater unseres W . Bernhard, w ar 1594 Kastner zu Griesbach und wurde 1. 1. 1597 Kastner zu Burghausen. E r war verheiratet m it Kunigunde S tö r (S te r) und starb 24. 6. 1607 zu Ingolstadt. Aus der Ehe gingen 2 Söhne und 4 Töchter hervor. W o lf Bernhard selber ist 1630 kurkölnischer Mundschenk, w ird 1639 Land­richter des kaiserlichen Landgerichtes Hirschberg und blieb dies bis zu seinem Tode. Daneben w ar er auch bayerischer Offizier, wurde

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als Obristleutnant Stadtkommandant von Ingolstadt und 1646 Obrist. E r war weiterhin Hauptmann der Stadtquardie von Ingolstadt und kurfürstlicher N at. I n Ingolstadt, nicht zu Irnsing, starb er am 26. 11. 1655 nachts 10 Uhr, wahrscheinlich am Schlagslujz.

20.P ränd tlin M a ria Johanna

1655.Anno 1655 den 20. M a r ty ist

seliglich in G o tt entschlossen die woledle Frau M a r ia Ioanna P r ä n d t l i n

zu Irns ing Geborne von Parsperg Deren Seelen G ott der Allmächtige

Genädig sein wolle. Amen.Totenkops auf 2 Totengebeinen.

Kalkplättchen, 0,36 : 0,36 m, im Kirchenpslaster vor dem Chöre, gut erhalten.

W a r die G attin des ebengenannten Stadtkommandanten W o lf Bernhard P ränd l, die er 1637 oder anfangs 1638 heiratete. D as erste K ind von ihr wurde ihm bereits am 22. Oktober 1638 geboren. Sbl. 2, 48, wo die sämtlichen 10 K inder aufgezählt sind.

21.

P rin inger Johann Michael1779.

Totenkops.

1-

H ier RuhetD er W o l Edle H err Johann Michael

P r i n i n g e r Negmts.-Ok^i-ur^us bei dem Lobl. G ra l Gras W ahl. Insant. Regmt.

so gestorbenden 5. Iu n y ao 1779 seines alters

49 Jahr.G ott gebe ihm die Ewige Ruhe.

Solnhoser P la tte an der äuszeren Westwand er Kirche, 0,51 : 0,51 m gut erhalten, aber stark verschmiert, trägt die Formen des beginnenden Empirestiles.

Johann M ichael „ P r e n i n g e r " stammte aus dem M arkte Dorfen, w ar Bader und ging 1751 zum bayerischen Heere. E r dlente 7 Jahre lang im Ins.-Regt. Preysing — 15. bayer. Ins.-Regt. — und

SO

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dann bis zu seinem Tode im Regimente W ah l — 4. bayer. Ins.-Regt. — als „B a ta illo n s -, Regiments-Chirurg". 1761 heiratete er die Stieftochter des Oberleutnants M a r t in Trenz, der im gleichen R egi­mente m it ihm stand. D ie Ehe blieb kinderlos. (Bayer. Kriegs­archiv).

22.p runo ltin Johanna M a ria Katharina von

1780.v . 0 . 5l.

H ier Ligt begraben die Hoch Edlgebohrne Frau

Johanna M a r ia Katharina von P r u n o l t i n des Lobl. Gras Preysingschen

Regiments gerveste (Oberleutnantin)(in) G o tt seelig entschlossen (am 26.Sept.) Anno 1780 ihres A lte rs . .

Jahr. G o tt verleihe ihr die ewige Ruhe.

S tark verwitterte Kaltsteinplatte, 0,73 : 0,42 m, außen an der Südwand der Kirche. Unten ein Totenkops auf den gekreuzten Toten­gebeinen, rechts davon eine Sanduhr, links eine abgebrochene Kerze.

D ie verwitterten und dadurch unleserlichen Stellen konnten aus dem Eintrage der Sterbematrikel ergänzt werden.

P r u n o l t Johann Georg erscheint erstmals am 14. 11. 1735 als Fähnrich in der Hauptmann Heigl Kompagnie des Regiments zu Fuß Valaise (bayer. 15. Ins.-Regt.), die damals zu B raunau in Garnison lag. 1739 wurde er Unter- und 1741 Oberleutnant. 1743 erscheint er als nach Ingolstadt kommandiert, verschwindet aber von nun an vollständig aus den militärischen Listen. Im M ä rz 1738 hatte er geheiratet. Ueber Herkunft und A lte r der Ehefrau ist im bayer. Kriegsarchive, dem ich obige Notizen verdanke, nichts be­kannt. .

23.

Keigersberg ^oh. Leonhard M a ria von1766.

sAnno 1766

dem (!) 30 A p r il ist in G o tt seelig ent­schlossen der Hochwohlgebohrne Herr

Johann Leonhard M a r ia Neichs- Frey H err von R e i g e r s b e r g a u s

Wasserlaß und Erlenbach, S . Churfstl.D r l. in B a y rn und des Löbl. IZa.ro Lerchen

seldisch Inkantorio Regiment gewester

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Ober-lieutenant.seines alters 48 Jahr.

Wappenkequiesead in paee.

Kallsteinplatte m it reicher Ornamentumrahmung im beginnenden Uebergangsstil, 0,95 : 0,70 m. Gefällige Arbeit, gut erhalten. Im K ir ­chenpslaster vor dem Chöre. Rechts vom Wappen eine Sanduhr, links eine abgebrochene Kerze auf einem Leuchter.

W a p p e n :Geviertet m it Herzschild. 1 und 4 ein Storch, der den linken

Fuß emporhebt und im Schnabel einen R ing trägt; er schaut in 1 nach links, in 4 nach rechts.

2 und 3 ein m it 3 Lilien belegter Rechtsbalken.Das Herzschild enthält anscheinend einen Doppeladler.Helmzier: auf einem Dreiberg der Storch des Wappens, nach

rechts schauend.D ie Sterbematrikel hat als Beerdigungstag den 1. M a i m it der

Bemerkung, daß die Leiche in der Kirche beigesetzt wurde. D er G rab­stein ist also wohl noch an seinem ursprünglichen Platze.

Johann Leonhard M a r ia Reichsfreiherr von R e i g e r s b e r g stammte aus dem Kurmainzischen und tra t 1744 in die bayer. Armee ein. 1749 wurde er als Fähnrich im Regimente M inucci — 4. bayer. Ins.-Regt. — angestellt, 1757 zum Unter- und 1759 zum Oberleut­nant ernannt. Seit dem Jun i 1745 w ar er in kinderloser Ehe ver­heiratet. Doch geben die Akten über den Namen seiner F rau sowenig Ausschluß wie über seine eigenen Eltern. (Bayer. Kriegsarchiv).

. 2L.Niedmayer Ottilie

16 . .Anno 16 . . d e n . . . . ist

I n G ott seligklichen verschlden die Thugendtsame Iunckfrau

O ttlia R ( i e d m a y e r ) i n , geweste M uette r in (Seelhaus) ihres alters . . . . deren selten m it allen Christglaubigen selten

G ott genedig sein welle.Amen.

Kleine Kallsteinplatte im Pflaster unmittelbar an der Westwand, wiederholt gebrochen, 0,61 : 0,34 m.

D er Grabstein wurde bei Lebzeiten gesetzt, weshalb die Daten nicht ausgefüllt sind.

D er Familiennamen ist nachgewiesen durch ein Regest ( Ia h r- tagsstiftung) vom Jahre 1607 im S b l. 8, S . 4 N r . 28.

r r

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6 8 6

25.

Nudolph Johann Gerhard1778.

H ier ruhetder Hochwohlgebohrene

Herr Johann Gerhard R u - d o l p h S r . churstl D lt . zu

P fa lz B ayern gewesener A r tille rie Hauptmann Zeug w art und Purgpsleger in

Ingolstadt, gestorben den 17.Oeeemb. 1778 in 75. Jah r seines

alters. G o tt gebe ihm die ewige Ruh.Rötliches Marmorplättchen, jetzt unter der Empore an der West­

wand lehnend, 0,44 : 0,45 m, ausgewaschen, sonst aber gut erhalten, oben im Stiele des beginnenden Empire ausgeschnitten.

Johann Gerhard R u d o l p h stammte aus Königshosen im Gravseld und tra t 1726 oder 1727 als S ttw ent in die bayer A r ­tillerie ein. A ls Büchsenmeister nahm er ab 1738 an den Türken­kriegen teil. 1739 wurde er Vizekorporal, 1749 „a lte r Feuerwerker". E r nahm weiterhin am österreichischen Erbfolgekriege teil und erreichte im siebenjährigen Kriege nach mehr als 30jähriger Dienstzeit 1759 den Grad eines „Stuckjunkers", 1761 den eines Leutnants. 1766 erfolgte seine Ernennung zum Zeugwart und Burgpsleger in Ingolstadt und noch im gleichen Jahre wurde ihm auch der Hauptmannstitel verlie­hen. S e it 1743 w ar er verheiratet, er hatte drei Kinder. Ueber seine F rau und über seine eigenen E ltern enthalten die Akten des bayer. Kriegsarchives, denen ich vorstehende Angaben verdanke, keine N o ­tizen.

26.

Schaffhausen'sche Töchter1557.

Anno D n i 1557 den . . .Augusti (?) . . 15 . . . .

starben dem E d l vnd fest H errn Jö rg von S c h a f

s h a u s e n vnd Susanna von . sandizell seiner Hausfrau

. . döchter bed . . deren Selten gott genad.

Doppelwappen.Kalkstein unter der Empore im Kirchenpslaster liegend, stark abge­

treten und deshalb kaum mehr zu lesen, 0,81 : 0,43 m.W a p p e n :a) Schild m it 2 Querbalken: Schaffhausen.

Page 86: Sammelblatt Des Historischen Vereins Ingolstadt Bd. 046 (1927) (Ocr)

b) Ochsenkopf: Sandkzell.D ie beiden Schilde sind ohne Helmzier: über denselben ein

Totenkopf.27.

Schaffhausen Georg von1561 (? ) .

------- 1561 (?)M a y starb der Edel und

W eis (?) Georg von S c h a f f (hau)sen zu Bernbach vnd N a . . . . der letzte des Namen vnd Stamen. Dessen Selle

(G ott) gnedig vnd B arm (herzig sein wolle) Amen.

Ueberreste einer Kalkplatte im Kirchenpslaster an der Westwand, oben abgetreten, unten abgeschlagen, gegenwärtig noch 0,78 : 0,75 m.S b l m it Susanna von Sandizell und hatte 2 Töchter:

' ' ' 28.

Scheffer ffoh. Michael(1741)

Nie jaoetNov. et Doetiss. D.

loann. WetiaolS e l i e k k e r , 38. Tkeol.ao Oan. Oantt. att D. 1.

Kelch auf Buch, ohne Hostie.Kleines Kalksteinplättchen, 0,30 : 0,24 m, im Pflaster beim

Eingang, in seinem unteren Teile so stark abgetreten, datz man den Text nicht mehr entziffern kann.

W a r Ringenwirth'scher Benesiziat bei S t. M oritz und starb nach dem Totenregister am 23. Dezember 1741.

29.

Scheffer Sebastian1758.

s?!e in Domino obztt

^6m. Nov. so Doet. Dn.Zebastian. 8 o o k k o r 83. Tkooloxias Oanci. aci 8. M u r it i .

S3eortto3 euratus 6t 0onZr6§. Oiv.6. kl. V. 6 6 Vietoria 8ae6llanu3

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die 18. 8ept. Kelch 175836t. vero >nit Hostie 8U36 45 ^nn.

K6gUI6863t in ?366.Kalksteinplättchen, 0,36 : 0,36 m, im Kirchenpslaster vor dem

Chöre, gut erhalten.D ie Sterbematrikel hat den E intrag:,.83ne cubitum eon6688it, k e r i M3N6 in v 6n tu8 68t m ortuus"

(„Gesund legte er sich nieder; gestern morgens fand man ihn to t".) Beerdigung am 20. September.

30.

Schermerin M a ria Katharina1761.

S ih der Preutigam (ist kommen) unversehens in der N(acht)

hat die weise (Iung)frau gnomen und zu seiner Hochzeit bracht

Nämlichen:D ie Ehr und Tugendreiche Jung srau M a r ia Catharina S c h e r -

m e r i n wirthstochter alhier so gestorben den 8. J u li nachts

alters 1761 19 Jahr.

Kleiner Kalkstein an der äußeren Nordwand der Sakristei, w ie­derholt gebrochen, 0Z 6 : 0,35 m; oben links fehlt auch ein Stuck.

Nach der Sterbematrikel, welche als Todestag den 4. J u li nennt, starb das Mädchen „m orbo cackueo". also an der Epilepsie.

31.

Schmidthueker flugustin1696.

v . 1696. O LX 19. o o T M M . 8 1 ^1 -6

O L tt L M ^ V I IM IO L . V!^O

^V O V 81 'I?^V 8 8 e N ö 1 I V TN V L 6 L k . _ , . 8^ W K V .

