Schädel-Hirn-Trauma beim Erwachsenen · Einleitung Die absolute Zahl der Schädel-Hirn-Verletzten...

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Einleitung Die absolute Zahl der Schädel-Hirn-Verletzten im Stra- ßenverkehr und bei der Arbeit sinkt seit Jahren ein eindrucksvoller Erfolg der Prävention. Davon unbe- rührt ist aber der Unfall im häuslichen Umfeld der häufigste, und aufgrund des demografischen Wandels trifft er mehr ältere Menschen. Gleichzeitig haben Fortschritte in der Notfall- und Akutmedizin zusam- men mit der Verbesserung der Rettungskette dazu geführt, dass Unfallopfer heute mit ungleich schwere- ren Verletzungen ein Krankenhaus lebend erreichen können als zu Beginn der modernen Unfallrettung in Deutschland vor knapp 40 Jahren. Risikoprofile, Unfall- und Verletzungsmuster bei den eingelieferten Patien- ten haben sich entsprechend gewandelt. Die Behand- lung des SHT im Rahmen einer Polytraumaversorgung oder vor dem Hintergrund erheblicher Komorbiditäten ist die Regel. Damit gewinnt der Zentrumsgedanke an Gewicht. Eine einmal eingetretene ZNS-Schädigung mündet immer in eine Defektheilung, wirklich regenerative Prozesse finden praktisch nicht statt. Im ZNS gilt aber in besonderer Ausprägung, dass bestimmte pathophy- siologische Abläufe obwohl durch den Unfall ange- stoßen eine gewisse Zeit bis zur vollständigen Ent- faltung ihrer Wirkung benötigen. Unter günstigen Umständen kann eine Rettungs- kette heute so schnell ablaufen, dass zum Zeitpunkt der Erstdiagnostik das volle Ausmaß der Schäden noch nicht eingetreten ist. Die Unterscheidung zwischen Erstverletzung und sekundären Traumafolgen wird wichtig: Aktuelle wie künftige Therapien bekommen die Chance, in dem Zeitfenster zu greifen, das sich durch Ablaufverbesse- rungen auftut. Die diagnostischen Algorithmen müssen allerdings Veränderungen im Verlauf Rechnung tragen können und werden damit aufwendiger. Sie umfassen nicht mehr nur Techniken mit punktueller Befundfest- stellung wie die Bildgebung, sondern zusätzlich fort- laufende Überwachungsverfahren. Durch erweiterte therapeutische Möglichkeiten erhebt sich die Frage nicht mehr nur nach der Überlebensrate, sondern nach der Überlebensqualität. Zum Beispiel werden derzeit ausgedehnte dekompressive Eingriffe am Hirnschädel mit dem Hinweis auf schlechte klini- sche Behandlungsergebnisse bei überlebenden Patien- ten hinterfragt. Schädel-Hirn-Trauma beim Erwachsenen Henning Stubbe, Johannes Wölfer Das Schädel-Hirn-Trauma umfasst ein breites Spektrum zerebraler Schäden, die sich im klinischen Verlauf erheblich unterscheiden. Aufgrund der im Detail noch unklaren Patho- physiologie orientiert sich die Therapie v. a. an empirisch bewährten Parametern. Intensivmedizin up2date 8 ê 2012 ê DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0032-1310089 ê VNR 2760512012137994417 Operative Intensivmedizin 253 Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt.

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Einleitung

Die absolute Zahl der Schädel-Hirn-Verletzten im Stra-ßenverkehr und bei der Arbeit sinkt seit Jahren – eineindrucksvoller Erfolg der Prävention. Davon unbe-rührt ist aber der Unfall im häuslichen Umfeld derhäufigste, und aufgrund des demografischenWandelstrifft er mehr ältere Menschen. Gleichzeitig habenFortschritte in der Notfall- und Akutmedizin zusam-men mit der Verbesserung der Rettungskette dazugeführt, dass Unfallopfer heute mit ungleich schwere-ren Verletzungen ein Krankenhaus lebend erreichenkönnen als zu Beginn der modernen Unfallrettung inDeutschland vor knapp 40 Jahren. Risikoprofile, Unfall-und Verletzungsmuster bei den eingelieferten Patien-ten haben sich entsprechend gewandelt. Die Behand-lung des SHT im Rahmen einer Polytraumaversorgungoder vor dem Hintergrund erheblicher Komorbiditätenist die Regel. Damit gewinnt der Zentrumsgedanke anGewicht.

Eine einmal eingetretene ZNS-Schädigung mündetimmer in eine Defektheilung, wirklich regenerativeProzesse finden praktisch nicht statt. Im ZNS gilt aberin besonderer Ausprägung, dass bestimmte pathophy-siologische Abläufe – obwohl durch den Unfall ange-stoßen – eine gewisse Zeit bis zur vollständigen Ent-faltung ihrer Wirkung benötigen.

Unter günstigen Umständen kann eine Rettungs-

kette heute so schnell ablaufen, dass zum Zeitpunkt

der Erstdiagnostik das volle Ausmaß der Schäden

noch nicht eingetreten ist.

Die Unterscheidung zwischen Erstverletzung undsekundären Traumafolgen wird wichtig: Aktuelle wiekünftige Therapien bekommen die Chance, in demZeitfenster zu greifen, das sich durch Ablaufverbesse-rungen auftut. Die diagnostischen Algorithmenmüssenallerdings Veränderungen im Verlauf Rechnung tragenkönnen und werden damit aufwendiger. Sie umfassennicht mehr nur Techniken mit punktueller Befundfest-stellung wie die Bildgebung, sondern zusätzlich fort-laufende Überwachungsverfahren.

Durch erweiterte therapeutische Möglichkeiten erhebtsich die Frage nicht mehr nur nach der Überlebensrate,sondern nach der Überlebensqualität. Zum Beispielwerden derzeit ausgedehnte dekompressive Eingriffeam Hirnschädel mit dem Hinweis auf schlechte klini-sche Behandlungsergebnisse bei überlebenden Patien-ten hinterfragt.

Schädel-Hirn-Trauma beim ErwachsenenHenning Stubbe, Johannes Wölfer

Das Schädel-Hirn-Trauma umfasst ein breites Spektrum zerebraler Schäden, die sich imklinischen Verlauf erheblich unterscheiden. Aufgrund der im Detail noch unklaren Patho-physiologie orientiert sich die Therapie v. a. an empirisch bewährten Parametern.

Intensivmedizin up2date 8 ê2012 êDOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0032-1310089 êVNR 2760512012137994417

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Epidemiologie

Dargestellt werden hier die aktuellen Verhältnisse inDeutschland anhand der Erhebung des statistischenBundesamtes zum Jahr 2010 [1]. Von ähnlichen Ver-hältnissen in anderen Industrieländern ist auszugehen.

Altersverteilung. 2010 waren von insgesamt 33312Unfalltoten 2140 (6,4%) jünger als 25 Jahre; der Bevöl-kerungsanteil dieser Gruppe liegt bei knapp 25%. Ins-gesamt starben in diesem Jahr 6467 Menschen dieserAltersgruppe (hiervon 1153 aufgrund von „Störungender Perinatalperiode“). Damit sind Unfälle aller Art indieser Gruppe mit einem Drittel die führende Mortali-tätsursache.

Die – absolut und relativ – meisten Unfallopfer

stammen aus den Altersgruppen über 65 Jahre: Sie

machen etwa 20% der Bevölkerung aus, erleiden

aber über die Hälfte aller tödlichen Unfälle.

Andere Todesursachen (Erkrankungen des Herz-Kreis-lauf-Systems und Neoplasien) sind bei den älterenMenschen zwar insgesamt die häufigsten–dennochgilt: Tödliche Unfälle betreffen häufiger den älterenMenschen.

Unfallart. Der typische Unfall in den jüngeren Alters-gruppen ist „transportmittelassoziiert“ – d.h. es han-delt sich um Verkehrsunfälle, während der Sturz (aufder Treppe, gefolgt von dem auf ebenem Boden) derabsolut häufigste Unfallmechanismus mit Todesfolge inhöherem Alter ist. Beide Unfallarten zusammenmachen ziemlich genau die Hälfte aller zum Tode füh-renden Unfälle aus (16230 von 33312). Ab dem mitt-leren Lebensalter spielen vorsätzliche Selbstbeschädi-gungen – sprich Suizide – eine große Rolle; in höheremAlter bleiben die genauen Unfallumstände immerwieder auch ungeklärt (Abb.1).

