Schiffbau - THINK ING. kompakt - Ausg. 5/10

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Ausgabe 5 | 2010 »» I N T R O An die Boote, Leinen los! „Nah am Wasser bauen“, ist ja eine Redewendung für Menschen, die schnell zum Weinen neigen. „Bauen am Wasser“ ist aber auch die Bedeutung des Wortes „Werft“. Deutsche Werften haben allerdings keinen Anlass, in Tränen auszu- brechen, denn man hat die Nischenmärkte der Spezialschiffe besetzt – von der Mega-Jacht bis zum Kreuzfahrtschiff. Auf dieser Erfolgswelle surfen auch Ingenieurinnen und Ingeni- eure, denn moderne Schiffe sind komplexe Großprojekte. Das be- ginnt mit Kalkulation und Entwurf, mit Simulations-Modellen, mit der Schiffskonstruktion, speziellen Statikberechnungen und setzt sich fort mit Antriebs-, Steuerungs-, Maschinen- und Energietechnik. Hinzu kommen Stahlbau und Schweißtechnik, um aus massiven Platten und Bauteilen schwimmfä- hige Schwergewichte zu formen. Zudem müssen umfangreiche An- lagen vom Radargerät über Pum- pensysteme bis hin zu Kombüse und Kühlschrank installiert werden. Und stellt man sich dann noch einen Luxusliner vor, der Tausenden von Passagieren alle Annehmlichkeiten auf Erden bieten soll, dann lässt sich ahnen, welche Flut an Herausforderun- gen auf den Ingenieurnachwuchs zukommt. Schiffsstudium ahoi! // Blickt man zurück in die Geschichte, brachten Schiffe der Mensch- heit schon immer Neuland, aber auch Fort- schritt. Ob Homo sapiens auf dem Seeweg nach Aust- ralien ein- wan- derte, sich Urwald- Bewohner mit ihrem Einbaum neue Jagdgrün- de eröffneten, Amerika vor oder von Kolumbus entdeckt wurde, Phönizier Waren und Griechen Kultur in der Mittelmeer-Region ver- breiteten, die Wikinger mit Langschiffen Europas Küsten heimsuchten oder aus kleinen Ländern wie England und Holland mächtige weltum- spannende Seefahrernationen wurden – möglich wurde das, durch ständig weiterent- wickelte Schiffe und Ingeni- eurkenntnisse im Schiffbau. »» P O R T R Ä T Luxusliner mit viel Hightech Die Celebrity Eclipse ist eines der modernsten Kreuzfahrtschiffe der Welt. Konstruiert und gebaut wurde der Luxusliner, auf dem 2.852 Passagiere Platz finden, unter anderem von 300 Inge- nieuren in der Meyer Werft in Papenburg. »» weiter S. 3 + 4 »» PRODUKTE Garantiert kein Seemannsgarn Schiffe sind so unterschiedlich wie die Meeresströmungen. Kreuzfahrtriesen, Fracht-Kolosse, Brennstoffzellen-U-Boote, Fähren oder die 800 Millionen teure Lu- xusjacht – hinter jedem Bug ver- birgt sich ein bestimmter Einsatz- zweck. »» weiter S. 5 + 6 Der Begriff „Stapellauf“ erin- nert an diese gute alte Zeit, als Schiffe noch am Strand gebaut wurden und der Kiel auf hölzer- nen „Stapeln“ ins Meer rutschte. Schwer vor- stellbar bei den Ozean- riesen, die heutzuta- ge durchs Salzwas- ser pflü- gen. Die entstehen natürlich in gigantischen Trockendocks riesiger Werft- anlagen. Zum Beispiel das Ende Oktober 2009 in Dienst gestellte, mit 361 Metern längste und größte Kreuzfahrtschiff der Welt, die „Oasis of the Seas“. Dreieinhalb Jahre wurde an diesem 900 Millionen Euro teuren Koloss mit seinen 16 Passagierdecks, 2.704 Kabinen und einer Antriebsleistung Deutsche Technik auf allen sieben Meeren Statt Riesentankern und Massengutfrachtern setzen Werften hierzulande auf die limitierte Fertigung von Spezialschiffen, großes Ingenieur-Know-how und Top-Qualität »» S C H I F F B A U »» weiter S. 2 © Meyer Werft © HDW Thema: Schiffbau kompakt © Andrey Sukhachev, Fotolia Jeden Monat neue Infos aus der Welt der Ingenieure Jeden Monat neue Infos aus der Welt der Ingenieure © Miss X, Photocase

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Die Fertigung von Spezialschiffen haben sich deutsche Werften erfolgreich auf die Fahne geschrieben. Ingenieure schwimmen in dieser Branche auf der Erfolgswelle, denn die Entwicklung neuester Technologien steht hoch im Kurs. Das neue THINK ING. kompakt zum Thema Schiffbau informiert über Brennstoffzellen-U-Boote, Fracht-Kolosse und Luxusliner.

