Schluß mit deutschem Selbsthaß - Horst Mahler - Franz Schönhuber.pdf

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Fotos: Archiv der Verfasser Mike Moritz

Internationale Standard-Buchnummer ISBN 3 86118 093 6

1. Auflage 2000

© by VGB-Verlagsgesellschaft Berg mbH 82335 Berg am Starnberger See

Satz: A. Paclik, Seeshaupt Druck: Graf. Betriebe Ebner, Ulm

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HORST MAHLER PRANZSCHÖNHUBER

SCHLUSSMIT DEUTSCHEM SELBSTHASS

Plädoyers für ein anderes Deutschland

VGB- Verlagsgesellschaft Berg mbH BERG AM STARNEERGER SEE

SCHÖNHUBER: Liebe Lese rinnen, liebe Leser, ich halte es für unser Unterfangen dienlich, Ihnen zunächst unser Rollenver­ständnis bei diesem Gespräch darzulegen. Es ergibt sich schon aus unseren Berufen und Werdegängen. Herr Mahler ist Jurist, für seine Gegner ein in die Provokation verliebter Pamphletist und Illusionär, für seine Freunde dagegen ein Visionär, der wie kaum ein anderer Zusammenhänge durchschaut hat, die unsere Volks­krankheit, den Nationalmasochismus, erklären.

Auch ich hatte als Politiker wie Autor begeisterte Anhänger und erbitterte Gegner. Umstritten sind wir also beide.

Ich war zwar lange Jahre parteipolitisch tätig, habe aber auch während dieser Zeit meinen Beruf als Journalist nie aufgegeben. In diesem Gespräch sehe ich mich deshalb in erster Linie als Fragesteller, ohne meinen politischen Standpunkt zu verbergen. Meine politischen Ansichten, die ich in unzähligen Artikeln, Ko­lumnen und in neun Büchern dargelegt habe, müssen jedoch hier nicht in allen Details wiederholt werden. Größeren Raum sollen dafür die bahnbrechenden und aufsehenerregenden Weltanschau­ungen, - ich gebrauche dieses "belastete" Wort ganz bewußt -meines Gesprächspartners einnehmen. Mit der heute allseits üb­lichen journalistischen Praxis: "Kurze Frage mit der Bitte um eine kurze Antwort", ist nämlich ein vernünftiges Aufzeigen der Pro­bleme nicht möglich. Sie wissen, verehrte Leserinnen und Leser: Neugierde ist erste Journalistenpflicht. Ich komme dieser Pflicht hier besondes gerne nach, hat doch Horst Mahler nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis mit seinen Ansichten Freund und Feind gleichermaßen überrascht. Hierbei von einem Saulus-Pau­lus-Wandel zu sprechen, wäre zu vordergründig. Hier heißt es tiefer zu graben. Wir kennen uns noch nicht sehr lange, ein paar Monate. Eine Gemeinsamkeit aber haben schon die Vorgespräche ergeben: Wir betrachten uns als Revisionisten und Tabubrecher. In unserem Gespräch werden gewiß unterschiedliche Positionen erkennbar werden. Sie sollen nach dem Grundprinzip jeder Dis­kussion abgehandelt werden: Kontroverses kontrovers darzustel­len.

Da ich glaube, daß Kindheit und Jugend prägende Einflüsse auf

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die Entwicklungjedes Menschen haben, halte ich es für notwendig aufzuzeigen, woher man kommt, wo die familiären Wurzeln liegen. Ich darf mit der Schilderung meines Elternhauses beginnen: Ich

bin also der Sohn eines Metzgermeisters, der 1931 in die Partei eingetreten ist. Ich glaube, nicht so sehr aus ideellen Gründen, sondern er trat der Partei bei, weil sie für die Abschaffung der

Schlachtsteuer eintrat. Und das ist ein sehr wichtiger Punkt für einen Metzgermeister. Dann glaube ich, neigte er eher der Strasser-Richtung zu. Er hat sehr viel soziales Empfinden gehabt. Mein Vater war ein sehr offener Mensch, aber auch ein sehr autoritärer Mensch, z. B. mußte ich mich jeden Tag winters wie sommers mit eiskaltem Wasser im Freien waschen. Ich mußte von meinem Heimatort Trostberg in meine Realschule in Traunstein, das sind 24 km, mit dem Rad fahren und 24 km zurück. Das hat zwar meine Waden gestärkt, aber n1ir nicht unbedingt gut getan im Unterricht. Er war ungeheuer leistungsbezogen. Ich war ein guter Sportler. Für meinen Vater war es notwendig, daß ich gewinne. Wenn ich verloren habe, dann empfand er das als eine persönliche Beleidigung. Meine Mutter war völlig unpolitisch, sehr religiös, etwas mystisch, katholisch religiös, aber gleichzeitig nicht verbissen. Sie hätte es sicher auch sehr gerne gehabt, wenn ich dem Wunsch des Pfarrers gefolgt wäre und, wie man hierzu­lande sagte, auf geistlich studiert hätte. Da hat mein Vater kurz angebunden gebrummt: "Na a Kuttenbrunzer wird mein Sohn net. "Er war durchaus antiklerikal eingestellt, handelte aber gemäß der Liberalitas Bavariae: Leben und leben lassen. Mein bester Freund in der Kindheit war der Sohn des dortigen Kommunisten. Er trug die "Rote Fahne" aus, ich den "Völkischen Beobachter".

Gleichzeitig spielten wir in der gleichen Fußballmannschaft, er halbrechts, ich halblinks. Als ich in Dresden in der Oberrealschule war, sie nannte sich Dietrich Eckart-Oberrealschule, hatten wir zwei Juden in der Klasse. Ich weiß noch heute ihre Namen: Kariel und Feuerstein. Mein Vater fand das anständig, daß ich mit ihnen einen guten Kontakt pflegte, meinte aber, nach Hause müsse ich sie nicht unbedingt einladen. Das wär' des Guten zuviel. Er wollte mir zweifellos schulische Schwierigkeiten ersparen.

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Von meiner Jugendzeit habe ich mich sehr schnell verabschie­det. Ich wollte raus aus diesem kleinstädtischen Milieu, wollte, wie man so schön sagt, etwas werden. Dann kam der Krieg. Ich meldete mich 1942 nach dem Abitur freiwillig zur Waffen-SS- Ich schäme mich dessen nicht. Für mich war und bleibt die Waffen-SS eine politisch mißbrauchte und militärisch verheizte soldatische Elite. Daß dieser Eintritt mein Leben nachhaltig verändern würde, , konnte ich damals nicht ahnen.

Die Probleme begannen schon in den ersten Jahren der Nach­kriegszeit. Ich konnte kein Studium beginnen, mußte auf mein Spruchkammerverfahren warten. Ich München ging es mir alles andere als gut. Ich hatte teilweise keine feste Bleibe, fast nie Geld und habe immer wieder auf Parkbänken geschlafen. Der Hunger war mein ständiger Begleiter. Das läßt sich heute jungen Men­schen schwer vermitteln, selbst nicht den eigenen Kindern. Meine Feinde waren die Polizisten. Sah mich einer auf der Parkbank liegen, schnauzte er mich an, ich solle mich schleunigst verziehen. Mein erstes Feindbild waren also Staatsdiener.

Mit den Eltern und dem jüngeren Bruder Adolf

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MAHLER: Ich hatte meine Probleme mit diesem Staat und der Justiz dieses Staates. Sicher. Bei mir ist das natürlich zeitversetzt und dadurch auch noch ganz anders. Geboren 1936, war ich erst neun Jahre alt. Aufgewachsen bin ich bis dahin in einer schlesi­schen Kleinstadt, in einer mittelständischen Familie, der Vater war Zahnarzt. Und ich habe halt noch die Erinnerung: es war für mich eine durch und durch heile Welt. Die Eltern, das habe ich nie anders kennen gelernt, waren sehr liebevoll zueinander, aber auch zu uns Kindern. Sie waren für mich der Inbegriff der gütigen Menschen, nicht der Gutmenschen.

Irgendwie waren sie auch religiös. Zu jeder Mahlzeit- die Familie versammelte sich um einen ovalen Tisch - wurde ein Dankgebet gesprochen. Vor dem Einschlafen kamen die Eltern an unser Bett. Mit jedem Kind gesondert wurde ein Gebet gesprochen.

Aber sie waren voll dabei, überzeugte Anhänger des "Führers". Und jedes Mal, wenn über den Rundfunk der "Führer" AdolfHitler sprach, wurde absolute Ruhe geboten. Die Familie versammelte sich mit den "Dienstmädchen" vor dem "Volksempfänger". Es herrschte absolute Ruhe und Gläubigkeit, Hoffnung - auch sonst im Alltag. Alles das. Und ich durchlief auch diese deutsche Erziehung: Beim Hitlergruß immer die Hacken zusammenschla­gen, "Diener" machen. Leitsprüche waren: "schnell wie ein Wind­hund, zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl" usw. Das waren also die Grundmuster, die man vermittelt bekam. Ich glaube, meine Eltern haben nie daran gezweifelt, daß wir den Krieg gewinnen werden. Dann kam plötzlich der Abbruch. Es war alles weg. Ich erlebe das in der Erinnerung so, als sei da eine begeisternde Kraft irgendwie plötzlich weg gewesen. Zugleich erlebte ich an meiner Mutter, die plötzlich mit uns vier Kindern auf der Flucht war, eine bewundernswürdige Tapferkeit. Sie hat um unser Leben gekämpft - und diesen Kampf gewonnen.

Sie haben vorhin gesagt, das deutsche Volk sei ein gebrochenes Volk. Ich würde sagen: es war damals erst ein erschöpftes Volk. Gebrochen ist es erst viel später. Lange Zeit war die Erschöpfung der prägende Eindruck, dann der Überlebenskampf, daß man etwas zu essen bekam - satt wurde man nie - , daß man immer ein

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Dach über dem Kopf hatte, daß man versuchte, in den damaligen Verhältnissen irgendwie zu überleben. Das hat alle Lebensenergi­en absorbiert.

Nach etwa einem Viertel Jahr stieß auch der Vater wieder zur Familie. Er hatte sich - um dem Desaster des Volkssturms zu entgehen - noch in den letzten Kriegstagen freiwillig an die Front gemeldet als Sanitäter. Nach der Kapitulation hat er sich zu uns durchgeschlagen.

Die Eltern führten mit uns Kindern natürlich keine Gespräche über die politischen Verhältnisse und was daran so war. Was sie bewegte, konnten wir aus aufgeschnappten Gesprächen, die die Erwachsenen unter sich führten, aus Gesten und Reaktionen uns zusammenreimen. Daraus wurden Versatzstücke meines sich langsam formenden Weltbildes. In der Erinnerung ist nichts, das mich für die Umgebung, in der ich aufgewachsen bin, auf eine innere Ablehnung gegenüber dem Nationalsozialismus schließen ließe. Es wurde auf einzelne "Goldfasane" geschimpft. Es gab im Freundeskreis auch zwei "Edelkommunisten". Sie wurden als Exoten liebevoll geduldet. In meiner Erinnerung leben Menschen, die eine große Hoffnung hatten, die die Deutsche Niederlage als Unglück und nicht als Befreiung sahen. Und ich erinnere mich noch an die Auseinandersetzung mit meiner Mutter - der Vater ist 1949 gestorben -, als ich anfing, Fragen zu stellen und reden wollte. Ich kam aus der Schule nach Hause und erzählte: ich hab das und das gehört und das und das ist passiertich habe die Bilder von den Konzentrationslagern gesehen, die Leichenberge und dann die Bulldozer, mit denen die englischen Besatzer diese Leichen in ein Massengrab geschoben haben. Ich wollte eine Erklärung haben. Meine Mutter reagierte unter Tränen mit einer Mischung aus Entsetzen und Empörung über diese - wie sie sich ausdrückte - "Greuelmärchen unserer Feinde". Sie wollte sich überhaupt nicht darauf einlassen, was mich sehr irritiert hat. Ich habe zu diesem V erhalten nie eine klare Einstellung gewinnen können. Es ging dann soweit, daß mein ältester Bruder - der war schon bei der "HitlerJugend" mit dem Rang eines Bannfeldseber­führers - mich einmal ganz fürchterlich beim Wickel genommen

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MAHLER: Selbstachtung vor uns

und mich als "Nestbeschmutzer" beschimpft hat. Er wollte mich aus der Wohnung rauswerfen. Da ging Mutter schreiend dazwi­schen: "Nein, das ist mein Sohn!" Es war fürchterlich. Bis dann eines Tages meine Mutter ihren Widerstand aufgab und unter

Tränen zugestand: "Ja, es war ein V erbrechen, daß Hitler die Juden umgebracht hat. Er hätte sie lieber in die Mansarden­wohnungen stecken sollen, dann wären wenigstens die deutschen Städte nicht zer­bombt worden." Wenn ich mir das so in der Rückschau noch einmal verge­genwärtige, bin ich überhaupt nicht in der Lage, meiner Mut­ter daraus irgendwie Vorwürfe zu machen, sie moralisch in Frage zu stellen. Das ist mir einfach nicht möglich. Sie ent­sprach in allem, was ich mir unter einem gütigen Menschen vorstelle. Ich war von daher

Der Student Horst Mahler nie in der Lage, dieses Bild zu übernehmen, das einem nahe

gebracht wurde: daß die Nazis irgendwie von einem anderen Stern waren, irgendwie teuflische Wesen. Für mich waren das immer Menschen, die man auch lieben konnte, die man geliebt hat. Ich empfand es als selbstgerecht, wenn ich mir einzubilden versuchte, daß mir das nicht hätte passieren können. Wie aber war dieser liebenswerte Mensch zu einem so ungeheuerlichen Vorschlag fähig? Was geht in solchen Menschen vor sich? Wir dürfen uns

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die Antwort nicht zu leicht machen. Ich glaube, daß mein Freund Rainer Langhans mit seiner Auffassung richtig liegt, daß wir unser Verhältnis zu unseren Eltern in Ordnung bringen müssen. Wir sollten es uns versagen, mit dieser Pose des Rechthabens und des Verurteilens an diese Zeit und die in ihr lebenden Menschen heranzugehen. Sie haben einen Anspruch darauf, von uns verstan­den zu werden. Denn wir wissen nicht, wie wir geworden wären unter diesen Bedingungen, in diesen Zeiten (oder vielleicht weiß ich es doch!). Diese Haltung ist etwas ganz anderes als das, was der Zeitgeist von uns verlangt. Er besteht auf völliger Dämonisie­rung und Verteufelung der Menschen, die uns das Leben ge­schenkt, die uns geliebt und gehegt haben. Wir sollen unsere Ahnen bespucken, Vater und Mutter nicht ehren, sondern sie todeswürdiger V erbrechen bezichtigen, sie als Feinde behandeln. Kurz: Wir selbst sollen uns der sittlichen Substanz entledigen, die uns erst zu geistigen Wesen, zu Menschen macht.

Ich glaube, es ist an der Zeit, dieses teuflische Wort von der "Tätergeneration" als Seelenmord, als Verbrechen gegen unser Menschsein zu erkennen.

Der hier ausgeführte Widerspruch hat mich mein ganzes Leben beschäftigt, bis ich vor etwa zwei Jahren die geistigen Fäden gewiesen bekam, die für mich zu einer Lösung des Rätsels führten.

SCHÖNHUBER: Also ich muß noch einen Nachtrag machen. Was in meiner Erziehung wesentlich war, das sage ich nicht als Alibi, sondern als Fakt. Das war das Verhältnis zum Judentum. Ich habe es schon angedeutet. Mein Vater war Viehhändler und Metzger. Und gerade unter den Viehhändlern gab es einige Juden, insbesondere in Bayern. Und mein Vater lernte einen Mann ken­nen, der hieß Grünhut. Er war Darmhändler und Hauptmann im Ersten Weltkrieg gewesen. Mein Vater dagegen hattetrotz acht­jähriger Soldatenzeit und Kriegszeit in zwei Weltkriegen es nur zum Gefreiten in der Artillerie gebracht. Er bewunderte alles, was von der Artillerie kam, darum liebte er auch Marschall Petain. Für ihn war die Artillerie die Krone des Militärs und nicht die

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SCHÖNHUBER: HitZer hat das Weltju­dentum sträflich unterschätzt

Infanterie. Und Grünhut hatte das Eiserne Kreuz erster Klasse. Das fand mein Vater bewundernswert. Und er sagte oft im Fami­lienkreis: "Dumm sind's, die Nazis." Diese Worte habe ich noch heute im Ohr. Und auch: "Hätte der HitZer mit den deutschen Juden ein Abkommen getroffen, dann wären viele von denen die ersten gewesen, die den Zustrom der Ostjuden mit ihren Bärten und Schläfenlöckchen verhindert hätten, weil sie darin eine Ver­stärkung des Antisemitismus sehen. " Das sagten gewiß nicht wenige Juden auch so, vor allem die national eingestellten. Man braucht nur an Rathenau1 zu denken, der einmal meiner Erinne­rung nach angesichtsjüdischer Spaziergänger von "asiatischen Horden auf märkischem Boden" geschrieben hatte. 1 Ich glaube, !fitlers irrationalen Judenhaß kann man nur aus seiner Wiener Zeit heraus verstehen. Damals wimmelte es dort von antijüdischen Pamphleten und Broschüren. Hit/er wollte nicht zur Kenntnis nehmen, daß es viele tapfere jüdische Frontsoldaten gegeben hat, die sich nach Ende des Ersten Weltkrieges für eine Rehabilitierung Deutschlands eingesetzt hatten. Und er hat den jüdischen Einfluß insbesondere in Amerika sträflich unterschätzt.

MAHLER: Ich glaube, daß sich die meisten Deutschen von Amerika und über Amerika täuschen lassen und sich zugleich einer Selbsttäuschung hingeben. Sie sind der Auffassung, daß sehr viele deutschstämmige Amerikaner Gewicht in den Vereinigten Staaten hätten, und daß es von daher nie so schlimm kommen könne, daß die Amerikaner im übrigen ganz nette Leute seien und die Welt ihnen viel zu verdanken habe.

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Genauer Text des Rathenau Textes: "Seltsame Vision. Inmitten deutschen Lebens ein abgesonderter, fremdartiger Menschenschlag, glänzend und auffallig staffiert, von heißblütigem beweglichen Gebaren. Auf märkischem Sand eine asiatische Horde."

Die sind immer gutgläubig und lassen sich entsprechend über den Tisch ziehen, sind bis zum Letzten geneigt, immer noch was Positives im Anderen zu sehen. Sie haben nicht erkannt, welche Kräfte gegen Deutschland gearbeitet haben. Das betrifft schon den Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg. Erst kürzlich wurde mir ein jüdisches Dokument zugespielt, das sich mit den Hinter­gründen dieser Entwicklung befaßt. Die Juden- insbesondere in den USA - waren zunächst auf der Seite des Reiches, weil es gegen Rußland angetreten war, wo es den Juden damals sehr schlecht ging. Sie hofften, der militärische Druck auf das Zaren­reich würde dort zu einer Revolution und in deren Folge zur Emanzipation der Juden in Rußland führen. Mit Deutschland hatten die Juden damals keine Probleme. Nach der bereits er­wähnten jüdischen Quelle seien aber- als England und Frankreich praktisch schon amBoden lagen - Zionisten aus Deutschland, an die Britische Regierung mit dem Anerbieten herangetreten, ihren Einfluß für einen Eintritt der USA auf Seiten der Entente geltend zu machen. Sie hätten dafür die einzige Bedingung gestellt, daß die Britische Regierung in verbindlicher Form den Zionisten ihre Unterstützung für eine Jüdische Heimstatt in Palästina zusage. Tatsächlich hat die Britische Regierung mit der sogenannten Balfour-Erklärung diese Unterstützung zugesagt. Sofort schwenkten die US-Medien um auf einen deutschfeindlichen Kurs. Es wurde der Zwischenfall mit der "Lusitania" arrangiert, nach deren Versenkung durch DeutscheU-Boote die USA dem kaiserlichen Deutschland den Krieg erklärten. In seiner Ausgabe vom 17. Februar 1936 berichtete das Nachrichtenmagazin TIME, daß der kommandierende Admiral der Britischen Heimat­flotte, Admiral Earl of Cork and Orrery, der Deutschen Admira­lität in einem in London gehaltenen Vortrag bescheinigt hätte, daß der U-Bootangriff auf den unter dem Namen Lusitania als Luxus-Schiff getarnten, mit Munition für die Britische Marine beladenen Truppentransporter nach den Regeln des Seekriegs­rechts gerechtfertigt gewesen sei.

Die USA waren also Angreifer-Nation. Schon 1934 hatte ein Untersuchungsausschuß des US-Senats unter Leitung des Sena-

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tors Gerald. P. Nye nach eingehenden Forschungen festgestellt, daß die Rüstungsindustrie und die Hochfinanz der Vereinigten Staaten für den Kriegseintritt verantwortlich waren.

SCHÖNHUBER: Und die deutschstämmigen Amerikaner konn­ten es nicht verhindern. Sie bildeten keinen monolithischen Block wie die Iren, Italiener oder Polen. Kam später hinzu, daß sich unter den Deutschstämmigen viele Juden befanden, die in der Geschäftswelt und bei den Banken eine große Rolle spielten und Einfluß auf die Regierungen hatten.

MAHLER: Die Deutschen Staatsmänner und ihre Berater hatten keine Erfahrung bei der Beurteilung der weitgehend im unsicht­baren Bereich wirkenden monetären Kraftfelder, die im Zeitalter des Dollar-Imperialismus die Völkerschicksale und die Frage von Krieg und Frieden entscheiden. Hier hatten die Briten eindeutig die besseren Möglichkeiten, denn die "Londoner City", die Briti­schen Pressekonzerne und Banktrusts, hat in der Praxis das aus­gebrütet, was heute in den Arsenalen der Ostküste der USA als Herrschaftstechniken für den Feldzug zur Eroberung einer unan­gefochtenen Weltherrschaft zur Verfügung steht. Ihr Kern sind Finanzkredite als Erpressungsmittel , Täuschung, Lüge und Heu­chelei.

Überhaupt bestand im Deutschen Kaiserreich kein Problem­bewußtsein darüber, daß mit dem Eintritt der Massen in die Geschichte und mit der Entwicklung des Kapitalexports und des Weltfinanzsystems ganz neue Formierungskräfte in das geo­strategische Geflecht der Nationen und Einflussphären eingrif­fen.

Was wir heute - ohne das leiseste Verständnis für das Wesen der Sache - als "Demokratie" kanonisiert haben, ist nichts als eine gigantische Manipulationsmaschine, die weltweit von nur weni­gen Eingeweihten virtuos dirigiert wird.

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r MAHLER: Roosevelts pathologischer Deutschenhaß

Schwer einzuschätzen waren auch die Auswirkungen des fast schon pathologischen Deutschenhasses, den Franklin D. Roose­velt in die Weltpolitik einbrachte.

Die Deutschen, die arglos waren, haben das überhaupt nicht auf sich beziehen können. Auch deshalb haben sie die Situation völlig falsch eingeschätzt. Sie haben sicherlich auch die wirtschaftlichen Potenzen der Vereinigten Staaten nicht richtig erkannt. Über diese Fragen sollten wir unbefangen reden. Man muß vor allen Dingen darüber reden dürfen. Dann wird sehr schnell deutlich werden, daß zwischen Roosevelts Entschluß, das Deutsche Reich restlos zu zerstören und für immer aus der Geschichte zu entfernen, einer­seits und den mit dem Namen "Auschwitz" assozüerten Ereignis­sen andererseits ein Ursachenzusammenhang nicht besteht. Unbe­streitbare historische Quellen belegen das. Es muß nur eben auch in das Bewußtsein der Deutschen eindringen, damit sie wieder Mut haben zu sagen: "Das an uns verübte Unrecht hat uns nicht umgebracht. Wir sind noch da und wir haben Interessen, für die wir stehen, die wir auch geltend machen. Und wir fordern Wie­dergutmachung!".

SCHÖNHUBER: Wir sollten auch nicht vergessen, daß der barbarische Morgenthau-Plan, der Deutschland zu einem ver­stepptenAgrarlandmachen wollte, nichts anderes als den Versuch einerorganisatorischen Umsetzung der Vorstellungen Roosevelts bedeutete. Die Deutschen sollten für immer von der Gnade der Sieger abhängig bleiben, auch für immer stigmatisiert. Manche amerikanische Deutschenhasser wie der wirre "Denker", namens Kaufmann, forderten gar eine Sterilisierung der Deutschen. Daß der Morgenthau-Plan scheiterte, verdanken wir nicht zuletzt den Russen. Es war nicht nur der Widerstand eines nicht unbeträcht­lichen Teiles der amerikanischen Öffentlichkeit gegen diese altte-

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stamentarische Vergeltungspolitik, weitsichtige amerikanische Militärs und Politiker sahen die Gefahren eines weiteren Vordrin­gens der Russen und begannen vorsichtig, den Deutschen eine neue Rolle zuzuweisen. Deutschland sollte zum Ostwall gegenüber den Ostblockstaaten ausgebaut werden. Deshalb hat manjenseits des Ozeans die deutsche Wiederbewaffnung durchaus begrüßt.

MAHLER: Das Erste muß sein, daß wir die über uns verbreiteten Lügen nicht auch noch selbst weitererzählen und auch nicht mehr an sie glauben. Vielleicht erlebe ich es noch, daß die "Glatzen" die Baseballschläger in die Ecke stellen und beginnen, ernsthaft für Deutschland zu kämpfen, indem sie die Geschichtswerke von Hamilton Fish, "Der zerbrochene Mythos", Dirk Bavendamm, "Roosevelts Krieg", Giselher Wirsing, "Der maßlose Kontinent", 1942, Karl Helfferich, "Der Weltkrieg", 1925 und Hjalmar Schacht, "Das Ende der Reparationen", 1931, zur Hand nehmen und studieren - ich sage: studieren, das ist mehr als nur lesen-, um daraus wirksame Waffen gegen die Lügen unserer Feinde zu gewinnen. Das Zweite muß sein, daß wir genügend Phantasie aufbringen, um uns vorstellen zu können, welch ungeheuren gei­stigen Energien wir in unserem Volke freisetzen können, wenn wir den Lügenbann von seiner Seele sprengen. Wir haben uns ja einreden lassen, daß es "der Masse" der Deutschen nur auf die drei Fs: "Fressen, Ficken, Fernsehen" ankomme und mit unseren Landsleuten deshalb nichts los sei. Wer das glaubt, irrt sich schrecklich. Der sieht in den Gesichtern der Deutschen nicht die tiefe Niedergeschlagenheit. Oder wenn er sie schon bemerkt, denkt er nicht über die Ursachen und Bedingungen dieser Nieder­geschlagenheit nach.

Die 3 Fs sind nur Betäubungsmittel, die den Seelenschmerz unseres Volkes lindern. Sie bringen keine Heilung. Unser Volk wird die Schmerzlinderungsmittel beiseite lassen, wenn es die Mittel erkennt, die die Heilung bringen. Die Volksrevolutionen, die Geschichte gemacht haben, sind nie aus dem Leid der Entbeh­rung, sondern stets aus der Empörung über das erlittene Unrecht, aus dem Entschluß, die Anerkennung als Person zu erzwingen,

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entstanden. Man muß groß über das Volk denken, das große Taten voJJbringen wird.

Wir sollten das ganze Land mit Studienzirkeln zur Geschichte des 20. Jahrhunderts, speziell der Deutschen Geschichte, überzie­hen und über das elektronische Weltnetz mit den revisionistischen Historikern in den USA, in Großbritannien, in Frankreich, in Polen, in Rußland, in Japan,jn China, in Israel und in den Arabi­schen Ländern vernetzen. Diese Gruppen können - mit viel Spaß -eine Geschichtswahrheits-Guerilla aufbauen und überall: in Bür­ger- und Parteiversamrnlungen, in Vortragsveranstaltungen, in Schulen und Universitäten, in Parlamenten und in Ausstellungen organisiert die Tatsachen- und nur die Tatsachen - sprechen lassen und mit Witz und Humor die Debatte über sie erzwingen. Die Deutschen können hier von den 68ern lernen!

Die Wahrheit wird über die Lügen triumphieren. Da bin ich mir sicher. Denn die Lüge ist nur am Anfang stark- und um so stärker, je unglaublicher die Annahme ist, daß es sich um eine Lüge handelt. Das ist aber zugleich ihre Schwäche. Aus ihrem Gebäude wird Stein um Stein herausgebrochen. Nie kehrt ein herausgebro­chener Stein an seine ursprüngliche Stelle zurück. Reparaturen sind unmöglich. Schließlich stürzt das Ganze - von der Schwer­kraft seiner Bauteile niedergezogen - wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

SCHÖNHUBER: Sie wissen genauso wie ich, daß Amerika nach dem Zweiten Weltkrieg eine Schutzmachtstellung angenommen, man könnte auch sagen, sich angemaßt hat. Es ist Ihnen doch sicher auch bewußt, daß heute alles, was als antiamerikanisch ausgelegt werden kann, sofort die Schlapphüte auf den Plan ruft.

MAHLER: Ich bin zum ersten Male 1962 mit einem Strafbefehl geehrt worden, weil ich während der Kubakrise zusammen mit ein paar Freunden auf dem Kurfürstendamm am Kranzler-Eck ein Transparent entrollt hatte, auf dem stand: "Die Kubakrise gefähr­det den Weltfrieden". Nur das. Es galt damals in Berlin noch

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MAHLER: Wir haben einen Freiheits­kampf zu führen

Besatzungsrecht, eine Verordnung 511 der alliierten Komman­dantur, die jegliche Kritik an den Besatzungsmächten unter Strafe stellte. Und das ist in etwa im Bewußtseinsstand des Zeitgeistes so geblieben. Man ist sicherlich schon verfassungswidriger Um­triebe verdächtig, wenn man in dieser Weise kritisch auf eine Siegermacht schaut. Aber das sollten wir uns nicht ausreden lassen. Diese Kritik ist auch für die Siegermacht wichtig, damit sie ihre Möglichkeiten realistischer einschätzen kann. Ihre Politik muß nämlich eine andere werden, wenn sie nicht untergehen will. Und wenn sie das zum Verbrechen erklären und uns dafür einsper­ren, ist auch das gut. Die Wahrheit können sie nicht einsperren. Das Martyrium ihrer Apostel verleiht ihr Flügel. Im Freiheits­kampf muß man diese Risiken auf sich nehmen. Die Elterngene­ration hat für Deutschland viel viel größere Gefahren in Kauf genommen und Opfer gebracht. Ein bißeben können auch wir uns anstrengen. Wenn wir aber diesen Kampf nicht führen, sollten wir uns gleich hinlegen und sterben.

SCHÖNHUBER: Das sollten wir natürlich nicht. Aber bei Ihren Ausführungen haben Sie einen Punkt übersehen, den ich für sehr wichtig ansehe. Das ist die sprachliche Durchdringung durch Amerikanismen. Wenn Sie heute mit dem Auto fahren und das Radio eingeschaltet haben, dann können Sie manchmal das Gefühl haben, Sie fahren zwischen Chicago und Milwaukee. Dieses "Franglais", wie die Franzosen es nennen, diese Amerikanisie­rung unserer Sprache hat auch unser Denken verändert. Es gibt heute Ausdrücke, mit denen meine Generation überhaupt nichts mehr anfangen kann. Auch dadurch vertieft sich der Graben zwischen den Generationen, also der älteren zu den jüngeren Generationen. Auch das ist gewollt. Das Gesetz der Eroberer läuft seit Jahrhunderten nach dem gleichen Muster ab. Erst ging's um

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SCHÖNHUBER: Miss-Wahlen in Ost­europa sind Vorstufen der Prostitution

Weidegründe, heute Absatzmärkte, dann um die Eroberung der Frauen und letztlich um Durchdringung der Sprache durch die der Sieger. Ich erinnere an das Vordringen der Türken. Sie kamen aus kargen asiatischen Gebieten, sahen in Europa überall wun­derbare Weidegründe und reiche Städte. Dann kam die Demüti­gung der Frauen der unterlegenen Gegner. Nach dem Zweiten Weltkrieg machten es die Amerikaner kaum anders. Ich denke an die weibliche deutsche Filmprominenz, die scharenweise zu den amerikanischen Besatzungsoffizieren, vor allem den jüdischen überlief, um wieder spielen zu können. Der Übergang von den braunen Betten zu den amerikanischen war fließend. Ich habe diese Zeit selbst erlebt. Hand in Hand damit ging die Amerikani­sierung der Sprache. Nicht nur in Deutschland. Vor zwei Jahren war ich in der Ukraine, auch hier haben sich Coca Cola und McDonalds festgesetzt und beherrschen das Bild vieler Städte. Und auch mit Misswahlen wird das Land überschwemmt. Das sind die Vorstufen zur Prostitution. Aus dem Osten kommen ja die frischen, bildschönen jungen Mädchen unter Vorspiegelung fal­scher Tatsachen in den geilen,von der Genußsucht geprägten Westen und landen in den Bordellen.

MAHLER: Da gab es ja neulich den Bericht im "SPIEGEL" darüber, was sich bei den Models abspielt.

SCHÖNHUBER: Unerhört. Dagegen haben wir zu Felde zu ziehen. Da sind Sie, Herr Mahler, sicher eine Speerspitze in diesem Kampf, weil sie manchmal bewußt überpointiert und über­spitzt formulieren, aber dadurch Tabus durchbrechen und Proble­me sichtbar machen. Ich habe auf diesem Gebiet selber manchmal Probleme.

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MAHLER: Der Globalismus bedeutet ein Todesprogramm

Ich habe ja jahrelang im Establishment gelebt und da gehen einem bestimmte Verhaltensweisen in Fleisch und Blut über. Ob man will oder nicht. Es entsteht eine Sperre, die dazu dient, sich genau zu überlegen, was man noch sagen kann und was nicht. Alibisätze sind die Folge. Zum Beispiel: Ich habe ja nun wirklich nichts gegen die Juden und bin wahrlich kein Antisemit, aber der Friedmann ...

Also es müßte Schluß sein mit diesenAlibisätzen. Ich gebe gerne zu, daß auch ich hier einen Nachholbedaif habe.

MAHLER: Übrigens ist das noch mal ein Pfund, mit dem die 68er wuchern könnten. Die haben ja damals auf sehr theoretischer Grundlage diese Erscheinung, die Sie hier gerade in die Debatte geworfen haben, untersucht. Sie haben den amerikanischen Kul­turimperialismus benannt, diesen American way of life, seine Auswirkungen. Sie haben den Konsumterror, das Abrichten der Menschen zu Konsumtierchen, seziert, jene Strategie, mit der man um des Profites Willen ständig neue Bedürfnisse weckt, gänzlich unvernünftige, Zerstörerische Bedürfnisse. Alles das haben wir schon damals als Teil einer Weltmachtstrategie erkannt. Daß wir damit richtig lagen, hat unlängst kein geringerer als Zbigniew Brzezinski, der während der Amtszeit von Jimmy Carter ein­flußreichste Berater des US-Präsidenten, bestätigt. In seinem Buch "Die einzige Weltmacht" (sehr lesenswert!) beschreibt er genau, wie die Medien, die Werbung, die Bildungseinrichtungen usw. eingesetzt werden, um im Herrschaftsinteresse der USA weltweit die Menschen auf den American-way-of-life zu fixieren, um die kulturelle Identität der Völker, in der die USA eine gefahr­liehe Gegenmacht sehen, auszulöschen. Mit raffinierten "wissen­schaftlichen" Methoden haben sie herausgefunden, wie man ein Volk mit unblutigen Operationen wehrlos macht. Voller Stolz

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erklärt uns Brzezinski, daß wir die Ehre hätten, "tributpflichtige Vasallen der USA" zu sein. Als er in Wien auf einem Podium diese These auch bezüglich der Österreicher wiederholte, wurde er vom Österreichischen Außenminister sanft berichtigt: "Aber Herr Brze­zinski, wir sind doch Partner!" Worauf dieser erwiderte: "Na gut, dann sind Sie eben tributpflichtige Partner."

Die Ostküste weiß, worauf es ankommt: daß sie als Weltmacht den Freihandel braucht. Freihandel ist übersetzt die Zerstörung der Volkswirtschaften, ist Grenzenlosigkeit des Kapitalverkehrs, ist das Niederreißen aller das Leben in einem geordneten Wirtschafts­raum sichemden Strukturen. Freihandel in seiner schon von Karl Marx vorausgesagten Vollendung ist das, was man heute beschö­nigend als "Globalismus" feiert. Das ist in Wahrheit ein Todespro­gramm.

Sie fragen, wo eine Gegenkraft sichtbar werde. Diese Kraft liegt im Geist und in der Organisation eines Volkes als solidarischer Gemeinschaft. In ihr dient die Wirtschaft dem Leben des Volkes und damit auch dem Einzelnen. Heute ist es umgekehrt: Alles dient der Wirtschaft. Im System des Freihandels ist der Mensch nur soweit noch etwas wert, wie er für das Profitsystem funktioniert, indem er für die privaten Kapitaleigentümer Mehrwert schafft. Dieses Verhältnis bezeichnete Karl Marx als Ausbeutung. Aus­beutung in diesem Sinne ist heute ein allgemeines Verhältnis: die furchtbare Herrschaft Mammons, unter der sich alle persönlichen Beziehungen der Menschen untereinander letztendlich in Geld­verhältnisse auflösen, wo alle Werte dem Wert des Geldes geopfert sind und die Natur am Marterpfahl stirbt. Wer als Aus­beutungsobjektnichts taugt, ist eine überflüssige, eigentlich nicht mehr berechtigte Existenz. Der wird zum gesellschaftlichen Pro­blem, und durch unterschiedliche Verfahren als solches entsorgt in der unwürdigsten Weise, indem man ihn fürs Nichtstun bezahlt - was allerdings nur noch solange funktionieren wird, wie das "soziale Netz" noch halbwegs hält.

Ich vertrete die Auffassung, daß die Volksgemeinschaft die Wirtschaft in ihrem Bereich als Volkswirtschaft so ordnen muß, daß alle, die zu diesem Volk gehören, in ihrem Lebensraum, in

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ihrer Heimat ihr Auskommen haben durch ein Einkommen aus sinnvoller Tätigkeit, also aus eigener Kraft ihre Lebensbedürfnisse befriedigen können. Wenn und soweit die Marktwirtschaft das nicht zu leisten vermag, wird sie nicht - wie im Sozialismus bzw. Kommunismus - abgeschafft, sondern auf allen gesellschaftlichen Ebenen durch die Eigenwirtschaft ergänzt. Die Arbeitslosen, die das Marktsystem - wie Karl Marx gezeigt hat - notwendig produ­ziert, wechseln zwanglos über in den Sektor der Eigenwirtschaft Auf staatlicher, regionaler und kommunaler Ebene wird es einen freiwilligen Arbeitsdienst geben. Die Dienstier werden in Herstel­lungseinrichtungen tätig, in denen die Gebrauchsgüter für den staatlichen, regionalen und kommunalen Eigenbedarf - später auch für den individuellen Eigenbedarf- hergestellt bzw. entspre­chende Dienstleistungen erbracht werden. In dieser Parallelbe-_., schäftigungswelt wird es einerseits nur ein wesentlich geringeres Arbeitsentgelt für die Leistung geben, andrerseits werden dort Tätigkeits- und Beziehungsformen verwirklicht, die die Arbeit im Sinne einer entfremdeten, lohnorientierten Betätigung der Ar­beitskraft überwinden. Dort werden auch die älteren Volksgenos­sen, die noch rüstig genug sind und "dabei bleiben wollen" einge­gliedert bleiben. Das unwürdige Rentnerdasein ist überwunden.

Es werden wirklich nur noch diejenigen der Fürsorge durch die Gemeinschaft bedürfen, die wegen körperlicher oder geistiger Schwäche sich nicht selbst erhalten können.

Wegen dieser Vorzüge wird die Eigenbedarfswirtschaft langfri­stig die Marktwirtschaft dadurch aufheben, daß sich niemand mehr findet, der in ihr arbeiten will. In diesem Sinne ist die Volkswirtschaft ein System des Wettbewerbs der Systeme.

Ich bin also dafür, den Sozialstaat als eine menschenunwürdige Einrichtung zu liquidieren und eine solidarische Volksgemein­schaft an dessen Stelle zu setzen.

SCHÖNHUBER: Wobei Sie auf den Arbeitsdienst hingewiesen haben, der übrigens keine nationalsozialistische Erfindung ist, sondern die Erfindung eines sehr klugen Wiener Juden. Die Kib­buzim sind nichts anderes als Arbeitsdienst.

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MAHLER: Das deutsche Arbeitsdienstmodell ist auch von Fran­klin D. Roosevelt im Rahmen des New Deal kopiert worden. Das muß man einfach mal wieder in Erinnerung rufen: viele Elemente der nationalsozialistischen Wirtschaftsordnung sind vom Roose­velt'schen "Gehirntrust" als New Deal in die USA importiert worden, allerdings ohne die Volksgemeinschaft, weshalb der New Deal auch nicht funktioniert hat. Die USA werden vom Amerika­nischen Mythos - "jeder handelt auf eigene Faust und bringt es dadurch vom Tellerwäscher zum Millionär" - verschlungen wer­den. Wir werden da noch fürchterliche Sachen erleben. Nach dem calvinistisch-jüdischen Grundkonsens steht nur der Gewinner in der göttlichen Gnadensonne. Für die Verlierer ist in dieser Gesell­schaft kein Platz. Schon heute vegetieren über eine Million US­Bürger - meistens Farbige - in Gefängnissen. Es werden immer mehr Gefängnisse gebaut. Immer mehr Menschen werden in den USA hingerichtet. Keiner weiß, wo das mal enden wird. Wir müssen da was dagegensetzen.

SCHÖNHUBER: Aber was? Diese Frage treibt mich um. Von den Parteien, auch den nationalen, ist wenig zu erwarten. Sie unterliegen zwei Strömungen, sowohl national wie auch interna­final.

Die eine Strömung ist die verhängnisvolle, von den Streitigkeiten der Vergangenheit diktierte. Die Nationalisten der historisch zer­strittenen Liinder gleichen da bissigen Hunden. Die andere Rich­tung ist die Einstellung zum Amerikanismus. Die ist aber nicht einheitlich. So hat die postfaschistische Alleanza Nationale des Herrn Fini, der wirklich ein übler Bursche ist, eine zeitversetzte Kopie des Überläufers im Zweiten Weltkrieg, Marschall Badoglio, sich stets gemeinsam mit seinem Spießgesellen Berlusconi um die Gunst der Amerikaner bemüht. Die Alleanza akzeptierte den NATO-Überfall auf Serbien. Hier mögen auch noch historische Reminiszenzen eine Rolle gespielt haben, die Schwäche der italie­nischen Armee im Kampf gegen die Tito-Partisanen und deren grausame Rache an den Eindringlingen. Selbst Le Pen brauchte eine geraume Zeit, sich vom Amerikanismus zu lösen. Aufgrund der

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antikommunistischen Grundhaltung des Front National während des "Kalten Krieges", sah Le Pen in den Amerikanern ein Bollwerk im Kampf gegen den Bolschewismus. Deshalb war Le Pen auch sehr stolz, daß er zu einem Kongreß der Republikaner eingeladen und Ronald Reagan vorgestellt wurde. Meiner Forderung nach einem NATO-Austritt brachte er alles andere als Sympathie ent­gegen. Heute ist der Front National antiamerikanisch geprägt und verurteilt ohne Einschränkung den NATO-Schlag auf Serbien.

Generell glaube ich, daß die europäischen Rechtsparteien mit Ausnahme der Serbischen Radikalen Partei unter ihrem charis­matischen Führer, Dr. Seselj und dem Vlaams Blok sich in einer tiefen Krise befinden. Sie spielen auf der iberischen Halbinsel keine Rolle mehr, nicht mehr in Griechenland und schon gleich gar nicht in Skandinavien. Etwas undurchsichtig ist die Lage in den baltischen Ländern. Da sind die Übergänge zu konservativ­nationalen Parteien fließend. So paradox es klingen mag: Russ­lands Rechte sind die Linken und Ultralinken, also auch die Kommunisten. Der Politclown Schirinowski hat mehr oder minder ausgespielt. Die Schweizer Rechten unter Bioeher und die Öster­reichischen unter Haider lasse ich mal außen vor. Sie wollen ja keine Rechten sein. Und der Erfolg der serbischen undflämischen Rechten ist dadurch erkärlich, daß sie genau Zielvorgaben haben. Sie sind Volkstumskämpfer. Dr. Seselj istfür ein Großserbien und die Flamen sind für eine Zerschlagung des belgischen Staates: Flandem den Flamen. Zu den deutschen Rechtsparteien fällt mir wenig ein. Sie sind politisch kaum noch vorhanden und könnten von den kommenden Generationen als Sperrmüll entsorgt werden.

MAHLER: Ich glaube, diese Rechtsparteien, über die Sie gerade gesprochen haben, sind gekennzeichnet durch den Mangel, daß sie das Parteienprinzip verinnerlicht haben und es gar nicht wirklich überwinden wollen. In Deutschland gibt es nur eine Rechtspartei, - die ich nach dem gebräuchlichen Zuordnungsverfahren übrigens für eine "linke" Partei halte - die anders zu beurteilen ist. Das ist die NPD. Sie ist auch eine Partei- zweifellos. Aber sie bedient sich der Parteiform lediglich aus taktischen Gründen. Ihre Kritik am

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MAHLER: Landnahme schon im Kreiß­saal

Parteienstaat ist fundamental. Ich bin gespannt, ob sie sich mit diesem Widerspruch in sich weiterentwickeln kann. Ich vermute, daß sie dieser Spagat zerreißen wird.

Und ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß von den Rechtspar­teien, die dem Parteienprinzip verhaftet bleiben, nichts zu erwar­ten ist. Gegenwärtig erleben wir in diesem Spektrum einen Boom von Parteigründungsinitiativen. Nach dem Wahlerfolg von Haider will jeder eine Deutsche FPÖ als Sammlungspartei gründen. Es ist zum Lachen.