Verletzungsmuster. Jeder fünfte Unfalltote stirbt aneiner isolierten Kopfverletzung (6751 von 33312), dasist die mit Abstand größte Einzelgruppe innerhalb derGesamtzahl (gefolgt von Verletzungen von Hüfte undOberschenkel mit 4081 Opfern). Hinzu kommen nocheinmal 4072 polytraumatisierte Patienten, bei denengroßteils von einer Beteiligung des ZNS auszugehen ist,ohne dass hierzu allerdings dezidiertes Zahlenmaterialvorliegt.

2010 waren von den 6751 Opfern isolierter Kopfverlet-zungen 496 (7,3%) unter 25 Jahre alt, davon nicht ganzdie Hälfte zwischen 20 und 25 (230, 3%). Eine gewisseHäufung gibt es zwischen 50 und 55 Jahren mit 341Toten (5%). Die absolut meisten Opfer von Kopfverlet-zungen sind zwischen 80 und 85 Jahre alt (1012, 15%;Abb.2). Die Verhältnisse der allgemeinen Unfallstatistikspiegeln sich hier verschärft wider: Tödliche Kopfver-

4500

4000

3500

3000

2500

2000

1500

1000

500

0

Alter (Jahre)85–90 > 90

Verkehrsunfall GesamtSturz

25–30 65–70 80–8530–35 75–8070–7540–45 60–6555–6050–5545–5035–4020–25

Anza

hl

15–2010–155–10<1 1–5

Abb.1 Ursachen tödlicher Unfälle nach Alter (Deutschland, 2010).

1200

1000

800

600

400

200

0

Anza

hl

Alter (Jahre)

85–90> 9

0

25–3030–35

65–70

80–8

5

75–80

70–75

40–45

55–6060–65

50–55

45–50

35–40

20–25

15–20

10–15

5–10

1–5<1

Abb.2 Tödliche Kopfverletzungen nach Alter (Deutschland, 2010).

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letzungen finden sich am häufigsten (64%) bei Men-schen über 65 Jahren.

Makroskopische Pathologie

Zur klinisch-pathologischen Einteilung des Schädel-Hirn-Traumas greift man auf die Beschreibung der füh-renden morphologischen Verletzungsmuster zurück.Hirnverletzungen können umschriebene oder diffuseVeränderungen samt aller Übergänge und Kombinatio-nen nach sich ziehen.

Epidurales Hämatom. Das epidurale Hämatom tritteher bei jüngeren Patienten auf. Bei ihnen löst sich dieDura noch leicht von der Tabula interna der Kalotte undgibt dem typischerweise aus Frakturspalten odergerissenen Duraarterien (typisch: A. meningea media)unter hohem Druck epidural austretenden Blut leichtRaum.

Das primäre Parenchymtrauma ist oft nur gering,

sodass die Patienten nach initialer Bewusstseins-

störung das bekannte unauffällige Intervall bieten,

bevor die zunehmende Raumforderung zur erneu-

ten Eintrübung führt.

Subdurales Hämatom. Akute subdurale Hämatomekönnen aus gerissenen Brückenvenen oder aus ober-flächlichen Hirnkontusionen entstehen. Im ersterenFall sind bei weiter werdenden Subduralräumen infol-ge einer Hirninvolution eher ältere Patienten betroffen.Subduralblutungen aus Kontusionen treten hingegenaltersunabhängig auf und sind dann Teil eines meistsehr viel umfangreicheren Verletzungsgeschehens imHirn.

Kontusionsblutung. Kontusionsblutungen bilden sichsehr oft erst im Verlauf einiger Stunden in ihrer end-gültigen Größe aus. Sie entstehen im Bereich vonParenchymzerreißungen und stehen damit an derGrenze zwischen den lokal und den diffus raumfor-dernden Verletzungsfolgen im Gehirn. Regelmäßig fin-det sich auch ein Anteil traumatischer Subarachnoidal-blutung aus gerissenen subarachnoidalen Gefäßen.Oberflächliche Kontusionen finden sich nicht nur amOrt der primären Gewalteinwirkung (etwa nach Sturzunter der Kalottenfraktur am Punkt des Kopfauf-schlags), sondern oft mindestens genauso ausgeprägtan der gegenübergesetzten Hirnoberfläche als Hinweisauf einen Contre-Coup-Mechanismus. Diese Bezeich-nung beschreibt nur einen Teil des Vorgangs, dennschon vor dem Auftreffen des zurückfedernden Hirn-

gewebes auf die gegenüberliegende Kalotteninnen-wand entsteht bei der primären (meist linearen) Deze-leration an eben dieser Stelle ein Unterdruck, derebenfalls zu Gewebszerreißungen führt.

Diffuses axonales Schertrauma. Das diffuse axonaleSchertrauma („diffuse axonal injury“, DAI) zeigt beischwerer Klinik (Bewusstlosigkeit, Hirnnervenstörun-gen) oft eher diskrete, dann aber typischerweise inmittigen Strukturen wie Balken, Dienzephalon undHirnstamm gelegene stippchenförmige Blutungen, dieauf einen drehenden Beschleunigungsmechanismusdeuten.

Hirnödem. Die diffuse Hirnschwellung mit oder auchohne Kontusionen kann in leichtem Ausmaß folgenlosreversibel sein. Ein ausgeprägtes diffuses Hirnödem istjedoch meist Ausdruck einer lebensbedrohlichen Hirn-verletzung und kann zusätzlich auf eine längere Hypo-xie oder Ischämie zurückzuführen sein. Es ist Ausdruckkomplexer pathophysiologischer Abläufe, die denÜbergang zwischen primärem und sekundärem Neu-rotrauma markieren (s.u.).

Kombination. Kontusion, traumatische Subarachnoi-dalblutung, Subduralhämatom und Hirnödemfinden sich meist in Kombination und addieren sichdann in ihrer Raumforderung. Unter Antikoagulationsind die Veränderungen stärker ausgeprägt. Die Situa-tion des Gehirns als einziges parenchymatöses Organin einer (fast) kompletten knöchernen Umschließungführt dazu, dass eine Raumforderung und Zunahmedes intrakranialen Drucks eine zentrale Rolle bei derPathophysiologie und der Therapie der Hirnverletzungspielen.

Pathophysiologie

Die Vorstellung einer einheitlichen Pathophysiolo-

gie des SHT ist stark vereinfachend und klinisch

vermutlich nur selten zutreffend.

Dies liegt insbesondere an der außerordentlich hohenHeterogenität der Verletzungen, die durch unter-schiedliche Mechanismen ausgelöst, jedoch unter demOberbegriff „Schädel-Hirn-Trauma“ zusammengefasstwerden. Diese Heterogenität ist möglicherweise auchgleichzeitig die Ursache dafür, dass nahezu alle bisherin experimentellen – also simplifizierten – Modellendes SHT getesteten Therapieansätze in klinischenStudien nicht effektiv waren. Dennoch gibt es einigepathophysiologische Grundprinzipien, die vermutlich

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bei vielen Patienten wirksamwerden und ggf. auchtherapeutisch beeinflussbar sind. Hierzu gehört z.B.das Hirnödem oder die Pathophysiologie des intra-kranialen Drucks.

Primäre vs. sekundäre Hirnschäden

Der primäre Hirnschaden entsteht innerhalb von Milli-sekunden als direkte Krafteinwirkung auf das Paren-chym. Hierzu zählt beispielsweise der Gewebedefekt,der durch eine Impressionsfraktur des Schädels ent-steht. Darüber hinaus wirken in vielen Situationen (z.B.bei Hochgeschwindigkeitstraumen) Beschleunigungs-und Rotationskräfte auf das Parenchym ein [3]. LineareBeschleunigungskräfte führen eher zu oberflächlichenLäsionen wie Kontusionen oder Blutungen, währendRotationsbewegungen des Gehirns mit der diffusenSchädigung tiefer gelegener Axone (DAI, s.o.) der wei-ßen Substanz sowie der Kerngebiete und Bahnen desMittelhirns und Hirnstamms einhergehen können.Diese Schäden können insbesondere bei Beteiligungdes Hirnstamms Ursache eines persistierenden vegeta-tiven Syndroms (PVS) sein.

Die Schädigung des Gehirns ist mit der ursprüngli-chen – therapeutisch nicht beeinflussbaren – Verlet-zung jedoch nicht abgeschlossen. Diese Tatsache lässtsich eindrücklich an Fällen demonstrieren, in denenPatienten mit zunächst scheinbar leichtem SHT (GCS13–15) in kurzer Zeit eintrüben und in weiterem Ver-lauf versterben. Diese klinische Beobachtung wurdebekannt als „Talk-and-die“-Syndrom [3] und lenkte inden 1970er-Jahren die Aufmerksamkeit auf die Patho-physiologie der sekundären Hirnschäden, die für diePrognose des Patienten letztlich entscheidend seinkönnen.