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Ausgabe 5 | 2010

»» I N T R OAn die Boote, Leinen los! „Nah am Wasser bauen“, ist ja eine Redewendung für Menschen, die schnell zum Weinen neigen. „Bauen am Wasser“ ist aber auch die Bedeutung des Wortes „Werft“. Deutsche Werften haben allerdings keinen Anlass, in Tränen auszu-brechen, denn man hat die Nischenmärkte der Spezialschiffe besetzt – von der Mega-Jacht bis zum Kreuzfahrtschiff. Auf dieser Erfolgswelle surfen auch Ingenieurinnen und Ingeni-eure, denn moderne Schiffe sind komplexe Großprojekte. Das be-ginnt mit Kalkulation und Entwurf, mit Simulations-Modellen, mit der Schiffskonstruktion, speziellen Statikberechnungen und setzt sich fort mit Antriebs-, Steuerungs-, Maschinen- und Energietechnik. Hinzu kommen Stahlbau und Schweißtechnik, um aus massiven Platten und Bauteilen schwimmfä-hige Schwergewichte zu formen. Zudem müssen umfangreiche An-lagen vom Radargerät über Pum-pensysteme bis hin zu Kombüse und Kühlschrank installiert werden.

Und stellt man sich dann noch einen Luxusliner vor, der Tausenden von Passagieren alle Annehmlichkeiten auf Erden bieten soll, dann lässt sich ahnen, welche Flut an Herausforderun-gen auf den Ingenieurnachwuchs zukommt. Schiffsstudium ahoi! //

Blickt man zurück in die Geschichte, brachten Schiffe der Mensch-heit schon immer Neuland, aber auch Fort-schritt. Ob Homo sapiens auf dem Seeweg nach Aust-ralien ein-wan-derte, sich Urwald-Bewohner mit ihrem Einbaum neue Jagdgrün-de eröffneten, Amerika vor oder von Kolumbus entdeckt wurde, Phönizier Waren und Griechen Kultur in der Mittelmeer-Region ver-breiteten, die Wikinger mit Langschiffen Europas Küsten heimsuchten oder aus kleinen Ländern wie England und

Holland mächtige weltum-spannende Seefahrernationen wurden – möglich wurde das, durch ständig weiterent-wickelte Schiffe und Ingeni-eurkenntnisse im Schiffbau.

»» P O R T R Ä TLuxusliner mit viel Hightech Die Celebrity Eclipse ist eines der modernsten Kreuzfahrtschiffe der Welt. Konstruiert und gebaut wurde der Luxusliner, auf dem 2.852 Passagiere Platz finden, unter anderem von 300 Inge-nieuren in der Meyer Werft in Papenburg. »» weiter S. 3 + 4

»» P R O D U K T EGarantiert kein Seemannsgarn Schiffe sind so unterschiedlich wie die Meeresströmungen. Kreuzfahrtriesen, Fracht-Kolosse, Brennstoffzellen-U-Boote, Fähren oder die 800 Millionen teure Lu-xusjacht – hinter jedem Bug ver-birgt sich ein bestimmter Einsatz-zweck. »» weiter S. 5 + 6

Der Begriff „Stapellauf“ erin-nert an diese gute alte Zeit, als

Schiffe noch am Strand gebaut wurden und

der Kiel auf hölzer-nen „Stapeln“ ins

Meer rutschte. Schwer vor-

stellbar bei den Ozean-riesen, die heutzuta-ge durchs Salzwas-ser pflü-gen. Die entstehen

natürlich in gigantischen

Trockendocks riesiger Werft-

anlagen. Zum Beispiel das Ende

Oktober 2009 in Dienst gestellte, mit 361

Metern längste und größte Kreuzfahrtschiff der Welt, die „Oasis of the Seas“. Dreieinhalb Jahre wurde an diesem 900 Millionen Euro teuren Koloss mit seinen 16 Passagierdecks, 2.704 Kabinen und einer Antriebsleistung

