[sa|tü|r] Rhetorik und Wirtschaft

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Ausgefüllt wurde der gelungene Rah- men von interessanten, amüsanten und brisanten Vorträgen, die die Ta- gungsteilnehmer in unterschiedlichste Bereiche von Theorie und Praxis führ- ten. Einzelne Sektionen der Konferenz beschäftigten sich mit Unternehmens- praxis, Krisenkommunikation, Selbst- darstellung, Strategien des homo oe- conomicus oder Argumentation. Hier erhielten die Zuhörer unter anderem Veranstaltungszeitung der Konferenz vom 7./8. Mai 2010 in Tübingen Wie einer seinen Weg geht, ist stilprägend – gerade im Verlauf einer Tagung. Denn bei aller Zielorientierung ist es auch wichtig, die unge- planten Begebenheiten am Wegesrand wahr- zunehmen. Gerade das macht eine gute Strate- gie aus: Bei aller Planung auch Zeit zu haben – Zeit, inne zu halten, ausgie- big nachzudenken oder herzlich zu lachen. Und eine solch entspannte, weil stilsichere Haltung ist wiederum nur mög- lich, wenn die Strategie stimmt. Stilsicherheit bewiesen die diesjährigen Salz- burg-Tübinger Rhetorik- gespräche von Anfang an. Dank der professionellen Planung und Durchführung seitens des Ta- gungsteams stimmte einfach alles: Von der aufmerksamen Begrüßung mit in- dividualisierten Tagungsmappen über die Eröffnungsansprache von Prof. Knape bis hin zu schön arrangierten Kaffeepausen und einem großen Emp- fang am ersten Tagungsabend – SaTüR 2010 ist auch in diesem Jahr seinem Stil treu geblieben. auch Antworten auf die folgen- den neugierig machenden Fra- gen: Weshalb fühlte sich Armin Sieber bei seiner Ankunft in Tü- bingen in die Hubschraubersze- ne aus ‚Independence Day’ ver- setzt? Weshalb hält ein Weltkon- zern wie die Deutsche Lufthansa AG laut Axel Kleinschumacher, Leiter der internen Kommunika- tion, ganz „altmodisch“ an einer wöchentlich erscheinenden (ge- druckten) Mitarbeiterzeitung, dem ‚Lufthanseaten’, fest? Wie findet man eigentlich Vorstands- vorsitzende, wenn man, wie Mat- thias Fritton, als Headhunter un- terwegs ist? Warum ist Jan Müller, Leiter der Abteilung Communica- tions Strategy and International Coordination der Deutschen Post DHL, heute noch mehr als früher „überzeugter Rhetoriker“? Und was hat eigentlich die Orangen- limonadenflasche in Alexander Baurs „Überlegungen aus einer rechts- und rhetoriktheoretischen Perspektive“ mit Wirtschaftsethik zu tun? Neben der ausgezeichneten Konfe- renzorganisation sind es solche Über- legungen, die den Charme der Salz- burg-Tübinger Rhetorikgespräche aus- machen. Und gerade solche Fragen am Wegesrand der Strategie sind es, die richtungsweisend werden können. Am Wegesrand der Strategie Stefanie Mitschele — Universität Tübingen „Eine Strategie beschreibt ein Ziel und einen Weg“, so Armin Sieber, Leiter der Unternehmenskommunikation bei Sky Deutschland, in seinem Eröffnungsvortrag zu den Salzburg-Tübinger Rhetorikgesprächen 2010. Sowohl Praktiker als auch Wissenschaftler nehmen bei dieser Definition wohl einen Vorrang des Ziels vor dem Weg an. Ist es doch Zweck unternehmerischen Handelns, Gewinne einzufahren und Absicht der Rhetorik, andere zu überzeugen. Aber egal wie?

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Tagungszeitung zur Konferenz am 7. und 8. Mai 2010 in Tübingen

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Ausgefüllt wurde der gelungene Rah-men von interessanten, amüsanten und brisanten Vorträgen, die die Ta-gungsteilnehmer in unterschiedlichste Bereiche von Theorie und Praxis führ-ten. Einzelne Sektionen der Konferenz beschäftigten sich mit Unternehmens-praxis, Krisenkommunikation, Selbst-darstellung, Strategien des homo oe-conomicus oder Argumentation. Hier erhielten die Zuhörer unter anderem

Veranstaltungszeitung der Konferenz vom 7./8. Mai 2010 in Tübingen

Wie einer seinen Weg geht, ist stilprägend – gerade im Verlauf einer Tagung. Denn bei aller Zielorientierung ist es auch wichtig, die unge-planten Begebenheiten am Wegesrand wahr-zunehmen. Gerade das macht eine gute Strate-gie aus: Bei aller Planung auch Zeit zu haben – Zeit, inne zu halten, ausgie-big nachzudenken oder herzlich zu lachen. Und eine solch entspannte, weil stilsichere Haltung ist wiederum nur mög-lich, wenn die Strategie stimmt.Stilsicherheit bewiesen die diesjährigen Salz-burg-Tübinger Rhetorik-gespräche von Anfang an. Dank der professionellen Planung und Durchführung seitens des Ta-gungsteams stimmte einfach alles: Von der aufmerksamen Begrüßung mit in-dividualisierten Tagungsmappen über die Eröffnungsansprache von Prof. Knape bis hin zu schön arrangierten Kaffeepausen und einem großen Emp-fang am ersten Tagungsabend – SaTüR 2010 ist auch in diesem Jahr seinem Stil treu geblieben.