^L l'^1 '18 , X X V IIII8VL nnt Hostie (!)

Kallsteinplatte, 0,36 : 0,36 m, im Kirchenpslaster vor dem Chöre, gut erhallen.

D a im Sterberegister das Jah r 1696 fehlt, ist Näheres über den Verstorbenen nicht bekannt.

Page 88: Sammelblatt Des Historischen Vereins Ingolstadt Bd. 046 (1927) (Ocr)

Schrancksches Epitaphi.

Anno 1556 9 a r starb der Erbar

man nicolaus S c h ra n c k h hurger und M elder alhier Anno 1581 jar den 18. 9uny starb die E rbar Frau

Rescherin des nicolai Hausfrau gewesen, denen Gott Gnedig vnd Barmherzig sein wolle. Amen.

II.Anno domini 15 . .

dem (!)starb der E rbar M a rtin H a s t Bock vnd Bürger

A lh ier. Anno domini

1580starb die E rbar Frau Anna Schranckhin sein erste Haus srau. Anno domini 15 . .

starbdie E rbar Frau M argre t M andelböckhin.............

32.

Grobes Renaissance-Epitaph an der inneren Chorwand unter dem Fenster der Epistelseite in 2 verschiedenen Teilen, von denen der ältere, obere, 1,34 : 0,95 m, der spätere, untere 1,35 : 0,57 m mißt. Ersterer ist aus hartem, letzterer aus weichem Kalkstein, weshalb er sich auch teilweise schon abblättert, während der obere sehr gut er­halten ist.

9m untern Teil w ird die schmale Schristtafel beiderseits von den tnieenden Familiengliedern flankiert: rechts der Vater m it 4 Söhnen, links die erste Frau m it 2 Töchtern und die zweite sür sich allein, alle ln der Tracht ihrer Zeit, und den schwarzen langen Rosenkranz in den Händen haltend. Zwei Schnecken bilden den Abschluß- D ie Arbeit ist handwerterlich aber nicht schlecht. .

D as obere Stück hat noch ganz den Charakter der Renaissance an sich: ein von 2 alttestamentk'chen Propheten - rechts 9saias m it dem Messer, links 9eremias m it der Säge — als Karyatiden einge­rahmte Tafe l, darüber der Architrav m it der 9nschrist (schwarze Buch­staben!) und über diesem ein barockmäßig ausgeschnittener Giebel. 9n- teressant sind die beiden S tifte r an den Seiten, beide knieend in häus- chenartigen Nischen m it spitzem Dache — die stark verkleinerten goti­schen Flügel des früheren S tils . D as Mittelstück ist der Verherrlichung M ariens gewidmet: m it dem Kinde steht sie aus der Mondsichel, während aus den Wolken der Himmlische Vater aus sie herabsieht und

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die Taube des hl. Geistes herabschwebt. D ie Haltung der Madonna, deren Gesicht leider abgeschlagen ist, erscheint edel, die Körpersorm schlank. Leider wurde der Steinmetz durch den Auftraggeber veran­laßt, eine Reihe von anderen Gedanken damit zu verbinden, die zwar recht gelehrt aussehen, das Werk aber in unerträglicher Weise belasten und die Tafel dadurch zu einem unübersichtlichen Durcheinander ma­chen. Es wurden nämlich nicht weniger a ls 22 biblische B ild e r ange­bracht, welche die Kirche auf M a r ia anwendet. Um das Gefühl der V erw irrung noch zu vergrößern, bezeichnete sie der Künstler sämtlich m it schwarzen Buchstaben. E in bestimmter Gedanke oder ein System scheint in der Reihenfolge derselben nicht zu herrschen.

1. Links von M a r ia , im Halbkreise von oben nach unten laufen:68 ä M 6 ^ ö!6^ 6 ? IV N 68? IN ? 6 .

(„Schön bist du, meine Freundin, und eine M akel ist nicht an d ir." Cant. 4,7).

2. D ie Sonne: 6 6 6 6 ? ^ V ? 801... („E inzig wie die Sonne". Cant. 6, 9).

3. D er M ond: ? V 6 6 M ^ V ? 6 V k ^ („Schön wie der M ond ," Cant. 6, 9).

4. Leiter: 86^ 6^ . 6 ^ 6 6 1 („H im m elsle iter", vgl. Gen. 28, 12. 13).5. Eine Zypresse: Y V ^8 1 6 V 6 6 6 8 8 V8 („Hochgewachsen wie eine

Zypresse," Eccli, 24, 17).6. E in Brunnen: ? V ? 6 V 8 („E in Brunnen frischen

Wassers", Cant. 4 ,15 ).7. L ilie : 6 6 0 8 6 ^ 1 6 1 , 6 1 6 1 ^ 6 0 N V ^ 6 6 IV Ü l („D ie Blume

des Feldes und die L ilie der T ä le r," Cant. 2, 1).8. Oelbaum: H V ^81 0 6 1 („Gewachsen wie ein schöner Oel-

bäum auf dem Felde," Eccli, 24, 19).9. E in T o r: 6 0 6 1 ^ 66^ V 8^ („Dieses T o r bleibt geschlossen

und niemand t r i t t durch dasselbe ein," Ezech. 44,2).10. Dreiköpfiges Ungeheuer: I? 8^ 6 0 ^ ? 6 6 6 ? 6^ .? V ? TVVKI

(„S ie w ird d ir den K op f zertreten," Gen. 3. 15).11. E in Springbrunnen: 6 0 N 8 8 1 M ^ ? V 8 („E in versiegelter

Q ue ll," Cant. 4, 12).12. E in Spiegel: 8 6 6 6 V 6 VK1 8 IN 6 ülä.6V 6 ^ („E in Spiegel

ohne Fehler," Sap. 7, 26).13. E in verschlossener Ziergarten: M 6 ? V 8 6M 66V 8V 8 („E in

verschlossener G arten", Cant. 4, 12).14. S tad tto r m it Wache: 6 0 6 ? ^ 6^.661 („H ie r ist des Himmels

P fo rte ," Gen. 28, 16).15. Eine Palme: (ZV ^8 I ? ^ 6 K l^ („Schön gewachsen wie eine

P a lm e", Eccli, 14, 18).16. E in Rundtempel: ? 6 U ? 6 V > l 0 6 6 („D e r Tempel Gottes",

1. Corinth., 3, 16 u. a.)17. Eine Zeder: Y V ^ 8 I 661)11 V 8 („Hochgewachsen wie eine Zeder",

Eccli, 24, 17).

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18. E in S tern, schwarz gefärbt: („M eeres­stern." Anfang des bekannten kirchlichen Hymnus „ ^ v e m sris s te lls t" ) .

19. E in Rosenstrauch: Y V ^ L I I i0 8 ^ L („W ieein Rosenstrauch in Jericho," Eccli. 24, 18).

20. Eine P lantane: Y V ^ 8I ? H '? ^ N V 8 („Hochge­wachsen wie eine P la tane", Eccli. 24, 19).

21. Eine S tadt: N V I 1 ^ 8 O L I („D ie S tad t Gottes").22. E in Turm : l 'V k i r i ^ O ^ V IV („T u rm D avids", Cant. 4, 4:

Laurentanische Litanei).D ie Idee ist gewiß gut gemeint, allein der Auftraggeber bezw.

sein theologischer Berater hat übersehen, daß eine Grabplatte keine theologische Abhandlung ist. Das Ganze w irkt deshalb bizarr und verwirrend, w ie auch das um die gleiche Zeit entstandene Zierer- epitaph bei U. L. Frau. (S b l. 45, 1925, S . 184— 189). Doch ist die technische Ausführung beim Schranck-Denkmal besser als bei diesem. Unter dem Namen „M a r t in Hans Beck" und „N ikolaus Schrenk" erwähnt im Inventarisationswerk S . 54. D ie mittlere T a fe l soll nach ihm enthalten: „im R elie f eine verworrene allegorische Darstellung des Paradieses m it verschiedenen Beziehungen auf das neue und alte Te­stament", ein Beweis, das; der betr. Verfasser das Denkmal nicht ge­nau angesehen hat.

33.

Schrölin M a ria Susanna1731.

H ier lig t vnd NuetD ie Ehr vnd Tugentsame Frau M a r ia Susanna

S c h r ö l i n , B ürgerin , Schreinerin vnd Kradlmacherin alhier, so in G o tt Seelig Verschiden den 23. M a y

Abends zwischen 6 vnd 7 Uhr Anno 1731.Ih re s A lte rs 53 Jahr

Deren Seele Gott . (gnädig sei.)

Rokokostein an der äußeren Südwand mit reicher Stuckumrah­mung und einer figürlichen Darstellung in der M itte , deren Gegen­stand aber nicht mehr erkennbar ist; unten Weihwasserkessel, 1,30:1,10 M eter, alles überweißt und geschwärzt (!).

Im Sterbebuch der P fa rre i ist die Verstorbene eingetragen als „3 6 t 50. 3NN0I-UM".

34.Semelrockin M a ria knna

1765.

H ier L ig t Hieneben die . .Tugentsame Frau M a r ia Anna S e m e !( ro c k in ) geweste B ü rge rin vnd Schuh

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6 3 6

macherin alhier, Ih re s alters 24 Jahr So gestorben den 2. Iu ly ao 1765

G o tt gebe I h r die Ewige Ruhe Amen.

Kalksteinplatte, schmucklos, außen an der Südseite, 0,73:079 m. D er Familienname schwer zu lesen; er konnte aus dem Sterbebuche der P fa rre i ergänzt werden. Dieses hat übrigens als Todestag den 4. Ju li.

35.

Sladius W ilhelm15 . .

6 0 0 8^ X 06 . I) . 0 V I 6 I L 6M 8 6 ^ 0 1

8 ^ 0 M V 0 1 '1 8 0 6

L X V I ^ N 'M 0 8 8 ^T 6 0 V X T V 6

^ 0 6 T V V 8 68T ^ X X 0

Kelch stehend aus B ire tt. -Kalksteinplättchen, 0,36 : 0,34 m im Kirchenpslaster unter der

Empore, unmittelbar an der Westwand: die unterste Zeile ist m it M ö rte l bedeckt und darum nicht zu lesen.

Übersetzung: Dieser Stein deckt die Gebeine des hochw. Herrn W ilhelm S l a d i , Priesters aus England, der wegen seines katholi­schen Glaubens in die Verbannung gehen mußte. E r starb im Jahre . . .

36.S to ll. . . M a rtin

1577.Anno 1577 den 25. tag M a y starb der Ernsest vnd erbar

H err M a rtin S t o l l . . .e h e w ir t in .............S ta in von

pertenstain (?), auch Oculist (?) vnd W undarzt, deren seelen G ot

gnedig sein welle. Amen.Wappen.

Stark verwitterter und deshalb kaum mehr zu lesender Grabstein, 0,82 : 0,47 m, an der Außenwand des Turmaufganges.

W a p p e n :n) E in Ma'nnlein, welches die Rechte in die Huste stemmt, die

Linke aber ausgestreckt hätt und in derselben ein einer Pistole ähnliches medizinisches Instrument trägt.

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6 8 6

b) Nicht mehr erkenntlich (E in Engel trägt einen Schild, in wel­chem ein Herz ist?).

37.

Sucher?ärg und Elisabeth1572 bezw. 1574.

anno 1572 den 26. augusti starb

der erbar jörg s u c h e r metzgkher vnd burger

lig t daneben begraben, anno 1574 den 27. apr. starb

Elisabeth sein ehelich Hausfrau vund haben baid erzaigt vnd

beworben 5 S un vnd 6 techter gott wolle inen

gnedig vnd barmherzig sein amen.

Kalkstein an der südlichen Friedhofmauer, 1,05 : 0,63 m mit zwei Wappen unten, die aber nicht mehr kenntlich sind. -

38.

Sul Georg15 . .

^ n n o (!n i quinße (n ) t68im o . . . . ob^t ttono rab ilis

lin s 6 eoi-xiu8 8 u Ip lebanus Iru ius eee!68i6 euius 3n im 3 requ>68eat kickeliter in paee.

Wappen (?): -Kelch.

Übersetzung: Im Jahre 15 . . starb der ehrenfeste A e rr Georg S u l , Kaplan dieser Kirche, dessen Seele seliglich im Frieden ruhen möge.

Grobe Solnhoser P la tte , 1,47 : 0,70 m im Pflaster der Kirche beim Südeingang, gut erhalten. D er S te in wurde bereits zu Leb­zeiten gesetzt, weshalb die Jahreszahl nicht ausgefüllt ist. Gotische Schrift. I n der M itte zeigt die P la tte lediglich als Wappen (7) einen herzförmigen Blumenstock m it 5 Zweigen, unter demselben einen Kelch.

39.Taffelmagr Simon

1704.1-

^ n n o 1704 d ie 27. Oetob. p !e obzck l i . v . L im on

l ' a k k e l m a ^ r , 8s. 6an. Oanck.. 3 6 t s t i8 8 U3 6 X X X H I .

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requieseat in P366.

Kelch m it Hostie.