Deutsche Technik auf allen sieben MeerenStatt Riesentankern und Massengutfrachtern setzen Werften hierzulande auf die limitierte Fertigung von Spezialschiffen, großes Ingenieur-Know-how und Top-Qualität

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Links zum Studium

Es verwundert nicht, dass man an den meisten Studienorten für Schiffbau oder Schiffstechnik die salzige Luft der deutschen Nord- oder Ostseeküste at-met. Hochschulen wie Bremen, Hamburg, Kiel und Rostock haben den traditionsreichen Studien-gang im Angebot. Aber selbst im Herzen des Ruhrgebiets, an der Uni Duisburg-Essen, kann man sogar Schiffstechnik studieren und selbst die Bundeshauptstadt Berlin lädt ein zum Studium der Schiffs- und Meerestechnik. Auch Nautik, Schiffsbetriebstechnik oder Wirtschaftsingenieur für Seeverkehr lauten Bezeichnun-gen für Studiengänge dieses Fachbereichs. Eines haben sie gemeinsam: Sie vermitteln dem Ingenieurnachwuchs nicht nur Wissen aus Mathe und Physik, Mechanik, Konstruktionslehre, Maschinenbau und Werkstoff-technik sowie Konstruktionslehre, Hydromechanik und Schiffselekt-ronik, sondern auch die Sehnsucht für das große weite Meer.

Fachhochschule Kiel: Schiff-bau und maritime Technik (Bachelor und Master)www.maschinenwesen.fh-kiel.deTechnische Universität Hamburg-Harburg: Schiffbau (Bachelor) sowie Schiffbau und Meerestechnik (Master)www.tu-harburg.de/studium/programmeTU Berlin: Schiffs- und Mee-restechnik (Bachelor)www.ils.tu-berlin.deUniversität Duisburg-Essen: Maschinenbau mit Vertie-fungsrichtung Schiffstechnik (Bachelor) sowie Schiffstechnik und Meerestechnik (Master)www.uni-due.deHochschule Bremen: Schiff-bau und Meerestechnik (Bachelor und Master)www.hs-bremen.deUniversität Rostock: Schiffbau (Bachelor) sowie Schiffbau und Meerestechnik (Master)www.msf.uni-rostock.deAuch in die IngenieurStudien-gangSuche auf www.think-ing.de sollte man mal Suchbegriffe wie Schiffbau, Meerestech-nik oder Nautik eingeben:www.search-ing.de

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»» Fortsetzung von S. 1: Deutsche Technik auf allen sieben Meeren

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von 81.600 PS gearbeitet.Noch mehr Länge hatte auf den Weltmeeren nur der Oil Carrier „Jahre Viking“ zu bieten. Der Öltanker ging zwischendurch sogar in die Verlängerung, denn ursprünglich hieß er „Seawi-se Giant“, war 378,45 Meter lang und wurde 1980 um 81 Meter verlängert. Danach war

er viermal so lang wie ein Fußballfeld und hatte einen Bremsweg von mehr als sechs Kilometern. Neue Sicherheits-verordnungen, die mittlerweile nur noch Doppelhüllentanker erlauben, zwangen den Riesen im Januar 2010 zum Dauer-Stopp. Nun liegt er am Strand – und zwar im indischen Alang, dem Zentrum der weltweiten Schiffverschrottungsindustrie,

wo Ozeanriesen bei Flut aus ei-gener Maschinenkraft auf den Sand gesetzt werden. Arbeiter beginnen dann bei Ebbe, die Stahlriesen mit Schneidbren-nern zu zerlegen und alles Brauchbare zu verwerten. Was vorher lange Jahre als schwim-mende Maschinenbaukunst auf hoher See galt, landet so als Stahlschrott im Hochofen. Etwa 700 solcher größeren Schiffe werden jährlich außer Dienst gestellt, die Werften

in Alang demontieren davon allein ungefähr 40 Prozent. Aber nicht nur die Schiffver-schrottung, sondern gerade der Bau großer Frachtschiffe hat sich in den vergangenen Jahrzehnten völlig Richtung Asien verlagert. Durch massive Subventionen, aber auch durch günstige Ma-

terial- und Personalkosten sind Länder wie Japan, Korea und China in der Lage, Massengut-frachter und Öltanker zu Preisen anzubieten, mit denen Europas Schiffbau einfach nicht mithalten kann. Aber die circa 350 Werften, die es in Europa noch gibt, haben längst reagiert und steuern einen neuen Kurs: Weg vom Massen-schiffbau hin zu komplexen einzelnen Hightech-Schiffstypen.