auch Antworten auf die folgen-den neugierig machenden Fra-gen: Weshalb fühlte sich Armin Sieber bei seiner Ankunft in Tü-bingen in die Hubschraubersze-ne aus ‚Independence Day’ ver-setzt? Weshalb hält ein Weltkon-zern wie die Deutsche Lufthansa AG laut Axel Kleinschumacher, Leiter der internen Kommunika-tion, ganz „altmodisch“ an einer wöchentlich erscheinenden (ge-druckten) Mitarbeiterzeitung, dem ‚Lufthanseaten’, fest? Wie findet man eigentlich Vorstands-vorsitzende, wenn man, wie Mat-thias Fritton, als Headhunter un-terwegs ist? Warum ist Jan Müller, Leiter der Abteilung Communica-tions Strategy and International Coordination der Deutschen Post DHL, heute noch mehr als früher „überzeugter Rhetoriker“? Und was hat eigentlich die Orangen-

limonadenflasche in Alexander Baurs „Überlegungen aus einer rechts- und rhetoriktheoretischen Perspektive“ mit Wirtschaftsethik zu tun?Neben der ausgezeichneten Konfe-renzorganisation sind es solche Über-legungen, die den Charme der Salz-burg-Tübinger Rhetorikgespräche aus-machen. Und gerade solche Fragen am Wegesrand der Strategie sind es, die richtungsweisend werden können.

Am Wegesrand der StrategieStefanie Mitschele — Universität Tübingen

„Eine Strategie beschreibt ein Ziel und einen Weg“, so Armin Sieber, Leiter der Unternehmenskommunikation bei Sky Deutschland, in seinem Eröffnungsvortrag zu den Salzburg-Tübinger Rhetorikgesprächen 2010. Sowohl Praktiker als auch Wissenschaftler nehmen bei dieser Definition wohl einen Vorrang des Ziels vor dem Weg an. Ist es doch Zweck unternehmerischen Handelns, Gewinne einzufahren und Absicht der Rhetorik, andere zu überzeugen. Aber egal wie?

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Als Unternehmenssprecher stehen wir in der Öffentlichkeit und beantworten die Fragen von Journalisten. Dabei versuchen wir aktiv Themen zu setzen, um

ein bestimmtes Image zu schaffen und eine positive Reputation aufzubauen. Ein wichtiges Instrument sind Veranstaltungen wie Pressegespräche und Produktvor-führungen.Ein Beispiel: Ein wichtiges Thema für uns ist High Defi-nition Fernsehen (HD), wofür es ein riesiges Marktpo-tenzial von 16,8 Millionen HD-fähigen Fernsehern in Deutschland und Österreich gibt, aber kaum Zuschauer, die das bisher nutzen. Daher veranstalten wir eine Reihe von Events, wozu wir Meinungsbildner und Journalisten einladen, um das HD-Fernseherlebnis zu vermitteln.

Man muss erst mal ein Fußballspiel in HD gesehen haben, sonst kommt man nicht auf die Idee, dass man dieses TV Erlebnis auch zu Hause haben will. Durch Events versuchen wir, genau solche Produkterlebnisse zu schaffen.

Herrschaft über die BotschaftenInterview mit Dr. Armin Sieber

Alle sprechen von Strategie, viele glauben eine zu haben. Der Begriff aber ist unscharf. Für Dr. Armin Sieber, den Leiter der Un-ternehmenskommunikation beim Fernsehsender Sky Deutschland, formuliert eine Strategie ein Ziel und einen Weg, woraus sich taktische und operationale Maßnahmen ableiten lassen. Was seine kommunikative Strategie impliziert und was er sich von der Wissenschaft Rhetorik wünscht, verriet er uns im Rahmen der SaTüR-Tagung 2010 bei einem Interview.

Herr Dr. Sieber, wie tragen Sie zu ei-nem erfolgreichen Außenauftritt von Sky Deutschland bei?

Der Begriff Pay TV ist negativ konno-tiert, Sie führen einen Kampf ums Hei-ßen. Wie verändert man ein Image?

Man muss zunächst die Kontrolle über die Botschaften haben. Dazu muss ich genau wissen, was ich überhaupt sagen will. Viele nehmen uns als Fußballsender wahr, Sky ist aber viel mehr. Wir haben uns daher entschlossen, das gesamte TV-Erlebnis in den Vordergrund zu stellen. Wir haben sehr viele exklusive Über-tragungsrechte beim Sport, aber eben auch sehr viele exklusive Filmrechte. Wir wollten die Marke Sky bewusst breiter aufstellen. Wichtig ist es, ein einheitliches Botschaften-Setting aufzubauen und es dann konsequent zu transportieren.

Welche Rolle spielt dabei der Sprecher des Vorstands (CEO) und welche kommunikativen Anforderungen muss er erfüllen?

Der CEO vertritt das Unternehmen nach außen. Mit seiner Persönlichkeit gibt er eine wichtige Visitenkarte für das Unternehmen ab. Daher versuchen wir, das Bild des CEO langfristig und konsequent aufzubauen und zu gestalten. Auch hier gilt die Herrschaft über die Botschaften. Der CEO muss konsistent bleiben, muss dabei sympathisch, glaubwürdig und innovativ erscheinen. Er ist der Mann, dem die Anleger ihr Kapital geben und dem die Kunden das Vertrauen schenken. Er ist ein wichtiger Gestalter der Unternehmensreputation – aber nicht der einzige. Die Reputation wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst – von der Kun-denkommunikation, der Mitarbeiterkommunikation, bis zu den Investor Rela-tions. Das Botschaften-Setting muss aber einheitlich bleiben. Daher sprechen wir bei Reputationsmanagement von 360-Grad-Kommunikation.

Mit welcher kommunikativen Strategie begegnen Sie den Herausforderungen des Web 2.0?

Das steckt bei uns leider noch in den Kinderschuhen. Ich halte die Präsenz von Unternehmen auf bestimmten Realtime-Socialmedia-Plattformen wie Twitter für wichtig. Und auch der Company Blog kann zu einem wichtigen Instrument der Regelkommunikation werden. Hier haben wir noch einiges zu tun. Weniger inte-ressant für die Unternehmenskommunikation halte ich Facebook oder Youtube. Diese Plattformen eignen sich eher für Marketing oder CRM.

