Schatzkammer Sachsen-Anhalt

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Diese Titel-Grafik zum Auftakt der MZ-Serie „Schatzkammer Sachsen-Anhalt“ gestaltete der hallesche Grafikdesigner Professor Joachim Dimanski.

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MZ-Sonderbeilage zu den kulturellen Schätzen Schätzen des Landes

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Diese Titel-Grafik zum Auftakt der MZ-Serie „Schatzkammer Sachsen-Anhalt“ gestaltete der hallesche Grafikdesigner Professor Joachim Dimanski.

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Tangermünde im Norden Sachsen-Anhalts ist die Stadt der Backstein-Gotik. Gut erhalten sind die mächtigen Stadtmauern und zahlreiche Stadttore sowie eine große Burganlage. FOTO: HUK

MITTELDEUTSCHE ZEITUNGSCHATZKAMMER SACHSEN-ANHALT2

Gerhard Ecke zeigtals MuseumsführerGästen den Münzen-berg in Quedlinburg.Er wurde hier gebo-ren und lebt nochheute dort. SEITE 6

Ranger Lothar Händ-ler weiß, wo im Bio-sphärenreservat ander Mittelelbe dieBlaue Iris blüht undder Eisvogel nach Fi-schen jagt. SEITE 8

Thomas Fischer hältmit dem Verein Mans-felder Bergwerksbahndie Erinnerung an einStück mitteldeut-scher Industriekulturlebendig. SEITE 7

HalloSchatz!Zugegeben, bei diesem Ausruf den-ken viele bestimmt nicht zualler-erst an unser Bundesland Sachsen-Anhalt. Fast zu Unrecht, denn esgibt schon sehr, sehr viele histo-risch wertvolle Dinge hier zu entde-cken und zu bestaunen. Teilweisesind sie - wie die Himmelsscheibevon Nebra - einzigartig in Deutsch-land, Europa und der Welt. Und esgibt kaum ein Kreuzworträtsel, indem nicht immer wieder nach derNaumburger Domfigur Uta oderdem Harz gefragt wird.

Journalistinnen und Journalistender Mitteldeutschen Zeitung warenin den vergangenen Wochen alsSchatzsucher unterwegs, um fürunsere Leserinnen und Leser inter-essante Geschichten über Landund Leute aufzuspüren.

Manches wird Ihnen vielleichtbekannt erscheinen. In dem einenoder anderen Museum waren Siewahrscheinlich auch schon einmal.Doch immer wieder werden Siebeim Lesen der Texte einen Aha-Ef-fekt erleben. Sie werden etwasneues erfahren, wenn wir überwertvolle Schätze aus Gold und Sil-ber, Burgen und Schlösser als Mo-numente der Macht, interessanteLandschaften, Industriedenkmälerund die Menschen, die damit zutun haben, berichten. Versprochen.

Mit dieser Beilage startet heutedie neue Serie „SchatzkammerSachsen-Anhalt“. MZ-Mitarbeiterin-nen und -Mitarbeiter haben dafürrecherchiert, fotografiert und Grafi-ken sowie Karten angefertigt. ZweiMal pro Woche möchten wir Ihnenbis zu den Sommerferien im JuliSchätze aus allen Teilen unseresBundeslandes übersichtlich undunterhaltsam vorstellen. Dabeiwird auch der Service einen wichti-gen Platz in der Serie bekommen,damit Sie Ihre Ausflüge zu denspannenden Orten richtig gut pla-nen können.

Wir würden uns sehr freuen,wenn es dann nach dem Lesen derArtikelfolge heißt:

Hallo Schatz - wollen wir unsdas nicht mal ansehen?

IhrHartmut AugustinChefredakteur

Eine SchatzkammerSACHSEN-ANHALT Weltbekannte Kunstwerke und einmalige Landschaften gehören zum

Magdeburger Dom und der Kaiserpfalz Memleben sind bedeutende Kapitel deutscher Geschichte

VON GÜNTER KOWA

Schätze suchen in Sachsen-An-halt, wo fängt man an, wo hörtman auf? Irgendwo im Wald

bei Querfurt, im Ziegelrodaer Forst,dachten sich zwei Männer, die ineiner Sommernacht des Jahres1999 mit Metalldetektoren und un-lauteren Absichten loszogen. Sinnfür die detailversessene Grabungs-technik der Archäologie hatten dieRaubgräber nicht, aber eine ge-naue Vorstellung davon, wo in derRegion das kulturelle Gold im Bo-den liegt. Sie fanden die Himmels-scheibe von Nebra. Nun, da dieBronzescheibe sicher im Landes-museum für Vorgeschichte in Halleliegt, findet der Besucher dank derjüngst wunderbar aufbereitetenSammlung schnell heraus, warumsie mit ihrer verschlüsselten Him-melskunde zwar weltweit einma-lig, in diesem Haus aber nur ein Be-leg unter vielen für die reiche Sied-lungsgeschichte Mitteldeutsch-lands ist. Kostbarkeiten wie etwader Silberschatz aus dem Fürsten-grab von Gommern nebst vielfa-chen Einblicken in Lebensformender Frühzeit machen das Museumso anziehend. Allerdings fielen re-gionale Sammlungen etwa in Bit-terfeld und Salzwedel aus dem Ras-ter der Förderpolitik des Landesund führen ein Schattendasein.

Erst die Gesamtschau zeichnetein Bild von einst blühenden Kultu-ren an Elbe, Saale, Unstrut undWeißer Elster. Ihr Wohlstandkommt buchstäblich aus der Erde,aus der Fruchtbarkeit wasserrei-cher Gebiete und urbaren Acker-lands, aus den Silber- und Kupfer-minen sowie den Salzquellen, dieeinst so wertvoll waren wie heute

das Erdöl. Von Anfang an verban-den Verkehrswege die Zentren derfrühen Zivilisationen über weiteRäume miteinander. Im 19. Jahr-hundert wurde die Braunkohlezum Treibstoff der Industrialisie-rung der Städte, während der Sie-geszug der Zuckerrübe für Wohl-stand auf dem Land sorgte.

Dies sind die materiellen Vor-aussetzungen für die geschichtli-chen Prozesse, die sich im geografi-schen Raum Mitteldeutschlandüber Jahrhunderte hinweg mit an-scheinend unerschöpflicher Dyna-mik immer wieder neu belebten.Dass Sachsen-Anhalt vier Welter-bestätten aus ebenso vielen Epo-chen zählt, und dass zwei weitereStätten den Antrag bei der Unescovorbereiten, ist keine Frucht ge-schickter Lobbyarbeit, sondern einweiterer, werbetauglicher Nach-weis für diese geschichts- und kul-turtreibenden Kräfte.

Reisen durch dieses Land bietenmehr als aneinandergereihte Se-

henswürdigkeiten. So wie derSchlossberg von Quedlinburg fürden Mythos vom Anfang des deut-schen Königtums steht, so erzäh-len die Gräber der Ottonen in Mag-deburg und Memleben von der Ost-expansion und dem Traum vomneuen römischen Kaisertum aufdeutschem Boden. Die finale Kata-strophe dieser Expansion im Drit-ten Reich ist regional allerdingsauch zu besichtigen - in den Spurenvon Himmlers Germanenkult inder Quedlinburger Stiftskirchezum Beispiel, und den Konzentra-tionslagern von Buchenwald bisDora-Mittelbau.

Im vielgestaltigen kulturge-schichtlichen Profil Mitteldeutsch-lands erweist sich, dass im Mittel-alter die Bindekräfte der kaiserli-chen Idee letztlich zu schwach wa-ren, zum Vorteil für den Adel, denKlerus und die Städte. Der sprich-wörtliche Flickenteppich der Klein-staaterei wird zum Erkennungs-merkmal der Region über viele

Jahrhunderte. Die Rivalität vonFürsten, Bischöfen, Äbten und deraufstrebenden Bürgerschaft be-scherte ihr freilich auch eine Blüteder Künste. Die aufgeteilte Erbfolgeder augustäischen Dynastie Sach-sens ließ in Weißenfels, Zeitz undMerseburg operettenhafte Mär-chenschlösser entstehen, das Fürs-tentum Anhalt teilte sich in üppigeSeitentriebe in Köthen, Bernburg,Zerbst, Plötzkau und Ballenstedt.Diese Residenzen waren die Ein-fallstore für Renaissance und Ba-rock, ihr Mäzenatentum erstrahltein der Musik von Heinrich Schützund Johann Sebastian Bach. In Wit-tenberg investierte Kurfürst Fried-rich der Weise den Landesreich-tum aus dem Bergbau in die Grün-dung der Universität, wo Lutherund Melanchthon der Reformationden Boden bereiteten.

Den Glanz dieser Höfe mit ihrenSammlungen, Schatzkammern, Bi-bliotheken und Archiven lässt dasgroßzügig ausgestattete Museum

im Merseburger Schloss erahnen,andere Häuser spiegeln eher den fi-nanziellen und personellen Not-stand der MuseumslandschaftSachsen-Anhalt. Natürlich ist auchvieles im Dreißigjährigen und an-deren Kriegen untergegangen, sodass man nach Dresden und erstrecht ins viel weniger bekannte Go-tha fahren muss, um zu ermessen,was höfische Kultur bedeutete. An-halt-Dessau aber, trotz der kriegs-zerstörten Stadt und Residenz,wahrt die Höhepunkte zuerst desholländischen Einflusses inSchloss Oranienbaum, dann der in-tellektuell verfeinerten Interessenim Zeitalter der Aufklärung: imSchloss Wörlitz einen Hymnus aufdie antikenverliebte Italiensehn-sucht, im Park den Reflex einer Be-wunderung für den freiheitlichenGeist Englands.

Doch was haben erst die Macht-haber der Kirche diesem Land hin-terlassen! Thietmar von Merseburg(975-1018) oder Erzbischof Wich-mann von Magdeburg (1116-1192)waren Kirchenfürsten, die ihre Ter-ritorien stärkten. Baulich hatte Ot-to der Große neue, an Rom orien-tierte Maßstäbe aufgestellt. In sei-ner Magdeburger Pfalz standenzwei gewaltige Kirchen nebenein-ander, von denen jüngste Ausgra-bungen mittlerweile ein Bild über-bordender Pracht zeichnen. In derGernröder Stiftskirche, begonnenum 960, könnte ein Echo dieserBauwerke zu vernehmen sein, wieneuere Forschungen vermuten.

Zu ungleich größerer Pracht-und Machtentfaltung aber stieg dasFrauenstift Quedlinburg auf. 936von der Witwe Heinrichs I. gegrün-det, wurde es von ihrem Sohn, Kai-ser Otto, verschwenderisch be-

ONLINE

Netz-SchätzeFür eine Schatzkammer brauchtman einen Schlüssel. Wir habeneinige Webseiten zusammenge-stellt, die als Türöffner für Sach-sen-Anhalt hilfreich sind. Das mit-telalterlich-romanische Erbe desLandes ist unter www.strasse-der-romanik.net zu finden.

Historischen Bauten widmetsich die Stiftung Dome undSchlösser auf ihrer Homepagewww.dome-schloesser.de. EineÜbersicht über Parks und Gärtendes Landes ist unter der Adressewww.gartentraeume-sachsen-an-halt.de zu begutachten.

