Schischak-Schoschenk-Gleichung I. · S.301; A.H. GARDINER: The Wilbour Papyrus, II, Oxford, 1948,...

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113 C2.1 Die Schischak-Schoschenk-Gleichung - I. Weitere Begr ündung der konventionellen Sichtweise Karl JANSEN-WINKELN Die Gleichsetzung des biblischen Schischak (l.Kön. 14,256; 2.Chr. 12,29) mit Schoschenk I. ist seit Beginn der Ägyptologie anerkannt und stellt einen der wichtigsten Synchronismen zwischen ägyptischer und vorderasiatischer Geschichte dar. Umgekehrt ist die Ablehnung der Identifizierung Schischaks mit Schoschenk I. einer der Angelpunkte der „Neuen Chrono logie"; sie scheint mir aber in keiner Weise gerechtfertigt: a) Die lautliche Entsprechung ist perfekt. Der Name Schoschenk wird zeitgenössisch (und später) entweder 5>snq oder §Sq geschrieben, und letzteres entspricht exakt dem hebräischem Schischak: Ägyptisches s wird generell durch hebräisches Schin/Sin wiedergegeben. 1 An sonsten ist kein anderer ägyptischer König be kannt, dessen Namen auch nur eine vage laut liche Ähnlichkeit mit Schischak hätte. 2 b) Schoschenk I. hat nachweislich einen Feld zug nach Israel und Juda unternommen. RöHL hat gegen die Gleichsetzung dieses Feldzugs mit dem des Schischak Einwände erhoben, 1 die auf den ersten Blick überzeugend erscheinen: Nach dem ägyptischem Zeugnis (der Städteli ste) hat sich diese Aktion in erster Linie gegen Israel und nicht gegen Juda gerichtet, während das Alte Testament nur von einem Zug gegen Juda und Jerusalem spricht. Zudem sei ein mi litärisches Vorgehen Schischaks gegen seinen Verbündeten Jeroboam gar nicht zu erwarten. Dennoch ist dieser scheinbare Widerspruch in keiner Weise geeignet, die Gleichsetzung bei der Ereignise zu erschüttern. Zwar geht aus den zeitgenössischen ägyptischen Angaben zum Feldzug, die offenkundig auch auf aktuel len Aufzeichnungen basieren, nicht etwa auf seit alters überlieferten Listen, 4 unzweifelhaft hervor, dass die unterworfenen Orte ganz über wiegend in Israel liegen und nicht in Juda. Umgekehrt ist aber dem Alten Testament kei neswegs zu entnehmen, dass sich der Feldzug vor allem gegen Juda gerichtet habe. Wie M. NOTH schon vor langem erkannt hatte, 5 dient die Notiz über den Feldzug des Schischak nur als Hintergrundinformation; über Sinn und Zweck des Feldzugs selbst sagt sie nichts aus. 6 Auch der vermeintliche Widerspruch, dass Schi schak seinen Verbündeten Jeroboam, der frü her in Ägypten Zuflucht gefunden hatte, nun angreift, ist kein zwingendes Argument. Wel chen Zweck Schischak mit seiner Aktion auch verfolgte, eine Machtdemonstration, einen Beu tezug oder sogar den Versuch einer dauerhaf ten Unterwerfung, er dürfte Jeroboam kaum als ebenbürtigen „Verbündeten" betrachtet ha ben. Wenn er ihm Zuflucht gewährt hatte, dann sicher aus der politischen Berechnung heraus, dass ein entzweiter und geschwächter Nachbar besser war als ein einiger und starker. Nach dem dieses Ziel erreicht war, dürfte er wohl kaum große Skrupel gegenüber seinem frühe ren Schützling gehabt haben. Möglicherweise hatte sich Jeroboam nach seiner Thronbestei gung ja auch nicht so verhalten, wie es Schischak erwartet hatte. Über ihr beiderseitiges Verhält nis ist nichts bekannt. c) In der etwas ausführlicheren Version von Schischaks Feldzug in 2.Chr. 12,29 wird die Zusammensetzung seines Heeres erwähnt, und an erster Stelle werden Lubim (= Rbw, „Liby er") und Sukkiyim (= Tk[tn]) genannt, beides Bezeichnungen für libysche Kontingente. 7 Eben dies ist bei einem libyschen König wie Scho schenk auch zu erwarten, bei einem Pharao des Neuen Reiches wäre es dagegen doch verwun derlich. d) Auch aus allgemeinen chronologischen Erwägungen heraus ist die Gleichsetzung Schi schaks mit Schoschenk I. durchaus passend und naheliegend: Aufgrund der ägyptisch vorderasiatischen Synchronismen des Neuen Originalveröffentlichung in: Peter van der Veen & Uwe Zerbst, Biblische Archäologie am Scheideweg? Für und Wider einer Neudatierung archäologischer Epochen im alttestamentlichen Palästina (Studium integrale : Archäologie), Holzgerlingen 2002, S. 113-4