Das können Luxusliner, Marine-kreuzer, Flusskreuzfahrtschiffe, Mega-Jachten, Flüssiggastanker, Schlepper oder Patrouillen-boote sein, aber auch spezielle Umbauten, Reparaturen und nautische Ingenieurdienstleistun-gen auf neuestem technischen Stand und in Top-Qualität.„Maßgeschneiderte Lösungen statt Massenfertigung“, lautet das Motto. Solche Spezialschiffe in Einzel- oder Kleinserienferti-gung werden in Deutschland

– nach den zahlreichen Fusionen und Übernahmen der vergange-nen Jahre – immer noch an mehr als 30 Werften mit insgesamt cir-ca 23.000 Beschäftigten gebaut. Zu den Größten zählen die Meyer Werft in Papenburg als weltweit gefragter Anbieter hochentwi-ckelter Kreuzfahrtschiffe, die Howaldtswerke-Deutsche Werft

GmbH in Kiel mit modernen U-Booten und Thyssen-Krupp Marine Systems in Hamburg, wo man sich auf Luxusjachten jenseits der 60-Meter-Län-ge spezialisiert hat. Hinzu kommen noch etliche spezialisierte Zulieferbetrie-be, die rund

75.000 Mitarbeiter beschäftigen. Nach einer Umfrage des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) benötigt die gesamte Branche jedes Jahr aufs Neue circa 130 Ingenieu-rinnen und Ingenieure, die ihr Studium mit der Fachrichtung Schiffbau und Meerestechnik abgeschlossen haben. Jährlich verlassen aktuell allerdings nur

70 derart qualifizierte Akade-miker die sechs schiffstechni-schen Hochschulen, die es in Deutschland an den Standorten Kiel, Bremen, Hamburg, Berlin, Rostock und Duisburg gibt.Diese Studienstandorte sollten sich Nachwuchs-Ingenieure und -Ingenieurinnen merken. Mit einer Immatrikulation können dort nämlich auch Landratten den waschechten Stapellauf in die eigene schiffstechni-sche Karriere hinlegen. //

„Schiff ahoi!“, kann auch ein gutes Karrieremotto für den Ingenieurnachwuchs sein

Das norwegische Passagierschiff Balmoral wird zerteilt, um eine 30 Meter lange Mitschiffsektion einzusetzen

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Das schwimmende Luxushotel»» P O R T R Ä T

Endlich, nach langem Warten darf sie – gemein-sam mit ihren Gästen – mit dem Heck voraus Rich-tung Horizont aufbre-chen. Nach etwa 600 Tagen Bauzeit auf deutschem Grund verlässt die Cele-brity Eclipse im Frühjahr dieses Jahres die Werft in Papenburg im Emsland und ergründet die Weiten des Meeres. Sie ist das dritte von insgesamt fünf Kreuzfahrtschiffen einer Typenreihe, welche die Meyer Werft für die amerikanische Reederei Celebrity Cruises baut. In jedem Fall ist es ein echter Hingucker mit reichlich Hightech an Bord, konstruiert von Ingeni-eurinnen und Ingenieuren der Meyer Werft, zusammen mit Partnern, die ihr Know-how vom Land aufs Wasser ge-

bracht haben. 2.852 Passagie-re finden Platz auf dem 317 Meter langen, 37 Meter breiten

und 17 Decks hohen Luxusli-ner. Seit April 2010 sticht das schwimmende Luxushotel vom Heimathafen Southampton aus

in See und verwöhnt vorwiegend britische Gäste bei Fünf-Sterne-Kreuzfahrten.