Die Seite www.blauesband.deversammelt eine Vielzahl touristi-scher Informationen rund um dasWasser.

Zum Schluss sei auf ein Ange-bot der MZ hingewiesen. Das re-gionale Digital-Nachschlagewerkwww.sachsen-anhalt-wiki.delädt nicht nur zum Stöbern, son-dern auch zum Mitmachen ein.Wer sich anmeldet, kann das Lexi-kon aktiv mitgestalten.

ORTE DER GESCHICHTE

Vierfaches Weltkulturerbe in Sachsen-AnhaltDas Unesco-Welterbe setzt sich aus demWeltkulturerbe und dem Weltnaturerbe zusam-men. Insgesamt umfasst die Welterbe-Liste 911Denkmäler in 151 Ländern.Davon sind 704 als Kulturdenk-mäler und 180 als Naturdenk-mäler gelistet, weitere 27Denkmäler werden sowohl alsKultur- als auch als Naturerbegeführt.

Ziel der Titelvergabe ist es,die Kultur- und Naturgüter derMenschheit, die einen außer-gewöhnlich universellen Wert

besitzen, zu erhalten. Deutschland ist mit 33 Welter-bestätten auf der Liste vertreten, vier davon befin-den sich in Sachsen-Anhalt. Dazu zählen Stiftskir-

che, Schloss und Altstadtvon Quedlinburg (seit 1994),die Bauhaus-Stätten in Des-sau (seit 1996), Martin-Lu-ther-Gedenkstätten in Eisle-ben und Wittenberg (seit1996) und seit 2000 dasGartenreich Dessau-Wörlitzeinschließlich das Biosphä-renreservat Mittelbe (Foto:das Wörlitzer Schloss.

Hartmut Augustin

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RÄTSEL

NeunfacheChance zumGewinnenMZ-Quiz startet heute und wird bis zum 8. Juli laufen.Wer sich auskennt in der GeschichteSachsen-Anhalts kann beim Schatz-kammer-Quiz gewinnen. In dieserBeilage ist der Start. Auf den Seiten6 bis 10 findet sich je eine Frage.

Am kommenden Dienstag startetdann eine achtteilige MZ-Serie, diebis 8. Juli 2011 jeweils Dienstag undFreitag weitere Schätze vorstelltund je eine Quizfrage anbietet.

Um zu gewinnen, gibt es zwei Mög-lichkeiten. Erstens kann man dieAntworten auf alle fünf Fragen die-ser Beilage einschicken. Zweitensist es möglich, jede Quizfrage in denacht Serien-Teilen einzeln zu beant-worten und die Antworten einzelneinzusenden.

Gewinner werden einmalig gezogenaus den Einsendungen zum Quiz die-ser Beilage und jeweils aus den acht

Fragen der Serie. Es gibt also einemehrfache Gewinnmöglichkeit.

Gewinne beim Beilagen-Quiz:

Zwei Mal je einNavigationsgerät

Zwei Mal je einFernglas

Zwei Mal je einFotoapparat

Bei richtigen Antworten auf die Fra-gen in der Schatzkammer-Serie gibtes acht MZ-Entdecker-Pakete zu ge-winnen. Sie enthalten Bücher, diedabei helfen, Sachsen-AnhaltsSchätze zu erkunden.

Ihre Antworten auf die Fragen dieserBeilage sowie der Serie bitte an:

Mitteldeutsche Zeitung, 06075,Kennwort Schatzkammeroder: [email protected]

Einsendeschluss für das Beilagen-Quiz ist der 20. Juni 2011(Datumdes Poststempels).

Für alle Fragen der Schatz-Kammer-Serie ist Einsendeschluss am 15. Ju-li 2011 (Datum des Poststempels).

Der Ermittlung der Gewinner erfolgt unter Aus-schluss des Rechtsweges. Bei Sachpreisen istkeine Barauszahlung möglich. Die Gewinner wer-den schriftlich benachrichtigt. Sie sind mit einerVeröffentlichung ihres Namens in der Mitteldeut-schen Zeitung einverstanden.

MITTELDEUTSCHE ZEITUNG SCHATZKAMMER SACHSEN-ANHALT 3

Christian Juranek istDirektor eines Re-kordhalters: Kein an-deres Schloss imLand hat so viele Be-sucher wie das inWernigerode. SEITE 9

Harald Meller ist Chefvom Landesmuseumfür Vorgeschichte. Erbehütet die Himmels-scheibe. Grabräuberwollten sie zu Geldmachen. SEITE 10

Spuren aus der TiefeDie Archäologen im Land bringen bedeutende Funde ans Tageslicht - und schreiben damit Geschichte.

VON ANNE BÖTTGER

Wer hätte das gedacht. Mar-tin Luther, seinerzeit Au-gustinermönch, Theolo-

gieprofessor und Reformator, warein Schummler. Hatte er dochüber seine Kindheit gejammert,über die ärmlichen Verhältnisse,in denen er aufwachsen musste.Die Archäologen des Landesamtesfür Archäologie und Denkmal-schutz sind dem Schwarzmalerauf die Schliche gekommen. Im15. Jahrhundert hätte das wohl tat-sächlich niemand gedacht.

2003 war es, als die Forscher inMansfeld bei einer Grabung einealte Abfallgrube entdeckten. Inihr: Der Müll der Familie Luther.„Der Abfall gibt Aufschluss überdie Lebensweise des jungen Refor-mators, seinen Geschwistern undEltern“, sagt Mirko Gutjahr vomLandesmuseum. Teure Gläser undTafelmesser, Silbermünzen,Schmuck und Tierknochen kamenans Tageslicht. Die Familie leistetesich offenbar das teure Fleischjunger Schweine, jagte und ver-zehrte Singvögel. Aus Aufzeich-nungen geht hervor, dass MartinLuthers Vater Hans Viertelsmeis-ter (heute etwa Bezirksbürger-

meister) der Kernstadt Mansfeldwar - von Armut keine Spur.

Jährlich wächst das Fundregaldes Landesmuseums um knapp ei-nen Kilometer. Knochen, Kerami-ken, Steine und Münzen sammelnsich dort an. 160 Grabungen führ-ten die Archäologen im vergange-nen Jahr durch. „In Sachsen-An-halt wird überdurchschnittlichviel gefunden“, sagt Museums-sprecher Alfred Reichenberger.Das liege unter anderem an den

guten Böden, die das Land zum be-vorzugten Siedlungsgebiet mach-ten.

Diesen Vorzug scheint auch ei-ne andere Familie, die noch weitvor Luther lebte, für sich entdecktzu haben, über deren Schicksaldie Wissenschaftler noch rätseln.In Eulau bei Naumburg stießen dieArchäologen im Jahre 2008 auf et-wa 4 500 Jahre alte Gräber. In ei-nem davon lagen ein Mann, eineFrau und zwei Kinder begraben.

DNA-Analysen ergaben, dass essich um eine Familie gehandelthaben muss, die ermordet wordenwar. Pfeilspitzen steckten noch inden Skeletten. Die Wissenschaft-ler gehen heute davon aus, dass essich bei den Toten um die ältestebekannte Kernfamilie der Welthandelt - gefunden in Sachsen-An-halt. Honoriert wurde die Arbeitder Archäologen mit der Einstu-fung des Fundes zu den zehn be-deutendsten des Jahres 2008 - zu-

sammen mit der Entdeckung desWassers auf dem Mars.

Dabei entdeckten die Forscherim gleichen Jahr noch einen weite-ren Schatz: Im Magdeburger Domstießen Archäologen auf einenBleisarg, der die sterblichen Über-reste der Königin Editha, Gemah-lin König Otto I. des Großen (ab936 deutscher König und ab 962Kaiser des heiligen RömischenReiches) beinhaltete. Anhand derKnochen der im Alter von 36 Jah-ren gestorbenen Frau konnten An-thropologen aus Deutschland undEngland die Lebensgeschichte derVerstorbenen rekonstruieren.

Ein anderes Frauengrab fandendie Forscher 2007 im TagebaufeldProfen. Schmuck und Trachtenaus Gold mit einem Gewicht vonetwa 400 Gramm machten denFund zum bislang reichsten Frau-en grab der frühen RömischenKaiserzeit im freien Germanien. InLützen dagegen kamen Zeitzeu-gen eines grausamen Krieges ansLicht. Gewehrkugeln, Uniform-und Rüstungsteile zeugen von derSchlacht des Dreißigjährigen Krie-ges im 17. Jahrhundert, in derSchwedenkönig Gustav II. Adolfzusammen mit 6 500 Kriegernsein Leben lassen musste.

mitten in DeutschlandReichtum des Landes. Mit dem Schlossberg von Quedlinburg, demverbunden. Zahlreiche Zeugen Jahrhunderte alter Industriekultur prägen die Region.

schenkt, wovon die magisch inGold und Elfenbein schimmerndenKostbarkeiten des Domschatzes er-zählen. In ottonische Zeit reichenauch die Anfänge des Halberstäd-ter Domschatzes zurück, wo Bi-schof Bernhard 965 den Neubaumit Macht vorantrieb. Mit demReliquienkult und seinen Gefäßenin grandiosen Goldschmiedearbei-ten fängt es an, und immer mehrprachtvolle Schenkungen in Formvon Elfenbeintafeln, Messkelchen,Silberschalen und kultischen Ge-wändern kommen hinzu. Dass neu-erdings auch in Naumburg undMerseburg Domschatzkammern zusehen sind, istden Bemühun-gen der Dom-stifter zu dan-ken. Jedenfallssind es die Bau-werke, die land-auf, landab bezeugen, zu welcherBlüte das Land im Mittelalter auf-stieg. Kloster Jerichow ist ein Höhe-punkt der Romanik, die Gotiktriumphiert in den Domen vonMagdeburg und Naumburg. DieBildhauerwerkstätten schaffen mitden Magdeburger Jungfrauen undden Naumburger Stifterfigurenausdrucksstarke Werke der Bild-plastik.

Den Weg zur Neuzeit und Mo-derne freilich gingen in erster Liniedie Städte. Die Unabhängigkeit derurbanen Stände spiegeln die Stadt-tore von Stendal und Tangermün-de, den handwerklichen Stolz dasFachwerk von Quedlinburg undOsterwieck. Im Stendaler Dom sindes die Zünfte, die nach 1420 dieGlasfenster stiften, den großartigs-ten Zyklus von Glasmalerei, dendas Land aus dem späten Mittelal-

ter besitzt. Lokale Adelsgeschlech-ter, aber auch andere betuchte Ge-meindemitglieder sind es, die abdem 18. Jahrhundert dafür sorgen,dass die Region auch zu einer derbedeutendsten OrgellandschaftenEuropas aufsteigt, mit den Instru-menten Friedrich Ladegasts ausWeißenfels an der Spitze. Die Or-gelwerkstätten im Land bilden soetwas wie einen anachronistischenGegenpol zum Industriezeitalter,in das die Region mit der Energieaus seinen damals weltgrößtenKohlekraftwerken aufbricht.