Aber es wird eine Bewegung aus dem Zentrum der Gesellschaft hervorgehen. Der Boden dafür ist bereitet. Wir haben ein drängen­des Problem, dessen Konturen von Tag zu Tag klarer ins Bewußt­sein der Deutschen treten: das ist die Überfremdung, insbesondere durch muslimische Völker, die sich mehr und mehr zu einer Umvolkung auswächst. Die meisten haben sich damit nur noch nicht befaßt. Sie wissen noch nicht, daß wir aufgrund der demographischen Entwicklung tatsächlich Gefahr laufen, innerhalb von nur 30 bis 50 Jahren zu einer Minderheit in unsrer Heimat zu werden. Wenn das begriffen wird, ist kein Halten mehr. Wir Deutschen haben immer weniger Geburten zu verzeichnen und es kommen immer mehr Fremde in unser Land. Und die Fremden, die hier schon sind, bekommen Kinder wie die Karnickel. Die Landnahme findet heute im Kreiss­saal statt. Selbst, wenn wir die Grenzen dicht machen, werden wir majorisiert werden. Die Fremden brauchen gar nicht erst über die Grenze zu kommen. Ihr Anteil an der Wohnbevölkerung wird durch die, die schon da sind, ständig wachsen und politisch an Gewicht gewinnen, während wir eine ganze Weile noch schrum­pfen werden.

Daß die Deutschen weniger werden, ist ja gar nicht schlecht. Wir sind ja sowieso viel zu viele Menschen auf der Erde. Wir können

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auch mit 40 Millionen Deutschen unser wunderschönes Land he­gen und pflegen. Die Umweltbelastung würde spürbar abnehmen.

Ich sehe keinen Grund zu verzagen. Wenn der Crash der Welt­finanzen ausbleibt, wird die hier angesprochene Überfremdungs­dynamik die Deutschen - und auch die anderen Europäer - in Bewegung bringen. Der Umbau unseres Gemeinwesens bringt­wie eine Blinddarmoperation - notwendig viele unangenehme Begleiterscheinungen mit sich. Man begibt sich immer erst dann unter das Messer des Chirurgen, wenn der Leidensdruck so groß ist, daß der Heilungsschmerz dagegen als das geringere Übel erscheint.

SCHÖNHUBER: Kreuzberg ist die viertgrößte türkische Stadt auf europäischem Boden.

MAHLER: Was das bedeutet an Realität, da sind ja selbst die Leute, die gar nicht genug Fremde hereinlassen können, langsam genervt.

"So haben wir uns die multikulturelle Gesellschaft nicht vorge­stellt", heißt immer öfter- jetzt sogar auch in Berichten der "taz". Wenn die türkischen Machos die deutschen Frauen anmachen in einer Weise, wie die das gar nicht mehr gewöhnt sind und das auch nicht akzeptieren, wird diese kulturelle Fremdheit zu einem Gift. Man ertappt sich dabei, wie man jetzt mehr als sonst auf alles Fremde mit Gereiztheit reagiert. Langsam steigt Wut auf. Das Lebensgefühl wird dumpfer. Bilder von Aufruhr und Vertreibung besetzen die Tagträume. Der Frieden des Wohnbereichs ist in Gefahr. Wenn es bei der Lösung dieses Problems menschlich zugehen soll, dann muß das jetzt auf die Tagesordnung gesetzt werden. Die Menschen müssen darüber reden dürfen, ohne Angst haben zu müssen, daß sie sofort mit der Auschwitzkeule erschla­gen werden, wenn sie das auch nur ansatzweise thematisieren.

SCHÖNHUBER: Da gerade von den Türken die Rede ist, möch­te ich noch einen wesentlichen Punkt anführen, der beweist, wie das deutsche Volk bewußt verdummt wird, oder besser gesagt, im

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SCHÖNHUBER: Die deutschen Wur­zeln werden ausgerissen

Unklaren über mögliche traditionsbedingte und religiöse Konflik­te im Zusammenleben mit ihnen gelassen wird. Ich möchte auf das Problem der Ehen zwischen Türken und Deutschen eingehen. Meine Frau ist Juristin. Sie war einige Zeit Türkeibeauftragte der christ-sozialen "Hanns Seidel-Stiftung", war mehrmals und für längere Zeit in der Türkei und hat sich besonders mit dem Problem der deutschen Frauen beschäftigt, die Türken geheiratet hatten. Von guten Ausnahmen abgesehen, die die schlechte Regel bestä­tigen, traf sie auf Probleme, die in den deutschen Medien gerne mit einem moralischen Schleier umgeben werden, der dem deut­schen Schuldkomplex entspringt. Deutsche Frauen lernen Türken in Deutschland als Studenten, Austauschstudenten an Universitä­ten kennen, die sich bewußt westlich-modisch kleiden, aufge­schlossen für europäische Vorstellungen geben und gerne ihre toleranten Seiten hervorkehren. Nun wird geheiratet. Und ab geht's in die Türkei. Und zwar nicht nur in die Großstädte wie /zmir oder Istanbul, sondern auch in anatolische Dörfer. Und jetzt zeigt sich die Kehrseite der Medaille. Und die Frauen fallen aus dem Himmel des Verliebtseins in die Hölle der Realität. Eine davon betroffene Schriftstellerin hat die Situation einmal wahr­heitsgetreu beschrieben. Das paßte nicht in das Klischee der deutschen Medien. Nicht selten zeigte sich jetzt der charmante und weltläufige Türke als ein Despot, der unter Umständen sogar verschwiegen hatte, daß er bereits eine, vielleicht sogar zwei Frauen hat, die ihm nach muslimischem Ritual, den sogenannten Imam-Ehen, angetraut worden waren. Die Familie verlangt von der europäischen Frau die völlige Unterwerfung unter die Domi­nanz des Mannes und die Ablegung europäischer Sitten. Jede Auflehnung wird brutal gebrochen. Und die Erziehung der Kinder erfolgt "türkisch". Die deutschen Wurzeln werden ausgerissen.

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MAHLER: Da braucht man gar nicht in die Türkei zu gehen. Das vollzieht sich hier auch in den Ghettos der Großstädte. Wurde die Ehe einer Deutschen mit einem Türken noch in relativ klaren Verhältnissen mit deutscher Dominanz geschlossen, ändert sich die Lage der Frau dramatisch, wenn das Ehepaar jetzt in ein türkisches Ghetto- in Berlin nach Kreuzberg oder in den Wedding - zieht. Plötzlich findet sich die Deutsche Frau in der Türkei wieder. Das Verhalten ihres Mannes ändert sich radikal. Er gerät - bewußt oder unbewußt - unter die Kontrolle seiner türkischen Umgebung mit ihren kultischen Erwartungshaltungen. Der Islam ist nicht die Privatsache der Muslime. Der Ehemann muß in der muslimischen Umgebung sein Gesicht wahren. Er muß nun dafür sorgen, daß sich seine Frau genau so verhält, wie sich im türki­schen Kulturkreis Frauen eben zu verhalten haben, wenn sie dazugehören wollen. Ständig ist der Mann der Gefahr ausgesetzt, durch das andersartige Verhalten seiner Frau in der türkischen Gemeinde in sozialen Verruf zu geraten. Der Frau bleibt nur die Alternative: Anpassung oder Flucht. Und wenn sie das im Kreis ihrer Deutschen Freunde thematisiert, dann heißt es: "Du bist ja eine Rassistin" und "Schämst du dich denn nicht." "Du mußt doch Verständnis haben." "Du siehst das nur so."

Das ist eine schlimme Unterdrückung. Diese wird von der politischen Klasse ignoriert oder gar geleugnet. Ich habe das Interview von Heinrich Albertz gelesen, das er kurz vor seinem Tode gegeben hatte. Er räumte ein zu wissen, daß "bis auf ganz wenige", er betonte das durch Wiederholung, "bis auf ganz we­nige", die meisten Deutschen erwarten, "daß die Brüder wieder zurückgehen", die Ausländer, die Türken, die Asylbewerber. Und er fuhr sinngemäß fort: "Aber wir dürfen da keinen Schritt zu­rückweichen. Das Asylrecht darf um kein Jota beeinträchtigt werden."

Ja, was macht der denn? Ist er ein demokratischer Politiker, der den Willen seines Volkes zur Geltung zu bringen hat? Oder ist er ein Vasall, der seine Aufgabe darin sieht, den Willen seines Volkes zu unterdrücken und zu verfälschen?

Die in den Parteien des Machtkartells versammelte politische

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MAHLER: Wir haben auch die Möglich­keit Verbündete in Israel zu finden

Klasse übt Verrat am Deutschen Volk. Das wird nicht vergessen werden.

SCHÖNHUBER: Ich weigere mich auch nachzuvollziehen, was der Bundespräsident Rau gesagt hat, daß Kind und Kindeskinder, dritte - vierte Generation, quasi unverbrüchlich und ohne Kritik an Israel geschmiedet werden müssen, nur weil er das als seine zweite Heimat ansähe. Ich achte ja den israelischenAujbauwillen. Ich .finde, man soll auch einen Unterschied machen zwischen dem internationalen Judentum und den Israelis. Das ist nicht das gleiche. Was dort unten geschieht, ist bewundernswert in manchen Bereichen. Es hat sogar das Erscheinungsbild geändert. Das ist ein kriegerisches Volk geworden, das sich niemals mehr auf eine Schlachtbank führen läßt. Wie denken Sie darüber?

MAHLER: Der israelische Staat ist der Untergang des Judais­mus in seiner säkularen Form des Mammonismus. An Israel wird diese jüdische Vergötzung des Geldes zugrunde gehen, denn Israel wird auch nur als eine sich selbst bewußte Volksgemeinschaft überleben. Die Kibbuz-Bewegung war davon nur eine Vorform.

SCHÖNHUBER: Sind sie Hoffnungsträger bei uns, die Israelis?

MAHLER: Ja. Wir haben die Möglichkeit, Verbündete in Israel zu finden. Diejenigen, die die Gefahr der Islamisierung Deutsch­lands und Europas rechtzeitig erkennen. Ein islamisiertes Europa ist eine unmittelbare Bedrohung Israels.

Ein Bündnis mit islamischen Ländern gegen Israel wäre die falsche Option. Wir werden der kulturellen Konfrontation mit dem Islam nicht entgehen. Die islamischen Staaten sind deshalb auf absehbare Zeit potentielle Feindstaaten der Europäischen Natio-

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MAHLER: Die guten Deutschen sind die Auschwitz-Deutschen

nen. Den ersten handfesten Krach werden wir mit der Türkei haben, wenn wir daran gehen, die bei uns lebenden Türken - wie das Altbundeskanzler Helmut Kohl schon 1982 gefordert hat - in ihre Heimat zurückzuschicken.

SCHÖNHUBER: Aber die entscheidende Frage ist und bleibt, hat das geschwächte und ausgeblutete Europa noch die Kraft, sich zwischen den Blöcken zu behaupten oder dem Islam zu widerste­hen? Ich hoffe und wünsche es, kann aber meinen Skeptizismus nicht verhehlen. Und was die kulturelle Integration angeht ...

MAHLER: Ich weiß gar nicht, was damit gemeint ist, was die kulturelle Integration heißen könnte. Es gibt Assimilation. Das gab es immer schon. Es gab immer schon im Reichs- und Staatsange­hörigkeitsgesetz die Möglichkeit, einzelne Fremde über den Weg der Assimilation als Deutsche aufzunehmen. Die naturalisierten Deutschen hat es immer gegeben.

Also wenn man mal diesen Begriff "Kraft zur Assimilierung" akzeptiert, dann kann ich türkische Jugendliche zitieren, denen in der Schule von ihren Deutschen Lehrern gesagt wurde, daß sie jetzt Deutsche seien: "Wieso? Wollen wir das? Die Deutschen sind doch nichts. Die haben keinen Glauben. Die haben keinen Gott. Ich bin Türke, und das erfüllt mich mit Stolz. Was erwarten sie von mir? Ich bleibe Türke! Aber wenn sie mir einen deutschen Paß geben, na gern."

Aber die lachen auch über uns. Sie halten uns für verrückt. Sie sagen: In der Türkei könnte das, was hier abläuft, nie geschehen. Kein Türke wäre bereit, seine Heimat fremden Völkern zu über­lassen.

Ja, sie nutzen die Möglichkeiten, die wir ihnen geben und lassen. Aber sie haben überhaupt keine Neigung, so zu werden wie wir.

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Sie werden schließlich die "guten Deutschen" sein und wir sind die "Auschwitzdeutschen."

SCHÖNHUBER: Wie wollen Sie dem begegnen?

MAHLER: Also das kann ich nur subjektiv beantworten. Ich war ja sehr intensiv engagiert und involviert in das, was man die 68er Bewegung nennt, auch in deren ideologische Konstrukte. Wäh­rend der Haftzeit habe ich mich mit grundlegenden Schriften dieser ideologischen Bewegung, auf die sie sich auch berufen, befassen können, mit Marx, aber eben auch entscheidend mit Hegel. Marx beruft sich ja sehr stark auf Hegel. Dabei ist mir klargeworden, daß dort unsere Kraft ist. Wir nehmen uns anders wahr, wenn wir diesen philosophischen Gedanken der Volksge­meinschaft aufgreifen.

Deswegen: Schönhuber sagt ja auch, "Wir sollten Hegellesen." Das bedeutet nicht, daß jeder Bürger jetzt ein Regelstudium ab­solvieren muß. Aber die Eliten, wenn sie's denn sein wollen, werden sich intensiv damit befassen müssen. Wir brauchen diese am Hegeischen Denken - und in Kombination damit: an der Marx'schen Kritik des Mammonismus- geschulte geistige Elite. In diesem Denken ist die Kraft vorhanden, die eine Neue Welt erbauen wird. Diese Kraft habe ich an mir selbst wahrgenommen, wie es durch sie möglich wird, Positionen wieder zu erringen, die vorher völlig außerhalb jeglicher Betrachtung lagen.

SCHÖNHUBER: Herr Mahler, Hege[ hat auch was anderes gesagt. Wenn ich mich jetzt richtig erinnere, daß nämlich jedes Volk oder jede Nation nur einmal eine große Chance hat und diese nicht mehr wiederholbar ist. Das hat die Geschichte bewiesen. Es gab kein zweites Römisches Reich. Es gibt jetzt kein zweites englisches Weltreich. Was die Regenerierbarkeit Deutschlands angeht, bin ich skeptischer als Sie. Insofern bin ich zwar auch ein Hegelianer. Aber ich komme von einer anderen Richtung auf ihn zu, wie jetzt Sie vielleicht. Sie setzen andere Wertungen, andere Gewichtungen.

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MAHLER zu Hegel: Jedes Volk, das eine geschichtliche Bedeutung erlangt, steht für ein geistiges Prinzip

MAHLER: Aber Sie bestätigen das eigentlich, denn: Deutsch­land hatte seine Zeit noch nicht. Das Deutsche Zeitalter liegt noch vor uns.

SCHÖNHUBER: Das ist eben die Frage. Schauen Sie, wir hatten ein unglaublichen Aufschwung. Wir gewannen den 70er Krieg. Vorher gewannen wir, das heißt die Preußen, gegen die Österreicher und noch vorher gegen die Dänen. Und wir schufen das von Ihnen nicht jetzt zitierte, seit 1871 existierende Deutsche Reich mit einem Kaiser unter Bismarck. Und dann, in einem mörderischen Kampf im Ersten Weltkrieg widerstanden ja die Deutschen praktisch der ganzen Welt mit einer Tapferkeit der deutschen Soldaten, die unvergleichlich ist, aber umsonst: Das war vielleicht schon der zweite Versuch. Und der dritte Versuch war HitZers großgermanisches Reich, ein hybrides Unterfan­gen.

MAHLER: Also erstens: Vielleicht vertiefen Sie das etwas. Dann würden wir nämlich zusammenkommen. In der Tat, er hat gesagt, da ist nur einmal die Chance. Jedes Volk, das eine ge­schichtliche Bedeutung erlangt hat, steht für ein bestimmtes gei­stiges Prinzip, in dem eine bisher nicht dagewesene Stufe in der Entwicklung des Bewußtseins der Freiheit verwirklicht ist. Das spezifisch Deutsche, das ist das, was in der deutschen Philosophie an Freiheit herausgedacht ist. Insbesondere in der Regelsehen Philosophie. Was die Deutschen Philosophen mit ihren Werken vorgelegt haben, ist aber erst das Samenkorn der Neuen Welt, die Eichel. Daraus muß jetzt die Deutsche Eiche hervorwachsen. Die von Ihnen aufgezählten Stadien, die der Keimling bisher durchlit-

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ten hat, wurden realisiert im Erdreich der Alten Welt, die ihm hier vielfaltige Widerstände entgegengesetzt und ihn dadurch defor­miert hat. Das Leben des Hegeischen Begriffs verläuft genau nach diesem Gleichnis: Das Neue ist zunächst nur die schlichte V ernei­nung des Alten. Aber gerade dadurch hat das Neue auch das Alte noch an sich, dieses ist daher noch nicht überwunden. Das Alte mobilisiert die ihm noch verbliebenen Kräfte gegen das Neue, um sich in der Macht zu erhalten. In diesem Kampf droht das Neue zu unterliegen. Dazu kommt es aber nicht, weil das Alte, um sich zu behaupten, im Endstadium seines Siechtums selbst Anleihen bei dem Neuen macht, dessen wesentliche Momente als seine eigenen ausgibt, wodurch es seine Legitimation endgültig einbüßt. Jetzt erst trägt das Neue den endgültigen Sieg davon. Das Alte tritt endgültig ab. Hegel sagt: erst als Negation der Negation erlangt das Neue affirmatives Sein, das in sich ruht.

Wir erleben gegenwärtig, daß sich das Neue aus seiner schein­baren Niederlage gerade erst erholt. Der Amerikanismus als die letztgültige Gestalt des Jüdischen Prinzips der Trennung des Men­schen von Gott, des Individuums von seinem Gemeinwesen, damit der Vemeinung der Volksgemeinschaft, ist noch vorhanden. Diese Gestalt ist jetzt geistig zu überwinden.

Hegel meint, das Unwiederholbare und Einmalige bestehe darin, daß ein Volk sein Prinzip voll ausarbeitet und als eine Welt zur Darstellung bringt. Erst wenn diese Welt steht, hat es seine histo­rische Aufgabe erfüllt.

Das Deutsche Prinzip ist das Selbstbewußtsein des Begriffs, in dem jeder Teil des Ganzen auch das Ganze selbst ist (in jüngster Zeit sind uns die geklonten Kälber und Schweine als Bild dieses Verhältnisses geschenkt worden: jede Körperzelle ist der Ganze Körper und kann als solcher auch zur Erscheinung gebracht wer­den). Jeder Mensch ist als endlicher Geist ein Teil des absoluten Geistes, der als das Ganze alle Teile in sich durchdringt und beseelt. So ist jeder endliche Geist (Mensch) selbst das Ganze, also Gott und sein konkretes Dasein als Volk. Dieser Gedanke kommt langsam zu Bewußtsein. Die Gemeinschaft ist so wichtig wie der Einzelne und umgekehrt ist der Einzelne so wichtig wie die

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Gemeinschaft. Das ist die Freiheit, die sich für den Einzelnen im Ganzen verwirklicht.

Ich sagte: Das Neue hat als schlichte (erste) Verneinung des Alten dieses eben darum noch an sich. Im Hitlerismus zeigte sich dieses Verhältnis darin, daß die Volksgemeinschaft noch nicht als "spekulativer Begriff" , als Geist, gefaßt war, sondern als etwas Naturhaftes, durch biologistisch aufgefaßte Rassemerkmale Be­stimmtes. Die Folge davon war, daß die Überwindung des Alten, des Jüdischen Prinzips (Trennung von Gott und Mensch) und des darin wurzelnden "wissenschaftlichen" Weltbildes, nicht als ein geistiger Prozeß verstanden wurde, sondern als chirurgischer Ein­griff in das Biosubstrat des Deutschen Volkes, aus dem der Jüdi­sche Mensch ausgemerzt werden sollte. Das war das Verhängnis.

Was das "wissenschaftliche" Weltbild mit dem Jüdischen Prin­zip (Trennung von Mensch und Gott) zu tun hat, sollte ich viel­leicht erläutern: Das "wissenschaftliche" Weltbild kommt ohne Gott aus. Es macht sich anheischig, alles erkennen zu können, ohne auf den Gedanken zurückgreifen zu müssen, daß Gott ist. Es ist damit die gedanklich und real durchgeführte Trennung des Menschen von Gott. Francis Bacon hat im 13. Jahrhundert das Programm formuliert. Die empirischen Wissenschaften sollten die Kräfte der Natur bändigen, um durch deren Indienstnahme das "regnum hominis"- das Reich des Menschen- zu errichten. Genau das ist geschehen. Nur ist das Reich des Menschen nicht das auf die Erde geholte Paradies, wie Bacon meinte, sondern die Hölle.

Blaise Pascal verdanken wir den Hinweis, daß das "wissen­schaftliche" Weltbild auch eine Religion ist- eine Anti-Religion. Denn sowenig wir beweisen können, daß Gott ist, sowenig ist das Gegenteil, daß Gott nicht ist, beweisbar. Der Grund dafür liegt darin, daß Gott dem Begriffe nach das schlechthin Unbeweisbare ist. Beweisen nämlich heißt: Aus einer als gültig erkannten Tatsa­che A durch logisches Folgern auf eine Tatsache B zu schließen, die dadurch gleichfalls als gültig anerkannt werden muß. B hängt also von A ab. Nun ist dem Begriffe nach Gott das Absolute, d.h. von nichts abhängig, das nicht er selbst ist. In ihm läßt sich also

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das für einen gültigen Beweis vorausgesetzte Abhängigkeitsver­hältnis zwischen A und B nicht herstellen.

Daß Hitler versucht hat, im Kampf gegen die Alte Welt ein biologistisch-also naturwissenschaftlich- bestimmtes Menschen­bild mit Terror und Gewalt und Menschenvernichtung zu verwirk­lichen, ist ein Widerspruch in sich und mußte die Volksgemein­schaft in jene Niederlage führen, aus der es fast keine Erholung mehr gab. Und das ist die Lehre, die wir aus dieser Entwicklung zu ziehen haben: daß die Belebung des Gedankens der Volksge­meinschaft, so wie er auch bei Hegel entwickelt ist, nur in einem rein geistigen Äther möglich ist, frei von allen Vernichtungsvor­stellungen und frei vonjeglicher Verneinung anderer Völker.

SCHÖNHUBER: Da muß ichjetzt wirklich, wie man das so als guter Deutscher tut, mit Goethe oder in diesem Falle auch mit Faust antworten "Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube."

MAHLER: Mir eben nicht.

SCHÖNHUBER: Ja, das ist der Unterschied. Es sind ja Reiche entstanden, ohne daß wir von ihnen Notiz genommen haben. Napoleon hat mal gesagt "Laßt China schlafen." In einer Vor­ahnung, was dortfür Kräfte stecken. China ist erwacht. China ist jetzt die zweite Weltmacht, hat eine unglaubliche Expansion, hat ein intellektuelles Potential, hat ein militärisches Potential. Jetzt stellen Sie sich das kleine ausgeblutete, erschöpfte deutsche 60-Millionen-Volk vor. Glauben Sie denn, daß da noch einmal es denkbar ist, daß dieses Volk Mitteleuropas, auch biologisch er­schöpft, wie ich meine, die Chance hat, ein Reich in dem Sinne, wie es Hege/ gemeint hat, zu werden?

MAHLER: Ich meine es nicht als Imperium so wie das römische Imperium, sondern als eine geistige Macht -, allerdings eine Macht, die - zum Beispiel - sich jetzt auch auf China erstreckt.

Die Chinesen sind ja im 20. Jahrhundert aus ihrem Geschichts-

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schlummererwacht mit dem Bedürfnis nach Freiheit als Nation, aber auch - das liegt in der von Marx geprägten kommunistischen Ideologie - mit dem Bedürfnis nach Freiheit für den Einzelnen. Das ist ja vielleicht überhaupt die positive Leistung der kommu­nistischen Bewegung in China, daß die Chinesen jetzt auch den Wert des Menschen erkennen, des Individuums und die person­hafte Berechtigung jedes einzelnen.

Das hier dargestellte Prinzip der Volksgemeinschaft hat jetzt doch auch für sie Ausstrahlungskraft Sie werden das jetzt - auf ihre Weise - übernehmen und in ihre Kultur integrieren. Das eröffnet die Möglichkeit des friedlichen Ausgleichs mit allen anderen Völkern. Die Chinesen sind ja von Hause aus immer relativ friedlich gewesen. Sie waren das Reich der Mitte. Sie haben nie irgendwelche Eroberungszüge über diese Mitte hinaus unter­nommen. Warum sollen sie jetzt mit ihrer Volkskraft ein Terror­regime, ein Unterdrückungsregime weltweit etablieren wollen? Mit denen kommen wir, glaube ich, sehr viel besser aus als mit den Ostküstenkräften der USA.

SCHÖNHUBER: Die Frage bleibt im Raum: Gibt es bei uns noch Elemente, die letztlich auch eine gewisse Sprengkraft gegen den Materialismus der Amerikaner hätten? Noch sind wir einsame Rufer in der Wüste. Wo sind Quellen, aus denen wir schöpfen können? Oswald Spengler fällt mir in diesem Zusammenhang ein.

MAHLER: Genau das ist es. Und die Aufgabe besteht eben darin, das innere Reich zu einem äußern zu machen, genau mit diesem Selbstverständnis. Es kommt wirklich darauf an, daß wir uns anders erfassen als bisher. Wer sind wir? Das ist die entschei­dende Frage. Alles das, was heute als Dekadenz in Erscheinung tritt, führt uns vor Augen, daß wir so, wie wir jetzt sind, nicht bei uns selbst sind. Wir sind verloren, wir schmoren in der Hölle, wenn wir meinen, wir können als Einzelwesen mit unseren Ellbogen uns ein Leben sichern und ein Leben zufrieden führen, wenn wir nicht die Rückbindung in das Ganze haben. Und das ist genau die Situation. Diese Zivilisation des Amerikanismus ist am Ende.

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SCHÖNHUBER: Bukarest 1953 -Mein Damaskus-Erlebnis

Darüber reden wir den ganzen Tag. Das begreifen heute auch ganz einfache Leute, die sich nie mit Philosophie befaßt haben. Die Aufgabe der intellektuellen Schichten unseres Volkes ist es, die­sen Gedanken weiter zu entwickeln. Natürlich ist die Einzelperson immer Mittelpunkt der Welt. Jeder ist sein Mittelpunkt. Das sagt auch schon die Relativitätstheorie der Physik. Aber wir sind Mittelpunkt nur als Teil, als Atom eines Ganzen, unsere ganze Lebenskraft, unsere ganze Seinsweise, wie wir fühlen, wie wir denken, wie wir lieben, wie wir fürchten und lachen, ist bedingt durch einen Geist, der als Volksgeist konkret vorhanden ist, der uns trägt, in den wir hineingeboren werden. Darüber entscheiden wir nicht. Das ist das, was wir mitbekommen, wie die Mutter uns die Sprache beibringt, welche Anklänge mit einem Wort - positiv oder negative - verknüpft sind. Alles das sind Dinge, über die wir nicht entscheiden. So sind wir Kinder unserer Zeit, in die wir hineingeboren werden, und Glieder des Volkes, das diese Kultur und diese Art zu leben und das Leben zu erleben aus sich heraus­gearbeitet hat.

SCHÖNHUBER: Also mir liegt schon eine ganze Zeit eine Frage auf der Zunge: Wie und wann kamen Sie zu Ihrenjetzigen Erkennt­nissen? Gab es so etwas wie ein Damaskus-Erlebnis? Ich hatte mein Damaskus-Erlebnis 1953 in Bukarest bei den kommunisti­schen Weltjugendfestspielen. Bis dorthin glaubte ich auch an bestimmte Heilsideen marxistischer Provenienz, von mir aus so­gar kommunistischer Provenienz, bis ich die Realität sah in Bu­karest zwischen Schein und kommunistischem Sein. Auf der einen Seite verfressene Bonzen, das muß man so deutlich sagen, auf der anderen Seite ein hungerndes und unterdrücktes Volk. Von dem Zeitpunkt an war ich, sollte ich jemals anfällig gewesen sein, geheilt. Wie war das bei Ihnen? Damals 68 standen wir sicher

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nicht auf der gleichen Barrikade, sondern wir standen auf unter­schiedlichen Seiten, ich will nicht sagen gegnerischen Seiten. Da würde ich übertreiben. Aber ich würde nicht sagen, daß wir gemeinsam durchs Brandenburger Tor damals marschiert wären.

Wo war nun Ihr Damaskus-Erlebnis? Wo warder Punkt, wo sich Mahler von seinen früheren Überzeugungen löste, zumindest zu einem Teillöste?

MAHLER: Ich habe so meine Schwierigkeiten, diesen Begriff auf mich zu beziehen. Ich habe nichts als "Damaskus-Erlebnis" in Erinnerung.

Klar: wenn sich Erfahrungen türmen und die Umstände sich radikal verändern - Zusammenbruch des Sowjetblocks - findet man sich plötzlich in einer ganz veränderten Umgebung wieder, in der man lebt und denkt. Wenn ich so etwas wie ein Damaskus­Erlebnis gehabt habe, dann in der Haft bei der Lektüre von Hegel. An ihm ist mir klar geworden, daß die Lösungskonzeption, die Marx, insbesondere aber Lenin, aus der marxistischen Analyse der bürgerlichen Gesellschaft abgeleitet haben, einseitig und abstrakt negativ ist und deshalb dem Wesen des Menschen nicht entspricht und deshalb in die Katastrophe führen mußte. Es kann nach der Hegeischen Logik nicht sein, daß man ein Moment des wider­sprüchlichen gesellschaftlichen Prozesses, hier die Klasse der Produktionsmitteleigentümer durch Revolution - gewaltsam - ge­sellschaftlich liquidiert, d. h. ihnen das Eigenturn an den Produk­tionsmittel nimmt, um sie in gesellschaftliches Eigenturn zu ver­wandeln, in der Annahme, das könnte funktionieren. Das ist im Hegeischen Sinne eine abstrakte Negation, etwas das in der Wirk­lichkeit nicht funktionieren kann. Und das hat sich historisch gezeigt. Bei Hegel lösen sich Gegensätze anders. Die wider­sprüchlichen Momente finden danach eine Bewegungsforrn, in der jedes Moment sich erhält und der Widerspruch das Ganze nicht zerstört. Genau das ist in der Vorstellung von einer Volkswirt­schaft, die von einer sich selbst bewußten Volksgemeinschaft getragen und geordnet wird, enthalten: freies Unternehmertum, in diesem Sinne produktiver Kapitalismus ja, soweit wie möglich.

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Ein Mädchen aus seinem )Haremc soll Mahler an die politische

Polizei verraten haben

Zwei Kriminalbeamte führen die Mahlar­Genossin Brigitte Asdonk ab. Auch sie ging in die Falle

Festgenommene Festgenommene Monika Berberich lngrid Schubert

Horst Mahlers schwarze Perücke, seine spanische 9-MI//imeter­Pisto/e vom Typ »Liama« Especial mit Magazinen und Patronen

Aus "stem"-Dokumentation zum Fall Mahler

Kaufhausbrandstifterin Enßlin vor ihrer Flucht in einem Sexfilm

Flüchtling Mahler Flüchtling Meinhof Flüchtling Baader

Hawatmeh-Freischätler, die die Flüchtlinge aufgenommen haben »Wir hatten noch nie so gesprächige Gäste«

Und dort wo er versagt oder die sittlichen Grundlagen des Gemein­wesens beschädigt, greift die Gemeinschaft ein und sichert die Lebensgrundlage ihrer Mitglieder über freiwilligen Arbeitsdienst, Eigenwirtschaft usw.

Aber ist diese Einsicht ein Damaskuserlebnis? Bin ich vom vermeintlichen Verfolger der "Rechten" zum Apostel ihres Glau­bens geworden?

Ich kenne die fatale Neigung, immer Recht behalten zu wollen. Die ist bei den "Rechten" ebenso ausgeprägt, wie bei den "Linken". Dieser Impuls verwandelt gedankenlos jedwede Hinwendung eines ausgewiesenen "Linken" zu einem notorischen "Rechten" für die­sen in eine Bestätigung, daß er historisch Recht behalten und der "Linke" daskrafteines "Damaskus-Erlebnisses" endlich eingese­hen habe. Nun, ich will niemandem diese Freude nehmen. In meiner Selbstwahrnehmung allerdings stellt sich dieser Prozeß als Ausdruck des Aufeinanderwirkens der in beiden Positionen -"rechts/links"- gleichermaßen waltenden Widersprüche dar. Verrückt wird das Ganze allerdings dann, wenn sich die Anhänger des "linken" Lagers die durchaus schmerzhafte Wahrnehmung dieser Dialektik dadurch ersparen wollen, daß sie den grübleri­schen Genossen verstoßen, indem auch sie in ihm jetzt einen Apostel des "rechten" Glaubens sehen und entsprechend verket­zern.

Beiden fehlt der Gedanke, daß ich mich zwischen alle Stühle gesetzt haben könnte und das genau der Ort ist, an dem sich die Deutschen, die es noch sein wollen, demnächst versammeln werden.

SCHÖNHUBER: Gut. Jetzt habe ich aber noch eine weitere mich persönlich tangierende Frage oder auch Sie. Ich habe in meiner Entwicklung, insbesondere bei meinem Sturz keine Solida­rität erfahren von meinen ehemaligen Kameraden, oder Kollegen. Haben Sie während Ihrer Haftzeit eigentlich Solidarität von Ihren ehemaligen Mitstreitern erfahren?

MAHLER: Ja, aber nur bis zu dem Punkt, wo ich angefangen habe, sie zu kritisieren. Das ist aber eine Erfahrung, die wir in jenen

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MAHLER: Persönliche Beziehungen liefen bei den 68ern über ideologische Gleichspurigkeit

MAHLER: Mit Schily gab es keine Diffe­renzen

turbulenten Zeiten immer wieder machen mußten: Freundschaf­ten, persönliche Beziehungen liefen im Kreis der 68er immer über ideologische Gleichspurigkeit. Und wenn man aus der Spur ge­sprungen ist, war man auch aus den menschlichen Beziehungen raus. Das hat zunächst erst mal weh getan, hat dann aber auch zu einem Erkenntnisprozeß geführt. Na ja, damit bin ich irgendwie umgegangen.

SCHÖNHUBER: Aber ich habe, glaube ich, von Ihnen eifahren, daß z. B. Ihr ehemaliger Kompagnon Schily sich eigentlich, ich sag mal in Anführungszeichen normal verhalten hat.

MAHLER: Also Otto Schily war ja nicht in dem Sinne Genosse. Wir rechneten ihn zu den "liberalen Scheißern". Das war unser Ausdruck für jene "bürgerlichen Elemente", die am Kapitalismus festhalten, ihm allerdings "ein menschliches Antlitz" verleihen wollten. Aber wir mochten ihn sehr. Und er hat sich absolut loyal verhalten. Wir hatten ein sehr gutes freundschaftliches Verhältnis. Aber er stand nicht in der Loyalität eines Gesinnungsgenossen, weil er offen eine andere Position, eine liberalistisch-bürgerliche vertre­ten hatte, uns auch immer kritisiert hat, aber freundschaftlich. Da war es möglich, Beziehungen menschlicher Art aufzubauen, die dann eben nicht gefährdet waren, als sich herausgestellte, daß ich das Konzept der RAF nicht weiter mittragen wollte. Er war nach wie vor ein engagierter Verteidiger und ein zuverlässiger Freund.

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SCHÖNHUBER: Das gilt bis heute?

MAHLER: Das gilt bis heute. Wir haben jedenfalls keine per­sönlichen Differenzen gehabt.

SCHÖNHUBER: Anders bei Schröder, ja?

MAHLER: Nö, wir haben auch keine Differenzen gehabt. Wir haben nur keinen Kontakt mehr. Ich habe auch jetzt keinen Kon­takt zu Schily. Das hat sich so ergeben. Aber wir haben uns nicht gestritten und ich habe ihm im Persönlichen nichts vorzuwerfen. Ich weiß nicht, ob er mir was vorzuwerfen hätte. Er ist jedenfalls ein arme Sau. Er kann sich nicht erlauben, zu sagen, was er denkt. Da bin ich besser dran: ich sage, was ich denke und jeder kann meine Gedanken kontrollieren- durch Nachvollzug.

Otto Schily als Verteidiger im HorstMahler-Prozess 1969. Im Vordergrund Axel Springer als Zeuge.

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SCHÖNHUBER: Wir sollten uns an dieser Stelle über Begriffe wie "Vision" und "Utopie" unterhalten. Wie sah Ihre Vision kon­kret aus?

MAHLER: Wir hatten ja eine Vision: die Vorstellung einer sozialistischen Gesellschaft, die zum ersten Mal eine menschliche sein sollte. "Utopie" ist hier der treffendere Ausdruck. Heute bin ich ein scharfer Kritiker dieses Denkortes "Utopie". Utopie heißt ja "nirgendwo". Im Arsenal einer politischen Bewegung ist die Utopie etwas Bedrohliches. Sie rechtfertigt die schlimmsten Ver­brechen. Sie heischt nach Unterwerfung der Gedanken und Ge­fühle. Als Ort ist sie das selbstgewählte Gefängnis, ein Vorschein der in ihr schlummernden künftigen Despotie. Dieser Utopismus hat ja auch 1968 ziemlich tiefe Spuren hinterlassen. Viele SDSler haben sich umgebracht.

Allgemein: Die Utopie vergewaltigt die Gegenwart und die in ihr Lebenden. Vor ihr erscheint alles, was ist, als nicht wert, daß es ist. Im vor-utopischen Sein ist alles Leben verfehlt, das sich nicht dem utopischen Streben verschreibt. Mench oder Schwein, ein Drittes gibt es nicht auf dem Weg nach Utopia. Das war die Losung der RAF.

Ich habe heute ein ganz anderes Verhältnis zum Leben. Darüber sprach ich bereits. Ich betrachte es nicht als ein Versprechen oder als die Verheißung irgendeiner Erlösung. Das Leben bedarf keiner Rechtfertigung. Und als Lebender bedarf ich keiner Erlösung. Ich genieße das Leben als Aufgabe und Herausforderung. Mir ist Leben eine ewige Aufgabe und Herausforderung, das zu werden, was ich an mir schon immer bin: Mensch als Ebenbild Gottes.

Das ist keine Vision, sondern eine Tatsache. Das ist vielleicht im persönlichen Bereich die wichtigste Differenz zum Amerikanis­mus. Dessen höchster Wert ist "the pursuit of happiness" (das persönliche Streben nach Glück). Das Glück aber reitet immer auf dem Rücken der Akte (Max Scheeler). Wer es zum Ziel erklärt und danach strebt, wird mit Sicherheit unglücklich. Jeder kennt dieses Verhältnis: Wenn ich mich zum Schlafen niederlege mit dem Gedan­ken: "Du mußtjetzt einschlafen", verscheuche ich den Schlaf.

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Und was wären Visionen anderes als Zielbestimmungen des Strebens nach Glück?

Utopismus bzw. Visionarismus in der Politik sind Gedankenma­nipulatoren erster Ordnung und als solche Werkzeuge der Demo­kratie, die - ich sagte es bereits - auf Täuschung, Lüge und Korruption gegründet ist.

Ich sage: jeder Mensch ist ein Gehilfe Gottes im Prozeß der Bewußtwerdung Gottes, wer er ist. Darin liegt das Glück.

Von kirchlicher Seite ist mir deshalb Gotteslästerung vorgewor­fen worden. Darauf erwidere ich: Diejenigen, die meinen, Gott -wenn es ihn gibt - sei von Anfang an vollkommen und fertig, der lästert Gott: denn dann wäre die Welt nur ein Spiel, um dem Alten die Langeweile zu vertreiben. Er könnte es auch lassen. Au­schwitz, Dresden, Hiroshima- ein Zeitvertreib Gottes?

Mir wird dann auch entgegengehalten, Gott sei im Anfang sehr wohl schon der Vollendete, Alleswissende, allerdings habe sich der Mensch im Sündenfall von Gott abgewendet. Das gottlose Tun des Menschen sei nur das Böse, Gott hingegen ist nur gut. Dem Menschen könne aber vergeben werden.

Die Sache hat nur einen Haken: Der Mensch ist damit nicht als notwendig gesetzt, seine Existenz nicht gerechtfertigt . "Wozu Mensch überhaupt?" (Nietzsche). Also wäre er doch nur ein Zeitvertreib für Gott. Und wäre dieser nicht der Ohnmacht über­führt, da er die unschuldigen Kinder in Dresden und Hiroshima vor dem Bösen Treiben der Sünder nicht schützen konnte? Oder wollte er das nicht? Gott hätte zudem grob fahrlässig gehandelt, indem er den Menschen mit eben diesem Mangel erschaffen hätte, über Unschuldige mit Mord und Totschlag, Folter und Erniedri­gung herfallen zu können. Müßte man ihn nicht für seine sündhaf­ten Geschöpfe in Haftung nehmen? Wäre Gott im Anfang voll­kommen, hätte er den Sündenfall des Menschen vorausgesehen und - weil er nur gut sei - von seiner Schöpfungstat Abstand genommen, um Auschwitz, Dresden und Hiroshima zu verhin­dern. usw. usf.

Gott ist selbst in sich dieser qualvolle Prozeß, daß er sich als Welt auseinanderlegt, um in ihr sich selbst zu erkennen. Und wir sind

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als geistiges Moment dieser Welt bestimmte Gedanken Gottes oder Gott-Atome. Als solche sind wir frei, das zu wählen und zu sein, und das zur Existenz zu bringen, was Gott eigentlich nicht ist. Das ist das Böse. Und indem wir es verwirklichen, wird es uns als das Böse, als Verneinung unseres göttlichen Wesens, bewußt, denn in diesem Augenblick des Abfalls von Gott spricht das Gewissen - die Stimme Gottes - zu uns. So erscheint das Böse oder das Teuflische in der Welt als die Kraft, an der sich Gott zu sich selbst abstößt. Das Böse ist das Abstoßende. So kennen wir es.

Und in diesem Prozeß finden wir uns. Jeder hat die Stimme des Gewissens in sich. Das Glück ist dann die Erfahrung, daß wir in unserem Handeln (die Scheler' sehen Akte) der Versuchung wi­derstanden haben und bei uns selbst angekommen sind.

Gott ist also nicht von Anfang an fertig. Er ist zwar schon im Anfang Alles (Alpha et Omega). Aber Alles ist noch eingehüllt und noch nicht im Selbstbewußtsein Gottes vorhanden, noch nicht erkannt. Er ist es schon, aber er weiß es noch nicht von sich. Was an sich ist, muß aber auch für sich werden (Regel). Zeit und Raum sind- wie jetzt auch die relativistische Physik erkannt hat- an sich das Nichtige. Kant hatte das auf andere Weise schon vorher herausgefunden. Nach ihm hat es Regel noch tiefer einsichtig gemacht. Merkwürdigerweise singen davon auch schon die Psal­men: "Vor Dir sind zehntausend Jahre wie ein Tag."

Hier bewegen wir uns auf dem Boden der Geschichte, die ja der Fortschritt des Geistes (Gottes) im Bewußtsein der Freiheit ist. Und Politik ist Geschichte im Werden. Durch die Geschichte erkennt der Geist, daß nur er ist und er zugleich Alles ist, also nicht von einem Anderen abhängt, der nicht auch er selbst ist.

In der Denkform "Visionen" bzw. "Utopie" liegt, daß die Welt nicht so sein soll, wie sie ist. Und das ist der Irrtum. Die Welt ist das Dasein der Vernunft. "Die Vernunft ist wirklich und das Wirkliche ist vernünftig." (Regel) Angesichts des in der Welt vorfallenden Grauens, ist dieser Satz vom Härtesten, was sich das Denken zumuten kann. Aber in ihm liegt nach Auschwitz der Schlüssel zur nationalen Befreiung der Deutschen.

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SCHÖNHUBER: Ich bin für die Ab­schaffung der allgemeinen Wehrpflicht

SCHÖNHUBER: Also das ist eine hoch interessante philosophi­sche Erklärung. Ich hätte da Probleme, weil ich sehr atheistisch geprägt bin und mit der Existenz Gottes per se Schwierigkeiten hätte. Aber das würde zu einem langen, langen Streitgespräch führen.

MAHLER: Ein bißchen sollten wir darüber streiten.

SCHÖNHUBER: Mit unterschiedlichen Visionen. Ich habe eine vielleicht nachvollziehbare Vision. Das ist der, ich nenne es mal so, der Gesinnnungspazifismus. Ich erinnere mich an eine Zeit, in der Franz Josef Strauß gesagt hatte: "Wer je wieder einen Schießprügel in die Hand nimmt, dem gehört der Arm abgeschla­gen," oder er hat gesagt: "Dem soll der Arm abfallen. "Aber das läuft nahezu aufs Gleiche hinaus. Ein paar Jahre später war er Verteidigungsminister und ich weigerte mich, als Reporter im Bayerischen Rundfunk von einer Schießveranstaltung zu berich­ten. War ein bißchen blauäugig. Ich hatte die Haltung von Strauß verinnerlicht, wußte damals noch nicht, daß in der Politik das Wort vonAdenauer gilt: "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern."

