Samstag, 9. November 2013 GESUNDHEIT Ther apien haben sich verbess ert · 2019. 6. 4. · PSA-W ert...

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  • Modernste Operationstechnik: Dr. Frank Schiefelbein sitzt an der Konsole des da Vinci-Systems und steuert von dort die miniaturisiertenInstrumente mit Hilfe einer 3D-Kamera. Beides wird über kleine Schnitte durch den Bauch des Patienten eingeführt. FOTO: MICHAEL REINHARD

    Die Prostata-Sprechstunde und Dr. Frank Schiefelbein

    Was tun bei Prostatakrebs? So lautet dasThema einer gemeinsamen Veranstaltung derMain-Post-Akademie und der MissionsärztlichenKlinik Würzburg. Die Experten Dr. Frank Schiefel-

    bein (links) und Dr. Georg Schön stehen den Zu-hörern am Samstag, 16.November, von 10 bis12 Uhr in der Cafeteria des Missio ausführlichRede und Antwort. Bei einem anschließendenPodiumsgespräch diskutieren die beiden Chef-ärzte unter anderem mit dem mehrfachen Welt-meister und Olympiasieger im Degenfechten,Alexander Pusch, über Vorsorge, Diagnostik undTherapie beim Prostata-Karzinom. Pusch warselbst an Prostatakrebs erkrankt. Die Moderationübernimmt Michael Reinhard, Chefredakteur derMediengruppe Main-Post. Informationen undAnmeldung unter www.mainpost.de/akademie.

    Dr. Frank Schiefelbein ist an der Missionsärzt-lichen Klinik in Würzburg seit 2006 Chefarzt der

    Urologie. Sein wissenschaftliches Hauptinteressegilt der radikalen Prostatachirurgie, insbesondereden DaVinci OP-Techniken, der minimal-invasi-ven Endourologie und Mikrochirurgie sowie derLaserchirurgie der Prostata. Die Missio-Urologieist unter anderem auch Referenzzentrum für dieAusbildung mit dem Greenlight-Laser. Auf natio-nalen und internationalen Kongressen demonst-rierte der Mediziner spezielle OP-Techniken, dieauch in Filmen und Lehrbüchern Eingang ge-funden haben.

    ONLINE-TIPPWeitere Informationen zum Thema sowie eineausführlichere Fassung dieses Interviews findensie unter www.mainpost.de

    „Therapien haben sich verbessert“Prostata-Krebs: Mit jährlich rund 67 000 Neuerkrankungen ist er der häufigste Tumor des Mannes. Die Diagnose ist meist begleitet

    von Angst und Unsicherheit. Ein Gespräch mit dem Würzburger Experten Dr. Frank Schiefelbein über Vorsorge, Diagnostik und Therapie.

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    Das Gespräch führteMICHAEL REINHARD

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    P rostatakrebs ist die häufigste Tu-morerkrankung bei Männern undnimmt bei ihnen den dritten Platzin der Sterberate ein – nach Lun-gen- und Darmkrebs. Laut Angaben derDeutschen Krebshilfe gibt es in Deutschlandjährlich rund 67 000 Neuerkrankungen. DieDiagnose ist meist von Angst und Unsicher-heit begleitet. Was tun? Bestrahlung? Opera-tion? Oder einfach abwarten? Viele Männerfürchten sich vor der Behandlung. Dennnicht selten sind Impotenz und Inkontinenzdie Folge. „Deshalb ist es sehr wichtig, dassder Patient umfassend über die Erkrankungund über alle möglichen sinnvollen Thera-pien aufgeklärt wird“, sagt Dr. Frank Schiefel-bein, Chefarzt der Missionsärztlichen Klinikin Würzburg. Im Gespräch mit dieser Zei-tung rät der Prostata-Experte Männern abdem 45. Lebensjahr unbedingt, einmal jähr-lich zur Vorsorgeuntersuchung zu gehen.

    FRAGE: Wie hoch ist eigentlich das Risiko, anProstatakrebs zu erkranken?FRANK SCHIEFELBEIN: Mit jährlich nahezu67 000 Neuerkrankungen ist der Prostata-krebs der häufigste Tumor des Mannes. JedesJahr sterben etwa 13 000 Männer in Deutsch-land an dieser Erkrankung. Statistisch gese-hen liegt das Lebenszeitrisiko, an Prostata-krebs zu erkranken, bei etwa 13 Prozent, etwadrei Prozent der Patienten sterben daran. Inden letzten 30 Jahren haben sich Vorsorgeund medizinische Therapie allerdings erheb-lich verbessert.

