Sandkiste der Superlative...rechts beim Nacktbadestrand wird die Freikörperkultur zelebriert....

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N ORDSEE ie schwarz gelockten Haare sind noch nass und vom salzigen Nord- seewasser verklebt. Sven zittert leicht im frischen Wind. Aber das stört ihn nicht, denn das Adrenalin der gerade beendeten Kitesurf-Session hat seinen Körper noch voll im Griff. Eben noch hat er auf dem Wasser hohe, spektaku- läre Sprünge und coole Wellenritte zele- briert, jetzt freut er sich auf den Abend mit seinen Freunden. An Land. Schnell pellt er sich aus seinem Neoprenanzug, tauscht diesen gegen Short und Shirt, um sogleich an der aus verschiedenen Campingtischen zusammengewürfelten Tafel Platz zu nehmen. Zum Schutz vor dem Wind ist diese von in die Jahre gekommenen VW-Bussen und schicken Wohnmobilen umstellt. Auch auf dem Grillrost herrscht Viel- falt. Dort spiegeln sich nicht nur die ku- linarischen Vorlieben der 25 bis 50 Jah- re alten Kiter, sondern auch ihr indivi- duelles Budget wider. So liegen Grill- würste aus dem XXL-Pack neben feins- tem Filet mignon vom Bio-Metzger und jahrelang haltbarer Quietschkäse ne- ben selbst gemachten, nach Honig und Kräutern duftenden Schafskäse-Päck- chen. Aber trotz aller Unterschiede: Was die Liebe zum Strand, zum Wasser- sport und zu ihrem Camping-Lifestyle angeht, sind sich alle einig. Heute ist die Anzahl der Busse und Autos auf dem befahrbaren Strand von St. Peter-Ording überschaubar. Aber einmal im Jahr zum Kitesurf-Worldcup, dem größten Kitesurf-Event weltweit, D St. Peter-Ording, war das nicht dieses leicht angestaubte Seebad am nordfriesischen Wattenmeer? Ja, das war es mal. Denn seit Kitesurfer das Revier entdeckt und einige lässige Hotels eröffnet haben, weht in SPO ein ganz anderer Wind. 92 abenteuer und reisen 6/14 2 Sandkiste der Superlative

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ie schwarz gelockten Haare sindnoch nass und vom salzigen Nord-

seewasser verklebt. Sven zittert leichtim frischen Wind. Aber das stört ihnnicht, denn das Adrenalin der geradebeendeten Kitesurf-Session hat seinenKörper noch voll im Griff. Eben nochhat er auf dem Wasser hohe, spektaku-läre Sprünge und coole Wellenritte zele-briert, jetzt freut er sich auf den Abendmit seinen Freunden. An Land. Schnellpellt er sich aus seinem Neoprenanzug,tauscht diesen gegen Short und Shirt,um sogleich an der aus verschiedenenCampingtischen zusammengewürfeltenTafel Platz zu nehmen. Zum Schutz vordem Wind ist diese von in die Jahre gekommenen VW-Bussen und schickenWohnmobilen umstellt.

Auch auf dem Grillrost herrscht Viel-falt. Dort spiegeln sich nicht nur die ku-linarischen Vorlieben der 25 bis 50 Jah-re alten Kiter, sondern auch ihr indivi-duelles Budget wider. So liegen Grill-würste aus dem XXL-Pack neben feins-tem Filet mignon vom Bio-Metzger undjahrelang haltbarer Quietschkäse ne-ben selbst gemachten, nach Honig undKräutern duftenden Schafskäse-Päck-chen. Aber trotz aller Unterschiede:Was die Liebe zum Strand, zum Wasser-sport und zu ihrem Camping-Lifestyleangeht, sind sich alle einig. Heute ist die Anzahl der Busse und

Autos auf dem befahrbaren Strand vonSt. Peter-Ording überschaubar. Abereinmal im Jahr zum Kitesurf-Worldcup,dem größten Kitesurf-Event weltweit,

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St. Peter-Ording, war das nicht dieses leicht angestaubte Seebad am nordfriesischenWattenmeer? Ja, das war es mal. Denn seit Kitesurfer das Revier entdeckt und einige lässige Hotels eröffnet haben, weht in SPO ein ganz anderer Wind.

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Sandkiste der Superlative

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gleicht der Strand einem hoffnungslosüberfüllten Campingplatz in der Hoch-saison. Hunderte von Strandmuscheln,Campingbussen und Autos tummelnsich hier mitten in den Sommerferienneben dem Veranstaltungsgelände. Kinder assistieren ihren Vätern beim

Kräftemessen mit dem Strandkorbnach-barn im Sandburgenbauen und ganzrechts beim Nacktbadestrand wird dieFreikörperkultur zelebriert. Krebsrottrifft auf Knackbraun und von Muskelngestählte Sixpacks auf über Jahre ge-reifte „Onepacks“. In der Nähe des Dei-ches, wo der Strand noch hauptsächlichals Straße genutzt wird, testen dieGroßstädter die Geländefähigkeit ihrerSUVs und ziehen rasant tiefe Furchenin den Sand.