Halle, Bitterfeld, Dessau undMagdeburg sind die Hochburgen

der Gründerzeitund vollziehenzugleich denUmbruch in dieModerne - nichtnur am Bauhausin Dessau, son-

dern zum Beispiel auch in BrunoTauts Wohnsiedlungen in Magde-burg.

Noch einmal spiegelt sich einZeitalter in der Kunst, zu betrach-ten in den Sammlungen am Bau-haus und im LandeskunstmuseumMoritzburg in Halle. Da baute MaxSauerlandt vor dem ersten Welt-krieg jene pionierhafte Sammlungvon expressionistischer Malereiauf, von der trotz der Aktion „Ent-artete Kunst“ beeindruckende Res-te zu sehen sind.

Nach Bad Frankenhausenschließlich fährt, wer in WernerTübkes singulärem Panoramabilddas Verständnis von geschichtli-cher Herkunft in den Blick nehmenwill, das die DDR für sich bean-spruchte - ein Geschichtsbild, dasnicht von ungefähr aus mitteldeut-schen Quellen schöpft.

MZ-Serie startet am 14. Juni

Für Luther wird in Wittenberg die halbe Stadt auf denKopf gestellt. Man baut um, um das Erbe der Reforma-tion noch eindrucksvoller präsentieren zu können. Mitdiesem Thema setzt am kommenden Dienstag dererste Teil einer achtteiligen MZ-Serie das Thema die-ser Beilage fort. Erscheinungstage sind jeweils Diens-tag und Freitag, der letzte Teil erscheint am 8. Juli. MitReportagen und viel Service wird u.a. über den Natur-park Saale-Unstrut-Triasland, den Domschatz in Hal-berstadt sowie das Bauhaus Dessau geschrieben.

Das dreibändige Prachtexemplar der Cranach-Bibel von 1541 - hier ein Detail - gehörte zum Besitz von FürstGeorg von Anhalt. Die Bände waren Jahrzehnte in den Händen verschiedener Besitzer. Seit Jahresbeginn sind siewieder Eigentum der Anhaltischen Landesbücherei. FOTOS: ANDREAS STEDTLER (4), THOMAS KLITZSCH (1)

Bei Bauarbeiten ander künftigen ICE-Strecke Erfurt - Hal-le/Leipzig wurdeunweit von Merse-burg das größte Be-stattungsfeld Sach-sen-Anhalts ent-deckt. Die über1 000 Jahre altenGrabanlagen(Auschnitt) wurdenvon halleschenArchäologen imVorjahr bei Wünschausgegraben. FOTOS (4): ARCHIV

Im Mittelalter erlebtMitteldeutschland seine Blütezeit.

Impressum

Chefredakteur:Hartmut Augustin

Konzept und Koordination:Hans-Ulrich Köhler

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SCHATZKAMMER SACHSEN-ANHALT4 5

FOTOS: GITTE KIESSLING UND STEFFI SCHRAMM

Ein Duo ander Saale104 Stufen muss der Besu-cher hinaufsteigen, dannkann er vom Turm der Ru-delsburg (links im Bild) rundums Jahr den herrlichenAusblick auf das lauschigeSaaletal genießen. Dabei hater zugleich auch die stolzeNachbarin im Blick: BurgSaaleck (im Bild rechts), dienur wenige hundert Meterentfernt stromaufwärts derSaale oberhalb von Bad Kö-sen im namensgebenden Ortthront. Ihr Charakteristikumsind die beiden weithin grü-ßenden Bergfriede. Die Ru-delsburg übrigens gilt alsdie Schönste unter den Saa-le-Burgen. Schon im frühen19. Jahrhundert zog sie Stu-denten aus Halle, Leipzigund Jena an. Während einerRast auf der Burg soll derHistoriker Franz Kugler1826 das Lied „An der Saalehellem Strande“ verfasst ha-ben. Die Rudelsburg istganzjährig, Burg Saaleck bis31. Oktober geöffnet.

www.rudelsburg.comwww.burg-saaleck.info

GelungenerBrückenschlagIm Stil der Frührenaissanceerrichtet, gilt die Moritzburg- hier ein Blick in den Innen-hof - als eines der imposan-testen Bauwerke von Halle.Der Grundstein für die spä-tere Residenz der Magdebur-ger Erzbischöfe wurde 1484gelegt. Seit dem 19. Jahr-hundert beherbergt das be-festigte Schloss ein überre-gional bedeutsames Kunst-museum. Um die Ausstel-lungsfläche zu erweitern,wurden von 2005 bis 2008Nord- und Westflügel um-und ausgebaut. Das Landes-kunstmuseum Moritzburgmit seinen mehr als 100 000kunsthistorischen Schätzenpräsentiert sich als Zentrumder Klassischen Moderne. Zubesichtigen sind u. a. dieSammlung Gerlinger sowierund ums Jahr Sonderaus-stellungen wie derzeit „DerGlanz der Macht. KaiserlichePretiosen aus der WienerKunstkammer“. Montags istdas Museum geschlossen.

Mehr Informationen unter:www.stiftung-moritzburg.de

Die Burgim WeinlandDie Neuenburg oberhalb desWinzerstädtchens Freyburgzählt zu den beeindru-ckendsten BurganlagenSachsen-Anhalts und isteine Station an der Straßeder Romanik. Im Jahre 1090vom Thüringer Grafen Lud-wig der Springer gegründet,erhebt sie sich imposantüber den Weinhängen. AlsKleinod gilt die um 1180 er-richtete Doppelkapelle. Vonehemals drei Bergfriedenkönnen die Gäste den aufder Vorburg errichteten „Di-cken Wilhelm“ besteigenund die Aussicht auf das Un-struttal genießen. Lohnendsind ein Blick ins Burg-Mu-seum, der Besuch der Kin-derkemenate sowie die Ver-anstaltungen, die gern auchins Mittelalter entführen. Sofinden hier an diesem Wo-chenende die Pfingst-Ritter-Spiele statt. Die Burg-Toresind ganzjährig geöffnet,z. B. von April bis Oktobertäglich von 10 bis 18 Uhr.

Weitere Informationen unter:www.schloss-neuenburg.de

Diese und weitere Panoramen vonSchlössern und Burgen in Sach-

sen-Anhalt finden Sie unter:www.mz-web.de/panoramabilder

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MITTELDEUTSCHE ZEITUNGSCHATZKAMMER SACHSEN-ANHALT6

Bei der Wiederherstellungder Klosterkirche auf demQuedlinburger Münzen-berg wurden auch Reliefsentdeckt (links). Sie sindheute im Museum zu se-hen, das in der Klosterkir-che eingerichtet wordenist. Zum Erhalt dieses be-deutsamen Ensembleswurde die treuhänderi-sche Stiftung „Kloster St.Marien auf dem Münzen-berg“ gegründet. Sie wirdvon der Deutschen Stif-tung Denkmalschutz ver-waltet. Das Foto rechtszeigt eines der schmucksanierten Fachwerkhäu-ser, die das Bild des Mün-zenbergs prägen.

OTTONEN

TausendjährigeHistorieDie Unesco-Welterbestadt Quedlin-burg liegt an der Straße der Roma-nik. Von ihrer mehr als tausendjäh-rigen Geschichte erzählen heutenoch die romanische StiftskircheSt. Servatius auf dem Schlossberg,die Krypta der Wipertikirche unddie Reste des Marienklosters aufdem Münzenberg. Das Kellerge-wölbe im Schlossmuseum stammtaus ottonischer Zeit und ist nachumfangreicher Sanierung wiederfür die Öffentlichkeit zugänglichgemacht worden. Besucher könnensich dort auf die Spuren der Otto-nen begeben, deren Geschichtedort ausführlich dargestellt wird.Spezielle Stadtführungen an denWochenenden widmen sich den Ot-tonen und schließen eine Besichti-gung des berühmten Quedlin-burger Domschatzes mit ein. Nichtweit von Quedlinburg entfernt lie-gen weitere romanische Bauwerke:Die Stiftskirche St. Cyriakus inGernrode beherbergt die deutsch-landweit älteste Nachbildung desHeiligen Grabes in Jerusalem.

Der Dom ist von April bis OktoberDienstag bis Sonnabend 10 bis 16 Uhr

geöffnet, Sonn- und Feiertags 12 bis 16 Uhr.

SERVICE

Bergtheater undFeininger lockenDas Nordharzer Städtebundtheaterbietet mit Großem Haus und Kam-merbühne zwei Spielstätten inQuedlinburg. Zum Repertoire gehö-ren Ballett, Musiktheater undSchauspiel. Im Sommer ist das En-semble samt Orchester im HarzerBergtheater Thale zu erleben.Die Lyonel-Feininger-Galerie istdie bedeutendste der vielen Gale-rien der Stadt. Sie zeigt Werke desdeutsch-amerikanischen Künstlersund wechselnde Sonderausstellun-gen. Derzeit wird das Werk von Fei-ningers Sohn T. Lux präsentiert.

Mehr Informationen gibt es unter:www.quedlinburg.de

www.feininger-galerie.dewww.nordharzer-staedtebundtheater.de

FRAGE 1

1715 wurde inQuedlinburg eineFrau geboren, dieals erste Ärztin InDeutschland denDoktortitel erwarb. Wer war dieseFrau?

A Christiane Vulpius

B Katharina von Bora

C Dorothea von Erxleben

Ihre Antworten bitte an: Mitteldeut-sche Zeitung, 06075 Halle, Kenn-wort Schätze oder per Mail an:[email protected]. Einsendeschlussist der 20. Juni 2011

Die Auslosung erfolgt unter Ausschluss des Rechtswe-ges. Bei Sachpreisen ist keine Barauszahlung möglich.Bei den Einsendungen gilt das Datum des Poststempels.Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Sie sindmit der Veröffentlichung ihres Namens in der Mitteldeut-schen Zeitung einverstanden.

Kleinodauf dem Berg

FACHWERK IN QUEDLINBURG Der Münzenberg gehörtzu den schönsten Teilen der Weltkulturerbestadt.

VON RITA KUNZE

Wer ihn erobern will, brauchtordentlich Puste: Genau107 Treppenstufen über

der Stadt Quedlinburg liegt derMünzenberg. Er befindet sich amWestrand der Stadt auf Augenhöhemit dem Schlossberg, der jedochweitaus bekannter ist. Dabei stehtder Münzenberg der großen touris-tischen Attraktion in nichts nachund ist Teil des Weltkulturerbes. Erhat sein eigenes Flair. Sobald dieersten wärmenden Sonnenstrahlenauf die roten Ziegeldächer fallen,weht ein Hauch mediterranen Le-bensgefühls durch seine blumen-geschmückten engen Gassen.

„Ich finde es hier seit 50 Jahrenschön“, sagt Gerhard Ecke undlehnt sich auf der kleinen Bank imSchatten der Klosterkirchenmau-ern zurück. Links protzt eine alteKletterrose mit ihren dicken rosa-roten Blüten, am Haus gegenüberkonkurrieren Blumen in Terrakot-ta-Kübeln mit ihrer Farbenprachtum die Aufmerksamkeit der Besu-cher. Ecke führt Gäste gern durchsein Viertel, das keine Straßenna-men kennt, nur Hausnummern. Beider 63 ist Schluss.