    Ab wann ist eine Vorsorgeuntersuchung wegenProstatakrebs sinnvoll?SCHIEFELBEIN: Im Rahmen der Krebs-Früh-erkennungsuntersuchung bieten die gesetzli-chen Krankenkassen Männern ab dem45. Lebensjahr einmal jährlich eine Vorsor-geuntersuchung an. Hierbei wird die Prostatavom Arzt über den Enddarm mit dem Fingerabgetastet. Auf Wunsch des Patienten kanneine erweiterte Vorsorge durchgeführt wer-den. Hierbei kann der PSA-Wert und eineüber den Enddarm durchgeführte spezielleUltraschalluntersuchung vorgenommenwerden. Der PSA-Anstieg gilt als ein wichti-ger Frühindikator in der Diagnostik des Pros-tatakarzinoms. Bei erblicher Vorbelastung istes ratsam, die Vorsorge ab dem 40. Lebens-jahr zu beginnen.

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    „Leider gibt es keine frühenWarnzeichen, die auf

    Prostatakrebs hinweisen.“Dr. Frank Schiefelbein

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    Wie aussagefähig ist denn eine solche Untersu-chung?SCHIEFELBEIN: Eine regelmäßige, unauffälli-ge Prostatavorsorgeuntersuchung mit Tast-befund, PSA-Wert und Ultraschall kann dasVorliegen eines relevanten Prostatakrebsesmit guter Sicherheit ausschließen.

    Schließt ein normaler PSA-Wert von vornhereinein Prostatakarzinom aus?SCHIEFELBEIN: PSA heißt prostataspezifischesAntigen. Dies ist eine Eiweißsubstanz, die imBlut des Patienten nachgewiesen wird. DerPSA-Wert ist leider nicht hundertprozentigaussagekräftig. Der Prostatakrebs ist ein sehrunterschiedlich zu wertender Tumor. Bei biszu 15 Prozent der Prostatakarzinome ist derPSA-Wert des Patienten nicht erhöht. ImZweifelsfall können aber andere Laborpara-meter, wie der PCA-3-Test, herangezogenwerden.

    Immer mehr Studien lassen die aktuellen Vorsor-gemaßnahmen zwiespältig erscheinen. SchadenPSA-Tests zur Früherkennung von Prostatakrebseventuell mehr als sie nutzen?SCHIEFELBEIN: Der PSA-Wert ist derzeit dersensibelste Parameter in der Frühdiagnostikdes Prostatakrebses. Ein sehr differenzierterUmgang mit dem PSA-Wert, unter Abwä-gung des individuellen Risikos des Patienten,ist eine grundlegende Voraussetzung, umverantwortungsvoll mit dem PSA-Wert um-zugehen. Der Prostatakrebs hat sehr unter-schiedliche Verlaufsformen. Wichtig ist dieBewertung des individuellen Risikoprofilsbei jedem Patienten, um eine Übertherapiezu vermeiden.

    Auf welche Warnzeichen sollte man grundsätz-lich achten?SCHIEFELBEIN: Leider gibt es keine frühenWarnzeichen. Beschwerden beim Wasserlas-sen könnten auf eine Erkrankung der Prosta-ta hinweisen. Wenn der Tumor nämlich einegewisse Größe erreicht hat, wird die Harn-röhre, die von der Prostata umschlossen

    wird, dadurch verdrängt und das Wasserlas-sen erschwert. In einem fortgeschrittenenStadium können Blutungen beim Wasserlas-sen oder beim Samenerguss auftreten. In ei-nigen Fällen sind auch Rückenschmerzenwie bei einem Hexenschuss zu verzeichnen,da Knochenmetastasen typischerweise imBereich der Wirbelsäule ansiedeln.

    Was ist zu tun, wenn Verdacht auf Prostatakrebsbesteht?SCHIEFELBEIN: Dann muss die Diagnosedurch eine feingewebliche Untersuchung ge-sichert werden. Hierbei wird in Lokalanäs-thesie nahezu schmerzfrei eine Feinnadel-biopsie – auch Stanzbiopsie genannt - durch-geführt. Dadurch lässt sich ein Bild von dermöglichen Ausdehnung des Tumors gewin-nen. Diese Erkenntnisse sind wichtig für dieTherapieplanung. So auch für das operativeVorgehen, insbesondere mit der Fragestel-lung, ob eine nerven- und gefäßschonendepotenzerhaltende Operation möglich ist.