Ein Rundgang durch die Decks verschafft einen ersten Eindruck von der immensen Vielfalt der Celebrity Eclipse. Angefangen

bei den oberen Decks, wo neben unzähligen Sonnenliegen, Bars, Swimming- und Whirlpools

der Lawn Club mit einer großen Naturrasenfläche genauso zum Outdoor-Sporttreiben einlädt wie der eingezäunte Basket-ballplatz. Der Blick auf ein großes „H“ im Bugbereich deutet an, wo der Hub-schrauber landen kann. Auch innen ist das Schiff imposant: Das riesige Atrium, das sich über 12 Decks erstreckt, mit seinen acht Glasaufzügen zeigt die Dimension dieses Luxusliners und erinnert an modernste Hotelbau-ten. Eine Bibliothek lädt zum Schmökern ein, in der iLounge sind neues-te Notebooks mit dem

Internet verbunden, Boutiquen, eine Glasbläserei, ein Fitnesscen-ter mit Spinningrädern, Lauf-bändern und Kraftmaschinen,

300 Ingenieure mussten beim Bau des Kreuzfahrtschiffs Celebrity Eclipse in der Meyer Werft in Papenburg viele Herausforderungen meistern

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Wie ein moderner Hotelbau: Das Kreuzfahrtschiff Celebrity Eclipse, hier ein Blick ins Casino, ist technisch auf dem neuesten Stand

2.000 Quadratmeter feinstes Grün: Der Naturrasen des Lawn Club benö-tigt unter anderem ein ausgeklügeltes System zur Be- und Entwässerung

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der Wellnessbereich Aquaspa mit Sauna, Dampfbad, Solarium, Beauty- und Friseursalon sowie etliche Bars und Restaurants lassen die Kreuzfahrtreisenden vergessen, dass sie sich auf hoher See befinden. Darüber hinaus kümmern sich etwa 1.200 Crewmitglieder um das Wohl der Gäste, allein in den 13 Küchen zaubern 166 Köche und 66 Hilfen täglich 13.000 Mahlzeiten auf die Teller. Mit neuester Bühnentechnik ist das Theater ausgestattet, das täglich zwei Shows für über tausend Zuschauer anbietet: eine Dreh-scheibe, sechs fahrbare Lifte, elf Schienensysteme für Effekt-beleuchtung und wechselnde Bühnenbilder sind computer-gesteuert von verschiedenen Positionen aus bedienbar.

Viel Luxus also, der auf einer Menge Technik basiert. Konst-ruiert und gebaut von rund 300 Ingenieurinnen und Ingenieuren und insgesamt 12.000 Beschäf-tigten der Werft in Papenburg und ihren Lieferanten, die in der etwa 20-monatigen Bauphase vor so manche Herausforderung gestellt wurden. „Wir haben uns intensiver mit technischen Dingen beschäftigt, die mit dem klassischen Schiffbau nichts zu tun haben. Das ist im Kreuzfahrtschiffbau normal“, sagt Uwe Wulff, Projektleiter der Celebrity Eclipse. Zum Beispiel mit der Glasbläserei. Aufgrund der stringenten Vorschriften, die an Bord eines Schiffes gelten, darf hier kein Ofen mit offe-nem Feuer betrieben werden. So musste ein anderer Weg gefunden werden, die Tem-peratur, bei der Glas schmilzt (etwa 1.500 °C), zu erzeugen: durch elektrische Energie.

Kreativität war auch bei der Planung des 2.000 Quadratme-ter großen Naturrasens ge-fragt. Denn durch die intensive Sonneneinstrahlung und den hohen Salzgehalt auf hoher See ist er extremen Bedingungen ausgesetzt. Neben der richtigen Rasensorte musste ein ausge-klügeltes System zur Be- und Entwässerung und eine stabile Stahlunterkonstruktion gefun-den werden, weil der Boden

kleiner Teil der Gesamtenergie ist. Fortschrittlich und sinnvoll ist der Einsatz einer solch umwelt-schonenden und effizienten Energieform trotzdem allemal. Energiesparend wirkt sich zudem eine optimierte Hydro-dynamik aus, wobei die neue, in der Schiffbauversuchsanstalt Hamburg entwickelte Schiffs-form für einen geringeren Wasserwiderstand sorgt und

damit den Treibstoffverbrauch verringert. Ähnliches bewirkt ein neuer, auf Silikon basierender Unterwasseranstrich. „Durch das Silikon wird die Oberfläche so glatt, dass sich Meeresorganis-men wie Algen und Muscheln am Schiffsrumpf nicht absetzen können“, sagt Fachbereichslei-ter Manfred Ossevorth. Durch diesen „Antifouling-Effekt“ wird eine Schiffsinspektion im Trockendock nur alle fünf Jahre statt bislang alle zwei Jahre notwendig. Technisch ausgeklügelt ist auch das Abwassersystem. So wird das Abwasser in einem Bioreaktor biologisch-physikalisch aufberei-tet und in Trinkwasser-Qualität wieder über Bord abgegeben. Der anfallende Klärschlamm wird dann getrocknet und in der schiffseigenen Müllver-brennungsanlage verbrannt.