Heute wird die traumatische Hirnverletzung als

Prozess betrachtet, in dem die langfristige neurolo-

gische Prognose von vielen Faktoren abhängt, die

im Verlauf von Tagen nach SHT wirksam werden.

Intrakranialer Druck und zerebraleIschämie

Die für die Frühphase relevanten pathophysiologischenVeränderungen ergeben sich insbesondere aus extra-kranialen Begleitverletzungen, die zu einer Hypotonieund Hypoxämie und in der Folge zu einer zerebralenIschämie und Hypoxie führen können. Diese Faktorengehören zu den stärksten Prädiktoren der langfristigen

Prognose nach Schädel-Hirn-Trauma [4,11]. Im weite-ren operativen bzw. intensivmedizinischen Verlaufkommen teils nur unzureichend verstandene Mecha-nismen hinzu, die in unterschiedlichem Ausmaß amProzess der Hirnschädigung beteiligt zu sein scheinen.Schon lange wird dem intrakranialen Druck eine wich-tige Rolle in der Pathogenese sekundärer Hirnschädenzugeschrieben. Ein intrakraniales Kompartiment – alsoHirnparenchym, Blut oder Liquor – kann sich im festenSchädel bei konstantem intrakranialem Druck nurdann vergrößern, wenn gleichzeitig ein anderes Kom-partiment an Volumen abnimmt (Kelly-Monroe-Dok-trin).

Ätiologie eines Druckanstiegs. Die wichtigsten Ursa-chen für einen anhaltenden Anstieg des intrakranialenDrucks nach SHT sind Hirnödem (Infobox 1), intrakra-niale Blutung und Liquorstau. Daneben können auchSchwankungen des zerebralen Blutvolumens zu erheb-lichen Veränderungen des intrakranialen Drucks füh-ren. Hierzu kommt es z.B. bei zerebraler Vasodilatationinfolge einer Hyperkapnie. Der erhöhte CO2-Partial-druck dilatiert Hirngefäße vermutlich über eine Ände-rung des regionalen Gewebe-pH-Werts. Bei gestörterAutoregulation des Gehirns ist eine Erhöhung deszerebralen Blutvolumens auch einfach druckpassivmöglich.

Klinisch wichtiger ist jedoch, dass eine Hypotonie

bei intakter Autoregulation zu einer Vasodilatation

und einer Erhöhung des zerebralen Blutvolumens

führt.

Krisenhaften Anstiegen des intrakranialen Drucks aufWerte bis etwa 50mmHg innerhalb kurzer Zeit könnenauch Plateau- oder Lundberg-Wellen zugrunde liegen.Diese kommen wahrscheinlich durch eine venöseKongestion im Bereich der Brückenvenen bei einemAnpressen des Gehirnparenchyms an die Kalottezustande [5]. Wenn der zerebrale Perfusionsdruck indieser Situation stark sinkt, reagiert das Gehirn beiintakter zerebraler Autoregulation mit einer Vasodila-tation, was den intrakranialen Druck weiter ansteigenlässt und die Gefahr einer terminalen Vasoparalyseund globalen zerebralen Ischämie birgt.

Kompensationsmechanismen. Es gibt jedoch Kompen-sationsmechanismen, die einer schnellen Steigerungdes intrakranialen Drucks entgegenwirken. Hierzugehört insbesondere die Verschiebung von Liquor oderBlut nach extrakranial, sodass bei einer Volumenzu-nahme eines Kompartiments der intrakraniale Druckzunächst nur langsam, bei zunehmender Erschöpfung

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der Reserveräume dann aber immer schneller ansteigt.Diese als „intrakraniale Compliance“ bezeichnete Kur-ve kann individuell sehr unterschiedlich sein. Bei älte-ren Menschen z.B. verläuft sie aufgrund der Volumen-zunahme der Liquorräume im Alter – und der damiteinhergehenden Zunahme an Reserveräumen – fla-cher, während diese Reserven bei Patienten geringerenAlters schneller erschöpft sind.

Herniation. Durch die intrakraniale Druckzunahmekann Hirngewebe hernieren. Der intrakraniale Druck-gradient und die Geschwindigkeit dieses Prozessesbestimmt, welche Anteile des Gehirns verdrängt wer-den (Abb.3). Diese Vorgänge müssen nicht unbedingtmit der intrakranialen Druckmessung korrelieren, dadie Drücke in unterschiedlichen Kompartimentendes Gehirns – also insbesondere supra- und infratento-riell – durchaus unterschiedlich sein können. Beispiels-weise kann ein schwellender Kleinhirninfarkt rasch zueiner letalen Kompression des Hirnstamms führen,ohne dass eine supratentoriell eingesetzte intrakrania-le Drucksonde einen übermäßig erhöhten intrakrania-len Druck anzeigt. Die neurologischen Symptome sindzu Beginn dieser Ereignisse insbesondere durch diePrimärläsion bestimmt. Bei progredientem Verlauf tre-ten dann typischerweise Ausfälle hinzu, die durchlokale Druckschäden bedingt sind:

█ Bei temporalen Läsionen herniert im klassischen Fallzunächst der Uncus transtentoriell, sodass Mittelhirnund N. oculomotorius (weite Pupille) geschädigtwerden.

█ Parietale Prozesse führen häufig zunächst zu einersubfalzinen Herniation des Gyrus cinguli mit derGefahr einer Kompression der A. cerebri anterior.

█ Bei globalen oder beidseitigen supratentoriellenLäsionen dehnt sich das Gehirn zentral in Richtung

Infobox 1

Hirnödem

Das Hirnödem teilt man nach der Patho-

genese in 2 Hauptkategorien ein: zytoto-

xisch und vasogen. In den meisten klini-

schen Situationen liegt jedoch in Abhän-

gigkeit von der Grunderkrankung und des

Krankheitsstadiums eine Kombination aus

beiden Formen vor.

Zytotoxisches (zelluläres) Hirnödem.

Diese Form des Hirnödems ist gekenn-

zeichnet durch eine Zunahme des Wasser-

gehalts im Zellkompartiment. Ursache ist

normalerweise ein Versagen der ATP-

abhängigen Na+/K+-Pumpe aufgrund

einer Ischämie oder eines schweren SHT.

Dies führt über eine zelluläre Akkumula-

tion von Ionen zur Veränderung des trans-

zellulären osmotischen Gradienten und zu

einer Erhöhung des intrazellulären Was-

sergehalts. Da dieses Wasser aus dem

Extrazellularraum stammt, handelt sich im

Wesentlichen um eine Umverteilung von

Wasser zwischen verschiedenen Kompar-

timenten. Dieser Prozess bedingt also

nicht per se eine Volumenvergrößerung

des Hirnparenchyms und einen Anstieg

des intrakranialen Drucks, solange nicht

weiter Wasser und Elektrolyte aus dem

Gefäßsystem austreten.

Vasogenes Hirnödem. Definitionsgemäß

ist ein vasogenes Ödem die Folge der Ver-

schiebung von Wasser aus dem Gefäßsys-

tem in den Extrazellularraum des Hirnpa-

renchyms. Ursache ist meist eine Schädi-

gung der Blut-Hirn-Schranke, z. B. bei

Tumorerkrankungen, SHT oder Infektio-

nen. Varianten des vasogenen Ödems

wurden für spezifische Störungen be-

schrieben, z. B. bei Hypertonie (hydrosta-

tisches Ödem) oder Veränderungen des

transkapillären osmotischen Gradienten

(osmotisches Ödem).

Therapie. Das Hirnödem kann durch die

Gabe von Osmotherapeutika (Mannitol,

hypertone Kochsalzlösung) vermindert

werden. Diese bewirken über eine Erhö-

hung der intravasalen Osmolarität einen

Rückstrom von Flüssigkeit aus dem Hirn-

parenchym nach intravasal. Die Beeinflus-

sung des Hirnödems ist auch ein wichtiger

Bestandteil des Lund-Konzepts. Dabei

unternimmt man den Versuch, die trans-

kapilläre Flüssigkeitsfiltration im Gehirn

durch eine antihypertensive Therapie

(β1-Blocker, AT-II-Antagonisten, Clonidin)

und die Anhebung des kapillären onkoti-

schen Drucks (Albumin) zu reduzieren.