Der Mittfünfziger ist hier gebo-ren und „der einzige Münzen-berger, der noch in seinem Ge-burtshaus wohnt“, betont er. Hieroben kennt er fast alle mit Namen.105 oder 106 Menschen - so genauweiß er das jetzt nicht - wohnen aufdem Münzenberg, viele schon ihrLeben lang. „Die Leute lieben ihrZuhause, das sieht man an denHäusern“, sagt Ecke und deutet aufdie herausgeputzten Fassaden.

Das sei schon zu DDR-Zeiten sogewesen. Auch wenn es damalsschwer war, die Fachwerkbauten

in Schuss zu halten. Es herrschteMangel an Dachziegeln, Kalk undHolz. Das ein oder andere Haus istauch zerfallen, weil es keine Erbengab, die sich darum kümmernkonnten.

Das Viertel liegt außerhalb deralten Stadtmauern; in früheren Zei-ten eine Armeleutegegend, welchedie braven Bürger von Quedlinburgmieden. „Hier wohnten einfacheHandwerker, Hausierer und Bettel-musikanten“, erzählt GerhardEcke. „Tagsüber nahmen die Leutein der Stadt ihre Dienste in An-spruch, aber abends wurden sie vordie Tore geschickt.“

Dabei war der Berg doch einst-mals ein Ort der Ehrfurcht: Äbtis-sin Mathilde, Schwester Kaiser Ot-tos II., ließ hier nach dem Tod ihresBruders ein Kloster zu Ehren derHeiligen Maria errichten. Das warim Jahr 986. Seitdem lebten dortBenediktinerinnen, bis die Refor-mation im 16. Jahrhundert dem einEnde setzte. 1523 wurde das Klos-ter aufgegeben, und aus seinenMauersteinen bauten sich die

Ärmsten ihre Häuser: klein,schlicht und eng aneinander ge-schmiegt. Kloster und Kirche gerie-ten in Vergessenheit. Sie ver-schwanden schlichtweg durch dieBebauung. Ecke berichtet vomHaus Nummer zwölf, dessen Kellerin der einstigen Kirche lag.

Auch heute noch gelangt man-cher nur durch die ehemalige Klos-teranlage in sein Haus. Wie inein-ander geschachtelt liegen die Häu-ser auf dem Berg. Das mutet laby-rinthisch an, doch Ecke führt seineGäste zielsicher durch das Gemäu-er, das zum Museum geworden ist.

Der Mittfünfziger ist der Mu-seumsführer. Schnell geht er dieStufen hinauf und hinab, öffnet Tü-ren und zieht gewandt den Kopfein, wenn die Durchgänge mittelal-terliche Maße annehmen. Er er-klärt die Bedeutung der Reliefs,Steine und anderen Überreste, diein Vitrinen ausgestellt werden,aber manchmal auch einfach an dieMauern gelehnt sind.

Seit Mitte der 1990er Jahre wirddie Klosterkirche St. Marien stück-

chenweise wieder ans Licht geholt.Ecke war von Anfang an dabei. Erhalf mit, als „der Professor“, wie erden größten privaten Sanierer aufdem Münzenberg respektvollnennt, anfing hier zu arbeiten:Siegfried Behrens, einstiger Chef-arzt einer Unfallchirurgischen Kli-nik im westfälischen Lemgo, hatte1994 bei einem Kurzbesuch inQuedlinburg den Münzenberg fürsich entdeckt. Bis dahin hatte erHäuser in seiner Heimat saniert,Nun wollte er etwas für die Welt-kulturerbestadt tun und kaufte einHaus auf dem Münzenberg.

Welche Folgen das haben würde,konnte der Professor der Medizindamals nicht absehen: Bei denArbeiten wurde die Krypta der Kir-che freigelegt. Archäologen legenseitdem die Münzenberger Ge-schichte frei. „Baustellen erregenimmer Neugier, und als klar war,dass daraus ein Museum werdensoll, habe ich gleich zugesagt“, er-innert sich Ecke an seine erstenStunden als Fremdenführer. „Dasist ja ein Stückchen von meinem

Zuhause, und die Leute merken,dass da mein Herz dran hängt.“

Gleichwohl hat er viel lesen undlernen müssen: „Es gibt nichtsSchlimmeres, als wenn Sie daste-hen und mit den Schultern zuckenmüssen, wenn Touristen Fragenstellen.“ Bis zu 30 Besucher führter täglich durch das Museum. Vielefragen gezielt nach dem Kloster.Für Aufsehen sorgen immer wiederdie Kopfnischengräber, die vonArchäologen gefunden wurden.Vermutlich hatten sich wohlhaben-de Bürger diese besondere Art derBestattung gegönnt, die man heutedurch eine dicke Glasscheibe imFußboden hindurch betrachtenkann - mitsamt der sterblichenÜberreste: „So etwas haben diemeisten noch nie gesehen.“

Während ein Großteil der Anlagebereits museumsreif gestaltet wor-den ist, versetzen Archäologen der-weil noch die Westkrypta zurückins 11. Jahrhundert. Der Gebäude-teil diente zuletzt als Keller und La-gerraum. Der Fußboden hielt denBelastungen nicht stand und wirdnun mit jenem Mittel wieder herge-stellt, das schon zu Äbtissin Mathil-des Zeiten auf Baustellen üblichwar: eine schlammfarbene Masse,die nach dem Trocknen einen eben-mäßigen Fußboden abgibt.

Als nächstes soll die Ostkryptaerschlossen werden. „Wir wollenkeine neue Kirche bauen, sondernmöglichst viel vom alten Bestandzeigen“, erklärt Ecke.

Für ihn gibt es keinen schönerenOrt. „Hier wohnen wir so dicht,dass alle aufeinander Rücksichtnehmen müssen. Die Leute sindfreundlich zueinander und man hatauch mal Zeit, miteinander zu re-den. Und: Hier können Sie mit offe-ner Haustür schlafen.“

Museumsführer Gerhard Ecke steht über einem Kopfnischengrab in der Klosterkirche. FOTOS: ANDREAS STEDTLER

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Page 6: Schatzkammer Sachsen-Anhalt

Mit Dampf indie GeschichteMANSFELDER BERGBAU Ein Verein hält die Tradition derältesten betriebsfähigen Schmalspurbahn Deutschlands wach.

VON MARLENE KÖHLER

Das Tuten eilt der Lok voraus.Lange schon, bevor sie an derStation Siersleben halt

macht, ist sie zu hören. Zeit für dieHobbyfotografen, sich in Positur zubringen. Dann schnauft die Dampf-lok Nummer 9 heran und hüllt,weil eine Windböe das gerade sowill, ihre Fans in eine dunkle Wol-ke. Die Männer aus Bremen, Nie-dersachsen und Rheinland-Pfalzertragen es tapfer. Dafür sind sievon weither gekommen. Um Dampfzu schnuppern beim großen Eisen-bahnfest der Mansfelder Berg-werksbahn (MBB), um die ausge-klügelte Technik der ältesten be-triebsfähigen SchmalspurbahnDeutschlands zu bestaunen.

Die gut zehn Kilometer zwischenKlostermansfeld und Hettstedtpendeln die Züge an jedem Sams-tag, am ersten Sonnabend des Mo-nats werden sie von Dampfloks ge-zogen, aber immer laden sie ein zueinem Ausflug in die Vergangen-heit. 1880 eingeweiht, wurde zu-nächst eine fünf Kilometer langeStrecke in Betrieb genommen. Um1925 hatte die Bergwerksbahn mitetwa 90 Kilometern Streckenlängeihre größte Ausdehnung erreicht.

Bis zu Beginn der 90er Jahrewurde noch in zwei Schächten Erzgefördert, bis 1989 noch zwei Hüt-ten betrieben, dann hatte sich derDaseinszweck der Bahn erfüllt.Doch die Angehörigen der Werks-bahn wollten sich nicht damit ab-finden, dass 800 Jahre Bergbautra-dition im Mansfelder Land einfachsang- und klanglos verschwinden.Sie gründeten 1991 einen Verein,der die Bahn mit ihren Gleisanla-gen, Bauten und Fahrzeugen mög-lichst in ihrer Gesamtheit bewah-ren will. Und so können dort, woeinst tausende Tonnen Kupfer-schiefer transportiert wurden undBergleute zu ihren Schächten fuh-ren, heute Touristen in die Ge-schichte des Landstrichs eintau-chen.

„Einfach toll, wie liebevoll hieralles restauriert ist“, sagt der Ver-waltungsangestellte Ulrich Tackaus Hannover. Für ein langes Him-melfahrtswochenende ist er mit einpaar Schmalspurbahn-Freundengekommen, die Schätze der Indus-triekultur in Harz und MansfelderLand haben es ihnen angetan. Aufder Website des Vereins Mansfel-der Bergwerksbahn e. V. hatten sievon dem Fest erfahren und davon,dass die Bahn Teil der Glück-Auf-

Tour (GAT) ist, die durch zwölfBergbaugebiete Mitteldeutsch-lands mit 67 Stationen führt.

In Klostermansfeld bewundernsie einige ausgestellte Lok-Raritä-ten, auch die schottische Dampflo-komotive 140 C 27 mit deutschemTender, die hier in den letzten fünfJahren durch die MaLoWa-Bahn-werkstatt für ihren Einsatz in Süd-frankreich wieder flott gemachtwurde. Und sie staunen darüber,dass bis hin zu den Bahnsteigen al-les wieder so hergestellt wurde,wie es früher einmal war.

Dafür engagieren sich die 84Mitglieder im Verein, sie halten u.

a. den Fuhrpark am Laufen. Derumfasst zwei Dieselloks und dreioriginale Dampfloks - darunter dielegendäre Schlepptenderlok Nr.20. Nach ihrem Unfall 2009 inSachsen soll sie zu den Modell-dampftagen im August auf ihrer al-ten Strecke wieder in Betrieb ge-nommen werden. Auch sieben Per-sonenwagen gehören zu den Mans-felder Schätzen, wobei die beiden1901 in Breslau und 1951 in Gothafür die Bergwerksbahn gebautenWagen einzigartig sind. Bei Extra-fahrten oder Zugreisen mit Infor-mationen weist Betriebsleiter Tho-mas Fischer seine Fahrgäste gern

darauf hin, dass ihr Wagen vor-übergehend mal als Ziegenstalldiente und dass die originale Bier-Maserung des Holzes mittelsDachshaarpinsel erreicht wurde.

Mit anderen „Eisenbahnverrück-ten“, wie sie sich selber nennen, istder 46-Jährige mehrmals im Monatauf Tour, erzählt den Fahrgästenüber Bergbau- und Bahngeschich-te, und ein wenig schwingt die Sor-ge um den Nachwuchs mit, der mitComputern groß wird. Ihm entgehtetwas, denn so eine Dampfeisen-bahn, sagt er, spreche alle fünf Sin-ne an: „Sie zischt, riecht und strahltWärme aus, man kann sie sehen,

fühlen und sogar schmecken.“ Erweist die Reisenden auf die Land-schaft zwischen Halden und Wind-rädern hin, auf die 70 Jahre altenKirschbäume am Wegesrand unddie Aufforstung vom Vorjahr unddie majestätischen Flügelschwün-ge der Greifvögel. Ja, ganz soschnell sind wir nicht, sagt Fischer,30 Kilometer pro Stunde ist dashöchste der Gefühle, und das istgut so. Dafür können wir aber lau-ter pfeifen, und die Lokführer ma-chen davon kräftig Gebrauch.