Mich dagegenfaszinierte Bertha von Suttners Satz: "Die Waffen nieder!" Das gilt im globalen Maßstab für mich noch heute. Ich weiß, daß dies eine Illusion ist, kenne auch die Gefahren dieser Haltung und versuche ihnen durch einen konkreten Vorschlag zu begegnen, die nicht nur meine, sondern auch die Gewissenskon­flikte vieler Menschen in diesem Lande lösen könnte. Also, sagen wir es offen: Ich binfür die Abschaffung der Allgemeinen Wehr­pflicht. Wenn schon nach heutigen Zwängen es immer noch ein Militär geben muß, dann votiere ich für ein Berufsheer. Wer Söldner ist, der weiß warum. Er entscheidet sich für andere Krite-

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SCHÖNHUBER: Gerechte Kriege gibt es nur für Sieger

rien. Für ihn zählt nicht das Gewissen, sondern eine professionelle /..jjsung der ihm übertragenen Aufgaben. Und dafür trainiert er. Töten gehört zum Geschäft. Der Söldner muß allerdings einer starken politischen Kontrolle unterwoifen werden. Deshalb halte ich die ganzen Auseinandersetzungen, wie die um die Wehr­machtsausstellung,für sekundär. Aber um Mißverständnisse aus­zuschalten: auch ich wende mich aufs Schäifste gegen die Krimi­nalisierung der Wehrmacht und der Waffen-SS. Aber es geht nicht allein darum, auf welcher Seite mehr oder weniger Schuld zu finden ist; wir sollten sagen; schuld ist der Krieg an sich. Die Kriege sind's, die geächtet werden müßten. Für mich gibt es keinen gerechten und keinen ungerechten Krieg. Es gibt nur Kriege. Den gerechten Krieg nehmen immer die Sieger für sich in Anspruch. Nach der Geschiehtschreibung in ihren Ländernführ­ten die Muselmanen gerechte Kriege, aus europäischer Sicht die Christen. Und jeder berief sich auf seinen Gott oder seinen Pro­pheten. Übrig blieb und bleibt jedoch die Fratze Krieg schlechthin. Diese Deutung ist natürlich sehr umstritten, besonders bei den deutschen Rechten. Die können damit kaum etwas anfangen. Ihre Ablehnung erstreckt sich vom Vorwuifdes Defaitismus bis hinzum Verrat. Mich stört das nicht. Ich glaube, daß die Vision eines einzelnen Menschen zur Realität einer Gesamtheit werden kann. Man denke neben anderen herausragenden Persönlichkeiten an Gandhi. Letztlich wurde das britische Weltreich durch den von ihm proklamierten gewaltlosen Widerstand entscheidend ge­schwächt. Gandhi sagte an die Adresse der Kolonialherren: Für mich gibt es Euch nicht mehr. Ihr seid für mich Luft. Aber als die Engländer ihn einsperrten, da wurde aus dem gewaltlosen Wider­stand ein gewalttätiger, dem die Engländer wiederum nur durch den Einsatz von Gewalt Herr werden konnten. Dies setzte sie in den Augen der Weltöffentlichkeit ins Unrecht. Der gewaltlose

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Widerstand hatte also Früchte getragen. Hätte es Gandhi nicht gegeben, wäre wahrscheinlich die Befreiung Indiens erst lange Zeit später erfolgt. Bemerkung am Rande: Während Hitler den Zerfall der britischen Kolonialherrschaft bedauerte, zeigte an­läßlich eines Rom-Besuches von Gandhi Mussolini offene Sympa­thie für den Inder.

Aber, was ich immer mehr in mir selbst entdecke, ist, daß ich unterschiedlichen Einflüssen unterliege. Es fällt mir nicht leicht, sie zu bündeln. Mein Weltbild ist nicht zementiert. Es unterliegt Schwankungen. Also ich habe nicht das, was offensichtlich Sie haben, eine 100% gefestigte Weltdeutung. Das ist faszinierend. Es mag Ihnen viel Ärger einbringen, aber es hat meinen Respekt. Vielleicht ist das Ganze auch eine Mentalitätsfrage. Was steht bei dem einen im Vordergrund, was bei dem anderen? Ich bin irdi­schen Genüssen sehr zugetan. Ich esse gern und gut und habe ein starkes Harmoniebedürfnis. Dies kann ein Hindernis bei der Be­wältigung schwerer Aufgaben sein. In der Konzilianz steckt schon eine gewisse politische Schwäche. Die meisten der ganz großen Menschen hatten einen unerschütterlichen Glauben an sich selbst, pflegten eine spartanische Lebensführung. Denken Sie anMoham­med. Die Einführung des Ramadans, der Fastenzeit, war übrigens nicht nur eine religiöse oder politische Angelegenheit, sondern auch eine geistige und gesundheitspolitische.

Diese Einstellung habe ich nicht. Darum bin ich Ihnen gegen­über in dieser Frage in der Hinterhand. Am Rande darf ich allerdings zur Beruhigung meines Gewissens bescheiden anmer­ken, daß es unter großen Persönlichkeiten auch ausgesprochene Epikuräer gab, wie zum Beispiel Cäsar, die französischen Könige Heinrich IV. oder Ludwig XIV. Vergessen wir auch Bismarck nicht, einen großen Völlerer vor dem Herrn. Sie sind mir lieber als die Müslifresser oder Kohl-Fanatiker. Namen möchte ich mir ersparen. Der kundige Leser weiß, welche Leute gemeint sind. Ich kann meine Visionen nur auf zwei Wünsche verengen: Nie wieder Krieg, dafür soziale Gerechtigkeit. Ich weiß, daß jetzt nicht wenige Leser sagen werden, da macht er es sich zu einfach. Und dieser Einwand ist nicht so leicht vom Tisch zu wischen. Aber Visionen

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dülfen sich zuweilen der Rationalität entziehen, und selbst, wenn sie eine Schwäche beinhalten sollten, ist es allemal besser, sich dazu zu bekennen, als sich in heroische Allgemeinplätze zu flüch­ten.

MAHLER: Ich finde das ist eine sehr gefährliche Vision, die Sie haben. Erinnern Sie sich an den zitierten Satz von Max Scheler. Der ist hier abzuwandeln in den Satz: "Wer auszieht, um den ewigen Frieden zu erlangen, wird Opfer des Krieges werden." Ich sage, und das ist wiederum dialektisch, "si vis pacem para bellum" (willst du Frieden, bereite dich auf Krieg vor).

SCHÖNHUBER: Mein Pazifismus wendet sich genau dagegen. Gegen die Vorbereitung eines Krieges. Damit ist Herrschaftsan­sprüchen Tür und Tor geöffnet. Daß ich mich hier auf der Linie der PDS bewege, stört mich nicht.

Und stellen Sie sich doch den Krieg von heute oder morgen vor. Das ist nicht m,ehr der Krieg der Schwerter, wo man das Weij3e im Auge des Gegners sieht. Der persönliche Mut spielt eine immer geringere Rolle. Es wäre ein Knopfdruckkrieg. Da sitzt einer, ein Mathematiker oder Physiker, weit weg von der sogenannten Front, drückt auf einen Knopf und viele Menschen sterben. Der NATO- Übelfall auf Serbien wird waffentechnisch nicht das letzte Wort sein. Ich hätte mir gewünscht, die ehemaligen "Friedensa­postel'', von Scharping bis Fischer, hätten den Spruch ihrer ein­stigen linken Mitstreiter befolgt: Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.

Und die sogenannte moralische Berechtigung für Kriegseinsät­ze ist nichts anderes als die Verschleierung imperialer oder terri­torialer Raubzüge. Oder die Ausschaltung eines sperrigen Wider­sachers, zum Beispiel bei der Verteilung von Ölressourcen. Den­ken Sie an den mörderischen Übelfall auf den Irak. Wer den Anordnungen des Weltpolizisten Amerika nicht nachkommt, muß eben mit Strafen rechnen.

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MAHLER: Der Krieg ist nicht verschwunden

MAHLER: Der Krieg ist eine schwere Katastrophe, gerade mit dieser Waffentechnik Aber wir meinten ja, seitdem die Atom­bombe in der Welt ist, sei der Krieg abgeschafft. Das Gegenteil ist richtig. Der Mensch ist intelligent genug, sich Kriegstheater un­terhalb der atomaren Schwelle zu wählen. Es hat in der Zeit seit 1945 Hunderte von Kriegen gegeben mit Millionen und Abermil­lionen von Kriegstoten. Der Krieg ist nicht verschwunden. Der Krieg ist jetzt sogar nach Europa zurückgekehrt. Der Krieg wird als Fortsetzung der Politik so geführt, daß er noch Sinn macht. Er ist noch nicht geführt worden mit Atomwaffen, obwohl es heißt, "der Hitler von Serbien" sei eingeknickt, nachdem man mit einer Atombombe auf Belgrad gedroht hätte. Ich weiß nicht, ob es stimmt. Ich halte es eher für unwahrscheinlich. Ich meine, die Amerikaner hätten sich damit selbst in die Luft gesprengt. Deswegen glaube ich nicht, daß sie damit gedroht haben. Aber diese Kriege werden geführt und diese Kriege kommen auf uns zu als ethnische Kriege beispielsweise, auf unserem Territorium. Und damit das nicht stattfindet, muß man stark sein, man muß sich darauf vorbereitet haben, weil dann potentielle Feinde am allerwenigsten in die Versuchung kommen, es mit uns zu versu­chen.

SCHÖNHUBER: Moment. Da muß ich jetzt etwas einwerfen. Wenn ich vorhin sagte, Bundeswehr weg. Berufsarmee ja, dann hat auch diese Berufsarmee keinen globalen Auftrag. Es daif nie wieder ein deutscher Soldat außerhalb der deutschen Grenzen kämpfen. Was ich bejahe, ist natürlich die Verteidigung der Gren­zen unseres Landes. Da liegen wir wieder ähnlich. Aber das, wovor ich Angst habe, ist die militärische Globalisierung. Und in diese Globalisierung, in die wir wirtschaftlich schon tief hinein gedrängt worden sind, in diese Globalisierung werden wir auch

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militärisch hinein gedrängt. Unsere Leute müssen plötzlich nach Mogadischu eilen und demnächst weiß der Teufel wohin, vielleicht nach Tschetschenien oder wo auch immer. Deshalb sage ich, jeder Einsatz ist letztlich nicht mehr als der erste Schritt. Die nächsten Schritte ergeben sich aus diesem Anlaß. Und deshalb meine ich, dieser Gesinnungspazifismus ist ja kein Pazifismus der Feigheit. Ich habe mein Eisernes Kreuz bei der Waffen-SS ja nicht wegen Feigheit, sondern wegen Tapferkeit bekommen. Und bei der Waf­fen-SS waren die Ordenskriterien streng. Das ist ein Pazifismus der Überzeugung, zumal ich einfach glaube, daß Kriege in der heutigen Zeit, wenn sie immer weiter vorangetrieben werden, letztlich doch die Atombombe auslösen. Ich garantiere Ihnen, daß die Russen heute bereit wären, wenn sie sich bedroht fühlten, dann auf den Knopf zu drücken.

MAHLER: Ja ja, das geht ja soweit, daß die russische Sektion der weltweiten Organisation "Ärzte gegen Atomwaffen" jetzt für den atomaren Erstschlag als Recht Rußlands eintritt, seine natio­nale Würde gegen die NATO-Provokationen zu verteidigen, weil die konventionellen Streitkräfte dieser großen Nation wegen des allgemeinen Verfalls dazu nicht mehr in der Lage sind.

SCHÖNHUBER: So ist es!

MAHLER: Das ist eine gefahrliehe Entwicklung. Und ich sage ja, es kommt alles darauf an, diese Entwicklung zu verhindern. Das wird man mit einem Berufsheer nicht alleine schaffen. Man braucht immer einen Kader von Berufssoldaten, die also auch ein hoch qualifiziertes Handwerk erlernen. Aber die Breite der Ver­teidigungskraft, gerade wenn das Schwergewicht auf der Vertei­digung des Territoriums, also defensiv gelegt wird, muß die Wehr­haftigkeit eines Volkes insgesamt in der Breite entwickelt sein.

Der allgemeine Gesichtspunkt ist, daß der persönliche Einsatz zur Verteidigung des Volkes und der Heimat keine Dienstleistung sein kann, weil er die höchste Äußerung des Gedankens der Volksgemeinschaft ist. Wenn wir den Krieg zu einem Job machen,

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werden wir demnächst marodierende Söldnerhaufen in unserem Land haben. Und irgendein hergelaufener Kondottiere wird die Macht im Staate an sich reißen.

SCHÖNHUBER: Gut. Aber dann muß ich das noch verdeutli­chen, was ich unter Gesinnungspazifismus verstand und verstehe. Gesinnungspazifismus bedeutetfür mich, daß es ein Verstoß gegen Ethik, Gesinnung, Anstand und Würde war, daß zu einem Zeit­punkt, wo die deutschen Soldaten des Zweiten Weltkrieges als Verbrecher diffamiert werden, die Söhne in den Serbieneinsatz geschickt worden sind. Das ist eine würdelose und zutiefst zu verachtende Haltung. Ich finde es unerhört, daß Leute wie Fi­scher, Scharping, Schröder, die übrigens nie gedient haben, junge Menschen ins Feuer schicken. Das kommt noch dazu. Das sind wieder die berühmten weißen Jahrgänge, die in der Lage sind, der Weltmeinung zu folgen, ein Volk in einen Krieg zu treiben. Das will ich nicht mehr haben. Und deshalb ist bei mir bei dem Wort Gesinnungspazifismus das Wort Gesinnung in dicksten Lettern geschrieben. Und das Wort Pazifismus in geringeren als die Folgewirkung. Aber ich habe den Krieg kennengelernt. Und ich kam heraus, und das mag man mir abnehmen oder nicht, da habe ich mir gesagt, so ein Wahnsinn nie wieder. Die Zerstörungen, die ich in Berlin und Kiel gesehen habe, bleiben für mich ein Mene­tekel. In Kiel gab es Fälle von Kanibalismus aus Hunger. Ich akzeptiere, und ich kann es auch nachvollziehen, daß Sie fordern, ein Volk muß sich wehren. Aber nicht wegen einer Ideologie, menschlicher Hybris oder geschäftlicher Interessen, sondern nur bei einer Bedrohung seiner Existenz. Wehren muß sich ein Volk vor allem gegen Angriffe auf das Volk selbst, gegen "Volksvertre­ter", die das zulassen oder in fremdem Auftrag handeln. Und wer in der Rüstungsindustrie arbeitet, muß wissen, daß dies Fabriken des Todes sind.

MAHLER: Dann muß es sich aber auch wehren können, d. h. es muß sich die Fähigkeit zur Verteidigung antrainieren, bevor es zu spät ist.

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SCHÖNHUBER: Dafür ist aber doch eine gut trainierte Be­rufsarmee viel geeigneter. Das wären dann richtige Profis. Sie wären widerstandsfähiger als manche eingezogenen Schlaffis, die von Seelsorgern und Psychologen betreut werden müssen. Die es als Zumutung empfinden, wenn sie hundert Kilometer von Zuhau­se weg kaserniert werden.

MAHLER: Nein. Die Territorialverteidigung mit diesen moder­nen Kleinstwaffen, wo man auf dem Rücken eines Mannes eine Flugabwehrrakete transportieren kann, die die Flugzeuge auch tatsächlich vom Himmel holt, - erfordert die Territorialarmee. Eine flächendeckende Verteidigung mit den Zügen eines Gueril­la-Krieges kann man nur mit den wehrfähigen Männem aus dem Territorium aufbauen. Soviele Männer, die dafür gebraucht wer­den, können nicht als stehendes Söldnerheer vorgehalten werden. Das würde auch viel zu teuer. Ein ähnliches System wie in der Schweiz wird es sein. Die W ehrmänner werden nach der Grund­ausbildung in das Zivilleben entlassen aber regelmäßig zu Übun­gen einberufen. Ansonsten gehen sie ihrem zivilen Beruf nach. Das wird eine Form der Wehrhaftigkeit sein, die uns das Gefühl haben läßt: "Sie sollen es nur wagen! Wir werden sie vernichten!" Ohne dieses im Volke verwurzelte Gefühl der eigenen Wehrhaf­tigkeit ist alle Verteidigungsanstrengung vergeblich. Das ist genau der Punkt. Wir haben diese Diskussion gehabt: wie ist der Jugo­slawienkrieg von der NATO überhaupt zu gewinnen? Gehen sie mit Bodentruppen rein oder nicht? Aus der Luft läßt sich nicht alles erreichen. "Der Verrückte von Belgrad" ist immer noch an der Macht. Bleibt er an der Macht, wird er in spätestens zehn Jahren den Krieg gegen die NATO gewonnen haben, was für Buropa gar nicht so schlecht wäre.

SCHÖNHUBER: Wie werden in Zukunft Konflikte beschaffen sein, sind es ethnische Streitigkeiten, sind es Stammeskriege oder sich ausweitende Bürgerkriege?

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MAHLER: Wir haben vor uns eine Peri­ode ethnischer Konflikte

MAHLER: Beides. Ich würde sagen beides. Sicher, der Krieg wandelt sich entsprechend der Situation, was mit Kriegen jetzt erreicht werden soll und erreicht werden kann. Und wir haben vor uns eine Periode ethnischer Konflikte. Und es wird ein ganz anderer Krieg sein, als man sich ihn so vorstellt. Andererseits ist aber auch immer die territoriale Integrität gleichzeitig in Gefahr, weil dann irgendwie eine Supernacht oder eine Hypermacht eine solche Auseinandersetzung als Vorwand wählen würde, um hier mit Truppenpräsenz einzugreifen und zu sagen: so geht' slangund nicht anders rum. Wir haben die Feindstaatenklausel in der Charta der Vereinten Nationen. Und wir haben in dem Nachrichtenma­gazin TIME, Spezialausgabe zum Jahreswechsel 1998/99, ein Szenarium mitgeteilt bekommen, mit dem NATO Bombenangrif­fe auf Magdeburg, Schwedt und Frankfurt/Oder schon angedacht sind als Eingreifaktionen der NATO im Falle ethnischer Ausein­andersetzungen auf deutschem Boden, die man ja - wie die Kur­denkrawalle zeigen - schon heute beliebig auslösen kann. Der CIA verfügt auf diesem Gebiet über spezielle Erfahrungen und Fertig­keiten. Bedenkt man, daß Publikationen dieser Art in den Medien, die - wie das zitierte Nachrichtenmagazin - weltweit als Sprach­rohr der OS-Ostküste gelten, wohl nie "mal nur so" erscheinen, kann kein Zweifel daran bestehen, daß hier eine deutliche War­nung an die Deutsche Adresse ausgesprochen worden ist.

SCHÖNHUBER: Ich bin der Auffassung, da müßte man auch in militärischen Kategorien denken. Ich glaube, es droht kein mili­tärischer Angriff auf deutschen Boden. Auch die Türken werden uns nicht von außen her bedrohen. Sie werden von innen her versuchen, durch bürgerkriegsähnliche Aktionen die Sicherheit der Bundesrepublik zu gefährden. Um dies zu verhindern, bedarf es auch starker Polizeikräfte. Da nützt weniger eine Bundeswehr

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in der vorliegenden Fonn, die Bundeswehr ist weit überschätzt. Im kürzlich veröffentlichten Bericht der Wehrbeauftragten war ja zu lesen, es herrsche Zynismus und Frust in ihren Reihen. Die Soldaten "reißen" halt, wie wir früher in der Landsersprache sagten, ihren Dienst ab, ohne große Motivation. Ein Soldat aber, der seinen Dienst als Beruf empfindet, der ist gern Soldat und tut alles, um in seinem Beruf zu bestehen. Er würde jederzeit einsatz­bereit sein, sollte es zu einer Bedrohung unseres Staates kommen, was gar nicht so utopisch ist. Die Türken beispielsweise versuchen die innere Ordnung unseres Staates zu zerstören. Fazit: Die Berufsarmee hätte eine weitaus größere Kampfkraft als die Bun­deswehr.

MAHLER: Die Bundeswehr dürfte überhaupt keine Kampfkraft haben.

SCHÖNHUBER: Aber das entspricht doch meiner These.

MAHLER: Nein. Das entspricht eben nicht Ihrer These. Ich glaube, daß man ein viel ernsteres Szenarium annehmen muß, wo Polizeikräfte und Polizeitaktik am Ende sind. Wir müssen mit Häuserkampf rechnen. Das ist eine militärische und keine polizei­liehe Aktion.

SCHÖNHUBER: Herr Mahler, als Soldat, der Häuserkämpfe mitgemacht hat, sage ich Ihnen, das alles ist eine Frage der Ausbildung. Wenn man schon in kriegerischen Vorstellungen denkt, die, wie Sie wissen, meines Erachtens der Vergangenheit angehören sollen, sage ich Ihnen, Häuserkämpfe sind erlernbar, für Soldaten wie Polizisten gleichermaßen. Ich erinnere an die schrecklichen Erfahrungen, die nicht nur Soldaten, sondern auch Polizeikräfte und HitZerjungen bei der Verteidigung Breslaus und Berlins machen konnten. Welche These stellen Sie diesen Erfah­rungen entgegen?

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MAHLER: Es gibt auch im Völkerrecht keine Verträge zu Lasten Dritter

MAHLER: Die Berufsarmee wird gar nicht groß genug sein. Wir müssen Reservekräfte haben. Es ist eben auch die grundsätzliche Frage, welche geistige Bedeutung hat die Wehrmacht für ein Gemeinwesen: Ich meine es gehört zu einem gesunden Selbstbe­wußtsein in der Bevölkerung die unmittelbare Erfahrung der eige­nen Wehrhaftigkeit. Das soll nicht wieder entrückt werden in einen arbeitsteiligen Prozeß, so daß der Bürger gar keine Vorstellung hat, was Kampfeinsatz bedeutet, was Kampfkraft bedeutet, was Kampforganisation ist. Das alles muß er mal als Soldat erfahren haben, um dann auch seine Kräfte einschätzen zu können und danach seine Bereitschaft entwickeln, notfalls - zur Verteidigung dessen, was ihm lieb und teuer ist- tatsächlich bis zum Äußersten zu gehen. Das kann man nicht einer Berufsarmee übertragen. Wenn diese nicht in ein wehrkräftiges Volk eingebettet ist, wird in ihr Söldnermentalität einreißen. Die Gefahr eines militärischen Staatsstreiches wäre wesentlich größer. Haben wir nur ein Berufs­heer, so ist das der letztlich entscheidende Machtfaktor. Es kann korrumpiert und dann auch mißbraucht werden.

SCHÖNHUBER: Würden Sie eine Berufsarmee, würden Sie eine Bundeswehr, so wie ich sie fordere, aus der NATO ausglie­dern wollen oder nicht?

MAHLER: Ja. Wir sind vielleicht noch gar nicht darauf vorbe­reitet, diese Frage zu behandeln.

Ich gehe ja davon aus, daß unsere politische Aufgabe darin besteht, das Deutsche Reich wieder handlungsfähig zu machen und eine Deutsche Verfassung gemäß Art. 146 Grundgesetz zu schaffen. Das Deutsche Reich ist durch die Verhaftung der Reichs­regierung unter Großadmiral Dönitz am 23. Mai 1945 handlungs­unfähig geworden. Es ist aber nach einhelliger Ansicht, die auch

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das Bundesverfassungsgericht teilt, als Staats- und Völkerrechts­subjekt nicht untergegangen. Am NATO-Vertrag, am EG-Vertrag usw. usf. ist das Deutsche Reich nicht beteiligt, also auch nicht gebunden. Denn auch im Völkerrecht gilt der Grundsatz, daß Verträge nicht wirksam zu Lasten Dritter geschlossen werden können. Nach Wiedererlangung seiner Handlungsfähigkeit wird das Deutsche Reich entscheiden, welche Verträge es übernimmt und welche nicht. Und eine Bundeswehr, die keinen eigenen Generalstab hat, die eingebunden ist in eine Befehlsstruktur, die fremdbestimmt ist, wird es im Deutschen Reich nicht geben. Das wäre Hochverrat.

SCHÖNHUBER: Gut. Jetzt muß ich aber gegen mich selber argumentieren. Ich bin mir natürlich der Gefahren meiner F orde­rung "Deutschland raus aus der NATO" durchaus bewußt. Wenn alle Staaten um uns herum in der NATO bleiben, was zu befürchten ist, dann sind wir eine kleine Insel mit einer Bundeswehr, einer Bundeswehr, wie Sie sie sehen und sie wollen. Aber was hat die dann überhaupt nochfür ein Gewicht?

MAHLER: Die NATO sollte dann kein Gewicht haben.

SCHÖNHUBER: Nein. Wo ist dann das Gewicht der Bundes­wehr?

MAHLER: ... oder deutschen V erteidigungsstreitkräfte.

SCHÖNHUBER: Oderderdeutschen Verteidigung. Wiesolldie aussehen?

MAHLER: Das ist natürlich dann die Sache der Politik, und die darf ja nicht hirnrissig sein.

Ich glaube nicht, daß die anderen Europäischen Länder in der NATO bleiben, wenn Deutschland nicht in der NATO ist. Rußland wird in Europa und für Europa eine wichtige Rolle zu spielen haben. Allein das schließt die Fortexistenz der NATO aus, denn

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diese ist und bleibt ein Militärblock, der gegen Rußland gerichtet ist. Wir brauchen eine Achse Paris-Berlin-Moskau gegen die amerikaDisehe Übermacht. Die Möglichkeit, sich dann aus der gegebenen Struktur herauszuwinden, hängt natürlich von der künftigen Entwicklung ab. Der NATO-Block wird entscheidend geschwächt sein, sobald das Weltfinanzsystem zusammenbricht; wenn die Spekulationsblasen platzen. Und das kommt. Alle Fach­leute sind sich darin einig. Man weiß nur nicht, wann der Crash eintritt. Dieser Zusammenbruch wird schlimme Folgen haben. Die schlimmste für die US-Ostküste wird sein, daß die Basis des Dollar-Imperialismus zerschlagen ist. Dieser beruht auf dem Dol­lar als Leitwährung, auf dem ungehinderten Austausch von Wa­ren, Dienstleistungen und Kapital auf dem Weltmarkt, auf der Zahlungsfähigkeit der Schuldnerländer. Alle diese Bedingungen werden in der kommenden Weltwirtschaftskrise untergehen. Da­nach bleiben den USA nur noch ihre militärischen Mittel. Die sind höchst begrenzt- auch wenn heute noch alle Welt vom Gegenteil überzeugt ist. Der moralische Faktor, der für den Einsatz militäri­scher Optionen den größten Stellenwert hat, geht in der Krise des Amerikanismus gegen Null. Die USA sind ein Koloß auf tönernen Füßen.

SCHÖNHUBER: Gut,jetzt möchte ich tiefer schüifen. Sagen wir mal, meine Forderung "raus aus der NATO" ist nicht ohne Gefahr. Aber wenn der Weg so geht, wie Sie es skizziert haben, Berlin-Pa­ris-Moskau, wobei ich Paris als einen sehr unsicheren Faktor ansehe, zumindest unter den gegebenen Verhältnissen ...

MAHLER: Die werden sich auch ändern. Die Franzosen haben ähnliche Probleme wie wir.

SCHÖNHUBER: ... wie steht es dann mit einer möglichen Neu­tralität Deutschlands?

MAHLER: Deutschland ist dann nicht neutral. Deutschland ist Partei.

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SCHÖNHUBER: Partei von wem?

MAHLER: Wir haben einen Weltherrschaftsblock. In dem sind wir- wie uns das Zbigniew Brzezinski freundlicherweise bestätigt hat - tributpflichtige Vasallen der OS-Ostküste. Aus dem scheren wir durch eine höchst aktive Politik aus. Wenn die Welt, wenn Deutschland am Hungertuch nagt, werden wir sagen: bis hierher und nicht weiter und jetzt machen wir es neu. Die anderen Euro­päischen Nationen werden mitziehen, denn sie brauchen dann Deutschland und nicht die USA.

SCHÖNHUBER: Das hieße also zu Ende gedacht: Wir schlös­sen uns einem Block, ich wiederhole nochmal, Berlin-Paris-Bel­grad-Moskau, möglicherweise China an. Dann greift das Neutra­litätsprinzip nicht mehr. Dann wäre ich bereit, zu sagen, wir Deutschen, wir verlassen diesen unseligen Block, vereinfacht ausgedrückt, den Westblock und suchen eine Verbindung in einer Blockbildung, die sich ausdrücklich gegen eine weitere Weltherr­schaft oder eine Festigung der Weltherrschaft der Amerikaner wendet. Dann kommen wir wieder in eine ähnliche Situation.

MAHLER: Sie wissen ja, daß in Rußland starke Überlegungen in diese Richtung gehen. Ich habe gerade neulich wieder die Rede von Alexey Mitrofanow gelesen, die er 1997 ohne Widerspruch unter viel Beifall in der Duma gehalten hat. Er war damals der Vorsitzende des geostrategischen Arbeitsausschusses der Du­ma.Er hat genau das einfordert und ausgeführt, daß diese Achse die einzige Chance sei, a) den Weltfrieden zu erhalten und b) die Würde und den Selbstrespekt der großen Nationen zu bewahren. Und er ist für die Rückgabe der Deutschen Ostgebiete und Elsaß­Lothringens an Deutschland eingetreten.

SCHÖNHUBER: Darüber kann man diskutieren und es ist bezeichnend, daß eine solche Diskussion nicht in einem deutschen, sondern in einem russischen Parlament stattfindet. Gleichwohl zähle ich Grenzverschiebungen nicht zu den aktuellsten und wich-

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SCHÖNHUBER: Die Ökologie als wich­tiger Faktor

tigsten Themen unserer Zeit. Grenzen verlieren ja immer mehr ihren trennenden Charakter. Und das ist gut so. Damit komme ich zu dem, zumindest aus meiner Sicht wichtigsten Thema, einem wahrhaft grenzüberschreitenden, zur Ökologie. Die Grünen ha­ben sich aus Gründen der Machterhaltung von diesem Thema inzwischen verabschiedet. In die entstandene Lücke müssen wir Patrioten hineinstoßen, aber nicht allein aus parteipolitischen Gründen, sondern vor allem aus Gründen der Verantwortung gegenüber unserem Volk. Es handelt sich um eine Frage des Überlebens. Selbstverständlich sind wir hier auf eine internatio­nale Zusammenarbeit angewiesen. Das Wasser von Flüssen än­dert ja nicht seinen Reinlichkeitsgrad, wenn es Grenzen passiert. Wir sollten aber unsere größere Finanzkraft gegenüber schwä­cheren Anreinerstaaten einsetzen und eine wirtschaftliche Hilfe von ökologisch notwendigen Verbesserungen abhängig machen, die für uns wichtig sind. Das gilt beispielsweise gegenüber Tsche­chien. Wir sollten die wahren Schuldigenfür die immer bedrohli­cher werdenden Umweltschäden an den Pranger stellen. Das gilt vor allem für die Amerikaner, die aus rein ökonomischen und gewinnmaximierenden Gründen die größten Bremser im Umwelt­schutz sind. Das gilt aber auch für Südamerikanische und afrika­nische Potentaten, die Gelder aus der Entwicklungshilfe lieber in ihre eigenen Taschen stecken, statt sie in lebenswichtige landwirt­schaftliche Projekte zu investieren. Hier sollte das leninistische Prinzip angewendet werden: Vertrauen ist gut, Kontrolle besser. Umweltschutz hat aber auch mit ungebremster Zuwanderung zu tun. Wir sind ein dichtbesiedeltes Land. Der Boden ist nicht beliebig vermehrbar. Immer mehr Deutsche ziehen weg. Nicht nur aus Problemgebieten, weil sie den Druck von Menschen aus anderen Kulturkreisen und Mentalitäten nicht mehr aushalten, sondern auch aus ländlichen Gebieten. Das Bauernsterben geht

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um. Unter anderen ziehen Türken ein und Großfamilien rücken nach. Sie haben ein anderes Verhältnis - eigentlich überhaupt keines - zur Umwelt. Man sehe sich in den türkischen Slums, die "Gece Kondus", die sogenannten "über Nacht gebauten Häuser" an, Stätten einer Umweltverschmutzung, wie man sie sich schlim­mer nicht vorstellen kann. Und an manchen Tagen stinkt die Bucht von Izmir wie eine Kloake und die Farbe des Wassers sieht dementsprechend aus. Reines Wasser findet sich vor allem in den Pools der Luxushotels.

Ich weiß, daß man mit solchen Hinweisen gegen den Zeitgeist verstößt, aber das stört mich nicht. Natürlich ist mir auch bewußt, daß die Zeit nicht stehen geblieben ist, daß Rousseaus "Retour a la nature" mit dem heutigen technischen Fortschritt in eine ver­nünftige Beziehung gebracht werden muß. Wir leben nicht mehr in der Postkutschenzeit. Damals waren beispielsweise die Allee­bäume an den Rändern der Landstraßen eine wahre Augenweide, schattenspendend und wohltuendfür die Nerven. Für die heutigen Auto- und Motorradfahrer sind es zuweilen Todesfallen. Hier müssen sorgfältige Güterahwägungen vorgenommen werden. Üb­rigens, man kann über die NS-Zeit viel Negatives sagen, aber die der Landschaft angepaßten Autobahnen können als vorbildlich angesehen werden. Interessant in diesem Zusammenhang, daß in der Frühzeit des Nationalsozialismus, in seiner linken Periode, der Umweltschutz schon einen hohen Stellenwert hatte. In einer der ersten Ausgaben warnte der "Völkische Beobachter" vor einer Zubetonierung der Landschaft. Ich fasse zusammen: In der Um­weltfrage stehen die Zeichen auf Sturm.

MAHLER: Nicht nur für unser Volk. In der ökologischen Krise wird die Wasserknappheit wahrscheinlich die Führungsrolle über­nehmen und das schon sehr bald. Angesichts der Bevölkerungsex­plosion müssen wir weiterhin mit Wanderungsdruck und den ökologischen Konsequenzen dieses Wanderungsdruckes rechnen. Da müssen wir uns wirklich überlegen, wie wir das politisch in den Griff bekommen wollen.

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SCHÖNHUBER: Sie denken an die Versteppung z. B.

MAHLER: Ja. Und das hat aber mit Globalisierung was zu tun, so wie sie heute sich darstellt. Die wird ja ideologisch geschönt. In Wirklichkeit ist sie ein Todesprogramm. Unter diesem Banner versucht man jetzt eine bürokratische Wasserkopfweltregierung unter der Fuchtel der amerikanischen Ostküste zu etablieren. Das wird nicht gehen. Wenn wir im Deutschen Reich eine freiheitliche Ordnung aufrichten, die anderen großen Europäischen Nationen das Gleiche tun, wenn die Regierung also mit den Menschen, die es angeht, über ihre Probleme endlich offen redet und sie nicht desinformiert, täuscht und so manipuliert, wird die Intelligenz der Menschen, die an einem würdigen Leben, nicht aber an den Profiten für die OS-Ostküste interessiert sind, die Wege finden, die aus der Gefahr des Untergangs herausführen. Wir begreifen, daß der wohlverstandene Egoismus immer auch das Leben der anderen Völker und Nationen einschließt.

SCHÖNHUBER: Aber auch die Intelligenz ist länderübegrei­fend. Das kann nicht allein die deutsche Intelligenz sein, die das quasi schafft.

MAHLER: Aber es gibt ja jede Menge internationale Gremien. Die hat es immer gegeben. Die haben immer auch partiell Proble­me lösen können. So, wie die Probleme jetzt auf uns zukommen und nach Lösung schreien, werden wir diesen internationalen Ausgleich durch Verhandlungen zwischen souveränen Nationen herbeiführen. Ein nur gemeinschaftlich zu lösendes Problem kon­sensmäßig lösen, muß auch bedeuten, daß dann einzelne, die sich aus diesem Konsens ausklammern wollen zu Lasten aller, in irgendeiner Weise bestraft werden- Boykott und bis hin zu mili­tärischer Intervention. Das ist eine Kriegsursache, die muß man einfach sehen. Es geht um das Überleben der Menschheit.

SCHÖNHUBER; Und das erklärt auch, warum ich der Ökologie diesen Stellenwert beimesse.

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MAHLER: Das Prinzip der Volkswirt­schaft gegen das Prinzip der Globa­lisierer

MAHLER: Wir müssen uns klarmachen, daß Mammon den Staat gefangen hält; daß die Sonderinteressen sich das Allgemeine gefügig gemacht haben. Fast täglich treten krassere Formen dieses Tatbestandes hervor.

Unter der Herrschaft Mammons gelten alle Bestrebungen zur Herausbildung einer Weltregierung der Maximierung und Si­cherung des Profits. Profitmaximierung aber ist die Hauptursache der Naturzerstörung.

Die Krise der Natur, die an den Staatsgrenzen nicht halt macht, ist die Flammenschrift, die uns mahnt, in allem, was wir tun, als Teil stets das Ganze zu bedenken. Den Völkern ist in ihrer Vielfalt die Erde nur zu treuen Händen und als ein Ganzes zur Nutzung überlassen. Die Lebenden sind die Treuhänder der künftigen Ge­nerationen. Ebenso sind die privaten Eigentümer der Produktions­mittel, deren die Gemeinschaft zur Erhaltung des Lebens bedarf, nur Treuhänder der unsterblichen Volksgemeinschaft.

Das Denken, das sich das Ganze gegenwärtig hält, ist der Staat. Er muß zuallererst aus den Fesseln der Sonderinteressen frei geschlagen werden, damit er wieder zu der Macht wird, die das Allgemeininteresse gegen die Widerstände der Sonderinteressen hochhält und durchsetzt.

Dann wird man vernünftig denkendeund argumentierende Völ­ker und Nationen haben, die dann auch miteinander konferieren und das gemeinsame Vernünftige suchen und realisieren, weil das Privatinteresse dann nicht mehr der entscheidende Faktor ist, der jeden vernünftigen Konsens vereitelt.

Die Befreiung des Staates aus der babylonischen Gefangen­schaft der gesellschaftlichen und privaten Sonderinteressen ist die erste und wichtigste Tat zur Rettung der Natur. Erst durch diese

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Tat wird die Abwendung der ökölogischen Katastrophe zum Mit­telpunkt der Staatsraison.

Alles weitere wird sich finden. Es ist müßig über Einzelheiten einer effektiven Umweltpolitik zu spekulieren.

Der Staat, wie er hier bestimmt ist, hat sein Dasein im Allgemei­nen Stand (der gehobenen Beamtenschaft), dessen besonderes Interesse die Wahrung des Allgemeininteresses ist. Der ist in Deutschland - aber nicht nur hier - fast vollständig untergegangen. Er muß schnellstens wiederhergestellt werden. Zu diesem Zweck werden wir- sie werden mir das als Bayer hoffentlich verzeihen -an der Preußischen Tradition anknüpfen, am Preußischen Beam­tenethos. Mich fasziniert die Art und Weise, wie im Alten China der Beamtenstand gebildet wurde. Wir sollten prüfen, was wir davon - selbstverständlich in zeitgemäßer Form - übernehmen können.

SCHÖNHUBER: Das zeigt sich gerade im Verhältnis zur Öko­logie. Parteien in der heutigenForm sind angewiesen aufLobbies. In Bayern darf die CSU die Bergbauern und die Tourismusver­bände nicht vergraulen, in Nordrhein-Westfalen die SPD nicht die Kumpels. Und die Rüstungsindustrie, die zu den schlimmsten und bedenkenlosesten Umweltsündern gehört, wird geschont, weil man gerne die Hand aufhält, wenn es um Schmiergelder geht, wie die Affären der letzten Monate beweisen. Und Bundeskanzler Sehröder entwickelt sich immer mehr zum PR-Mann der Autoin­dustrie. Die CDU kämpft mit allen Mitteln um den Erhalt der Atomkraft, wobei ich an dieser Stelle nicht verhehlen möchte, daß ich ein ausgesprochener Atomkraftgegner bin. Und weil wir ge­rade bei den Parteien sind, möchte ich noch eins draufsetzen: Ich bin für eine strikte Trennung von Politik und Religion. Ich halte die parteipolitische Usurpation christlicher Dogmen auchfüreine Art geistiger Umweltverschmutzung, schon allein deshalb, weil gerade christliche Politiker gnadenlose Vernichtungskriege ge­gen Andersdenkende führen.

MAHLER: Ich bin für ein V erbot der Parteien.

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SCHÖNHUBER: Haiders Grat­wanderung

SCHÖNHUBER: Das bedaif einer Erklärung. Ein Verbot ist keine Lösung.

MAHLER: Was halten Sie vom Modell Haider?

SCHÖNHUBER: Also zunächst einmal ist das Modell Haider für mich keine Lösung und es ist nicht übertragbar auf die Bun­desrepublik. Die FPÖ war von Anfang an eine mehr oder minder etablierte Partei, die allerdings durch die Aktivitäten Haiders stark an Bedeutung gewonnen hat. Das ist unbestritten. Der Eifolg Haiders ist jedoch nicht allein sein Verdienst, er verdankt ihn auch dem immer dichter gewordenen Parteienfilz von SPÖ und ÖVP. Er hat dazu geführt, daß die Österreichische Politik verrottet ist und einen Protest zwingend herausforderte. Die Folge ist die schwarz-blaue Koalition, also von Haiders Freiheitlichen mit der Österreichischen Volkspartei. Und ich versiehe Ihnen, Herr Mah­ler, das wird dazu führen, daß es noch nie eine so fromme und ängstliche Regierung gegeben hat, wie es die derzeitige sein wird. Sie wird permanent unter der Angst leiden, etwas zu tun, was die aufgehetzte Weltöffentlichkeit übelnehmen könnte. Tenor: Wir sind ja gar nicht so bös, und der Haider wird schön in Kärnten bleiben. Jetzt werden die Österreichischen Sozialdemokraten so­gar eher Österreichische Belange vertreten können, als die Schüs­sels und Haiders. Darüber hinaus ist die FPÖ keine Volksbewe­gung, sondern eine Partei wie jede andere auch. Der Inhalt istfast der gleiche, sie hat nur eine bessere Verpackung. Und Haider ist der beste Verpackungskünstler der Alpenrepublik. Haider ist ein ausgesprochener Parteimensch Er hätte auch in einer anderen Partei Karriere gemacht. Es amüsiert mich nachgerade, wie sich selbsternannte Haiderles, Gruppen und Grüppchen in der Bun­desrepublik um eine Art von Haidersehen Lizenzrechten balgen.

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Sie kommen mir wie abgemagerte Hunde vor, die sich auf jeden hingeworfenen Knochen stürzen und glauben, damit wieder zu Kräften zu kommen. Das schmeichelt zwar der Eitelkeit Haiders, aber sollten sie ihm zu nahe kommen, dann wird er "kusch" rufen und sagen, mit euch habe ich nichts zu tun. Darin hat er Übung. Aber was will Haider wirklich? Ich weiß es trotzmancher Gesprä­che, die ich mit ihm in Straßburg und Brüssel in freundschaftlicher Form führen konnte, bis heute nicht. Er, der zunächst für ein deutsches Österreich eintrat, sich gegen eine "Umvolkung" ver­wahrte, die Treue der Waffen-SS-Kameraden und die NS-Beschäf­tigungspolitik lobte, will beialldiesen Aussagen nur mißverstan­den worden sein, oder entschuldigte sich unverbindlich. Seine Anhänger machtenalldiese Schlenker mit. Nichts ist ja erfolgrei­cher als der Erfolg. Das wird sich ändern, wenn der Erfolg ausbleibt. Dann wird ein anderes Polit-Sprichwort greifen: "Der Sieg hat viele Väter, die Niederlage nur einen." Typisch für den Haidersehen Zick-Zack-Kurs ist auch sein beständiger Wechsel an sogenannten Vorbildern. Erst hat er den Herrn Stoiber zu seinem Vorbild erklärt, der zeigte ihm sofort die kalte Schulter und ließ verlauten: Um Gotteswillen, mit dem nicht. Dann kam der gute Helmut Schmidt dran. Auch der wollte von Haider nichts wissen, verständlich. Das konnte er seinen Österreichischen Genossen doch nicht antun. Jetzt ist der gute Jörg bei Tony Blair gelandet, einem ausgesprochenen At/antiker und Erfüllungsgehilfen der Amerikaner.

Gegenüber anderen Rechten in Europa hat Haider die Abgren­zungshysterie bis zum Exzess getrieben. Dabei sind die Thesen zur Ausländerfrage beispielsweise zwischen Haider und Le Pen fast identisch. Trotzdem trat der Kärntner dafür ein, daß dem "mani­festen Rassisten", wie er Le Pen perfiderweise nannte, das Abge­ordnetenmandat im Europaparlament abgesprochen werden soll­te. Auch mit den "Rassisten" vom Vlaams Blok, wie bereits gesagt, will er nichts zu tun haben. Und mit dem Schweizer Bioeher auch nichts. Dafür um so mehr mit den Amerikanern. Nicht umsonst hängt das Sternenbanner in seinem Büro. Und er hat sich mit Herrn Sichrovsky einen bekannten Nazi-Verfolger geholt. Böse

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·Zungen sprechen von einem Hofjuden, der ihm die Tore zum amerikanischen Establishment öffnen sollte. Genützt hat es ihm nichts. Anders als Haiders Verhalten zu anderen Führern rechter europäischer Parteien schlugen diese nicht in die gleiche Kerbe ihm gegenüber. Sie hielten sich mit kritischen Äußerungen zurück. Sie wollten seinen Aufstieg nicht gefährden, glaubten, daß die Ausfälle nur taktisch bestimmt wären und hofften auf eine spätere Einigung. Ich hegte diese Hoffnung nie. Ich bewunderte seinen Einfallsreichtum, sein rhetorisches Geschick, mehr jedoch nicht. Ich glaube, die Furcht Europas vor ihm ist übertrieben. Man sollte ihn nicht dämonisieren, denn im Grunde ist er ein Cunctator, ein Zauderer. Seine große Zeit düifte vorbei sein. Wer Rückzüge taktisch begründet oder begründen läßt, entschärft die Bedro­hung. Außerdem ist es eine alte Eifahrung, daß sich ehrgeizige Kräfte in einer Partei sehr schnell verselbständigen, wenn der Chefweg ist.

Noch ein Wort zur dubiosen Haltung der CSU gegenüber Hai­der, den der verstorbene bayerische Ministerpräsident Max Streibl einst einen Hoffnungsträger auch für die CSU nannte. Dr. Hans-Jochen Vogel, gewiß nicht mein Freund, brachte sie auf den Punkt. Laut "Münchner Merkur" vom 29.03.2000 sagte er auf einem Podiumsgespräch über europäische Rechtsparteien: Ich kann nicht nachvollziehen, warum sich die CSU nicht deutlicher distanziere. Republikaner-Chef Schönhuber hat man mit aller Schäife ausgegrenzt und isoliert. Warum nicht Haider?