Die Gabe von Glukortikoiden ist beim SHT

im Gegensatz zur Therapie von Hirntumo-

ren nicht effektiv, erhöht die Mortalität

der Patienten [12] und ist kontraindiziert.

Abb.3 Typen derzerebralen Hernia-tion. 1: unkale Her-niation, 2: zentraleHerniation, 3: sub-falzine Herniation.

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Hinterhauptloch aus. Als Folge entsteht eine frühzei-tige Schädigung von Zwischen- und Mittelhirn.

█ Der gemeinsame Endzustand dieser Prozesse ist dieletale Einklemmung des Gehirns im Hinterhauptloch.

Zerebrale Ischämie. Eine kritische Verminderung deszerebralen Perfusionsdrucks aufgrund des Anstiegs desintrakranialen Drucks kann mit einer globalen zere-bralen Ischämie einhergehen. Als noch sichere untereGrenze wird heute normalerweise ein zerebraler Per-fusionsdruck von etwa 50mmHg angenommen. Diesist beim Normotoniker gleichzeitig in etwa die untereGrenze der zerebralen Autoregulation, unter der derzerebrale Blutfluss abnimmt.

Aufgrund der gerade beim SHT deutlichen interin-

dividuellen Unterschiede des Schädigungsmusters

ist der Grenzwert für den zerebralen Perfusions-

druck von 50mmHg jedoch mit Vorsicht anzuwen-

den.

Der zerebrale Blutfluss nach SHT ist typischerweiseohnehin auf etwa 50% des Normalwerts vermindert,zerebrale Hyperperfusion kommt jedoch auch vor. Die-ses steht möglicherweise in Zusammenhang mit einergestörten zerebralen Autoregulation, sodass die Hirn-perfusion in diesem Fall abhängig wird vom zerebralenPerfusionsdruck.

Zelluläre Schädigungsmechanismen

Die frühe Phase der schweren traumatischen Hirn-schädigung ist zwar durch eine Parenchymdestruktiongeprägt, beinhaltet jedoch keine ausgedehnte, mögli-cherweise weit weg vom ursprünglichen Schädigungs-ort auftretende Degeneration von Neuronen, Axonenund Gliazellen. Diese neurodegenerativen Verände-rungen nach SHT treten erst im Verlauf von Tagen nachdem Trauma auf und teilen sich vermutlich einigePathomechanismen mit typischen neurodegenerativenErkrankungen wie Morbus Alzheimer oder Parkinson.

Neuroinflammation. Im Zentrum des Interesses stehtseit einigen Jahren insbesondere die Neuroinflamma-tion. Einer der beim SHT am besten untersuchtenMechanismen ist die Exzitotoxizität [6]. Man nimmt an,dass exzitatorische Aminosäuren wie Glutamat einenKalziumeinstrom in Neuronen und andere Hirnzellenbewirken. Eine Kalziumüberladung scheint die Bildungvon reaktiven Sauerstoffspezies und Stickstoffmonoxidzu induzieren, die über eine Lipidperoxidation zu Zell-schäden führen. Folge ist eine Kettenreaktion, die über

die Ausschüttung exzitatorischer Aminosäuren unddie Produktion weiterer Radikale letztendlich zu Zell-nekrose und -apoptose führt.

Weitere Mediatoren. Daneben gibt es eine Vielzahlweiterer Mediatoren, die nach tierexperimentellenBefunden eine Rolle bei der sekundären Schädigungvon Hirnzellen spielen, bei denen allerdings die genaueneuropathologische Bedeutung der Befunde unklar ist.Eine sinnvolle therapeutische Beeinflussung dieserProzesse ist bisher nur im Tierversuch, jedoch nicht ingrößeren klinischen Studien gelungen.

Neurosystemische Interaktionen

Immundefizienz. Die systemischen Auswirkungen derHirnschädigung sind von erheblicher klinischer Rele-vanz. Die anfängliche Immunreaktion auf eine trauma-tische Hirnschädigung ist proinflammatorisch undmanifestiert sich klinisch als systemische Entzün-dungsreaktion (SIRS). Im weiteren Verlauf folgt hieraufjedoch typischerweise eine ausgeprägte antiinflamma-torische Phase, die mit einer sekundären Immundefi-zienz einhergeht („CNS-injury induced immunode-pression“, CIDS) [7]. Hierauf beruht vermutlich die seitLängerem bekannte Infektionsanfälligkeit hirngeschä-digter Patienten, die mit der Schwere der Hirnschädi-gung korreliert.

Bis zu 60% der beatmeten Patienten mit Hirn-

schädigung entwickeln eine Pneumonie, auch die

Inzidenz von Sepsis und Harnwegsinfektionen ist

deutlich erhöht.

Das CIDS entsteht vermutlich multifaktoriell unterBeteiligung der Hypothalamus-Hypophysen-Neben-nierenrinden-Achse (HHA-Achse). Daneben scheintjedoch auch das autonome Nervensystem eine wichti-ge Rolle bei der Entstehung der Immunsuppressionnach SHT zu spielen.

Paroxysmale sympathische Hyperaktivität. Eine auto-nome Enthemmung ist vermutlich die Ursache derparoxysmalen sympathischen Hyperaktivität (PSH) [8].Die PSH („Katecholaminsturm“) macht sich klinischdurch Hypertonie, Tachykardie, Schwitzen undMydriasis bemerkbar und ist ein sehr häufig zu beob-achtendes Phänomen bei Patienten mit schwerer Hirn-schädigung [9]. Betroffene Patienten können myokar-diale Schäden erleiden und haben einen extremerhöhten Grundumsatz, der bei der Ernährung berück-sichtigt werden muss. Die HHA-Achse ist über eine

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Dysregulation der Ausschüttung des antidiuretischenHormons auch an den typischerweise vorhandenenElektrolytstörungen bei SHT-Patienten beteiligt (Dia-betes insipidus, Schwarz-Bartter-Syndrom, Salzverlust-syndrom).

Diagnostik

Nachdem Sedierung und frühe Schutzintubation beider Vor-Ort-Versorgung Standard sind, liegt die Erhe-bung des neurologischen Primärbefundes beim Not-arzt: Dieser Befund hat prognostische Bedeutung. Diemorphologische Akutdiagnostik des Neurotraumasberuht heute sonst auf schichtbildgebenden Verfahren.In der Neurotraumatologie treten einige Überwa-chungsverfahren hinzu, die der Besonderheit Rechnungtragen, dass die Funktion des Zielorgans ZNS unterAkutbedingungen in der Regel anästhesiologisch odertraumabedingt einer direkten klinischen Beurteilungnicht zugänglich ist (Prinzip der „black box“).

Klinische Untersuchung

Obwohl ursprünglich für Notfälle abseits der hierzu-lande üblichen Standards mit Narkose- und Intubati-onsbereitschaft vor Ort entworfen, ist der „GlasgowComa Score“ (GCS) nach wie vor Standard bei der neu-rologischen Erstbeurteilung am Unfallort [10]. Er hatprognostischenWert (Tab.1).

Bei intubierten und sedierten Patienten muss sich dieklinische Erstuntersuchung im Krankenhaus meist aufeine Erhebung äußerer Verletzungszeichen und einzel-ner neurologischer Kernbefunde beschränken:█ Prellmarken, Hämatome (auch Monokel- oder Bril-lenhämatom als Hinweis auf Frontobasisverletzun-gen)

█ offene Wunden, ggf. mit Fremdkörpern, Knochen-splittern oder Hirnmasse

█ Blutungen oder Liquorrhoe aus Nase oder äußeremGehörgang

█ Palpation knöcherner Stufen und Instabilitäten anNeuro- oder Viszerokranium

█ Pupillenstatus

Bildgebung

CCT, Angio-CT. Die CCT ist die schnellste Methode zurDarstellung akuter intrakranialer Verletzungsfolgen.Therapierelevante Blutungen, eine Schwellung, die

Verhältnisse in den Liquorkompartimenten und knö-cherne Verletzungen werden zuverlässig dargestellt.Die CT ist als Standarddiagnostik zu fordern, aber auf-grund der nach wie vor bestehenden (und infolge derMultislice-Technik zumindest nicht abnehmenden)Strahlenbelastung sorgfältig zu indizieren.

Die native Schädelaufnahme bietet demgegenüber

keinen diagnostischen Mehrwert und ist nicht mehr

indiziert.