Übersetzung: Im Jahre 1704, am 27. Oktober, verschied im Herrn der Hochwürdige H err S im on Tasfelmayr, Cand. des Kirchenrechts, im A lte r von 33 Jahren. E r ruhe im Frieden!

Solnhoser Plätzchen, sehr gut erhalten, im M a s te r unter der Empore, 0,43 : 0,42 in.

Nähere Angaben hat auch die Sterbematrikel nicht.

40.Verwunden Bernhard von

1579.

^ x x o 1579OIL X IV W X 8 I8 V L 6 L lW iri8 OLVI' X 06 II.I8 ^O0I.L806X8

6M X H ä IW V 8 ^ V L K ^ l V X V L X ^ V L 8 1 '? tt^ I.V 8

O I0L6L8I8 ^0X^8^111^X818 VL 0^8?K 0 0V IX 0 0H1VXVU8 0VIV8 ^ X I ^ HLXZVIWO^I' IX

Uebersehung: Im Jahre 1579, am 14. Dezember, starb der edle Jüngling Bernhard von V o r m u n d e n aus der Diözese M ünster in Westphalen, geboren auf dem Schlosse Odin. Seine Seele ruhe im Frieden.

Grotzer, sehr schöner Wappenstein an der nutzeren Westseite der Kirche aus hartem Kalkstein, gut erhalten; nur ist die von Anfang an wenig kräftige Schrift sehr stark verwaschen. 1,70 : 0,86 m; die Grütze der fü r die beiden Wappen bestimmten Innenfläche beträgt 1,34 : 0,52.

I n der M itte 2 grotze Wappen mit der Unterschrift Vormunden und M orien ; an den 4 Ecken in je einem Kreise 4 weitere m it den A u f­schriften Vermunden, Grasdorp, V a lc . . .; die 4. ist nicht mehr zu lesen; sie lautete „M o rie n ".

Ueber den Verstorbenen, besten Grabstein auch das Inventarisa- tionswerk S . 54 m it der Jahreszahl 1579 erwähnt, ist nicht Näheres bekannt. E in „4oann68 cke Viei-muncken, ^Vestpkalus" wurde 1555 an der Ingolstädter Universität immatrikuliert: Mederer, I, 239.

W a p p e n : .1. Im Stein:

a) V e r m u n d e n . E in geschachteter linker Schrägbalken;b) M o r i e n . E in linker Schrägbalken, der an der unteren Seite

gezinnt, oben aber von einem S te rn besetzet ist.D ie Helmzier bildet bei Vermunden ein offener F lug, der bei­

derseits m it dem geschachteten Balken belegt ist, bei M o rien ein A n ­dreaskreuz m it einem wachsenden M ännle in.2. A n den Ecken:

a) V e r m u n d e n — wie unter 1.

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8 8 6

b) G r a s d o r p — ein Sonnenrad.e) M o r i e n - w ie unter 2.6) V a l c . . — ein nach rechts sehender grober Vogel m it ausge­

breiteten Flügeln.41.

w ie land sranz 7akob1752.

Hie cleeus ex im ium O le ri nostra tis o ra to r T lieologus m a jo r eerto Dootn jaeot.

8 i O Lus ntl p lu res v itam eoneessorit onnos IIIo kuisset aclkue u t i l is Deelesiao.

K . dlob. ot 6 !a r. D. ?rane. laeobus i e I a n 6 §8. T tioo l. 1.ie., 8aeorlIo8 euratu8 e t I I Iu 8t r i88im orum

D. D . Oomitum ? re ^8in§ ^1o6erator ?läeit1i88imo in D om ino 6 iem suum ob)'!

23. ^ la rt. a. ^ D 0 0 D H aet. 35.Kelch m it Hostie auf einem Buche.Solnhoser P la tte m it gefälliger Rokoko-Umrahmung in der

inneren Westwand beim Eingang, 1,— : 0,70 m. Ob der dabei befindliche Weihwasserkesse! ursprünglich zum Epitaph gehörte, mag dahin gestellt bleiben.

I n der Schrift befinden sich 2 Schreibfehler, die eine Überset­zung erschweren: „tlloo logus m a lo r" und „u b it is Deelosiae". Ich nehme an, daß das Erstere heißen soll „m a jo r" , das zweite aber „u t i l is " . Leider wurde die schöne Umrahmung übertüncht.

Uebersehung:Unseres K lerus Zierde liegt hier. E in Redner

W a r er und Theolog, kundiger Dichter zugleich.W enn ihm der Herr ein längeres Leben hätte befchieden.

Sicher wurde er dann unserer Kirche zum Heil.D er hochwürdige, edle und berühmte H err Franz Jakob W i e -

l a n d , Licentiat der Theologie, Scelforgepnester und Erzieher der er­lauchten Grasen von Preysing, starb eines ganz ruhigen Todes am 23. M ä rz 1752 im A lte r von 38 Jahren.

4. Die Grabsteine der franziskanerkirche.

B e i dem Baue der jetzigen Rokokokirche wurden alle Grabsteine der alten gotischen Schutterkapelle zerstört. Auch aus dem neuen G o t­teshaus wurden anscheinend später einmal bei einer Restaurierung die Grabplatten und Epitaphien entfernt, so daß w ir jetzt dort nur mehr die beiden, allerdings sehr wertvollen Denkmäler des Gras Preysing'schen Ehepaares finden.

5 ?

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6 8 6

42.Pressing Johann R arl Joseph Rlemens M a ria

Gras von1770.Ih ro

der Hochgebohrne H r. Hr.Johann C arl Joseph Element .

M a r ia deh H . R . R . G r a f von P r e y s i n g ,Freyherr zu Altenpreysing genannt Cron

wünckl, H err der freyen Reichs Herrschaften Rechberghausen und Ramsperg, dan Hochen-

aschau, w ie auch der Hosmärcken Reicher- speyern, Schenckenau, F rey- und Adlzhausen

und anderen, deß hochen R itte r Ordens S ti.Georgii G rob Creuz. S r. Chursstl. D r lt . in B a y rn Cammerer, Würckl. geheimer

R ath Ooneral Feldzeugmeister und Inhaber Eines Inkanterie Regiments

dan Stadthalter zu Ingolsta tt und dest da- sigen R aths OoIIexii l'raesiäenL in ob. und N idern B a y rn und dest Hochstüssts Freyskng Erbschenck, dan gemainer Lobl.

Landschasst mitverordneter Rentambts München,I n G o tt Seelig entschlafen den 6. veeem b. ao. 1770

Im 82. Jah r Seines alters.G o tt gebe Deme (!) die Ewige Ruhe.

Grobes Epitaph m it roter M arm orta fe l und Holzschnitzerei in der Johann Nepomuk-Kapelle, Höhe 2,83, B re ite 1,48 m. Bekrönt von dem Preysingwappen, welches von einem P u tto gehalten w ird. Unterhalb der geschweiften, noch an das Rokoko erinnernden Schrift­tafel sitzt links ein P u tto , der einen Helm hält; hinter ihm 3 Fahnen. Rechts militärische Embleme: 2 Fahnen, 1 Kanone mit Lunte und kleinem Pulverfätzchen. -

Abgedruckt bei Lins P . B ernard in 0 . 8 . k 'r. „Geschichte des ehe­maligen Augustiner- jetzigen (unteren) Franziskanerklosters in I n ­golstadt" im S b l. 39 (1920) — auch separat erschienen — S . 21, wo aber statt „82. Jahr seines A lte rs " im „5 2 ." gelesen wurde.

W a p p e n : D er Schild w ird durch eine ausrechte, geradseitige schwarze Spitze, die am Fuhe eine halbe goldene Rose trägt, in drei Teile geteilt. D as rechte so entstandene Dreieck zeigt im Zinnenschnitt oben ro t, unten S ilbe r, das linke oben S ilbe r, unten B lau .

Das M a te ria l ist grauer und roter M a rm or. D ie Figuren und Ornamente wurden aus Holz geschnitzt und vergoldet.

Eine schöne Rokoko-Arbeit, die im Sockel bereits Anklänge an das beginnende Empire zeigt.

52

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6 8 6

Johann Joseph K a rl G ra f von P r e y s i n g wurde 1689 ge­boren als Sohn des Grasen Johann M axim ilian Felix von P rey- sing aus Hohenaschau. 1718 erhielt er, ohne vorher in der Armee ge­dient zu haben, eine Füsilierkompagnie im Regiment Kurprinz (2. b. Ins.-Regt.) unter gleichzeitiger Ernennung zum wirklichen Obrist­wachtmeister. E r nahm noch im gleichen Jahre an dem Türkenkriege in Ungarn teil, wurde 1719 wirklicher Obristleutnant, 1723 Obrist in seinem Regimente, 1738 (27. 8.) wirklicher Generalwachtmeister und Inhaber des Regiments Valaise (15. bayer. Ins.-Regt.). Im öster­reichischen Erbsolgekriege wurde ihm bei Schärding am 17. 1. 1742 ein P ferd unterm Leibe erschossen. B a ld darauf übernahm er das Kommando der Truppen in Niederbayern m it der Festung B raunau, räumte diese aber, um an der oberen Donau die Truppen zu konzen­trieren und München zu befreien. A m 23. 5 .1747 wurde er Geheimer R a t und Vizestatthalter von Ingolstadt, am 31. 3. 1749 nach dem Tode des Grasen Raymond aber wirklicher S tatthalter. M it t le r ­weile w ar er zum Generalleutnant befördert worden und erlebte noch 1762, 28. 3., seine Ernennung zum Generalfeldzeugmeister. Am 27. 5. 1768 erhielt er die Erlaubnis, die Inhaberschast seines R egi­mentes an seinen Sohn Sigmund abtreten zu dürsen (Bayer. Kriegs­archiv).

43.Pressing M a ria Theresia ^osepha Thaddaea

Gräsin von1776.Ih ro -

die Hochgeborene Frau Frau M a r ia Theresia Iosepha Thadea des Heil. Röm . Reichs

G rä fin v o n P r e y s i n g , gebohrne Reichsgräsin von Rechberg von Rottenleuen aus Hochen Rech­berg, F rau der Freyen Reichs-

Herrschafft Rechberghausen und Nambsperg, deß Kayserlich

Hochadelichen ordens von S te rn .Creuzordens vam o. I n G o tt Seelig

entschlafen den 28. veeem b. ^ n n o 1776 im 63. Jah r Ih re s A lters.

G ott gebe I h r die ewige Ruhe.Großes Epitaph aus der Epistelseite ähnlich demjenigen des G a t­

ten, nur noch etwas reicher und größer gehalten, 3,10 : 1,35 m. Auch hier zeigt der Sockel bereits Anklänge an das beginnende Empire. Oben ein P u tto m it dem Wappen, unten rechts die S innbilder des Todes: A u f einem Totenkopse steht ein Leuchter m it brennender.

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in der M itte abgebrochener Kerze im Hintergründe eine brennende Fackel. Links ein weinender Putto, hinter ihm eine Sense.

W a p p e n : A u f G old zwei rote, aufsteigende, nach auswärts stehende Löwen, deren Schwänze in einander verwickelt sind (Rothen- löwen).

D ie beiden Preysing'schen Epitaphien schreibt Feulner dem be­kannten Münchener B ildhauer Ignaz G ü n t h e r zu: A d o lf F e u l ­n e r , Ignaz Günther, Kurfürst!, bayer. Hosbildhauer (1725— 1775), W ien 1920, S . 30—31; hier sind sie auch auf Tafel 12 abgebildet. D a aber Günther bereits am 28. Jun i 1775 zu München begraben wurde, kann dasjenige der G rä fin nicht mehr von ihm stammen. Es wurde vielmehr nach ihrem Tode in bewußter Anlehnung an das G rabm al des Gatten geschaffen. Tatsächlich erscheint es auch bei ge­nauerem Zusehen sowohl im Ausbau wie in den Einzelheiten merklich schwächer a ls dieses.

s. Die Grabsteine -e r Spitalkirche.Von den sämtlichen einst vorhandenen Grabsteinen haben sich

kaum mehr 4 erhalten, von denen bereits drei S p i e g e l I . in seiner Monographie „D ie Spitalkirche in Ingolstadt, ihre Geschichte und Ausstattung" S b l. 35,1916 (auch separat erschienen), S . 54 abgedruckt hat. D a sie aber hier nicht genau beschrieben sind, gebe ich sie im Folgenden nochmals.

44.

Verkm üller Johanna1671.

Ao 1671 den 28. M ä rz starb die Edl F raw Johanna des Edl

H r. Jakob B e r c k h m ü l l e r KILO. O. in 37 Jah r W itt ib

Ih re s A lte rs 78.Wappen.

Kalkstein, ziemlich gut erhalten, im Pflaster der Lourdeskapelle liegend, 0,78 : 0,39 m; fehlt bei Spiegel.

W a p p e n : Sow eit noch erkennbar enthielt das Wappen ein Rad auf einem Dreiberge; in der Helmzier wiederholt sich das Rad. W ir haben hier also ein redendes Wappen.

