SCH - mh-freiburg.de · in Pisa: Durch das Fresko Trionfo della morte von Andrea Orcagna und durch...

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DO 3.11. 2016 | 19 UHR & 20 UHR WOLFGANG HOFFMANN SAAL ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– »SCHLAGE DIE TROMMEL UND FÜRCHTE DICH NICHT« TOTENTANZPROJEKT ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Freiburg Schlagzeugensemble, Hochschulorchester Indische Shiva-Ritualmusik und Gäste Prof. Dr. h.c. Bernhard Wulff Leitung

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DO 3.11. 2016 | 19 UHR & 20 UHR WOLFGANG HOFFMANN SAAL–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

»SCHLAGE DIE TROMMELUND FÜRCHTE DICH NICHT«TOTENTANZPROJEKT–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

Freiburg Schlagzeugensemble, HochschulorchesterIndische Shiva-Ritualmusik und Gäste

Prof. Dr. h.c. Bernhard Wulff Leitung

»Schlage die Trommel und fürchte dich nicht«(H. Heine)

Totentanzprojekt mit dem Freiburger Schlagzeugensemble,

dem Hochschulorchester, indischer Shiva-Ritualmusik und

Gästen

19.00 Uhr Einführungsvortrag Prof. Dr. h.c. Bernhard Wulff | Udhai Mazumdar

20.00 Uhr Konzert

Brian Ferneyhough *1943Bone Alphabet (1992)Nanae Kubo

Sydney Hodkinson *1934Kerberos (1990)Lukas Mühlhaus

Teresa Grebtschenko *1984Duo für zwei Schlagzeuger mit Sensen (2016) UATeresa Grebtschenko, Yuyoung Jin

Franz Liszt 1811 – 1886Totentanz (1847 – 1849 / 1860 – 1865)Kyunghyun Noh Klavier

PAUSE

»Tandava« ein indisches Totentanzritual für den Gott Shiva Udhai Mazumdar Tabla (Indien) | Nikhil Das Bambusflöte

Pierre Boulez 1925 – 2016 Rituel für Orchester in Memoriam Bruno Maderna (1974/75)Prof. Sylvie Altenburger, Prof. Muriel Cantoreggi, Daniel Lampert EinstudierungProf. Dr. h.c. Bernhard Wulff Konzept und künstlerische Leitung

Zum Thema Totentanz

Im Frühjahr besuchte die Schlagzeugklasse Museen in Colmar und Basel und diskutierte anschließend über Holbeins Basler Totentanz-Zyklus. Auf vielen Bildern spielt der Tod mit kraftvoller Geste ein Schlaginstrument. Pauke, Xylophon, Glocke, Trommel. Die Bilder ha-ben alle einen starken Klang. Scheinbar stille Museumsräume können viele Klänge haben, wenn man nicht nur mit offenen Augen, sondern auch mit offenen Ohren durch die Museen geht.

Angeregt durch diesen Klang der Bilder, entwickelten wir unser Kon-zertprogramm mit drei Soli, einem Duo, einem indischen Shiwa Toten-tanz und ein Orchesterstück von Boulez.Als Dschingis Khan im 13. Jahrhundert aufbrach, um das größte Welt-reich der Geschichte zu erobern, brachten seine schnellen Reiter auch den mongolischen Pestfloh nach Europa. Die mitgeführten Murmel-tiere waren einerseits Speise der Krieger, aber auch die Wirtstiere für den Floh und damit auch eine biologische Waffe: Man warf mit Pestflö-hen verseuchte Murmeltiere über die Stadtmauern, wie zumindest in einem Falle verbürgt. Es war der Beginn der großen mittelalterlichen Pest-Epidemien Europas. Während die Mongolen genügend Abwehr-stoffe in ihren Adern hatten, waren die Europäer dieser Krankheit hilflos ausgeliefert. Es traf jeden Stand, alt und jung, arm oder reich. Keiner konnte entrinnen, weder der Bischof noch der Bauer, nicht der Kaiser oder der Bettler. Europa war einer Pest-Bedrohung dieses Aus-maßes hilflos ausgeliefert. Diese Katastrophen brachten den Glauben an eine bestehende Weltordnung und damit auch erstmal die Macht der Kirche ins Wanken. Vor diesem Hintergrund entstanden die ersten Totentänze oder »Danse macabre« in der Malerei, der Literatur und spä-ter in der Musik. Der Tod fordert Vertreter aller Stände der Gesellschaft zum Tanz auf und führt diese ins Jenseits.Als Hans Holbein um 1525 seinen Totentanz-Zyklus schuf, wurden die Ständevertreter nicht mehr nur durch ihren Rang, sondern durch in-dividuelle Verhaltensweisen charakterisiert. Holbeins Bilder vom Tode sind nicht nur Bilder des Todes, sondern auch Bilder des Lebens. Dahin-ter steckt ein gewisser Demokratisierungsgedanke; mit der Gleichheit nach dem Tode wird auf die Gleichheit vor dem Tode verwiesen. Auch scheint der Tod im Unterschied zum mittelalterlichen Totentanz nicht mehr zu tanzen – doch spielt er weiterhin wild auf diversen In-strumenten. Holbeins Bilder sind lärmend laut. Die Instrumente waren einfache Instrumente der Spielleute, einige von der Kirche verboten. Auf einigen Bildern sieht man Trommeln und Pauken: Fellinstrumente wurden aufgrund ihrer Beschaffenheit aus der Haut toter Tiere immer schon mit dem Begriff des Vergänglichen und dem Tod des Fleisches in Verbindung gebracht.