„Das ganze Schiff ist eine einzigartige Ingenieurleistung“, fasst Uwe Wulff zusammen. Angefangen vom Stahlbau des Rumpfes über die Verlegung von insgesamt 3.000 Kilometern Kabeln und 212 Kilometern Rohren, über den Einbau der verwinkelten Klimaschächte, dem Anschluss von 14.000 Sensoren und Aktoren zu einer Steuerungs- und Überwachungsstation bis zum Anstrich von insgesamt 320 Tonnen Farbe. Nur wenn Ingenieure und Ingenieurinnen verschiedener Fachrichtungen eng miteinander arbeiten, kann eine schwimmende Stadt wie die Celebrity Eclipse entstehen.

Echte Maßarbeit war schließ-lich auch die Überführung des Ozeanriesen vom Hafen in Papenburg auf der schmalen Ems in die Niederlande. Das begann schon mit dem erfolgreichen Ma-növrieren des Schiffes durch die kleine Ausfahrt der Meyer Werft.

Die Celebrity Eclipse ist gemeinsam mit ihren Schwes-terschiffen Celebtity Solstice und Equinox das größte Schiff, das jemals auf der Ems gefahren ist. Ein Luxusliner mit reichlich deutschem Ingenieur-Know-how an Bord, der jetzt unter maltesischer Flagge auf den Weltmeeren unterwegs ist. //

bei Regenwetter sehr schwer werden kann. Apropos Wetter: Als zusätzlicher Energielieferant macht sich auf dem Schiff eine Fotovoltaikanlage nützlich. Klar, dass dies bei dem 122.000 BRZ (Bruttoraumzahl) großen Schiff, das mit einer Gesamt-maschinenleistung von 67.200 Kilowatt betrieben wird und auf eine Geschwindigkeit von 24 Knoten kommt, nur ein

Maßarbeit auch bei der Ausfahrt aus dem Baudock: Die Celebrity Eclipse wird aus der Meyer Werft in Papenburg gezogen

Platz für über 1.000 Personen: Das mit viel Technik ausgestattete Bordtheater

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Auch riesige Oceanliner müssen mal in die Werkstatt. Eines der größten Kreuzfahrt-schiffe der Welt mit 345 Metern Länge, 2.612 Passagieren und 1.254 Crew-Mitgliedern ist die Queen Mary 2. Seit dem Stapellauf im März 2003 war der Gigant schon viermal zu Gast in der Hamburger Werft Blohm + Voss Repair. Dort gibt’s sozusagen den TÜV für die Weltmeere. Richtig gründ-lich war’s beim letzten Mal im November 2008, da wurde die Queen fit gemacht für weitere fünf Einsatzjahre: Grundüber-holung der vier 86 Megawatt starken Antriebseinheiten, Wartung der Querstrahlruder und Stabilisatoren, neue Brems-belege für die Ankerwinden, Überprüfung aller Elektromoto-ren, Überholung der 17 Ret-tungsboote, Reinigung diverser Tanks und rund 35.000 Liter neue Farbe für die Außenhaut. Und das alles in nur 20 Tagen.

U-Boote sind das Spezial-gebiet der Howaldtswerke-Deutsche Werft GmbH (HDW) in Kiel. Was im Automobilbau noch längst nicht serienreif ist, ist bei

den tauchenden Stahlriesen längst Realität: ein leistungs-starker Brennstoffzellenan-trieb. Insgesamt 36 U-Boote mit einer HDW-Brennstoffzelle schnorcheln mittlerweile in den Ozeanen. Dieser außenluftunab-hängige Antrieb macht extrem lange Tauchzeiten möglich und reduziert die Gefahr, geortet zu werden. Das schafften zuvor nur die risikobeladenen nuklearen

Konkurrenten. Die Brennstoff-zelle aber ist ein Energiewandler, der chemische Energie völlig geräuschlos, abgaslos und ohne Verbrennung in elektrischen

Strom transformiert. Im Falle des U-Boot-Antriebs funktioniert das mit Wasserstoff und flüssi-gem Sauerstoff. Das System kann sogar bei bereits in Dienst gestellten U-Booten nachgerüs-tet werden.