E in Berkm üller Hieronymus ist von 1647— 1673 Spitalbenefiziat ( S p i e g e l a. a. O. S . 61). D ie Verstorbene w ar seine M u tte r.

Im Pflaster hinter dem Hochaltar, hart in der südöstlichen Ecke, liegt ein Priestergrabplättchen m it Kelch, 0,45 : 0,40 m, ohne jede I n ­schrift. Wem es gehörte, läßt sich nicht angeben. Fehlt b e i S p i e g e l .

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6 8 6

>15.

Manz?oliannes1614.

1°(Uo)e Laxo quieseit . . . voetiss. Vn8

(^03nn)68 ü l 3 n 3 88. 63N.<03N6. m)ortuu3 X IX vee.

(I^I) . VO. X6. IV ^6t3ti8 . . . . per IV 1.u

(8tra ttuius I) oei ?38tor p3roettu8.

Rote M arm orp la tte beim Aufgang in den Musikchor in die Wand eingelassen, rechts teilweise abgeschlagen, noch 0,67 : 0,40 m, auch schon ziemlich abgetreten. Innerhalb der beiden untersten Zeilen Kelch m it stehender Hostie.

D er Verstorbene w ar jedenfalls Inhaber der Spitalpsarrei, fehlt aber in der Zusammenstellung b e i S p i e g e l a. a. O. S . 61. Näheres ist nicht bekannt.

46.Schechtel Matthäus und Runigunde. 1614.

Anno 1614 den 7. M a y S ta rb der Erbar M atheus S c h e c h t e l . Anno 16 . . den . . .

S ta rb die E rbar Frau Kunigunde Schechtelin sein Ehe­liche Hausfrau, D er baider Seelen G o tt genedig Sem

wolle. Amen.Barocker Grabstein an der inneren Westwand westlich vom S a ­

kristeieingang, 1,13 : 0,97 m, Kalkstein, der leider eine steingraue Farbe erhalten hat. Ueber der Schrifttafel Christus am Kreuze m it M a ria und Johannes; rechts kniet der M ann , links die Frau. K inder waren w ohl nicht vorhanden, sonst wären sie angeführt. H andw erkliche A r ­beit, im Allgemeinen gut erhalten.

47.walcher Ulrich

1629.Halbsigur eines bebarteten Priesters m it Rosenkranz,

Kelch, Buch und B ire tt.D arunter eine nicht mehr zu entziffernde Inschrift.

Kalkstein an der inneren Westwand er Kirche, östlich des Sakri­steieinganges, leider m it sogenannter grauer Steinsarbe übertüncht, 1,70 : 0,62 m. D ie Schrift lautete nach S p i e g e l :

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^NNO 83luti8 1629 616 X IV . Xov6m bri8 in D om ino m ortuus 68t n . Dn8. D63lri6U8 3 I t t i 6 r , I1UIU8 . .

Es handelt sich um den S p ita lp fa rre r Ulrich W alther, der die S te lle von 1624 bis 1629 inne hatte ( S p i e g e l a. a. O . S . 61).

W a p p e n : auf einem Berge 3 Fichten. Sprechendes Wappen für W aldherr.

Handwerkerliche Arbeit.

O s t e r m a i e r gibt in seiner Studie „D e r Spitalstudent", (Erz­bischof A n t. Thoma von München) S b l. 22, 1897, S . 18) noch nach­stehende 4 Grabinschriften, deren Steine mittlerweile entfernt w u r­den: *-

^nno Dni D V X V I m6N8i8 ^ugusti ob iit venerabilis v ir, Dominus 8ixtu8 0 r 6 i k k , ^u ius loo! plobrinus.

(Am 16. August 1505 starb der Hochw. H err S ix tus Greifs, P fa rre r daselbst). -

W a r von 1499— 1505 Spitalpsarrer: S p i e ge l , a. a. O . S . 60.

Magister- ^Volkxanxus 88. tkeol. LaeealuursusIorM3tU8, iru ius 666168136 P3v06ku8 b. k. 6. 3NN0 1597.

(Magister W olfgang Kazmayr, geprüfter Baccalaureus der Theologie und P fa rre r dieser Kirche, ließ dieses M onum ent fertigen im Jahre 1597).

E rh ie lt die P fa rre i erst 1597: S p i e g e l a. a. O. S . 61.

^ n n o D n i N D 6 I I I v. Iäu8 4 u n ii, p i6 o b ä o rm iv it Kov. Dms. ?3u lu8 3 ^ r , Xonoäoelii! ku iu s p3voeIru8 viLÜantissimus.

(Am 11. M a i 1603 entschlief sanft der Hochw. H err P a u l M a y r, lreubesorgter P fa rre r dieses Spitales).

W a r am 4. Ju n i 1599 investiert worden: S p i e g e l a. a. O. 61.

^ n n o D om in i U 6 6 6 6 D XX, to rtia 6 i6 Xov6m bri8, obü t Iio- n o rn b ilis v !r , Dns. ^ Iio ti36 l 8 o k w 3 ! x 6 r , roe to r ku iu s 600I6- 8136.

(Am 3. November 1470 starb der ehrbare M ann , H err Michael Schwaiger, Rektor dieser Kirche.)

7. Greift Sixtus1505.

L. Razmayr wolsgang1597.

3. M ayr Paulus1603.

4. Schwaiger Michael1470.

?

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Erstmals 1463 genannt, stiftet m it der Bäckerbruderschast die Bäckermesse. M a n beachte, daß er auf dem Grabstein noch nicht „S p ita lpsarre r", sondern nur Rektor der Kirche genannt w ird . Vgl. S p i e g e l a. a. O . 60.

6, Grabsteine in der friedhofkapelle.47.

Lexl p. Helanus1813.

Hochgelobt und gebenedeyt sei Jesus Christus im allerheiligsten Sakrament des A lta rs

zu ewigen Zeilen amen.Aus dieser ernsten Lebensquelle trank d -r fromme

Ordenspriester wahre Weisbeit Gottes- und der Nächsten-Liebe.

Beschaulich w ar sein Wandel, nebenbei nicht minder winkend stieg er zu G o tt hinaus vo ll Inbrunst und vo ll Liebe, so stieg er auch herab sür sremdes Heyl. Verklärter,

ruhe sanft in G ott und vergiß deiner zurückgelasznen Freunde nicht.l i . ? . l) . Helanus L e x l

des ordens des hl. Franziskus, geboren 1746, gestorben

den 3ten M ä rz 1813.Solnhoser P la tte in der inneren Kirchenwand, Epistelseite beim

Eingang, gut erhalten, 0,73 : 0,50 m, oben ein Kelch m it stehender Hostie.

W a r nach der Sterbematrikel im Konvente I, d. h. im alten Franziskanerkloster.

Grabsteine in der Gnadenthalkirche.V on den nachfolgenden Plättchen ist zur Zeit nur dasjenige der

Schusterin sichtbar, die anderen sind gegenwärtig m it B re tte rn bedeckt. Es kann deshalb die Schreibweise der Grabschristen, die ich dem ver- ehrlichen Kloster Gnadenthal verdanke nicht nachgesehen werden.

48.Vauliofin flnna Renata

1676Anno 1676 den 7. A p r il ist in G ott verschieden die Geistlich

und Andächtig Schwester Anna Renata B a u h o s i n der G ott

genedig sey.

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Plättchen im Kirchenpslaster. Nach den Eintragungen im K lo ­sterarchive erreichte sie ein A lte r von 60 Jahren, von denen sie 38 Jahre im Orden verlebt hatte. S ie hatte auch 6 Jahre lang das Haus als eine verständige, geistreiche Oberin — „würdige Frau M u t­te r" — geleitet. ^

Maderin M . Ursula1677.

Anno 1677 Jah r den 29. . . . starb die Geistlich und Andechtig

Layen Schwester M . Ursula M a d e r i n deren Seelen G o tt genad.

Pslästerchen in der Kirche. D ie Verstorbene tra t 1640 in das Kloster ein. ^

(Menzlin) Ludovika1677.

Ao 1677 den 7. N ov. starb die Geistlich und Andächtig Schwester Ludvika deren Seelen G o tt gnedig

(sei) Amen.Pslästerchen in der Kirche. D er Familienamen ist nicht genannt,

ergibt sich aber daraus, dast 1641 in den Klosterakten eine Ludovika M enzlin von München unter den Eingetretenen aufgesührt wird. Eine 2. Schwester Ludovika, die in den Akten genannt w ird , (Kurz aus Ingolstadt) kommt nicht in Betracht, da sie 1694 starb.

51.

Utilin Barbara Läeilia1682.

A o 1682 den 21.February starb die w ol- Ehrw ird ig in G o tt Geist­

lich Frau B a rba ra Cecilia U h l i n geweste wirdige

M uette r der Ze it der Seel G o tt Gnad. Amen.

Pslästerchen in der Kirche. Nach den Eintragungen im Kloster­archiv w ar sie zweimal Vorsteherin gewesen, das 1. M a l vier, das 2. M a l sieben Jahre lang. S ie erreichte ein A lte r von 65 Jahren, von denen sie 43 im Orden verbracht hatte.

52.

Schusterin M . Susanna1672.

Ao 1672 den 15. Ia n u a ry starb die Geistlich vnd Ande-

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chlig Schwöster M a r ia Susanna S ch u e st e r i n der

G ott Genedig sey Amen.Totenkopf.

Kleines Solnhoser Plättchen 0,35 : 0,34 m hinten beim Eingang in die Kirche im Pflaster, gut erhalten.

53.

Lottin NI. franziska1673.

Ao 1673 den 7. Oktober S ta rb die Geistlich und

Andächtig Schwester M . Franziska Z o t t t n d e r G ott genedig sei Amen.

Plättchen in der Kirche. Nach den Ausschreibungen im Kloster­archive erreichte sie ein A lte r von 80 Jahren, von denen sie 63 im Orden zugebracht hatte.

8. Verschleppte Grabsteine.rr) Im Schloß.

54.16 -s- 87

6on 22. 3unii 8ta rb Die ^Vol Lkrrvürcl

tige (!) geistl. krau 8or.4u8tina V i 1 1

e n ! n Der 3. lieg. 8. träne.D er xott (Toten- xnecliß

86^6. köpf) ^M 6N.Kalkplättchen 3 3 ^ em im Quadrat haltend, im Pflaster des a l­

ten Schlosses, 1. Stock beim Eingang zum Bürgersaal des Museums.D as Plättchen stammt aus dem Kreuzgange der M inoriten . Ig n .

Dom. Schmid hat noch in seiner „ 86pu Iekro§r3p In a " den Beisatz „geweste Conventualin an dem Kloster S t. Johann im Gnadenthale", der aus dem Plättchen fehlt.

d) Im Gang des Klosters Gnadenthal'.

. 55.Gröh Dorottsea

1534.^NN0 O n i 1534 . . am 14. tag des hoimonats

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starb die (ehrwürdig) srau Dorothea G r ö h . . )

D e r übrige T e il der S chrift ist nicht mehr zu lesen. Nach der Klosterchronik starb Dorothea Grötz am Valentinstag 1534. S ie war 4 Jahre lang Oberin des Klosters gewesen und mutzte dann wegen Krankheit ih r A m t niederlegen. Volle 10 Jahre lag sie im Kranken­zimmer, bis sie dann im A lte r von 61 Jahren starb. D er S te in liegt beim Kellereingang, er enthält im unteren Teile die Grabschrift der B arbara N iedlerin. -

56.Habermayerin 7N. walburga

1701.A . 1701 den 12. Iu ly ist ge storben die W o l Ehrwirdige

Closter F rau 8or. M a r ia W a l- burga H a b e r m a y e r i n Ord. 8 .

I^rane. der dritten Hegel A l ­lster in Closter bey 8. doann

in Gnadenthall der Gott genaden wolle.

TotenkopfSolnhoser Plättchen, auf der Klostersliege, ziemlich gut erhalten.

I n der „^ p u le k i-o g ra p liia Ingo ls tad iens is" des Ig n . Dominikus Schmid unter dem 17. J u li 1707 ausgeführt. Das Plättchen stammt aus dem Kreuzgange der M ino ritcn . Nach dem Klosterarchive w ar die Verstorbene 82 Jah r a lt, und 65 Jahre im Orden gewesen.

57.M ayrin M . Elisabeth

1679.Anno 1679 den 21. Octob. starb

die Andechtig und in Gott Geistliche Schwöster -

M a r ia Elisabeths M a y r i n deren Seele G o tt genad

Amen.Solnhoser Plättchen, im Gang zur Kellerei, gut erhalten. Nach

der Ordenschronik w ar sie 58 Jahre a lt und 40 Jahre im Kloster ge-- Wesen.

58.Nydlerin Barbara

1586.1586

(Den 27.) A p r ilis starb Schwester

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La rba ra l i >' 61 e r i n , der G ott genad Amen.

Plättchen beim Kellereingang.Nach der Klosterchronik starb B arbara N iedlerin am 27. A p r il

1586 im 83. Jahre ihres A lters. S ie w ar 1631 im 9. Jahre ihres A lte rs ins Kloster eingetreten und w ird von der Chronik gerühmt als eine „geistliche, frome, andächtige, in allen Tugenden geübte Kloster­jungfrau."