Für die betriebswirtschaftlichen As-pekte stehen einem Unternehmen Planungsinstrumente zur Verfügung. Warum fällt der Bereich Kommunikati-on dahinter so stark zurück?

Der Geschäftserfolg lässt sich relativ eindeutig messen, aber die Währung, in der wir Kommunikationsergebnisse messen können, ist unscharf. Eine Referenzwäh-rung ist die Anzahl der Clippings, also der Ausschnitte aus Zeitungen. Aber was sagt das schon aus? Die Dicke des Clipping-Booklets ist keine valide Währung für den Erfolg der Unternehmenskommunikation, da es nichts über den Impact aussagt, über die Qualität der Botschaften und des Umfeldes, in dem der Arti-

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kel steht, oder was davon tatsächlich auch gelesen wurde. Wir brauchen eine Währung, die eine Brücke schlägt zwischen Kommunikationsoutput und dem, was davon bei den Adressaten ankommt. Solche Instrumente gibt es. Dabei wird versucht zu messen, wie sich die Reputation der Marke bei verschiedenen Zielgruppen verändert und welchen Einfluss die mediale Kommunikation darauf hat. Es ist nur unglaublich kompliziert und teuer, dies dann auch zu operationa-lisieren. Am Ende des Jahres sehe ich die Höhe der Reputation und wie sie sich verändert hat, das liefert mir aber kaum taktische Handlungsorientierung. Für die taktische Operationalisierbarkeit müsste ich das wöchentlich machen, das ist aber nicht leistbar.

Sie spielen auf der Klaviatur des rheto-rischen Instrumentariums. Was wün-schen Sie sich von der Forschung im Hinblick auf praktischen Nutzen und Anwendbarkeit?

Im Bereich des Kommunikations-Controllings erwarte ich mir von der Rhetorik gar nichts. Dabei geht es um Medienwirkungs- und Zielgruppenforschung, so-wie um Analyseinstrumente öffentlicher Meinung – das ist nicht das Proprium der Rhetorik. Ich glaube aber, dass uns schon mal sehr geholfen wäre, wenn wir einen vernünftigen Strategiebegriff hätten. Es gibt vor allem keinen operationa-lisierbaren Strategiebegriff, den man auch didaktisch einsetzen könnte, etwa in der Ausbildung des Nachwuchses. Ein weiterer Punkt wäre das Herausarbeiten von Strategemen: Ich glaube, dass es vereinheitlichbare Strategiebausteine für die Unternehmenskommunikation gibt, die ich standardisiert einsetzen kann. Die Frage lautet, wie könnten diese aussehen, so dass ich sie praktisch nutzen kann?

Das Interview führte Daniel Pischon, Universität Tübingen.

Dr. Armin Sieber studierte in Bamberg und Tübingen Germanistik, Kommunikationswissenschaften und Allgemeine Rhetorik und schloss mit einer Promotion im Fach Allgemeine Rhetorik ab. Neben Lehraufträgen in Tübingen und Zürich bekleidet er seit über 15 Jahren ver-schiedene Positionen in Beratungsunternehmen, unter anderem in der Leitung der Business Unit „Strategy Consulting“ des Beratungsun-ternehmens Pleon. Seit November 2009 ist Dr. Armin Sieber als „Director Corporate Communications“ für Sky Deutschland tätig.

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Der sprechende und handelnde Ange-stellte ist ein überaus einflussreicher Faktor der Öffentlichkeitsarbeit. In ihm verkörpert sich die Unternehmenskul-tur und durch ihn lebt sie dynamisch fort. Menschen, die tagtäglich am Te-lefon oder direkt mit potenziellen Kun-den oder Bekannten in Kontakt treten, müssen die Werte und die Perspekti-ven des Unternehmens verinnerlichen und in dessen Vermittlung rhetorisch geschult werden. Nur so kann in Kon-gruenz mit dem Cross-Media-Publi-shing eine einheitliche, konsistente und glaubwürdige Imageprofilierung erreicht werden. Das ist keine leichte Unternehmung, denn bei der Imageprofilierung spie-len viele Faktoren, wie Analyse, Pla-nung, Organisation, Durchführung und Kontrolle der gesamten internen und externen Kommunikation, eine Rolle. Für kleinere Unternehmen eben-so wie für große Konzerne ist es kaum noch möglich, sich allein über den Ein-satz von Produkt- und Preispolitik von der Konkurrenz abzuheben. Die Ver-bindung betriebswirtschaftlicher und rhetorischer Alleinstellungsmerkma-le ist daher essenziell, um langfristig Wettbewerbsvorteile zu generieren. Dass dieser Konnex wichtiger ist als jemals zuvor, zeigt auch eine neuere Untersuchung der Harvard Business School (R. Kaplan: Strategy maps. Con-verting intangible assets into tangible outcomes. Boston 2006).In den Beratungsgesprächen der aca-meo GbR wird folglich die Differenz von Strategie und Operation betont, um das Bewusstsein für den Makrokos-mos der Imagekonstruktion zu schaf-fen. Für die Bildung der Firmenkultur wie für die Systematisierung und Koor-dination von kommunikativen Hand-lungen sind drei Aspekte relevant: Aus-gehend vom kommunikativen status quo des Unternehmens sind dies ers-tens topische Überlegungen, zweitens