Auf den ersten Blick hat eine Boeing 747 ja nicht viel gemein-sam mit einem Schiff. Und doch, sowohl in der Luft als auch zu

Wasser werden Strahltriebwerke verwendet. Daher bewegen sich Hersteller wie Rolls-Royce, General Electric oder Pratt & Wittney mit ihren leicht abge-

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U-Boote mit Brennstoffzellenantrieb und Jachten mit Heli-HangarIngenieurinnen und Ingenieure entwickeln alle Bereiche der Schiffstechnik weiter – mal soll ’s innovativ, mal darf ’s luxuriös sein und manchmal schwimmt man auch gegen die Strömung

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Die Queen Mary 2 auf der Elbe bei Glückstadt. Das Schiff kommt gerade von der Hamburger Werft Blohm + Voss zurück, wo es einem sogenannten „Refit“ unterzogen wurde

Die AIDAluna kurz vor dem Ausdocken nach ihrer Fertigstellung auf der Meyer Werft

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Ingo Voigt ist 24 Jahre alt und studiert an der TU Hamburg-Harburg Schiffbau im 8. Semester.

Ein Studium der Ingenieurwis-senschaften zu beginnen, war schon in den letzten Schuljah-ren am Gymnasium sein festes Ziel. Nach dem Abitur und Zivildienst in Konstanz konkreti-sierte sich das Ganze dann. Ingo fasste den Entschluss, sich für Schiffbau zu immatrikulieren. Ein guter Uni-Tag beginnt mit …einem gemeinsamen Frühstück mit Kommilitonen in der Mensa.An Schiffbau fasziniert mich … die Größe, bei der es auf viele Kleinigkeiten ankommt und wie man es schafft, Tonnen von Stahl so schwimmen zu lassen, wie man das will.Es macht mich wahnsinnig, wenn …Leute unendlich viel reden ohne etwas zu sagen.Die Ingenieurausbildung in Deutschland …muss ihrem guten Ruf auch weiterhin gerecht werden.An der TU Hamburg-Har-burg … lernt man, Schiffe in Deutsch-land zu bauen.Entspannung finde ich …beim Fahrradfahren im Alten Land oder in den Harburger Bergen, beim Lesen und manchmal auch beim Skatspielen.Als Ingenieur arbeite ich einmal …auf einer Werft, in einem Ingenieurbüro, an der Uni oder irgendwie ganz woanders.Ein Schiffbaustudium … verlangt einem sehr viel ab, bietet aber (auch außerhalb des Uni-Alltags) viel.Auf dem Wasser fahre ich …vor allem Ruderboote, viel zu selten Segelboote.Als Rentner werde ich .…hoffentlich meinen Enkeln sehr viel erzählen können oder aber immer noch arbeiten müssen, weil es keine Rente mehr gibt. //

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den vergangenen Jahren vom Stapel: Die „Rising Sun“ zum Bei-spiel, das Spielzeug von Oracle-Gründer Larry Ellison, gebaut auf

der Bremer Lürssen-Werft: 82 Zimmer auf fünf Decks, Sauna, Fitness und Weinkeller, 136 Meter lang, 50.000 PS stark und 200 Millionen Dollar teuer. Oder die „Dubai“, die als exklusivste

Jacht der Welt gilt und dem Scheich von Dubai gehört. Blohm & Voss brachte sie 2006 zu Wasser; 160 Meter lang und

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Schiffsdeutsch & Meereslatein