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C2.1 Die Schischak-Schoschenk-Gleichung - I. Weitere Begründung der konventionellen Sichtweise

Karl JANSEN-WINKELN

Die Gleichsetzung des biblischen Schischak (l.Kön. 14,25­6; 2.Chr. 12,2­9) mit Schoschenk I. ist seit Beginn der Ägyptologie anerkannt und stellt einen der wichtigsten Synchronismen zwischen ägyptischer und vorderasiatischer Geschichte dar. Umgekehrt ist die Ablehnung der Identifizierung Schischaks mit Schoschenk I. einer der Angelpunkte der „Neuen Chrono­logie"; sie scheint mir aber in keiner Weise gerechtfertigt:

a) Die lautliche Entsprechung ist perfekt. Der Name Schoschenk wird zeitgenössisch (und später) entweder 5>snq oder §Sq geschrieben, und letzteres entspricht exakt dem hebräischem Schischak: Ägyptisches s wird generell durch hebräisches Schin/Sin wiedergegeben.1 An­sonsten ist kein anderer ägyptischer König be­kannt, dessen Namen auch nur eine vage laut­liche Ähnlichkeit mit Schischak hätte.2

b) Schoschenk I. hat nachweislich einen Feld­zug nach Israel und Juda unternommen. RöHL hat gegen die Gleichsetzung dieses Feldzugs mit dem des Schischak Einwände erhoben,1 die auf den ersten Blick überzeugend erscheinen: Nach dem ägyptischem Zeugnis (der Städteli­ste) hat sich diese Aktion in erster Linie gegen Israel und nicht gegen Juda gerichtet, während das Alte Testament nur von einem Zug gegen Juda und Jerusalem spricht. Zudem sei ein mi­litärisches Vorgehen Schischaks gegen seinen Verbündeten Jeroboam gar nicht zu erwarten. Dennoch ist dieser scheinbare Widerspruch in keiner Weise geeignet, die Gleichsetzung bei­der Ereignise zu erschüttern. Zwar geht aus den zeitgenössischen ägyptischen Angaben zum Feldzug, die offenkundig auch auf aktuel­len Aufzeichnungen basieren, nicht etwa auf seit alters überlieferten Listen,4 unzweifelhaft hervor, dass die unterworfenen Orte ganz über­wiegend in Israel liegen und nicht in Juda. Umgekehrt ist aber dem Alten Testament kei­

neswegs zu entnehmen, dass sich der Feldzug vor allem gegen Juda gerichtet habe. Wie M. NOTH schon vor langem erkannt hatte,5 dient die Notiz über den Feldzug des Schischak nur als Hintergrundinformation; über Sinn und Zweck des Feldzugs selbst sagt sie nichts aus.6

Auch der vermeintliche Widerspruch, dass Schi­schak seinen Verbündeten Jeroboam, der frü­her in Ägypten Zuflucht gefunden hatte, nun angreift, ist kein zwingendes Argument. Wel­chen Zweck Schischak mit seiner Aktion auch verfolgte, eine Machtdemonstration, einen Beu­tezug oder sogar den Versuch einer dauerhaf­ten Unterwerfung, er dürfte Jeroboam kaum als ebenbürtigen „Verbündeten" betrachtet ha­ben. Wenn er ihm Zuflucht gewährt hatte, dann sicher aus der politischen Berechnung heraus, dass ein entzweiter und geschwächter Nachbar besser war als ein einiger und starker. Nach­dem dieses Ziel erreicht war, dürfte er wohl kaum große Skrupel gegenüber seinem frühe­ren Schützling gehabt haben. Möglicherweise hatte sich Jeroboam nach seiner Thronbestei­gung ja auch nicht so verhalten, wie es Schischak erwartet hatte. Über ihr beiderseitiges Verhält­nis ist nichts bekannt.

c) In der etwas ausführlicheren Version von Schischaks Feldzug in 2.Chr. 12,2­9 wird die Zusammensetzung seines Heeres erwähnt, und an erster Stelle werden Lubim (= Rbw, „Liby­er") und Sukkiyim (= Tk[tn]) genannt, beides Bezeichnungen für libysche Kontingente.7 Eben dies ist bei einem libyschen König wie Scho­schenk auch zu erwarten, bei einem Pharao des Neuen Reiches wäre es dagegen doch verwun­derlich.

d) Auch aus allgemeinen chronologischen Erwägungen heraus ist die Gleichsetzung Schi­schaks mit Schoschenk I. durchaus passend und naheliegend: Aufgrund der ägyptisch­vorderasiatischen Synchronismen des Neuen

Originalveröffentlichung in: Peter van der Veen & Uwe Zerbst, Biblische Archäologie am Scheideweg? Für und Wider einer Neudatierung archäologischer Epochen im alttestamentlichen Palästina (Studium integrale : Archäologie), Holzgerlingen 2002, S. 113-4

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Abb. 1: Feldzugs l i s te Schoschenks I. auf d e m Bu-bast idenportal in Karnak, mit der Liste der eroberten Städte. (Photo: D. RöHL).