Grenzen sind der CT in der tieferen hinteren Schädel-grube und am kraniozervikalen Übergang gesetzt, weildie hier kräftigen Knochenstrukturen durch Aufhär-tungsartefakte kleinere Veränderungen etwa im Hirn-stamm kaschieren können – diese haben aber in derRegel keine unmittelbare therapeutische Relevanz,sondern v.a. prognostischen Wert. Hier hilft die MRT.

Ein direkter Rückschluss aus der CT-Morphologie aufden intrakranialen Druck ist nicht möglich. Neben demCT-morphologischen Nachweis von Blutungen gibt esaber Indizien für einen Anstieg des intrakranialenDrucks (Abb.4 und Abb. 5):█ Einengung oder Verstreichen der basalen Liquor-zisternen

█ altersbezogen zu enge Ventrikel█ verstrichene Kortexgyrierung (insbesondere in denscheitelnahen Schichten)

█ verminderte Grau-weiß-Differenzierung als Zeicheneines Ödems

Tabelle 1

Glasgow Coma Score.

Augenöffnung Kommunikation Motorik Punkte

Aufforderungen werdenbefolgt

6

Konversation,orientiert

gezielte Schmerzabwehr 5

spontan Konversation,desorientiert

ungerichtete Schmerz-abwehr

4

nach Aufforderung Worte Beugesynergismen aufSchmerzreiz

3

auf Schmerzreiz Laute Strecksynergismen aufSchmerzreiz

2

keine keine keine 1

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Abb.4 Akutes Subduralhämatom mit Schwellung, Mittellinienverlagerung und aufgebrauchten inneren und äußeren Liquorräumen.

Abb.5 Epidurales Hämatom links temporal, Fraktur loco typico über der A. meningea media.

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Knöcherne spinale Verletzungen werden ebenfalls mitder CT nachgewiesen. Allerdings reicht der intraspinaleKontrast zwischen Blut und Rückenmark meist nichtaus, sodass bei neurologischer Auffälligkeit ohne knö-chernen Verletzungen eine MRT erforderlich wird.

Die sekundäre Zunahme von Kontusionsblutungen undÖdem in den ersten Stunden nach einem SHT ist dieRegel und macht bei auffälligem Befund im primärenCCT eine Kontrolldiagnostik binnen 4–8h auch dannerforderlich, wenn ein Patient nur wenig neurologischeAuffälligkeiten bietet (s.o.: „Talk-and-die“-Patient). Inden letzten Jahren zeichnet sich bei Polytraumapatien-ten eine unerwartet hohe Rate an Halsgefäßdissektio-nen mit der Gefahr zerebraler Infarzierungen ab. DieCT-Angiografie findet deshalb zunehmend Eingang indie Algorithmen der Polytraumadiagnostik.

MRT. Der erforderliche apparative Aufwand stellt dieMRT beim SHT des Erwachsenen in die zweite diag-nostische Reihe. Eingesetzt wird sie in der Sekundärdi-agnostik des SHT zum Nachweis computertomogra-fisch kaum darstellbarer Folgen beispielsweise einesDAI, aber auch bei unklaren Befunden am kraniozervi-kalen Übergang. Bei zu vermutenden spinalen Läsionenist die MRT hingegen Standard.

Bei Kindern spielt die Primärdiagnostik mit der MRT

aus Strahlenschutzerwägungen eine größere Rolle.

Für die große Zahl an speziellen Wichtungen und Dar-stellungsverfahren sei auf die Spezialliteratur verwie-sen. Die Ödemdarstellung gelingt gut in den T2- undFLAIR-Wichtungen (hyperintens), während Blutungenund deren unterschiedliche Resorptionsstadien in derT2*- und T1-Wichtung zu erkennen sind.

Überwachung. Im intensivmedizinischen Rahmenwäre eine kontinuierliche Überwachung der Stoff-wechsellage des gesamten Gehirns mit hoher örtlicherAuflösung anzustreben, um sekundären Hirnschädenbereits im Entstehen entgegenwirken zu können. EineMethode hierzu gibt es bislang nicht. Man behilft sichmit der Messung von Parametern mit absehbarem Ein-fluss auf die zerebrale Energieversorgung: intrakrania-ler Druck, Perfusion und Perfusionsdruck, Sauerstoff-partialdruck und -sättigung. ElektrophysiologischeUntersuchungen ermöglichen eine orientierende Beur-teilung der ZNS-Funktion unter intensivmedizinischenBedingungen.

Messung von intrakranialem Druck und zerebralem

Perfusionsdruck. Die Messung des intrakranialenDrucks gilt bei komatösen oder sedierten Patienten mitpathologischem Befund in der zerebralen Bildgebungals unverzichtbar – das hebt dies Verfahren aus denweiteren Überwachungstechniken heraus. Der intra-kraniale Druck ist ein robuster Prädiktor des Behand-lungsergebnisses nach Hirnverletzung, wobei inprospektiven Untersuchungen eine Schwelle von20mmHg ermittelt wurde [12]. Unterschiedliche tech-nische Ausführungen ermöglichen intraventrikuläre,intraparenchymatöse oder kombinierte Messungen.Die gleichzeitige Messung des mittleren arteriellenDrucks ermöglicht die Berechnung des globalen zere-bralen Perfusionsdrucks:

zerebraler Perfusionsdruck (CPP)=mittlerer arteriellerDruck (MAP) – intrakranialer Druck (ICP)

Die offene Messung des intraventrikulären Liquor-drucks über Wassersäule gilt als Goldstandard, istallerdings von der Durchgängigkeit der liquorführen-den Kompartimente abhängig – bei schwellungsbe-dingt ausgepressten Ventrikeln kann sie z.B. nichtfunktionieren. Die Nutzung intraparenchymatöserMesssonden bietet einen Ausweg. Solche Sonden müs-sen dann allerdings entweder langzeitstabil sein odereine Möglichkeit zur – am besten automatischen –

Nacheichung bieten.

Die Kompartimentierung des intrakranialen Raums

– insbesondere durch Falx und Tentorium – ist bei

der Interpretation des intrakranialen Drucks zu

berücksichtigen: Bei einer Drucksteigerung z. B. in

der hinteren Schädelgrube kann ein supratentoriell

gemessener intrakranialer Druck zu niedrig sein.

Dopplersonografie. Zur schnellen und groben Ein-schätzung der Durchblutungssituation bei bewusstlo-sen Patienten kann die transkraniale Dopplersonogra-fie über den Mediastromgebieten dienen. Bei Patientenmit Klinik und bildgebenden Befunden einer oberenoder unteren Einklemmung kann der Nachweis einesPendelflusses–pulssynchrones Pendeln der Blutsäulein einem Gefäß ohne Nettofluss (Abb.6) – eine Ent-scheidung bezüglich der Therapiefortführung unter-stützen. Diese Untersuchung ist auch als technischesVerfahren zum Nachweis der Unumkehrbarkeit einesklinischen Hirntodsyndroms bei der Hirntoddiagnostikzugelassen, allerdings bei bis zu 30% der Patienten z.B.wegen fehlendem Schallfenster nicht zuverlässigdurchzuführen. Sie erfordert deshalb Erfahrung beiDurchführung und Bewertung.

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Zerebrale Perfusionsmessung. Xenon-CTund Perfusi-ons-CTwerten die Kinetik der Anflutung eines rönt-gendichten Stoffes – entweder des Edelgases Xenonoder eines jodhaltigen Kontrastmittels–mit hoherräumlicher Auflösung aus. Eine Aussage ist jeweils fürdas gesamte Gehirn möglich, die Anwendung aber nurin gewissen Abständen zu wiederholen – typischer-weise innerhalb von Stunden bis Tagen.

Das Thermodiffusionsverfahren beruht auf dem Aufbaueines Temperaturgradienten zwischen 2 Punkten einerSonde, der mit einer schnelleren Wärmeableitung auf-grund einer besseren Perfusion des Gewebes zunimmt.Das Verfahren ist mittlerweile in einer klinisch an-wendbaren Tip-Sonde integriert. Es misst regional engbegrenzt, aber kontinuierlich. Die Sondenpositionie-rung richtet sich daher an besonders gefährdetenParenchymregionen aus.

Sauerstoffmessung. Die Messung der zerebrovenösenSauerstoffsättigung („jugular vein oxygen saturation“,SvjO2) führt man typischerweise mit einem fiberopti-schen Sensor im Bulbus v. jugularis durch. Sie lässtRückschlüsse auf die Sauerstoffausschöpfung des Blu-tes in den drainierten Arealen des Gehirns zu. Ein Abfallunter die normalen 70% zusammenmit einer Zunahmeder arteriovenösen Laktatdifferenz spricht für eineHypoxie. Das Verfahren ist technisch sehr anfällig, derAnteil der „time of good quality data“ an der Gesamt-messzeit liegt unter 50%.