Analysen von vorherrschenden Mei-nungen und drittens die Antizipation der Reaktionen und Handlungen der Zielgruppe auf der Basis semiotischer Erkenntnisse. Erst danach können ein-zelne operative Elemente (Internetauf-tritt, Verkaufs- und Verhandlungstakti-ken, Publishing aller Art) ausgearbeitet werden. Das Vorhaben, effiziente Imagepolitik zu betreiben, hängt auch wesentlich vom Controlling der Kommunikations-maßnahmen ab. Inzwischen gibt es eta-blierte Methoden, die situationsspezi-fisch angewendet werden können. Die acameo GbR bietet beispielsweise ein Webanalysetool, das es dem Kunden ermöglicht, die Nutzerbewegung auf den Webseiten nachzuvollziehen. Wei-tere Analysemethoden ermöglichen darüber hinaus die Ermittlung von Imagewerten, Einsparpotenzialen und Erweiterungsmöglichkeiten, sowie die Klassifizierung angesetzter Kommuni-kationsmaßnahmen.Eine gute Kommunikationsberatung schafft die richtigen Rahmenbedin-gungen für die Strategie und bietet angemessene Lösungen für die Nut-zung der finanziellen wie personellen Ressourcen. Innovative Kommunika-tionsberater feilen an der Unterneh-menskultur, stimmen die Kommuni-kationsinstrumente, evaluieren die Produktions- und Rezeptionsprozesse und sorgen so für den nachhaltigen Imagegewinn.

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acameo GbR – Agentur für Kommuni-kationsberatung (www.acameo.de). Die Gesellschafter Frank Duerr und Christian Roppelt entwerfen Strategien und Opera-tionen der Selbstdarstellung von Instituti-onen, Unternehmen und Organisationen. Beide sind 1. Sieger des NewBizCup 2009 der IHK+Campus Start-up und 2. Sieger des Studium Professionale 2009 der Uni-versität Tübingen.

Nachhaltiger Imagegewinn durch strategische Kommunikationsberatung

Christian Roppelt und Frank Duerr — Universität Tübingen

„Wir sind schnell, innovativ und effizient,“ verspricht der Marketingmanager. Der Vertriebsleiter verweist dagegen auf eine konservative Sonderlösung, die auf-grund der hohen Ansprüche ihre Zeit braucht. Durch nur zwei Kundenkontakte würde dieses Unternehmen enorm an Glaubwürdigkeit verlieren, da die Bot-schaft der beiden Mitarbeiter kein einheitliches Unternehmensbild zeichnet.

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Logistik ist lebenswichtig für die Infrastruktur unserer globali sier ten Wirtschaft, schließlich wird fast ein Drittel aller weltweit hergestellten Waren exportiert. So viel Mobilität hat Auswirkungen auf die Umwelt. Im Jahr 2000 erzeugte der Transportsektor (einschließlich privaten Transports, Autover-kehr, Fluglinien etc.) 14 Prozent aller weltweiten Treibhausgase, der Hauptursache des Klimawandels. Damit trägt die moderne Logistik nicht nur Verantwortung für Kunden und Mitarbeiter, sondern auch für die Umwelt.

Als größter Logistiker und Marktführer in vielen Segmenten sind wir mit rund einer halben Million Beschäftigten in über 220 Ländern aktiv. Mit unseren Fahr- und Flugzeugen tragen wir – wie andere Logistiker und Millionen Privatautos auch – zum Treibhauseffekt und zur Erderwärmung bei. Doch dank unserer Größe können wir etwas bewirken. Und das wollen wir auch: Nämlich die Nr. 1 auch beim Thema Nach-haltigkeit sein. Deshalb wollen wir den CO2-Ausstoß für jeden zugestellten Brief, jedes versendete Päckchen, jeden verschiff-ten Container und jeden Quadratmeter Betriebsgebäude bis 2020 um 30 Prozent senken.

Unser wachsendes Angebot an umweltfreund lichen Dienst-leistungen unterstreicht unser Bemühen um klimafreundliches Wachstum. Mit Hilfe modernster Technologien entwickeln wir kreative Lösungen, die Transporte energieeffizienter und unser gesamtes Geschäft umwelt freundlicher machen.

Ein gutes Beispiel ist unser neues europäisches Luftfahrtdreh-kreuz in Leipzig. Dort statten wir ca. 1.000 m2 Dachfläche mit Solarzellen zur Stromerzeugung aus. Hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplung deckt unseren gesamten Bedarf an Strom, Heizung und Kühlung. Damit senken wir den CO2-Ausstoß um mehr als 3.000 Tonnen im Vergleich zu konventionellen Technologien. Außerdem sammeln wir Regenwasser für die Reinigung unserer Flugzeuge, wozu sonst 3.000 m3 Trink wasser nötig wären.

Ausgewogenheit und Augenmaß – das muss moderne Logistik auszeichnen, will sie ihrer Verantwortung für Kunden, Mitarbeiter und Umwelt gerecht werden. Wir schonen Ressourcen und bekennen uns zum Klimaschutz. Mehr Informationen finden Sie unter www.gogreen.de.

WIR HALTEN DINGE IN BEWEGUNG UND ACHTEN DABEI AUF DIE UMWELT: DAS VERSTEHEN WIR UNTER GOGREEN.

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Ein Universitätsstudium kann und soll ja nur sehr begrenzt auf das Berufsleben vorbereiten. Ich habe aber dennoch gemerkt, dass man speziell als Rhetorikabsolvent besser auf viele Anforde-rungen des Berufslebens vorbereitet ist als manch anderer. Im Management geht es darum, Dinge auf den Punkt zu bringen, Alternativen zu durch-denken, zu argumentieren — letztlich darum, unter Bedingungen von Unsicherheit und trotz widersprüchlicher Interessen sinnvolle Entschei-dungen herbeizuführen und diese glaubwürdig zu vertreten.

Minderwertigkeitskomplexe sind völlig fehl am Platz Interview mit Jan Müller

Jan Müller, 40, studierte 1994 bis 1998 in Tübingen Allgemeine Rhetorik und Philosophie. Nach seinem Magisterabschluss ar-beitete er als Redenschreiber und Wahlkampfstratege im Planungsstab der Bundesgeschäftsstelle der CDU. 2003 wechselte er zum Luft- und Raumfahrtkonzern EADS, wo er unter anderem als Redenschreiber für den CEO und in der Unternehmens-kommunikation tätig war. Seit 2010 leitet er die Abteilung für Kommunikationsstrategie und internationale Koordination der Unternehmenskommunikation bei Deutsche Post DHL in Bonn.