Reiches8 und den bekannten oder doch sehr wahrscheinlichen ungefähren Regierungslän­gen der Herrscher des Neuen Reiches und der 21. Dynastie muss die Regierungszeit Scho­schenks I. unbedingt ins 10. Jahrhundert fallen, und das stimmt aufs beste zu der für Jeroboam und Rehabeam zu errechnenden Zeit.

Quellen und Anmerkungen

' v g l . J.E. HOCH: Semitic Words in Egyptian Texts of the New Kingdom and the Third Intermediate Period, Pr ince ton , 1994, S. 436. Die assyr i sche F o r m S u s i n q u b e d e u t e t na tü r l i ch nicht „das s die offens icht l iche Ä h n ­l ichkei t d e r N a m e n S c h o s c h e n k u n d Schischak m e h r Sche in als Wirk l i chke i t se in k ö n n t e " (so D. RöHL: Pharaonen und Propheten, M ü n c h e n , 1996, S. 190), s o n d e r n ist n u r e in w e i t e r e s Beispiel f ü r d ie im Mitte l ­

u n d N e u a s s y r i s c h e n nich t se l t ene S u b s t i t u t i o n v o n s d u r c h s ( u n d u m g e k e h r t ) , vgl . W. VON SODEN: Grund-riß der akkadischen Grammatik, AnOr 3 3 / 4 7 , 1969, §30d; H. RANKE: Keilschriftliches Material zur altägyp-tischen Vokalisation, APAW, 1910, S. 92. Ü b r i g e n s ist a u c h d ie F o r m ä u s a n q u beleg t , W. St ruve , ZÄS, 1927, S.66 .

2ROHL: [1],S. 189­197, schlägt als E n t s p r e c h u n g von Schischak d e n e in igema l f ü r R a m s e s EL be leg ten Kurz­n a m e n Ssj vor , aber d a s ist, v o n d e r C h r o n o l o g i e g a n z abgesehen , keine Lösung : Ers tens ist d ie r e g u l ä r e Ent­s p r e c h u n g von ägyp t i sch s im H e b r ä i s c h e n S a m e c h u n d nicht S c h i n / S i n (vgl. / . Vergote: BSEG 4, 1980, S. 92), zwe i t ens hä t t e d a s q d a n n keine E n t s p r e c h u n g . P. G. VAN DER VEEN h a t als A u s w e g vorgesch lagen , Ssj sei a n h a n d des heb rä i s chen N a m e n s Schaschak als SSq re in te rpre t ie r t w o r d e n . Diesen N a m e n vers teh t er als „der jen ige , d e r a n s t ü r m t " (von sqq) , aber d ie griechi­schen W i e d e r g a b e n (vgl. KOEHI.HR/BAUMGARTNER: He-bräisches und aramäisches Lexikon zum Alten Testament,-' 1990, S. 1536) legen eine solche D e u t u n g k e i n e s w e g s nahe . Z u d e m w ä r e eine V e r b i n d u n g v o n Ssj u n d Ssq a u f g r u n d de r laut l ichen Unähn l i chke i t sehr u n w a h r ­scheinlich.

3 ROHE: [1], S.150­159. 1 vgl. K.A. KITCHEN: The Third Intermediate Period in

Egypt, W a r m i n s t e r , 31995, S.432, A n m . 49. 5 M . NOTH: Z D P V 61 (1938), S. 278­280. 6 vgl. NOTH: [5], S.280: „ A u s d e m Alten T e s t a m e n t

ist also sch lech te rd ings nicht m e h r zu e n t n e h m e n als die e infache Tatsache, d a s s d e r P h a r a o Susak (Scho­schenk) im 5. Jahre nach d e m T o d e Sa lomos e inen Fe ldzug nach Paläs t ina u n t e r n a h m . Über se inen Ver­lauf melde t d a s Alte T e s t a m e n t nichts ."

7 Z u d e n Tk(tn) vgl. W. SPIEGELBERC: Ägyptologische Randglossen zum Alten Testament, St r aßbourg , 1904, S.30­1; A.H. GARDINER: The Wilbour Papyrus, II, Oxford , 1948, S.81, n . l ; R.A. CAMINOS: Late Egyptian Miscellanies, O x f o r d 1954, S.177.

8 vgl. J. VON BECKERATH: „ C h r o n o l o g i e d e s Ä g y p t i ­s chen N e u e n Reiches" , HÄB 39 (1994), S. 17­30.