Robby Naish schaut gernauf einen Sprung vorbei

Mit etwas Glück trifft man in St. Peter-Ording auch auf den einen oder ande-ren Prominenten wie die Klitschko-Brüder, die das Kitesurfen lieben undsich immer wieder mal beim Worldcupoder für eine spontane Session auf demWasser blicken lassen. Auch Windsurf-

Legende Robby Naish gibt sich gernedie Ehre. An den Worldcup-Abendenhallt die Musik der Konzerte und Par-tys über den Strand. Nur nachts wird esschnell wieder leerer, da Übernachtenim Naturschutzgebiet auf dem Strandverboten ist. Die Ruhe morgens um sechs Uhr –

Heinz-Dieter Hecke liebt sie. Dann istnur das Tosen der Nordsee zu hörenund die einzigen Besucher seinerStrandkörbe sind die vielen Sandkör-ner, die der Wind über Nacht hineinge-tragen hat und die nun in der leichten

Brise Ballett auf den gestreiften Sitz-polstern tanzen. Der Badestellenleiteram Hauptstrand von St. Peter-Ordingarbeitet hier schon 29 Jahre. Erst alsStrandkorbvermieter, seit 19 Jahren alsLeiter dieses Strandabschnitts, einer vonvieren in St. Peter-Ording. Seine leiten-de Funktion hindert ihn jedoch nichtdaran, selbst mit Hand anzulegen beider Reinigung der Strandkörbe und

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1 Frische Brise: Nicht umsonst findet inSt. Peter-Ording der Kitesurf-Worldcup statt2 Frische Idee: Ein Hotel im Surfer-Look 3 Frische Farbe: Zum 100-Jährigen bekamWesterheversand 2006 einen neuen Anstrich

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ihrer Positionierung gemäß den Wün-schen der Urlauber. „Vieles hat sich inden vergangenen Jahren verändert inSt. Peter-Ording“, sagt Hecke, „der Orthat wirklich fast nichts mehr mit sei-nem verstaubten Image gemein.“Es begann Mitte der 90er-Jahre mit

der Fernsehserie „Gegen den Wind“, inder Ralf Bauer und Hardy Krüger ju-nior von Nordfriesland aus das Lebens-gefühl der Windsurfer in die Wohnzim-mer der Deutschen brachten und St.Peter-Ording in das Bewusstsein vonjungen Familien und Wassersportlernrückte. Aber die Infrastruktur war zudieser Zeit noch auf das ältere Stamm-publikum ausgelegt. Erst seit 2008wandelte sich der Ort spürbar – mit derNeugestaltung der Strandpromenade

im Zentrum und zahlreichen neuenProjekten der Hotellerie und der Gas-tronomie. Seit dieser Zeit kommen ver-mehrt jüngere Gäste sowie Wochenend-besucher aus dem 150 Kilometer ent-fernten Hamburg.

Hang-Loose statt „Kännchen Kaffee“-Modus

Lässigkeit und Unbekümmertheit derSurfer statt Gelsenkirchener Barock.Zentrum dieses neuen Lebensgefühls istdas direkt hinter dem Deich am Haupt-strand gelegene „Beach Motel“. Mehre-re Jahre hat Jens Sroka an seinem Kon-zept gefeilt und Ideen in der ganzenWelt gesammelt. Und das Konzept deslässig-edlen Hotels im Surfer-Look, das

2013 seine Pforten öffnete, scheint auf-zugehen. Ganz entspannt werden dieGäste mit einem „Hallo, schön, dass Duda bist“ begrüßt. Und zwar ganz egal,ob der Gast im schicken Anzug oderSurfer-Outfit erscheint, als Single odermit Familienanhang. Genau diese unterschiedlichen Typen

ergeben eine interessante und lebendigeMischung. Wobei sich die Gäste allesehr wohl zu fühlen scheinen, zwischenden Designermöbeln, echten Surfbret-tern und Elementen des angesagtenShabby-Chic-Looks. Hier und da istSand aufgeschüttet und die Kopfkissenziert das Motto „Life is a beach“. FürSt. Peter-Ording mit seinem zwölf Kilo-meter langen Sandstrand ist der Spruchabsolut passend.