Stefan Wilke, Doktor der Che-mie, ist einer der Lokführer im Ver-ein. Schon immer habe ihn dieBahn fasziniert, erzählt er, bewun-dernd habe er den Zügen mitDampflok nachgeschaut, die dichtam Garten der Großeltern vorbei-schnauften. Später verdiente sichder Student in den Ferien in Staß-furt und im Geiseltal als Heizer einpaar Mark. Was sich für Laien ge-fährlich anhört, dass er auf einerKohlenstaub-Lok arbeitete, bedeu-tete für ihn das größte Glück, näm-lich „die Gelegenheit, einen Dino-saurier zu reiten“.

Nach der Wende trafen sich inKlostermansfeld immer die glei-chen Leute, sagt Wilke, Thomas Fi-scher habe sie um sich geschartund die ersten Fahrten organisiert.Im Jahr 2000 absolvierte Wilke dieAusbildung zum Lokführer, seit-dem fährt er bis zu 15 Mal im Jahr,Dampf- oder Dieselloks, je nach-dem, was im Plan steht. Das schöneGefühl, wenn sich die Leute an denBahnsteigen drängeln, ihm unter-wegs zuwinken, wenn die Kinderstaunen, so wie einst er gestaunthat, das möchte er nicht mehr mis-sen. Natürlich sei es auch das Inter-esse an der gesamten Bergbau-Ge-schichte, die den Hallenser nachseiner Arbeitswoche im zwei Auto-stunden entfernten Waldheim im-mer wieder ins Mansfeldischezieht, die Gegend mit den vielen In-dustriedenkmalen.

Ein ganz Besonderes wartet ander Bahnstrecke auf Erkundung.Vom Haltepunkt Eduardschachtaus sind es nur zehn Minuten zuFuß bis zum Mansfeld-MuseumHettstedt. Hier steht die erste deut-sche Dampfmaschine WattscherBauart von 1785, die 200 Jahre spä-ter im Mansfeld-Kombinat original-getreu nachgebaut wurde. Wenngenügend Besucher da sind, wirddie Maschine in Bewegung gesetzt,liefert sie mit ihren Kolben undPumpen ein einzigartiges Schau-spiel.

MITTELDEUTSCHE ZEITUNG SCHATZKAMMER SACHSEN-ANHALT 7

Bis 15. Oktober verkehrenjeden Samstag Züge derMansfelder Bergwerksbahnmit Dieselloks, an jedemersten Samstag im Monatund bei Festen fahrenDampfloks und ziehen be-sonders viele Besucher an(Foto oben). Eisenbahnbe-triebsleiter Thomas Fischerist fast immer mit von derPartie, hier in einem restau-rierten historischen Wagender Bergwerksbahn (Fotolinks). Der Chemiker Dr. Ste-fan Wilke kann Dampf- undDieselloks fahren, seit 20Jahren gehört er dem VereinMansfelder Bergwerksbahnan (Foto rechts). FOTOS (3): MAK

In unmittelbarer Nähe zur Hett-stedter Dampfmaschine könnenBesucher vor dem so genanntenHumboldtschlösschen - in demes u.a. wechselnde Kunstaus-stellungen gibt - gewaltige Ma-schinen bestaunen, mit denenfrüher Kupfer verarbeitet undveredelt wurde. Ehemalige Hüt-tenarbeiter führen Besucher.

Auf den Spuren des Kupfers

INDUSTRIEKULTUR

Bergleute prägtenMansfelder LandÜber 800 Jahre wurde im Mansfel-der Land Kupferschiefer gefördertund verarbeitet. Neben den riesi-gen, kegelförmigen Abraumhaldender letzten Jahrzehnte ist die ganzeGegend mit unzähligen kleinen Hal-den früherer Abbauepochen über-sät. 40 Jahre lang prägten in derDDR das Mansfeld-Kombinat bzw.seine Vorläuferbetriebe sowie diebeiden Kupferschächte in Nieder-röblingen und Sangerhausen die Re-gion. In den beiden Kupferschiefer-Schächten in Sangerhausen undNiederröblingen wird seit 1991 bzw.1992 nicht mehr gefördert. Kupfer-schiefer wurde dort in Tiefen bis zu1 000 Meter gewonnen und dann inHelfta zu Erz verhüttet.

Nach der Wende ging das Kombi-nat in zahlreichen Unternehmen auf.Das größte entstand im ehemaligenWalzwerk Hettstedt und ist heuteals MKM GmbH mit über 1 000 Be-schäftigten ein führender europäi-scher Hersteller von Vorproduktenund Halbzeugen aus Kupfer undKupferlegierungen.

SERVICE

Seilfahrt hinabzum KupferflözZahlreiche Vereine bemühen sich,bergmännische Traditionen zu be-wahren. Im Röhrig-Schacht Wettel-rode (www.roehrig-schacht.de)wird in einem Schaubergwerk dar-gestellt, wie Kupfererz gefördertwurde. Mit der Mansfelder Berg-werksbahn können Besucher Orte

der Kupferverarbeitung sowie dasMansfeld-Museum (www.mans-feld-museum-hettstedt.de) errei-chen (www.bergwerksbahn.de).Spezielle Angebote macht auch derInteressenverein Bergbau(www.glueck-auf-tour.de).

Das Mansfeld-Museum befindet sich inHettstedt, Schloßstraße 7,

Tel. 03476-200753. Geöffnet ist es Mittwochbis Sonntag von 10-16 Uhr

Das Bergbaumuseum Wettelrode befin-det sich zehn Autominuten nördlich von

Sangerhausen, Tel. 03464-587816. Geöffnetist im Juni, Juli und August Dienstag bis Sonn-tag von 9.30 - 17 Uhr.

FRAGE 2

Zwei Bergknappenaus dem Jahr 1199gelten als Begrün-der des Mansfel-der Bergbaus. Wieheißen sie?

A Bogumil und Balthasar?

B Nappian und Neucke?

C Johannes und Paulus?

Ihre Antworten bitte an: Mitteldeut-sche Zeitung, 06075 Halle, Kenn-wort Schätze oder per Mail an:[email protected]. Einsendeschlussist der 20. Juni 2011

Die Auslosung erfolgt unter Ausschluss des Rechtswe-ges. Bei Sachpreisen ist keine Barauszahlung möglich.Bei den Einsendungen gilt das Datum des Poststempels.Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Sie sindmit der Veröffentlichung ihres Namens in der Mitteldeut-schen Zeitung einverstanden.

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Im Mansfeld-Museum Hettstedtwurde 1985 ein Nachbau der ers-ten deutschen DampfmaschineWattscher Bauart aufgestellt. DasOriginal diente ab 1785 auf demKönig-Friedrich-Schacht dazu,Wasser aus der Tiefe hinauf zupumpen. In den Folgejahren wur-den in ganz Deutschland solcheMaschinen gebaut. FOTOS: ARCHIV

In Wettelrode, wenige Kilometernördlich von Sangerhausen, kön-nen Besucher in ein 283 Metertiefes Schaubergwerk einfahren,das 1987 eröffnet wurde. DerRöhrig-Schacht ist der einzigenoch zugängliche Schacht derRegion. Ein Museum erklärt überund unter Tage die Technik desKupfererzabbaus.

Page 7: Schatzkammer Sachsen-Anhalt

Schmuckstückeim AuenwaldWELTNATURERBE Das Biosphärenreservat Mittelelbe beherbergt eine ganze Reihewertvoller Pflanzen und Tiere, die anderswo kaum noch zu finden sind.

VON MARKUS WAGNER

Diese Schatzkammer ist riesig.Auf 126 000 Hektar dehnt siesich aus. Die Hauptstadt Ber-

lin würde hier anderthalb Mal rein-passen. Vom östlichsten Ende beiPretzsch bis zum westlichsten Zip-fel nahe Wittenberge wäre es selbstmit dem Fahrrad eine mehrtägigeTour. Allein 1 000 Pflanzen- und250 Vogelarten bevölkern dasgrößte Gebiet Mitteleuropas, indem Hartholzauenwälder zusam-menhängend wachsen. Das Bio-sphärenreservats Mittelelbe istTeil des Unesco-Welterbes Garten-reich Dessau-Wörlitz.

„Das Reservat ist eine Schatz-kammer“, sagt Naturwacht-Mit-arbeiter Lothar Händler beim Spa-ziergang am Kapengraben naheOranienbaum. Der Laie dagegenläuft an einem kleinen Bach ent-lang und sieht vor allem eines:Wald. Sehr grün, sehr schön, aberwertvoll? Händler reißt drei Halmeaus. „Gras ist nicht gleich Gras“,sagt er. Er hat Klein-Rispengras,Knaulgras und Weiches Honiggrasin der Hand. „Jede Art ist Nah-rungsgrundlage für andere Insek-ten“, sagt Händler. Fehlt die eineArt, verschwindet die andere.

Händler und seine Kollegen ha-ben solche Beispiele selbst erlebt.Als das Jahrhunderthochwasserabgelaufen war, fehlte plötzlich derMoorbläuling an mancher Stellevor dem Deich, weil eine Ameisen-art die Flut nicht überstanden hat-te. Doch ohne die Ameisen, die dieRaupe des Schmetterlings von derBlüte des Großen Wiesenknopfsweg adoptieren (und ihre Brut fres-sen lassen) kann sich der Schmet-terling nicht fortpflanzen - wasdem Wiesenknopf wiederum scha-det. „Stirbt eine Art aus“, sagtHändler, „leiden zehn weitere dar-unter.“

Und genau deshalb ist das Bio-sphärenreservat so wertvoll. Ge-schütze Arten gibt es hier reich-lich, sogar Pflanzen, die einst alsverschollen galten. Der Knoten-beinwell zu Beispiel, den die Natur-schützer schon verloren sahen -und der nun wieder an wenigenStellen gedeiht. Zu sehen bekom-men das die Besucher in freier Na-tur allerdings kaum. „Der besteSchutz ist, die Standorte nicht be-kannt zu machen“, sagt Händler.Denn nicht nur sorglose Blumen-freunde, die eine Blaue Iris ausrei-ßen, nur weil sie so schön ist, ge-fährden die letzten ihrer Art.

„Wir hatten auch schon Fälle, beidenen ganz bewusst seltene Pflan-zen ausgegraben worden sind“,sagt Händler. Der Unterschied zurSchatzkammer: „Wir können nichtalles einzäunen.“ Also bleibt zuhoffen, dass das Seeadlernest un-entdeckt bleibt, der zweiblättrigeBlaustern im Verborgenen blühtoder der Eisvogel ungestört jagenkann. Am besten geht das in denKernzonen. Drei Prozent der Ge-samtfläche sollen so unberührt wiemöglich vor sich hin wachsen.Wanderer sind da nicht erwünscht,

Wissenschaftler brauchen eine Ge-nehmigung, „wir Ranger müssennatürlich nachschauen, ob alles inOrdnung ist“. Insgesamt 15 000Hektar Naturpark sind jedem Ran-ger zugeteilt. Die müssen auf dieBeschilderung achten, Wiesen kar-tieren, Besucher führen und Ver-stöße ahnden.