    Ist eine Gewebeentnahme unbedingt erforder-lich?SCHIEFELBEIN: Nur durch eine Gewebeent-nahme kann die Diagnose Prostatakrebs gesi-chert werden. Die Ergebnisse aus der feinge-weblichen Untersuchung sind wichtigeGrandlagen für die Therapieentscheidung .

    Kritiker bemängeln, dass angeblich zu viele

    Biopsien vorgenommen werden.SCHIEFELBEIN: Die Indikation zur erweiter-ten Prostatadiagnostik mit PSA-Bestimmung,transrektalem Ultraschall und der Entnahmeeiner Prostatabiopsie ist eine individuelleEntscheidung des Patienten. Sie bedarf einersorgfältigen Beratung durch den behandeln-den Arzt. Dabei müssen Nutzen und Risikobesprochen werden. Generell gilt es selbst-verständlich, eine Überdiagnostik und Über-therapie zu vermeiden – und gleichzeitig daszu späte Diagnostizieren eines Prostatakreb-ses so weit wie möglich auszuschließen.

    Es wird häufig kritisiert, dass Diagnose und Tref-ferquote bei der Untersuchung von Stanzprobenzu wünschen übrig lassen.SCHIEFELBEIN: Die Durchführung der Stanz-biopsie ist in den Leitlinien zum Prostatakar-zinom standardisiert. Ziel ist es, das klinischsignifikante Prostatakarzinom zu diagnosti-zieren. Gegebenenfalls können weitereUntersuchungen wie Kernspintomographieoder rechnergestützte Ultraschalluntersu-chungen mit Elastographie die Diagnostikverfeinern. Mit hinreichender Sicherheitkann dabei ein Prostatakarzinom nachgewie-sen oder ausgeschlossen werden.

    Muss Prostatakrebs auf jeden Fall behandeltwerden?SCHIEFELBEIN: Ein gut differenzierter Prosta-takrebs mit einem Gleason-Score kleiner als

    6, einem PSA-Wert unter 10 und ohne einenausgedehnten Tastbefund kann in vielen Fäl-len zunächst nur überwacht werden. Dieseaktive Überwachung setzt regelmäßige drei-monatige Untersuchungen des Patienten vo-raus, um zu erkennen, wann aus einemharmlosen Verlauf ein aggressiverer entsteht.Dann muss die Therapie umgestellt werdenund eine Operation mit Entfernung der Pros-tata oder eine Bestrahlung durchgeführtwerden, um den Tumor in dem therapeuti-schen Zeitfenster heilen zu können.

    Bei wem ist eine Behandlung unumgänglich?SCHIEFELBEIN: Bei einem jüngeren Patientenmit mehr als zehn Jahren Lebenserwartung,der eine schlechte Tumordifferenzierung,eine größere Tumorausdehnung und einenerhöhtem PSA-Wert aufweist. Das sprichtnämlich für einen aggressiveren Tumor, deroperativ entfernt oder bestrahlt werden soll-te. Ebenso sollte bei einem symptomatischenund metastasierten Patienten eine Behand-lung sofort beginnen. Heutzutage gibt es fürnahezu jedes Tumorstadium eine angemes-sene und erfolgversprechende medikamen-töse Therapie, die den Erkrankungsverlauferheblich verlangsamen kann.

    Welche Aspekte sollte man bei der Wahl der rich-tigen Therapie berücksichtigen?SCHIEFELBEIN: Die Behandlung des Prostata-karzinoms ist immer individuell. Sie richtet

    sich wesentlich nach dem Tumorstadiumund der Tumordifferenzierung sowie den Be-gleiterkrankungen und dem Alter des Er-krankten. Durch die verbesserten Möglich-keiten der Überwachung des Patienten wer-den zukünftig immer mehr Betroffene aktivüberwacht werden können, mit dem Ziel,eine Übertherapie zu vermeiden.