Eine regional eng begrenzte, aber immerhin kontinu-ierliche Messung des ptiO2 ist mit polarografischenMikrosonden möglich. Auch hierbei ist die Sondenpo-sitionierung kritisch. Man platziert die Sonden eben-falls in die besonders gefährdeten Areale.

Elektrophysiologie. Das EEG zeigt bei einer zerebralenPerfusionsminderung unter etwa 15ml/min/g, aberauch bei zunehmender Sedierungstiefe eine Verlang-samung bis zum Erlöschen. Die Tiefe einer Barbiturat-narkose kann man anhand des EEG steuern (s.u.). EinNulllinien-EEG gilt im Rahmen der Hirntoddiagnostikbei Vorliegen des klinischen Hirntodsyndroms als Irre-versibilitätsnachweis.

Somatosensibel evozierte Potenziale sind der besteverfügbare Prognosewert bei komatösen Patienten. Beibis zu 80% der Patienten war die Vorhersage des Glas-gow Outcome Scores nach 18 Monaten korrekt [13].Das Erlöschen der somatosensibel evozierten Potenzia-le im Verlauf ist ein Irreversibilitätskriterium bei derHirntoddiagnostik.

Therapie

Die Mortalität des Schädel-Hirn-Traumas ist in denletzten Jahrzehnten immer weiter gesunken [14]. Dieshängt jedoch weniger mit der Einführung innovativerTherapieansätze zusammen, sondern vielmehr damit,dass die präklinische Versorgung effektiver gewordenist und die supportive Intensivtherapie Fortschrittegemacht hat. Diemeisten Therapiemaßnahmen, die zurRoutine bei der Behandlung von Patienten mit schwe-rem SHT gehören, sind streng genommen nicht hinrei-chend durch klinische Studien untersucht. Ein gutesBeispiel ist der Umgang mit dem intrakranialen Druck.Die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neuro-chirurgie (DGNC 2007) befürworten die Anlage einerintrakranialen Drucksonde unter bestimmten Umstän-den evidenzbasiert. Dennoch ist bisher jegliche Inter-vention zur Beeinflussung des intrakranialen Drucksoder zur Optimierung der zerebralen Perfusion beierhöhtem intrakranialem Druck im Hinblick auf diePrognoserelevanz nicht belegt–abgesehen von deroperativen Entlastung akuter Raumforderungen. Auchgeht die Überwachung des intrakranialen Drucks nichtunbedingt mit einem Prognosevorteil einher [15]. DieTherapie des schweren SHT sollte man daher nichtausschließlich leitliniengerecht, sondern auch nachindividuellen Kriterien durchführen.

Konservative Therapie

Intrakranialer Druck. Die Senkung eines erhöhtenintrakranialen Drucks ist unabhängig von der patho-physiologischen Rolle des zerebralen Perfusionsdrucksein wichtiges Therapieziel. Patienten, die auf eine The-

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VAbb.6 Pendel-fluss im transkra-nialen Doppler-sonogramm.

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rapie zur Senkung des intrakranialen Drucks anspre-chen, haben ein um 64% niedrigeres Sterberisiko [19].

Neben Allgemeinmaßnahmen gehören hier insbeson-dere Osmotherapeutika zum Therapiestandard (Abb.7).Während die Bolusgabe von Mannitol (0,25–1g/kgKGi.v.) bereits seit vielen Jahren für diese Indikation ein-gesetzt wird, gewinnt in letzter Zeit zunehmend auchhypertone Kochsalzlösung (HTS, z.B. 30ml NaCl 20%i.v.) an Bedeutung. Allerdings reicht die Datenlage füreine allgemeine Empfehlung noch nicht aus. In einerkürzlich publizierten Metaanalyse senkte HTS denintrakranialen Druck effektiver als Mannitol [20].

HTS sollte man insbesondere vor einer wieder-

holten Gabe von Mannitol in Erwägung ziehen, da

Mannitol im Hirngewebe akkumulieren und das

Ödem verstärken kann.

Im Gegensatz dazu wird befürchtet, dass HTS überschnelle Schwankungen der Natriumkonzentration imSerum Nervenschäden bis zur zentralen pontinenMyelinolyse verursachen könnte. Diese Nebenwirkun-gen sind bisher in klinischen Studien nicht beobachtetworden [20]. Dennoch sollte man bei schwerer Hypo-oder Hypernatriämie eine Therapie mit HTS vermei-den. Eine regelmäßige Kontrolle der Serumosmolaritätist ratsam.

Bei krisenhaften Anstiegen des intrakranialen Drucksoder akuter Einklemmungssymptomatik kann man biszum Ergreifen anderer Maßnahmen eine temporäre

Hyperventilation durchführen. Richtwert ist dabei einarterieller CO2-Partialdruck von etwa 30–35mmHg.Eine prolongierte Hyperventilation ist problematisch,da zum einen der senkende Effekt auf den intrakrania-len Druck nach 4–6h nachlässt und zum anderen dieresultierende zerebrale Vasokonstriktion mit Ischä-mien einhergehen kann. Der prognostische Nutzeneiner prophylaktischen oder längerfristigen Anwen-dung ist fraglich.

Über einen ähnlichen Mechanismus, nämlich über dieAlkalisierung des Blutes, wirkt Tris-Puffer (Trishydrox-ymethylaminomethan). Tris-Puffer infundiert man ineiner Dosierung bis 1mmol/kgKG/h. Dabei muss manden Serum-pH-Wert, den Kaliumspiegel und die Nie-renfunktion überwachen.

Darüber hinausgehende Therapieversuche können imEinzelfall indiziert sein, wenn andere Maßnahmenerfolglos bleiben und operative Optionen nicht (mehr)verfügbar sind. Die tiefe Sedierung mit Barbituraten

kann zwar den intrakranialen Druck senken, gehtjedoch mit nicht unerheblichen Nebenwirkungen, ins-besondere einer Hypotonie einher. Ziel ist ein Burst-Suppression-Muster im EEG im Verhältnis 1:1, wasden zerebralen Stoffwechsel senkt und über die meta-bolische Kopplung des zerebralen Blutflusses eine Ver-minderung des zerebralen Blutvolumens induziert.Dabei muss man auf die Gefahr einer arteriellen Hypo-tonie, einer Hypothermie und einer Hypokaliämie ach-ten. Zudem besteht eine vermehrte Infektanfälligkeit.Falls nach Sättigung keine Erniedrigung des intrakra-nialen Drucks erreicht wird, sollte man die Therapieabbrechen (Non-Responder).

Perfusionsdruck. Bei Patientenmit schwerem SHTstehtzunächst die Aufrechterhaltung der Homöostase (Nor-motonie, Normoxie, Normothermie) und die Vermei-dung bzw. frühzeitige intensivmedizinische Behand-lung typischer Komplikationen – insbesondere Infek-tionen, Gerinnungs- und Elektrolytstörungen – im Vor-dergrund. Darüber hinaus wird eine hirnprotektiveTherapie angestrebt. Dazu gehört insbesondere die

Allgemeinmaßnahmen keine weitereTherapie

keine weitereTherapie

ICP ≤ 20 mmHg

ICP ≤ 20 mmHg

LiquordrainageDekompression

ICP > 20mmHg

ICP > 20mmHg

ICP > 20mmHg

CCT?

(Re)-CCT?

Serum-Osmolarität < 320 mosm/l ?Hypovolämie?

konservativ

ICP ≤ 20 mmHg

Moderate Hyperventilation(pCO2 = 32–35 mmHg)

operativ

Mannitol (0.25–1g/kg iv)

▪ Operative Optionen?▪ Hypertone Kochsalzlösung?▪ TRIS-Puffer?▪ Hochdosis-Barbiturate?▪ Milde Hypothermie (33–34 C°)?▪ Forcierte Hyperventilation?

Operative und/oder konservative Therapie?

ICP > 20 mmHG(> 15 Minuten) ▪ Oberkörper hoch 30°

▪ achsengerechte Lagerung▪ ggf. Schmerztherapie, Sedierung▪ Normoventilation▪ Normotension▪ Normothermie

Abb.7 Stufenschema der Therapie des erhöhten intrakranialen Drucks. ICP: intrakranialerDruck (mmHg).