Wie gut haben Sie sich als studierter Rhetoriker und Geisteswissenschaftler auf die Anforderungen des beruflichen Alltags vorbereitet gefühlt?

Wie beurteilen Sie die Umstellung des Studiums von Geisteswissenschaften auf das Bachelor/Master-System? Braucht man in Ihrem Unternehmen Bachelor-Absolventen?

Ich schließe mich der Einschätzung an, dass das eine absurde Entwicklung ist. Zwar halte ich es für sinnvoll, ein Studium konzentriert und zügig durchzuzie-hen, und die Bemühungen in diese Richtung begrüße ich auch sehr. Jedoch liegt der Wert eines geisteswissenschaftlichen Studiums ja gerade darin, den Dingen jenseits von Verwertungszwängen auf den Grund zu gehen. In den Unterneh-men, in denen ich gearbeitet habe, habe ich keinen Bedarf an Bachelor-Absol-venten erlebt.

Erkennen Sie, dass sich durch spezielle Fähigkeiten, die das geisteswissen-schaftliche Studium vermittelt, beson-dere Chancen im Berufsleben ergeben?

Ganz eindeutig! Geisteswissenschaftler lernen, ganzheitlich zu denken, Alterna-tiven herauszuarbeiten, Geltungsansprüche zu hinterfragen und vor allem, mit Deutung und Interpretation umzugehen. Man muss diese Stärken zu nutzen wis-sen und darf keine Angst haben, sich dem Wettbewerb zu stellen. Minderwertig-keitskomplexe gegenüber anderen Disziplinen sind völlig fehl am Platz.

Was raten Sie Rhetorik-Studenten, um sich möglichst schnell im Arbeitsleben zurechtzufinden und erfolgreich zu sein?

Erstens: Die Klassiker lesen und verstehen — Gorgias, Aristoteles, Cicero insbe-sondere. Denn das heißt, die Grundlagen sprachlich-gesellschaftlicher Kommu-nikation zu verstehen. Zweitens: Auch wenn es banal ist: Viele Praktika machen, nach Möglichkeit in Dax-Unternehmen oder führenden Medienhäusern und dabei die Nähe von Ent-scheidungsführern suchen — sozusagen Stehlen mit Augen und Ohren.

Sie sprachen in ihrem Vortrag von einer Re-Rhetorisierung der Unterneh-menskommunikation. Welche Rolle spielt Persuasion als rhetorisches Kern-element in Ihrer Arbeit? Warum setzt man zunehmend auf eine gute Repu-tation als Nachhaltigkeitsprinzip?

Der Meinungsmarkt ist heute genau so wichtig wie der Produktmarkt. Gute Reputation hilft, Krisen zu managen und dauerhaften wirtschaftlichen Schaden abzuwenden. Sie erhöht also die Widerstandsfähigkeit des Unternehmens. Mei-nungsführerschaft lässt sich nur erzielen, wenn Unternehmen ihren Leistungs-beitrag überzeugend darlegen. Persuasion gelingt heute nur noch mit einem dialogisch orientierten Ansatz.

Das Interview führte Lorenz Brockmann, Universität Tübingen.

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Ob es eigener Verdienst war, der Frit-ton zu seiner ersten Anstellung verhalf, oder Glück, vermag er selbst nicht zu sagen – Strategie war es jedenfalls nicht. Noch vor seiner Promotion hatte er zusammen mit namhaften Autoren in einem Sammelband einen Artikel

zum Thema „Politische Rhetorik“ pub-liziert. Am Abend der Buchvorstellung kam der damalige Bundeskanzler Hel-mut Kohl auf ihn zu und bot ihm eine Stelle als Redenschreiber im Bundes-kanzleramt an. Bald folgten Positionen als Referatsleiter für Strategie- und Kommunikationsaufgaben in unter-schiedlichen Bundesministerien. 1998 wurde Fritton Kommunikationschef in der KfW Bankengruppe, 2006 in der Dresdner Bank AG.Vom idealen Kommunikationschef hat Fritton genaue Vorstellungen entwi-ckelt: Er sollte der engste Berater des Vorstandsvorsitzenden (Chief Execu-tive Officer / CEO) sein. Dabei weiß Fritton aus eigener Erfahrung: „Wenn die Chemie mit dem Chef stimmt, lässt

sich vieles durchsetzen.“ Was den CEO umtreibt, muss auch den Kommuni-kationschef angehen: Er muss mit un-terschiedlichen Interessensvertretern umgehen können, er sollte sich mit Megatrends auskennen und Projekte kulturellen Engagements voranbrin-gen, die eine möglichst hohe Resonanz erzeugen. Der heutige Kommunikati-onschef sollte, wie Fritton empfiehlt, im Unternehmen als Teil des Manage-ments angesehen sein. Darin sieht er die wichtigste Veränderung des Anfor-derungsprofils in den letzten Jahren. Der Kommunikationschef, so Fritton, muss interne Überzeugungsarbeit leis-ten und die Geschäftsstrategie für das gesamte Unternehmen adäquat über-setzen.Seit 2008 betrachtet Fritton den Kom-munikationschef aus einer anderen Perspektive. Was ihn zu dem Wechsel bewogen hat? „Mich hat die Heraus-forderung gereizt, nach rund 20 Jah-ren im Berufsleben etwas völlig Neues anzufangen“, erklärt Fritton. „Da wir bei Egon Zehnder International im Bereich des Top-Managements arbei-ten, stellen die hohen Ansprüche der Persönlichkeiten, mit denen ich zu tun habe, ständig neue Anforderungen an mich.“ Besonders interessant findet er es, täglich mit hervorragenden Leu-ten in Kontakt zu kommen und dabei jeder individuellen Persönlichkeit mit seiner Einschätzung im Personalaus-wahlverfahren gerecht zu werden. Die Rhetorik ist dabei Frittons ständiger Begleiter geblieben: „Die Unterschei-dung zwischen guter und schlechter Rhetorik, die Kunst des Zuhörens und die Fähigkeit, Leute gut einschätzen zu können — diese auf der Theorie der Rhetorik basierenden Fähigkeiten sind mir nahezu an jedem Arbeitstag prä-sent und waren mir stets eine wichtige Hilfestellung.“