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1 Große Sprünge: Beim World-cup in St. Peter-Ording treffensich die besten Kiter der Welt2 Hohe Räume: Im „BeachMotel“ wird Freiheit groß -geschrieben, wie hier in derJever Suite 3 Tolle Lage: Hinter dem Hotelund den Dünen warten kilome-terlanger Strand – und das Meer

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GUT ANKOMMEN

Der nächste Flughafen liegt imrund 150 Kilometer entferntenHamburg, der nächste Intercity-Bahnhof in Husum. Von dortfährt die Nord-Ostsee-Bahnnach St. Peter-Ording (nob.de).

COOL WOHNEN

Strandgut ResortDas Drei-Sterne-Superior-Hotelnennt sich „Lifestyle Resort“(modernes Design!) und liegtim Zentrum des Ortsteils Bad in direkter Nähe zu Restaurantsund Geschäften. Noch näherliegt der direkte Zugang zumbenachbarten, 2014 renovier-ten Erlebnisbad „Dünen-Ther-me“ samt Wellnesszentrum. DZab 69 Euro.Am Kurbad 2 Tel. 04863/ 9 99 90strandgut-resort.de

Beach Motel2013 eröffnetes Drei-Sterne-Hotel im Vintage-Surfer-Look.Wunderbare Lage hinter demDeich am Hauptstrand. Viele Zim-mer mit Meerblick. Wellnessbe-reich, „Dove Spa“ im Haus. DZab 69 Euro.Am Deich 31�Tel. 04863/ 9 08 00beachmotel.de

Zweite HeimatDas im April eröffnete Premi-um-Strandhotel will ein Ort derRuhe sein, der das Gefühl desZuhause-Seins mit dem Life-style eines Boutiquehotels ver-bindet. DZ/F ab 145 Euro.Am Deich 41Tel. 04863/ 47 48 90hotel-zweiteheimat.de

Aalernhüs Hotel & Spa2012 nach einer Renovierungneu eröffnetes und upgegrade-tes Fünf-Sterne-Hotel mit 62Zimmern inklusive Familien-zimmern und Apartments. Ru-hig gelegene Anlage direkt amWald mit Außen- und Innen-pool. DZ/F ab 140 Euro.Friedrich-Hebbel-Str. 2�Tel. 04863/ 70 10aalernhues.de

ENTSPANNT TRINKEN

Café KömRestaurant und Bar mit Billard.Sicher eine der besten Ausgeh-Adressen im Ort, sei es zumFußballschauen, zum Essenoder für Drinks am Abend.Strandweg 2Tel. 04863/ 15 33cafe-koem.de

Hang Ten Bar Mittags und nachmittags ent-spannte Lounge-Atmosphäre,abends hippe Bar. An Wochen-enden gelegentlich Livemusik.Siehe „Beach Motel“.

GoschDeutschlands vermutlich be-kanntester Fischhändler be-treibt auch in St. Peter-Ordingeine Filiale seiner Restaurant-und Bar-Kette. Buhne 1Tel. 04863/ 4 78 50 90gosch.de

SCHNELL KITEN

Worldcup 2014: vom 1. bis 10.August, kitesurfworldcup.de

MEHR ERFAHREN

st.peter-ording-nordsee.de,nordseetourismus.de

INFOAuf dem Deich direkt vor dem Hotelfahren die Radfahrer entlang. Entwedergeht es zum gerade mal zwei Kilometerentfernten Ortskern oder für diejeni-gen, die es sportlich mögen, in die ande-re Richtung bis zum 13 Kilometer ent-fernten Leuchtturm Westerheversand.Dabei führt der Weg vorbei an Schaf-herden und Wiesen, bis plötzlich dermeistfotografiert Leuchtturm Deutsch-lands auftaucht, in hübscher rot-weiß-roter Ringeloptik und idyllisch inmit-ten der Salzwiesen gelegen.

Sven denkt schon abendsan den nächsten Wellenritt

Und wo geht es abends hin? An dieStrandpromenade oder besser auf denStrand, in eine der auf Pfählen thronen-den Bars wie die berühmte „Strandbar54° Nord“ oder „Arche Noah“. Dazugibt es in den verschiedenen Ortsteilenviele Restaurants für alle Budgets.Dunkle Wolken ziehen schnell am

leuchtenden Mond vorbei. Ein paar Ro-mantiker verlassen Händchen haltendden Strand. Sven liegt inzwischen inseinem Bus auf dem Campingplatz hin-ter dem Deich. Er genießt das ferneRauschen des Meeres und das Pfeifendes Windes und malt sich aus, was dermorgige Tag wohl alles bringen mag.Die Wetter- und Windprognosen ver-sprechen allen Wassersportfreaks erneuteinen exzellenten Kitesurf-Tag.

CAROLIN THIERSCH (TEXT UND FOTOS)