59.b) I n Privathäusern.

Praun wolfgang. 1535.

Anno D n i 1535 A n (!) montag vor N a tiv ila tis M a rie ist der Erfam Priester Wolsgang P r a u n caplan zu vnfern

Herrn vnd des heiligen geists a lta r m it todt verschüden welchemseine pain ides zwai mal abgeschniten worden dem got genad.Nenaisfanceepitaph, 0,82 : 0,58 m, gegenwärtig im Stiegenauf-

gang des Gasthauses zur Post, Ludwigstraße 29, eingemauert, ziem­lich gut erhalten bis auf den oberen Abschluß, der verloren ging, wohl aus der Frauenkirche herstammend; harter Kalkstein. Oberhalb der Inschrift eine figürliche Darstellung: I n einer Renaissancehalle sitzt vorne rechts im hohen Lehnstuhl, der als Wappen den Kelch trägt, der Verstorbene im langen M an te l. E r hat das B a re tt abgenommen und hä lt es betend in der Hand. V o r ihm auf dem Boden liegen die beiden zweimal abgeschnittenen Füße — einmal über den Knöcheln, das anderemal über dem Knie — aus dem Boden. H inter ihm steht der Schutzengel, der aus die in den Wolken schwebende Dreifaltigkeit hinweist. Ih m gegenüber steht im faltigen langen Gewände ein kräf­tig modellierter Heiliger, der in der Rechten ein Buch trägt, m it der Linken aber ebenfalls aus die Dreifaltigkeit hinweist. D ie Szene ist gut konzipiert und technisch gut ausgeführt.

D er Sterbetag ist der 6. September. A ls Kaplau von llnsern- herrn w ird W olfgang P r a u n schon 1523 genannt: S b l. 18 (1893) S . 76. Das Denkmal fand erstmals H. M a jo r Herm. W i t z , der mick aus dasselbe aufmerksam machte. Es ist auch nach der medizinischen Seite hin sehr interessant.

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Namensregister Zu den Grabsteinen-B a u h o fc r in Anna Renatal 68; 98B e rk m ü lle r Johanna 68; 95B i lr o s t in Anna M aria 64; 70B ro d rc iß von Jos. 65; 70D e v ig n a u in M . Franziöka 67; 71D im p f l in M . Katharina 65; 72E gg er Johann 65; 75E h rn g e r in Barbara 64; 72E ro lz h c im von N. 65; 75F re y in Ursula 65; 74G re ifs SirtuS 97G.rötz Dorothea 68; 100H a b e rm c y c rin Walb. 68; IO1H a n c iik e n ip l Georg 64; 74H äß M artin 65; 86H ü tzho fe r Paulus 64; 74J r le Johann 65; 75K a zm a yr Wolfgang 97K irn e r Barbara 65; 75— Georg 65; 75Laubscher Ursuü 65; 76Lexl k . Hclanuö 68; 98M a d e r in M . Ursula 68; 99M ande lböck in Margaret« 65; 86M a n z Joh. 58; 96M a y r in Elisabeth 68; 101— Paulus 97— W olf Andreas 65; 76M e il l in g e r Paulus 77M e n z lin Ludovika 68; 99M u m e th o fe r Franz 65; 77N e u b e rt Georg 65; 77O s w a ld N. 67; 78P rä n d t l M aria 65; 78— M aria Franziöka 65; 78— M . Johanna 65; 80— Wolfgang 79P ra u n Wolfgang P re ys in g Graf von Johann

58; 102

Karl Jos. Klem. Mar. 68; 94

— M . Theresia JoscphaThaddäa 68; 94

P r in n ig er Joh. Mich. 67; 88 P r u n o lt in von Johanna

M . Katharina 67; 81R e igcrS berg von Joh.

Lconh. M ar. 65; 81R ie d m a y e rin O ttilie 65; 82 R u d o lp h Joh. Gerard 65; 85 R y d le r in Barbara 68; 101 S chaffhausenvon Georg 65; 84— Susanna 85— Töchter 64; 85Schcchtel Kunigundc 68; 96— Matthäus 68; 96S ch c ffe r Johann Mich. 65; 84— Sebastian 65; 84S ch e rm erin M . Kathar. 67; 85 S ch m id th u e b e r Augustin 65; 85 Schranckscheü Epitaph 65 ; 86 S c h rö lin Susanna 66; 88S chuste rin M . Susanna 68; 99 S ch w a ig e r Michael 97S cm clrock in M . Anna 67; 88 S la d i Wilhelm 65; 89S ta n g lm a n n Ulrich 67S t o l l . . . M artin 67.; 69Sucher Elisabeth 67; 90— Georg 67; §9S u l Georg 64; 90T a f fe lm a y r S im on 65; 90 U h lin Barbara Eaccilia 68; 99 V e rm u n d e n von Bernhard 67; 9 ! V i l l c n in M . Justina 68; 100- W a lth c r Ulrich 68; 96W ic la n d Franz Jakob 92Z o t t in WO

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PostdLrektor a. D. ^otz. Baptist M ayerEhrenvorsitzender des Historischen Vereins Ingolfladt

Von Hermann Witz, ^sngolstadt

I n einer Zeit, da die meisten Vereine Schwierigkeiten haben, einen Vorsitzenden zu gewinnen — von den wenig begehrten Aem ­tern des Kassenwarts und des Schristsührers ganz abgesehen — ist es eine besondere Gnade, das; der historische Verein Ingolstadt in den rund 60 Jahren seines Bestandes nur 4 Vorsitzende gehabt hat. Das heißt doch wohl, daß allemal eine Persönlichkeit sich fand, die nicht nur geeignet, sondern auch freudig gewillt w ar, die Lasten der Vereins­leitung zu übernehmen.

A ls 'O sterm air, der Gründer und langjährige Vorsitzende des historischen Vereins Ingolstadt, zurückgetreten (und bald daraus am 16. 5. 05) gestorben war, übernahm P o s t a m t s d i r e k t o r J o h . B . M a y e r das A m t des Vorsitzenden und damit die Ausgabe, den Verein durch eine bald daraus einsetzende Krisis zu sichren. Daß der Verein diese K ris is glücklich überstanden hat, das; damals kein Fehl­g r iff getan wurde, der schwere Folgen hätte haben müssen, is t e in b e s o n d e r e s V e r d i e n s t d i e s e s V o r s i t z e n d e n .

Es handelte sich um die V e r e i n s s a m m l u n g, die bis dahin nirgends so recht ein Unterkommen fand; sie w ar zuerst im Nebenzim­mer eines Gasthauses (Vereinslokal), dann im Kreuztorturm, schließ­lich in einem Raum des Gymnasiums, aber doch nirgends ordentlich untergebracht, nirgends der Ö ffentlichkeit nutzbringend zugänglich. Es wurde nun vorgeschlagen — unser allverchrter Oberbürgermeister G e h e i m r a t K r o h e r w ird wohl der V a te r des Gedankens sein — , daß d ie S t a d t s e l b s t e i n s p r i n g e n , einen Raum einrich­ten und zur Versügung stellen müsse. Selbstverständlich mußte dann die Sammlung auch r e c h t l i c h in den Besitz der S tadt übergehen, die damit dauernd die Sorge für die Sammlung übernahm.

Gegner dieses P lans waren die nicht eigentlich „historisch" einge­stellten, die in den Sammlungsgegenständen nur den materiellen, in M a rk - und Pfennig ausdrückbaren W e rt sahen und die daher ent­setzt waren darüber, daß der historische Verein solche „W e rte " H e r ­schenke. Heute w ird man wohl sagen müssen, daß die Sammlung verloren gewesen wäre, wenn sie nicht an die S tadt übergegangen wäre. N iem als hätte der historische Verein aus eigenen Kräften die Sammlung anständig Herrichten und pflegen können. D er bloße Besitz tu t's freilich nicht- E rw irb es. um es zu besitz-n! Freilich haben die Sammlungsgegenstände auch einen gewissen wirtschaftlichen W ert, der sich in M ark und Pfennig zwar ausdrücken, aber kaum jemals reali­sieren läßt.

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Eine ausgezeichnete Folge des Uebergangs der Vereinssammlun­gen an die S tadt w ar, dah durch Bereitstellung einer Wärterwohnung oie Bewachung gesichert wurde und datz das Museum von nun ab je­den Tag zugänglich w ar, ein Zustand, der damals und wohl auch heute noch bei Lokalmuseen nicht häufig ist. Diese Organisation wurde auch in den nunmehrigen Sitz des Museums, ins Neue Schlosz übernom­men, wo überdies noch die Vereinigung der Vereinsbücherei m it dem Archiv der S tad t in überaus glücklicher Weise verwirklicht werden konnte.

Postamtsdirektor M aye r führte diese Krisis zur glücklichen Lösung und hat damit den heutigen Zustand der Vereinssammlungen vorbe­reitet, den w ir als recht befriedigend bezeichnen dürfen. Ich glaube nicht, datz heute die M itg lieder das Gefühl haben können, die Sam m ­lung sei ihnen entfremdet worden dadurch, datz sie an bie S tad t ge­schenkt wurde, und verkaufen wollen w ir sie ja überhaupt nicht. Uebri- gens war es auch damals schon ein anerkanntes Gesetz der Denk­malpflege, daß alle Gegenstände von Dokumentenwert nicht im P r i ­vatbesitz, sondern in einem öffentlichen Besitz sein sollen.

Postamtsdirektor M aye r w ar ein äutzerst gewissenhafter Beam ­ter, ein treu besorgter Familienvater, e rfü llt von tiefer Religiosität; ein hochgebildeter M ann , ehrlich begeistert für die Geschichtswissen­schaft, ein besonderer Kenner der bayerischen Geschichte, ein guter B ayer und Deutscher — er pflegte z. B . gern zu sprechen von den 4 bayerischen Städten München, W ien, P rag und Osen-Pest. E r be­säst als wertvolle Frucht ernsthafter humanistischer Studien die Gabe der blumigen Rede; Festreden von ihm - z. B . bei der unter seiner Amtsführung 1912 durchgeführten V I. Tagung der historischen Vereine— waren gut anzuhören: tadelsreies Deutsch, gute B ild e r, etwas pathetisch gefärbt.

I n diesem S t i l sind auch die Jahresberichte geschrieben, die er— manchmal etwas umfangreich — fü r die Sammelblätter lieferte. Freilich schmunzelten w ir manchmal über seine Peinlichkeit hinsichtlich der Einhaltung von Formen der Anrede, dah nämlich jeder wohl­oder hochwohlgeborene Herr genau nach Rang und W ürden ange­sprochen und bedankt werde; w ir andere dürften heutzutage vielleicht in dieser Hinsicht manchmal etwas mehr tun.

Unter seiner Amtsführung hat der Verein zuerst sich an die Ur- geschichtssorschung gewagt: Bodensorschung in Oberstimm, Kasing, Gerolfing, wissenschaftliche Auswertung der in der Vereinssammlung liegenden Urgeschichtsfunde. M i t grobem E ifer und E rfo lg arbeitete er sich in diese neuartige Form des geschichtlichen Denkens ein. Jene Jahre waren gerade aus öem Gebiet der Urgeschichtsforschung erfü llt m it heftigen Kämpfen: jene hochverdienten M änner, die das General­konservatorium der Kunstdenkmale und A ltertüm er geschaffen hatten, wollten merkwürdigerweise nicht immer zugeben, dah dieser neue amt­liche Apparat nun auch als A m t auftra t und nach eigenen Kon­zepten arbeitete. Es entsprach durchaus der loyalen N a tu r M ayers,

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daß er z. B . im Hochaäer- und Viereckschanzenstreit oder in der Frage des Uebergreisens der Nürnberger Forschung in das Forschungsgebiet anderer Vereine stets treu aus der Seite der rechtmäßigen Gewalt stand und der historische Verein Ingolstadt galt damals allgemein als ein besonders treuer Anhänger und Förderer der amtlichen Denkmal- pslege.

D as wissenschaftliche Leben im Verein w ar damals durchaus nicht unbedeutend. Allmonatlich einmal versammelte sich in dem schmalen Stäbchen beim „B rä u am B e rg " eine kleine Schar von Geschichts- freunden, die aber nicht bloß zum Z u h ö r e n gekommen waren, son­dern von denen jeder aktiv teilnahm, indem er neue Beobachtungen und Erfahrungen vortrug, Gegenstände geschichtlichen W ertes vor­zeigte und dergl. Es w ar vielleicht fehlerhaft, daß über diese sehr frucht­bringende stille Tätigkeit nicht viel öffentlich gesprochen und geschrie­ben wurde und so konnte r e i n nach d e r A k t e n l a g e d e r A n ­schein erweckt werden, als ob damals keinerlei Vortragstätigkeit be­standen habe: allein die Bekanntgabe und Besprechung der Ausgra­bungsergebnisse füllte viele Vortragsabende.