» Steuerbord: Bezeichnet, vom Heck zum Bug (in Fahrtrichtung) betrachtet, die rechte Seite eines Schiffes. Die linke Seite wird Backbord genannt.» Tiefgang: Gemeint ist die Distanz von derWasserlinie bis zum Kiel eines Schiffes. Der Tiefgang im Süß-wasser ist aufgrund der gerin-geren Wasserdichte in etwa 30 Zentimeter größer als im Salzwasser.» Verdrängung:Leitet sich vom Archimedischen Prinzip ab, das besagt: „Die Auf-triebskraft eines Körpers in einem Medium ist genauso groß wie die Gewichtskraft des vom Körper verdrängten Mediums.“ Demnach schwimmt ein Schiff, wenn die Masse des verdrängten Wassers der Masse des Schiffes entspricht. Ein 10.000-Tonnen-Schiff verdrängt also 10.000 Tonnen Wasser. Die Verdrän-gung kann sich durch Salzgehalt und Wassertemperatur ändern, genau wie der Tiefgang des Schiffes.» TEU: Weltweites Standardmaß für Con-tainer. 1 TEU (Twenty feet Equivalent Unit) entspricht 20 Fuß (circa 6,1 Meter) Länge und einer Breite sowie Höhe von 8 Fuß (circa 2,4 Meter).» Postpanmax-Klasse: Kennzeichnet Containerschiffe, die größer sind als die gerade noch für den Verkehr im Panamakanal geeignete Schiffsgeneration. Post-panmax ist erreicht, wenn die Trag-fähigkeit von 4.500 TEU, ein Tief-gang von 13,50 Metern, die Breite von 32,30 Metern oder die Länge von 295 Metern überschritten wird.»Doppelhüllentanker: Diese – auch Zwei-Hüllen-Tanker genannten – Transportschiffe für flüssige Güter wie Öl oder Flüs-sigerdgas haben zwei stählerne Außenhäute, deren Abstand meist zwei bis drei Meter zuein-ander beträgt. Die Doppelhülle wird auch als Ballasttank genutzt, um das Schiff zu „trimmen“. Die-se Wende im Tankerbau leitete die Exxon Valdez-Katastrophe in Alaska 1989 ein. Ab 2015 dürfen nur noch Öltanker mit doppelwandigen Außenhüllen die Weltmeere befahren.

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ImpressumVerantwortlicher Herausgeber:Arbeitgeberverband Gesamt-metall · Wolfgang Gollub · Leiter Nachwuchssicherung/THINK ING.Postfach 06024910052 Berlinwww.think-ing.de

wandelten Luftfahrt-Produkten auch im kühlen Nass. Gastur-binen-Antrieb nennt sich das im Schiffbau. Ab 2000 wurden acht Kreuzfahrtschiffe dieser Art gebaut. Eines davon ist die bereits erwähnte Queen Mary 2. Ihre beiden 95 Tonnen schwe-ren Turbogeneratoren mit je 40.500 PS sitzen aufgrund des hohen Luft- und Sauerstoffbe-darfs schallgedämpft unterhalb des Schornsteins. Sie werden nur zugeschaltet, wenn die vier Dieselmotoren mit je 22.850 PS nicht ausreichen, um das Meer mit Highspeed zu durchpflügen. Das steigert die Leistung von 24 auf 34 Knoten. Auch Container-schiffe und Linienfrachter gibt’s mit Gasturbinen. Besonderes Einsatzgebiet sind aber Per-sonen- und Frachtfähren auf kürzeren Strecken. Hier sind schnelle Fahrzeiten wichtiger als hohe Brennstoffkosten, denn Diesel ist auch auf See immer noch der günstigste Treibstoff.

Wenn man sich als Superrei-cher von einem Reichen unter-scheiden will, kauft man sich am besten eine obszön teure Luxusjacht. Weltweit gibt es mittlerweile rund 7.000 davon, die länger sind als 24 Meter. Ganz auf diese exklusiven Kun-den haben sich deutsche Werf-ten eingestellt. Viel Luxus lief in

für Gäste extrem weiträumig – es gibt nur zwölf Suiten für insgesamt nur 24 Gäste. Aktuell hat aber nach drei Jahren Bau-

zeit ein neu-er schwim-mender Luxus-Rekord das Dock bei Blom & Voss verlassen: die 170 Meter lange „Eclipse“ des russischen Milliardärs Roman Abramo-witsch. 800 Millionen

Euro teuer, 75 km/h schnell, mit Disco, Kino und einem Hangar für zwei Hubschrauber, einem Tauchboot und 20 Jet-Skis.Wo die Riesenjachten cruisen, bleibt meist das Geheimnis ihrer

Besitzer. Aber Google-Earth ist ja ein hervorragendes Tool, um die Promiboote in den Nobelhäfen dieser Welt aufzuspüren … //

Die U-Boote der Klasse 212 A sind die derzeit modernsten der Deutschen Marine und gehen mit außenluftunabhängigen Brennstoffzellen auf Tauchfahrt

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Fortsetzung von S. 5: U-Boote mir Brennstoffzellenantrieb und Jachten mit Heli-Hangar

Absolut de luxe und sündhaft teuer – die Striker ist ein neues Projekt von ThyssenKrupp Marine Systems

Ein im Februar 2010 neu vorgestelltes Luxusjacht-Konzept: die B+V 110 ist 110 Meter lang, 40 Knoten schnell und schafft 3.000 Seemeilen am Stück