MAHLER: Apropos Blair. Ich hab gerade vorgestern in der Zeitung gelesen, daß er jetzt völlig umgeschwenkt ist und diese europafeindliche oder ablehnende Haltung als einen historischen Fehler bezeichnet hat. Er kritisiert Maggie Thatcher ganz grund­sätzlich und sagt, die Zukunft Großbritanniens liege natürlich in Europa. Was dahinter steckt? Wir werden sehen. Diese ganze europäische Konzeption ist nach meiner Auffassung die Haupt­strategie der USA, Buropa als selbständigen Faktor auszu­schließen und Buropa transatlantisch als Vasallengebiet zu verein­nahmen.

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Und ich glaube, es wird deutlich, daß die Engländer jetzt auch dies wahrnehmen und erkannt haben.

SCHÖNHUBER: Insofern ist die Achse Haider-Blair gar nicht so abwegig.

MAHLER: Eben. Das ist die Funktion gerade solcher Parteien. Und Haider als Chef der Freiheitlichen ist Teil dieses Parteiensy­stems. Zwar sagt er immer wieder, er wolle das Parteiensystem überwinden. Darauf gebe ich nichts. Hausleitner, ein ehemaliger enger Mitarbeiter von ihm, plaudert aus der Schule. Er sagt, Haider übe "fraktale Kommunikation". Das heißt soviel, daß er für jeden etwas sagt, ohne Rücksicht darauf, daß es absolut widersprüchlich ist. Aber wem es auffallt, dem wird das irgendwie kurz "erklärt" und dann geht man darüber hinweg. Wichtig ist nur, daß sichjeder bei ihm aufgehoben fühlt, damit er ihm die Stimme gibt. Das ist dieses typische Manipulationselement, was auch den Populismus mit ausmacht. Es geht nicht um grundsätzliche Klärung. Haider macht sich so zur Karikatur des Parteiensystem.

SCHÖNHUBER: Haider sagt, es ginge im Grunde nur noch um Einzelfragen. Die Wirklichkeit ist widersprüchlich, also muß ich auch widersprüchlich sein.

MAHLER: Das ist die totale Umkehrung des Hegeischen Den­kens. Regel hat ja in seiner Habilitationsschrift- allem voran- den Satz aufgestellt: "Der Widerspruch ist das Kennzeichen der Wahr­heit und die Widerspruchsfreiheit das Kennzeichen der Unwahr­heit." Dieser Satz kennzeichnet die kopernikanischeWende in der Philosophie, die ja bisher immer davon ausging, das Denken müsse widerspruchsfrei sein, um gültig zu sein. Aber so sieht ja Haider die Widersprüchlichkeit nicht, sondern er löst das Ganze in Teile auf, ohne danach noch das Ganze im Blick zu haben. Und das ist natürlich genau die Fortsetzung - bis ins Extrem - dessen, was wir haben. Das Ganze wird zum Wahngebilde erklärt. Ich habe mit Professoren der Politikwissenschaft auf Podien gesessen,

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MAHLER: Deutsche Philosophie war immer politischer Kampf

die dann mit aller Unschuld doziert haben: "Volk und Nation, das sind Phantasmagorien". Die wollen uns ausreden, daß es das Ganze gibt und die wollen uns vergessen machen, daß wir immer nur als Teil eines Ganzen in Freiheit und Selbstachtung existieren können. Und deswegen glaube ich auch, wir haben nicht tagespo­litische Themen aufzugreifen, sondern wir müssen diese grund­sätzliche Differenz im Denken deutlich machen und die Auswir­kung auf unser politisches Sein aufzeigen, um ein neues Denken einzufordern, wo man vom Ganzen her denkt und die Freiheit des einzelnen als höchstes Gut vom Ganzen her bestimmt. Dieses also nicht leugnet, nicht zum Wahngebilde erklärt. Wir müssen fühlen und nicht nur abstrakt wissen, daß wir dem Ganzen verantwortlich sind und nur dann frei sind, wenn wir das Ganze wollen. Ich bin erst dann frei, wenn ich nicht von einem fremden Willen bestimmt bin, sondern von einem Willen, der aus mir heraus entsteht, mit meiner Überzeugung untermauert ist. Und wenn ich einsehe, ich kann nicht als dieser Einzelne, dieses vereinzelte Individuum, als vereinzelter Einzelner existieren, sondern immer nur in einem Ganzen, in dem ich meinen Schutz, meine Sicherheit und mein Anerkanntsein als Rechtspersönlichkeit erfahre, habe ich ein ganz anderes Leben. Darin ist Politik auch anders möglich. Und darum: dieses Bewußtsein zu schaffen, das ist die Hauptaufgabe der Politik. Das hat natürlich auch etwas mit Philosophie zu tun. Philosophie, insbesondere deutsche Philosophie, war immer poli­tischer Kampf. Man muß sich mal vergegenwärtigen, daß Fichte Philosophie unter der napoleonischen Fremdherrschaft gelehrt, seine "Reden an die deutsche Nation" im Angesicht französischer Erschießungskommandos gehalten hat. Welcher Philosoph heute ist denn bereit ...

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SCHÖNHUBER: Ja, gibt es denn überhaupt noch Philosophen in Deutschland?

MAHLER: Nein.

SCHÖNHUBER: So ist es, aber es müssen ja nicht immer gleich philosophisch begründete Aktionen sein, um wenigstens Anstöße für eine Wendung zum Besseren zu erzielen. Ich habe ja verschie­dene Versuche unternommen. Meine erste Tat, andere sagen Untat, war die Veröffentlichung eines Buches- "Ich war dabei"-, das zumindest den Versuch unternommen hat, Geschichte erfahr­und erlebbar zu machen. Das war keine philosophische oder wissenschaftliche Abhandlung. Imerhin hat dieses Buch etwas bewirkt und einige braune Überlebenskünstler aus der Deckung herausgetrieben Wofür sie mir böse waren.

Der zweite Versuch war, daß ich mich an einer Parteigründung beteiligt habe. Schon damals aber war mir klar, wie ungeheuer schwierig es ist, eine patriotische Partei zu gründen. Der eine Parteifreund gab sich als National-Liberaler zu erkennen. Von dieser Gattung hielt ich nicht viel. Ich denke stets an den berühm­ten, ins Londoner Exil getriebenen Zarengegner Alexander Her­zen, der den Liberalismus als tödlichen Schanker seiner Zeit beschrieben hat. Ein anderer Parteifreund wollte nur seine NS­Nostalgie befriedigen. Er meinte, man müsse jetzt Klartext reden und bekennen, der HitZer wäre so schlecht nicht gewesen. Der ging wieder, wenn ihm in den Ortsverbänden die Parteifreunde sagten, seinen Schmarrn wollten sie nicht länger hören. Dann kamen die ehemaligen Sozialdemokraten, meistens enttäuschte Schumacher­Anhänger. Das waren die Besten. Am wenigsten konnte ich mit den sogenannten "Wertkonservativen" anfangen, die waren mir zu verblasen und hatten fürchterliche Angst, auf die Straße zu gehen: Ein anständiger Bürger tut das nicht. Es waren keine kämpferischen Citoyens, sondern satte Bourgeois. Die Partei­gründung kann als gescheitert betrachtet werden. Es hat sich dabei gezeigt, daß dieser Staat jedes Pflänzchen niedertritt, das nicht in die etablierte Polit-Landschaft paßt. Es gibt in keinem

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anderen demokratischen Land eine vergleichbare Organisation wie den Verfassungsschutz. Für diesen zählen keine Argumente. Die Schlapphüte haben eine vorgefertigte Meinung. Und sie haben Druckmittel. Es gelang ihnen, die Partei von innen heraus zu unterhöhlen. Mir hat einmal ein hoher bayerischer Beamter in einer Zeit, in der ich noch Träger der höchsten bayerischen Auszeichnung, des Bayerischen Verdienstordens, war, gesagt: "Herr Schönhuber, Sie sind ein blinder Tor. Sie lassen Protokolle von Ihren Vorstandssitzungen anfertigen, die ihre Vorstandsmit­glieder acht Tage später bekommen. Derbayerische Innenmini­ster Beckstein hat sie bereits am nächsten Tag. Haben Sie noch nie etwas von Wanzen gehört?"

Man hat eine solche Gruppierung von innen heraus unterwan­dert und zersetzt. Und das Resultat können Sie heute sehen.

MAHLER: Sie sehen aber auch, was eine Volksbewegung aus solchen Sicherheitsdiensten macht: eine Pappmacbe-Puppe. Das haben wir 1989 in der DDR gesehen.

SCHÖNHUBER: Aber noch ist es noch nicht soweit.

MAHLER: Es ist das Fehlen einer massenhaften Bewegung der Menschen, die sich das nicht mehr gefallen lassen. Aber die wird kommen.

Mich würde übrigens interessieren, wo Sie eine größere Wir­kung erzielten, als Publizist oder Politiker?

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SCHÖNHUBER: Sicher erzielte ich als Journalist und Buchau­tor eine anhaltendere Wirkung, denn als Parteiführer. Das be­merke ich auch an den noch heute auftretenden Reaktionen. Die Menschen sprechen mich weniger auf die Partei an, die völlig aus ihrem Gesichtskreis verschwunden ist, dafür aber auf zwei Punk­te meines beruflichen Schaffens. Da ist zum einen die Sendung "Jetzt red'/" (Jetzt rede ich), die wohl populärste Sendung, die im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Das war und ist noch eine Wirtshausdiskussion, in der ich als Moderator wirkte. Man könnte sie als eine Art kommunal-politischen Stammtisch bezeichnen, in dem die jeweils angesprochenen Minister und Staatssekretäre auf die im Publikum aufgewoifenen Fragen ant­worten mußten. Das Ganze war sehr folkloristisch und bayerisch aufgezogen. Die Lust am "Komödie-Spüin ", am Kömödienspiel, eine gewissen Theatralik gehört nun einmal zur bayerischen Politik.

Der zweite Punkt war das Erscheinen meines Erinnerungsbu­ches "Ich war dabei". Über dieses Buch wird noch heute kontro­vers diskutiert. Diese zwei unterschiedlich zu gewichtenden Vor­gänge und Erscheinungsformen erleichterten mir auch den Start als Parteivorsitzender. Sie trugen entscheidend dazu bei, daß die Partei aus dem Stand im schwarzen Bayern bei der Landtagswahl 1986 auf drei Prozent kam.

Aber auch wenn das Experiment Republikaner gescheitert sein sollte, so nehme ich doch für mich in Anspruch, daß ohne die Anfangseifolge der Partei, vor allem nach dem Einzug in das Europa-Parlament, es in der Bundesrepublik nie zum sogenannten Asyl-Kompromiß, also zum Versuch der Eindämmung der Asylan­tenströme gekommen wäre. Außerdem waren wir es, die den Gedanken an die Wiedervereinigung wachgehalten hatten. Da­mals sprach Helmut Kohl noch davon, die Wiedervereinigung stünde nicht auf der Tagesordnung der Weltgeschichte, "Gechich­te ", wie er zu sagen pflegte. Wir hatten dafür gesorgt, daß sie nicht abgesetzt wurde. Im Ausland wurde dieser Vorgang aufmerksam registriert. Wie man weiß, nahm ich bei den Telefon-Abhöraktio­nen der DDR einen Spitzenplatz unter den westdeutschen Politi-

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SCHÖNHUBER: Der patriotische Ruck, der beim Fall der Mauer durch das Land ging, ist längst veiflogen

kern ein. Aber dann übernahmen die Kopisten die Vorstellungen des Originals. Und jene CSU-ler, die sich jahrzehntelang am Schluß ihrer Veranstaltungen mit dem Lied "Gott mit Dir, Du Land der Bayern" begnügt hatten, sangen plötzlich aus vollem Hals das Deutschlandlied. Ich halte es deshalb für besonders tragisch, daß ausgerechnet wir, die wir unentwegt die Beseitigung der Mauer gefordert hatten, von ihrem Einsturz politisch erschlagen wurden. Wir waren zum Störfall geworden. Das Ausland sollte beruhigt werden. Die Antifa-Keule wurde zu einer wirksamen Waffe. Mir wurde als EU-Parlamentarier die Einreise in die Übergangs-DDR verwehrt, Kohl und Schäuble hatten nichts dagegen. Dies paßte in ihr Spiel, das vonFoulsgegenüber wahren Patrioten begleitet war.

Ich sage das alles nicht wehleidig, ganz im Gegenteil: Ich bin stolz auf unseren Anteil, im Rahmen des Möglichen zu einer, wenn auch kleinen positiven Änderung in unserem Land beigetragen zu haben.Aber der patriotische Ruck, der beim Fall der Mauer durch das Land ging, ist längst verflogen. Die Amerikaner haben dafür gesorgt, daß wir nach der Befreiung eines Teils unseres Vaterlan­des vom sowjetischen Joch nicht auf den Gedanken kämen, nun auch das Ganze aus der Gängelung durch die Ostküste zu lö­sen. Womit wir wieder beim Generalthema wären.

Trotz allem, es waren bemerkenswerte Erfolge, die den Etablier­ten das Fürchten lehrten. Das ist nicht zu bestreiten, aber sie waren nicht dauerhaft. Um die Erfolge auszubauen, fehlten das intellektuelle Potential und auch die ökonomischen Möglichkeiten. Von der Stigmatisierung ganz zu schweigen. Und dann kommt etwas hinzu, das gerade für patriotische Parteien eine ganz große Gefahr darstellt, das ist die Stellung der Beamtenschaft. Sollte ich jemals wieder eine Partei gründen, was aber bei meinem Alter nahezu auszuschließen ist, dann würde ich den Beamten empfehlen,

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SCHÖNHUBER: Man braucht eine Kaderpartei

führende Positionen zu meiden. Ich weiß, wovon ich rede. Wird ein Beamter, sagen wir mal, Bezirskvorsitzender, kann man Gift darauf nehmen, daß einige Zeit später ein Schlapphut auftaucht. Und die Gespräche verlaufen dann in etwa so: Eigentlich stehen Sie ja kurz vor einer Beförderung. Aber das ist jetzt problematisch. Sie sind in einer verfassungsfeindlichen Partei. Muß das sein? Oder könnten Sie sich vorstellen,für uns zu arbeiten? Dann kommt die Ehefrau, die vorher auch von einem Veifassungsschützer aufgesucht worden war und lamentiert: Du mit Deinen komischen Patrioten. Davon kann man nicht runterbeißen Und was wird aus Deiner Beförderung, der Gehaltsaufbesserung, diese könnten wir gerade jetzt gut brauchen, denk' an den Kredit, den wir für den Kauf des neuen Autos aufgenommen haben. Und was wird aus den Kindern? Am Ende wirst Du gar entlassen.

Das ist kein Horrorszenario, das ist nachprüfbare Realität. Der angesprochene Mann wird sich in 90 Prozent der Fälle für sein persönliches Fortkommen oder für die Sicherheit seiner Familie entscheiden. Er wird in erster Linie Staatsdiener und dann erst Parteimann sein. Das habe ich zu spät erkannt. Und ich hatte den Veifassungsschutz zunächst unterschätzt. Ich hielt solche Metho­den für nicht möglich. Auch nicht finanzielle Angebote von 2000 - 3000 Mark. Um für eine Partei einen Verteidigungsring aufzu­bauen, muß man zu unkonventionellen Methoden greifen und Organisationsstrukturen aufbauen, die ein Eindringen der Schlapphüte erschweren. Letztendlich bekommt die Partei einen Charakter, der dem einer Kaderpartei nicht unähnlich ist. Die hier gewonnenen Erkenntnisse und Überlegungen müssen dann in die Partei hineinwirken Massen sind formbar. Sie bestehen in der Regel aus BILD-Zeitungslesern und Fernsehkonsumenten Der damit zunehmenden Verblödung muß durch gezielte Aufklärungs­arbeit entgegengewirkt werden. Das Wort von der Basis-Demo-

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kratie ist reine Augenwischerei. Das hatte schon Schiller richtig erkannt: "Vernunft ist wenigen nur gegeben!" Und Bismarck wird der Satz zugeschrieben: Vox Populi-Vox Rindvieh. Zudem glaube ich, daß Mussolini mit seinem Ausspruch recht hat: "Männer machen Geschichte!"

Ich weiß, daß solche Aussagen meinen Stammplatz in den Ver­fassungsschutzberichten zementieren. Macht nichts, heutzutage gilt ja alles als verfassungsfeindlich, was gegen den etablierten Stachel löckt. Und das in einem Staat, der mehr und mehr den Gesetzen der Mafia oder Camorra zu folgen scheint, denn der Rechtsstaatlichkeit. Weist man auf Fehlverhalten von etablierten Politikern hin, wird dies als eine verfassungsfeindliche Verächtli­chungsmachung der Repräsentanten des Staates angeprangert. Man sollte auch über eine Änderung des Parteiengesetzes nach­denken.

MAHLER: Gegenwärtig ist schon die Mehrheit der wahlbe-. rechtigten Bürger in der Bundesrepublik Deutschland - davon kann man wohl ausgehen- der Auffassung, daß "diese Parteien" - und damit ist das Parteiensystem gemeint - die Probleme nicht mehr packen. "Die kriegen's nicht geregelt!" - heißt es immer häufiger.

Die Antwort auf Ihre Frage: was ist zu tun? kann nicht sein, daß jenes abgewirtschaftete Parteiensystem wiederzubeleben wäre. Wenn Parteien des "rechten" Spektrums das versuchen sollten, wären sie das "Letzte Aufgebot des Systems". Und genau als das müßte man sie behandeln.

"Tun" im Sinne Ihrer Frage wäre ja die Umsetzung eines Gedan­kens, eines Konzepts, eines Planes in die Wirklichkeit.

Wie wär' s denn, wenn man zuerst einmal nach dem Gedanken fragte, der hier umgesetzt werden soll? Vielleicht ließe sich auf diesem Wege die Antwort finden.

Mir ist in den letzten Tagen einer dieser jetzt so zahlreich verteilten Aufrufe zur Gründung einer "Partei aller Patrioten" in die Hände gekommen. Toll, was da drin steht. Doch alles nur Leerformeln, die man auf den gemeinsamen Nenner bringen kann:

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MAHLER: Der Staat befindet sich in der babylonischen Gefangenschaft der Parteien

wir müssen es diesmal richtig machen, wir müssen es gut machen, und wir müssen uns einig sein. Amen!

Wer will da schon widersprechen? Doch ist das alles nur Blöd­sinn. Wie könnte eine Armee die Schlacht gegen einen mächtigen Feind gewinnen, wenn der Feldherr seinen Truppen nur mit auf den Weg gibt: "Nun siegt mal schön!" Das ist jämmerlich. Da ist kein einziger Gedanke, der zur Wirklichkeit drängt. Jeder denkt sich bei diesen Leerformeln was anderes. Der Eine marschiert nach Norden, der Andere nach Süden. Der Dritte nach Westen ... na und so weiter. Vielleicht setzen die "Strategen" darauf, daß sich der Feind bei diesem Anblick tot lacht. Das wäre freilich ein unerwarteter Sieg.

Die Herren Parteigründer sollten sich doch einmal darüber aus­sprechen, was sie für das Problem halten.

Uns wird auf allen Kanälen gepredigt, es komme alles auf die Wirtschaft an. Diese werde von Sachzwängen geleitet, denen wir uns nicht widersetzen könnten. Wir könnten nur versuchen, im Strom dieser Sachzwänge möglichst zügig voranzukommen, um die Nase vorn zu haben. Der "Wirtschaftsstandort Deutschland" müsse nach vorn gebracht werden.

Wie verhalten sich die Parteigründer dazu? Sind sie nur die Neunmalklugen, die besser in diesem System Bescheid wissen, es gar nicht anders, sondern nur eben besser machen wollen?

Ich sage: diese Rede von vermeintlichen Sachzwängen ist eine Religion oder besser: eine Anti-Religion, ein negativer Gottes­glaube. Die vermeintliche Allmacht der Wirtschaft ist die Parallele zur Allmacht Gottes - nur dieses "Wirtschaft" genannte System ist ein uns nicht freundlich gesonnener Gott, ein Gott, der nicht befreit, sondern uns in Fesseln schlägt, uns zerstört: die Natur, die ganze Menschheit. Jeder, der es wissen will, kann wissen, daß

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dieses System zerstörefisch wirkt, den Völkern Tod und Verder­ben bringt. Was bedeutet da die Rede von vermeintlichen "Sach­zwängen"? Sie will uns einreden, daß es kein Entrinnen, keine Rettung, keinen Ausweg gibt.

Nicht jene Rede ist absonderlich, sondern der Umstand, daß sie in unserem "aufgeklärten Zeitalter" noch von sehr vielen geglaubt wird.

Es gibt keine Sachzwänge, die stärker sind als der Geist, die Vernunft, die menschliche Intelligenz.

Wer uns . mit Sachzwängen kommt, beleidigt uns, weil er uns unsere Geistigkeit streitig macht.

Wenn man an dieser Stelle beginnt, darüber nachzudenken: was ist notwendig, um das Gemeinwesen wieder politikfähig zu ma­chen, um es zu befähigen, diese Sachzwänge zu durchbrechen und eine im Sinne der Erhaltung des Lebens förderliche Politik durch­zusetzen, dann kommen wir auf zwei Bereiche, aus denen heraus alle Erscheinungen unserer politischen Welt wachsen: der eine Bereich ist die Religion, der andere die Ordnung der Dinge, hier der Einrichtungen, durch die unser Gemeinwesen handelt und dadurch als politisches Subjekt vorhanden ist. Wohlgemerkt: als Religion wird hier auch jener Komplex von Annahmen bezeich­net, der uns zu erklären scheint, wie "die Wirtschaft" aus sich heraus "funktioniert", d.h. ohne daß ein politischer Wille ihren Lauf bestimmt. Noch deutlicher: Die uns von "Experten" überge­stülpten Theorien von den Sachzwängen sind religiöse Dogmen. Sie sind als "Wissenschaft" getarnte Gedankenfallen.

Durch gründliches Nachdenken erkennen wir, daß die Ordnung der Dinge auf bestimmte Weise mit der Religion zusammenhängt - mit ihr eine Einheit bildet: Wenn ich nämlich das Ganze für ein Wahngebilde halte (Anti-Religion des Atheismus) , kann ich natürlich nicht vernünftig über das Ganze nachdenken und über die Form, in der das Ganze ein handlungsfähiges, in diesem Sinne Freiheit verwirklichendes Gebilde wird. Mir fehlt dann der Ge­danke der Freiheit. Weil ich glaube, Sachzwängen ausgeliefert zu sein, bin ich unfrei.

Die Parteien verkörpern dem Begriffe nach und folglich auch

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in der Praxis immer Sonderinteressen der verschiedenen gesell­schaftlichen Fraktionen. Jede Fraktion schreibt ihr Sonderinteres­se als Allgemeininteresse auf ihre Fahnen. Was im Parteienstaat Ietztenendes als "Politik" herauskommt, ist immer "ein fauler Kompromiß", den eigentlich niemand will und in dem das Allge­meinwohl nicht vorkommt. Oder schlimmer noch: Im Hintergrund agiert das Große Geld. Durch personelle Verflechtungen, durch die von ihnen beherrschten Medien, durch des Heer der "Lobbyi­sten", durch Bestechung der Politiker usw. usf. greifen sie- um ihre Interessen durchzusetzen - gleichermaßen auf alle Parteien zu, die letztlich dann für die "Wähler" nur einen Schaukampf aufführen. Diese Erkenntnis ist - mehr oder weniger deutlich -inzwischen im zeitgeistliehen Weltbild angekommen.

Doch was folgt daraus? Nichts! Die Hälfte der Wähler geht weiterhin wählen, die Parteien verteilen weiterhin die Pfründen unter sich, die Probleme des Gemeinwesens werden weiterhin nicht gelöst, weil das Parteienkartell dazu nicht in der Lage ist.

Was fehlt ist eine klare Vorstellung davon, was an die Stelle treten soll. Man kann ein ausgelebtes Modell nicht "abschaffen" und dann ist da gähnende Leere. Das Alte Regime verschwindet erst, wenn das Neue sich in verlockender Gestalt zeigt. Wir müssen also, wenn wir politikfähig werden wollen, für alle nach­vollziehbar und verständlich darstellen: wie kann das Gemeinwe­sen anders geordnet werden, so daß die Sonderinteressen unter das Allgemeine gebeugt sind?

Welche "patriotische" Partei, welche Gründungsinitiative tut das schon? Sie alle sind Holz vom Stamm des Parteienstaates. Auch die NPD ist in dieser Hinsicht im wahrsten Sinne des Wortes nichtssagend. Allen gemeinsam ist die unausgesprochene Be­hauptung gegenüber dem Wähler: "Ihr müßt uns nur an die Macht bringen, dann werden wir' s euch schon richten." Und es gibt viele aufrechte Deutsche, die tatsächlich glauben, das sei schon ein Erfolgsprograrnm.

Was also ist zu tun, damit unser Gemeinwesen gegenüber den gesellschaftlichen Sonderinteressen, insbesondere gegenüber dem Großen Geld, politikfähig wird?

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Indem wir versuchen, diese Frage zu beantworten, treiben wir eine Politik zur Erlangung der Politikfähigkeit Sie ist die einzige Politik, die mir sinnvoll erscheint. Das ist für mich der Prüfstein für die sich gerade in diesen Tagen zahlreich aufdrängenden Gründungsinitiativen im Revier der heimat- und reichstreuen Gruppen. Diese werden sich vermutlich im Handumdrehen in den Chor der Abgrenzer gegen "den Narrensaum des Rechtsextremis­mus" einreihen. Also "im Westen nichts Neues".

Die Antwort auf die gestellte Frage setzt nämlich voraus, daß man laut über Gegenstände nachdenkt, über die in diesem Lande nicht laut nachgedacht werden darf, ohne sofort mit dem Würge­eisen der "political correctness" zum Schweigen gebracht zu wer­den. Dieser Gefahr wollen sich die Herrn Parteigründer, soweit ich sie kenne, unter keinen Umständen aussetzen. Die wollen nur "anständige und ehrliche Demokraten" um sich versammeln. Nur: Wer anständig und ehrlich und ein "Demokrat" ist, das bestimmt der Feind. Die Herren Parteigründer übernehmen dessen Defini­tionen und unterwerfen sich damit seiner Macht.

Es bestehen schon überall im Lande informelle Gruppen, die fernab von allem Ehrgeiz, eine Partei zu sein, sich mit den wirklich wichtigen Fragen beschäftigen. Es werden immer mehr. Täglich kommen neue hinzu. Sie sind dabei, zu lernen, wie das elektroni­sche Weltnetz und die ihnen anverwandten Medien als Waffe im nationalen Befreiungskampf genutzt werden können. Die Vernet­zung dieser Gruppen macht Fortschritte. Der Verfassungsschutz ist hier machtlos und ratlos.

Ich erinnere, was ich hier über den Aufbau einer Geschichts­wahrheits-Guerilla gesagt habe. Wenn sie - was ich hoffe - ent­steht, wird sie unsere Feinde an der schwächsten Stelle treffen und sie mit den Waffen des Geistes niederringen.

Im Gegensatz zu Ihnen bin ich für ganz offene Strukturen. Der Geheimdienst ist sowieso überall zur Stelle. Ich bin sehr dafür, daß die Schlapphüte unsere Gedanken in allen Einzelheiten kennen­lernen, analysieren und im Staatsapparat verbreiten. Dort sind auch Deutsche anzutreffen, die es noch sein wollen, und ich verraue auf "das Zeugnis des Geistes", d.h. auf deren innere

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Zustimmung. Klandestine Gruppen sind leichter zu zerstören.

SCHÖNHUBER: Eine Kaderpartei muß nicht eine klandestine sein.

MAHLER: Gut. Aber Sie haben vorhin Andeutungen gemacht: "Die" wissen es immer schon vorneweg und das müßte eigentlich aufhören. Dann habe ich Sie mißverstanden.

SCHÖNHUBER: Ich glaube, hier muß ich meine Vorstellung präzisieren. Das Nachdenken über eine Kaderpartei bedeutet ja nicht, daß die Basis der Partei grundsätzlich von einer Willensbil­dung ausgeschlossen sein soll. Sie soll nur vor Drangsalierung durch staatliche Organe geschützt werden. Die Spitze muß heute nach dem historischen Vorbild des wackeren Schweizer Soldaten Winkelried im Kampf gegen die Österreicher im Jahre I386 alle Speere auf sich ziehen, um derBasiseine Gasse zu schlagen. Dafür müssen allerdings die Spitzenkräfte bereit sein, für ihre Ideen notfalls ins Gefängnis zu gehen.

Ich wollte durch Hinweise auf die Tätigkeiten des Verfassungs­schutzes, der immer mehr in patriotische Bewegungen eindringt, auf die Gefahren aufmerksam machen, daß, vergröbert ausge­drückt, wenn mehr als zwei, drei oder vier Menschen zusammen­sitzen, der Verfassungsschutz mit am Tisch sitzt. Je weiter man nun die Aufgaben nach unten delegiert, den Personenkreis erwei­tert, um so größerwirddie Möglichkeitfürden Verfassungsschutz, das geheime Netz zu erweitern. Wenn Sie nun Parteimitglieder haben, die nicht unbedingt mit großer Intelligenz gesegnet sind, oder unter ökonomischen Zwängen leiden, um so anfälliger wer­den sie für die Lockrufe der Schlapphüte.

Ich weiß, daß diese Aussagen durchaus zu meinen Lasten inter­pretiert werden können. Aber aus Erfahrung kann ich nur sagen, daß zu geistigen Auseinandersetzungen auch organisatorische Absieherungen gehören, und daß eine Partei in der Masse Flug­sand ist. Nach der Berlin-Wahl im Jahre I989, die den Republi­kanern mit 7,5 % der Stimmen einen sensationellen Einzug in das

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Abgeordnetenhaus bescherte, hielten wir uns für die größten, glaubten, daß uns bald ganz Deutschland gehöre. Nach der Euro­pawahl, bei der wir zur zweitstärksten europäischen Rechtsgrup­pierung wurden, vor dem MSI und hinter dem Front National, da glaubten wir, die allergrößten zu sein. Dann kam der erste Rück­schlag und schon war der ganze Enthusiasmus beim Teufel. Er hatte sich allein auf den Erfolg gestützt. Und dann brachen plötz­lich Streitigkeiten aus, die vom Rausch des Erfolges zugedeckt gewesen waren. Da waren wir auf einem Spreedampfer zusam­mengekommen, feierten feucht-fröhlich, vor allem feucht, und sangen immer wieder das Deutschlandlied. In allen drei Strophen, versteht sich. Nach ein paar Wochen, angestoßen durch den Infiltrationsmechanismus, setzten erst kleinere Auseinanderset­zungen ein, das ist, wie wenn Sie einen Stein ins Wasser werfen. Aus kleineren wurden größere Auseinandersetzungen. Personelle Querelen wurden zu Richtungsstreitigkeiten hochstilisiert. Auch der Bundesvorsitzende geriet in die Strudel. Plötzlich war zu hören, ja der Schönhuber, unser Franz, mag ja ein toller Massen­redner sein, der zehntausend Menschen auf die Beine bringen kann, aber er war halt bei der Waffen-SS, trug den Totenkopf auf seiner Mütze. Das kann auch zum Totenkopf der Partei werden. Manche Juden vergessen nichts usw. Wandelbar ist eben des Volkes Gunst, dachte ich und suchte in der Geschichte nach Beispielen, wie man es besser machen könnte. Und fand das überzeugendste Beispiel in der russischen Geschichte. Nichts hat mir mehr imponiert als der Kampf, den die russischen Anarchisten gegen das Zarentum geführt hatten. Auch das waren geheime Gruppen, ausgestattet mit einer unwahrscheinlichen Opferbereit­schaft und Zusammengehörigkeitsgefühl. Auch aus diesen Grup­pen kamen Anstöße, die später zum Ausbruch der Oktoberrevolu­tion führten, wobei allerdings dann alle idealistischen Ansätze mij3braucht wurden. Man stelle sich vor: In den 90 Tagen, die die Welt erschütterten, also der Machtübernahme durch den Bolsche­wismus, hatte die Partei 5 bis 6000 Mitglieder. Und die beherrsch­ten das Riesenreich mit 180 Millionen Menschen. Warum: Weil sie im Untergrund die Gesetze der Geheimhaltung und Irrefüh-

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rung der Staatsmacht kennengelernt hatten. Jetzt, selbst Staats­macht geworden, wendeten sie ihre Eifahrungen gegen die Wider­sacher an und erklärten sie kurzerhand zu Reaktionären. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Ich betrachte die Oktoberrevo­lution als ein Verhängnis für die gesamte Menschheit. Das kann aber nicht bedeuten, daß man aus ihrem Zustandekommen nicht Lehren für die Gegenwart ziehen kann.

MAHLER: Das ist schön, daß wir das jetzt auf diesen Punkt gebracht haben. Ich gehe von einem ganz anderen Szenario aus. Es war eine Bedingung des Scheiterns der nationalsozialistischen Bewegung, daß sie als Bewegung den Staat erobert hat- mit einem starken Schub von unten - und über die Partei der Bewegung diesen Staat dann geleitet hat. Diese Bewegung war ungeachtet ihrer Mächtigkeit immer nur Teil des Ganzen. Als Teil hat sie sich aber zum Ganzen erklärt, was gleichbedeutend ist mit einer Bür­gerkriegserklärung gegen die anderen Teile. Daraus sollten wir Lehren ziehen. Es geht nicht darum, irgendeine Partei an die Macht zu bringen, die dann die Politik macht. Sie könnte sich wiederum nur an der Macht halten, wenn sie zu ähnlich diktatorischen Maßnahmen greifen würde wie damals Adolf Hitler.

Die Volksbewegung wird kommen. Die Ungeduld der Bürger mit dem Parteiensystem wächst. Irgendwann zündet der Funke. Und dann werden die Menschen wie 1989 auch massenhaft auf der Straße sein. Aber diesmal liegt - anders als 1989 mit der Bundesrepublik als Auffangstellung - kein fertiges Angebot im Schaufenster. Die Bewegung, von der ich hier spreche, wird um so eher kommen, je klarer wir Vorstellungen, wie die künftige Ordnung unseres Gemeinwesens aussehen sollte, in die Diskussi­on bringen. Für diesen Prozeß wird das elektronische Weltnetz eine entscheidende Rolle spielen. Mit diesem Medium können wir überall diesen gedanklichen Prozeß, die Diskussion in Gang brin­gen: was brauchen wir für eine Ordnung unseres Gemeinwesens, damit die Lebensprobleme in Freiheit und Würde gelöst werden können, nicht durch Diktatur und Blut, sondern durch Einsicht und vernünftige Entscheidung? Es geht nicht darum, eine Regierungs-

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partei zu sein, sondern einzig und allein eine Volksbewegung dahin zu bringen, eine Nationalversammlung zu fordern, die dann über "Runde Tische" auch von den Parlamentariern, wie sie heute sind, beschlossen werden wird. Das Gesetz zur Einberufung der Nationalversammlung darf aber nicht von den bestehenden Par­teien bzw. ihren Bundestagsfraktionen formuliert werden. Diese Aufgabe ist von den Sprecherräten der Volksbewegung zu bewäl­tigen. Und in dieser Nationalversammlung wird dann dem Deut­schen Reich die Ordnung gegeben, die eine am Gemeinwohl orientierte Politik möglich macht. Die Nationalversammlung wird darüber zu befinden haben, ob die Reichsordnung dem Wahlvolk zur Annahme vorzulegen ist oder nicht.

Meine Vorstellung, wie die Reichsordnung in ihren Grundzügen beschaffen sein sollte, habe ich über das elektronische Weltnetz in der "Werkstatt Neu es Deutschland" - daselbst im Werkstück Nr. 1 zur Diskussion gestellt. Dort sind auch die Entwürfe von Johan­nes P. Ney und Reinhold Oberlercher einzusehen.

SCHÖNHUBER: Gut. Aber jetzt sagten Sie selber ein Wort, das die Russen übernommen haben, nämlich die Anarchisten, die ja auch sehr unterschiedlich aufgefächert waren. Einige nannten sich Norodniki, Völkische. Also Volksbewegung. Und diese Volksbewegung ging von kleinen Einheiten aus. Und Sie sagten etwas, was unbedingt in das Gespräch hineingehörte, sonst hät­ten wir einen Fehler begangen und mehr als einen Fehler. Das ist jetzt die Rolle vom Internet. Das ist überhaupt unsere große Chance. Das ist die Chance jener Leute im kleinen Kreis, die sich austauschen. Das können Sie von den Massen nicht verlangen. Und wir müssen den Massen Vorgaben leisten. Warum machen Sie eine Hornepage? Warum mach' ich eine Hornepage? Weil wir die Gedanken in die Bevölkerung hineintragen wollen. Aber das bedeutet nicht unbedingt, daß ich jetzt eine Massenbefragung mache oder eine Basisbefragung mache. Das macht Mahler, weil Mahler es für richtig hält. Und das macht Schönhuber, weil es Schönhuber für richtig hält. Könnte man fast als theoretische Vorstufe zu einer Art Kaderpartei betrachten. Im übrigen wird

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das Internet unsere beste Waffe in der Zukunft sein.

MAHLER: Initiativen. Und bei mir kommen "die Massen" nicht mehr vor. Das "Zeitalter der Massen" lassen wir hinter uns. "Masse" in diesem Sinne ist das, was nur Gegenstand von Mei­nungsmanipulation und/oder Unterdrückung, aber nie ein politi­sches Subjekt sein kann. In der Revolution- insbesondere wenn sie friedlich verläuft- entsteht ein "multiples Subjekt" - eine im Raum zerteilte, vielgesichtige Gesamtperson, ähnlich wie wir sie 1968 an den westdeutschen Universitäten, die Schauplatz der Revolte waren, hatten. Damals lebte diese Gesamtperson der Revolte in den studentischen Vollversammlungen, die stets von einem aktiven Kern vorbereitet, durchgeführt und verstetigt wur­den. Aus diesen Vollversammlungen gingen Ausschüsse hervor­in Berlin der "Zentrale Ausschuß der ausserparlamentarischen Opposition"- die Autorität hatten, als Sprachrohr der Revolteure fungierten und zu jederzeit an jedem Ort zur Versammlung der Teilnehmer an der Revolte aufrufen konnten. Sie bildeten eine Art revolutionäre Regierung. In den Vollversammlungen konnte sich

Teach-in in der Berliner Universität

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jeder einbringen- auch universitätsfremde Personen. Die Vollver­sammlungen und die aus ihnen hervorgehenden Ausschüsse wa­ren handelnde Personen, keine Masse mehr.

Eine Volkserhebung ereignet sich stets in einer eigenartigen gefühlsmäßig aufgeladenen geistigen Atmosphäre, in der ge­meinsame Denkakte möglich sind. Es ist erstaunlich, wie schnell sich ein übereinstimmernder Wille der Vielen herausschält, der auch noch nach Jahren als "überwiegend vernünftig" beurteilt wird.

Weder die Erhebung der Studenten 1968 noch die Erhebung der Mitteldeutschen 1989 bedurfte der Parteien. Im Gegenteil: Partei­en oder parteiähnliche Kräfte behindern die Spontaneität der re­volutionären Kräfte, auf die alles ankommt und von der alles zu erwarten ist. Auf dem Höhepunkt der Studentenrevolte hat sich deshalb der SDS, der in der vorrevolutionären Phase der ideolo­gische Motor der entstehenden Bewegung war, selbst aufgelöst.

Ich habe es erlebt, wie sich 196711968 die vorher gänzlich unpolitischen Studenten in Studienzirkeln einfanden und sich heißhungrig auf die revolutionäre Literatur stürzten. Infolgedes­sen bildete sich innerhalb kürzester Zeit ein Fundus von wohl­durchdachten Anschauungen, die jederzeit die Grundlage für die Beratungen einer verfassunggebenden Versammlung hätten wer­den können. Diese relative Einheitlichkeit der Anschauungen endete dann erst, als die revolutionäre Flut - nicht zuletzt deshalb, weil der Staat immer stärker sein Machtmonopol geltend machte - abzuebben begann. Als das spürbar wurde, stellte sich die Frage, wie dieses Machtmonopol zu brechen sei. Die Studenten - als eine weitgehend isolierte gesellschaftliche Minderheit- konnten darauf keine angemessene Antwort geben. Folglich griffen sie auf Ant­worten zurück, die andere - meist ausländische - Revolutionäre in nicht vergleichbaren Situationen gefunden hatten. Das bewirkte dann den Zerfall der Studentenbewegung.

SCHÖNHUBER: Wir brauchen die Masse, um unsere Vorstel­lungen verwirklichen zu können. Deshalb brauchen wir uns aber keine Vorgaben durch Basisresolutionen machen zu lassen. Die

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SCHÖNHUBER: Ja zum elitären Denken

sollten von uns ausgehen. Und so überzeugend sein, daß sie jedem Einspruch standhalten. Das mag elitäres Denken sein, aber ohne Eliten kommt ein Volk nicht aus. Rettung kommt nur über ein permanentes, ruhiges Nachdenken. Wir sollten dem Mediendruck widerstehen, aus der Hüfte schießen zu müssen, nur um dadurch Eingang in die Berichterstattung zu finden. Dieses Nachdenken muß in kleinen Zirkeln beginnen, abseits des medialen Lärmes und Getöses. Wirklich gute und aufsehenerregende Gedanken werden auch bis in die Universitäten vordringen und auch bei jenen intellektuellen Schichten Fuß fassen, die das herrschende System ebenfalls ablehnen, nur nicht wissen, wem sie sich anschließen sollen. Es wird dann auch wieder eine literarische Szene geben, die bis jetzt eine Domäne der Linken ist. Wir müssen die Menschen aufregen. Den Anfang machen wir gerade.

MAHLER: Aber damit ....

SCHÖNHUBER: Damit sind wir uns doch im Bemühen um eine fundamentale Opposition einig. Aber darüber wird auch inner­halb der rechten Parteien kontrovers diskutiert, zum Beispiel bei den Republikanern. Aber sie tun sich schwer, weil sie keine Vorgaben haben, weil sie allein gelassen sind. Es sind hin und her gerissene Menschen. Es sind, wie wir vorhin besprochen haben, Menschen, die Zwängen ausgesetzt sind. Die sich von einer bür­gerlichen Ängstlichkeit nicht lösen können. Das muß man verste­hen. Sie wollen nicht ausgegrenzt sein. Sie wollen dazugehören, eine gewisse animalische Wärme verspüren: Gruppengefühl, Cli­quengefühl, Kegelclub oder was auch immer.

Eine Umgestaltung kann nur von Menschen kommen, die inner­lichfrei sind. Die nicht erpressbar sind, die die richtige Umgebung haben. Denen kann man nicht die Frau oder die Kinder an den Hals schicken, um sie umzustimmen. Die sind frei und sie pfeifen

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MAHLER: Es müssen frische Kräfte kommen

auf gesellschaftliche Ausgrenzung. Und deshalb könnte es sein, daß auf die Dauer die NPD erfolgreicher sein wird als die betuli­chen Republikaner. Vor allem bei der Jugend findet die NPD größeren Anklang. Ich selbst würde mich in dieser Partei zwar nicht heimisch fühlen, nicht allein wegen ihres martialischen äußerenAuftretens, das meiner Meinung nach kontraproduktiv ist. Nein, ich lehne die Theorie vom deutschen Blut, also die Blutstheo­rie kategorisch ab. Aber die sozialen Ideen der NPD, ihr entschlos­senes Nein zum Kapitalismus und ihr kämpferischer Patriotismus nötigen mir schon Achtung ab. Doch ob sich diese Entwicklungen in diesen Parteien noch vollziehen werden, in dem Sinne, wie Sie es haben wollen oder vielleicht auch ich, daran wage ich generell zu zweifeln. Ich glaube, daß eigentlich die rechten Parteien, so wie sie sich jederzeit darstellen, schon fast verbrannt sind. Das ist ein bitteres Resümee, aber alles andere wäre gelogen.

MAHLER: Also es gibt sicherlich einige wesentliche Impulse, die sie in diese kommende, sich entwickelnde Bewegung reinge­ben. Das muß man auch immer wieder betonen, schon um diese Verteufelung der Rechten zu durchbrechen. Man muß aber auch wissen, daß diese Kräfte in gewisser Weise historisch verbraucht sind. Seine Hoffnung darauf zu gründen, das hieße, glaube ich, auf Sand bauen. Es müssen frische Kräfte kommen, von denen wir aber noch gar keine Vorstellung haben. Und was empfehlen wir? Es ist so vielleicht nicht richtig formuliert. Was geben wir für ein Beispiel? Sie haben es völlig auf den Punkt gebracht: Es müssen freie Geister sein, die nicht zu erpressen und nicht zu korrumpieren sind. Die nicht in der Furcht leben, geächtet zu werden. Und die ihren Kopf in Bewegung setzen und darüber einen Zusammenhalt untereinander herstellen. Man könnte sagen ein Deutscher Orden oder so ... Aber soweit würde ich gar nicht gehen. Was wir jetzt

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Horst Mahler während einer Podiumsdiskussion

machen ist: wir beleben gerade das "Deutsche Kolleg" wieder, das schon vor ein paar Jahren, nach der Wende, ins Leben gerufen worden ist, um eben diese Anstrengung des Begriffs zu unterneh­men, mit Leuten, von denen wir uns überzeugen, daß sie in diesem Sinne frei sind. Sie mögen ganz andere Auffassungen haben. Aber diese müssen frei ausgetauscht werden und bewegt werden. Was hier zunächst in einer kleinen Gruppe sich vorbereitet, wird -ähnlich einem Schneeballeffekt - wachsen, sich verzweigen und vernetzen. Der unscheinbare Quellgrund revolutionärer Ideen sind stets kleine Zirkel, in denen das Neue Denken keimt. Es muß dort vorgedacht sein, was sich in der historischen Situation zu einer kräftigen Pflanze entwickelt, sich zu handhabbaren Konzepten verdichtet.