Die gibt es. Quad-Fahrer, die denDeich umpflügen. Hungrige Natur-freunde, die unbedingt ein Würst-chen grillen wollen. Autofahrer, dieauf Wegen durch die „Biosphäre“Zeit sparen: Es kommt schon vor,dass die Ranger eingreifen müs-sen, sagt Händler. Für die Übeltäterkann es teuer werden. „Angeln imNaturschutzgebiet ist zum Beispieleine Straftat“, warnt Händler. Emp-findliche Geldstrafen drohen.

Wer in der Schatzkammer nichtunangenehm auffallen will, bleibtam besten auf den ausgezeichne-ten Wanderwegen. 13 hat die Re-servatsverwaltung ausgewiesen.Natürlich nicht an den wertvolls-ten Beständen vorbei, „aber sehenkann man hier auch einiges“, versi-chert Händler. Teichschachtelhal-me zum Beispiel, die zeigen, dassder Landeskulturgraben ökolo-

gisch gut in Schuss ist. OderSpechtlöcher an Solitäreichen, indenen der Eichenheldbock haust.Eichen sind die typischen Bäumefür die Elbaue zwischen Witten-berg und Dessau - im Gegensatz zuMonokulturen aus Pappeln, Erlenund Kiefern, die einst als Nutzholznahe der Kapenmühle gepflanztworden sind. Händler zeigt auf wildwachsenden Baldrian, schüttelt dieBlüte des Klappertopfs, um zu er-klären, woher die Pflanze ihren Na-men hat. Hier wächst Bärenschoteam Wegesrand, dort lässt der Schä-fer dank Vertragsnaturschutz auf„wechselfeuchten Mähwiesen“ sei-ne Tiere grasen.

Gerade wegen dieser Wiesenwar das Biosphärenreservat 1979im „Steckby-Lödderitzer Forst“ aufkleiner Fläche gegründet worden.„Die Artenvielfalt auf solchen Wie-sen ist riesig“, sagt Händler. Undsie ist menschengemacht. „Wie dasganze Gartenreich“, betont Händ-ler. Würden die Wiesen nicht zweiMal im Jahr gemäht, verlören sieihren Charakter - und damit dasUnesco-Naturerbe vielleicht seinenStatus. Regelmäßig wird kontrol-liert, ob das, was die Gegend schüt-

zenswert macht, tatsächlich auchnoch da ist.

Bei den Wiesen mag man das imReservat selbst beeinflussen kön-nen. Bei den Hartholzauenwäldern- den größten zusammenhängen-den Mitteleuropas - sieht das schonanders aus. Die Elbe gräbt sich ein,die Wälder drohen trockenzufallen.„Das wäre das Schlimmste“, sagtHändler. Denn das Gebiet lebt vorallem von seiner Vielfalt. Die feuch-ten Wälder am Fluss wechseln mitden Sanddünen wie dem SieglitzerBerg, Altarmen wie dem Crassen-see oder Magerwiesen bei Oranien-baum. „Die Mischung macht es.“

Am Ende führt der Ranger indas, was man die Schatzkammer inder Schatzkammer nennen könnte:Im Schutzgarten sind Gewächse zufinden, deren Namen sich wie das„Who ist who“ der Roten Liste ge-fährdeter Pflanzenarten im Landlesen. Nun sieht man die Blaue Irisin natura, hier steht der praktischausgestorbene Knotenbeinwell, dareckt die Sumpf-Brenndolde denKopf. „Unsere Genbank“, erklärtHändler. Diese Schatzkammer al-lerdings passt in ein paar Beete, soklein ist sie.

MITTELDEUTSCHE ZEITUNGSCHATZKAMMER SACHSEN-ANHALT8

Hier darf er das: Der bekannteste Bewohner des Biosphärenreservats Mittelelbe ist der Biber - der deutliche Spuren hinterlässt (oben). Klassischfür die Elbeaue zwischen Wittenberg und Dessau ist der Blick auf eine Wiese mit Solitäreichen (unten links). Naturparkmitarbeiter Lothar Händlermacht aber auch auf die kleinen, unscheinbaren Schätze des Weltnaturerbes aufmerksam (unten rechts). FOTOS: THOMAS KLITZSCH

BIBER

Exportschlagerseit 300 JahrengeschütztSchon Preußen durftennicht an den Pelz. Der Biber, ein Exportschlager. Weitgebracht hat es Castor fiber vomeinst vom Aussterben bedrohtenPelzlieferanten zum Auswilde-rungsprojekt in ganz Europa. Wäh-rend es Mitte des 20. Jahrhundertsan der ganzen Elbe nur noch etwa400 Tiere in 90 Revieren gab, sind

es inzwischenfast 2 500 in über800 Revieren. Diemeisten davon le-ben in den Land-kreisen Anhalt-Bitterfeld, Wit-tenberg und Jeri-chower Land.„Das ist ein Drit-tel des Weltbe-standes“, sagt Di-plom-BiologeThomas Hof-mann. Und des-

halb wird auch exportiert. Vergan-genes Jahr sind vier Elbebiberfami-lien aus Sachsen-Anhalt nach Dä-nemark umgesiedelt worden. Be-reits seit 1973 exportieren Natur-schützer aus dem heutigen Sach-sen-Anhalt Biber.

Zu verdanken ist das auch früh-zeitigen Schutzbestimmungen. Ab1706 durften auf Geheiß des Preu-ßenkönigs „die Biberbaue (...) nichteingerissen, Eisen nicht gelegt,auch nicht Fischersäcke oder ande-re Garne in der Nähe gestellt wer-den“, heißt es in der Landesbro-schüre „Naturschutz im Land Sach-sen-Anhalt“. In Anhalt verbot be-reits das Polizeistrafgesetz von1855 das Fangen, Schießen und Tö-ten des Bibers - wenngleich mitzahlreichen Lücken. Die gibt esheute nicht mehr, allerdings wirdder nach wie vor streng Geschütztemancherorts zum Problemfall. Undzwar nicht nur wegen unter Was-ser gesetzten Kellern. Inzwischenbedroht er andere geschützte Artenwie Steinfliegen, die nur noch andrei Flämingbächen vorkommenund Fließgewässer dringend brau-chen. Hier muss der Biber weichen- vielleicht ja ins Ausland.

MITTELELBE

Zwischen Lutherund JunkersWie ein grünes Band zieht sich dasBiosphärenreservat Mittelelbe vonder Grenze zu Sachsen bis nachNiedersachsen. Das Biosphärenre-servat ist eingebunden in das Une-sco-Weltnaturerbe „Flussland-schaft Elbe“, zu dem drei weitereSchutzgebiete gehören: die Fluss-landschaft Elbe-Brandenburg(53 300 Hektar), die Flussland-schaft Elbe-Mecklenburg-Vorpom-mern (42 600 Hektar) und die Nie-dersächsische Elbtalaue (56 760Hektar). Mit Dessau in der Nähe,dem Wörlitzer Park mittendrin undder Lutherstadt Wittenberg vor derTür komprimieren sich im Reser-vat Natur, Kultur und Geschichteauf engstem Raum. Vom Verwal-tungszentrum an der Kapenmühlebei Oranienbaum sind es beispiels-weise nur wenige Minuten zumTechnikmuseum „Hugo Junkers“Dessau. Bis zur Thesentür an derWittenberger Schlosskirche reichtein Katzensprung. Noch näher lie-gen Schloss und Park Oranien-baum. Die niederländisch geprägteBarockanlage mit einer der längs-ten Orangerien Europas gilt inDeutschland als Seltenheit. Lutherhat in der Region gewirkt, Goetheübernachtet und Fürst Franz als ei-ner der ersten die Aufklärung ge-pflegt.

SERVICE

Biberfreianlageund AuenhausDas Biosphärenreservat Mittelelbepräsentiert sich in den Informa-tionszentren Auenhaus bei Ora-nienbaum und in Havelberg. Aus-gewiesen sind unter anderem Vo-gelbeobachtungspunkte, Wander-wege und Auenpfade. In einer Frei-anlage lassen sich Biber in und au-ßerhalb ihrer Burg beobachten.Hier ist allerdings besonders aufdie Öffnungszeit zu achten. Emp-fohlen wird der Besuch des Reser-vats unter fachkundiger Führungeines Rangers. Veranstaltungenwerden regelmäßig angeboten.

Broschüren, Karten, und Öffnungszeitenunter http://bit.ly/Biosphaere

FRAGE 3

Das Biosphärenre-servat Mittelelbesteht auf der Une-sco-Welterbe-Lis-te. Dazu gehören inSachsen-Anhalt weitere Orte. Wieviele sind es?

A acht

B fünf

C vier

Ihre Antworten bitte an: Mitteldeut-sche Zeitung, 06075 Halle, Kenn-wort Schätze oder per Mail an:[email protected] ist der20. Juni 2011

Die Auslosung erfolgt unter Ausschluss des Rechtswe-ges. Bei Sachpreisen ist keine Barauszahlung möglich.Bei den Einsendungen gilt das Datum des Poststempels.Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Sie sindmit der Veröffentlichung ihres Namens in der Mitteldeut-schen Zeitung einverstanden.

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Page 8: Schatzkammer Sachsen-Anhalt

MärchenschlossWERNIGERODE Zwischen der bunten Fachwerkstadt und den dicht bewaldeten Bergrücken des Harzes

lockt mit dem Stammsitz des Fürsten Otto eine wunderbare Melange aus vielerlei Baustilen.

VON HENDRIK KRANERT-RYDZY

Es ist unmöglich, sich Wernige-rode zu nähern, ohne von sei-nem Anblick in den Bann gezo-

gen zu werden: Ein Märchen-schloss aus dem Bilderbuch, heileWelt für Romantiker. Unten diebunte Fachwerkstadt, im Hinter-grund die dicht bewaldeten Bergrü-cken des Harzes und dazwischen,wie die Krone auf dem Kopf des Ag-nesberges, ein Ensemble aus Tür-men, Zinnen, wehrhaften Mauern.Irgendjemand schrieb einmal vomNeuschwanstein des Ostens.

Doch das hört der Schlossherrgar nicht gern. Neuschwanstein?Das sei doch wie Disneyland. Über-all in Deutschland abgekupfert -und am Ende nicht fertig gewor-den. „Hier aber steht ein Schloss inbester romantischer Entwurfs-architektur“, sagt Christian Jura-nek, Chef der Schloss WernigerodeGmbH. Der Blankenburger Archi-tekt Carl Frühling, der im Auftragder Fürstenfamilie zu Stolberg-Wernigerode 1862 mit dem Umbaubegann, setzte auf Inspiration,nicht auf Plagiate.