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Behandlung des erhöhten intrakranialen Drucks sowiedie Optimierung der zerebralen Oxygenierung überden zerebralen Perfusionsdruck. Auch wenn der Nut-zen der Therapie des zerebralen Perfusionsdrucksstreng genommen nicht gesichert ist, so erscheint espathophysiologisch insbesondere bei erhöhtem intra-kranialem Druck sinnvoll, den zerebralen Perfusions-druck in engen Grenzen zu halten.

Die Leitlinien empfehlen einen zerebralen Perfusions-druck von 50–70mmHg. Eine untere Grenze, dienoch nicht mit einer zerebralen Ischämie einhergeht,ist nicht gesichert und dürfte von Patient zu Patientunterschiedlich sein.

Eine übermäßige Volumen- und Katecholaminthe-

rapie zur Anhebung des zerebralen Perfusions-

drucks sollte man aufgrund der damit assoziierten

Komplikationen (z. B. ARDS) möglichst vermeiden.

Dem Lund-Konzept liegt die Auffassung zugrunde, dassnicht in erster Linie der Perfusionsdruck, sondernHirnödem und intrakranialer Druck die entscheidendeRolle für die zerebrale Oxygenierung spielen [16].

Körpertemperatur. Aus experimentellen Studien istbekannt, dass Fieber die Entstehung und Ausbreitungsekundärer zerebraler Schäden begünstigt und daherkonsequent behandelt werden sollte. Bis zu 70% derPatienten mit Schädel-Hirn-Trauma zeigen teils längeranhaltende Fieberphasen. Ätiologisch sind nur in etwader Hälfte der Fälle Infektionen dafür verantwortlich,vielfach bleibt die Ursache unklar. Eine mögliche Ursa-che ist eine Schädigung thermoregulatorischer Zen-tren– insbesondere im Hypothalamus. Zur Tempera-tursenkung setzt man Antipyretika, externe Kühlungs-maßnahmen oder kalte Infusionslösungen ein.

In den noch aktuellen Leitlinien der Brain TraumaFoundation aus dem Jahr 2007 [26] gibt es allerdingskeine allgemeine Empfehlung zur therapeutischenHypothermie bei SHT-Patienten. Klinische Studienlegen jedoch eine Verbesserung der neurologischenPrognose durch Kühlung nahe. Nach jetziger Datenlagesollte die Kühlung mindestens 48h andauern, die Kör-perkerntemperatur sollte auf 33–35°C gesenkt werdenund die Wiedererwärmung muss sehr langsam ablau-fen (ca. 1°C/4h) [18]. Zur Kühlung bietet sich analog zuden Empfehlungen nach Herz-Lungen-Wiederbelebungkalte Infusionslösung an.

Krampfprophylaxe und -therapie. Die prophylaktischeVerabreichung von Antiepileptika zur Vermeidung vonfrühen (innerhalb der ersten Woche) und/oder späten(nach der ersten Woche) posttraumatischen epilepti-schen Anfällen kann nach aktueller Datenlage nichtempfohlen werden. Phenytoin reduziert zwar die Inzi-denz früher Krampfanfälle, beeinflusst jedoch wederdie Prognose noch das Auftreten später Krampfanfällesignifikant [21]. Aufgrund der vielfältigen Nebenwir-kungen und Interaktionen von Phenytoin und der not-wendigen Spiegelkontrolle werden zur antiepilepti-schen Therapie heute zunehmend Antiepileptikabevorzugt, die ein günstigeres Nebenwirkungsprofilund eine einfachere Pharmakokinetik haben. Hierzugehören insbesondere Levetiracetam und Valproin-säure.

Blutglukose. Die Prävalenz einer Hyperglykämie beihirnverletzten Patienten ist hoch und diese scheintzudem mit einer ungünstigen Prognose assoziiert zusein [25]. Es ist allerdings unklar, ob die Hyperglykämiekausal die Prognose verschlechtert oder nur ein Markerfür die Schwere der Hirnverletzung ist.

In den Leitlinien wird eine intensivierte Insulin-

therapie nicht empfohlen.

Eine strenge Blutzuckereinstellung geht zudem mitdem Risiko einer Hypoglykämie einher, sodass deroptimale Glukose-Zielwert sowie das allgemeine Nut-zen-Risiko-Verhältnis der intensivierten Insulinthera-pie gerade bei Patienten mit neurologischen Grund-erkrankungen noch definiert werden muss.

Operative Therapie

Die neurochirurgische Therapie bei Verletzungen desZNS hat ein einfaches Prinzip: Fast immer ist eineDruckentlastung das Ziel – sei es die Entlastung einerBlutung, die Entfernung komprimierender Knochen-fragmente oder die Dekompression bei diffuser Hirn-schwellung.█ Ventrikeldrainage: Dient der offenen Messung desintrakranialen Drucks und kann durch eine Liquorab-leitung zur Entlastung eines erhöhten intrakranialenDrucks beitragen. Ein interstitielles Ödem kann beiniedrigem Ventrikeldruck entlang dem Druckgra-dienten in den Liquorraum drainieren. Der Eingriff istauch am Krankenbett möglich, wenn der Patient fürTransport und Umlagerung zu instabil ist.

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█ Blutungsentlastung: Beim epiduralen Hämatom inder Regel mit direkter Replantation des Knochens, beiakutem Subduralhämatom und Kontusionen zuneh-mend als Entlastungskraniektomie (s.u.).

█ Die operative Entfernung raumfordernder Kontusio-nen ist umstritten. Gute Belege für die Effektivitätdieses Vorgehens gibt es nicht, es wird aber insbe-sondere bei jungen Patienten als Ultima Ratio zuerwägen sein und wird dann –wenn überhaupt –meist in Verbindung mit einer Entlastungskraniek-tomie durchgeführt.

█ Entlastungskraniektomie: Insbesondere diffuse Ver-letzungen – etwa großflächige Kontusionen – lassensich nicht umschrieben chirurgisch therapieren undgeben daher Anlass zu einer Entlastungskraniekto-

mie. Damit soll Reserveraum für die Hirnschwellunggeschaffen werden, die ein stereotyper Teil der Ant-wort des Hirngewebes auf ein Trauma ist. Aus derNeurotraumatologie gibt es keine harte Evidenz fürdiese Maßnahme, man hat aber die Ergebnisse derDekompressionsstudien bei Hirninfarkten [23] alsvorläufiges Argument für die unilaterale dekompres-sive Kraniektomie auch beim SHT akzeptiert. EineExtremform ist die bifrontale (Abb.8) oder bilateraleKraniektomie wiederum v.a. bei jungen Patienten.Aktuelle Studien [24] sehen hier aber ein verbessertesÜberleben nur um den Preis schlechter klinischerErgebnisse – viele Überlebende nur im PVS – undwerfen die Frage nach der Vertretbarkeit auf.

Abb.8 Bifrontale dekompressive Kraniektomie.

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Interessenkonflikt: Die Autoren geben an, dass keinInteressenkonflikt besteht.

Über die Autoren

Henning Stubbe

Priv.-Doz. Dr. med. Jahrgang 1972.

1992–1999 Studium der Humanme-

dizin an der Westfälischen Wilhelms-

Universität Münster. 2000–2007

Facharztausbildung Anästhesie am

Universitätsklinikum Münster. 2007

Habilitation und Oberarzt an der Kli-

nik und Poliklinik für Anästhesiologie

und operative Intensivmedizin des

Universitätsklinikums Münster. Forschungsschwerpunk-

te: experimentelles Schädel-Hirn-Trauma, postoperative

kognitive Dysfunktion.

Johannes Wölfer

Dr. med. Jahrgang 1968. 1987–1994

Studium Humanmedizin an der West-

fälischen Wilhelms-Universität Müns-

ter. 1996 US-MLE. 1994–2001 Fach-

arztausbildung Neurochirurgie am

Universitätsklinikum Münster und im

Bundeswehrzentralkrankenhaus

Koblenz. 1997–1999 und 2000–2001

DFG-geförderte Aufenthalte im Insti-

tut für Neurophysiologie der Westfälischen Wilhelms-

Universität Münster, Forschungsschwerpunkt zerebrale

Ischämie. 2001 Oberarzt. 2006 Leitung der neurochirur-

gischen Intensivmedizin. Seit 2010 leitender Oberarzt.

Seit 2011 Leitung der Sektion Neuroonkologie der Klinik

für Neurochirurgie am UK Münster.