Stratege und Übersetzer: Dr. Matthias Fritton über das Berufsbild Kommunikationschef

Patricia Scheurle — Universität Tübingen

Gesucht: Stratege und Kommunikationschef in einer Person. Dr. Matthias Frit-ton, promovierter Tübinger Rhetoriker, weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig strategisches Handeln für das Berufsfeld des Kommunikationschefs ist: Er war jahrelang selbst in dieser Position tätig. Heute sucht er als Personalberater bei Egon Zehnder International Kommunikationschefs und beschäftigt sich mit de-ren Profilen. Dabei spielt die Rhetorik seines Erachtens eine wesentliche Rolle.

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„Der Kläger hielt sich am 23.6.2001 in dem von der Beklagten betriebenen Verbrauchermarkt […] auf, um dort einzukaufen. Als er sich im Bereich der offen gelagerten Erfrischungsge-tränke orientieren wollte, explodierte eine Limonadenflasche (Mehrwegfla-sche, sog. Brunnen-Einheitsflasche), wodurch er erheblich verletzt wurde.“ (Urteil abgedruckt in: NJW 2007, 762) Schadenersatz für den Kläger gab es keinen. Die Begründung lautete in groben Zügen: Es gibt schon jeman-den, der dafür verantwortlich ist, dass Limonadenflaschen nicht explodieren. Nur es wäre ökonomisch nicht so recht vernünftig (also schlichtweg zu teuer), ihn rechtsverantwortlich Sorge tra-gen zu lassen dafür, dass jede einzel-ne Limonadenflasche zu einhundert Prozent sicher ist. Da hätten Sie dann einfach Pech gehabt: Kein Schmer-zensgeld, keine Heilbehandlungskos-ten. Sie dürften sich übrigens bei der Ökonomischen Analyse des Rechts be-danken: Gerecht ist, was ökonomisch sinnvoll ist.

Wie steht es um das Verhältnis von Ökonomie und Recht? Welchen Ein-fluss übt ökonomisches Denken auf das Recht und unser Verständnis von Gerechtigkeit allgemein aus und um-gekehrt? Und was hat die Rhetorik-theorie damit zu tun? Spätestens seit den großen Wirtschaftsstrafverfahren gegen namhafte deutsche Unterneh-men stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Ökonomie und Recht bzw. von Ökonomie und Ethik in pre-kärer Weise nicht mehr nur theoretisch. Compliance als rechtstreues Verhalten von Unternehmen und Konzernen ist keineswegs länger nur ein juristisches Problem für ambitionierte Rechtsdog-matiker und Kriminologen, sondern wird zunehmend zur ganz praktischen ökonomischen Herausforderung. Das

wirkungsorientierte Hineinkommuni-zieren äußerer (juristischer) Normen ins ökonomische Handlungssystem könnte eine strategische Antwort auf diese praktische Herausforderung sein; oder mit anderen Worten formuliert: Compliance zeigt sich als ökonomisch notwendiger rhetorischer Kommuni-kationsprozess.

Was ist also Compliance? Wie können wirksame Complianceprogramme kon-zipiert und implementiert werden? Und was hat die Unternehmenskommu-nikation als rhetorische Praxis damit zu tun? Als Absolventen der Tübinger Rhetorik erfüllt es mich immer wieder aufs Neue mit Stolz und gleichzeitig mit staunender Verwunderung, dass unsere „alte“ Disziplin um Antworten auf solch drängend moderne theoreti-sche Fragen und praktische Probleme nicht verlegen sein muss — und es dank der SaTüR auch nicht ist.

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Alexander Baur, dipl. jur., M.A. studierte Allgemeine Rhetorik, Rechtswissenschaf-ten und Psychologie an den Universitä-ten Tübingen und Konstanz sowie an der Universidad Católica Argentina / Buenos Aires. Seit 2008 ist er Akademischer Mit-arbeiter an den Universitäten Tübingen und Konstanz, seit 2009 Lehrbeauftrag-ter am Seminar für Allgemeine Rhetorik. Sein Forschungsinteresse gilt neben der Rechtsrhetorik dem Thema „Compliance“ als interdisziplinärem Schnittfeld von Wirtschaftsstrafrecht, Kriminologie, Orga-nisationspsychologie und Unternehmens-kommunikation.

Einmal Limonade und einmal Compliance für den Homo Oeconomicus

Alexander Baur — Universität Tübingen

Stellen Sie sich einen sonnigen und warmen Frühlingstag im Mai vor, wie ihn die diesjährigen SaTüR leider nicht so recht liefern wollten. Den hätten Sie sich nach einer anstrengenden Tagung vielleicht mit einer erfrischenden Limonade krönen wollen. Es hätte Ihnen dann möglicherweise so gehen können wie ei-nem Kläger vor dem deutschen Bundesgerichtshof.