Besonders eindrucksvoll gelangdies in der Schlosskirche, die ihreAnleihen am Wiener Stephansdomnahm. Österreich mitten in Preu-ßen? Wo doch Kaiser Wilhelm I alspro-russisch galt? Ja, sagt Juranek:Fürst Otto zu Stolberg-Wernige-rode war Österreich-Fan. Als Vize-kanzler unter Bismarck gelang esdem Wernigeröder Adligen sogar,Wilhelm zur Unterschrift unterden Zwei-Bund-Vertrag mit Öster-reich zu überreden. Freilich warSeine Majestät unpässlich und zurKur in Baden-Baden, wo Otto demKaiser den Federstrich abtrotzte.Es sind Geschichten wie diese, dieJuranek in fast jedem Winkel undan vielen Ausstellungsstücken desSchlosses erzählen kann.

Der Grund für Fürst Otto, seinenStammsitz gründlich renovieren zulassen, war allerdings viel profa-ner. Seit dem 12. Jahrhundert, alsdie erste romanische Burganlageauf den Agnesberg gezimmert undgemauert wurde, war diese immerwieder umgebaut worden. GegenEnde des 17. Jahrhunderts galt dasals unmodern und unbequem. Eszog überall und war furchtbar kalt.Architekt Frühling ging mit Be-dacht an den Umbau, so dass nachgut 900 Jahren eine wunderbareMelange aus vielerlei Baustilen zu-sammenkam. Juranek, seit 1997

Schlossherr in Wernigerode, mussgar nicht vom Schreibtisch aufste-hen, um ins Schwärmen zu kom-men. Bereits der Weg ins Büro des47-Jährigen ist ein Gang durch dieBaugeschichte, der auf der Tür-schwelle einen Sprung vom Barockin die Renaissance möglich macht.

Doch mit der schönen Aussicht -die zu Juraneks Leidwesen alsHauptgrund für Schlossbesucheangegeben wird - sowie einer Füllevon Baustilen allein lässt sich aufDauer nicht der Spitzenplatz unterSachsen-Anhalts Museen behaup-ten. Dort steht Schloss Wernige-rode mit jährlich rund 180 000 Be-suchern seit Jahren - und schreibtschwarze Zahlen. Juranek, der alsKontrapunkt zu all der Pracht inseinen Gemächern nur schlichtein weites Hemd über derJeans trägt, hat den Erfolg sei-nes Museums auf drei Säu-len gebaut. Die erste ist -natürlich - die originaleInneneinrichtung vielerRäume. Schloss Werni-gerode versteht sichals Enterieurmuse-um. Besondersprächtig wirktder Festsaal, woeine einge-deckte Fest-tafel aus derZeit vonFürst Ottosteht. Dut-

zende Teller, Unterteller, Bestecke,Saucieren und Schüsseln aus feins-tem Silber. Dazu mundgeblaseneGläser. „Eine solch’ hochwertigeSilbertafel finden Sie in ganzDeutschland nicht noch einmal“,begeistert sich Juranek. Trotz derStaubschicht, die auf den Gede-cken liegt. „Wir kriegen geradeeine neue Heizung“, entschuldigter sich. Die neue Silberpolitur seiaber bereits in England bestellt -für das große Putzen. Zu DDR-Zei-ten hatte man freilich ein Problemmit all der Pracht: Alsdas Schloss Feudalmu-seum hieß, musste derFestsaal als „Höhe-punkt des schlechtenGeschmacks der feu-

dal-aristokratischen Klasse“ her-halten, wie es in einem Museums-führer hieß. Um den Anspruch vonsozialistischer Dialektik zu unter-mauern, war eine Bauernmagd inÖl porträtiert und über einen Tischmit rohem Holzgeschirr aufge-hängt worden - gegenüber der Fest-tafel. Gänzlich verschwunden istdie Zeit des Realsozialismus jedochnicht, doch dazu mehr am Ende.

Nur einen Raum weiter strahltdie soeben fertig restaurierte Grü-ne Henrichskammer im seidigenGlanz und der Farbe dunklenEichenlaubs. So, wie sie um 1920von der gräflichen Familie genutztwurde. Ein Beispiel für die zweitetragende Säule des WernigeröderMuseumskonzeptes - Zentrum fürKunst und Kultur des 19. Jahrhun-derts zu sein, welches von Histori-

kern bis 1918 geführtwird. Immer wie-

der lädt Jura-nek daher

zu hochkarätigen Sonderschauenein, die die Facetten dieser Epochebeleuchten. Sonderschauen sind esauch, die die dritte Säule des Kon-zepts, das eines Harzer Land-schaftsmuseums, ausmachen.Eisenkunst aus allen Harzer Hüt-ten gab es ebenso zu sehen wie Bli-cke in alle 40 Harzer Parks undGärten - zu denen auch SchlossWernigerode zählt.

Einen ganz anderen Einblick indie adligen Gepflogenheiten bietetein mit bunten Fliesen versehenerVerschlag in einer Wand. „Hierstand das erste Wasserklosett desSchlosses“, erzählt Juranek grin-send. Der Abdruck des Wasserkas-tens ist noch gut zu sehen. Hinterden Schranktüren begab sich dennauch kein geringerer zu Stuhle alsKaiser Wilhelm I. selber, wenn erzu Besuch bei Fürst Otto war. DieVorzüge der modernen Hygiene en-deten freilich wenige Höhenmeterabwärts - in einer Hang-Verriese-lung.

Zum Schluss des Rundgangsfällt der Blick auf zwei ganz beson-dere Malereien: Im Schloss Werni-gerode hängen die beiden einzigenoriginalen Spitzwegs in Sachsen-Anhalt. Und ein Gemälde, welchesdie realsozialistische Auseinander-setzung des Malers mit dem Feu-daladel zeigt: Oben strahlt einSchloss in der Sonne, unten ackert

mit verbittertem Gesicht ein ver-härmter Landmann. Der Künst-

ler war noch Student, als er esschuf, sagt Juranek. „Er hat

sich erst vor ein paar Jah-ren zu dem Werk be-

kannt.“ Der Mann heißtWilli Sitte.

MITTELDEUTSCHE ZEITUNG SCHATZKAMMER SACHSEN-ANHALT 9

Im Festsaal von Schloss Wernigerode steht eine Tafelaus der Zeit von Fürst Otto mit einmaligem Silberge-schirr (rechts). Schlossherr in Wernigerode ist ChristianJuranek (oben). Unten sind Teile der Porzellansammlungzu sehen. FOTOS: ANDREAS STEDTLER

DER HARZ

Mehr als nurWander-ParadiesDer Harz ist mehr als nur das nörd-lichstes Mittelgebirge Deutsch-lands. Zwar sind die dichtbewald-eten Höhen vor allem erste Adressefür Wanderer, doch auch Kultur-touristen kommen auf ihre Kosten:Am Fuße des Brockens liegen mitGoslar, Wernigerode und Quedlin-burg pittoreske Fachwerkstädte,prunkvolle Kirchenschätze undJahrtausende Adelsgeschichte in-klusive. Natürlich fehlen Wellness-Angebote nicht und auch kulina-risch muss sich der einstige „Hun-ger-Harz“ nicht mehr verstecken.

SERVICE

Einstieg fürHarz-UrlauberIdealer Einstieg für Harz-Urlauberist der Internetauftritt des Touris-musverbandes. Wer kein Internethat, nutzt die Tourist-Informationin Wernigerode.

Tourist-Info, Marktplatz 10, WernigerodeTel.: 03943-5537835

Öffnungszeiten: Mo - Fr 9 - 19 Uhr,Sa 10 -16 Uhr, So 10 - 15 UhrSchloss Wernigerode von Mai bis Oktobertäglich 10 bis 18 Uhr geöffnet

www.harzinfo.dewww.harzer-wandernadel.de

www.geopark-harz.de

FRAGE 4

Vom Schloss Wer-nigerode aus kannman den höchstenBerg des National-parkes Harz, denBrocken, sehen. Wie hoch ist er?

A 1 089 Meter

B 1 141 Meter

C 1 198 Meter

Ihre Antworten bitte an: Mitteldeut-sche Zeitung, 06075 Halle, Kenn-wort Schätze oder per Mail an:[email protected]. Einsendeschlussist der 20. Juni 2011

Die Auslosung erfolgt unter Ausschluss des Rechtswe-ges. Bei Sachpreisen ist keine Barauszahlung möglich.Bei den Einsendungen gilt das Datum des Poststempels.Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Sie sindmit der Veröffentlichung ihres Namens in der Mitteldeut-schen Zeitung einverstanden.

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2Magdeburg

Dessau-Roßlau

Halle

Wernigerode

Schloss Wernigerode ILLUSTRATION: grafik3d.de/MZ, Th. Böhm

Festsaal

Schloßkirche

Bergfried Treppen- turm

Hausmannsturm

GrüneHenrichs-kammer

RoteHenrichs-kammer

Porzellan-kabinett

Page 9: Schatzkammer Sachsen-Anhalt

Das letzteGeheimnis

FUNDORT Zwölf Jahre nach ihrer Entdeckung birgt dieHimmelsscheibe von Nebra noch immer Rätsel.

VON STEFFEN KÖNAU

Die beiden Männer, die durchden Wald streifen, haben ei-nen dicken Kopf. Am Abend

vorher haben sie gefeiert, langeund heftig. Jetzt wanken sie nurdurchs Unterholz, weil sie sich dasam Tag zuvor so vorgenommenhatten. Es ist heiß, richtige Lust hatkeiner beiden. Aber trotz all derBiere sind sie losgezogen. Und nungehen sie eben auch weiter.

So versinkt der Beginn der größ-ten Schatzgeschichte Sachsen-An-halts in einem Nebel aus wabern-den Ungewissheiten. Henry West-phal und Mario Renner, die beidenMänner im Wald, erinnern sichspäter noch einigermaßen sicherdaran, dass sie lange unterwegswaren, ihre Metallsuchgeräte im-mer halbkreisförmig vor sich überden laubbedeckten Boden schwen-kend. Eigentlich sind die beidenaufgebrochen, um nach Waffenund Abzeichen aus dem 2. Welt-krieg zu buddeln, wie sie das häufi-ger tun. Das ist zwar verboten.Doch die beiden Mansfelder sindnicht die einzigen Sondengänger,die am Wochenende durch die Wäl-der im Vorharz streifen. Anfang1945 entmilitarisierten sich hierganze Wehrmachtseinheiten, in-dem sie Waffen und Ausrüstungeinfach fortwarfen.

Ein guter Platz für reiche Funde,nur nicht an diesem Sommersonn-tag des Jahres 1999. Mario Rennerberichtet später, dass der verkater-te Ausflug zur Schatzsuche sich ge-rade dem Ende genähert habe, weildie mitgenommenen Getränkevor-räte zur Neige gingen. Da sei seinFreund Henry Westphal plötzlichwie festgenagelt stehengeblieben.Später erinnerte der gelernte Bä-cker sich noch ganz genau „an dasplötzlich laute Piepsen“ in seinenKopfhörern. Er habe sich hinge-kniet und mit den Händen zu gra-ben angefangen. Viel zu schau-feln aber ist da gar nicht: Inder Erde, nur bedeckt von ei-ner dünnen Schicht ausLaub und Humus, liegteine verkrustete Metall-scheibe, die Westphalnach kurzer Prüfungals „alten Eimerde-ckel“ beiseite legt.Denn in der Grubedarunter liegenSchwerter, Beile undMeißel aus Bronze.Material, von dem dieFreizeit-Schatzsu-cher wissen, dass essich unkompliziertzu Geld machenlässt.