Auf diesem Weg - und wohl auf keinem anderen - kommen wir zu einer Ordnung des Gemeinwesens, die erst wieder Politik ermöglichen wird. Zu allererst sind dann die Mißstände zu besei­tigen, die die Revolution veranlaßt haben. Wahrscheinlich wird das die Überfremdung sein, die nichts anderes ist als die Aus­löschung des Deutschen Volkes von innen her, Völkermord. Wir müssen schnellstens auf das Bildungssystem zugreifen, das ja heute bis ins Mark deutschfeindlich ist. Hier haben die Feinde Deutschlands ihre wichtigste Festung errichtet. Die General­stabsarbeit für diesen Bereich der Besatzungspolitik hat die "Frankfurter Schule" im US-Amerikanischen Exil geleistet. Theo­dor Wiesengrund Adorno und Max Horkheimer, beides Juden, haben sich lange vor dem Erscheinen Daniel Goldhagens anhei­schig gemacht, die Geschichte der Deutschen, die sie auf eine Abfolge von Gewalttätigkeiten reduzieren, aus ihrer vermeintli­chen sexuellen V erklemmtheit herzuleiten. Von hier geht der zentrale Angriff auf die Grundlagen jeder Gesittung aus. In unse­ren Schulen, die vom Geist der Frankfurter zersetzt sind, werden die Deutschen ihrem Volke entfremdet und zu Deutschfeinden abgerichtet. Das muß sofort aufhören. Es liegt aus der Feder von Reinhold Oberlercher der Entwurf für ein "1 00 Tage-Programm" vor. Wenn man das liest, erschrickt man zunächst. Aber Oberler­cher hat den richtigen Einstieg gewählt. Er sagt: "Das ist mein

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Vorschlag. Wenn er euch nicht gefällt, macht einen besseren!" Dann beschäftigt man sich damit und plötzlich fragt man sich: ja, warum eigentlich nicht? Wenn das organisierte Verbrechen: Rauschgiftschmuggel, die Verseuchung der Jugend mit Rausch­gift, Prostitution, Menschenhandel, Waffenschieberei, Korruption diese Ausmaße annimmt wie gegenwärtig, dann ist das staatliche Machtmonopol und damit die Rechtsordnung als ganze in Frage gestellt. Die Eindämmung dieser Erscheinungen auf ein verträgli­ches Maß wird zur Überlebensfrage für das Gemeinwesen. Das ist ein kriegsähnlicher Zustand. Der Staat wird zu seiner Erhaltung möglicherweise quasi kriegerische Mittel dagegen einsetzen müs­sen. Das ist hart. Für eine Übergangszeit müssen wir es hinneh­men, sonst können wir uns nicht retten. Und das konkret zu diskutieren, jetzt schon: welche Maßnahmen werden es sein müs­sen? Das ist wichtig. Wir müssen uns auch gewissermaßen abhär­ten, d. h. den Gutmenschen in uns ersticken. Der ist so kreuzge­fährlich, weil er jegliche praktische Lösung unserer politischen Probleme unmöglich macht nach der Devise: "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß!"

SCHÖNHUBER: Lassen Sie es, Herr Mahler. Wir beide sind abgehärtet. Wir sind durch ein Stahlbad gegangen. Das passiert anderen nicht. Insofern werden wir eine andere Rolle spielen. Das wird keine irgendwo fixierte parteipolitische sein. Und darin sehe ich auch den Hauptsinn dieses Gespräches. Ich würde mit Ihnen noch mitgehen bei der Forderung nach einer National-Versamm­lung. Das würde bedeuten einen anderen Bundestag als den, den wir jetzt haben. Wichtig wird dann sein, was die Nationalver­sammlung als Ergebnis beschließt. Da kann es durchaus sein, daß Mahler und Schönhuber nicht unbedingt in der gleichen Forma­tion stehen. Es kann sein, daß Mahler Vorschläge einbringt, die ich ablehne. Es kann sein, daß ich Vorschläge anbringe, die Mahler ablehnt. Aber entscheidend ist, daß innerhalb oder außer­halb einer deutschen Nationalversammlung die Mahlers und die Schönhubers die Chance bekommen müssen, das Wort zu ergrei­fen, sich zu artikulieren, Position zu beziehen. Wirklichfreie Dis-

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SCHÖNHUBER: Mahler in die Fern­sehrunden

kussionen müßten in den Medien möglich sein. Es ist doch ein Schwachsinn, daß ein "vertalkter" Medienverbund immer die glei­chen Leute bringt, den Peter Glotz, den Reiner Geißler, den Guido Westerwelle, den Gysi, Friedmann und die rattern dann das runter, was man von ihnen schon x-mal gehört hat. Warum sollte da in Zukunft kein Mahler sitzen, der provozierend und ohne parteipolitische Rücksichtnahme eine wirklich befruchtende Dis­kussion in Gang bringen könnte. Bei mir hatte man einige Versu­che unternommen, und, da sie den von den Veranstaltern ge­wünschten Erfolg nicht brachten, hieß es: Zurück in die Schwei­gespirale. Gäbe man uns eine Chance, würde wieder Spannung in die Politik kommen und die Dampfplauderer gingen k.o. Bisher ist die Politik nichts anderes als eine mediale Kasper/veranstaltung, die zuweilen an Peinlichkeit nicht zu überbieten ist.

MAHLER: Das wäre die Machtbarriere. Das ist ja bewußt so, -wie das Brzezinsk:i bestätigt-. Das sind die Pfeiler der OS-ameri­kanischen Weltherrschaft: daß es so läuft und nicht anders. Die Frage lautet, wie diese Machtverhältnisse sich ändern. Die Medien kommen durch eine Volksbewegung in eine Zwickmühle: Kommt das Volk erst mal in Bewegung, müssen sie darüber berichten, um sich nicht selbst vom Markt zu katapultieren. Berichten sie falsch, werden sie - wie 1968 Axel Springer - als Feind kenntlich und als solcher bekämpft. Berichten sie aber halbwegs an den Tatsachen entlang, verstärkt das die Bewegung.

SCHÖNHUBER: Und sie werden es auch, weil sie anpassungs­fähig sind.

MAHLER: Natürlich.

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SCHÖNHUBER: Um das anzuprangern, sitzen wir ja hier. Ich hab' bis vor einem halben Jahr mir nicht vorstellen können, daß wir gemeinsam an diesem Tisch sitzen werden. Wir kannten uns vorher nicht persönlich. Was wir voneinander wußten, oder zu wissen glaubten, erfuhren wir über die Medien oder von Freun­den, von denen manche in Anführungszeichen zu setzen sind. Wir sind Experten bei diesem Thema. Gerade weil wir Gezeichnete sind, die den Schritt vom Wege bewußt vollzogen haben und uns deshalb vor der sogenannten Gesellschaft nicht mehr zu fürchten brauchen. Deshalb eröffnen wir ein neues Diskussionsforum und ladenjeden ein, der keine Berührungsängste hat, daran teizuneh­men. I eh bin überzeugt davon, daß wir von rechts wie links Zulauf bekommen.

MAHLER: Dazu kann ich nur sagen: ich hatte immer ein viel entspannteres Verhältnis zu dem, was sich als "Deutsche Rechte" von Anfang an bis heute dargestellt hat, weil wir in Systemzusam­menhängen gedacht haben. Für diese hatten "die Rechten" nach

Der NPD-Vorsitzende Adolf von Thadden in der Berliner FU. Ganz rechts Erich Kuby, neben von Thadden Peter Furth.

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1945 in Deutschland keine Bedeutung mehr. Warum- also- hätten wir sie bekämpfen sollen? Das hätte nur vom Hauptfeind-vom US-Imperialismus - abgelenkt. Und - wie ich bereits geschildert habe- waren "Nazis" für mich keine Monster. Ich war nicht fähig sie zu dämonisieren. Und dann als dritte Überlegung: Gefährlich wären mir "die Rechten" vielleicht erschienen, wenn sie sich als eine politische Druckformation dargestellt hätten, die die Interes­sen des ausgreifenden Deutschen Monopolkapitals hinter sich hat. Das war aber offensichtlich nicht der Fall. Das Deutsche Kapital, soweit man noch von Deutschem Kapital reden kann, oder gar das Monopolkapital, ist heute antinational und global orientiert, des­wegen sind ja die rechten Parteien auch so arm. Sie haben ja kein Geld. Frey hat ein bißchen Geld. Wie er das gemacht hat? Ich weiß es nicht. Aber insgesamt ist diese politische Kraft ohne finanzielle Mittel, und das macht sie eigentlich auch in gewisser Weise vertraut. Diese Mittellosigkeit, die kenne ich ja auch auf der linken Seite. Diese Rechte war niemals der Feind. So komisch das klingt. Das haben sich die Rechten nur eingebildet. In Berlin gab es in den 60em auch nie Zusammenstöße zwischen rechts und links. Mit v. Thadden haben wir in der Universität zwar heftig - aber friedlich und ohne Beleidigungen - diskutiert. Es gab in der Stadt eine Pogromstimmung, gegen den SDS, die der Senat aufgeheizt hat. Biedere Bauarbeiter haben im Anschluß an eine Senatskund­gebung, auf der "unsere" Politiker den Amis ausgiebig die Stiefel geleckt hatten, das SDS-Zentrum gestürmt. Das waren keine "Rechten" Wir sind hingegangen und haben uns mit denen unter­halten. Anschließend waren wir uns ziemlich einig. Wir sind befriedet - vielleicht sogar als Freunde - auseinandergegangen. Die waren eben verhetzt.

SCHÖNHUBER: Aber so war es bei uns nicht. Bei uns ging die ANTIFA gewalttätig gegen uns vor.

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Bauarbeiter stürmten das SDS-Zentrum in Berlin im Anschluß an eine Senatskundgebung.

MAHLER: Beschimpft sie nicht als Zecken!

MAHLER: Wann war das? War das 68?

SCHÖNHUBER: Das war dann bei unserem Einzug in den Berliner Senat, in das Abgeordnetenhaus.

MAHLER: Das war wann?

SCHÖNHUBER: 1989.

MAHLER: Ja, das war schon der Verfall, die Abfallprodukte dieser 68er Bewegung, die ja jetzt die Systemkritik aufgegeben, die "Demokratie" lieben gelernt und den "American way of death" angenommen hat. Die ist ja nicht mal mehr theoretisch fundiert antikapitalistisch. Sie frönt einem blödsinnigen Ressentiment ge­gen das "Establishment", ist Mitverdiener an der Holokaustindu­strie und mimt "militanten Antifaschismus", weil viele der "alten Kämpfer" jetzt auch Pfründen haben, die sie mit der "Antifa"-Hal­tung gut verteidigen, aber mit jeder Systemkritik in Frage stellen würden. Und dann gibt es die ganz Jungen, die von ihren Lehrern - meistens resignierten 68ern - verhetzt werden. Sie haben über­haupt keine Vorstellung mehr davon, was 68 war. Das sind die, die in den Straßen: "Nie wieder Deutschland" od~r "Deutschland muß sterben, damit wir leben können." Oder gar "Deutschland verrecke!" blöken, die wissen nicht, worüber sie reden. Ich sage auch immer: die Rechte, auch jetzt insbesondere die NPD, die jungen Leute dort, sollen sich nicht in diese Teile unseres Volkes verbeißen, sie nicht als "Zecken" beschimpfen. Jene sind Verwun­dete der psychologischen Kriegsführung gegen unser Volk. Wir gehen doch davon aus, daß die Umerziehung unglaublich effektiv arbeitet. Das muß sich doch in einer solchen Jugend zeigen. Dann kann man nicht dieser Jugend die Schuld geben und sie verteufeln.

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Das wäre die Rückkehr in den geistigen und dann auch demnächst in den realen Bürgerkrieg. Genau das ist es, was unsere Feinde bezwecken. Wir sollen uns selbst zerfleischen. Der lachende Dritte sitzt dannjenseits des Atlantik und sagt: "die haben wir im Sack."

SCHÖNHUBER: Ich gebe Ihnen recht, was Sie über Bezeich­nungen wie "Zecken" sagen. Sie sind kontraproduktiv. Aber be­wußt, von der einen wie der anderen Seite herbeigeschriebene Feindbilder gibt es auch im Weltmaßstab. Denken wir an die Diskusionen über Menschenrechte. Ich bin der Meinung, daß Menschenrechte nicht ideologisiert werden sollten und auch nicht okupiert von irgendeinem Land, auch nicht von den Amerikanern, die in ihrem Einflußbereich Menschenrechte permanent verletzen.

MAHLER: Menschenrechte gibt es nicht. Dafür aber eine höchst gewinnträchtige Menschenrechtspropaganda. Das britische Welt­reich wurde aufgebaut mit dem Christentum als ideologische Basis zur Rechtfertigung des britischen Herrschaftsdranges. Das ver­fängt heute nicht mehr. Für heutige Zeiten ist von den USA das Sammelsurium vermeintlicher Menschenrechte als Interventions­ideologie entwickelt worden. Die schlimmsten Verbrechen lassen sich jetzt damit rechtfertigen, daß man die Menschenrechte ver­teidigen muß. 1968 war das den "Linken" klar. Auch Joschka Fischer wußte das damals. Die Menschenrechte als eine universell geltende Rechtsordnung, so wie man sich das vorstellt, gibt es nicht. Recht ist der daseiende vernünftige Wille eines konkreten Gemeinwesens, der als solcher auch der vernünftige Wille jedes Volksgenossen ist, der damit zum Rechtsgenossen wird. Das Recht zeigt sich in der Macht, sich gegen einen widerstrebenden Willen zu behaupten und durchzusetzen. Diese Durchsetzungsmacht ist da als organisierte Staatsmacht Man kann es sich als eine unter Hochspannung stehende Stromquelle vorstellen, die das Gemein­wesen mit "Willensenergie" versorgt. Die Rechtsverletzung wäre die Berührung eines stromführenden Kabels. Der dadurch ausge­löste Stromschlag wäre die Sanktion, die den Frevler niederwirft. Es sind immer nur die einzelnen real vorhandenen Völker und

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Nationen, die eine Rechtsordnung aus sich hervorbringen und in der beschriebenen Weise machtbewährt subjektive Rechte ge­währleisten.

Die "Menschheit" ist eine Abstraktion - so wie "Obst" eine Abstraktion ist. Sie ist kein konkretes Gemeinwesen, deshalb auch nicht willensfähig. Konkretes Dasein des Obstes sind Äpfel, Bir­nen, Erdbeeren usw. So ist konkretes Dasein der Menschheit jeweils das bestimmte staatlich verfaßte Gemeinwesen. Die ge­genwärtig so vielfach beschworene "Weltgemeinschaft" ist hier nur ein anderes Wort für Menschheit. Sie ist ebenfalls nur eine Abstraktion und deshalb nicht fähig, einen Willen zu haben.

Die Menschenrechtspropaganda der US-Ostküste wollte die Welt glauben machen, daß den Vereinten Nationen jene Träger­schaft für eine Menschenrechtsordnung zukomme. Diese Propa­ganda-Lüge ist spätestens mit dem Angriffskrieg der NATO auf Serbien geplatzt. Die Aggression ist im Namen der Menschenrech­te unternommen worden- ohne Mandat der Vereinten Nationen! Deren Charta erklärt militärische Operationen gegen eine souverä­ne Nation generell für unzulässig, es sei denn, sie erfolgen im Auftrag der Vereinten Nationen oder richten sich gegen Deutsch­land, das durch die Feindstaatenklauseln als Feindstaat aus dem Schutz der UN-Charta ausgegrenzt bleibt. Das Verhalten der NATO ist der Beweis, daß es den Vereinten Nationen an der Durchsetzungsmacht fehlt, die erst einer Rechtsordnung zum Da­sein verhilft.

Das, was uns jetzt als "allgemeingültige Menschenrechte" ver­kauft wird, ist nichts anderes als die Vernichtung der Selbstbestim­mungsrechtes der Völker, die Vernichtung der souveränen Natio­nen - mit Ausnahme der USA.

Als Gegenprobe sei folgende Überlegung angestellt: Die in einigen Afrikanischen Ländern - u.a. in Ägypten - noch flächen­deckend an kleinen Mädchen durchgeführte Klitorisbeschnei­dung, eine schwere körperliche Verstümmelung, verletzt das "Menschenrecht" auf körperliche Unversehrtheit. Doch schreitet die "Weltgemeinschaft" dagegen nicht ein. Damit erweist sich dieses "Menschenrecht" als nicht existent. Und so ist es mit allen

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anderen "Menschenrechten" auch. Kulturell fortgeschrittene Gemeinwesen- insbesondere die Völ­

ker des Abendlandes - haben es im Bewußtsein der Freiheit zur Anerkennung der Person gebracht. Die Rechte der Person schlies­sen alle Freiheiten ein, die einem arglosen Zeitgenossen einfallen, wenn er das Wort "Menschenrechte" hört. Diese Nationen sollten selbstbewußt sich jegliche unter Berufung auf vermeintliche Men­schenrechte unternommene Einmischung der US-Ostküste in ihre inneren Angelegenheiten verbitten.

SCHÖNHUB ER: Und man sieht auch, wie unterschiedlich Men­schenrechte angewendet werden. Wenn es beispielsweise um ei­nen rechten Politiker geht, der gegen den etablierten Stachellöckt, dann wird der gnadenlos veifolgt. Für das gleiche Vergehen wird beispielsweise ein ehemaliger kommunistischer Potentat nicht veifolgt. Das istfür meine Begriffe eine ganz einseitige Auslegung der Menschenrechte- hier links, dort rechts- rechts in jedem Fall verfolgen und links in jedem Fall tolerieren.

MAHLER: Für den Gebrauch der Eingeweihten sind die Ame­rikaner ehrlich genug zu sagen, daß sie auf die Menschenrechte immer nur dann zurückgreifen, wenn das im nationalen Interesse der USA liege. Das sind nicht unsere Interessen. Im Gegenteil. Wir haben mit China, wir haben mit Rußland, wir haben mit Serbien das gemeinsame Interesse, diesen Angriff auf die Souve­ränität der Völker und Nationen abzuwehren. "Unsere" Politiker sind entweder zu blöde, um das zu begreifen, oder zu feige, daraus die gebotenen Schlüsse zu ziehen.

SCHÖNHUBER: Zumal ich noch eines sagen möchte, was die Menschenrechte in gods own country angeht, ich weiß nicht, ob das im Sinne der Menschenrechte ist, daß es heute in Amerika beispielsweise noch die Todesstrafe gibt, und daß auch in Amerika der Mensch in einer Gaskammer vom Leben zum Tode gebracht wird. Abgesehen davon, daß es eine fürchterliche Assoziation ist,

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SCHÖNHUBER: Ich bin gegen die Todesstrafe

SCHÖNHUBER: Amerika brachte die Mafia wieder nach Europa

möchte ich auch selber sagen, ich bin ein leidenschaftlicher Geg­ner der Todesstrafe, war es immer, obwohl es in meiner ehemali­gen Partei sicher die Hälfte gab, die dem Kopf-ab-Prinzip huldig­ten. Wie stehen Sie, Herr Mahler, zur Todesstrafe?

MAHLER: Ich bin prinzipiell gegen die Todesstrafe. Ich weiß, daß ein starker Staat, also ein im Bewußtsein seines Volkes verankerter Staat, die Todesstrafe nicht braucht. Wenn aber durch einen schwachen Staat die Dinge in Unordnung geraten sind und das organisierte Verbrechen die Lebensgrundlagen des Volkes unterminiert, schließe ich für eine Übergangszeit die Todesstrafe als Kriegswaffe gegen das Verbrecherturn nicht aus. Sie sollte aber in erster Linie dort zum Einsatz kommen, wo sich das organisierte V erbrechen durch Korruption und Einschüchterung unmittelbar am Staat vergreift.

SCHÖNHUBER: Also ich schließe es generell aus. Aber gut, darüber kann man in der Tat diskutieren. Man muß sie ja auch nicht vollstrecken.

Mussolini hat die Sache relativ einfach gelöst und deshalb gab es auch keine Mafia während der faschistischen Zeit. Er hat sie alle zusammengepackt und auf eine Insel gesteckt, und dort waren sie quasi isoliert und zur Untätigkeit verdammt. Oder sie gingen nach Amerika und die erste Tat, die die Amerikaner nach der Besetzung Siziliens begingen, war, daß sie die Mafia zurückholten, die Mafiosi zu Bürgermeistern und sogenannten Landräten und Regionalräten machten. Ein Herr Luciano war plötzlich mehr

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oder minder der Herrscher Siziliens. Das ist ein geradezu fluchwürdiges Vergehen der Amerikaner, daß sie an der Wieder­belebung der Mafia in Europa einen ganz entscheidenden Anteil haben. Auch das gehört zum "american way of life ".

MAHLER: Es ist wirklich höchste Zeit, daß wir den Propagan­da-Vorhang wegziehen und die geschichtlichen Tatsachen in Au­genschein nehmen. Ich glaube, wir kommen dann sehr schnell zu der Überzeugung, daß die Regierenden der Ostküste der USA, die ich überhaupt nicht mit Amerika und der Bevölkerung Amerikas gleichsetze, die Heuchler schlechthin sind.

SCHÖNHUBER: So ist es.

MAHLER: Das ist eine verfluchte Truppe, die überhaupt keine Bedenken trägt, die edelsten Gefühle, die im Menschen zum Schwingen kommen, für ihre Zwecke zu mißbrauchen.

SCHÖNHUBER: Das geht weiter "right or wrong- my coun­try ". Das gilt nicht nur für Eng land, das gilt in hohem Maße für Amerika. Entspricht das dem britischen Cant?

MAHLER: Dazu kann ich nichts sagen. Ich habe mich damit noch nicht beschäftigt. ..

SCHÖNHUBER: Also ich meine, es entspricht dem britischen Cant, d. h. der Heuchelei als Staatsräson. Ein Inder ist eben anders zu behandeln als ein Engländer in England. Allein das ist eine diskriminierende Art, die die Engländer jahrhundertelang durch­gehalten haben und die englische Oberschicht hängt dieser Phi­losophie noch heute an. Ich möchte noch einmal auf den 68er Komplex zurückkommen. Was waren denn das für zornige junge Frauen und Männer? Was waren ihre Motive, wie waren ihre Charaktere?

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MAHLER: Also, was sie antrieb, das war natürlich ein morali­scher Impuls. Und ich möchte das hier gleich relativieren: Bei Hegel ist dieses Phänomen untersucht. Er weist - und das schon sehr früh - darauf hin, daß diese Moralvorstellung, die eine private Moral ist, in der Übersteigerung umschlägt in den Wahnsinn des Eigendünkels. Und das ist es, was ich in der RAP ganz deutlich erfahren habe. Man überhöht seine eigene Moral, so daß man durch sie gerechtfertigt ist, jegliches Verbrechen zu begehen. In uns wirkte die Leuinsehe Formel: "Moralisch ist, was der Revo­lution nützt, und unmoralisch ist das, was ihr schadet." Für uns war die Revolution das Höchste. Geprägt durch die Umerziehung, waren die 68er höchst anfällig für moralische Kurzschlüsse, zumal ihnen der Zeitgeist das sittliche Fundament, den Glauben an Gott, unter den Füßen weggezogen hatte.

Aber auch hier darf man das Positive nicht übersehen, das in den 68em auch gegenwärtig war. Sie waren keine Nihilisten, deshalb auch keine Zyniker. Im Gegenteil: Sie standen gegen den Zynis­mus der Amerikanischen Ostküste auf. In ihrer moralischen Hal­tung überlebte Gott, auch wenn ihnen das so nicht bewußt war. Mir selbst ist durch die Schriften des Italienischen Kommunisten Antonio Gramsei und des Österreichischen Marxisten Max Adler klargeworden, daß Marx, der sich selbst für einen Atheisten hielt, und die ihm nachdenkenden "Marxisten", als die sich die 68er ja verstanden, tief religiöse Menschen, von Gott viel tiefer ergriffen waren, als die "Alltagschristen". Deshalb war Karl Marx, ein Jude, auch in der Lage, den Satz aufzustellen, daß sich die Menschheit vom Judentum emanzipieren müsse, wenn sie überleben wolle. Der Judaismus ist seinem Wesen nach die Wirklichkeit des Zynis­mus. Er stellt das "auserwählte" Volk zu den anderen Völkern nicht in ein moralisches Verhältnis. Diese sind ihm vielmehr nur Nutzvieh. Wo sie sich ihm entgegenstellen, sind sie entweder zu beherrschen oder auszumorden.

In jeglicher Moral, die diesen Namen verdient, ist der Gedanke enthalten, daß der Andere um seiner selbst Willen zu achten sei. Die Lenin'sche Abirrung besteht darin, daß die Welt als gottlos verworfen und die Erlösung in dem erst noch zu schaffenden

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"Reich des Menschen" gesucht wird. Die Bestimmung des Men­schen wird darin gesehen, sich für dieses Unternehmen aufzuop­fern. In diesem Opfergedanken liegt das weitere, daß der Andere, der im revolutionären Kampf vom Revolutionär getötet wird, gerade in dem ihm auferlegten Opfer die Ehre erfährt, für die Revolution, damit für die Erlösung der Menschheit gestorben zu sem.

Der gottvergessene aber noch moralische Mensch ist der "verlo­rene Sohn". Ihn wird der Ruf erreichen, mit uns für eine politische Gestalt zu sorgen, in der die Sittlichkeit als die Substanz des Staates, des Gemeinwesens wieder erscheint. Der Zyniker dage­gen ist der Reiche, der am Nadelöhr dem Kamel den Vortritt lassen muß. Da für ihn das irdische Himmelreich unerreichbar ist, wird er fortfahren, es zu leugnen und die Welt in einen Saustall zu verwandeln.

Wir haben heute in der Realität das Gegenteil von einem sittli­chen Staat. Wir haben zunehmend mafiotisierte Strukturen im Staat Die Mafia ist ganz oben angekommen. Wir haben bereits verurteilte Staatschefs: Craxi, ehemals Ministerpräsident Italiens, ist im Zusammenhang mit seiner politischen Tätigkeit zu einer vieljährigen Haftstrafe verurteilt worden wegen seiner Ver­strickung mit der Mafia. Andreotti, ebenfalls ein ehemaliger Re­gierungschef Italiens - übrigens mit der längsten Amtszeit -, war mit hohem Verdachtsgrad angeklagt, sich in Mafiamorde ver­wickelt zu haben. Wir haben den Fall Kohl. Ein Partei- und Regierungschef, der die Finanzen seiner Partei offensichtlich in mafiöser Weise organisiert hat, ohne als christlicher Kanzler etwas dabei zu finden. Wir haben die Mafia eh schon immer in Amerika in den höchsten Rängen der Parteimaschinen und dadurch in der Regierung. Das wird die Herausforderung sein.

SCHÖNHUBER: Ein Thema, das auchfür die Bundesrepublik von höchster Aktualität ist.

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MAHLER: Die moralisierte Linke ist wegen ihres moralischen Blicks für die Politik untauglich

MAHLER: Es ist natürlich positiv zu sehen, daß man mit dem Anspruch der 68er, es habe im Staate sittlich zuzugehen, den Kampf gegen diese Erscheinungen aufnimmt. Der Beamtenstand muß wieder versittlicht werden. Es muß überhaupt ein Beamten­stand im guten Sinne dieses Wortes erst wieder geschaffen wer­den. Das kann in der Nachwirkung der 68er-Bewegung lebendig gemacht werden. Andererseits ist dieser moralische Antrieb na­türlich auch ein Schub in Richtung Abgrund, weil die Realität nicht mehr wahrgenommen wird, wie sie ist, sondern sie wird immer unter den V erdacht gestellt, etwas ganz anderes zu sein als sie sein soll, d. h. die ganze Geschichte, der erreichte Zustand wird moralisch beurteilt und dann werden die Akteure verurteilt, ohne daß man die Bedingungen, Zusammenhänge sieht: wie ist es dazu gekommen, welche Interessen stoßen aufeinander usw. Das macht uns politikunfähig. Die moralisierte Linke, wenn ich das 'mal so pauschal sagen darf, ist allein wegen ihres moralischen Blicks für eine praktische Politik untauglich. Die Moralapostel in der Regie­rung waren erst einige Wochen im Amt, als sie sich mit morali­schen Argumenten an einem schmutzigen Krieg gegen ein Euro­päisches Volk beteiligten. Madelaine Albright's Küsse haben den Zyniker erweckt...

SCHÖNHUBER: Ich möchte hier als Interviewpartner noch eine Frage stellen. Ich meine, solche Bewegungen lassen sichauch an Personen messen. Aus meiner Sicht waren dies Dutschke einerseits, dann Baader-Meinhof andererseits. Ich weiß natürlich, daß man geneigt ist, nach dem Grundsatz "De mortuis nihil nisi bene - Über die Toten nichts, es sei denn Gutes, zu reden. Aber hier handelt es sich um Zeitgeschichte und da gelten andere

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Gesetze. Es würde mich in der Rückblende schon interessie­ren, wie sie die genannten Personen einschätzen.

MAHLER: Also bei Rudi Dutschke ist das hervorste­chende Merkmal, daß er trotz oder vielleicht gerade wegen seiner Unscheinbarkeit ein unglaubliches Charisma hat­te. Wenn ich ihm so begegnet wäre, es wäre überhaupt nichts an ihm gewesen, was mich hätte fesseln können. Aber wenn er anfing mit sei­ner merkwürdigen Stimme zu

Rudi Dutschke reden, konnte er einen schon

in seinen Bann ziehen. Ich hatte mit seiner Art, auf den heutigen Tag bezogen die nächsten Aufgaben aus dem Gang des Weltgei­stes zu bestimmen, immer Schwierigkeiten. Bin deswegen auch ab und zu mit ihm aneinander geraten, ganz freundschaftlich. Verblüffend war für mich bei diesen Gelegenheiten die Reaktion der anwesenden jungen SDSler. Ich war ja schon eine etwas ältere Ausgabe- durchschnittlich 10 Jahre älter, als die anderen. Von den Frischlingen bin ich, wenn ich Rudi etwas kritisch anging, ausge­zischt worden. Wir haben dessenungeachtet sehr gut zusammen­gearbeitet. Ich habe ihn verteidigt und habe dann, bevor dieses Experiment der später sogenannten Roten Armeefraktion begann, in London mit ihm eine lange Diskussion über den bewaffneten Kampf geführt. Ich wußte, daß er in dieser Frage kein orthodoxer Leninist war und bewaffnete Aktionen kleiner Gruppen als Fort­setzung dieser Revolte nicht ausschloß. Deshalb bin ich extra zu ihm nach London, wo er vorübergehend Asyl gefunden hatte,ge­fahren, um diese Frage mit ihm zu diskutieren. Er hat mir dringend von meinem Vorhaben abgeraten, weil die Voraussetzungen für

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Der Vietnamkongress. Im Vordergrund Rudi Dutschke. Links: Gaston SaJvatore, rechts Günter Amend.

einen Erfolg nicht gegeben wären. Das hat er richtig gesehen. Aber es war nicht so, daß er aus moralischen Gründen prinzipiell dagegen gewesen wäre, sondern er war halt auch als moralische Persönlichkeit geprägt von diesem Satz Lenins "Moralisch ist, was der Revolution nutzt." Da hätte er keine Schwierigkeiten gehabt. Er gehörte ja in Berlin, und das wird heute immer wieder ver­drängt, zum Kreis derjenigen, die zuallererst die Frage aufgewor­fen hatten: müssen wir nicht zu militärischen Mitteln des Kampfes greifen? Ihm schwebte damals eine Anti-NATO-Kampagne vor, bei der durchaus auch Sprengstoff eine Rolle spielen sollte. Er meinte es sei notwendig, in W esteuropa, insbesondere in der Bundesrepublik, den als NATO verkleideten Weltfeind Nr. 1, den US-Irnperalismus, durch militante Aktion für das öffentliche Be­wußtsein als Feind zu markieren. Es gab unter seinem Einfluß auch erste V ersuche dieser Art. Die sind allerdings an technischem

Horst Mahler verteidigt Rudi Dutschke. Ganz rechts : Uli Preuß

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MAHLER: Andreas Baader hatte auch Charisma

Unvermögen der daran beteiligten Studenten kläglich gescheitert. Das war, wenn im Kreis der Eingeweihten die Rede darauf kam, Anlaß für Heiterkeit. Soviel zum Pazifismus von Rudi Dutschke. Ich meine, man tut ihm unrecht, wenn man jetzt versucht, ihn als Pazifisten darzustellen.

SCHÖNHUBER: Und die anderen beiden?

MAHLER: Andreas Baader ist eine schwer einzuschätzende Persönlichkeit. Auch er hatte Charisma. Aber er war durch einen Sprachfehler behindert. Der führte dazu, daß seine mündlichen Ausführungen immer von Gudrun Ensslin - die beiden waren unzertrennlich - der Gruppe übersetzt wurden, so daß man nie genau wußte, ist das nun Gudruns oder Andreas' Auffassung. Er hatte einen sehr klaren Verstand, erfaßte sehr schnell das Wesent­liche, konnte ausgezeichnet logisch denken, war technisch sehr begabt und hatte einen frechen Mut. Die weiblichen Gruppenmit­glieder konnte er unbedingt in seinen Bann ziehen. Er war eine geborene Führergestalt mit beschränktem Wirkungskreis. Er hätte nie ein Volkstribun werden können.

SCHÖNHUBER: Und Meinhof?

MAHLER: Ulrike Meinhof? Ja die war, glaube ich, in lebensge­fährlicher Weise in einem moralischen Amoklauf begriffen. Wir haben an ihr erlebt, wenn sie vor dem Fernseher gesessen hat, sich die Frontberichte aus Vietnam, die täglich kamen, anschaute, sah die wie eine Strecke erlegter Hasen zum Zählen aufgereihten erschlagenen Vietnamesischen Bauern. Sie konnte das nicht ertra­gen. Vor Wut heulend sprang sie auf und schrie: "Das können sie mit mir nicht machen. Ich sitze in einem weichen Sessel und soll

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mir das ansehen! Die machen mich fertig!" Das wurde bei ihr zum Impuls, irgend etwas dagegen zu unternehmen. Irgendwas, das nicht verschwiegen werden konnte. Es mochte noch so aussichts­los sein. Wenigstens wollte sie- wie sie das in einer Konkret-Ko­lummne formuliert hatte - dem Lieben Gott Bescheid sagen, daß sie dagegen sei. Das war ein durch und durch existentialistischer Einstieg in den bewaffneten Kampf. Das kann man wohl auch auf die übrigen Gruppenmitgliedern der sogenannten ersten Genera­tion beziehen.

SCHÖNHUBER: Mich würde interessieren, war der Tod der drei in Stammheim Selbstmord oder Mord? Und was hat es mit Ihrer "kanonischen Erklärung" auf sich?

MAHLER: Also erstens, ich habe keine sichere Kenntnis davon. Ich bin auch auf die Medien angewiesen. Aber nach bestimmten Kriterien z. B. "cui bono?" - "wem nutzt es?" - und vor dem Hintergrund der Psyche dieser Menschen bin ich der Auffassung, daß es einzig und allein schlüssig und sinnvoll ist zu sagen: es war Selbstmord. Die Entschlossenheit, den eigenen Körper zur Waffe zu machen, war da. Und von Andreas Baader gibt es die klare Aussage - das hat er in einer Diskussion im Ausbildungslager der Al Fatahin Jordanien erklärt- für ihn komme es überhaupt nicht in Frage, lebenslänglich hinter Gittern zu sitzen. Entweder gelinge eine Befreiungsaktion oder er bringe sich um.

Die Pareilelen zwischen der Waffen-SS und dem SOS werden in der von Oberlercher verfaßten, von Maschke und von mir mitunterzeichneten "kanonischen Erklärung" thematisiert. Wie sehen Sie das?

SCHÖNHUBER: Das ist eine sehr schwere Frage. Sie ist viel­leicht typologisch zu beantworten. Ich habe natürlich in diesem Kreis junge Menschen gesehen, die in ihrer enthusiastischen Art und ihrer kämpferischen Einstellung in der Tat manchen jungen Soldaten und Offizieren der Waffen-SS ähnelten, auch in ihrer Unbedingtheit, auch in ihrem Anspruch. Was Sie vorher gesagt

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haben über Moral, das galt natürlich auch für Waffen-SS. Auch sie hatte eine Moral, die sie unter allen Umständen durchsetzen wollte. Und sie hatte die gleiche Lust an der Provokation. Was den 68ern die Professoren waren, der Muff unter den Talaren, war für die Waffen-SS der Spießer, die parlamentarische "Schwatzbude", der Kastendünkel. Aber man muß bei diesem Vergleich auch die unterschiedlichen -Zeiten berücksichtigen. Die jungen Leute, die in der Waffen-SS dienten, kamen aus der Weimarer Republik. Sie waren aufgewachsen mit deren sozialen Spannungen. Deshalb spielte die soziale Frage in der Waffen-SS eine große Rolle. Jeder sollte die gleiche Chance haben. In der Tat trug wie zu Zeiten Napoleons jeder Soldat den Marschallstab im Tornister, konnte wegen persönlicher Tapferkeit auch ohne Abitur Offizier werden. Er mußte nicht aus alten Adelsgeschlechtern kommen, wobei man deren Angehörige als Aushängeschilder durchaus benutzte, um dem Ausland gegenüber eine gewisse Reputation nachzuweisen. HitZer und Himmler hatten ja einen gewissen Ade/stick. Aber in der Truppe hielt man die "Monokelfritzen", die aus der Kaiserzeit kamen, für gestrige Krautjunker. Für uns Soldaten der Waffen-SS war es deshalb eine große Genugtuung, daß nach dem Putsch vom 20. Juli /944 auch die Wehrmacht den Hitlergruß anwenden mußte. In einem Punkt aber gab es zwischen der Waffen-SS, besonders ihrer Führung und dem SDS einen grundlegenden Unterschied: Das war die Frage der Rasse, die Frage des Blutes. Hier stand die Waffen-SS den heutigen Ansichten der NPD näher.

Aber ich möchte in diesem Zusammenhang noch etwas einflech­ten, was für mich wesentlich ist und unter Umständen auch Sie tangieren könnte. Ich weiß ja inzwischen, wie Ihre ehemaligen Freunde und Kampfgenossen auf Ihre Aktionen reagiert haben. Im Regelfall wohl wenig freundlich. Ich mußte nach Erscheinen meines Buches "Ich war dabei" zum Teil unerwartete Erfahrungen machen, die vielleicht eine gewisse Ähnlichkeit zu den von Ihnen geschilderten aufweisen. So hoch die Zustimmung im Grunde bei den Lesern generell war, so geteilt war sie bei meinen ehemaligen Kameraden. Die einen hätten mehr an Heldendarstellungen für die Truppe erwartet. Dies nach dem Motto: Wir waren eben doch

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SCHÖNHUBER: Wer war ein Held?

die Größten. Entgegnete ich ihnen, ich hätte ja immer wieder auf die unbestreitbare Tapferkeit hingewiesen, aber wir hätten halt auch Schwächen gehabt, auch unser Ehrenschild weise Flecken auf, dann war die Antwort meist die: Aber darüber schreiben ja unsere Gegner oft genug, warum mußtest Du auch noch darauf hinweisen, hättest es auch weglassen können. Andere, besonders jene Kameraden, die sich inzwischen in der Bundesrepublik wohn­lich eingerichtet hatten, raunten, es wäre besser gewesen, Sie hätten das Buch überhaupt nicht geschrieben. Ihnen hat es nichts genützt und uns auch nichts. Sie haben damit nur wieder Gräben aufgeschüttet, die allmählich zugewachsen waren. Jetzt geht die Frage nach der Vergangenheit wieder los. Hier finde ich wieder eine Parallele zu den 68em, die auch gerne gewußt hätten, was ihre alten Herren alles so im Dritten Reich gemacht haben. Den einen ging ich also zu weit, den anderen ging ich zu wenig weit. Und dann kam immer diese fatale Gegenüberstellung. Also wir waren keine Verbrecher, ergo waren wir Helden. Aber es ist nicht so, daß man entweder ein Verbrecher oder ein Held ist. Das ist Krampf. Man muß fragen, wer ist ein Held? Für mich war nicht der ein Held, der in der Waffen-SS beispielsweise aus einem oberbayrischen Gebirgsdorf kam und ein wackerer Prügler war, für den natürlich auch der Nahkampf nichts anderes war, als die Fortsetzung der Wirtshausschlägerei mit anderen Mitteln. Aber ich habe sehr feinfühlige Leute kennengelemt, nicht so nervenstarke, die ihre Angst überwunden hatten, und das waren für mich eher die Helden als die anderen.

Aber um das abzuschließen. Für mich ist und bleibt die Waffen­SS eine politisch mißbrauchte und eine militärisch verheizte sol­datische Elite. Auch wenn ich die Flecken auf dem Schild nicht übersehen möchte.

MAHLER: Die Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS sind ein Opfer des Zeitgeistes geworden. Es ist eine hervorstechende

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MAHLER: Es geht darum, den Feind zu respektieren

Eigenschaft des heutigen Denkens und Fühlens, die Welt als eine Schwarzweißzeichnung zu sehen: alles ist entweder nur gut oder nur böse. Zwischentöne werden geleugnet. Menschen werden regelrecht verteufelt. Das ist das uralte religiöse Muster des Ma­nichäismus, das im Judaismus aber auch im calvinistischen Puri­tanismus eine besondere Ausprägung erfahren hat.

Schlimmer noch: Der Zeitgeist pauschaliert. Der Nachweis der Einzelschuld wird nicht mehr gefordert. Das Alte Testament mit seinem Ausrottungsdenken, das keinen Unterschied zwischen Schuldigen und Unschuldigen macht, und auch unschuldige Kin­der und- ausdrücklich- Säuglinge(!) dem mörderischen Schwert dahingibt, hat das Evangelium völlig verdrängt.

Der Zeitgeist hat aber diesen Bezug auf die Antike und das Judentum im Bewußtsein der Zeitgenossen gelöscht. Den meisten Menschen ist es gar nicht bewußt, daß sie damit einer bestimmten Religion huldigen. Es ist eine dem christlichen Abendland absolut fremde Art und Weise, die Menschen zu sehen. Wir sollten das so schnell wie möglich überwinden, denn es macht uns handlungs­unfähig.

Der Mensch ist alles. Der Mensch und durch den Menschen macht sich die Geschichte. Goethe überraschte Eckermann mit dem Ein­geständnis, er könne sich kein Verbrechen vorstellen, dessen er sich nicht für fähig hielte. Und das setze ich geradezu voraus. Jemand, der gar nicht fähig ist, ein V erbrechen zu begehen, kann auch nicht gut und sittlich handeln. Sittlichkeit ist nur in der Überwindung des willkürlichen, also verbrecherischen Willens wirklich. Es macht uns als geistige Wesen, als Dasein der Freiheit aus, daß wir die Möglichkeit haben, uns gegen unser Gewissen zu entscheiden. Diesen inneren Kampf täglich zu führen und für das Gewissen zu gewinnen, das macht die Sittlichkeit einer Person aus.

Unser Feind ist von gleichem Geist. Mag er uns noch so bedroh-

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lieh sein, er ist als Person zu achten. Und ich habe ja auch - zum Verdruß vieler "Rechter"- geschrieben: "liebet eure Feinde!" Es geht darum, den Feind zu respektieren. Er bleibt natürlich der Feind. Wenn es sein muß, erschlage ich ihn. Wenn ich sage: "liebet eure Feinde!", dann habe ich eben einen Feind, den ich liebe, dadurch, daß ich ihn anerkenne und ihn als eine Herausforderung an mich begreife. Denn ich habe die Möglichkeit, an dieser Her­ausforderung zu wachsen. In vorgeschichtlicher Zeit hatten die Wilden ihre Feinde "zum Fressen gern". Indem sie ihre erschlage­nen Gegner durch den Verzehr des Gehirns symbolisch mit sich vereinigten, meinten sie, sich um die Kräfte und besonderen Fähigkeiten des toten Feindes zu bereichern. An die Stelle dieses Rituals tritt in unserem Kulturkreis die Erkenntnis, daß uns der Feind zur höchsten Anspannung unserer sittlichen Kräfte nötigt und uns dadurch wachsen läßt. Dafür bin ich meinen Feinden auch dankbar. Alles weitere hat J ohann Gottlieb Fichte in seiner Predigt über Feindesliebe gesagt.

Das ist etwas, was ich dem Deutschen Volke gerne ins Stamm­buch schreiben würde, das sich oft klein und häßlich macht, indem es seine Feinde dämonisiert und übermächtig darstellt, um seine desolate Situation zu rechtfertigen. Das ist nicht die germanische Gesinnung.

Der Erinnerungskult, die Holocaustindustrie, die plakatierte Ver­gangenheitsbewältigungsind Ausdruck einer geistigen Fremdherr­schaft, deren Element die Heuchelei ist. Oh, daß die Deutschen doch endlich die Herausforderung erkennten, die darin für sie liegt! Mit jedem Tag liebe ich die Juden mehr, denn der Kampf gegen ihr geistiges Prinzip läßt in mir täglich neue Gedanken aufsteigen, die mir unendlich wertvoll sind und den Feind zu­schanden machen.

SCHÖNHUBER: In dieser Vergangenheitsbewältigung gibt es natürlich auch einen Punkt, den man nicht unerwähnt lassen darf. Es gibt nicht nur die Gnade der späten Geburt, also für Leute, die gar nicht in die Gefahr gerieten, die Abgründe zu erkennen, die das System damals in sich barg, da sie später geboren wurden.

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SCHÖNHUBER: Keine Delegierung von Schuld

Aber es gibt auch den Zufall und der spielt im menschlichen Leben eine große Rolle. In der Watfen-SS gab es verdiente Frontsolda­ten, wirklich gute, anständige Kämpfer, hervorragende, faire Of­fiziere. Dann passierte es, daß ihnen eine Granate ein Bein abriß. Sie waren also nicht mehr frontdienstfähig. Was machte man da? Man steckte sie als Bewacher in ein KZ. Die wären nie sonst dorthin geraten. Sie sind durch eine Granate dorthin buchstäblich geschossen worden. Was bleibt bei diesen Menschen hängen? Sie waren Bewacher. Verdrängt wird, daß sieBewacher wider Willen waren. Daß sie an sich anständige Soldaten hätten bleiben wollen.