Im 19. Jahrhundert waren die Menschen hingegen fasziniert von ma-kabren Kunstwerken, denn sie fanden Freude am Spuk und am ange-nehmen Gruseln. Goethe schrieb seinen berühmten Totentanz zur Belustigung. Die Vor-stellung von über den Gräbern tanzenden Geistern und Gerippen ver-drängte das Bild des Todesreigens der Ständereihe. Der Totentanz, wie etwa die Goethe Ballade vom Totentanz, diente nun hauptsächlich der Unterhaltung. Die Furcht vor dem Tod blieb; aber man versuchte ihr zu begegnen, indem man sich stattdessen lustig über ihn machte.

Aus dem 19. Jahrhundert musikalisch am bekanntesten ist Liszts Toten-tanz, mit dem er sich ab 1838 beschäftigte und zwischen 1847 und 1865 verschiedene Versionen schrieb: Zwei Fassungen für Klavier und Orche-ster, eine für zwei Klaviere und eine für nur ein Klavier, die wir heute hören werden.Angeregt wurde Liszt zu seinem Totentanz durch zwei Bildgestaltungen in Pisa: Durch das Fresko Trionfo della morte von Andrea Orcagna und durch die Holzschnittserie von Hans Holbein. Letztlich spielt es für das Werk-verständnis keine Rolle, welche Bildinspiration für ihn die stärkere war: Er fand eine eigenständige musikalische Form, ohne einzelne Bil-der ausdrücklich musikalisch zu interpretieren. Liszts Totentanz besteht formal aus einer Reihe von Variationen über die aus dem 13. Jahrhun-dert stammende gregorianische Choralmelodie Dies irae –Tag des Jüngs-ten Gerichts – »Tag des Zornes«. Zu diesem Thema gibt es von Frau Sira Selugga, einer Alumna unserer Hochschule, eine sehr lesenswerte wissenschaftliche Examensarbeit. Ich danke ihr für viele Anregungen für unser heutiges Konzert.

Bernhard Wulff

Zum Programm

Brian Ferneyhough *1943Bone Alphabet (1992) für Schlagzeug solo Dieses Knochenalphabet entstand im Auftrag von Steven Schick (Frei-burger Alumnus), der das Stück 1992 in San Diego uraufführte. Er bat den Komponisten um eine Solo-Komposition für eine radikal begrenzte Instrumentation, nur für einige wenige Schlaginstrumente, die klein genug sind, um damit als Teil des persönlichen Gepäcks mit dem Flug-zeug zu reisen. Die Partituren von Ferneyhough, so auch diese, sind zunächst von ver-wirrender Komplexität. Wer sich darauf einlässt, entdeckt aber schnell, dass seine Werke nie so komplex erklingen, wie das Notenbild sugge-rieren mag. Im Gegenteil: seine Musik hat bei aller polyphonen Kom-plexität in ihrem Kern durchaus einen sehr melodischen Bezug. Man stelle sich etwa vor, dass drei Pianisten zeitgleich ein Chopin-Nocture spielen. Jeder beginnt an einer anderen Stelle und macht sein eigenes Rubato, der Komponist dreht an einem geheimnisvollen Knopf und die Töne verschwinden. Zurück bleibt ein rhythmisches Skelett: das Bone Alphabet. Es gilt als das schwierigste Stück der Schlagzeugliteratur und erfordert eine besondere Herangehensweise: der Musiker macht das Stück zu seiner quasi paläontologischen Forschung und haucht den fossilen Kno-chen neues Leben ein.