A ls Postamtsdirektor M aye r infolge vorgeschrittenen A lters während des Krieges in den Ruhestand tra t und nach Eichstätt über­siedelte, w ar es eine selbstverständliche P flich t der Dankbarkeit, daß der Verein ihm ein von den Schwestern des Klosters Gnadenthal schön geschriebenes D ip lom über die Ernennung zum Ehrenvorstand überreichte. N un ist er hinübergegangen dahin, wo keine Kämpfe mehr herrschen um die richtige A r t der Denkmalpflege, wo alle Geschichts- rätsel gelöst sind.

D er historische Verein Ingolstadt w ird seinem Ehrenvorstand ein treues Andenken bewahren, Postdirektor M a ye r w ird in Ingolstadt nicht vergessen werden können.

Zum Schluß seien die wichtigsten Daten seines Lebcnsgangs auf­geführt:

Johann Baptist M a ye r wurde geboren am 27. 7. 1848 zu Lan- bau a. Isa r, als der Sohn eines Landgerichtsassessors, des späteren Landrichters in Erding und Dorfen..

1858— 1866 Studien am Ludwigsgymnasium in München als Zögling des Albertinums. H ierauf bezog er die Universität München und tra t dem akademischen Gesangverein bei, dessen treues M itg lied er bis zum Tode blieb.

1870 theoretisches Examen,1873 juristischer Staatskonkurs.P rax is für den höheren Post- u. Telegraphendienst in Traunstein.Assistent in München.16. 5. 1880 Ossiziant in Würzburg.Direktionssekretär in München.1895 Postmeister in Ingolstadt.1898 Postamtsdirektor in Ingolstadt.

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Am 1. 7. 1915 tra t er in den Ruhestand und zog nach Eichstätt, wo er am 22. 3. 1927 sein arbeitsreiches Leben beschloß, infolge eines Schlagansalls.

Am 15. 7. 1877 hatte er sich m it F r l. Ursula Haiden, Tochter eines Divisionsveterinärarztes, vermählt; dieser Ehe entstammt ein Sohn.

A ls er von Ingolstadt wegzog, drückte ihm der M agistrat In g o l­stadt durch ein besonderes Schreiben die Anerkennung fü r sein bereit­w illiges Entgegenkommen als Amtsvorstand aus.

D er historische Verein Ingolstadt, dessen Vorsitzender er von 1904 bis 1915 gewesen war, ernannte ihn zu seinem Ehrenvorsitzenden.

Seine Verdienste wurden anerkannt durch die Verleihung des Michaelsordens 4. Klasse m it Krone und des Luitpoldkreuzes für 40- jährige Dienstzeit.

D e r historische Verein Ingolstadt w ar bei der Beerdigung durch eine Abordnung vertreten und Stadtbaurat D r. Schwäbl legte am G rab einen Kranz nieder, wobei er die Verdienste des Verstorbenen um den Verein hervorhob.

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L u r Leichenfeier des Kurfürsten M ax Emanuel in ingolstadt

A ls Kurfürst M a x Emanuel am 2ö. Februar 1726 in München gestorben w ar, wurden im ganzen Lande Trauergottesdienste fü r ihn abgehalten. D er S itte der Ze it entsprechend schmückte man Hiebei die Tumba m it mehr oder weniger passenden Inschriften. Durch einen Z u fa ll sind uns diese für Ingolstadt in einem Mscr. der „Münchener Staatsbibliothek — Otzm 3017, „S epuIe liroZ rap lüa Ingo ls ta rliens is" von Ig . Dominikus Schmid — erhalten geblieben. A ls Kulturdoku­ment gebe ich sie im Folgenden wieder.

1. Sei St. Moritzwar der Trauergottesdienst am 13. März.

Trauer, o liebes Ingolstadt,Verfinstert ist dein Sonn,Durch dessen Glanz verloren hat Den Schein der türkisch M on(d).

5?LI. ? U 6 H l V d 0 k l 5 /XkVl0KI5()UK ?IQdM 5 6U H (?) V IV 1

IN U K 6 K

(A ls Unterpfand der allgemeinen Trauer und der Liebe zu dem verlebten Fürsten, dem V a te r des Vaterlandes und der Hoffnung Bayerns, dargeboten von der Unteren P fa rre i zum hl. M a u ritiu s in der S tad t Ingolstadt.)

D ie Inschrift w ar zu München aus dem Sarge des Kurfürsten selber angebracht und wurde von dort erholt.

2. Bei U. S. ssrau

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81/8X18II8 I/88I05 881/881088 8880I81/8810I 81/881/88 818105

0 1 8 I0 5 (Z 0 8 6 /8 V /8 8 I/ .8 /8 0 8 /8 8 /8 1 I8 I/8 1 0 5 O O X0 0 8 1 8 5 8/88/8118105

5. 8 . I. /8 8 0 6 I0 -8 8 I8 8 8 ^ 8 8 8 0 1 0 8 8 /881008 /88105 8 8 0 0 6 1 8 8 1 6 8 8 0 8 8 I5 I5

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L 0 L ^ O !^ 3161 / X 5 5 ^ U H? 0 3 7 ' ^ I 5 - 1 L ^ 0 L l ^ l ? ! ^ .

(M a x Emanuel, der Sohn Ferdinand M a ria s , Herzog in Ober- und Niederbayern und der (Ober)Pfalz, Psalzgraf bei Rhein, des hl. Römischen Reiches Erztruchsesz und Kurfürst. Landgraf von Leuchten- berg, geboren am 11. J u li 1062 zu München, gestorben daselbst am 26. Februar 1726 ungefähr nachmittags 7 Uhr. E r w ar ein Fürst, wahrhaft milde, wahrhaft weise und groszmütig, zärtlichst geliebt wegen seiner ausgezeichneten Naturanlagen von den Seinen, besonders hoch­geschäht von Freund und Feind. D as Heer führte er an den Rhein, in Ungarn, Ita lie n und Belgien w ar er Oberstkommandierender, die Türken schlug cr in ununterbrochener Niederlage, ein Soldat, uner­schrocken, edelmütig und äuszerst tapfer im Kampfe fü r G o tt und die Religion. E r w ar unter den W affen a lt geworden und durste einzig und allein die letzten 10 Jahre friedlich in der Heimat leben.

E r hinlerlieh 4 Söhne, von denen 2 sich vermählten und dem Vaterlande dienen, 2 sich der Kirche weihten, und eine Tochter, die sich im Kloster Christus verlobte. E r sah den Segen Gottes an K arl, dem Erben des Kurfürstentums, der väterlichen Länder und Tugenden, nämlich 2 Nichten, an Ferdinand aber m it einer Nichte und 2 Enkeln, nämlich Klemens, dem Hohenpriester im K urhu t und m it der vierfachen M ith ra , und Theodor, der sich 2 B istüm ern bereits gewidmet hat, für 2 weitere aber bestimmt ist.

Dieser M a n n liegt hier. Seine Seele, die christlich versehen ward, hat sich der Himmel erworben, sein Andenken aber w ird niemand der Nachwelt rauben.)

Z. sn -e r Mnoritenkirche

bei den Franziskanern, wo der Trauergottesdienst am 16. M ä rz ge­halten wurde, befanden sich an derTumba drei B ild e r m it den folgen­den Inschriften.

s) ? 0 5 1 ' VU K/X ( Z H U K I

(Nach Leiden die Ruhe.)

S o ruhe dan,Churfürst M axim ilian.V o r die römisch Kirch und's römisch Reich B is t g'standen du, d ir wenig gleich.

" 10-

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Unter Donner und Blitzen,Unter Kugeln und Haubitzen,Dein bayrisch Volk und Vaterland Z u rötten vor des Feindes Hand,I n Harnisch wolltest schwitzen.S o ruhe dan,M axim ilian ,Hast g'nug getan.

b) 1 0 5 U K I t t v k m / ^ 0 1 3 « 0 5 1 -1 6 ^ 5 . (E in Iosue im Kampfe gegen die Feinde.)

O Sonn, still stehe,N it weiter gehe,V e rh ill deinen Schein.Vom Tod hier besieget.E in Iosue unterlieget,O schmerzliche Pein.

D er nie wutzt zu weichen,Ostmalen erbleichen Den türkischen M ond.D er d' Feinde gequellet.D er liegt nun entstellet.W ird uns n it vergönnt.

c) ? I - ! I ! ^ K 3 IN k k H L I0 l> U 3 .(E in Phinees im Eiser sür die Religion..)

V o r G ott und den Glauben I n g'harnischter Hauben E in Phinees war.Trutz jenigen allen,S o waren abgsallen V on päpstlicher Schar.

W ann dieser noch lebte.I n W affen noch schwebte Und stände zur Huet Sich wurden viel ducken,Sanftmutiglich schmucken.Verlieren den M uet.

(Fo l. "14 a fsd.)

D r . Götz

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Rechnungsabschluß s-L 6

Ginnatimen-

Aktivrcst de6 V o r ja h re s ............................................Mitgliederbeiträgc und Aufnahmegebühren . . .Zuschüsse: KreiSrat Oberbayern.................................

Herr Kommerzicnrat B a u m er, Nachlaß a> den Druckkostcn des Sammclblattcö .

Abhebung von der städtischen Sparkasse . . . . Verkauf von Sammelblättern und SonderdruckenR ückvergü tungen.................................................. .....Sonstige Einnahmen: Verkauf von 2 Dollarnoten L 4.IO

Summa

397.80 „ 624.60„ 2 0 0 . -

//

350.—3 0 0 . -129.6034.—

8.20

^ 2044.20

Msgaden:

Vcrwaltungekosten............................................................ 1.90Druck des S a m m e lb la tte ö ............................................ // 1070.—

Büchcrzcttel fü r die Bibliothek und Sonderdrucke . . // 20.50

Bestellung von Zeitschriften............................................ // 35.75

Beiträge an gelehrte G e se llsch a fte n ............................ 20.—Wiederanlage bei der städtischen Sparkasse . . . . ,, 700.—

S um m a: 1848.15

A b s c h lu ß :

Summe der Einnahmen . . 2044.20Summe der Ausgaben. . . „ 1848.15

Aklivrest ^ 1S6.05

Lechbauer, Kassier

IN

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Nechtsrat flugust SchlamppGeb. 1^. 1. 1667 in vberhaunstadt, gestorben 9. 5. 1927 zu Baden-Baden im

Stadt. Krankenhaus. Seit 1. 12. 1899 Rechtsrat der Stadt Ingolstadt.

A u f einer Reise, ine der Erholung von schwerer Berufsarbeit dienen sollte, fand Nechtsrat August Schlampp, fern von seiner Heimat, nach kurzer schwerer Krankheit den Tod im Städtischen Krankenhaus zu Baden-Baden, nachdem ärztliche Kunst vergebens ihn zu retten versucht hatte: zwischen blühender Gesundheit und dem Tod lag hier nur eine Frist von 2 Tagen.

E in schwerer Verlust fü r Ingolstadt!H err Rechtsrat Schlampp gehörte zum „geistigen S tad tb ild " von Ingolstadt. N icht als kaltherziger B era te r in Nechtsangelegenhelten der S tad t lebt er in unserer dankbaren Erinnerung fort, sondern als warmherziger Pfleger der Hilfsbedürftigen aller A r t, als Förderer von Kunst und Wissenschaft.

Sein Lebensgang, seine amtliche Tätigkeit, seine vielseitige W irk ­samkeit im gesellschaftlichen und künstlerischen, (besonders im musika­lischen!) Leben der S tad t sind kurz dargestellt in den Nachrufen, welche die Ingolstädter Presse dem Verstorbenen widmete z. B . „Ingolst. Z tg ." vom 11. und 13. 5. 1927 N r . 107 und 109. D e r Historische Verein hat hier m it besonderer Dankbarkeit zu betonen, dajz die Ange­legenheiten der Lokalsorschung und der Denkmalpflege, die zum R e­ferat des Rechtsrat Schlampp gehörten, durch ihn kräftig und m it lebhaftem Interesse gefördert wurden, so wie er auch regelmäßig an den Veranstaltungen des Historischen Vereins, an den Beratungen und Diskussionen teilnahm. Unter seiner Am tsführung wurde das bis dahin recht bescheidene Museum der S tad t und des Historischen V e r­eins in die glänzenden Räume des Neuen Schlosses verlegt und seiner klugen M ita rbe it verdankt Ingolstadt die E rfü llung des alten W u n ­sches, eine Filial-Staatsgemäldegalerie zu besitzen.

H e r m a n n W i tz.

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Jahresbericht 7 ?2 <5 /L?von Schriftführer M ajor a. D. Hermann Witz.

I. vortrüge.

M ontag, 8. November 1926:Studienprosessor a. D . N i e d e l : Grabdenkmale der M inoriten - kirche, m it Lichtbildern.

M ontag, 6. Dezember 1926:Kaufmann A r n o F r i e d m a n n : Ueber Fußbekleidung in biblischer Zeit. D er V ortrag ist auch als Sonderdruck bei C. Schröder (L. Stadclmeier) Ingolstadt, erschienen.Lehrer K ü h n : Tagebuch des Kriegsfreiw illigen W alz, der 1832 m it König O tto in Griechenland w ar. E in Auszug aus dem V ortrag ist erschienen im Bayerland, 38. Jahrgang 1927, S . 428.