Ich erinnere an das Schicksal des letzten Kommandanten des Lagers Dachau, den tapferen Frontoffizier der Watfen-SS Weiß. Ihm wurde bei den Kämpfen in der Normandie ein Bein wegge­schossen. Er war also nicht mehr frontdiensifähig. Sein Bemühen, die Situation in Dachau zu verbessern, wurde beispielsweise auch von dem inhaftierten Weihbischof Neuhäusler anerkannt, der die Amerikaner auch darauf hinwies. Es nützte nichts. Weiß wurde gehängt, und da er wegen seinr Verwundung nicht stehen konnte, auf einem Stuhl sitzend. Dieses Wissen gehört auch dazu, weil es in Deutschland eine sogenannte Schuldkette gibt. Und bekanntlich beißen dann den letzten die Hunde: D. h. Wehrmacht anständig, Watfen-SS zwar tapfer, aber nicht ganz so anständig. Das ist ja das Verdikt gewesen der deutschen Generäle. Aber immerhin waren sie Soldaten. Und wer bleibt übrig? Der arme Bursche, der da plötzlich sich als KZ-Wächter wiedeifzndet. Auf den wurde nun alles abgeladen, auch von den eigenen Kameraden der Watfen-SS.

Also die Distanzierung, die heute im politischen Bereich eine so große Rolle spielt, die hat damals schon angefangen. Es ist die immer weiter vorangetriebene Delegierung von Schuld. Sie ist

heuchlerisch und selbstgefällig.

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MAHLER: Bloß mit dem, was Sie gerade gesagt haben, sind Sie genau in eine Gegenposition getreten, zu dem, was ich hier ver­trete. Sie scheinen auch von einer generellen Schuldvermutung auszugehen, die Sie nur im Fall besonderer schicksalhafter Um­stände für widerlegt erachten. Unter den Bewachern in den KZs waren aber sicher auch Leute, die noch kriegstauglich waren. Man wird also nicht nur Krüppel dahingestellt haben. Waren die alle schuldig?

SCHÖNHUBER: Das stimmt schon. Ausnahmen bestätigen die Regel. Die Waffen-SS war quasi der vierte Wehrmachtsteil. Das ist unstriftig heute, wird auch von Militärhistorikern so gesehen. Die KZ-Bewacher drin waren aus Neigung oder sagen wir auch aus Sadismus oder ...

MAHLER: Oder einfach, weil sie den Marschbefehl bekommen haben.

SCHÖNHUBER: Das sind die einen. Aber ich denke an jene, die keine verbrecherische Neigung hatten,für die nur eines zählte, ein anständiger Soldat zu sein. Und die dann plötzlich in eine Rolle gedrängt wurden, die sie im Grunde genommen nicht wollten. Es ist insofern keine Gegenposition.

MAHLER: Ich habe auf dem Höhepunkt der Studenterevolte auch einmal einen SS-Mann verteidigt. Meine damaligen Freunde haben das nicht verstanden. Dieser Mann war Bewacher in einer Nebenstelle des KZs Mauthausen gewesen. Dort haben Häftlinge in Anwesenheit der SS-Bewacher Mithäftlinge mit kaltem Wasser aus einem Schlauch solange bespritzt, bis sie an Unterkühlung gestorben sind. Diesen SS-Mann habe ich vor der Europäischen Kommission für Menschenrechte vertreten, weil er schon fünf Jahre in Untersuchungshaft zugebracht hatte und immer noch keine Gerichtsverhandlung gegen ihn durchgeführt worden war. Der hat mir so ein bißeben die Welt geschildert, wie er dazu gekommen war. Er war in einfachen Verhältnissen aufgewachsen.

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MAHLER: Keine Dämonisierung und Verteufelung politischer Gegner

Hatte sich mit Begeisterung freiwillig zur Waffen-SS gemeldet. Soldatischer Gehorsam war für ihn eine Selbstverständlichkeit. Als er den Marschbefehl bekam, hat er sich befehlsgemäß zu dem erwähnten Konzentrationslager begeben. Dort war er Einflüssen ausgesetzt, die ihn in der Rückschau erschauem ließen. Er be­schrieb nachvollziehbar den Prozeß der Verrohung, den er durch­gemacht hatte. Es wurde für mich deutlich, daß die Wachmann­schaften bei der Aufrechterhaltung der Lagerordnung die "Drecks­arbeit" gewöhnlichen Kriminellen überlassen hatten, die dieses "Privileg" mit perverser Grausamkeit auskosteten. Ihn plagte das Gewissen und er wollte begreifen, wie er sich mit Mördern gemein machen konnte. Er litt unter der Vorstellung, mit seinem Verhalten den "Ehrenschild" der Waffen-SS besudelt zu haben.

Für mich war bei dieser Verteidigung wichtig, meine Überzeu­gung zu prüfen, daß niemand - und sei seine Schuld noch so groß -als Unmensch abgeschrieben werden dürfe.

SCHÖNHUBER: Da gebe ich Ihnen recht.

MAHLER: Und eine der schlimmsten Entwicklungen, die die 68er genommen haben, ist eben genau das, daß sie sich heute maßgeblich an der Dämonisierung und Verteufelung politischer Gegner oder vermeintlicher politischer Gegner, aber auch völlig unpolitischer Menschen, die sie für belastet halten, beteiligen. Damit sind sie - wie Marx und Engels das ausdrücken würden -zu Lumpenproletariern verkommen.

SCHÖNHUBER: Ich möchte dieses Thema abschließen mit einem Hinweis. In den Bewachungsmannschaftgen der KZs gab es ja nicht nur SS-Leute, sondern es stießen im Laufe des Krieges auch Wehrmachtsangehörige, Luftwaffen- und Marinesoldaten

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dazu. Sie waren nicht mehr kriegsdiensttauglich. Das ist weitge­hend verdrängt worden, ähnlich wie die Frage, ob der National­sozialismus als eine rechte oder linke Bewegung einzuordnen ist.

Ich bin heute noch der Meinung, daß zumindest am Anfang der Nationalsozialismus eine linke Bewegung war, der Faschismus schon früher. Es ist inzwischen in Vergessenheit geraten, daß Mussolini an Kurt Eisner ein Glückwunschtelegramm geschickt hat, einem, wie man damals sagte, Bolschewiken, den dann der rechte Nationalist Graf Arco erschossen hat. Bocksprünge der Geschichte. Mit der Ausschaltung der Gehrüder Strasser und Ernst Röhm war die linke Periode des Nationalsozialismus end­gültig zu Ende. Ich kann heute mit dem Iinks-rechts-Geschwafel überhaupt nichts anfangen. Nicht selten steckt ein Kalkül dahinter, wo in einer Gliederung der Weg schneller nach oben geht, links oder rechts.

Deshalb hatten Sie recht, wenn Sie fordern, den Iinks-rechts­Konflikt aufzulösen. Schlagt nicht auf jene armen und verhetzten jungen Leute ein, sie können morgen eure Bundesgenossen sein. Im übrigen gab es bereits einmal einen historisch bedeutsamen Versuch, auch aufinternationaler Ebene diesen Konflikt aufzulö­sen. Es war ein russischer Jude, Karl Radek, der beste Propagan­dist, den Lenin jemals hatte, der bereits 1923 auf einem Kongreß der erweiterten Exekutive der Dritten Internationale den deut­schen Nationalisten ein Bündnisangebot gemacht hat. Er sagte an die Adresse von Albert Leo Schlageter: Ihr und wir sitzen prak­tisch im gleichen Boot. Ihr und wir haben die gleichen Feinde. Es ist der internationale Kapitalismus, der euch und uns zerstören will. Warumfinden wir keine Brücke? Geht ihr nicht mit uns, seid ihr "Wanderer ins Nichts." Dieser Versuch, der heute gar nicht oft genug erwähnt werden kann, man denke auch an die späteren Aktionen von Ernst Niekisch, scheiterte an den kommunistischen Ultras. Und diese kamen bezeichnenderweise aus Deutschland. Die Hauptgegnerin des Manifestes von Radek war die deutsche Spitzenfunktionärin Klara Zetkin. Die ging fast so weit, Radek auch noch zu einemSympathisantender Faschisten zu stempeln. Also, die Geschichte wiederholt sich nicht in dem Sinne, daß man

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MAHLER: Es ist Aufgabe der Volksge­meinschaft allen eine Lebensgrundlage zu garantieren und zu schützen

heute sagen kann, es gibt vielleicht wieder einenRadekund einen Schlageter. Aber es kann zu ähnlichen Konstellationen kommen. Radek ist in einem bolschewistischen Gulag buchstäblich ver­reckt, muß man sagen. Schlageter wurde in einem Tribunal, einem unwürdigen Siegertribunal hingerichtet.

MAHLER: Geschichte wiederholt sich nicht. Da bin ich völlig einverstanden. Aber der Geist, der in ihr wirkt, ist immer derselbe, der nur in verschiedener Gestalt in Erscheinung tritt. Für Deutsch­land in seiner heutigen Lage kommt alles darauf an, den Blickwin­kel, unter dem das Zeitgeschehen gesehen wird, zu ändern. Das Rechts-Links-Schema ist ein Wahrnehmungsschema des Bürger­krieges. Ernst Nolte sieht in seinem Werk "Der europäische Bür­gerkrieg" das ganze 20. Jahrhundert unter diesem Gesichtswinkel. Der Europäische Bürgerkrieg habe sich schließlich zum Weltbür­gerkrieg erweitert. Das ist die Optik der marxistischen Geschichts­theorie (das beziehe ich nicht aufNolte). Sie geht von dem Krieg der Klassen - "der da unten gegen die da oben" - aus. Dieser sei das eigentlich bewegende Moment der Weltgeschichte. Deshalb begrüßte Lenin den Ausbruch des I. Weltkrieges (er soll in Bem vor Freude auf einem Tisch getanzt haben), weil dieser sich nach der Marx'schen Geschichtsformel notwendig in den revolutionä­ren Bürgerkrieg verwandeln würde. Die Geschichte hat ihn- wenn man genauer hinsieht - widerlegt. Kriege sind das Geschäft der Völker. Deutschland ist in zwei aufeinanderfolgenden Kriegen -die in Wirklichkeit ein einziger sind - von feindlichen Nationen geschlagen worden. Wie können die Deutschen nur glauben, ihre Feinde hätten ihnen ihren Sieg geschenkt? Wir sind immer noch das besiegte Volk und deshalb auch immer noch ein von den Siegern besetztes Land. Die Besatzung ist allerdings "mediati-

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siert", d.h. vermittelt durch ein System sozialpsychologischer Beherrschung ( vgl. Brzezinski), kombiniert mit einer Technik, die ich soeben für die KZ-Verwaltung beschrieben habe. Die Sieger haben die Aufrechterhaltung der Ordnung im besetzten Territori­um auf Widerruf den "Funktionshäftlingen", den Kapos, überlas­sen. Im Falle Österreich haben wir anläßlich der Regierungsbetei­ligung der FPÖ die Anfänge des Widerrufs erlebt.

Wir haben keinen Krieg im Innem - also gegeneinander - zu führen. Wir müssen uns vielmehr von der Fremdherrschaft, d.h. auch von den Funktionshäftlingen befreien: selbstverständlich durch Krieg - aber nicht durch einen Krieg mit den technischen Mitteln der Menschenvernichtung, sondern durch einen Krieg der Gedanken. Dagegen rüstet sich der Feind mit dem V ersuch, unser Volk künstlich in Bürgerkriegsfronten zu spalten, damit wir uns untereinander zerfleischen. Deswegen sollten wir uns klarma­chen: es geht nicht um Ismen- Marxismus oder Faschismus -oder sonstige Ideologien. Es geht auch nicht um Definitionen, sondern es geht um die konkrete, lebendige Einheit, die wir als Deutsches Volk sind. Diese zu bewahren, das ist Vaterlandsliebe, Treue zum eigenen Volk. Die nationale Aufgabe ist nur zu lösen, wenn zugleich die soziale Frage gelöst wird. Zum Volk gehören durch Geburt immer alle dazu, gleichgültig, welche gesellschaftliche Stellung der einzelne einnimmt. Es ist die Rechtfertigung der Volksgemeinschaft, allen Volksgenossen eine Lebensgrundlage zu garantieren und zu schützen, jedem nach seinemVermögen die Möglichkeit zu geben, für sich selbst und für seine Familie zu sorgen. Wir erleben es heute, daß die Lebensgrundlagen von Millionen und Abermillionen zerstört werden durch das liberal­kapitalistische Prinzip. Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus, wie auch bei der NPD, Leute sich heute hinsetzen und die Marxsche Gesellschaftsanalyse nachvollziehen, um zu verstehen, was eigentlich vor sich geht und was der Endpunkt dieser Entwick­lung ist. Sie sagen heute - wie in den 60er Jahren die SDS-ler: genau dieses Ende der Kulturen und Nationen darf sich nicht ereignen. Sie suchen Bundesgenossen in allen Schichten des Deut­schen Volkes. Sie sind viel eher bereit, ihre Aversionen gegen

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"Linke" aufzugeben als die "Linken" ihre Aversionen gegen die "Rechten". Das Gespräch wird heute von den "Linken" (noch) verweigert, die sich damit in Widerspruch zu sich selbst setzen. Es sind nur Lippendienste, die sie ihren Prinzipien leisten. Der von Jürgen Habermas gepredigte "herrschaftsfreie Diskurs" ist durch das Denunziantenturn seines Erfinders diskreditiert und schließ­lich von den Epigonen der 68er im (Selbst)Haß ertränkt worden. Argumente wurden durch Steine ersetzt. Auch so äußert sich der allgemeine Verfall. Doch unsere Gegner auf der "Linken" sind unsere Verbündeten von morgen. Das sollten wir nie vergessen.

SCHÖNHUBER: Also hier kann ich nichts hinzufügen. Dabei ist es nicht so, daß wir uns in jedem Punkt einig sein müssen. Es gibt auch unterschiedliche Auffassungen. Doch in diesem Punkt nicht. Auch ich hatte während meiner Zugehörigkeit zu den Repu­blikanern stets gegen die Konservativen in der Partei anzukämp­fen. Vor allem gegen die ängstlichen bürgerlichen, oder sagen wir besser bourgeoisen Kräfte. Denen gefiel mein Wahlspruch vom Sozialpatriotismus wenig. Ihr Wortführer, der heutige Bundesvor­sitzende Dr. Rolf Schlierer, erklärte später offen, er könne damit nichts anfangen, "Sozialpatriotismus" sei ja auch veifremdet. Hierin hat er sogar recht. Natürlich hätte ich lieber die genauere Bezeichnung "nationalsozial" gebraucht. Aber ich kannte meine Pressekollegen Die hätten schnell aus einem "nationalsozial" ein "nationalsozialistisch" gemacht. Und das wollte ich der Partei ersparen. Aber ein sozialer Patriotismus oder Sozialpatriotismus ist im Grunde genommen das gleiche. Insofern sind wir uns hier einig.

Aber gestatten Sie eine Zwischenfrage. Wie haben Sie eigentlich die lange Zeit der Inhaftierung überstanden?

MAHLER: Nach meinem Gefühl habe ich sie ganz gut überstan­den. Was natürlich mit der Besonderheit dieser Situation zusam­menhing: Ich war durch das, was ich vielleicht politische Über­zeugung nennen darf, in diese Situation gekommen, hatte mich vorher in der Gruppe intensiv mit allen Möglichkeiten, die jene

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Form des Kampfes in sich barg, auseinandergesetzt Wir haben uns genau vorgestellt, wie es sein würde und wußten: das Leben und auch der Kampf ist im Gefängnis nicht zu Ende. Wir haben auch die "Kampfaufträge" definiert, die in der Gefangenschaft zu übernehmen sein würden: für Ulrike Meinhof und für mich ging er dahin, noch einmal die Grundlagen der revolutionären Theorie nachzuvollziehen, zu studieren. Die so gewonnenen Einsichten sollten in geeigneter Form an die "draußen" kämpfenden Genos­sen weitergegeben werden. Und so bin ich dazu gekommen, in der Haft sehr viel über grundlegende Dinge zu lesen. Dabei habe ich etwas entdeckt, das für mich sehr wichtig geworden ist: Karl Marx, der sich in seinen Schriften vielfach auf Hegel beruft, hat dessen Kerngedanken überhaupt nicht verstanden. Der Grund war nicht intellektuelles Unvermögen. Meine erste Erklärung ging dahin, daß er nur die Momente aus der Hegeischen Lehre herausgefiltert habe, die seinem Wunsch nach theoretischer Begründung seiner revolutionären Träume dienlich gewesen seien. Der Grund liegt aber tiefer: Der Hegeische Kerngedanke ist die konkrete Einheit des absoluten Geistes (Gott) und des endlichen Geistes (Mensch). Er ist die Überwindung des Jüdischen Prinzips der Trennung von Gott und Mensch. Ein Jude, der Hegel begreift, hört in diesem Augenblick auf, Jude zu sein. Karl Marx entstammt einer Rabbi­nerfamilie. Er verstand sich als Atheist. Nun setzt der Atheismus ebenso wie der Judaismus die Trennung von Gott und Mensch voraus. Denn nur wenn der Satz gilt: Gott ist Gott, und Mensch ist Mensch (Trennung von Gott und Mensch = Jüdisches Prinzip) kann der weitere Satz: Gott ist gar nicht, nur der Mensch ist (Prinzip des Atheismus) bestehen. Wem dagegen der Satz gilt: Gott und Mensch ist(!) einundderselbe; Gott und Mensch sind(!) aber auch unterschieden, aber nicht trennbar (Hegelscher Kern­satz), kann weder auf dem Boden des Jüdischen Prinzips noch auf dem des Atheismus stehen. D.h. Marx war auf eine abstrakt negative Weise dem Jüdischen Prinzip verhaftet geblieben.

Damit ist zugleich aufgezeigt, daß der Atheismus eine Spielart des Judaismus ist. Die Bedeutung des Judaismus für das "wissen­schaftliche" Weltbild habe ich bereits dargelegt (vgl. S. 34).

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Lenin, der dann den Satz aufgestellt hat: "Man sei nicht in der Lage, auch nur einen einzigen Satz von Marx zu verstehen, wenn man nicht den ganzen Regel gelesen und verstanden hätte", er­weist sich als jemand, der von Regel nichts begriffen hat. Er hat das selbst minutiös dokumentiert in seinen Randnotizen zur Re­gellektüre, die uns erhalten und auch veröffentlicht sind. An ihnen kann man wunderbar aufweisen, daß ihm Regel völlig verschlos­sen geblieben ist. Und es ist deshalb kein Zufall, daß in seiner Person, in seiner Theorie von Staat und Revolution die marxisti­sche Konzeption eine Zuspitzung erfahren hat, die ins Absurde geht, die das Menschenbild völlig verkehrt. Lenins Ideal war, daß die kommunistische Weltgesellschaft von einer Köchin im Neben­beruf verwaltet werde. Diese Verrücktheit hat sich dann auch in der geschichtlichen Praxis zeigen müssen.

Wir müssen jetzt - vielleicht auch über Marx - zurück zur Deutschen Philosophie. Sie sieht das Ganze. Sie zertrennt nicht wie die Naturwissenschaften und betrachtet dann die getrennten Teile, ohne das Ganze noch zu sehen, sondern sie kommt vom Ganzen her und denkt die Teile vom Ganzen her und sagt: jeder Teil ist auch das Ganze. Das ist der Gedanke der Volksgemein­schaft. Der Teil ist berechtigt, denn das Ganze setzt sich aus den Teilen zusammen und ist nicht ohne diese Teile und es ist in diesen Teilen. Das Ganze ist durch sich selbst, und jeder Teil ist durch sich selbst. Das ist das Wesen der Deutschen Philosophie, diese ganzheitliche Betrachtungsweise, die eine ganz andere Logik als die Naturwissenschaft, also auch im Widerspruch steht zum natur­wissenschaftlichen Weltbild. Das naturwissenschaftliche Weltbild vergewaltigt das Leben des Einzelnen und der Völker.

SCHÖNHUBER: Also wenn ich Sie so hier sitzen sehe, rein in der physischen Wahrnehmung, so muß ich sagen, Sie müssen die Jahre, was Ihre Psyche und vielleicht auch Ihre Physis angeht, relativ gut überstanden haben. Erstens. Aber da stellt sich für mich eine zweite Frage. Wie ist Ihnen denn der Wiedereintritt in die Nöte und Zwänge und Verhältnisse unserer Zeit gelungen? Sie sind Anwalt. War es für Sie sehr schwer, wieder eine Zulassung zu bekommen?

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MAHLER: Sehröder hat mich als Anwalt verteidigt

MAHLER: Je in. Man muß die Zulassung unterscheiden von dem Wiedereintritt in eine bürgerliche Existenz. Es ist erstaunlich, daß ich im Hinblick auf eine bürgerliche Existenz so gut wie keine Schwierigkeiten hatte. Ich hatte dauernde Freundschaften, auch Freundschaften aus dem Kreis der ehemaligen Genossen, und treue Mandanten. Unter den Freunden ragt Manfred Kiernle, ein sehr erfolgreicher Architekt, heraus. Ihm habe ich viel zu verdan­ken. Er gehörte auch zur Novembergesellschaft

Ich hatte also keine nennenswerten Probleme. Günstig wirkte sich der Umstand aus, daß ich schon vor der Studentenrevolte als Anwalt einen ganz guten Ruf hatte. So war ich nach der Wieder­zulassung im Jahre 1988 bei den Richtern der Ziviljustiz wohlge­litten, bei den Strafrichtern weniger: Die hatte ich mit meinen V erteidigungen der Studenten zu sehr strapaziert. Nur ganz ganz selten mußte ich das Gefühl haben: "der Richter hat also jetzt was gegen mich, weil ich damals in diese Geschichten verwickelt war". Die meisten Richter hatten ein unverkrampftes Verhältnis zu mir und ich zu ihnen auch.

SCHÖNHUBER: Damals hat Sie Sehröder verteidigt, der jetzi­ge Bundeskanzler?

MAHLER: Sehröder war detjenige, der bewirkt hat, daß ich nach Jahren der Isolierung in den Regelvollzug kam. Das hat Sehröder gegen politische Widerstände, die aus der eigenen Partei aber auch aus der CDU kamen, mit den Stimmen der FDP im Berliner Senat durchgesetzt. In einem zweiten Schritt hat er dafür gesorgt, daß ich auch sonst endlich als "Regelfall" behandelt und das Gesetz entsprechend auf mich angewandt wurde insofern, daß ich nach der VerbüBung von zwei Dritteln der Strafe- also nach zehn Jahren - auf Bewährung aus der Haft entlassen wurde. Das war 1980. Ab

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Gerhard Sehröder als Anwalt des ehemaligen RAP-Terroristen Horst Mahler 1987 vor dem Kammergericht Berlin.

von links nach rechts: Prof. Ulrich Preuß, Prof. Klaus Meschkat, Fritz Teufel, Horst Mahler; im Vordergrund von links nach rechts: Dieter Kunzelmann, Antje Krüger, Ulrich Enzensberger (der Bruder des Großen Enzensberger), alles Mitglieder der "Kommune 1".

1986 bis 1988 hat er meine Wiederzulassung als Rechtsanwalt betrieben und diese gegen den vehementen Widerstand von Rupert Scholz, dem damaligen Berliner Justizsenator und späteren Bun­desverteidigungsminister, schließlich beim Bundesgerichtshof mit Pauken und Trompeten durchgesetzt.

SCHÖNHUBER: Aber Sie hatten damals, glaube ich, einen einflußreichen Freund, der heute quasi schon an der Spitze seiner Karriere steht und bald in Karlsruhe sein wird.

MAHLER: Sie meinen den Staatsrechtier Professor Dr. Ulrich K. Preuß. Ja, der soll jetzt als Kandidat der Grünen zum Bundes­verfassungsrichter gekürt werden. Ihn hatte ich als Hochschulex­perten des SDS kennengelernt Später war er bei mir Stationsre­ferendar. Wir standen uns freundschaftlich nahe. Mir fiel auf, daß meine Kinder ihn sehr mochten. Er ist aber jetzt einer meiner Kritiker aus dem alten Freundeskreis. Allerdings hat er mit mir darüber noch nicht diskutiert. Seine Argumente finde ich nicht überzeugend.

Herr Schönhuber, erlauben Sie die Gegenfrage. Sie hatten ja Ihre Krisensituation nach 1983, waren die Freunde ja auch doch nicht mehr so zahlreich wie vorher?

SCHÖNHUBER: Bei mir stellt sich die Situation etwas anders dar: Die Leute, die sich von mir abgewendet hatten, kamen zu­nächst aus dem politischen Bereich. Man muß sich vorstellen: ich zählte zu dem engsten Freundeskreis von Franz Josef Strauß. Es gab diesen sogenannten Franzensclub, der mehr Einfluß auf die bayerische Politik hatte als die bayerische Staatsregierung selbst. Dort wurden personelle Vorstellungen durchdiskutiert, besser gesagt ausgekungelt und von den Politkern genußvoll über ihre Kollegen in hohen Ämtern hergezogen. Dann kam das Buch. Und aus war's mit der vermeintlichen Herrlichkeit und den verlocken­den Karriereangeboten bis hin zum Posten eines Indentanten des Bayerischen Rundfunks. Ich konnte Strauß nicht verdeutlichen, daß ich mit der Bürde des Verschweigens, des Hinnehmens histo-

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rischer Verfälschungen nicht weiter leben wollte. Und dann ging ich selbst in die Politik. Und erlebte etablierte

Praktiken hautnah. Die Nachfolger von Strauß, insbesondere der jetzige Ministerpräsident Dr. Stoiber machten es sich leicht. Nach den Anfangserfolgen der Republikaner sagten die "Schwarzen", jetzt ist er in Bayern schon bei 15 Prozent, möglicherweise bald bei 20. Da hilft nur noch ein Mittel: Stigmatisierung. Das hat unlängst der CSU-Fraktionsvorsitzende Alois Glück in einer Fernsehsendung quasi offiziell bestätigt. Er sagte, wir haben den Schönhuber stigmatisiert und damit seinen Untergang eingeläu­tet. Was heißt das? Zu Ende gedacht, heißt stigmatisieren ächten. -Was bedeutet das?- Einen Menschenfür vogelfrei zu erklären, zum Abschuß freizugeben. Hätte ich nicht eine tiefe Trauer ob der Judenmorde in mir, was mir ein begriffliches Gleichsetzen verbie­tet, dann würde ich schon sagen, daß man damit einer Partei eine Art Gelben Stern aufgedrückt und sie aus dem gesellschaftlichen Leben verbannt hat: Ich darf Ihnen dazu ein Beispiel liefern, wie das in der Praxis aussah, ein Beispiel unter vielen. Eigentlich banal, aber typisch für die Verhaltensweisen der sogenannten

Die Republikaner auf ihrem Höhepunkt: Die Aschermittwoch-Veranstaltung 1994 mit über 10.000 Teilnehmern. Jubelnder Empfang für Pranz Schönhuber. Dann schlug die csu zu.

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Gutmenschen. Es gibt eine bundesweit bekannte evangelische Altenstifteinrichtung. Sie trägt den Namen "Collegium Augusti­num ". Hier gehörte meine Frau zum engsten Kreis. Sie war Mitglied des Vorstandes. Die jährlichen Empfänge waren wegen ihrer kulinarischen Genüsse, dem gepflegten Ambiente und stil­voller musikalischer Darbietungen weit und breit geschätzt. Und immer waren wir eingeladen, obwohl der Leitung meine Abnei­gung gegen Theologen bekannt war. Aber unverdrossen wollte man weiter mit mir Kontakt halten, als ich beimFernsehen in einer einflußreichen Position war. Und dann flatterte uns, wie alljähr­lich, eine Einladung ins Haus, zunächst ging sie natürlich an das Ehepaar. Meine Frau hat zugesagt. Drei Tage später kam ein Brief Sie sind hochwillkommen, Frau Schönhuber, aber könnten Sie es verstehen, daß es besser wäre, Ihr Mann würde freiwillig darauf verzichten, zu kommen, denn das würde zu einer atmosphä­rischen Trübung unserer Gesellschaft führen. In dieser Gesell­schaft waren lauter Leute, die mir früher das Haus eingerannt haben. Und die plötzlich mich nicht mehr sahen, nicht mehr kann­ten, ins Schaufenster schauten oder die berühmte Nikotinkrankheit hatten, also sich bücken mußten. Man mag sagen, das sind Details. Man mag sagen, das sind Episoden. Aber aus solchen Details, aus solchen Episoden kann man die gesamte Feigheit unserer Gesell­schaft erkennen. Da bedaif es keiner großen theoretischen Erläu­terungen. So ist es schlicht und einfach. Und zumAbschluß gehört dazu, daß beispielsweise die Frau des Collegium Augustinum­Chefs, Georg Rückert, nichts dabei fand, einem Herrn Schalk-Go­lodkowski, der damals ja gesucht worden ist, Unterschlupf zu gewähren. Der eine, der rechte, duifte nicht erscheinen. Und der andere, der linke, war im Kellergeschoß willkommen.

Ich sag nochmal, ich weiß, das sind nur Episoden. Aber sie sind Teil der gesellschaftlichen Ächtung, die man eifahren hat.

MAHLER: Ich glaube, das vermittelt sich auch nur über Episo­den. Durch sie wird ein Allgemeines, das man nicht zählen und nicht wiegen kann, wahrnehmbar durch das geistige Echo, das sie in uns auslösen. Ich habe ja vorhin von dieser Schwarzweiß-Sicht

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MAHLER: Strukturen, die im Mittelalter Scheiterhaufen hervorgebracht haben

gesprochen. Das erweist sich hier. Ich habe das als eine religiöse Abirrung gekennzeichnet. Wir erleben - wie Sie das gerade geschildert haben- eine sanfte totalitäre Diktatur, die als solche nicht erkannt ist. Der Zeitgeist ist ein Despot. Zwar ist er etwas Überpersönliches, aber er wird durch raffinierte ingenieurmäßig konzipierte Sozialtechniken gehegt und gepflegt. Günter Rohr­maser hat ihn kürzlich als Gas beschrieben, das uns umgibt und das wir ständig mit schlimmen Konsequenzen für unser Bewußt­sein einatmen. Ich will dieses Bild ausbauen: Wir befinden uns in einer Traglufthalle, angefüllt mit diesem Gas. Eine Plastikpla­ne wölbt sich über uns, schließt uns ein. Als Gewölbe wird die Plane aber durch einen von außen gesteuerten stetigen Gaststrom in einem dynamischen Gleichgewichtszustand erhalten, so daß die Plane uns nicht begräbt, aber auch nicht davonfliegt. . Der Gasstrom zur Stabilisierung dieses Gebildes wird über ein kom­plexes Röhrensystem von den Medien, den Kultur-, Bildungs­und Forschungseinrichtungen unter die Plane geblasen. Dieses Gas ist geruchlos. Wir halten es deshalb für reine Atemluft und merken so gar nicht, daß wir dauerhaft vergiftet werden. Die Mixtur des Gases wird vermittels der direkten oder indirekten finanziellen Abhängigkeit der erwähnten Weltbildagenturen von den Interessen der Sachwalter der- insbesondere an der US-Ost­küste - aufgehäuften Finanzmassen bestimmt. Diese reflektieren das gänzlich abstrakte Geldvermehrungsinteresse und die daraus abgeleiteten geostrategischen Wunschvorstellungen der Geldfür­sten. Dieses System der Geldabhängigkeit hat in sich eine raffi­nierte sozialpsychologische Hinrichtungsmaschinerie ausgebil­dert. Die von der veröffentlichten Meinung Verurteilten werden nicht als körperliche Wesen vom Leben zum Tode befördert, sondern ihr ätherischer Sozialleib, ihre wirtschaftlichen, berufli­chen und geselligen Beziehungsfelder, wird zerstört. In Extrem-

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fällen schafft der Betroffene sich dann selbst aus der Welt. Das ist so, als ob wir an Aussatz litten. Das ist im Grunde

genommen die gleiche Struktur, die im Mittelalter die Scheiter­haufen hervorgebracht hat. Die Verteufelung von Menschen wird stets als Unterdrückungsinstrument eingesetzt. Solange diese Technik wirkt, können die Geldfürsten eine offene- und dann auch blutige - Diktatur vermeiden und dadurch ihre Herrschaft verlän­gern. Ob das ein Vorzug ist, wage ich zu bezweifeln.

Die s~f!~ J::>!kta!ur läßt den .feind im_ Verborgenen. Wie will man ihn bekämpfen? Er muß sichtbar gemacht werden. Gelingt uns das nicht, dann wird das Deutsche Volk aus der Geschichte verschwinden. Es wird dann von der Zeit besiegt werden: die schleichende Umvolkung schreitet dann ungestört fort, erreicht

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den Punkt, von dem aus keine Rückkehr nach Deutschland mehr möglich ist. . 1

Meine Beschäftigung mit der US-Amerikanischen Gesellschaft vermittelt mir schon ein recht deutliches Bild von diesem Feind.

i ' Er ist ein relativ kleiner Kreis von skrupellosen Machtmenschen, I~ ,,, die die Macht des Geldes verkörpern, die dadurch unangreifbar sind, vor nichts zurückschrecken und den politischen Apparat der USA und ihrer Vasallen fest in der Hand haben. Sie machen die Präsidenten, die Kanzler, die Ministerpräsidenten und die Gesetze. Sie stützen sich auf das Militär, die Polizei und die Mafia. Wenn sie sich auch untereinander Konkurrenzkämpfe liefern, das Ge­schäft des Machterhalts betreiben sie als Gemeinschaftsunterneh-men. Eine juristische Betrachtungsweise würde sie als Schwerge­wichte des organisierten Verbrechens einstufen.

SCHÖNHUBER: Das war sozusagen die theoretische Unterfüt­terung dessen, was ich als Episode erklärt habe. Jetzt aber kom­men wir zu einer grundsätzlichen Frage. Sie, Herr Mahler,fordern die Abschaffung des Parteiensystems. Aber was machen wir, solange es noch besteht?

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MAHLER: Ja. Ich begreife es nicht als einen Kotau vor dem Zeitgeist, wenn ich sage: es kommt alles darauf an, auf eine friedliche Veränderung der politischen und der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik und darüber hinaus in Europa zu orientieren. Diese Ausrichtung der Bewegung setzt eine klare Vorstellung davon voraus, mit welchen Schritten, in welchen Formen, mit welchen Inhalten und Losungen dieses Ziel erreicht werden kann. Die Frage ist zu beantworten, wie diese Entwicklung im gegebenen institutionellen Rahmen, den das Grundgesetz fak­tisch vorgibt, vor sich gehen kann. Wir haben eine solche Entwick­lung 1989 in Mitteldeutschland erlebt durch das Aufbegehren der Menschen, die dann auch auf die Straße gegangen sind und alle Angst vor dem Staatssicherheitsdienst hinter sich gelassen haben. Sie haben die "Runden Tische" erzwungen und Einfluß genom­men auf die politischen Statisten des Systems. An diesen Runden Tischen sind die Gesetze ausgearbeitet worden, die dann die Volkskammer beschlossen hat. So kann es jetzt auch in der erwei­terten Bundesrepublik Deutschland gehen. Einfach dadurch, daß die Bürger unruhig werden, nach Veränderung drängen, auf die Straße gehen, Runde Tische - übedereher nennt sie "Eckige Tische"-, erzwingen, ist der Weg für eine friedliche Veränderung freizumachen. Die Form, in der sich diese vollzieht, ist im Grund­gesetz selbst mit Artikel 146 vorgegeben. Der besagt, daß das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland an dem Tage außer Kraft tritt, an dem eine vom Deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossene Verfassung in Kraft tritt. Die Runden Tische werden also für ein Gesetz zur Einberufung einer Deut­schen Nationalversammlung sorgen, die die neue Reichsordnung zu beraten und zu beschließen haben wird, nach eigenem Gutdün­ken aber auch als Entwurf dem Deutschen Volk in einer Urabstim­mung zur Annahme vorlegen kann.

Das denjeweiligen Bundestag bildende Parteienkartell wird sich dem nicht widersetzen. Die Parteivertreter- vor die Wahl gestellt, den Willen des Volkes im Blut zu ersticken oder den Weg für eine Nationalversammlung freizumachen- werden sich für Letzteres entscheiden, weil sie die Blutschuld fürchten. Und in diesem Sinne

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MAHLER: Mir schwebt ein Block der Deutschen vor

MAHLER: Ich fordere eine deutsche Nationalversammlung

sage ich: nutzen wir zur Y ()rl;lereitung auf die V.:olkserhebung die gegebene Struktur, auch die Parteien! Aber das Zentrum muß eine parteiübergreifende Initiative sein, die sich ohne irgendwelche Parteigrenzen zu einer alle Schichten des Volkes umfassenden Volksbewegung auswachsen kann. Mir schwebt vor ein "Block der Deutschen", in den alle reichstreuen Parteien ihre Möglichkei­ten einbringen können, und der darüber hinaus offen ist für alle Deutschen, die sich wenigstens in dem einen entscheidenden Punkt einig sind: daß die Deutsche Nationalversammlung einbe­rufen werden soll. Und welcher Deutsche könnte da was dagegen haben? Es ist für mich denkbar, daß dieser Block , ohne damit seine Eigenständigkeit aufzugeben, aus sich heraus eine Partei als parlamentarische Filiale entwickelt, die sich schon an den näch­sten Bundestagswahlen beteiligen könnte. Der einzige Programm­punkt dieser Partei wäre die Nutzung der parlamentarischen Büh­ne für den Gedanken der Deutschen Nationalversammlung.

SCHÖNHUBER: Gut. Im Grunde genommen schwebt Ihnen etwas vor, was Gorbatschow in der Sowjetunion versucht hat und woran er gescheitert ist, nämlich einen Umbau, denn Peristroika heißt ja nichts anderes als etwas umbauen. Dieser historische Versuch ist gescheitert. Die Sowjetunion ist zerbrochen. Es gibt also jetzt Teilstaaten, die miteinander im Kriege liegen mehr oder minder. Das ist ein Beispiel, wie es einen Versuch geben kann, der sich Peristroika nennt. Und Deutschland, das ja nach Ihrer Auf­fassung den umgekehrten Weg gehen soll? Was heißt Abschaffung der Parteienherrschaft? Wenn Sie damit das Wort Herrschaft in

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erster Linie meinen, gehe ich mit, denn wie die Parteien sich derzeit aufführen und handeln, ist es nichts anderes als die Zemen­tierung ihrer jeweiligen Herrschaften mit allen Mitteln, erlaubten und unerlaubten. Ich finde es auch richtig und gut, wenn es gelänge, die Patrioten zusammenzubringen in einem Block. Aber was wie soll ds gehen? Fangen wir bei der Namensgebung an. Sagen wir "Deutscher Block" oder ...

MAHLER: oder "Block der Deutschen".

SCHÖNHUBER: Oder Block der Deutschen. Dann kann ein anderer sagen "Block der Deutschen" d. h. BDD. Was ist das? Das ist im Grunde doch auch wieder eine Partei, denn dem Block der Deutschen wird sich ein anderer Block ..

MAHLER: Sicher. Sie haben allerdings etwas mißverstanden. Ich habe ja gesagt: im Interesse eines friedlichen Übergangs müssen die vorhandenen Strukturen - wie von mir beschrieben -genutzt werden. Das ist dann natürlich auch - aber nicht nur - eine Parteistruktur. Die parlamentarische Filiale wird eine Partei sein, deren einziges Ziel die Abschaffung des Parteienstaates sein wird.

SCHÖNHUBER: Gut und recht. Aber ich bin noch immer nicht zufrieden mit Ihren Ausführungen. Da möchte ich insistieren. Also wenn nach konventioneller Betrachtungsweise der "Block der Deutschen " rechts ist ...

MAHLER: Nein, er ist vaterlandsliebend, volkstreu, ja ...

SCHÖNHUBER: Das sagen Parteivertreter auch. Also Herr Mahler, jetzt müssen Sie mir erlauben, daß ich die Dinge vielleicht vereirifacht oder auch verkürzt darstelle. Hier sagten Sie "Block der Deutschen". Als Reaktion wird es sicher eine Art Block der Antideutschen, Block der Europäer, Block der Weltbürger oder wie immer die heißen mögen, geben. Dann kann es auf dem Wege zu einer Nationalversammlung eine Art Kräftemessen geben. Es

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ist doch dann die Frage, wer wo sitzt und mit wie vielen Leuten sitzt er dort. Da können meinetwegen dann 70 % aus dem "Block der Deutschen" sitzen, das würde die Sache sehr vereinfachen, und 30 % von den anderen. Aber es kann auch umgekehrt sein. All das geht nur über Wahlen. Dann sitzen Vertreter der jeweiligen Blöcke in dieser Nationalversammlung. Für was werben die, was tun die? Diese Nationalversammlung strebt Gesetze an, neue Gesetze und insbesondere eine neue Verfassung. Sehe ich das richtig?

MAHLER: Eine neue Verfassung - ich ziehe die Bezeichnung "Reichsordnung" vor - aber auch eine ganze Reihe von anderen Gesetzen als Notmaßnahmen zur Sicherung des Deutschen Rei­ches, seiner Reichsbürger und seiner Volkswirtschaft.

SCHÖNHUBER: Aber bis dorthin wird es ein Ringen um diese Gesetze zwischen den einzelnen Blöcken geben. Sie sagen Blöcke, ich glaube, es sind nichts anderes als umbenannte Parteien. Ich kann eines nicht nachvollziehen oder ich tue mich sehr schwer. Was soll nun konkret an die Stelle der Parteien treten, denn irgendwo wird ja auch gewählt? Wie soll sich das allein auf einem Wahlzettel darstellen? Von dem müssen wir immer ausgehen im praktischen Vollzug von Politik. Das kann ich nicht verstehen und andere gewiß auch nicht.

MAHLER: Das ist ein sehr weitläufiges Thema. Dazu gibt es die Skizzen und Vorschläge für eine neue Reichsordnung oder Reichs­verfassung - wie man es nennen will, das wird sich zeigen -, die im elektronischen Weltnetz (Internet: http://www.werkstatt-neu­es-deutschland.de) nachzulesen uriif ·doiT auch· für den Druck­abzurufen sind. Das muß im einzelnen diskutiert werden.

Ich sehe deutlich zwei Stadien: Einmal, aufsetzend auf der gegebenen im Grundgesetz festgeschriebenen Struktur, den "Block der Deutschen", der den vorhandenen Unterschied und Gegensatz im De~tschen Volk als politische Auseinandersetzung endlich sichtbar macht und damit befreit, für einen Dialog öffnet, indem man sagt: es gibt Deutsche, die wollen noch Deutsche sein.

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Ich bin überzeugt, daß die überwiegende Mehrheit der Deutschen so denkt. Diese kommt nur nicht zu Wort. Die "sanfte" Diktatur, die das verhindert, haben wir beide hier schon ausführlich darge­stellt. Es gibt aber auch Menschen, die tatsächlich - aus welchen Gründen auch immer - der Auffassung sind: "Deutschland muß sterben, damit wir leben können". "Nie wieder Deutschland!" Die Trennungslinie muß endlich sichtbar werden. Dieser Prozeß wird -wie bereits beschrieben- zur Deutschen Nationalversammlung führen.

Das zweite Stadium, das jetzt schon beginnt mit der Diskussion über die künftige Reichsordnung, ist die Ausarbeitung einer Ge­stalt unseres Gemeinwesens, die Politik zurWahrungdes Gemein­wohls erst wieder zu ermöglichen hat.

Was das heißt, ist in mehreren Schritten einzugrenzen. Zuerst ist zu betrachten, was wir haben - ohne ideologische

Scheuklappen. Ich habe bereits das demokratische Prinzip als solches kritisiert

und aufgezeigt, daß es notwendig zu einem System der Täuschung und Korruption, letztlich zur Beherrschung des Staates durch das organisierte Verbrechen führt. Diese aus dem Regelsehen Begriff abgeleitete Schlußfolgerung wird durch die Entwicklung der OS­Amerikanischen Demokratie als dem Prototyp der demokrati­schen Gesellschaft, ebenso aber durch entsprechende Verläufe in den übrigen demokratisch strukturierten Staaten bestätigt. Überall sind es die Parteien, die als politische Agenturen gesellschaftlicher bzw. privater (letzteres insbesondere in den USA) Sonderinteres­sen die Staatsmaschine denaturieren und zu einem Instrument der Ausplünderung der Bevölkerung herabwürdigen. Die notwendige Änderung besteht hier darin, daß den organisierten Sonderinteres­sen der Zugriff auf die Staatsmaschine entzogen wird. Darauf zielt das von mir geforderte Verbot der politischen Parteien. Selbstver­ständlich wird in einem freiheitlichen Gemeinwesen die Organi­sierung von Sonderinteressen erlaubt sein. Derartige Organisatio­nen nehmen aber einen berufsständischen bzw. gewerkschaftli­chen Charakter an, d.h. sie strukturieren die Gesellschaft aber nicht die Volksgemeinschaft und deren Willensorgane.

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Die durch die politischen Parteien vermittelte Auslese der für den Staat handelnden Personen ist eine Negativauslese. Kompe­tenz und Charakterfestigkeit werden diskriminiert, Einfalt, Be­stechlichkeit und Gesinnungslumperei bevorzugt. Das gilt es um­zukehren.

Die Demokratie hat nicht vermocht, einen Allgemeinen Stand hervorzubringen, dessen besonderes Interesse die verantwortliche Leitung des Gemeinwesens ist. Diese Lücke ist vordringlich zu schließen. Nicht die "vornehme Geburt" prädestiniert für diesen Stand; vielmehr soll er von den Begabtesten des Volkes gebildet werden. Diese sind besonders zu fördern und frühzeitig in beson­deren Bildungsgängen auf die Laufbahn vorzubereiten. Eine Ver­sammlung der Besten dieses Standes benennt geeignete Kandida­ten für die durch Volkswahlen zu besetzenden Ämter, auch für das Amt des Staatsoberhauptes.