Hier wird dieGeschichte des größ-ten mitteldeutschenSchatzfundes der Neu-zeit allerdings noch et-was verschwommener.

Henry Westphal wird sich späterzwar sehr genau entsinnen, dassder vermeintliche Eimerdeckel nurlocker im Boden steckte und amoberen Ende sogar nur von Laubbedeckt war. Noch später aber wirder gestehen, ihn beim Ausgrabenmit seinem kleinen Grabehammerbeschädigt zu haben. Unklarkeitherrscht bis heute sogar über dengenauen Tag des epochalen Fun-des. Ein Sonntag, ja. Aber welcher?Mario Renner versicherte Jahrespäter, als ein Gericht versuchte,die Frage zu klären, nur noch, dass„an dem Tag im Fernsehen ein For-mel 1-Rennen lief“. Eine Angabe,die auch Westphal und ein spätererKäufer der Pretiose bestätigten.Beide erinnerten sich an ein Tele-fongespräch, bei dem nicht nurüber den Verkauf des Fundstücks,sondern auch über eben jenesFormel 1-Rennen gespro-chen wurde. Das Pro-

blem dabei ist nur: Am 4. Juli 1999,der bis heute offiziell als Tag derEntdeckung der 3 600 Jahre altenbronzezeitlichen Kostbarkeit gilt,pausierte die Formel 1.

Es ist also vielleicht auch nichtder Tag nach jenem 4. Juli 1999, andem der per Anruf alarmierte Köl-ner Antiquitätenhändler AchimStadtmüller nach Röblingen geeiltkommt, um den Eimerdeckel unddie Beifunde für 16 000 Euro zukaufen. Keiner der Beteiligten hatseinerzeit Aufzeichnungen ge-macht, es gibt keine Notizen, keineBilder und nur wage Erinnerungen.Kein Wunder, denn erst vier Jahrespäter wurden die beiden Finderzum ersten Mal nach den Fundum-ständen befragt. In einer Anwalts-kanzlei, und, so beschrieben die

Anwesenden später, „erstaunlichoberflächlich“. Einige Fotos, die beieinem erneuten Besuch an der leer-geräumten Fundstelle angefertigtwurden, waren da längst vernich-tet, gesteht Renner. Das sei ihm si-cherer erschienen, um sich nichtselbst als Finder zu belasten.

Mit dem Rest des Krimis um dieScheibe haben die beiden Schatz-sucher, die später zu Bewährungs-strafen verurteilt werden, nichts zutun. Jetzt ist der Antiquitätenhänd-ler aus dem Rheinland, der nie an-geklagt werden wird, die zentraleFigur. Während in der Sondengän-gerszene schon das Gerücht übereine Art heiligen Gral der Schatz-gräber in Form einer Scheibe kur-siert, weicht Achim Stadtmüllerdas Fundstück daheim in Köln inseiner Badewanne ein. Später ver-

sucht er, das mit Schmutzverbackene Metall

mit einem Topfreiniger zu säubern.Der Erfolg sind aber nur zerkratzteGoldauflagen.

Aber nicht deshalb läuft der Ver-kauf gar nicht wie geplant. DieHimmelsscheibe ist zu einmalig, zuunverwechselbar. Und die von Ren-ner und Westphal mitgeliefertenBeile und Schwerter gelten als zugewöhnlich, als dass jemand vielGeld für sie ausgeben würde.

Der Traum vom großen Geldwird zum Alptraum. Stadtmüllerhat sich Geld geborgt, um die Him-melsscheibe kaufen zu können.Und nun wird er sie nicht los. Als erversucht, das Landesmuseum inHalle für einen Kauf zu begeistern,holt er sich eine Abfuhr. Er werdenicht kaufen, was ihm sowieso ge-höre, erklärt der damalige Leiterdes Landesamtes für Archäologieseinem verblüfften Anrufer, son-dern er werde ihm die Polizei schi-cken. Auch die Kontaktaufnahmemit einem Berliner Museum gehtschief: Die als Kaufanreiz und Echt-heitsbeweis übermittelten Fotoslanden prompt beim Landeskrimi-nalamt in Magdeburg.

Stadtmüller aber will seine In-vestition, inzwischen in „Spüli“ ge-badet und mit „Akupatz“ abgerub-belt, nicht so einfach abschreiben.Ihm fällt Hildegard Burri-Bayer ein,Chefin einer Museumsschenke inNordrhein-Westfalen, die als Treff-punkt der deutschen Schatzsuchergilt. Er erzählt ihr, dass der histori-sche Fund kurz vor einem Verkaufins Ausland stehe. Er weiß, Burri-Bayer wird anbeißen. Und richtig:Weil sie „die Scheibe für Deutsch-land erhalten will“, wie sie spätervor Gericht versichern wird, be-sorgt die begeisterte Hobbyarchäo-login mit Reinhold Stieber schließ-lich einen Käufer. Stieber, von Be-ruf Lehrer und von Berufung seit50 Jahren Sammler, verpfändet sei-

ne Altersrücklage, um den Kauf-preis von 118 000 Euro aufbrin-

gen zu können. „Meine Frauwusste das nicht“, gesteht

er später im Prozess zer-knirscht. Da ist der letzte Aktschon vorüber. BeimVersuch, die Himmels-scheibe bei einemTreffen im schweizeri-schen Basel an HaraldMeller, den Landes-archäologen von Sach-sen-Anhalt, für358 000 Euro weiter-zuverkaufen, werdenStieber und Burri-Bay-er im Februar 2002festgenommen. Kurzzuvor hat ReinholdStieber dem vermeint-lichen Käufer nochseine Kontonummerzur Überweisung desKaufpreises gegeben.

Wenig später sitzt erschon im Gefängnis.

MITTELDEUTSCHE ZEITUNGSCHATZKAMMER SACHSEN-ANHALT10

Nach Angaben desScheibenfinders Hen-ry Westphal lag dieHimmelsscheibe tau-sende Jahre lang ge-nau an dieser Stelleauf dem Mittelberg,nur bedeckt von einerdünnen Schicht ausLaub. Heute befindetsich hier ein künstle-risch gestaltetes En-semble für Besucher.Unser Foto zeigt denFundort erstmals imUrsprungszustand. FOTO: STEFFEN KÖNAU

FRAGE 5

Im Geiseltalmuse-um Halle ist derMillionen Jahre altesteinerne Abdruckeine Tieres zu se-hen. Was zeigt er?

A Mammut

B Saurier

C Urpferdchen

Ihre Antworten bitte an: Mitteldeut-sche Zeitung, 06075 Halle, Kenn-wort Schätze oder per Mail an:[email protected]. Einsendeschlussist der 20. Juni 2011

Die Auslosung erfolgt unter Ausschluss des Rechtswe-ges. Bei Sachpreisen ist keine Barauszahlung möglich.Bei den Einsendungen gilt das Datum des Poststempels.Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Sie sindmit der Veröffentlichung ihres Namens in der Mitteldeut-schen Zeitung einverstanden.

Ein Tempel für den SchatzDie „Arche Nebra“ lockt seit vier Jahren Besucher an.Wo immer sie auftaucht, ist dieHimmelsscheibe von Nebra einBesuchermagnet, nur fünf Jahrenach ihrer Sicherstellung in derSchweiz bekam die steinzeitlicheKostbarkeit deshalb schließlichin der Nähe des Fundortes bei Ne-bra einen eigenen Tempel. Direktam Fundort der Himmelsscheibeauf dem Mittelberg können Neu-gierige vom 30 Meter hohen Aus-sichtsturm in die Landschaftschauen, ehe sie im multimedia-len Besucherzentrum Arche Ne-

bra tief eintauchen in die Zeit, alsdie ursprünglichen Schöpfer undNutzer der Himmelsscheibe dieGegend um Wangen bewohntenund die Scheibe für rätselhafte Ri-tuale nutzten.

Hier startet auch die einzigarti-ge Tourismusroute „Himmelswe-ge“, die Sachsen-Anhalt zu einemMekka für Archäologieinteres-sierte gemacht hat. Die Streckeim Süden des Landes führt zuarchäologisch Sehenswertem inder Saale-Unstrut-Region, dar-

unter ein jungsteinzeitlichesGroßsteingrab mit der berühmtenDolmengöttin, das in Langeneich-städt bei Weißenfels zu besichti-gen ist. Gar nicht weit entferntliegt auch das weltälteste Sonnen-observatorium von Goseck (naheWeißenfels). Lange vor der Ent-stehung von Stonehenge errichte-ten steinzeitliche Bauern hiereine kreisrunde Palisaden-Anla-ge, die ihnen half, die Termine derSonnwendtage und des Früh-lingsfestes zu bestimmen. STK

UNSTRUTTAL

Land der Burgenund des WeinsHier wächst der Wein nördlicherals irgendwo sonst, hier siedeltenschon Menschen mit hoher Kultur,als anderswo noch Urwald wuchs.Die Region Saale-Unstrut im SüdenSachsen-Anhalts ist ein Landstrichvoll malerischer Flusstäler, histori-scher Bauten und rätselhafter Kul-turstätten. An den Ufern der beidenFlüsse, die zu einem Eldorado fürWassersportler geworden sind,wachsen seltene Pflanzen, dar-unter 18 Orchideenarten. Mittelal-terliche Burgen, Klosteranlagenund historische Stadtzentren zeu-gen von der einstigen Bedeutungdieses Landstriches für die deut-sche Geschichte, bis heute erhaltensind zahlreiche Zeugnisse der deut-schen Romanik - Burganlagen, Kir-chen und Klöster, verbunden durchdie Straße der Romanik. Die Wein-straße Saale-Unstrut führt vonMemleben bis nach Bad Sulza. InFreyburg lockt die Neuenburg, di-rekt daneben steht die berühmteRotkäppchen Sektkellerei. An der„Straße der Romanik“ reihen sichBurgen, Schlösser und der Dom zuNaumburg aneinander.

SERVICE

Multimedialauf ZeitreiseIn Halle wartet das Landesmuseumfür Vorgeschichte auf Besucher.Hier finden Hobbyarchäologen dieHimmelsscheibe von Nebra.

Bei Nebra, auf dem Mittelberg inder Nähe des Örtchens Wangen,steht sei 2007 das Besucherzen-trum „Arche Nebra“. Multimedialgeht es hier auf Zeitreise zu denSchöpfern der Scheibe.

Goseck verzaubert mit seinem7 000 Jahre alten Sonnenobserva-torium. Die rekonstruierte Anlageermöglicht einen Einblick in dasLeben der Steinzeit.

Landesmuseum für Vorgeschichte Ri-chard-Wagner-Str. 9 Halle Tel. 0345

5247-363, Öffnungszeiten Di - Fr: 9 - 17 Uhr,Sa, So, Feiertage: 10 - 18 Uhr

Noch mehr Attraktionen:www.himmelswege.de

Die durch Bodenvergleiche identifizierte Fundstelle heute: Po-liertes Stück Metall im Schatten des Aussichtsturmes. FOTO: DPA

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