Dienstag, 18. Januar 1927:Oberarchivrat D r. M i t t e r w i ese r (München): Studentisches Leben in Ingolstadt.

M ontag, 7. Februar 1927:Studierender der Kunstgeschichte K a r l T h e o d o r M ü l l e r (ein geborener Ingolsta'dter): Ueber die Feldkirchner Madonna, m it Lichtbildern. .Studienprosessor a. D . R i e d e l : Ingolsta'dter Grabplastik.

M ontag , 13. M ä rz 1927:Studienprofessor a. D . R i e d e l : Ingolstadter Grabplastik.

M ontag, 2. M a i 1927:S tadtpfarrer Gstl. N a t Monsignore D r . G ö h : B a u - und R e­staurationsgeschichte von S t. M oritz.

M ontag , 4. J u li 1927:Hauptversammlung.I.Vorsitzender D r. G ö h : Tätigkeitsbericht. Vortrage des Jah­res, Besuche des Museums. Rückblick auf die erfolgreich verlau­fene Tagung des Verbands bayer. Geschichtsvereine. Dank an H errn Verleger Baum er, der Vs der Druckkosten des Sammel- blattes nachgelassen hat. Dank sür Zuwendungen an Archiv und Museum. Dank an die Presse, die unsere Bestrebungen erfolg­reich gefördert hat. Dank an K re is Oberbayern und an die S tadt Ingolstadt sür die Zuschüsse, ohne die w ir ein Sammelblatt nicht herausgeben könnten.

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Kassenwart Juw elier I v o Z e c h b a u e r : Kassenbericht; die Lage des Vereins ist an den Zeitverhältnissen gemessen nicht ganz ungünstig.

M a jo r a. D . W i t z : Nachruf für den in Eichstätt verstorbenen Ehrenvorsitzenden des Vereins Postdirektor a. D . Joh. Bapt. M a ye r; die Versammlung erhebt sich von den Sitzen. (Vg l. S . 103.)

Lehrer K ü h n : Bericht über die Urkunden, die H err Glasermeister Gg. Schwarz dem Archiv zugewiesen hat.

H. Vesuche und Führungen im Schloßmuseum.

Sonntag, 19. Februar 1926:T o u r i s t e n v e r e i n der Naturfreunde, Ortsgruppe In g o l­stadt. 16 Personen. '

Sonntag, 23. Januar 1927:E l e k t r o k o m p l e x - h o m ö o p a t h i s c h e r V e r e i n , B u n ­dessitz Regensburg, Ortsgruppen I n g o l s t a d t u n d N e u - b u r g a . D . 30 Personen.

Dienstag, 1. Februar 1927:D r . P e l z e r , der Leiter der geschichtlichen Abteilung der Handwerksausstellung München 1927 und sein M ita rbe ite r D r. P l a t t n e r ; Verhandlungen über Beteiligung Ingolstadts an der Ausstellung. D er hohen Kosten wegen konnten sich das Ingolstädter Handwerk und die S tad t Ingolstadt leider nicht an der Ausstellung beteiligen; doch liest es sich ermöglichen, dast

das Sandnermodell,die Bronzetafel Kaspar Dietrichsund das Holzmodell D uvalsin der geschichtlichen Abteilung ausgestellt wurden.

Sonntag, 6. März 1927:T o u r i s t e n v e r e i n der Naturfreunde, Ortsgruppe In g o l­stadt. 50 Personen.

Sonntag, 20. März 1927:W a f s e n r i n g d e u t s c h e r A r t . (Tagung in Ingolstadt). 6 Personen.

Freitag, 10. Juni 1927:Se. kgl. Hoheit K r o n p r i n z N u p p r e c h t m it der Kegel- gesellschast. (vgl. „Ingo ls t. Z tg ." N r . 131 u. 132/1927).

Mittwoch, 8. Juni 1927:D er amerikanische P r o f e s s o r S i h l e r , d e r a m Tag vorher

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einen V ortrag über die Kriegsschuldlüge gehalten hatte, vgl. „ I n - golst. Z tg ." N r . 127 und 130/1927.

Sonntag, 12. Ju n i 1927:H i st o r i s c h e r V e r e i n S c h r o b e n H a u s e n , 28 Personen.

Sonntag, 3. J u li 1927:M ü n c h e n e r a n t h r o p o l o g i s c h e G e s e l l s c h a f t , 20 Damen und Herren unter Führung durch den Vorsitzenden Uni­versitätsprofestor D r. B irkner.

D e r B e s u c h d e s S c h l o ß m u s e u m s d u r c h d i e I n - g o l s t ä d t e r S c h u l e n w ar w ie alljährlich sehr rege; am Dienstag, 22. M ä rz 1927, wurde die 5. Klasse der höheren Mädchenschule und am Dienstag, 21. Jun i 1927 wurden der 5. und 6. K u rs der Lehre- rinnenbildungsanstalt durch den Berichterstatter geführt.

D ie B e s u c h s o r d n u n g sür das Schlotzmuseum wurde im Berichtsjahr neu ausgestellt, wobei die Eintrittspreise sür die Schul- klassen und sür die einheimischen Besucher ermäßigt wurden.

I I I . Mitgliederstand und persönliches.1. D er Kosten wegen muß von einem Neudruck des M itg lieder­

verzeichnisses abgesehen werden, rein zahlenmäßig ist auch die M i t ­gliederbewegung nicht sehr umfangreich: immerhin überwiegt zum ersten M a l seit Jahren der Abgang an M itg liedern den Neuzugang! W ir wollen nicht hoffen, daß das eine Abkehr der Bevölkerung im ganzen von den Zielen der geschichtlichen Lokalsorschung im Dienst der Heimatkunde bedeutet; aber alle M itg lieder werden herzlichst ge­beten, für den historischen Verein zu werben, so daß die Lücken des Mitgliederstandes wieder ausgefüllt werden.

Z u r Zeit der Ausgabe dieses Sammelblattes zählte der historische Verein Ingolstadt

179 M itg lieder in Ingolstadt und 68 M itg lieder außerhalb Ingolstadts.

2. D er Verein beklagt den Tod langjähriger treuer M itg lieder: in Ingolstadt sind verstorben die Herren Rechtsrat S c h l a m p p ,

Oberlehrer a. D . B a u e r , Studienprosessor D r. S c h ö n b e r g e r , Postdirektor H ö n i g .

I n Eichstätt verstarb der Ehrenvorstand des Vereins H err P o st - d i r e k t o r a. D. J o h . B a p t . M a y e r ,

in Traunstein verstarb H err P riva tie r S e b a s t i a n V o n f i c h t . der lange Jahre Gemeindebevollmächtigter in Ingolstadt war.

3. M i t Urkunde vom 10. 7. 27 ernannte der Verein den Herrn M a le r F e r d i n a n d O t t — früher in Kösching, nunmehr in Perkam bei Geiselhöring — z u m E h r e n m i t g l i e d sür seine vie­len Verdienste um das Archiv und das Schlotzmuseum.

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IV . Vor- und frühgeschichtliche Forschung. Vodenforschung im Stadtgebiet.

1. Steinhammer von Eitensheim.

Flurabteilung Windhöhe— Meierseld nö. von Eitensheim. P l.- N r . 2381. '

E in Steinhammer aus Felsgestein m it angefangener Durchboh­rung; anscheinend ein stark abgenütztes Stück, das man nachträglich noch einmal durchbohren wollte, obwohl es schon zu kurz geworden war. D as Stück hat dann w ohl noch a ls Klopsstein gedient, weil Schneide und Endteil zugeklopft sind. (8,8 em lang.)

D er Stcinhammer wurde gesunden durch Herrn O e k o n o m i e - r a t D o n a u b a u e r in Eitensheim, der den Fund auf Anregung durch die Herren L e h r e r Z i n s m e i s t e r (Eitensheim) u n d K u h n (Ingolstadt) dem Schlotzmuseum überlietz.

2. Spuren einer Hallstattsiedlung.

Steuergemeinde Kösching. N . W . X X X N . 3.P l.-N r . 4218: Acker „am Erlachweg".Besitzer Xaver Licklederer in Kösching, H s .-N r. 145.Am Fuss der „K le inen Zehenthöhe"; etwa 1,8 Kilometer südlich

Kirche Kösching und 1,2 Kilometer östlich Desching (1:50 000).D er vielnamige Bach, der von Wettstetten über Lenting, Desching

nach Erlachhof slietzt (zwischen Wettstetten und Lenting Manterinbach, zwischen Lenting und Desching Lentingerbach, dann Köschkngerbach und Mühlbach geheitzen) w ird von Lenting ab durch breite sumpfige Wiesen begleitet, die in irgend einer geologischen Vergangenheit ein­mal Wasserflächen gewesen sein mögen.

V on diesem „Wasserbecken" dringt eine Bucht nach Osten vor zwischen M ühlberg und K leiner Zehenthöhe (gekennzeichnet durch den Flurnamen Hüllohe, also Wäldchen an einer H ü ll — Wassertümpel) und eine zweite Bucht südlich der Kleinen Zehenthöhe zwischen den Flurabteilungen Schörgensaum und Schörgenbreite (d. s. wohl Wiesen und Aecker, die einmal zur Besoldung des Köschinger Scher­gen — Amtsboten bestimmt waren!)

D as Gelände steigt von dieser zweiten (südlichen) Bucht aus auch nach Osten an, im Süden fo lg t m it geringer Erhebung das Gebiet des Erlachhofs:

I n dieser feuchten M u lde wurden inr Herbst 1926 Drainage­gräben angelegt. D as jüngste Töchterchen Adelheid des Herrn Kom- merzienrats N o ld (Erlachhof) beachtete spazierengehend den schwarz­gefärbten Grabenaushub, las die Scherben auf und lieferte sie an den Berichterstatter ab. D as Mädchen w ar durch Belehrung im Schlotz- museum auf die Bedeutung von Scherben aufmerksam geworden.

A ls der Berichterstatter am 30. 11. 26 die Fundstelle besuchte, waren die Gräben zwar schon größtenteils eingefüllt, aber die schwarze,

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speckige Kulturschicht w ar noch zu erkennen. D ie Fundstelle liegt am Rand der M u lde , also nicht an ihrem tiefsten Punkt. E twas weiter südlich (neben dem Weg, der nach Osten über die Kriegsstrahe hin­über auf den Demlinger Moosberg führt) waren die Gräben noch offen: eine etwa 1 M e te r starke Schicht, hereingeschwemmter guter Kulturerde lag auf seinem Sand mit wenig seingeschlämmtem Lehm, übergehend in ganz reinen, hellen oder gelblichen Sand.

Diese Erdschichtung möchte ich als den G rund eines Wassertüm­pels, eines Weihers (einer H üll) deuten, m it einiger Strömung nach Westen; am User dieses Weihers, den Hang hinauf, könnten die Hütten des vorgeschichtlichen Dörfchens gestanden sein. 9m Laus der Zeit haben Regengüsse die gute Kulturerde des Hangs samt ihrem I n ­ha lt an Scherben hinunter auf den sandigen Grund des Tümpels ge­schwemmt und ihn nach und nach verlandet.

D as gewonnene Scherbenmaterial (etwa eine Zigarrenschachtel vo ll) umsaht:

dicke, derbe Scherben von Töpsen oder Vorratsgesä'hen, m it schwarzgrauem Bruch aber geglätteter, roter Oberfläche; ein Randstück einer derben P la tte ist deutlich m it G raphit bemalt, einige dünne Scherben von Schüsseln oder Bechern aus fein ge­schlämmtem Ton, gut geglättet, m it eingetieften Linien verziert.

Z u S b l. 44, 1925, S . 228; Kiesgrube P l. N r . 574/76 im Aun- koferfeld bei Pichet ist nachzutragen, dah es sich auch dort um einen verlandeten W eiher oder Wassertümpel (m it leichter Ström ung) han­deln w ird , an dessen Rand aus festem Boden eine Hallstattsiedlung lag. D ie Scherben lagen grösstenteils auf dem Fluszsand, der darüber folgende schwarze „Schlick" entstammt den Abwässern der vorauszu­setzenden Siedlung. Ich verdanke diese Deutung H errn D r . Bersu. Diese Kiesgrube ist als Fundstelle von Hallstattscherben bereits er­wähnt im V II. Bericht der röm.-germ. Komm. 1912 S . 47. (Museo- graphie von D r. Drexel)

3. N ord fron t des Kastells Kösching.

Verg l. S b l. Ingolst. 44, 1925, S . 228 und 45, 1926, S . 124). Bericht von H. Witz m it Planchen in der Germania, K o rr. B l.

d. R . G . Komm. 1927, Heft 1., S . 26.

