Sanft-mobil-mit-Kindern_reisetipps_2011_05

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Mit Kind, Kegel und Rucksack „Wenn ihr erst mal Kinder habt, dann ist es rum mit euren ver- rückten Urlaubsideen“, habe ich mehr als einmal gehört. Im Rück- blick kann ich behaupten: Es geht so allerhand. Allerdings braucht es eine gewisse Planung, Flexibilität und vor allem: viel Zeit und Ruhe – und ein bisschen Mut. Unserer Tochter Tamuna hat das unterwegs sein nicht sichtbar geschadet. Heute spielt sie mit dem natürlichen Stolz einer Siebenjährigen die souveräne Reisebegleitung für ihren kleinen Bruder. von Marcus Bauer Eine Wiege auf dem Fluss Der Tipp kam von einem Bekannten auf einer Hochzeits- feier: „Kanufahren ist das Allergrößte. Die Kids powern sich den ganzen Tag aus, beobachten dabei mehr oder weniger still die Natur und am Abend gibt’s Lagerfeuer-Romantik und ein kuscheliges Zelt.“ Nun waren seine Kinder schon groß, aber Kanu-Urlaub mit einer Dreijährigen? Es war die Verlockung der Stille, die es uns hat versuchen lassen. Das leichte Schaukeln des Boots ist nicht viel anders als das einer Babywippe und viel frische Luft schadet dem Kind ja keines- falls. Natürlich haben wir nicht gleich mit einer Zwei-Wo- chen-Tour begonnen. Ein geeignetes Test-Gelände für einen Wochenend-Trip liegt ja vor der Haustüre Wiens: Die Kleine Donau im nordwestlichsten Zipfel Ungarns, Malý Dunaj in der Landessprache. Wenn erst einmal die nötige Ausstattung am Bootssteg ist, ist das Hauptproblem bei Reisen mit Kin- dern auch schon gelöst. Das Kanu bietet genug Stauraum für all die unverzichtbaren Sachen wie Wechselkleider, Proviant, Campingausstattung und ausreichend Spielzeug für den Ta- 88 SANFTES REISEN Fotos: www.istockphoto.com

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Mit Kind, Kegel und Rucksack

„Wenn ihr erst mal Kinder habt, dann ist es rum mit euren ver-rückten Urlaubsideen“, habe ich mehr als einmal gehört. Im Rück-blick kann ich behaupten: Es geht so allerhand. Allerdings braucht es eine gewisse Planung, Flexibilität und vor allem: viel Zeit und Ruhe – und ein bisschen Mut. Unserer Tochter Tamuna hat das unterwegs sein nicht sichtbar geschadet. Heute spielt sie mit dem natürlichen Stolz einer Siebenjährigen die souveräne Reisebegleitung für ihren kleinen Bruder.

von Marcus Bauer

Eine Wiege auf dem FlussDer Tipp kam von einem Bekannten auf einer Hochzeits-

feier: „Kanufahren ist das Allergrößte. Die Kids powern sich den ganzen Tag aus, beobachten dabei mehr oder weniger still die Natur und am Abend gibt’s Lagerfeuer-Romantik und ein kuscheliges Zelt.“ Nun waren seine Kinder schon groß, aber Kanu-Urlaub mit einer Dreijährigen? Es war die Verlockung der Stille, die es uns hat versuchen lassen. Das leichte Schaukeln des Boots ist nicht viel anders als das einer Babywippe und viel frische Luft schadet dem Kind ja keines-

falls. Natürlich haben wir nicht gleich mit einer Zwei-Wo-chen-Tour begonnen. Ein geeignetes Test-Gelände für einen Wochenend-Trip liegt ja vor der Haustüre Wiens: Die Kleine Donau im nordwestlichsten Zipfel Ungarns, Malý Dunaj in der Landessprache. Wenn erst einmal die nötige Ausstattung am Bootssteg ist, ist das Hauptproblem bei Reisen mit Kin-dern auch schon gelöst. Das Kanu bietet genug Stauraum für all die unverzichtbaren Sachen wie Wechselkleider, Proviant, Campingausstattung und ausreichend Spielzeug für den Ta-

88 SANFTES REISENFotos: www.istockphoto.com

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gesausklang auf dem Zeltplatz. Letztlich war es – von einigen „Ruhe an Bord“-Ermahnungen abgesehen - erstaunlich ruhig im Boot. Die Natur hat den Lautstärkeregler runtergedreht: Die Blätter der Bäume am Ufer rascheln leise im Wind, Vögel fliegen zwitschernd zwischen den Ästen hin und her. Gera-de genug Bewegung, um ausführlich Eindrücke zu sammeln und sich auf die Paddel zu konzentrieren. Langsame Schnit-te, ganz anders als die schnell wechselnde Ablenkung im TV- oder beim Videospiel. Beim Zeltaufbauen am Nachmittag darf jeder mithelfen. Die Übernachtung im Freien ist Teil un-seres Abenteuers Kanu-Urlaub. Wir bauen gemeinsam unser Haus für die Nacht. Wenn es für die Erwachsenen Essen ko-chen heißt, bleibt dem Nachwuchs noch viel Zeit zum Spie-len. Das Essen schmeckt übrigens nach einem langen Tag auf dem Wasser besonders gut.