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„Zu Hülfe, zu Hülfe, sonst bin ich verlo-ren“, Mozarts „Zauberflöte“ beginnt mit einem Hilferuf Taminos, der vor „der lis-tigen Schlange“ flüchtet. Die Symbolik ist deutlich: Im Reich der Dunkelheit und des Bösen herrscht die List. Mo-zarts Kritik schlägt in die gleiche Kerbe wie Kant, der beinah zeitgleich Rheto-rik mit List und Täuschung assoziiert, sie versuche, den Zuhörern „die Frei-heit zu benehmen“. Wer die heutige rhetorische Ratgeber-literatur oder auch den Seminarkalen-der der FAZ oder des Manager Maga-zins anschaut, wird eine reiche Zahl von Kursen und Ratgebern finden, die sich manipulativen Techniken, Takti-ken und Strategien annehmen. Die List scheint Konjunktur zu haben. Warum ist das so? Was ist davon rhetorisch zu halten? Haben die Kurse und Ratge-ber zur „schwarzen“ oder „verbotenen“ Rhetorik überhaupt etwas mit Rhetorik zu tun?Arthur Schopenhauers „Eristik“ erklärt das Bedürfnis nach manipulativen Ar-gumentationstechniken aus der „ange-borenen Eitelkeit“ und „Unredlichkeit“ des Menschen. Wenn wir einmal eine bestimmte Position eingenommen haben, wollen wir Recht behalten, ver-teidigen uns wider besseren Wissens, so Schopenhauer. Seine 38 Kunstgriffe fallen in die drei Klassen der logischen, affektiven und linguistischen Operatio-nen, indem sie beispielsweise sprachli-che Ambiguitäten ausnutzen. Schopenhauers Kunstgriffe sind ver-breitet, in jeder Besprechung wird man sie finden, freilich gar nicht immer aus böser Absicht, sondern weil wir uns mit unseren eigenen Einschätzungen identifizieren, diese verteidigen; weil unsere gedanklichen Operationen eben nicht im Stil von Syllogismen verlaufen, wir sprachlich immer der Ambiguität ausgesetzt sind, nicht im-mer in klaren Begriffen denken. Selbst die Emotionalisierungen sind nicht zwangsläufig zu verurteilen, weil uns Argumente affektiv betreffen, wir auf sie emotional reagieren. Gloria Becks „Verbotene Rhetorik“, einer der erfolgreichsten Rhetorik-Ratgeber der letzten Zeit, greift Erkenntnisse der

Sozial- und Persönlichkeitspsycholo-gie und der Kognitionsforschung auf, sie befasst sich mit Impression Ma-nagement, Kontrasttechnik und Rezi-prozität. Dass ein Redner, der um die Wahrnehmungsweise seiner Zuhörer weiß, aber grundsätzlich ethisch be-denklich handelt, ein „Ethikbarometer“ benötigt, wie sie das vorschlägt, lässt sich kaum nachvollziehen. Viele „Knif-fe“ der verbotenen Rhe-torik beruhen schlicht auf Prinzipien unserer Wahrnehmung und Ko-gnition, um die ein Red-ner wissen sollte. Für Karsten Bredemei-er, Autor eines anderen verbreiteten Ratgebers, ist „Schwarze Rhetorik“ „die manipulative Mög-lichkeit, […] nicht nur das Gespräch zu führen, sondern es zielorien-tiert in die gewünsch-ten Bahnen zu lenken und gleichzeitig den Gesprächspart-ner oder das Publikum zu dem inten-dierten Ergebnis zu führen“. Wo liegt hier die Verwerflichkeit, darf man sich fragen, ein Redner, der strategisch vor-geht, die Wirkung seiner kommunika-tiven Züge kalkuliert, ist schließlich kaum zu verurteilen.Da scheint die durch von Senger po-pularisierte chinesische Strategieleh-re eine Stufe weiter, die begrifflich nicht zwischen Weisheit, Klugheit und Strategem trennt, für die das Chinesi-sche ein einheitliches Schriftzeichen verwendet. Hier findet sich eine ganz andere Einordnung des Strategen, der eher als ein kompetenter, kluger Vertreter seiner Interessen wahrge-nommen wird. Auch die fernöstlichen Strategeme lassen sich übrigens als rhetorische Prinzipien fassen, es geht hier um Simulation und Dissimulation oder schlicht um das Treffen des rich-tigen Moments. Allerdings kommen diese rhetorischen Techniken sprach-lich fremdartig und daher faszinierend daher. Strategem Nr. 9 beschreibt das Warten auf den richtigen Moment, indem es rät, „unbeteiligt die Feuer-

brunst am gegenüberliegenden Ufer“ zu beobachten.Die chinesischen Strategeme führen die Debatte um verbotene Rhetorik auf eine neue Stufe, indem sie nicht Listigkeit an sich verurteilen. Es ist eben analytischer Scharfsinn nötig, Analysefähigkeit, Kreativität, um sein rhetorisches Ziel zu erreichen, das lehrte schließlich schon Quintilian den

Gerichtsredner, auch Odysseus, der Lis-tenreiche, ist seit jeher Bezugsfigur der Rhetorik. Die Grenze zur verbotenen Rhetorik überschreitet aber, wer das Rationalitätsprinzip untergräbt, gegen grundlegende Anforderungen ratio-naler Verständigung verstößt, wie sie etwa die Griceschen Maximen definie-ren. Die Analysefähigkeit zu trainieren, die Fähigkeit strategisch zu denken und zu urteilen, sollte hingegen ein zentrales Ziel einer guten Rhetorikaus-bildung sein und führt viel weiter als die vermeintlichen Tipps und Tricks der „verbotenen Rhetorik“.

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Dr. Olaf Kramer – akademischer Rat am Seminar für Allgemeine Rhetorik. Studi-um der Rhetorik, Philosophie, Psychologie und dt. Literaturwissenschaft in Tübingen, Frankfurt am Main und Chapel Hill. Veran-staltung von Rhetorik-Weiterbildungen für Verbände und Unternehmen. Promotion 2008 mit einer Arbeit über Goethes Be-deutung in der Rhetorikgeschichte. Derzeit Arbeit an mehreren Rhetorik-Forschungs-projekten.