    Wann ist eine Operation bei Prostatakrebs not-wendig?SCHIEFELBEIN: Die Indikationsstellung zurOperation zur radikalen Prostatektomie beiProstatakarzinom ist eine individuelle Ent-scheidung. Hierbei sind das Alter des Patien-ten, sein Gesundheitszustand, die individu-ellen Tumordaten wie Tumordifferenzierungund Tumorausdehnung sowie der PSA-Wertwichtige Parameter. Der Vorteil der operati-ven Versorgung ist, dass der Pathologe dieProstata genau untersuchen kann und damiteine exakte Stadiumzuordnung vorgenom-men werden kann. Bei einem kapselüber-schreitenden Tumor kann dann rechtzeitigeine ergänzende Strahlentherapie die Hei-lung ermöglichen.

    Sie operieren im Missio seit 2008 auch mit demDa Vinci-System. Was sind die Vorteile dieserMethode?SCHIEFELBEIN: Wir haben im letzten Jahr 470radikale Prostatektomien im Missio durchge-führt. Davon über 300 mit dem Da Vinci-Sys-tem. Man kann sagen: Je komplizierter derEingriff, je aufwendiger die rekonstruktivpräparatorischen Operationsschritte, destogrößer ist der Vorteil durch das Da Vinci-Sys-tem. Die auf diese Weise operierten Patientenhaben bereits in der Frühphase nach derOperation eine hohe Rate an Kontinenz. DieHarnkontinenz nach einem Jahr beträgtmehr als 90 Prozent.

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    „Je komplizierter der Eingriff,desto größer ist der Vorteil

    durch das Da Vinci-System.“Dr. Frank Schiefelbein

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    Kommt diese Operationsmethode für alle Patien-ten in Frage?SCHIEFELBEIN: Leider nicht. Bei bestimmtenVorerkrankungen des Patienten, insbesonde-re Herz-, Lungen- oder Gefäßerkrankungen,kann aufgrund der Lagerung des Patientenmit einer sogenannten Oberkörpertieflage-rung der Eingriff mit dem DaVinci nichtdurchgeführt werden. Diese Patienten wer-den in einer differenzierten Technik schnitt-operativ versorgt.

    Bei allen bemerkenswerten Fortschritten: DieProstata-Operation hat aber auch Nachteile, dieder Barmer Krankenhausreport im vergangenenJahr anhand von Zahlen wie folgt beschriebenhat: 70 Prozent der Patienten klagen nach einerradikalen Operation über Impotenz, 16 Prozentwurden inkontinent.SCHIEFELBEIN: Es zeigen sich Unterschiedein der Qualität der operativen Versorgung. Esgibt verschiedene Untersuchungen, die ein-deutig belegen, dass Kliniken mit hoher Ex-pertise und hohen Fallzahlen in der Versor-gung auch bessere Operationsergebnisse vor-weisen können. Insbesondere die Rate anHarninkontinenz ist, wie erwähnt, bei Ver-sorgung durch Operateure mit großer opera-tiver Erfahrung deutlich geringer und derPotenzerhalt besser.

    Kann die Bestrahlung eine echte Alternative zurOP sein?SCHIEFELBEIN: Ja, es gibt Prostatakarzinome,bei denen die Strahlentherapie im Vergleichzur operativen Versorgung gleichwertige Er-gebnisse zeigt. Bei einem erhöhten Narkose-risiko durch schwere Vorerkrankungen istdem Patienten zum Beispiel eher eine Be-strahlung als eine Operation anzuraten.

    Sie haben eine breite Palette von Behandlungs-möglichkeiten aufgezeigt. Aber ist Prostatakrebsüberhaupt heilbar?SCHIEFELBEIN: Es ist das Ziel der Vorsorge, einProstatakarzinom in einem möglichst organ-begrenzten Stadium zu diagnostizieren. Istder Tumor lokal noch nicht fortgeschrittenund hat keine Tochtergeschwülste gesetzt, sohaben wir in bis zu 90 Prozent eine komplet-te Heilung zu erwarten. Positiv zu vermerkenist, dass sich in den letzten Jahren, wie schonerwähnt, die operativen Techniken weiterverfeinert haben. Das gilt auch für die Be-strahlungstechniken. Und gerade in denletzten zwei Jahren sind neue medikamentö-se Therapien für das metastasierte Prostata-karzinom zur Anwendung gekommen. Hier-bei können auch Tumore in einem fortge-schrittenen Stadium in ihrem Verlauf abge-bremst und die Lebensqualität des Patientenverbessert werden.

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    Die Prostata-Sprechstunde und Dr. Frank Schiefelbein"Therapien haben sich verbessert"