Bernhard Wulff

Sydney Hodkinson (1934)Kerberos (1990) für Kleine Trommel

»Lasciate ogni baldanza voi che entrate«»Lasst, die ihr eintretet, allen Übermut fahren!«, so lautet die Botschaft, welche in E.M. Forsters Kurzgeschichte »The Celestial Omnibus« (1911) über der Wagentür des himmlischen Busses prangt. Der Fahrer ist niemand Geringeres als Dante Alighieri selbst, aus dessen »Göttliche[r] Komö-die« (1321) der zitierte Ausspruch entnommen ist. Hier lautet er jedoch »Lasciate ogni speranza, voi ch’entrate!« (speranza = Hoffnung) und bildet die letzte Zeile der Inschrift auf dem Höllentor, durch das alle Sünder ihrer Strafe entgegenschreiten müssen. Auch der Höllenhund Kerberos erscheint als Wächter und Peiniger der Gefräßigen in Dantes Dichtung. Die Figur des Kerberos entstammt der griechischen Mythologie. Er wird zumeist als monströser Hund mit drei Köpfen und einer Schlange als Schwanz dargestellt. Sein Bellen wird als metallisch beschrieben und sein Atem als todbringend. Der griechischen Sage nach soll der giftige Eisenhut aus dem Boden ge-sprossen sein, als dem Höllenhund der Speichel aus dem Mund tropfte, nachdem Herakles ihn aus der Unterwelt in die Oberwelt gezerrt hatte.

Lukas Mühlhaus

Teresa Grebtchenko *1984Duo für zwei Schlagzeuger mit Sensen (2016) UraufführungEine TotentanzperformanceTeresa Grebtschenko und YuYoung Jin Konzeption und Aufführung

Die Performance vereinigt Elemente aus einerseits europäischen To-tentänze (Bilder aus dem späten Mittelalter, bei denen Todesgestalten zusammen mit Personen aus allen Gesellschaftsschichten tanzend dargestellt werden) und anderseits koreanischen Schamanenrituale für Verstorbene bzw. zur Kommunikation mit den Geistern. Als Inspiration diente das koreanische Gut-Ritual sowie die Arbeiten des vor zehn Jah-ren verstorbenen Videokünstlers Nam June Paik, der selbst diese Rituale zelebrierte.

Udhai Mazumdar

»Shiva Tandava Stotram« Indischer Totentanz des Gottes ShivaUdhai Mazumdar TablaNikhil Das Bambusflöte

»Tandava« ist ein Tanz, der vom Hindu-Gott Shiva ausgeführt wird. Er gilt als Quelle des Zyklus aus Schöpfung, Erhaltung und Auflösung.Während der sogenannten »Runda Tandava« legt er eine gewaltsame Natur an den Tag und zeigt sich einmal als Schöpfer, dann als Zerstö-rer des Universums und des Todes selbst. Es gibt 16 Varianten dieses Tanzes.

Pierre Boulez 1925 – 2016 Rituel für Orchester in Memoriam Bruno Maderna (1974/75)

Das Orchester ist in acht unterschiedlich große Gruppen eingeteilt, die in unterschiedlichen Tempi agieren. Jeder Gruppe wird ein Schlagzeu-ger zugeordnet, der als Subdirigent das Tempo seiner Gruppe bestimmt.

»In ständigem Wechsel folgen sich gleichsam Psalmenverse und Responsorien einer imaginären Zeremonie. Es ist eine Zeremonie der Erinnerung, daher die vielen Wiederho-lungen immer gleicher Formeln, doch mit Veränderungen der Umrisse und in neuer Sicht. Eine Zeremonie des Erlöschens, ein Ritual des Vergehens und Überlebens; so prägen sich die Bilder der musikalischen Erinnerung ein, gegenwärtig/abwesend immer im Zweifel.«

Pierre Boulez

Orchester der Hochschule für Musik Freiburg

Flöte Julija Bojarinaite, Laura Lorenzo Rodriguez, Magnus Mihm, Christina Reul

Oboe Verónica Cruz Rodriguez, Yumiko Hirayama, Anja Tritschler

Englischhorn Verena Bons

Klarinette Anna Dietz, Jae Young Jang, Daniela Kohler, Heeseung Lee, Hannah Seebauer

Saxophon Joachim Köstler

Fagott Sheng-Hsien Hsieh, Lisa Huh, Kyung Ho Koh, Francisco Bautista Ortega Arenas

Horn Loïc Adam, Pedro Blanco Gonzalez, Konrad Boemke, Berit Busch, Christophe Frisch, Manuel Jaramillo Penarrocha

Trompete Gloria Aurbacher, Matthieu Chpelitch, Bence Kirsch, Gergö Kutyifa

Posaune Pierre Campenon, Xavier Coquelle-Sibra, Roberto De La Guia Martinez, Francisco Jesús Ramirez Cueva

Schlagzeug Arrigo Axia, Philipp Becker, Yuyoung Jin, Ari Kim, Nanae Kubo, Franz Lang, Lukas Mühlhaus, Nagisa Shibata, Kang-Jung Sung

Violine Carles Civera Moratalla, Theresa Jensen, Jorge Llamas Munoz, Long Yuet Luen, Saskia Niehl, Yurie Tamura

Viola Prof. Sylvie Altenburger, Alice Bordarier

Prof. Dr. h.c. Bernhard Wulff Leitung

brauchen Freunde.

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