„Verbotene Rhetorik“Olaf Kramer — Universität Tübingen

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Es gibt, wie man weiß, eine metaphy-sische Grundfrage. Diese wirft auf, wer das scheinbar Selbstverständlichste und Unabänderliche zur Disposition stellen möchte: Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts? Im Lichte dieser Frage nimmt sich die Phä-nomenalität des Seins plötzlich wie

ein Überraschendes aus. Ist es nicht ein Wunder, dass es dies alles gibt? Zugleich die Beklommenheit darüber, was wäre, wenn nichts wäre. So tau-melt man, beglückt sich am Seienden haltend, durch die Fragwürdigkeit des Seins überhaupt. Was dem Metaphysi-ker ein Exerzitium grundlosen Fragens ist, kann den Rhetoriker vor die Legiti-mation seiner Fertigkeit stellen. Denn es gibt auch die rhetorische Grund-frage: Warum überhaupt Rhetorik und nicht nur Dialektik? Diese stellte schon Aristoteles zu Beginn seiner denkwür-digen Rhetorikschrift – und kommt da-bei zu einer, gelinde gesagt, kritischen Prüfung des sich bis dahin schon be-trächtlich akkumulierten Arsenals der rhetorischen Trickkiste. Affekte, so heißt es da mit strengem Ton und er-hobenem Zeigefinger, Affekte trüben das Urteil des Richters. Der Richter aber soll ja sachliche Entscheidungen tref-fen. Würde man etwa die Wasserwaage demolieren, mit der man ein Regal ins Lot stellen will? Das wäre doch töricht!

Ebenso töricht wäre es, wenn die ge-rechte Entscheidung durch solche rhe-torisch induzierte Eintrübung verun-klärt würde. Man darf überhaupt nicht über die Quantität oder die Qualität als Prozesspartei vortragen, sondern nur über das Faktum. Die Wertung obliegt allein dem Richter, nicht dem Parteii-

schen. Das mochte schon dem an-tiken Leser reichlich wirklichkeits-fremd erscheinen. Denn was einem Athener sich täglich vor Gericht darbot, das zeugte von Zuversicht in die Wirkung des Inventars der rhetorischen Trickkiste und schien sich mit solcher Wirkung auch schon zu legitimieren. Aber gute Gerichtshöfe, so Aristoteles, die-sem Einwand zuvorkommend, er-lauben nicht, außerhalb der Sache zu reden. Und außerhalb der Sache ist alles, was nicht als Enthymem daherkommt: Zorn und Mitleid, Verleumdung und überhaupt das ganze Drumherumreden: Exordi-um und Peroratio tun doch nichts zur Sache! Auf dem ehrwürdigen Areopag schritt der Herold ein, wenn ein Redner sich erdreisten

sollte, derart abzuschweifen. Der Red-ner Lykurg stimmt in dieses Lob ein, wenn er — in einem Areopags-Verfah-ren — sagt, dass selbst die Verurteilten vor diesem Gericht zugäben, dass alle Urteile gerecht gefällt würden. Lukian sekundiert ihm Jahrhunderte später, dass die Sachversessenheit so weit ging, dass man bei den nur nächtlich anberaumten Gerichtsterminen auch das Licht ausknipste, damit man sich vom Auftreten des Redners nicht täu-schen lassen könnte, sondern nur auf die Worte achtete. Imagekampagnen also sollten hier nichts trüben können. In seiner Not gegenüber der Macht des Faktischen hat sich der Philosoph selbst eines unlauteren Mittels bedient – gemäß dem Freibrief des Quintilian, dass man vom falschen Weg nicht ohne eine abermalige Biegung wieder auf die Straße der Wahrheit zurückfinden könne: Aus dem außerhalb der Sache Liegenden hat Aristoteles flugs die Af-fekte gemacht, während die Vorschrift einfach nur verhindern wollte, dass,

wenn man sich über den abgeholzten Baum im Garten des Nachbarn stritt, auch noch der unsittliche Antrag der Gattin aufgetischt würde, gemäß der Einsicht, dass immer irgendetwas hän-gen bleibt. Nach diesem ersten Kapitel hätte der Mann aus Stageira, der nach antiker Überlieferung auch eine Rhe-torik seinem Schüler und Landsmann Alexander mit ins Reisegepäck gege-ben haben soll, gleich zur Topik über-leiten können. Die Rhetorik hätte also den Einspruch des Philosophen nicht überlebt. Aber der Mann hatte Augen im Kopf und auch Ohren daran: denen gehorcht das, was drin ist. Daher fängt er nach diesem rhetorischen Alptraum noch einmal von vorne an und winkt die rhetorische Überzeugungstrias aus Logos, Ethos und Pathos durch und ins philosophische Konzept seiner eige-nen Rhetorik.

Dass deren Wirkung andauert bis heu-te, kann nicht verwundern. Zu sehr ist hier dem Rhetoriker aus der Brust ge-sprochen. Die bunte Phänomenalität der rhetorischen Kniffe macht doch alles auch unterhaltsamer! Wollen wir nicht auch ein wenig umgarnt werden, wenn wir unser placet geben sollen? Wo kämen wir denn hin, wenn wir alles nur dem trockenen sachlichen Beweis überließen? Nein, wir halten uns lieber beglückt am lebendigen rhetorischen Beweis aus Ethos, Pathos und ein we-nig Logos (damit die Vernunft Ruhe gibt). Überhaupt sind ja Argumente, das wusste auch ein Erzmetaphysiker, wohlfeil wie Brombeeren. Ein gut einge-rührter Affekt dagegen ist Gold wert …

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Univ.-Prof. Dr. Thomas Schirren – Professor für Gräzistik und Bereichsleiter Klassische Philologie und Wirkungsgeschichte der Antike an der Universität Salzburg. Promo-tion 1995, Habilitation 2004 mit der Arbeit „Philosophos Bios“. Zuvor Wissenschaftli-cher Assistent am Seminar für Allgemeine Rhetorik und am Philologischen Seminar der Universität Tübingen. Salzburger Leiter der Salzburg-Tübinger Rhetorikgespräche.

Nachdenken über die rhetorische GrundfrageThomas Schirren — Universität Salzburg

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