Der graue Kuno

„Kinder haben so ihre Momente: bleiben einfach stehen, haben in den unmöglichsten Situationen Hunger oder wollen einfach in die andere Richtung. Das alles kann euch mit Kuno auch passieren, ist aber eher selten“, erklärt uns Dieter, als er uns unseren Packesel vorstellt. Die sprichwörtliche Störrisch-keit haftet dem Esel als Attribut zu Unrecht an. Vielmehr wird Kuno während der Wochenendewanderung im deutsch-französischen Grenzgebiet ganz schnell unser aller Liebling. Im Schnitt schaffen wir vier Kilometer pro Stunde; ein wahr-lich kindgerechtes Tempo. Und wenn die kurzen Beine müde werden, setzen wir unsere Kleine einfach auf Kunos Rücken und marschierten in aller Ruhe weiter. Das Tragegestell zählt zur Sonderausstattung, die für junge Familien bereit steht. Keine Dauerlösung, weil das ungewohnte Sitzen und Herum-wackeln auf dem Rücken eines Esels auch den Kleinen aufs Kreuz geht. Willkommene Ruhestation für ein Nickerchen zwischendurch. „Runterschalten“ ist ein Vorteil beim Esels-wandern; dass Kuno ohne Murren unser Gepäck trägt, der zweite. Uns bleibt viel Zeit, in aller Ruhe die Wiesenblumen zu bewundern und den Vogelrufen zu lauschen. Wie einen längst vergessenen Schatz entdecken wir gemeinsam mit un-serer Tochter wieder, wie vielfältig die Natur ist, wenn man ihr nur genau und lange genug Aufmerksamkeit schenkt. Für uns Stadtmenschen hat die Wanderung mit Kuno noch einen weiteren Vorteil: Sie ermöglicht den hautnahen Kontakt mit dem Vierbeiner. Wer will schon, dass die Kinder Tiere nur aus dem Fernseher oder dem Zoo kennen?

Schaukeln in der Roulotte

„Das größte Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“, sagt das Sprichwort. Aber so richtig sattelfest sind Kleinkinder nun noch nicht. Dennoch: Man kann ja das Pferd vor einen Wagen spannen – einen Pferdewohnwagen in un-serem Fall, französisch: Roulotte. Voll ausgestattet mit Betten und Küche, war dieses Vehikel unser Lebensmittelpunkt wäh-rend einer Woche in den Vogesen. Mit unserem gutmütigen Pferd haben wir uns schnell angefreundet und die Versor-gung des Vierbeiners ist schnell erlernt. Riesige Distanzen legt man nicht zurück, pro Tag so zwischen zehn und 20km. Aber so bleibt genug Zeit für Spielpausen und Entdeckungen am Wegesrand. Unsere vierbeinige Zugmaschine vergnügt sich derweil beim gemütlichen Grasen. Übernachtet wird im Wagen und für die Körperpflege stehen auf den Bauernhö-fen und Gaststätten am Wegesrand Einrichtungen zur Ver-

fügung. Diese Basislager sind auch unsere Schnittstellen zur lokalen Bevölkerung. Wir lernen viel über das Land von den Leuten, die es tagtäglich bestellen. Von den Kindern kann man lernen, wie schnell man sich auch ohne gemeinsame Sprache verständigen kann. Während wir freundlich radebre-chen, spielen sie mit den Kindern am Hof wie mit den Jungs aus der Nachbarschaft. Wenn es am nächsten Morgen heißt: „Bereit zur Abfahrt“, lässt man lieb gewonnene Menschen zurück. Und freut sich zugleich auf die nächste Zwischen-station.

Ein Fahrrad mit vier Rädern

Im Verkehrstrubel der Stadt habe ich immer Bedenken bei der Verwendung eines Fahrradanhängers und bin extra vor-sichtig. Welcher Autofahrer rechnet schon damit, dass hin-ten am Fahrrad auch noch ein Wagerl dran hängt. Aber Wien liegt schließlich am Donauradweg und dort sind solche Pro-bleme passé. Wir entscheiden uns für die Strecke von Krems nach Wien. Das ist in einem Wochenende gut zu machen und der Ausgangspunkt ist leicht mit der Bahn erreichbar. Die Strecke ist gut beschildert und als Radweg ausgebaut. Man teilt sie sich mit anderen Radfahrern und Fußgängern. Was wir lernen mussten: eine gute Balance zwischen Fahren und Pausen finden. Während wir Erwachsenen uns körperlich betätigen, bedeutet das Fahren im Anhänger für Kinder vor allem Stillsitzen. Pausiert wird auf Picknick-Wiesen und zum Abkühlen an besonders heißen Tagen eignen sich die vielen Kirchen oder eine seichte Stelle am Flussufer. Die großen Se-henswürdigkeiten passen besser ins Nachmittags-Programm nach der Ankunft. Die Altstadt von Krems schauen wir uns gleich auf dem Weg vom Bahnhof in unser Gästezimmer an. Nach dem frühen Start am nächsten Morgen bleibt auch in Tulln genug Zeit für einen Besuch am „Regentag“-Schiff von Friedensreich Hundertwasser. Für den Nachwuchs sind ohnehin die Spielplätze am Weg die interessanteren Attrak-tionen. Aber auch dafür bleibt Zeit. Bei unter 40km Tagesdi-stanz reicht es am letzten Tag sogar noch für einen Halt am Wasserspielplatz auf der Donauinsel.