SCHÖNHUBER: Da kommen Sie aber in die Nähe von Othmar Spann.

MAHLER: Das ist mir völlig wurscht, in wessen Nähe ich damit rücke.

SCHÖNHUBER: Das sag ich ja nicht negativ. Ich halte ja sehr viel von Othmar Spann, vom ständestaatliehen Denken. Das stän­destaatliche und das kooperative Denken waren ja auch die Trä­gerschaften des Anfangsfaschismus Mussolinis.

MAHLER: Es sind sehr viele Elemente, die müssen wir uns einmal ansehen und prüfen: was ist davon brauchbar und was nicht?

SCHÖNHUBER: Das ist einer der Punkte, wo wir uns so schwer tun in dieser Situation. Es ist eine Begriffsdefinition. Wenn ich das zu Ende denke auf meine Art, was Sie sagen, dann wird dieser Block der Deutschen quasi die deutsche Zukunft bestimmen. Aber damit er das kann, muß dieser Block der Deutschen absolut

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tonangebend sein. Und er muß die Mehrheit schaffen. Aber es könnte ja sein, daß dieser Block der Deutschen, z. Zt. habe ich meine Zweifel, ob er die Mehrheit haben könnte oder sollte, es nicht schafft? Wenn er unterliegt, was macht dann der Deutsche Block und was machen die anderen?

MAHLER: Ich glaube, daß Sie in einem mathematischen politi­schen Weltbild gefangen sind. Es geht nicht nach dem Zählen von Stimmen, sondern es geht nach dem Ausdruck des Volkswillens in der ursprünglichsten Form. Wir haben ja noch keine National­versammlung. Wir haben noch kein Gesetz dahin. Und wir haben noch keine Reichsordnung.

SCHÖNHUBER: Aber diesen Willen muß doch das Volk zum Ausdruck bringen durch Wahlen.

MAHLER: Nein, nicht durch Wahlen.

SCHÖNHUBER: Durch was dann?

MAHLER: J egliehe Wahl im Parteienstaat ist eine Verfälschung des Volkswillens. Die Mechanismen, die das bewirken, habe ich hier schon skizziert. Wie es gehen kann, haben uns unsere Mittel­deutschen Landsleute 1989 vorgeführt. Das Volk in Bewegung wirkt auf die gewählten Vertreter, nicht nur auf den Block der Deutschen, sondern auch auf die Abgeordneten von der SPD, der Grünen, der CDU, der FDP und der PDS. Sie werden so sein, wie damals die Blockflöten, die alle im Sinne der Runden Tische gestimmt haben, weil sie wußten: wenn wir das nicht vollziehen, diesen legitimen und als legitim erkannten Willen des Volkes, sind wir verantwortlich für das dann folgende Blutbad. Dieser Gedanke wird auch die anderen, die wir noch nicht zu dem Block der Deutschen zählen können, dazu bringen, das zu tun, was für jeden aufrechten und gerade denkenden anständigen Menschen das Selbstverständlichste ist: daß ein Volk sich eine Nationalver­sammlung schafft, die Autorität hat, eine Verfassung in Kraft zu

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setzen. Wer will das bestreiten? Der macht sich doch sofort kenntlich als Feind des Deutschen Volkes.

SCHÖNHUBER: Aber ohne Wahlen geht es nun einmal nicht.

MAHLER: D. h. wir haben den Block der Deutschen über seine parlamentarische Filiale dann auch im Bundestag, um dort ein Sprachrohr für die Volksbewegung zu sein, also für die "Leipziger Montagsdemonstration" beispielsweise, um die anderen im Bun­destag vertretenen Parteien unter einen gedanklichen Zwang zu setzen: "wir müssen jetzt auch diesen Weg aufmachen für eine Nationalversammlung, sonst erscheinen wir als die Verräter. Und das wollen wir auch nicht sein". Die Parteiverteter haben noch einen Anspruch gegen sich selbst. Ob das nun der Schily ist oder der Ströbele oder der Sehröder usw. Das sind ja keine Unmen­schen. Sie wollen nicht das Blutbad. Also werden sie schließlich auch die Nationalversammlung wollen. Und dann werden wir die auch haben.

Nun ist die Frage: wer kommt in die Nationalversammlung? Ich habe mir das gerade mal angeschaut, 1848 war das Elend der Nationalversammlung vorprogrammiert, denn es sind mehrheit­lich die Gegner der Verfassungsbewegung in die Nationalver­sammlung lanciert worden. Die entscheidende Frage ist also: wie setzt sich die Nationalversammlung zusammen?

SCHÖNHUBER: Die Abgeordneten müssen gewählt worden sein. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Alles andere ist bar jeden Realitätssinns. Sonst riecht die Sache nach Diktatur. Also sind sie gewählt worden?

MAHLER: Formal gewählt schon. A~er die Vorauswahl der Kandidaten war das Entscheidende. Die Parteien dürfen dabei keine Rolle spielen. Ich denke eher schon an Bürgerinitiativen, dann denke ich an die Strukturen, die in einer solchen Phase entstehen, wie sie 1848 im ganzen Land und 1968 an den Univer­sitäten entstanden sind. Auf diesem Wege werden tatsächlich

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MAHLER: Aber die Guillotine lassen wir in der Garage

kompetente Beauftragte in die Nationalversammlung entsandt werden, die in der Debatte stehen, die ihre eigene Position kennt­lich gemacht haben, von denen man also erwarten kann, daß sie auch in der Nationalversammlung so votieren werden. Und dann werden wir abwarten, was rauskommt

SCHÖNHUBER: Aber hierzu muß ich anmerken, das erweckt in mir auch Erinnerungen an die französische Assemblee Natio­nale, also an die Nationalversammlung. Auch da gab es, zumindest am Anfang, einen Block hier und einen anderen dort. Links saßen die "vom Berg", also die Jakobiner und auf der gegenüberliegen­den Seite die Girondisten. Stimmt doch?

MAHLER: Aber die Guillotine lassen wir in der Garage.

SCHÖNHUBER: Nein, damit lasse ich mich nicht abspeisen. Kein vernünftiger Mensch will die Wiederkehr des Fallbeils. Es hat genug Unheil angerichtet. Aber es stand nicht gleich am Anfang der Revolution. Da begnügte man sich noch mit den Laternen. Auch verwerflich und obendrein zweckentfremdet. Doch die Revolution hat gerade patriotische Kräfte freigesetzt. Sie hat unter der Führung des Jakobiners Carnot, einem Militärtech­niker hohen Grades, ein Volksheer geschaffen, das die rückstän­digen und verzapften Armeen des imperialen Europas zum Teufel jagte. Doch richtig ist auch, am Ende saßen in der Nationalver­sammlung nur noch die Jakobiner, deren Diktatur dann von einer anderen abgelöst wurde, der Napoleons. Also mit den Blöcken ist es so eine Sache. Gibt's mehrere, will bald einer die anderen eliminieren. Daher meine gewisse Skepsis. Aber ich würde gerne eine Zwischenfrage stellen.

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MAHLER: Bloß: wir haben gerade festgestellt, die Geschichte wiederholt sich nicht. Aber man gewinnt Erkenntnisse.

SCHÖNHUBER: Ja, man gewinnt Erkenntnisse. Und die Er­kenntnisse, die ich meinetwegen hier gewinne, daß ich auch die Gefahren aufzeige, die auf diesem Wege am Rande lagern.

MAHLER: Es gibt keinen Weg ohne Gefahren.

SCHÖNHUBER: Sicher, aber das kann keinen Verzicht auf Hinweise aub Gefahren bedeuten. Ich sehe eine ganz besondere Gefahr darin, das Parteiensystem nach amerikanischem Muster zu definieren, also es im europäischen Sinne zu eliminieren. Es gibt in Amerika die Demokraten und die Republikaner. Das sind auch Blöcke. Es sind keine Parteien im europäischen Sinn. Sie sind nur noch bloße Interessenverwalter ohne tiefgreifende program­matische Unterschiede. Weit entfernt sind wir in Deutschland von diesem Zustand nicht. Überall wird ja globalisiert, mondialisiert, amerikanisiert. Warum sollte diese Entwicklung vor den Parteien halt machen?

MAHLER: Um Gottes Willen, bloß nicht.

SCHÖNHUBER: Nunja, ichsag_te "sollte". Ich stelltedasGanze in Frage. Ich will solche Parteien ja auch nicht. Aber ich muß noch einmal auf die Namensgebung zurückgreifen. Ist es nicht so, wenn der Block sich nicht mehr als Partei versteht, aber wie eine solche zu handeln genötigt ist, dies dann nichts anderes als nur eine Frage der Etikettierung darstellt?

MAHLER: Da hab ich überhaupt kein Problem. Es geht nicht um Namen. Es geht um die Sache, was hinter dem Namen steht. Und da bin ich Ihnen einen Schritt entgegen gekommen. Ich habe gesagt, wir haben noch das Parteiensystem. Und wir müssen in der Auslaufphase dieses Modells uns wieder einer parteiförmigen Struktur, nämlich einer parteiförmigen parlamentarischen Filiale

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MAHLER: Demokratische Urwahl des Staatsoberhauptes

dieses Blockes, bedienen. Diese parteiförmige Filiale beteiligt sich dann an der BundestagswahL Sie bekommt dann nicht gleich alle 50 oder 60 %, sondern sie erreicht vielleicht, wenn es gut geht, 15 %. Ich meine es ist ein Potential von 30 %, das wird sich aber nicht gleich ausschöpfen lassen. Das ist insofern genau das gleiche in grün, was wir hatten. Nur dieser Block, der beschäftigt sich nicht mit W ahlprogrammen, macht nicht diese betrügerischen V erspre­chen, mit denen die Parteien versuchen, die Stimmen zu kaufen, sondern er hat nur dieses eine Ziel: wir sind die VerfassungsparteL Wir wollen dem Deutschen Volk zu seinem Rechte verhelfen, wie es in Artikel 146 Grundgesetz angedacht ist. Wir wollen die Nationalversammlung, die allein die Autorität hat. Und wir lassen uns nicht auf die Frage ein, wie das Rentenproblem zu lösen ist, wie die Arbeitslosigkeit zu beseitigen ist. Wir wissen nämlich -und das haben wir vielleicht den anderen voraus-, daß Politik zur Lösung dieser Probleme, der Lebensfragen unseres Volkes, erst wieder möglich sein wird in einer anderen Struktur, wo der Staat aus der babylonischen Gefangenschaft der Parteien, befreit ist. Was das im einzelnen heißt? Wir haben dazu Vorschläge gemacht und setzen das auch noch fort. Sie sind im elektronischen Weltnetz abrufbar, in der "Werkstatt Neues Deutschland" (http://www.­werkstatt-neues-deutschland.de) Dort sind auch die Verfassungs­entwürfe zur Diskussion gestellt. Man mag bessere Vorschläge an deren Stelle setzen, aber niemand wird mehr behaupten können, daß wir die Antwort auf die Frage: Was kommt nach dem Partei­enstaat? schuldig bleiben. Dort ist auch aufgezeigt, wie durch Urwahl das Staatsoberhaupt berufen wird. Wie immer man das nennt. Oberleeher sagt in seinem Entwurf nur "Staatsoberhaupt". Das ist ein Funktions begriff. Ich meine, wir sollten das Oberhaupt des Deutschen Reiches wieder "Kaiser" nennen. Schon deshalb, weil US-Präsident Woodrow Wilson in Mißachtung seiner von

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ihm selbst verkündeten 14 Punkte die Deutschen 1918 gezwungen hat, ihren Kaiser ins Exil zu schicken und als Staatsform die parlamentarische Republik anzunehmen. Ich weiß, viele werden sagen: "Du machst Dich damit lächerlich." Ich habe mich mit dieser Möglichkeit gründlich auseinandergesetzt Meine Überle­gungen dazu habe ich in der Werkstatt Neues Deutschland veröf­fentlicht. Ich sage: die Deutschen haben Anspruch auf ihren ge­wählten Kaiser. Das ist bewußt der Bruch mit der Denk- und Sprechweise der Modeme. Ich bin dafür, daß man die Modeme endlich einer gründlichen Kritik unterzieht, ihr den Heiligenschein nimmt. Meinen Standpunkt dazu habe ich in Thesenform in der schon mehrfach erwähnten "Werkstatt Neues Deutschland" zu­sammengefaßt. Es würde zu weit führen, dieses Thema hier zu vertiefen. Der Ausdruck "Präsident" ist mir zuwider, weil er unweigerlich Gedankenverbindungen zum Staatsoberhaupt der USA herstellt. Außerdem ist es ein Fremdwort. "Kaiser" ist keines mehr, das kommt zwar von "Cäsar", das ist der Name eines römischen Herrschers, aber derNameist eingedeutscht und hat im Deutschen Volk eine ganz bestimmte, auch mythische Bedeutung. Ich halte sehr viel von der Mythologie. Im Mythos wirkt der Geist im Element des sinnlichen Bewußtseins, ehe er sich zur Klarheit des Gedankens durchringt.

SCHÖNHUBER: Mit dem Mythos habe ich meine persönlichen Schwierigkeiten, obwohl ich weiß, daß Sie mit Alfred Rosenbergs "Mythus des 20. Jahrhunderts" nicht das geringste zu tun haben. Aber ich glaube, Dialogfähigkeit bedeutet im Detail oder grund­sätzlich in bestimmten Bereichen auch die Bereitschaft, Konzes­sionen machen zu können. Es gibt ja niemanden auf der Welt, der für sich beanspruchen kann, er sei im Besitz der alleinigen Wahr­heit, sieht man von dem Unfehlbarkeitsanspruch des Papstes ab, der auch eine Anmaßung ist. Resumee an dieser Stelle: Wir unterscheiden uns nicht nur in der Marginalie der Namensgebung, sondern grundsätzlich in der Block/Parteienfrage. Konkret: Wenn Sie keine Parteien mehr haben wollen, wie definieren Sie dann die Aufgaben der Blöcke? Hier erzielten wir keine Einigung.

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SCHÖNHUBER: Ich bin skeptisch

Sie setzen das Potential eines "Deutschen Blocks" bei 15 Prozent an. Jch halte diese Zahl für übertrieben. Man müßte zuniichst kleinere Brötchen backen. Man könnte schon froh sein, wenn ein solcher Block über fünf Prozent käme, um sich artikulieren zu können.

MAHLER: Ja, wenn Sie von einer Situation ausgehen, so wie wir sie heute haben. Aber ich rechne damit, daß das sich sehr schnell ändern kann. Für mich ist eine schockartige Verschlimme­rung der Zustände am wahrscheinlichsten. Die Spekulationsblase auf den Finanzmärkten, die Staatsschuld, die äußere und innere Verschuldung der USA sowie die Arbeitslosigkeit in Europa haben Ausmaße erreicht, die nicht mehr ausgesteuert werden können. Der alsbaldige Zusammenbruch der Weltwirtschaft hat von allen Möglichkeiten die größte Wahrscheinlichkeit der Ver­wirklichung für sich. Im SPIEGEL stand es vor kurzem: Wir wissen nicht, wann der Crash kommt, ob in zwei Wochen, in zwei Monaten oder zwei Jahren, aber er kommt. Wenn er da ist, werden sich die Deutschen die Augen reiben und fragen: in welcher Welt leben wir eigentlich, es ist nichts mehr so wie vorher? Wenn das Bankensystem zusammengebrochen ist, dann werden die Men­schen realisieren, daß ihre Ersparnisse, ihre Alterssicherung, alles weg ist; daß es jetzt ums nackte Überleben geht. Und das ist eine Situation, in der die Gedanken in Bewegung kommen.

SCHÖNHUBER: Eine letzte Frage dazu: Angenommen wir hätten in zwei Jahren Wahlen undfür den "Block der Deutschen" gälte als einziger Programmpunkt "Wahl einer deutschen Natio­nalversammlung". Ist das so gemeint?

MAHLER: Ja.

SCHÖNHUBER: Ich glaube nicht, daß das reichen würde.

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MAHLER: Der Mensch hat nicht der Wirtschaft zu dienen, sondern die Wirt­schaft dem Menschen

MAHLER: Das muß reichen, denn sonst sind wir wieder pro­grammiert auf Volksbetrug.

SCHÖNHUBER: Ich nehme zur Kenntnis, daß Sie sagen, das ist a) der einzige Punkt und b) zudem der attraktivste. Bei der heuti­gen Verfaßtheil der Deutschen glaube ich allerdings nicht, daß dies besonderen Anklang finden wird. Man wird es als utopisch, sogar als "spinnert" abtun. Die Menschen wollen konkrete Anga­ben, wie sich ihr Leben verbessern ließe. Der heutige Mensch ist halt in erster Linie Vertreter seiner eigenen Interessen. Er ist zum Egoismus erzogen worden. Aber auch Menschen, die über die Ränder eines Stammtisches hinaussehen, werden sagen, gut und schön, Herr Mahler, Herr Schönhuber, was Sie da für Zukunfts­visionen haben, die sollen Sie auch weiter vertreten, aber haben Sie auch Rezepte zur Überwindung der Arbeitslosigkeit? Sehen Sie, mein Sohn istjetzt schon seit Jahren arbeitslos. Was sagen Sie ihm? Wie soll Deutschland im europäischen Bereich angesiedelt werden? Diese Fragen würden auf uns zukommen. Da genügt nicht der Hinweis auf eine lichtere Zukunft. Brecht hat leider recht: "Erst kommt das Fressen, dann die Moral.", auch die politische. Das sind Erfahrungen, die ich während meiner aktiven Zeit als Parteiführer gemacht habe. Ich gebe zu, sie stehen mir im Wege, wenn es um weitreichende ideologische Planungen geht. Aber bei dem Lernprozeß mache ich Fortschritte.

MAHLER: Na ja, Herr Schönhuber, ich hab das eigentlich schon gesagt. So, wie die Republik heute verfaßt ist, mit diesen Parteien und mit diesem Parteiensystem, ist die politische Klasse nicht in der Lage, selbst bei bestem Willen nicht, die Arbeitslosigkeit, die

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Frage der Überfremdung, die Rentenreform usw. anzupacken und eine wirklich überzeugende Politik zu machen. Es bedarf der Veränderung unserer politischen Struktur: daß das Sonderinte­resse zurückgedrängt wird, daß nicht länger der Mensch der Wirtschaft dient, sondern die Wirtschaft der Volksgemeinschaft und damit auch den Menschen. Ich habe auf all diese Fragen, die man mir da stellt, persönlich als Horst Mahler eine Antwort. Aber ich sage: wir vereinen uns auf dem gemeinsamen Nenner, den wir haben. Andere mögen in der Frage der Arbeitslosigkeit, in der Frage der Überfremdung andere Auffassungen haben, das soll uns nicht trennen bei der Verfolgung des Zieles, eine Nationalver­sammlung herbeizuführen.

SCHÖNHUBER: Mir wäre es lieber, Sie würden Ihre sehr gute Argumentationskette über Arbeitslosigkeit und ihre Überwindung den Menschen nahebringen, denn das, was Sie da gesagt haben, auch mit der Parallelgesellschaft, das ist sehr überzeugend. Das werden die Leute ja annehmen. Warum sollte man diese wesentli­chen, auchfür eine Wahl notwendigen Probleme, nicht in einem Programm ansprechen, das letztlich als Ziel die Nationalver­sammlung hat und die Änderung der Veifassung usw. Aber wir müssen zunächst mit dem realen Menschen rechnen, der ganz reale Bedürfnisse hat, der ganz reale Forderungen hat, für den ist das Ziel allein etwas nebulos. Da kann er sich zu ...

MAHLER: Ja, das was Sie gerade als Einwand formuliert haben, macht mir klar, wo man eine notwendige Unterscheidung anbrin­gen muß. Natürlich wird man die Notwendigkeit, daß die Deut­schen endlich eine Nationalversammlung brauchen, einsehbar machen mit dem Argument: so wie die Republik heute verfaßt ist, sind die Lebensfragen Arbeitslosigkeit und Rentenfrage nicht zu lösen. Dann wird man natürlich sagen: deshalb brauchen wir eine Nationalversammlung. Aber da wird man auch sagen, was konkret dann anders gemacht werden könnte. Ich habe bereits auf das Hundert-Tage-Programm von Reinhold übedereher hingewiesen. Man muß wissen, was man will. Und dann muß man sich

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MAHLER: Asylrecht ist das Todespro­gramm für das deutsche Volk!

überlegen, was das für Konsequenzen hat. Und dann soll man auch konsequent handeln, denn nur konsequentes Handeln gestaltet die Politik so, wie man es sich vorstellt. Nur ein Beispiel: Die Arbeits­losigkeit und die Überfremdung sind zwei Probleme, die mitein­ander zusammenhängen. Kohl hatte das 1982 schon erkannt. Auch mit Rücksicht auf die Arbeitsplatzsituation hat er damals erklärt: "Wir haben zu viele Türken im Land. Die Türken müssen zurück." Helmut Schmidt hat 1992 in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau gesagt: "es ist ein Wahnsinn, was wir hier machen mit der Asylpolitik. Das kann keinem Volk auf Dauer zugemutet werden, auch dem Deutschen nicht, daß die Fremden in die Deutschen Wohnquartiere kommen, auf die Schulhöfe ... Was hindert uns, - so fragt er - die Asylanten, die Asylsuchenden in Lagern unterzubringen, solange ihr V erfahren läuft und dann sie auch wieder zurückzuschicken, wenn sie nicht anerkannt werden." Das, was jetzt aus dem Asylrecht geworden ist, ist ein Todespro­gramm für das Deutsche Volk. Da wird man offen darüber reden. Ich bin absolut dagegen, den Leuten was zu versprechen, wo man sicher sein kann, man kann es nicht halten. Man muß die Menschen respektieren, d. h. in erster Linie ihren Anspruch auf Wahrheit erfüllen. Ich kann mir eine Politik mit Lügen gegenüber dem eigenen Volk nicht vorstellen. Dann sag ich auch: Das wird sich zeigen, das weiß ich noch nicht. Das müssen wir gemeinsam beratschlagen." Das ist viel produktiver, als wenn ich mich hin­stelle und sage: "Ich hab ja für alles eine Lösung, Ihr müßt mich nur wählen, dann wird alles gut." Wir werden die Grundlagen diskutieren und dann auch die grundsätzlichen Lösungen dieser Probleme benennen und sagen: "Wir stellen uns das so vor, das Problem muß noch studiert werden, wir brauchen dazu die Infor­mationen, die nur die Regierung in ihren Panzerschränken hat" usw.

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SCHÖNHUBER: Green card- eine Be­leidigung für deutsche Arbeiter

SCHÖNHUBER: Wir könnten uns annähern, wenn ein Block der Deutschen nicht einbeinig wäre. Sie haben eben selbst Lösungs­ansätze zur Überwindung der Arbeitslosigkeit angedacht und Zusammenhänge aufgezeigt. Sie wollen den Kampf gegen die Überfremdung aufnehmen und reißen den Gutmenschen die Mas­ke vom Gesicht. D 'accord! Wir sind uns auch einig, daß wir unsere Vergangenheit so darstellen müssen, wie sie war, und nicht durch eine Interpretation aus heutiger Sicht ersetzen. Erst Fakten, dann Interpretationen. Es stimmt auch, wenn Sie sagen, lösen wir das Problem der Überfremdung, kommen wir auch einer Überwin­dung der Arbeitslosigkeit der Deutschen näher. Aber dies sollte nicht so geschehen, wie es der Herr Sehröder heute macht, indem er aus Asien ein paar Tausend Computer-Experten einfliegen läßt, weil wir zu doof oder zu blöd sind. Das ist eine Beleidigung der deutschen Arbeiter und eine Begünstigung der Unternehmer, die aus dieser Situation Honig saugen werden.

MAHLER: Ist auch ein Armutszeugnis ftir das deutsche Bil­dungssystem. Überhaupt benimmt sich die Regierung wie ein Handelsvertreter. Sie vertritt die Interessen des "Wirtschaftsstand­orts Deutschland". Was ist das? Wo bleiben die Menschen, die hier ihre angestammte Heimat haben? Es geht um die Heimat der Deutschen. Das Deutsche Volk in seiner Eigenart auf Deutschem Boden zu erhalten, ist oberstes Ziel der Deutschen Politik. Wenn unser Volk schrumpft, darf das nicht heißen, daß wir unsere Heimat anderen Völkern anzubieten haben. Auch 50 oder 40 Millionen Deutsche - statt bisher 80 Millionen - wollen in unserem wunder­schönen Land in Deutscher Umgebung unter sich sein. Wenn unser Bildungssystem nicht mehr die Fachleute hervorbringt, die wir benötigen, dann muß sich etwas am Bildungssystem ändern. Das geht aber nur, wenn sich das Regierungssystem ändert.

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SCHÖNHUBER: Hat das Volk die Regierung, die es verdient?

MAHLER: So ist es. In dieser Erkenntnis liegt auch die Rück­beugung des Problems auf einen selbst. Diejenigen, die sich als unsere Regierung aufspielen, sind heute eine negative Auslese dadurch, daß sie in einem System aufgestiegen sind, dessen Prinzip die Korruption und das darüber hinaus gegen unser Volk gerichtet ist. Wer sich an dieses System verkauft, gibt sein Erst­geburtsrecht als Deutscher dahin für ein Linsengericht, das Feind­mächte für den Verrat am Deutschen Volk darbieten. Dieses Volk läßt sich im Wohlstandstaumel diesen Verrat noch gefallen - aber nicht mehr lange. Überall regt sich Widerstand. Der ist erst nur indirekt wahrnehmbar: in den hysterischen Ausbrüchen "unserer" Politiker und der Medien über die steigende Flut vermeintlich rechtsextremistischer Umtriebe. Unser Volk beginnt, sich wieder Gedanken über seine Lage zu machen. Aber immer noch gilt: Die meisten motzen nur. Das ist die Haltung des Pöbels. Es kommt darauf an, den Pöbel wieder in eine Volksgemeinschaft zu über­führen.

Das Pöbelhafte, das jetzt triumphiert, ist nur eine Oberflächener­scheinung des tiefreichenden gesellschaftlichen Verfalls. Es wird von unserem Volke abfallen und der Volksgenosse und Staatsbür­ger wieder zum Vorschein kommen, wenn die hinter dem Horizont lauernde Not unseres Volkes eine besser wahrnehmbare Gestalt annimmt- z.B. durch einen Zusammenbruch der globalen Finanz­märkte.

SCHÖNHUBER: Es geht nur noch um eine Kritik am System. Wenn man sich scheut, von einer Systemkritik zu sprechen, hat man praktisch schon seinen Platz in der Politik verloren, jede Aussicht auf Besserung verspielt. Denn dann geht's nur noch um Details. Und Sie wissen, die Marxisten haben einen Spruch, z. B. in der Kommunalpolitik: "Jede Stärkung im Detailführt zu einer Verfestigung des Ganzen." Also selbst wenn ein Vertreter einer patriotischen Partei einen guten kommunalen Ansatz hat, dann kassieren den Erfolg die Etablierten, weil sie halt die Stärkeren

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SCHÖNHUBER: Wer die Vergangen­heit nicht bewältigt, hat keine Zukunft

sind und in den Medien die Verankerten sind. Und letztlich geht es auch darum, die Vergangenheit ehrlich zu bewältigen.

Ich habe da eine sehr bizarre Theorie. Der Hoffnungsschimmer besteht für mich darin, daß es zu einer Allianz gekommen ist oder zu kommen scheint zwischen den Großvätern und den Enkeln gegen die umerzogenen Söhne. Wenn man die Großväteraktiviert und sagt, erzählt mal, wie es war und wie es sein könnte, dann werden die Enkel zuhören. Insofern setze ich auf die Enkelgene­ration, konkret gesagt auf die jungen Menschen. Und das zeigt sich ja auch, daß die jungen Menschen von heute nicht mehr bereit sind, wie die Mitte/generation, die umerzogene, alles hin­zunehmen, was man ihnen vorplappert. Grundsätzlich gilt der Spruch: Wer die Vergangenheit nicht bewältigt, hat keine Zu­kunft.

MAHLER: Meine Hoffnung ist unerschütterlich, weil mir das Rettende zur Gewißheit geworden ist. Denn: Indem ich etwas als schlimm und gefährlich empfinde, wirkt in mir- wie in allen anderen, die ebenso empfinden - schon ein Bild des Besseren, das die Not wenden und an die Stelle des Vorhandenen treten will. In dieser Einsicht in die Notwendigkeit liegt die Kraft, die unser Volk vom Abgrund zurückreißen wird. Diese Kraft liegt in uns - in jedem von uns - als der Geist, der uns beseelt. Wenn er zu sich selbst findet, ist nichts, was ihm widerstehen könnte.

Die materiellen Kräfte, die unsere Existenz bedrohen, gehen aus bestimmten geistigen Kräften hervor: aus dem Mammonismus. Dieser ist die extreme, ja geradezu tödliche V eräußerlichung unseres Wesens. Das wird jetzt erkannt, weltweit. Im Zusammen­bruch des mammonistischen Systems erfolgt die Rückbesinnung auf uns selbst, auf die Frage: Wer bin ich? In der Antwort liegt,

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MAHLER: Finale Krise des Systems

daß wir nicht länger Götzendiener des Goldenen Kalbes sein können. Wir werden den Tanz von 1929/1933 noch einmal durchleiden - dank der Katastrophe von 1941 bis 1945 diesmal mit einem glücklichen Ausgang.

SCHÖNHUBER: Also, ich werde jetzt etwas sagen, was den Rechten nicht so sonderlich schmeckt. Zunächst einmal gehe ich davon aus, daß in der heutigen Zeit der Historiker Treitschke nicht recht hätte, als er damals meinte, am deutschen Wesen würde die Welt genesen. So sind wir nicht verfaßt, derzeit. Ich glaube auch, daß die zwei Weltkriege zu einem schweren Substanzverlust ge­führt haben in unserem Volk. Aber das ist nicht das Entscheidende. Also ich meine so, man muß die Menschen so nehmen wie sie sind, man soll sie weder dämonisieren noch idealisieren. Es ist so, daß in einem guten, menschlichen System man die menschlichen, guten Eigenschaften aktivieren kann, gestalten kann. In einem schlech­ten System ist das Gegenteil der Fall. Ich möchte hier ganz kurz, weil Sie, Herr Mahler, von Ihrer Betroffenheit sprachen, und ich, historisch gesehen, von meiner,folgendes anmerken. Ich habe die Waffen-SS als Elite erlebt. Nicht kritiklos, aber sie ist und bleibt für mich eine politisch mißbrauchte und militärisch verheizte soldatische Elite. Aber, und das ist mein Eindruck, sind die Deutschen ungeheuer tapfer im kriegerischen, im militärischen Sinne, doch in punkto Zivilcourage hinken sie anderen Völkern hinterher.

Ich wundere mich noch heute, wie einfach manchen als BitZer­verehrer bekannten Leuten der Übergang zu den neuen Herren gelang. Wie aus Leuten, die bei der NAPOIA, der nationalpoliti­schen Erziehungsanstalt waren, dann plötzlich und sozusagen über Nachttreue Staatsdiener und Vorzeigedemokraten geworden sind. Vielleicht sollte ich hier ein paar Namen nennen, damit die Leute wissen, wovon ich rede. Ich denke an Hanns-Martin

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Schleyer, ehemals SS-Ojfizier, heute gibt es Hallen, die nach ihm, der in der Bundesrepublik ein bedeutender Wirtschaftsführer ge­worden war, benannt wurden. Das ändert selbstverständlich nichts an meiner Verachtung und Verurteilung seiner Ermordung. Es gab in Nordrhein-Westfalen einen SPD-Minister, einen Kultus­minister gar, der war bei der Waffen-SS. Sein Name Jürgen Girgensohn. Sein Parteifreund Günther Samtlebe, Offizier der Waffen-SS, war lange Jahre Oberbürgermeister von Dortmund und überbot sich in antifaschistischen Bekundungen. Dann fällt mir der Name eines weiteren "Genossen" ein, der des einstigen NAPOLA-Absolventen, Soldaten bei der SS-Leibstandarte Adolf HitZer und späteren Vorstandssekretär beim DGB, Richard Becker, der befragt, warum er dies verschwiegen hatte, antworte­te: "Man hätte mich ja nirgendwo drangelassen, hätte man von meiner SS-Mitgliedschaft gewußt." Außerdem verriet er, er habe Angst gehabt, seinem jüdischen Chef Ludwig Rosenberg in die Augen zu schauen, wenn er seine SS-Vergangenheit gebeichtet hätte. Becker brachte es bis zum Intendanten des Deutschland­funks. Aber die Wendehälse gab es nicht nur bei der SPD. Ich erinnere an das CDU-Mitglied und Chefredakteur des "roten" WDR, Theo M. Loch. Auch er bei der Leibstandarte und Offizier gewesen. Als ich ihn nach einem schrecklichen Kommentar gegen die Waffen-SS und mich aus dem WDR anriefund mich beschwer­te, da sagte er lediglich: "Warum mußten Sie das Ganze wieder aufrühren, es schadet doch nur uns allen." Mit anderen Worten, wir haben doch ganz gut gelebt in der Camouflage. Auch der ehemalige Schatzmeister der CSU, Karl Heinz Spielker, war Of­fizier der Waffen-SS und sogar für Rassefragen mit zuständig, brachte es in der Industrie zu einflußreichen Posten. Mir geht es nicht darum, diese Leute bloßzustellen, aber ihre Feigheit gehört zum System der Bundesrepbublik.

Da lobe ich mir den CSU-Minister "Jonny" Klein, der machte keinen Hehl aus seiner "NAPOLA-Zeit" und sagte nur einmal scherzhaft zu mir: "Du scheinst der einzige gewesen zu sein, der in der Waffen-SS war." Sein NAPOLA-Kollege, der ehemalige Chefredakteur der liberalen "Zeit", Theo Sommer, mutierte dage-

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gen zum Bewältigungsapostel. Die Bundeswehr fällt mir ein. Als der schändlich behandelte General Kießling während seines Auf­enthaltes im Münchner Krankenhaus der Bundeswehr mich in meiner Wohnung besuchte und mir und meiner Familie seine Enttäuschung über die Haltung mancher Offiziers- "Kameraden" zum Ausdruck brachte, fragte ich ihn, ob es denn in der Bundes­wehr höhere Offiziere gegeben habe, die bei der Waffen-SS waren, da nannte er drei Generäle. Ich entdeckte später einen vierten. Er war kurzfristig Mitglied der Republikaner gewesen. Ichfrage mich noch heute, wie konnten die Leute dies aushalten in einem Umfeld, in dem die ehemaligen Kameraden geächtet waren?

MAHLER: Der kleinste Widerspruch hätte sofort zur Folge gehabt, daß diesen Leuten ihre Vergangenheit vorgehalten wird und dann wären sie draußen. Das System braucht diese Kreaturen, um so zu funktionieren, wie es funktioniert hat bis jetzt. Und jetzt kommt es in seine finale Krise.

Man muß diese Heuchelei mal auf sich wirken lassen: Wie konnte denn ein Schleyer als hoher SS-Offizier, der an der Aus­raubung von Böhmen und Mähren führend beteiligt war, nach dem Zusammenbruch innerhalb von fünf Jahren aufsteigen zur Nr. 1 der deutschen Industrie?

SCHÖNHUBER: Wie konnte ein Herr Adenauer einen Herrn Globke nehmen?

MAHLER: Das ist die menschliche Frage. Aber das ist doch interessant, daß Sie hier sagen, ja, ja, aber so ist die Bundesrepu­blik konstruiert worden. Man hat sich diese belasteten Menschen genommen, weil sie erpreßbar sind.

SCHÖNHUBER: So ist es.

MAHLER: Das sind Handlanger der Besatzungsherrschaft Die Sieger haben sich dieser Leute bedient, um die Vasallität der Bundesrepublik zu zementieren bis auf den heutigen Tag, ohne

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selbst in Erscheinung treten zu müssen. Sie hätten genau den Zeitpunkt bestimmen können - so sagten

Sie in einem Gespräch - zu dem das System Sie fallen lassen würde, nämlich als vonjüdischer Seite gefordert worden war, daß Sie aus dem Medienbetrieb auszuscheiden hätten.

Darin zeigen sich Machtstrukturen und Machtverhältnisse, die für uns bestimmend sind. Dort ist tatsächlich eine eigentlich nicht faßbare, aber um so wirksamere Macht etabliert. Und wir müssen uns überlegen, wie wir uns zu dieser Tatsache verhalten wollen.

SCHÖNHUBER: Das ist richtig. Und es ist eine Frage des Zeitpunkts. Die Deutschen von damals, von 1945, sind nicht mehr zu vergleichen mit den Deutschen von heute. Ein Beispiel. Ich war Kriegsgefangener in Schleswig. Wir waren von den Engländern kaserniert. Es gab aber nur einen relativ kleinen Zaun, der uns von der Bevölkerung trennte. Jeden Tag standen die Frauen dort und warfen uns Pakete hinein und suchten Gespräche. Und ich muß zur Ehre der Engländer sagen, sie waren human genug, daß sie das also quasi treiben ließen. Das wäre unvorstellbar, daß die umerzogenen Deutschen von heute so handeln würden. Es war in der unmittelbaren Nachkriegszeit auch noch möglich, bestimmte Dinge auszudiskutieren. Ich kann mich erinnern, Hans Werner Richter, der Gründervater von der Gruppe 47, stand auf einem ganz anderen politischen Standpunkt als ich. Aber wir konnten miteinander freundschaftlich diskutieren. Wir konnten auch noch miteinander streiten, ohne daß der eine den anderen gleich mit der Auschwitz-Keule kaputt- oder totgeschlagen hat.

Insofern glaube ich, daß die jahrzehntelange Umerziehung tat­sächlich die Deutschen umerzogen hat und es kommt noch ein weiteres dazu. Übergangslos sind Millionen Deutsche in der DDR von einer braunen Diktatur in eine rote Diktatur geglitten. Also, erst haben sie das Hit/er-Reich erlebt und dann haben sie das "Ulbricht- und Honecker-Reich" erlebt. Ein halbes Jahrhundert drangen auf die Deutschenfremde und sie demütigende Einflüsse ein. Und das Resultat sehen wir heute in den Medien, in der Politik und wo auch immer.

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MAHLER: Haben Sie jetzt nicht zwei Dinge, die nicht zusam­menpassen, zusammengebracht? Gerade, daß der Teil unseres Volkes, der in der sowjetischen Besatzungszone lebte, von der Umerziehung so nicht betroffen war, ist für mich eine große Hoffnung. Unsere Mitteldeutschen Landsleute sind innerlich nicht so stark deformiert wie wir, die wir diesen Prozeß mit allem psychologischen Raffinement durchlaufen haben, ohne daß wir uns das überhaupt klargemacht haben, was mit uns passiert. Auch deswegen tritt jetzt in Erscheinung, daß es trotz Vereinigung dieser beiden Teilstaaten des Deutschen Reiches wir noch zwei mental unterschiedlich strukturierte Bevölkerungen sind, die ein Volk bilden. Dieser Prozeß ist hoch interessant. Wir werden es erleben, daß die Menschen in der ehemaligen DDR sehr viel schneller die Notwendigkeit einer starken Nation als Rahmen einer zu hegenden Volkswirtschaft, also als Schutz gegen die Globalisierung in den Vordergrund stellen, als im ehemaligen Westen. Insofern ist die Nachwirkung der Teilung eine riesige Chance für unser Volk.

Im ehemaligen Westen haben 50 Jahre Umerziehung schlimme Spuren hinterlassen. Aber die Kraft, sich geistig zu regenerieren und dann auch wieder etwas zu sein, die steckt immer noch in uns. Wir wachen jetzt auf.

An mir selbst habe ich erfahren können, wie schnell die Klärung der Gedanken vor sich gehen kann. Es reicht dazu, den Vorhang der Geschichtslügen über unser Volk nur ein wenig zu heben.

Sobald der Blick frei wird für das geopolitische Intrigenspiel Großbritanniens (1. Weltkrieg) und der USA (II. Weltkrieg), das nur das eine Ziel hatte: Zerstörung des Deutschen Reiches für immer, wird die sich in diesen Tagen ständig steigernde Greuel­propaganda gegen Deutschland eine Schubumkehr erfahren. In unserem Volk wird eine unbändige Wut gegen die Verleumder aufsteigen. Diese konstruktiv zu wenden, d.h. daraus eine Kraft zur Gestaltung einer neuen Politik zu machen, wird die schwie­rigste der vielen schwierigen Aufgaben sein, vor denen wir ste­hen.

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MAHLER: Wir waren nie ein Volk der Täter!

SCHÖNHUBER: Also ich freue mich, Herr Mahler, daß Sie etwas gesagt haben, was ich in meinen Reden als Parteivorsitzen­der immer wieder betont habe, daß beispielsweise die Menschen in Mitteldeutschland weit weniger russifiziert worden sind als wir amerikanisiert worden sind. Das ist ein Faktum: Gut, da stimme ich Ihnen bei. Aber, daß man natürlich den Leuten dort drüben ein Gefühl vermittelt hat, Du mußt Dich anpassen, Du mußt in gewis­sem Sinne auch opportunistisch sein, das läßt sich wohl nicht bestreiten.

MAHLER: Ja, weil die Machtverhältnisse so waren. Die Deut­schen lebten und leben noch unter Fremdherrschaft. Die Anpas­sung an die Welt der Sieger ermöglichte unserem Volk das Über­leben. Nachdem das geschafft ist, steht jetzt die Befreiung auf der Tagesordnung.

SCHÖNHUBER: Fremdherrschaft.

MAHLER: Wir waren nie ein Volk der Täter. Die Verbrechen das Deutschen Reiches, die mit aller Schärfe - aber bitte nicht einseitig - kritisiert und auch verurteilt werden müssen, sind im Geheimen verübt worden, waren nicht allgemeines Wissen des deutschen Volkes. Im Gegenteil. Wer darüber Informationen nach außen getragen hat, hat seinen Kopf verloren. Es galt das Heim­tücke-Gesetz.

Was der Herr Goldhagen als Erfolg der Umerziehung feiert, das ist eine schlimme Geisteskrankheit, die unser Volk befallen hat.

Der" gutmenschliche Blick" auf die Welt und die Geschichte, die moralisierende Betrachtungsweise, ist intellektuell abartig, schlimmer noch: er macht uns unfahig, die Welt so wahrzunehmen

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wie sie ist. Das ist kreuzgefährlich. Hat er uns doch schon dazu gebracht, den Angriffskrieg der US-Ostküste gegen Serbien mit­zumachen und dabei das Gefühl zu haben, daß wir damit etwas Gutes tun.

SCHÖNHUBER: Das kann man sogar auch durch Beispiele untermauern. Ich möchte auf einen Punkt besonders hinweisen. Immer wenn man sagt, in Deutschland ist Schlimmes passiert, das ist bedauerlich. Und dann hinzufügt, aber wir vergessen auch Dresden nicht, wir vergessen auch die schrecklichen Vorgänge in den polnischen KZs nicht, dann heißt es sofort, aber das ist Aufrechnung. Ich bekenne mich sogar ausdrücklich zur Aufrech­nung. Denn wenn man nicht eine andere Rechnung, eine Gegen­rechnung aufstellt, bleiben wir auf unserer Rechnung lebensläng­lich sitzen und zahlen die Zeche allein.

MAHLER: Deswegen macht man auch diesen Vorwurf ..

SCHÖNHUBER: Aber ich werde die innere Erschütterung nie vergessen, als wir in Dresden in einem nächtlichen Schweige­marsch zum Denkmal der Trümmerfrauen marschiert sind. Und gleichzeitig haben wir gehört, daß beispielsweise der Herr Sehrö­der dort auftrat und junge, couragierte Menschen aufgestanden sind und ihm ein Transparent entgegengehalten haben, wo drauf­stand, das war kein Krieg, das war Mord. Es war typisch, daß dieses Transparent nach ein paar Minuten verschwand und die jungen Leute für ein paar Stunden inhaftiert worden sind. Wir dürfen das nicht sagen. Deshalb lügt man auch permanent die Opferzahlen in Dresden herunter, verschweigt in infamer Weise, daß neben dem Abwurfdatum der Atombombe, neben Hiroshima und Nagasaki, Dresden das größte Kriegsverbrechen auf feindli­cher oder auf der anderen Seite war. Das müssen wir den Men­schen sagen. Wir müssen sie unentwegt daran erinnern, denn sonst bleiben wir in der Tat nur als das, und Sie haben das richtig ausgeführt, als das "Tätervolk von Auschwitz" in der Weltge­schichte vorhanden.

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MAHLER: Sie haben gestern eine gute Formulierung über die moralische Qualität der Menschen damals und heute geäußert. Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern?

SCHÖNHUBER: Ich erinnere mich sehr genau, und ich weiß, ' daß das natürlich sicher nicht gut ankommt in der heutigen Zeit, zumindest nicht bei den Medien. Ich behaupte, daß das deutsche Volk im Dritten Reich moralisch gefestigter war und sittlichen Anfechtungen viel mehr Widerstand entgegengesetzt hat, als das heute der Fall ist.

Ich bin Zeitzeuge. Man komme mir jetzt nur nicht mit dem Vorwurf einer Bejahung des Nationalsozialismus. Das wäre eben­so absurd wie falsch. Aber man hatte nun einmal sittliche Vorstel­lungen, die eine Frau in der Werbung nicht als Beute sexgieriger Machos darstellte, sondern als achtenswerte Partnerin und Mut­ter zukünftiger Kinder. Hierin düiften mir auch jene Menschen zustimmen, die dem Nationalsozialismus ablehnend gegenüber standen.