Korrespondenzadresse

Priv.-Doz. Dr. med. Henning Stubbe

Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und

operative Intensivmedizin

Universitätsklinikum Münster

Albert-Schweitzer-Str. 33

48149 Münster

E-Mail: [email protected]

Kernaussagen

Schwere Schädel-Hirn-Traumen sind auf-

grund verkehrspräventiver Maßnahmen

rückläufig. Allerdings erreichen auch

Schwerstverletzte heute die Klinik, da Ver-

besserungen der Notfallversorgung die

präklinischen Überlebenschancen deutlich

erhöht haben. Risikoprofile, Unfall- und

Verletzungsmuster haben sich entspre-

chend gewandelt. Die Behandlung des

SHT im Rahmen einer Polytraumaversor-

gung oder vor dem Hintergrund erhebli-

cher Komorbiditäten ist die Regel.

Die Hirnverletzung ist mit dem Initialtrau-

ma nicht abgeschlossen. Sekundäre zere-

brale Schäden können durch verschiedene

Mechanismen ausgelöst werden. Neben

bekannten Risikofaktoren wie dem erhöh-

ten intrakranialen Druck und einer zere-

bralen Hypoperfusion wurden Vorgänge

auf molekularer Ebene identifiziert, die am

Prozess der Hirnschädigung beteiligt sind.

Am besten untersucht ist die Exzitotoxizi-

tät.

Die initiale Diagnostik findet beim schwe-

ren Schädel-Hirn-Trauma in der Regel in

der Schockraumphase statt. Das CCT,

häufig kombiniert mit einer CT-Angiogra-

fie zum Ausschluss von Gefäßdissektio-

nen, ist die schnellste Untersuchung zur

Darstellung akuter Verletzungsfolgen. Die

MRT wird bei speziellen Indikationen ein-

gesetzt.

Im intensivmedizinischen Verlauf setzt

man neben der Schnittbildgebung multi-

modale Überwachungsverfahren ein. Das

nach wie vor wichtigste dieser Verfahren

ist die Messung des intrakranialen Drucks

mit einer intrakranialen Drucksonde. Ist

der intrakraniale Druck zu hoch, besteht

die Gefahr einer Ischämie und zerebralen

Herniation. Eine Überwachung und ggf.

Verbesserung des zerebralen Perfusions-

drucks zur Optimierung der Hirnperfusion

gerade bei erhöhtem intrakranialem

Druck wird empfohlen, allerdings ist die

optimale Strategie zur Hirnprotektion

nach wie vor umstritten.

Die Therapie eines erhöhten intrakrania-

len Drucks erfordert eine enge interdis-

ziplinäre Abstimmung und umfasst kon-

servative und chirurgische Maßnahmen.

Bei den konservativen Therapieansätzen

stehen nach wie vor Osmotherapeutika an

erster Stelle. Die operative Therapie hat

grundsätzlich fast immer ein einfaches

Ziel: die Druckentlastung des Hirnparen-

chyms. Indikation und optimaler Zeit-

punkt für eine dekompressive Kraniotomie

sind nach wie vor unklar.

DanksagungWir danken dem Institut für Klinische Radiologie amUniversitätsklinikumMünster (Direktor Univ.-Prof. Dr.med. W.-L. Heindel) für die freundliche Genehmigungder Bildverwendung.

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CME-Fragen

█1Ein Patient mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma entwickelt einen deut-lich erhöhten intrakranialen Druckaufgrund eines Hirnödems. WelcheAussage zur Therapie ist richtig?

A Der Kopf sollte zur Perfusionsverbesserung möglichst tief gelagert werden.

B Es sollte ein zerebraler Perfusionsdruck von über 70mmHg angestrebt werden.

C Ein Barbiturat-Koma mit Burst-Suppression-EEG ist die Behandlung der Wahl.

D Eine Hyperventilation sollte über mindestens 24h durchgeführt werden.

E Die i. v. Bolusgabe von Mannitol kann das Hirnödem vermindern.

█2Welche Aussage zur zerebralenHerniation ist falsch?

A Die unkale Herniation ist in der Regel die Folge einer temporalen Raumforderung.

B Die einseitig weite Pupille ist häufig die Folge einer Kompression des N. opticus.

C Die Herniation muss nicht unbedingt mit einem deutlichen Anstieg des intrakraniellen Druckseinhergehen.

D Die subfalzine Herniation kann eine Kompression der A. cerebri anterior verursachen.

E Eine Herniation kann akut lebensbedrohlich sein.

█3Was zählt nicht zu den Ursachensekundärer Hirnschäden nach einemschweren Schädel-Hirn-Trauma?

A Exzitotoxizität

B Hypotonie und Hypoxämie

C diffuse axonale Schädigung (DAI)

D Neuroinflammation

E Erhöhung des intrakranialen Drucks

█4Welche Aussage zu systemischenAuswirkungen der Hirnschädigungist richtig?

A Nach einer Hirnschädigung ist häufig eine Immunsuppression nachweisbar.

B Pneumonien sind eher untypisch für Patienten mit SHT.

C Die paroxysmale sympathische Hyperaktivität (PSH) kann durch Sedierung leicht durchbrochenwerden.

D Die PSH entsteht meist als medikamentöse Nebenwirkung.

E Das renale Salzverlustsyndrom ist meist traumatisch bedingt.

█5Was erhöht das zerebrale Blut-volumen bei intakter zerebralerAutoregulation nicht wesentlich?

A arterielle Hypotonie

B Hyperkapnie

C Azidose

D Steigerung des zerebralen Metabolismus

E Volumentherapie

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CME-Fragen Schädel-Hirn-Trauma beim Erwachsenen

█6Welche Aussage zum Unfall-geschehen in Deutschlandist richtig?

A Die meisten Unfallopfer sterben im Straßenverkehr.

B Opfer von Verkehrsunfällen sind meist jünger als 20 Jahre.

C Die meisten Unfälle mit Todesfolge geschehen am Arbeitsplatz.

D Die häufigste Unfallursache mit Todesfolge ist der Sturz.

E Die meisten Unfallopfer sind jünger als 65 Jahre.

█7Welche Aussage zur operativenTherapie des SHT ist richtig?

A Neurochirurgische Maßnahmen versuchen, die primäre Hirnschädigung zu vermindern.

B Eine globale Hirnschwellung kann durch eine rechtzeitige Dekompressionskraniektomieverhindert werden.

C Die Entlastungskraniektomie gilt als validierte Maßnahme zur Vermeidung sekundärerHirnschäden.

D Eine externe Ventrikeldrainage ermöglicht die subdurale intrakraniale Druckmessung.

E Die neurochirurgische SHT-Therapie soll in der Regel eine Senkung des intrakranialen Drucksbewirken.

█8Welche Aussage zu Verfahren desNeuromonitorings ist richtig?

A Ein Nulllinien-EEG ist zur Feststellung des Hirntodes erforderlich.

B Der Verlauf des intrakranialen Drucks bei SHT-Patienten lässt Vorhersagen zum klinischenBehandlungsergebnis zu.

C Xenon- und Perfusions-CT ermöglichen eine kontinuierliche Darstellung der Hirnperfusion mithoher örtlicher Auflösung.

D zerebraler Perfusionsdruck (CPP)= intrakranialer Druck (ICP)–mittlerer arterieller Druck (MAP)

E Polarografische Mikrosonden ermöglichen eine zuverlässige Beurteilung des globalen zerebralenStoffwechsels und sind daher das Standardverfahren zur Prognoseabschätzung.

█9Welche Aussage zur Notfall-diagnostik beim SHT ist richtig?

A Die CCT ermöglicht eine verhältnismäßig genaue Aussage zum intrakranialen Druck im Momentder Bildgebung.

B Kalottenfrakturen der Schädelbasis sind Domäne der MRT.

C Eine CCT mit geringen Verletzungsfolgen nach SHT macht eine spätere Verschlechterungunwahrscheinlich.

D Ein unauffälliges CCT schließt interventionspflichtige Blutungen mit hoher Wahrscheinlichkeit aus.

E Intrakraniale Blutungen sind mit dem MRT kaum darstellbar.

█10Welche Aussage zur Pathologieder Verletzungsfolgen nach SHTist richtig?

A Ein epidurales Hämatom ist eher beim jüngeren Menschen zu erwarten.

B Hirnkontusionen markieren den Auftreffpunkt der auf den Kopf einwirkenden Gewalt.

C Das akute Subduralhämatom findet sich kaum beim jüngeren Menschen.

D Kontusionen sind der Gruppe „sekundärer Hirnschäden“ zuzurechnen.

E Eine schwere Symptomatik (Bewusstlosigkeit, Hirnnervenstörungen) ohne sicherenCT-morphologischen Befund deutet auf einen Contre-Coup-Mechanismus hin.

Operative Intensivmedizin

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