4. V i l la rustiea, m ansio bei Feldkirchen.Feldkirchen. B la t t N . W . X X X I, 4.

F l u r a b t e i l u n g : Hennengarten, P la n N r . 2189^4, dicht nördlich der Kirche, im Winkel, den die beiden Nömerstraszen m itein­ander bilden.

A u f dem Acker hat der Besitzer — der H e r r H o f b a u e r E n g e l , dem sür sein überaus freundliches Entgegenkommen der wärmste Dank gebührt — von jeher S t e i n e a u s g e g r a b e n , d i e

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in unregelmäßiger Schicht dicht unter der Ackerkrume liegen. Herr L e h r e r K u h n erfuhr von diesen Steinsunden bei Gelegenheit an­derer Studien und verständigte den Berichterstatter.

Am 12. 10. 1927 und am 26. 10. 27 wurde a ls Probe eine Fläche von etwa 3X3 M e te r sondiert. D er Acker w ar m it Rüben bestellt gewesen; die Leute sagen, man könne auf diesem dicht beim D o rf liegenden Acker nur Klee oder Rüben bauen, w eil die Hühner das Getreide vernichten würden; ob das aber den Flurnamen „H en- nengarten" erklärt? Schon 20 em unterhalb der augenblicklichen Oberfläche wurden locker, ohne Verband herumliegende B r u c h ­s t e i n e ( J u r a k a l k ) angetroffen, die sich bald ungefähr in zwei Reihen ordneten, zwischen denen eine deutliche R inne fre i von Steinen blieb. D ie Kalksteine wiesen vielfach Spuren von B r a n d ­e i n w i r k u n g auf, und unterhalb der Steinlage w ar die Erde durch B rand gerötet und m it Kohleteilchen durchsetzt. I n dieser brand- geröteten Erde kommen einzelne im Feuer gesinterte Stückchen röm i­scher Tegula vor.

H err D r . W i n k e l m a n n , der am 5. 11. 27 die Stelle besich­tigte, stimmte der Deutung zu, daß man eine prim itive H y p o - k a u s t e n a n l a g e vor sich habe, natürlich nur den alleruntersten Te il, alles ehemals Darüberliegende ist längst weggekrochen.

D ie neben diesen Steinlagen angetroffene Kulturschicht w ird datiert durch einige Sigillatascherbchen, die ich für R h e i n z a b e r n halte:

E in dickes Scherbchen, m it Rest eines gliederpuppenartigen G la ­diators etwa undein Scherbchen jener Rheinzaberner A r t, welche die Neigung hat,etwa in der M itte der Stärke auseinanderzufplittern, also beideetwa n i c h t a l l z u f r ü h e s 2 . J a h r h u n d e r t .Sonst wurden noch Scherben und S p litte r aufgelesen von

. Reibschüsseln, Amphoren, Tonkrügen und Tonbechern, im ganzen ärmliches Zeug.

U e b e r d i e s e F u n d s t e l l e w i r d i m n ä c h s t e n J a h r w e i t e r b e r i c h t e t .

D ie Flurabteilung im Zwickel der heutigen Staatsstraße Feld­kirchen— M a ilin g und der römischen S traße Feldkirchen—Kösching (also östlich dieser Römerstraße) führt den Namen

„A u f dler Schanz".B la t t N . W . X X X I, 4.

D icht östlich neben der Kirche von Feldkirchen, also südlich dieser F lu r „A u f der Schanz" stand ein erst nach 1918 eingeebnetes E rd ­werk aus der Zeit der Arm ierung der Festung Ingolstadt im Jahre 1866. Von d i e s e r „Schanze" kann der Flurname nicht herstam- men, w eil er nach den Erm ittlungen des Herrn Lehrers Kühn schon 1840 vorkommt, und weil die F lu r auch schon 1820 „Schanzäcker" genannt wurde.

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H err Lehrer Kühn fand bei Studien in den Katastern des Finanz­amts etwa 400 m nördlich der Kirche von M a ilin g und 750 m öst­lich der römischen Strotze Kösching— Feldkirchen, den Flurnamen „ A u f d e m G e m ä u e r " , der au f dem B la t t N . W - X X X I, 3, nicht angegeben ist. D ie Stelle liegt innerhalb der gröberen F lu r, die auf den Karten 1:25 000 und 1:50 000 als „U n 1 e r e P l a t t e" be­zeichnet ist.

Das Merkwürdige ist nun, datz dieser Flurname „Aus dem Ge­mäuer" nicht an einer zusammenhängenden Reihe von Aeckern hastet, sondern datz nur eine Anzahl von Aeckern so heitzen, zwischen denen immer wieder Aecker liegen, die zum Flurnamen „ M e i l w i e s s e l d " gehören. Diesen Befund könnte man sich dadurch erklären, datz der Name „G em äuer" konsequent nur jenen Grundstücken beigelegt wurde, in denen M a u e r r e s t e angetroffen (und natürlich ausgebrochen) wurden: das würde der Lage der Grundstücke nach vielleicht die Um­fassungsmauer und die wohl ziemlich einfachen Kernbauten eines römischen Gutshofes andeuten können.

D er Platz wurde im Herbst abgesucht. B e i trockenem Wetter, zum T e il noch nicht einmal abgeerntet, konnten Scherben noch nicht gesunden werden. D i e s e r i n t e r e s s a n t e F a l l w i r d w e i ­t e r z u v e r f o l g e n se in .

5. Reihengräbersriedhos Gaimersheim.Vorläufiger Bericht in der Ingolstädter Zeitung v. 1. 6. 27,

N r . 124.Neubau eines Stadels, B auherr Joseph B ra n d l, H s .-N r. 79 in

Gaimersheim. N örd l. des Bahnhofs Gaimersheim in dem Winkel, den die Stratze von Gaimersheim zum Bahnhof m it einem alten Weg bildet, der von Gaimersheim nach Süden zwischen Bahnhof und Z ie­gelei hindurch auf den Hummelberg bei der Ochsenmühle führt.

2 Skelette ohne Beigaben in der Fundamentgrube sür die Süd­mauer des neuen Stadels, in etwa 5 M e te r Abstand von einander. D as erste w ar zerstört worden, nur Knochen wurden noch beigebracht; vom zweiten Skelett waren beim Eintreffen des Berichterstatters (5. 5. 27) die Beine schon weggegraben.

D ie beiden Skelette lagen in nur 63 Zentimeter Tiefe, beide West— Ost, genauen der K op f lag West— Süd—West und blickte nach Ost—N o rd — Ost. D as zweite Skelett lag auf dem Rücken, der Kops w ar stark nach rechts geneigt; vom Scheitel bis zum Becken matz ich 65 Zentimeter.

I n der A uffü llung über dem Skelett fand ich 2 winzige, un- charakterisierte, anscheinend vorgeschichtliche Scherben, die offensicht­lich n ic h t zur Bestattung gehörten.

Derartige seicht liegende Bestattungen sind z. B . auch im Neihen- gräberseld Schrehheim beobachtet worden und besahen auch dort keine Beigaben ( I . Harbauer, Gymnasialprogramm D illingen 1900/01, Katalog der Schrehheimer Funde I. Te il, S . 2).

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6. Spuren der ältesten Umwehrung Ingolstadls in gotischer Zeit.Während der Erstellung des N e u b a u e s S c h r a n n e n -

st r a t z e 4 ( B u c h d r u c k e r e i b e s i t z e r K o m m e r z i e n r a t A u g . B a u m e r ) hat man auf Spuren der ältesten Umwehrung Ingolstadls geachtet. Es wurden auch R e s te a l t e n M a u e r ­w e r k s gefunden, die aber w ohl zu spätmittelalterlichen Häusern und ihren Kellern gehören werden. (Backsteinmauerwerk!) W ie w ir aus der Fundgeschichte des im Schlotzmuseum liegenden I a n u s - k o p f e s wissen*), läuft der ä l t e s t e G r a b e n d e r S t a d i ­u m w a l l u n g etwas weiter südlich durch den B innenhof des A n ­wesens der Druckerei, und diese Lage entspricht auch dem 1921 im Anwesen Holzmarkt 6 angetroffenen, viereckigen, steinernen Turm der ältesten Stadtmauer (Strigelsturm ).

A n der Südgrenze des Neubaus, fand man in der Tiese lockere Auffü llung m it Resten einer a l t e n P f a h l g r ü n d u n g : ich möchte diese S te lle fü r die äußere Böschung des ältesten Grabens nehmen.

Sow ohl der B auherr, H err Kommerzienrat Baum er, als auch der leitende Architekt, H err Proebst, haben den Beobachtungen das größte Interesse entgegengebracht. H err Architekt Proebst hat die Feststellungen in genauen P länen niedergelegt, die dem Archiv zu­geführt wurden. D er Historische Verein dankt bestens fü r diese Unter­stützung der Lokalforschung und möchte nur wünschen, datz bei allen Grundgrabungen im Stadtgebiet so gründlich obacht gegeben werde.

V. Sonstiges.1. Zwei rätselhafte Inschriften

auf schön geschnitzten Türen im Haus des Spenglermeisters Neumayr, Hieronymusstr. 11 und

im Ostermair-Haus, Theresienstratze 20. wurden durch Oberstudiendirektor D r . S i l v e r i o als Jahreszahlen 1767 und 1768 gedeutet: große griechische Buchstaben als Zahlzeichen verwendet w ie auf griechischen Denkmälern.

Lehrer K ü h n fand nunmehr im Archiv eine N otiz Ostermairs, datz die „Insch rift Hieronymusgasse 11 die Anfangsbuchstaben des Jahres 1767 in griechischen Zahlen ausdrücken solle"; hiernach mutz Ostermair von der richtigen Deutung etwas gehört haben, ohne sie vö llig zu verstehen. (Bericht H . W itz, „ In g . Z tg ." 28. 5. 27, N r . 121).

*) Ein altes Jnv..Verz. enthält folgenden Eintrag vorn 15. Ju li 1892: „E in Janushaupt aus Kalkstein, gefunden im Juni 1892 beim Grundaushub im Hofraum Haus Nr. 941 (Am Stein 12) dahier, hart an der alten Stadtmauer beim ehemaligen Klostertor in einer Tiefe von 2 Metern. Geschenk von Buch. druckereibesitzer Hans Ganghofer."

Auf dieser Quelle beruhen die Erwähnungen des Januskopfes (der natür­lich nicht römisch, sondern spätmittelalterlich ist!) im kleinen Museumsführer Hartmanns 1907 S. 15 und im Ingolstädter Führer Ostermairs S . 33.

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2. Stukkaturen im Neuen Schloß.D er Berichterstatter entdeckte gelegentlich, daß das — ursprüng­

lich natürlich unten ossene — Tonnengewölbe der Renaissancetorhalle (unterhalb des im 18. Jahrhundert darauf gesetzten Uhrtürmchens) m it Stukkaturen verziert w ar, die beim Aussehen des Uhrtürmchens zum T e il zerstört und dann durch die heute über den Tordurchgang eingezogene Flachdecke dem Blick des Durchschreitenden entzogen wurden.

Es sind großzügige mythologische Szenen, tanzende Faune und Nymphen, ein Neigen um einen Springbrunnen, besten B runnen­figur P a llas Athene zu sein scheint und ähnliches. Jede Szene ist wie ein Gemälde durch Stuckleisten in einfachen barocken Linien ge­rahmt. (Bericht H . W itz, „ In g . Z tg ." 13. 4. 27, N r . 85).

3. Der Ingolstädter Maler Joh. Ev. Höhl -s- 1765.D er Berichterstatter konnte — angeregt durch ein vom S tadtra t

gekauftes B i ld des M a le rs Joh. Ev. Hölzl -s- 1765 — unter den alten Beständen der Vereinssammlung eine Anzahl P orträ te von der Hand dieses Ingolstädter Künstlers feststellen, der unter anderem auch eines der 1889 zerstörten Deckenbilder unserer Moritzkirche gemalt hatte; vorläufiger Bericht im Unterh.°B l. zur „ In g . Z tg ." v. 18. 3. 27 N r . 64. D a in der Zwischenzeit weitere Werke dieses M a le rs in unserer Gegend aufgefunden wurden, so w ird über diesen gar nicht unbedeutenden Ingolstädter Künstler noch weiter zu berichten sein.

von Aufsätzen, die vorher im „ In g . Tagb la tt" erschienen waren, ist eine Zusammenstellung „ V e r g e s s e n e B u r g e n i m I n g o l - s t ä d t e r G e b i e 1" von H . W itz erschienen; gleichfalls als Sonder­druck von Aussähen in der „ In g . Z tg ." erschien vom gleichen Verfasser eine Erläuterung über „ B ü r g e n " im allgemeinen und über das Leben auf mittelalterlichen Burgen. Diesen beiden Arbeiten steht im Gedankengang nahe ein a ls Sonderdruck bei Pöstenbacher-München erschienener größerer Aussatz H . Witz „ G e s c h i c h t e d e r st ä d t i - schen S t r a ß e n n a m e n " aus der durch die bayer. Akademie der Wissenschaften herausgegebenen „Wochenschrift sür Pflege von Heimat und Volkstum ."

4. Als Sonderdruck

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