Ich räume auch gerne ein, daß den Frauen und Mädchen im NS-Staat eine Rolle zugewiesen worden war, die der Selbstver­wirklichung im heutigen Sinne wenig Raum ließ. Aber ich wage zu behaupten, unglücklich waren die Frauen und Mädchen deshalb nicht. Und es gab genügend intelligente und attraktive Frauen, die das braune "Korsett" sprengten und sich nicht mit einer dem Manne untergeordneten Rolle begnügten. Und ich stimme weiter Herrn Mahler zu, daß von den Verbrechen des Dritten Reiches die Masse der Bevölkerung nichts gewußt hat. Wer heute etwas anderes behauptet, hat keine Ahnung davon, wie gut es der NS­Staat verstand, unangenehme Begleiterscheinungen des Regimes zu verschleiern. Ich möchte das konkretisieren. Ich nehme es auf meinen Eid, daß ich als Kriegsgefangener erstmals in meinem Leben das Wort Auschwitz gehört habe.

MAHLER: Also nie was von Auschwitz gehört zu einer Zeit, als Widerstand dagegen möglich gewesen wäre?

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SCHÖNHUBER: Nein. Und wir glaubten das auch nicht. Wir

hi:::::~~:::::g=n:::: ::::h::h:: ;~~-gläubig-nationalsozialistischen Familie aufgewachsen. Mein Va­ter, ein Zahnarzt, war kein Funktionsträger des Systems, kein Nutznießer, ist sogar mal aus der NSDAP ausgeschlossen worden, todunglücklich darüber ist er später wieder aufgenommen worden. Diese Familie war unmittelbar betroffen von einem Gewaltverbre­chen der damaligen Machthaber: Der Bruder meiner Mutter, ihr Abgott, ist von der Schwarzen SS erschossen worden. Er war Adjutant des schlesischen SA-Führers Heines und als solcher im Zuge des sog. Röhmputsches auf die Proskriptionsliste geraten. Dieses Ereignis hat in meiner Familie nicht zum Zweifel an Hitler geführt. Der Führer habe das nicht gewußt, hieß es.

Es wirkte im Deutschen Volk - wie in allen Völkern - eine auswählende Wahrnehmung. Wahrgenommen wurde im wesent­lichen nur das, was den geweckten Hoffnungen und Erwartungen entsprach. Wer wollte bestreiten, daß das Regime bis 1941 überaus positive Bilanzen vorlegen konnte. Die Schattenseiten wurden selbst dann, wenn sie extrem schmerzten, in die zuversichtliche Gestimmtheit einbezogen. Sie haben es ja noch erlebt: Jene Men­schen - unsere Mütter und Väter - sind ja aus tiefer Not und Verelendung, auch innerer Verelendung, herausgerissen worden in eine Begeisterung, für die die Geschichte kein Beispiel kennt. Als sich jene Menschen dieser Begeisterung hingaben, kannten sie noch nicht das Ende. Und was haben diese Menschen in ihrer Begeisterung innerhalb kürzester Zeit vollbracht! Innerhalb von nur vier Jahren haben sie eine völlig zerrüttetamBoden liegende Wirtschaft wieder aufgebaut, sechs Millionen Arbeitslose wieder in die Produktion eingereiht und die Gesundheit der arbeitenden Bevölkerung auf ein Niveau angehoben, das in Industrienationen bis dahin unbekannt war. Wer nicht die geistige Kraft aufsucht, die in diesem Aufbauwerk ihren Ausdruck gefunden hat, der versteht nichts von der Geschichte der Deutschen.

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SCHÖNHUBER: Ich kann Ihnen das dazu ergänzend sagen. Sie sprachen davon, daß es 1933auch eine gewisse Erlösung war nach dem Zusammenbruch der Weimarer Republik und den Umständen. Ichfinde es ungeheuerlich heute, insbesondere in den Feuilletons, unentwegt von den sogenannten goldenen 20er Jahren lesen zu müssen. Für wen waren denn die 20er Jahre golden? Für ein paar Künstler, für Rechtsanwälte und auch zum Teil Ärzte, aber die Masse des Volkes hungerte. Und wenn man heute sagt, na ja, Arbeitslose gibt' s auch jetzt. Da kann ich nur sagen, das Los der Arbeitslosen in der Weimarer Republik ist nicht zu vergleichen mit dem Los der Arbeitslosen heute. Die Leute haben gehungert, um das sehr deutlich zu sagen, daß ihnen der Magen permanent knurrte. Und deshalb von einem Bild, einem wunderbaren Staat, Weimarer Republik zu sprechen, ist ein Hohn für diejenigen, die darin leben mußten.

MAHL ER: Es war ja nicht nur die materielle Not. Die war schon schlimm genug und ging wirklich auch an die Existenz. Die Leute sind ja auch zu Tausenden am Hunger gestorben, gerade die alten. Aber schwerer noch wog der moralische Verfall, die Dekadenz, die so schlimm als Lebenssituation gerade der einfachen Leute war. Es war der totale Verlust der Solidarität, die ja ein Volk, eine Volksgemeinschaft, ausmacht. Man gehörte eben zu denen, die das Schicksal benachteiligt; zu den "Loosem", würde man heute sagen. Nach der calvinistischen Doktrin sind das eben die, die kraft Vorbestimmung nicht in der Gnade Gottes stehen. In der Weimarer Systemzeit brach wohl zum ersten Male die angelsächsische bzw. anglo-amerikanische Gefühlskälte über die Deutschen herein. Die moralische Degradierung, die in dieser Situation durch die Verwei­gerung der Volkssolidarität die Menschen zu Boden drückte, war nicht zu ertragen. Das hat natürlich zu dieser Gegenbewegung mit dem Ziel der Wiederaufrichtung der germanischen Volksgemein­schaft geführt, die aus den reinsten Quellen gespeist war.

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SCHÖNHUBER: Ich diente in einer Ar­mee, die die erste europäische Armee auf freiwilliger Basis war

SCHÖNHUBER: Ich würde nicht sagen, immer aus den reinsten Quellen, aber auch aus den reinsten ...

MAHLER: Ich habe nicht gesagt: ausschließlich. Aber die Hauptkraft der Bewegung kam von daher.

SCHÖNHUBER: Was das Volk angeht, ja. Und es war auch ein Aufschrei, als dann diese Epoche unserer Zeit, nämlich die Wei­marer Republik, ad acta gelegt worden ist. Das war, man kann es drehen und wenden wie man will, Volkeswille. Und es war nicht so, daß wir alle, die wir diese Zeit erlebt haben, mit einem Maulkorb herumgelaufen wären. Ich habe in der Waffen-SS politische Diskussionen erlebt, kontra­

die weit über das hinausgingen, was man heute als

Unterscharführer der Waffen-SS im 2. Weltkrieg

Diskussions-Kultur so mitbe­kommt. Ich diente in einer Ar­mee, die die erste europäische Armee auf freiwilliger Basis war. Sie wissen, die Hälfte der Soldaten der Waffen-SS waren keine Deutschen. Sie waren Ausländer, wie man so schön heute sagen würde, von Finn­land angefangen bis Spanien. Und ich war in einer französi­schen Division Charlemagne. Ich war Dolmetscher und Aus­bilder. In dieser Division waren Royalisten, Napoleoniden, wa­ren Vichyisten, waren Petaini-

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MAHLER: Die Leute haben Angst das zu sagen, was sie denken

sten, waren Milizionäre, und alle waren politisch anders gewich­tet. Da war nur ein Ziel: Der Kampf gegen den Bolschewismus. Und hier gab es Diskussionen mit einer Leidenschaft, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Ich kann mich erinnern, als eine Weihnachtsfeier anstand. Da hingen die einen die Bilder von Petain auf, die anderen hingen die Bilder von Doriot auf und die dritten die Bilder von Napoleon. Das war eifülltes, pralles, politisches Leben. Davon zehre ich heute noch.

MAHLER: Und was ist heute? Wenn ich mich in unserem Lande umsehe, finde ich überall Duckmäusertum. Wir sind aufraffinier­tere Weise einem ungeheuren Druck ausgesetzt. Die Leute haben Angst, das zu sagen, was sie denken. Ich erlebe das immer wieder: unter vier Augen bekomme ich erstaunliche Dinge zu hören, die aber von den Konfidenten weder im Freundes- noch im Kollegen­kreis wiederholt werden. Sie fürchten, als Ketzer geächtet zu werden. Der Zeitgeist wütet in den Köpfen wie ein eifersüchtiger Gott. Die Inquisition bedarf der Scheiterhaufen nicht mehr, weil die medial verstärkten Ausgrenzungsmechnismen viel zuverlässi­ger den Gleichklang der zur Schau gestellten Überzeugungen sicherstellt. Das wirkt in der Familie, im engsten Freundeskreis, aber erst recht in der beruflichen Sphäre, wo abweichende Mei­nungen sofort als Waffe in den Konkurrenzkampf eingebunden werden. Dieser scheinbar "sanfte" Totalitarismus ist noch nicht hinreichend als Unterdrückung erkannt.

SCHÖNHUBER: Und eine vielleicht sogar gefährlichere. Wis­sen Sie warum? Im Dritten Reich kannte man in etwa die Grenzen, wie weit man gehen kann. Man wußte genau, wenn man diese Grenze überschreitet, hat man mit Folgen zu rechnen. Heute sind das keine richtigen Grenzen mehr, deutlich erkennbare Grenzen.

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Das sind Fäden, die man gar nicht erkennt. Das sind Stolpersteine. Und schon ist man drin in der Falle. Und insofern sage ich noch mal, wenn man mir erzählen will, wir lebten im freiesten Staat unserer Geschichte, da kann ich nur lachen.

MAHLER: Die Österreicher haben - was die Presse betrifft -dafür den Begriff der "Nachzensur" geprägt. Früher war es so, da mußte man seine Artikel dem Zensor vorlegen, und der hat dann leicht rumgestrichen und dann gab es diese berühmten schwarzen Stellen. Man wußte danach: der Text ist in Ordnung, die Veröf­fentlichung birgt kein Risiko. Heute sagt einem keiner, was man darf und was man nicht darf. Aber man kriegt hinterher mit dem Staatsanwalt zu tun, und dann geht man auch dafür ins Gefängnis. Man hat vor kurzem die Verjährungsfrist für Pressedelikte auf fünf Jahre erhöht, vorher betrug sie sechs Monate. Noch nach fünf Jahren kann ein beliebiger Staatsanwalt- wie jener unselige Herr Klein in Mannheim - einen veröffentlichten Text zum Anlaß nehmen, Ihnen "die Bude auf den Kopf zu stellen" und Sie für Jahre hinter Gitter zu bringen. Die meisten Bürger schlafen noch. Sie wissen nichts von der politischen Zensur, die unter dem Deckmantel des Jugendschutzes ausgeübt wird, nichts von den Bücherverbrennungen, die in der Bundesrepublik zu etwas All­täglichem geworden sind. Sie glauben noch, daß bei uns Mei­nungsfreiheit herrscht, obwohl Äußerungen zu den uns als Volk betreffenden Gefahren umstandslos als "nationalsozialistische Propaganda" oder als "Volksverhetzung" oder als "Verunglimp­fung des Staates" etikettiert und mit hohen Freiheitsstrafen belegt werden.

SCHÖNHUBER: So ist es. Aber das kommt daher, daß wir ein gespaltenes Verhältnis zu unserer Geschichte haben und jähen Systembrüchen ausgesetzt waren.

Wir konnten nicht so wachsen wie die Franzosen. Bei den Franzosen beispielsweise hat der Patriotismus sowohl auf der linken wie auf der rechten Seite immer eine große Rolle gespielt. Auch in der französischen katholischen Kirche, in der Mere

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d'Eglise, in der Mutter der Kirchen. Wenn Sie heute in eine französische Kirche gehen, hängt die Trikolore, sieht man die Büsten von bedeutenden Heerführern und Politikern. In Deutsch­land hängt nichts. Da hängt nur Verbeugen und Demutshaltung. Ich glaube, dieses Deutsche Reich war kein organisch gewachse­nes und insofern habe ich eine gewisse Skepsis gegen Ihre Reichsphilosophie. Da bin ich wohl zu sehr Süddeutscher, um sie total nachvollziehen zu können. Dennoch stellt sich doch die Frage, warum bei den Deutschen das Pendel so leicht von einem Extrem in das andere ausschlagen muß? Sind wir vielleicht ein Volk von Extremisten?

MAHLER: Ich glaube, es hat was mit unserer Gemütsverfas­sung zu tun, die ja auch immer wieder als Besonderheit unseres Volkes hervorgehoben wird - von Gegnern und von Freunden gleichermaßen: daß wir alles so furchtbar ernst nehmen. Nun finde ich es eigentlich gut, daß wir auch in der Tiefe unseres Gemüts an diese Gegenstände herangehen. Da stellt sich dann leicht jener Überschwang ein: das sei jetzt das Heil, die Erlösung von dem Übel. So haben auch in der Zeit von 1933 bis 1945 viele Menschen in unserem Lande in dem Gefühl gelebt, Hitler sei der Erlöser- und dann diese Enttäuschung! Und nach fast fünf Jahren Krieg mit den immensen Opfern an Blut und Zerstörung der Städte waren die Deutschen auch seelisch erschöpft. Dieser Absturz der Gefühle und die Erwartungen der Sieger über Deutschland führten dann dazu, daß unser Volk "das Kind mit dem Bade ausgeschüttet" und sich selbst nur noch durch die Brille unserer Feinde - die es plötzlich für Freunde hielt - betrachtet hat; nicht mehr differen­ziert, nicht mehr nachgedacht, sondern nur noch einen Strich gezogen und gesagt hat: "das war alles nur Demagogie und Täu­schung und V erbrechen. Wir sind mißbraucht worden, unsere Gutgläubigkeit ist ausgenutzt worden - und jetzt weg mit ihnen!" Und ein Abglanz davon hat sich in der sowjetischen Besatzungs­zone - später DDR genannt - ergeben. Ich war ja selbst in der Anfangsphase noch dabei, habe mich daselbst noch in die FDJ ködern lassen. Erst im November 1949 bin ich nach Westberlin

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gekommen mit der Familie. Da herrschte auch so eine merkwür­dige Autbruchstimmung: eine lichte Zukunft war uns im "ersten Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden" verheißen, der Eintritt in die klassenlose, die echte "menschliche" Gesellschaft, in den Sozialismus. Gerade junge Deutsche der letzten Kriegsge­neration haben daran sehr geglaubt - und sind wieder enttäuscht worden. Das führte wieder zu dieser Überreaktion.

Und dann spielt natürlich der übliche Opportunismus seine Rol­le, aber das ist eine allgemeine Erscheinung. Wie die Verhältnisse so sind, versucht der einfache Mensch irgendwie zu überleben mit seiner Familie und dann duckt er sich und zieht seine Fühler ein und sagt: hoffentlich erwischen sie mich nicht.

Das ist alles nachvollziehbar und kein Grund, mit Geringschät­zung auf unser Volk herabzusehen. Dieses hat in den zurückliegen­den hundert Jahren eine Aufbau- und Überlebensleistung gezeigt, für die es in der Geschichte kein Vorbild gibt. Das - und nicht die uns angedichtete kriegerische Wildheit und Brutalität - ist es, was unseren Konkurrenten im Konzert der Nationen Furcht einflößt.

SCHÖNHUBER: Sie waren ja ab Mitte der 60er Jahre sehr aktiv. War das vielleicht rückblickend der endgültige Bruch mit dem Nationalsozialismus?

MAHLER: Was heißt Bruch mit dem Nationalsozialismus? Ich war, als es zu Ende ging, neun Jahre alt, war also noch nicht in dem Sinne Nationalsozialist, konnte mit ihm also auch nicht brechen. Es war in besondererWeise die Beschäftigung mit dieser Zeit, die mich wohl geprägt hat. Ich hatte immer das Problem mit dieser Geschichte in dieser Familie, die schließlich dieses V erhält­nis der Trauer und Gebrochenheit zur Geschichte unseres Volkes hatte. Mein Vater ist daran zugrunde gegangen - und ich liebte und achtete meinen Vater über alles. Und ich wollte als Angehöriger dieses Volkes aufrecht gehen, den Kopf auch im Blick auf Au­schwitz nicht senken, aber auch dafür sorgen, daß den Opfern Genugtuung wiederfahrt. Das Lied von den Moorsoldaten hat mich stets tief ergriffen. Es war für mich also immer ein komplexes

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Auf Olympia-Tour mit Hans Klein und Ludwig Huber

Im Gespräch mit Kardinal Ratzinger

SCHÖNHUBER: Was mich von den 68ern trennte, war z. B. die ''Attitude"

Problem, Deutscher zu sein. Das hat sich bis auf den heutigen Tag nicht geändert.

So, wie das jetzt immer dargestellt wird, daß die 68er Generation gegen ihre Väter als die Generation der Täter revoltiert hätte, sehe ich es nicht. Das war wohl etwas anderes -jedenfalls in dem Kreis, der dann später der Keim der Roten Armee Fraktion (RAF) wurde:

Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin, Andreas Baader. Uns vereinte eine eher selbstzweiflerische, nachdenkliche Haltung. Wir haben uns nämlich gefragt: wenn wir damals erwachsen gewesen wären, hätten wir, wenn wir es gewußt hätten, gegen diese Entwicklungen Widerstand geleistet mit dem Risiko, dabei den Kopf zu verlieren,

Horst Mahler verteidigt Fritz Teufel. Sommer 1967

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n? Hätten wir das getan, auch wenn eigene Kinder auf unseren Schutz angewiesen gewesen wären? Können wir das also von unseren Eltern erwarten? Das war eine offene Frage. Die haben wir nicht entschieden. Wir haben nicht gesagt: ihr hättet können, ihr hättet müssen. Sondern wir haben gesagt, wenn für uns in irgendeiner Hinsicht eine ähnliche Herausforderung erwächst, wir wollen dann auf jeden Fall Widerstand leisten. Das war für uns der psychische Eintrittspunkt in das, was dann später die Rote Armee Fraktion (RAF) war: bis zum äußersten Risiko den Kampf gegen das imperialistische System zu führen. Es waren also eher Selbstzweifel, die wir dadurch überwunden haben.

SCHÖNHUBER: Weil Sie gerade von den 68em sprachen, er­lauben Sie mir eine persönliche Anmerkung: Ich habe diese Bewe­gung bewußt erlebt. Zwar aus der Position eines aufstrebenden jungen Menschen, der seinen Platz in der Gesellschaft suchte. An meiner Seite stand meine Frau, eine Juristin. Wir erlebten gemein­sam die großspurige St. Just-Haltung: Weg mit dem Muff aus tausend Jahren unter den Talaren. Was mich von den 68em trennte, war ihre Attitüde. Aber ich müßte lügen, gäbe ich nicht zu, daß die damaligen Parolen mich unbeeinflußt gelassen hätten. Da klangen Töne an, die mir von meiner Hitlerjugend- und Waffen-SS-Zeit vertraut waren. Sie zu vergessen, war nicht leicht. Meine Frau, damals noch der SPD zugehörig, sah alles nüchterner. Sie machte eine Bemerkung, die ich noch heute in den Ohren habe: "Diese sich jetzt wie idealistische Revolutionäre gebärdenden jungen Juristen, Assessoren und Referendare werden in zwanzig Jahren auf den Plätzen sitzen, die heute ihre Väter einnehmen und werden sich genauso systemkonform verhalten wie die verachteten alten Her­ren." Und wie recht hatte sie! Sehe ich heute einen 68er auf einem Richterstuhl, dreht sich mir der Magen um. Sie müssen genauso ihre Systemtreue immer und immer wieder unter Beweis stellen wie die einstigen NS-Richter ihre demokratische Läuterung.

Ich habe damals die Ho-Tschi-Minh-Aufmärsche miterlebt, sah wie die Bourgeoisie zitterte, amüsierte mich, wie der Bayerische Rundfunk verbarrikadiert wurde und der damalige Intendant eine

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Rede an die Mitarbeiter hielt, die einem Durchhaltebefehl aus Kriegszeiten ähnelte. Es war eine hysterische Zeit. Aber es war auch ein Schicksalsjahr von weltpolitischen Ausmaßen. Die War­schauer Paktstaaten marschierten in die Tschechoslowakei ein. Dieser Vorgang hätte doch bei den 68ern bestimmte Signale auslösen können!

MAHLER: Hat es doch auch. Das war doch der Bruch. Wir sind ja am Tag des Einmarsches ... Ich weiß noch: ich habe frühmorgens um fünf schon am Telefon gehangen und habe meine Genossen aus den Betten geholt. Wir haben noch an diesem Tag auf den Straßen demonstriert. Und es setzte auch die Diskussion intensiv ein, was ist das eigentlich und wie stehen wir dazu? Das war der entscheidende Bruch, der sich dann auch weiter entwickelte.

Das ging alles nicht von heute auf morgen. Wir haben eine sehr kritische Haltung dann auch gegenüber Breschnew eingenommen, sind dadurch auf die chinesische Position, die Breschnew als Revisionisten kritisierte, gelangt. Es war der Ausgangspunkt, sich grundsätzlich kritisch mit dieser Ideologie auseinander zu setzen. Das war ja lange vor dem Zusammenbruch des Ostblocks inner­halb dieser Studenten-KPD/AO, unter Christian Semmler u. a., eine klare Sache, daß wir dieses Revolutionskonzept nicht mehr für einen Ausdruck der Wahrheit halten konnten. Die darauf fußenden "Parteien" haben sich praktisch selbst liquidiert. Die KPD/AO hat sich unter grotesken Begleitumständen selbst aufge­löst - lange bevor der Sowjetblock wirklich zerfallen ist. Das darf man nicht übersehen.

Solche Prozesse finden statt. Und was die Attitüde der 68er angeht: Es gab einen Punkt, an

dem sie die Väter attackiert haben: nicht wegen ihrer nationalso­zialistischen Vergangenheit und ihrer vermeintlichen Schuldver­strickung, sondern wegen der Gesprächsverweigerung. Weil sie sich "in die Büsche geschlagen" haben und darüber nicht geredet haben, mit ihren Söhnen nicht diskutiert haben. Die härten immer nur: "das verstehst Du nicht" und "das geht Dich nichts an" oder "solange Du in meinem Hause bist, ist das kein Thema"- und aus.

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MAHLER: Die Große Koalition war der Ausgangspunkt ...

Sie haben sich verweigert. Sie sind also nicht in diesen intellektu­ellen Prozeß der Bewältigung eingetreten. Die Söhne machten die schmerzliche Erfahrung, ihre Väter nicht verstehen zu können.

SCHÖNHUBER: Heute tun doch die Söhne das gleiche.

MAHLER: Ja sicher, natürlich.

SCHÖNHUBER: Das ist doch das Entscheidende.

MAHLER: Sie diskutieren nicht, sondern sie sind- jedenfalls in ihrer Phantasie- gewalttätig. Das ist auch eine Zerfallserscheinung dieser 68er Bewegung. Sie ist mit ihrem Latein am Ende. Ihre Epigonen greifen zur Gewalt - nicht gegen die Herrschenden, sondern gegen Andersdenkende, um deren Meinungen aus dem öffentlichen Raum zu prügeln. Das ist zugleich der V errat an den Errungenschaften der Aufklärung, deren zerstörerische Erblasten sie dagegen in hohen Ehren halten. Eine Dekadenz des Intellek­tualismus, die ich nicht für möglich gehalten hätte!

SCHÖNHUBER: War eine der Ursachen auch die Bildung der Großen Koaliton?

MAHLER: Die Große Koalition war der Ausgangspunkt über­haupt dessen, was man dann später "Außerparlamentarische Op­position" (APO) genannt hat.

In Berlin lief das so ab: Wir kannten uns ja alle- Peter Brandt, der Sohn von Willy Brandt, (damals bei den Falken) , der Leiter der IG Metall-Schule in Berlin, Lotbar Pinkall, Johannes Agnoli, Hochschulassistent, Ulrich K. Preuß, Hochschulexperte des SDS, W alter Barthel, Journalist, und so weiter. Wir haben im November

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1966 in meinem Büro in der Konstanzer Straße in Berlin zusam­men die sogenannte Novembergesellschaft gegründet, eine Ge­heimgesellschaft. Wir bildeten uns damals ein, dem Geheimdienst eine Nase drehen zu können. Sehr viel später haben wir durch den SPIEGEL erfahren, daß W alter Barthel, mein engster politischer Freund, für die Geheimdienste beider Seiten tätig war. Kein schö­nes Gefühl.

Die Novembergesellschaft hat dann im Frühjahr 1967 in Berlin den Republikanischen Club (RC) aus der Taufe gehoben. Dieser wurde zu einem Brennpunkt der Diskussionen über die Notwen­digkeit einer gesellschaftlich-politischen Opposition. Er war einer der Einstiegspunkte in diese Bewegung, die dann später so viel Aufsehen erregt hat.

W alter Barthel, engster politischer Freund von Horst Mahler

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SCHÖNHUBER: Hit/er wollte Europa nicht einen, er wollte Europa beherr­schen

SCHÖNHUBER: Es gab diese Aufbruchstimmung, insbesonde­re im Führerkorps der Waffen-SS. Ich selbst war damals noch nicht so geprägt, war ja auch bloß Unterschaiführer, aber ich bekam es halt mit in Gesprächen. Wir dachten an eine zweite Revolution. Wenn dieser Krieg siegreich zu Ende ginge, dann würden wir aufräumen mit den Goldfasanen, das sind also jene Funktionsträger, Ortsgruppen/eiter, Kreisleiter und was auch im­mer und würden zu einer wirklichen nationalen und sozialen Re­volution kommen. In unseren Kreisen diskutierte man sehr heftig auch über die Röhm-Affäre. Es gab nicht wenige in der Waffen-SS, die sagten, es war ein nationales Unglück, daß HitZerRöhm besei­tigen ließ, denn er hätte die soziale Komponente im Nationalsozia­lismus stärker zur Geltung gebracht. Wir diskutierten über be­stimmte Europavorstellungen. Sie dürfen ja nicht vergessen, daß es beispielsweise schon im Dritten Reich oder vor dem Dritten Reich sogar schon, eine Buropavorstellung der NSDAP gab. Sie verbindet sich mit dem Namen Gregor Strasser. Gregor Strasser hatte eine Europavision, die in weiten Teilen nachvollziehbar ist. Nur HitZer hat sie nicht nachvollzogen, denn er wollte Europa nicht einen, er wollte Europa beherrschen. Genauso wie Stalin auf der anderen Seite. Also diesen Aufbruch von zornigen jungen Männern im Dritten Reich gab es definitiv, und insbesondere die Speerspitze und die Trägerschaft waren die jungen Offiziere der Waffen-SS.

Auch im Führerkorps der HJ gab es diese Aujbruchstimmung. Ich war nun Hitlerjunge. Ich kann das natürlich nicht aus der damaligen Sicht so einfach jetzt übernehmen, denn damals wußte ich zu wenig, aber im nachhinein habe ich auch mit ehemaligen Hf-Führern höheren Ranges genug gesprochen. Es gab dort zwei Richtungen. Es gab eine etwas verquast nationale Richtung, die

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verbindet sich mit dem Namen Schirach, der ein Schriftsteller und ein Dichter war, sage ich einmal ohne negativen Beigeschmack, ein Schöngeist. Auf der anderen Seite gab es einen Mann, der aus der Arbeiterklasse kam, das war Axmann. Und der hat Jugend­schutzgesetze eingeführt. Unter seiner Leitung wurden Jugend­schutzgesetze damals veifaßt, die man als vorbildlich bezeichnen mußte. Man hat die Kinderarbeit beseitigt. Man hat Gesundheits­fürsorge eingeführt, die von den Nachbarn Deutschlands als vor­bildlich angesehen worden sind. Also, es gab in der Hitlerjugend schon eine Parallelfunktion mit der Waffen-SS, eine Aufbruch­stimmung. Aber jetzt kommt der entscheidende Punkt. Im nachhin­ein, es wird ja immer wieder darüber diskutiert, ~~':':.."!ßitler_d_en Krieg an[Jefangen hat und warum er am Ende verloren hat. Diejenigen ...

MAHLER: Hat er ihn angefang~n?_Q~s wäre~-~-Fra&e?

SCHÖNHUBER: Da werde ich gleich noch etwas sagen. Ich habe eine These, die vielleicht auch bestritten wird. Ich glaube nicht an die deutsche Alleinschuld am Ausbruch des Krieges, aber ich glaube an eine Mitschuld. Und das schlimmste war, daß sich HitZer in diese Mitschuld hineintreiben ließ, in Unkenntnis nach meiner Meinung der globalen Lage. Er kannte nicht Amerika. Er hatte keine Ahnung von den Produktionsstätten in Amerika usw. Aber das ist nicht das Entscheidende. Diejenigen, die heute aus NS-Sicht es bedauern, daß wir den Krieg verloren haben, die verweisen darauf, und das wiederum zurecht, daß HitZer es nicht gelungen ist, solange zu warten, bis ein junges Offizierskorps

~ "· . ,._... ... .

nachgewachsen war, und zwar nicht nur Leutnants und Oberleut-nants, sondern höhere Ränge, die vom NS-Geist durchdrungen waren. Er mußte manövrieren mit alten kaiserlichen Generälen und späteren Marschällen, die natürlich mit der NS-revolutionä­ren Ideologie überhaupt nichts im Sinne hatten. Und das ist im Grunde genommen eine weitere Variante der Betrachtung des Krieges, die heute nur nicht gerne gehört wird, weil sie nicht im Zeitgeist liegt. Aber es gibt ja einen Gründungsmythos der Bun-

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desrepublik, der einen radikalen Schnitt mit der Vergangenheit bedeutet.

MAHLER: Sie beziehen sich da sicherlich aufTheodor Eschen­burg, der das ja so ganz deutlich zum Ausdruck gebracht hat.

SCHÖNHUBER: SS-Mann Eschenburg müssen Sie wissen.

MAHLER: Nein, das weiß ich nicht. Ist interessant.

SCHÖNHUBER: Dieser Herr Eschenburg, der heute in den Medien als eine Art demokratischer Übervater dargestellt wird, war Mitglied der SS, der schwarzen obendrein. Diese Entdeckung verdanke ich meinem Freund Armin Mohler. Und wissen Sie, wie er diese erstaunliche Tat begründet hat: "Um dem Terror der SA zu entgehen, bin ich in die SS geflüchtet." Die SS als Schutzherr braver Demokraten! Mal was ganz Neues. Ich glaube, dieser Hinweis ist wichtig, der Eschenburgs gab es viele.

MAHLER: Ich glaube schon, daß das richtig ist. Es ist der Gründungsmythos der Bundesrepublik und deswegen wird die Bundesrepublik mit diesem Mythos, wenn er als solcher erkannt ist, zugrunde gehen. Und das ist eine Hoffnung.

Wenn man die Geschichte tribunalisiert, kommt man nicht zu Erkenntnissen. Das ist ein Grundübel, daß wir weg sind von einer realitätstüchtigen Betrachtung unserer Geschichte. Es wird alles unter moralischem Aspekt gesehen. Aber das ist nur möglich, wenn man an dem Topos der Alleinkriegsschuld festhält Sobald man eine Mitschuld der anderen thematisiert, ist die Schuldkategorie wertlos. Dann sind beide Seiten in der gleichen Art belastet. Beide sind schlecht, also sind auch beide gut. Deswegen sage ich: man muß diese Schuldfrage, auch die Mitschuldfrage, auf eine originelle Weise in den Vordergrund stellen. Das nämlich ist der Weg zur Verabschiedung des Schuldbegriffes aus der Geschichtsbetrachtung.

Die Geschichte ist keine moralische Veranstaltung: Wirkt Gott die Geschichte, ist keine übergeordnete Instanz, die ihn beurteilen

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oder gar verurteilen könnte, denn Gott wäre der Höchste. Ist aber kein Gott, ist das Gerede von Moral leer. Es wäre niemand, von dem ein Gebot ausginge. Es könnte folglich durch geschichtliches Handeln kein Gebot verletzt sein.

Der zeitgeistliche Atheismus erweist sich in unseren Tagen als das dümmste aller Vorurteile. Wir sagen: Gott läßt sich nicht beweisen. Wir meinen, daß unsere Selbstbestimmung als Men­schen zweifelhaft wäre, wenn es ihn gäbe. Deshalb verzichten wir auf die Annahme, daß Gott sei.

Aber mit dieser negativen Annahme haben wir die Vorausset­zung jeglicher Selbstbestimmung, d.h. jeglicher Freiheit verloren. Wir haben keinen Maßstab mehr, an dem wir uns messen und erkennen können, wer wir sind. "Daraus, daß der Mensch als das Höchste gesetzt ist, folgt, daß er keine Achtung vor sich selber hat, denn erst mit dem Bewußtsein eines höheren Wesens erlangt der Mensch einen Standpunkt, der ihm eine wahre Achtung gewährt." Den Kommentar zu dieser Stelle bei Hegel hat die Geschichte in Auschwitz, Dresden und Hiroshima geschrieben.

Was wir heute für Freiheit halten, ist nur die Selbstzerstörerische Willkür des vereinzelten Einzelnen.

Mit Auschwitz, d.h. mit dem, was die Welt mit diesem Namen verbindet, ist unserem Volk von Gott die Aufgabe gestellt, das Rätsel der Geschichte zu lösen. Seine erste Schicht ist das Grauen, das wir darüber empfinden. Die zweite ist die tiefe Niedergeschla­genheit, die uns darob erfaßt hat.

Beides ist überhaupt nicht selbstverständlich, ja geradezu er­staunlich.

Schließlich darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß in den hei­ligen Büchern der Juden von Gott selbst Völkermord vielfach geboten und belohnt wird. Es gibt wohl neben den Juden kein zweites geschichtliches Volk, das die Ausmordung (Max Weber) anderer Völker als Beweis seiner Auserwähltheit kultisch über­höht. Wie ist es zu erklären, daß wir Deutschen - anders als die Juden- bei dem Gedanken, Völkermord verübt zu haben, so tiefe Scham empfinden, daß wir aus Reue bereit sind, unser Sein als Volk preiszugeben? ..

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Die Shoa, d.h. ihre teilweise oder gänzliche Vernichtung ist den Stämmen Israels und Judas durch Moses und die Propheten immer und immer wieder als Strafe für die Mißachtung des göttlichen Gesetzes angedroht worden. Diese Flüche lassen sich ohne Mühe auch auf die Gründung des Staates Israel durch die Zionisten beziehen, die nach der Thora ein Verrat an Jahwe ist. Nach jüdischer Anschauung ist kein einziger Buchstabe der Heiligen Schrift überholt oder als aufgehoben anzusehen. So dürften wir uns durchaus als Vollstrecker des Vernichtungswillens J ahwes begreifen. Wir - und nicht die Juden - wären die Opfer: wir wären mit dem Odium des Völkermordes belastet, obwohl wir nur als die Geißel Gottes gegen sein vertragsbrüchiges Volk gewirkt hätten. Der Vollzug göttlichen Willens ist das Gegenteil von Schuld. Nicht Gottes Strafgericht, sondern nur die Rache der Juden hätten wir zu fürchten.

Dieser Frivolität ist nur zu entkommen, wenn der Gedanke einer Geschichtsschuld als ungültig verworfen wird.

Wenn Geschichte der Fortschritt des Geistes im Bewußtsein der Freiheit ist (Hegel), dann ist es Gott selbst, der in sich die Qual der Welt ist, in der er sich anschaut, um zu erfahren, wer er ist. Das ist die allein denkbare Rechtfertigung der Welt als Geschichte und die Rechtfertigung Gottes vor sich selbst.

Durch den Archipel Gulag, durch Auschwitz, durch Dresden und durch Hiroshima ist Gott nicht widerlegt. Vielmehr ist er aufer­standen in dem Gefühl des Grauens, das uns Menschen überfällt, wenn wir diese Namen hören. In diesem Gefühl zeigt sich der unendliche Fortschritt gegenüber dem Geist des Alten Testaments, das dieses Grauen nicht kennt.

Es ist unsere Aufgabe, jetzt darüber nachzudenken, was in dem Grauen liegt. Wenn dieVölkerdas herausfinden, wird es sich nicht wiederholen.

Daß der moralische Gesichtspunkt uns unfähig macht, Politik und Geschichte zu gestalten, liegt auf der Hand, denn von ihm aus ist nur der Schein, nicht aber das So-Sein der Welt zu erfassen.

Wenn wir diesen neuen Ausgangspunkt für unser Bewußtsein

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gewonnen haben, ist die Bundesrepublik kein Thema mehr. Dann haben wir wieder ein freies Feld vor uns, wo wir zeigen können, was in uns steckt. Jetzt können wir das nicht.

Das wird dann eine andere Republik sein, vielleicht keine Repu­blik mehr. Darüber wird zu reden sein. Jedenfalls eine andere Ordnung unseres Gemeinwesens, und zwar vom Geist her.

SCHÖNHUBER: Gewiß, die Geschichte ist keine moralische Veranstaltung. Nur wo wir offensichtlich einen Dissens haben, ist die Frage der Schuld. Alleinschuld, Mitschuld. Mich würde inter­essieren, was ist Ihre Meinung?

MAHLER: Es kann hier nur um den juristischen und um den philosophischen Schuldbegrif, nicht auch um den theologischen Begriff der Erbsünde gehen. Schuld ist danach immer eine Attribut des Einzelmenschen, des verantwortlichen Individuums. Und daß da Schuld aufgehäuft wurde von vielen in dieser Zeit, das ist überhaupt nicht zu übersehen und zu bestreiten. Aber man kann ein Volk, ein Kollektiv, nicht mit einer Schuld belasten, die ausgeht von Menschen, die heute schon gar nicht mehr leben.

Die heute Geborenen und die in dieser Republik Großgeworde­nen haben einen Anspruch darauf, als Mensch und Personen anerkannt zu sein, d. h. auch: ihr individuelles Leben zu beginnen ohne Schuld. Sie sind nicht belastet mit einer Erbschuld. Diese Kategorie ist eine in hohem Grade Unterdrückerische geistige Figur, mit der wir aufräumen müssen. Ein ganzes Volk mit der Auschwitzkeule zu traktieren, ist ein Verbrechen, das einem Völ­kermord nahekommt

Wenn wir die Weltgeschichte unseres Jahrhunderts endlich nicht mehr unter Schuldgesichtspunkten betrachten, sondern in einer ersten Näherung als Ausdruck geostrategischer und handelspoli­tischer Interessengegensätze erfassen und dann auch als Kampf gegensätzlicher Geistesgestalten, kommen wir zu ganz anderen Schlußfolgerungen.

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SCHÖNHUBER: Keine Erbschuld und keine Erblast!

SCHÖNHUBER: Ich sage noch mal: Es gibt keine Schuld, die man delegieren kann, keine Erbschuld und keine Erblast.

MAHLER: Ich würde beide Begriffe in Frage stellen. Man muß sich nur klarmachen: was vollzieht sich eigentlich im Verhältnis der Völker, was wir dann als Geschichte bezeichnen? Das sind Machtsphären, das sind Interessenssphären, die aufeinander tref­fen und die über die Jahrtausende eine Entwicklung durchmachen und sich nie wiederholen. Das ist insofern ein einmaliger Entwick­lungsprozeß. Und wenn man begreift, was in einer ganz bestimm­ten Konstellation 1914 zu einem bewaffneten Konflikt geführt hat, was dann fortgesetzt worden ist als bewaffneter Konflikt 1939 bis 1945. Dann ist man aus der Gefahr raus, daß sich diese Kräfte und Interessen noch einmal in dieser Weise zerstörefisch äußern. Es gibt kein Interesse, das auf Zerstörung gerichtet ist. Es sind immer Interessen, die auf Bewahrung, auf Erweiterung von Macht und Lebensraum und Lebensinteresse und Lebensmöglichkeit gerich­tet waren. Und wenn man heute weiß: wenn wir in dieser Weise unsere Interessen wahrnehmen, wie das in diesen beiden Kriegen geschehen ist, dann ist das das Ende der menschlichen Gattung; dann wird man ziemlich sicher sein können, daß es nicht dazu kommt. Diesen lebenswichtigen Erkenntnisschritt verhindert man, indem man diese Schimäre von Schuld in den Raum stellt und dann die Völker auch moralisch kategorisiert. Das ist nichts anderes als Unterdrückung von Völkern durch andere Völker. Wir sind seit 1918 das Pariavolk. Man hat uns mit militärischer Gewalt gezwungen, diesen Kriegsschuldartikel des Versailler Diktats zu akzeptieren. Das ist aber eine Nullität, geistesgeschichtlich über­haupt nicht ausgewiesen. Diese Diskussion, die fordere ich von den deutschen Intellektuellen: daß sie sich mit den geistesge­schichtlichen Wurzeln dieser Fehlkonstruktion, dieser mentalen

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Fehlkonstruktion befassen. Solange die nicht überwunden ist, sind wir eine Gefahr.

SCHÖNHUBER: Ich wollte vielleicht hier ergänzend sagen, daß ich der Auffassung bin, daß die Geburtsstunde des Dritten Reiches nicht in München schlug und schon gar nicht in Braunau, sondern in Versailles. Das ist der Punkt 1. Punkt 2 ist zu betrachten, daß in der Tat, wie Sie das präzisiert haben, Geschichte keine moralische Veranstaltung ist, sondern eine Interessenwahrung der jeweiligen Völker. Man muß wissen, daß das antieuropäischste Volk die Engländer sind. Die Engländer haben es verstanden, in ihrer Balance of Power-Politik immer die europäischen Völker aufein­ander zu hetzen. Sie suchten immer einen Festlandsdegen und fanden ihn auch. Einmal war es Rußland. Einmal war es Frank­reich. Und das ist das, was ich Ihnen vorher gesagt habe und wo wir offensichtlich nicht eine 100 %ige Annäherung gefunden ha­ben. Dieses Spiel nicht letztlich voll durchschaut zu haben, daß im Grunde genommen England auch der Festlandsdegen der Amerika­ner geworden ist, muß der Reichsregierung angelastet werden. Die sogenannte heilige Allianz zwischen Roosevelt und Churchill war eindeutig darauf ausgerichtet, die einzige wesentliche oder wichtige Gegenmacht, nämlich Deutschland, zu zerbrechen. Das istfürmeine Begriffe der historische Ablauf. Ob die Nationalsozialisten daraus die richtigen Schlüsse gezogen haben und die richtigen Erkenntnisse vorher hatten, das wage ich zu bezweifeln. HitZer konnte sich ja bis zum Schluß nicht von seiner Bewunderung des britischen Weltrei­ches lösen.

MAHLER: Man muß, glaube ich, an dieser Stelle noch deutli­cher werden: England oder Großbritannien hat in einem noch viel umfassenderen Sinne den Zweiten Weltkrieg verloren als Deutschland.

SCHÖNHUBER: Stimmt.

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MAHLER: Churchill war eine Handpup­pe von Roosevelt. Er hat das britische Empire verspielt

MAHLER: Die Engländer waren die Weltmacht. Sie hatten ein Weltreich - wie auch immer - begründet. Und das haben sie verloren. Wenn man genau hinschaut: Churchill war keineswegs ein großer Politiker, er war ein Depp. Er war eine Handpuppe von Roosevelt und hat das englische Empire verspielt. England hätte eine europäische Großmacht sein können im Konzert der Europäi­sehen Nationen. Es hat aber die atlantische Karte gewählt, um das Deutsche Reich zu zerstören. Es hat letztendlich aber nicht nur das Reich sondern auch Buropa und sich selbst zerstört. Und das muß einfach auch mal gesagt werden.

SCHÖNHUBER: Dazu darf ich ganz kurz einen etwas humori­stischen Akzent einfügen. Ich hatte mal eine Reportagereise nach Curacao unternommen. Und dort hatte ich einen sogenannten guide, einen Führer. Das war ein Jude in Cura9ao. Er führte mich nach Hause, in seine Wohnung. In der Wohnung, im Zimmer hing ein Hitlerbild. Dann sagte ich, das ist unmöglich. Sie sind doch Jude. Er meinte, das ist jetzt völlig gleichgültig. Aber ihm verdan­ken wir indirekt unsere Freiheit, denn die sogenannten Westmäch­te waren gezwungen, bestimmte Soldaten-Kontingente aus den damals noch unterdrückten Völkern zu holen: Marokkaner, Inder, Gurkhas und was auch immer. Und sie mußten uns die Freiheit dafür versprechen, auch wenn sie lange Jahre mit der Einlösung gezögert haben und das hintertrieben haben, aber letztendlich verdanken wir sie diesem schlimmen Herrn dort an der Wand.

MAHLER: Das ist die Dialektik.

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MAHLER: Der Rassenwahn war der Sündenfall des Systems

SCHÖNHUBER: Ich stelle mir oft die Frage, ob die Rassenpo­litik des Dritten Reiches mit zum Ausbruch des Zweiten Weltkrie­ges beigetragenhat? Ich glaube nämlich, daß die Rassenüberle­gungen des Dritten Reiches selbstverständlich die stärkste intel­lektuelle Kraft auf der anderen Seite herausgefordert hat. Und das war nun einmal das internationale Judentum. Das hat die Heraus­forderungen angenommen und zu einem Endkampf gemacht, ent­weder die oder wir. Und ich glaube, was übrigens am Ende des Krieges der Reichsleiter Ley richtig erkannt hat: Ich glaube, die Nationalsozialisten haben die Kraft, die intellektuelle und finan­zielle Potenz des Judentums, schlicht unterschätzt.

MAHLER: Also ich würde sagen: der menschenverachtende Rassismus, d. h. die Übernahme angelsächsischer Rassetheorien und Imperialismusvisionen durch Hitler war der Sündenfall des Systems. Daran ist es zugrunde gegangen. Das hat etwas damit zu tun, daß Hitler nicht geschult war in der deutschen Philosophie und sich die Engländer zum Vorbild nahm.

Die allerorten wirkenden Rassenvorurteile sind zuerst in Großbritannien "wissenschaftlich" gewendet und zu einer Theorie der Überlegenheit der weißen Rasse entwickelt worden als ideo­logische Rechtfertigung der kolonialen Unterdrückung der farbi­gen Völker. Hitler war einer Betrachtungsweise anheimgefallen, die diese "rationalisierten" Vorurteile noch übersteigert, indem sie bestimmte sittliche Haltungen und Charaktereigenschaften der Juden und anderer gehaßter Völker auf deren Erbinformation (Gene) zurückführte. Damit steht er in der reduktionistischen Tradition des jüdisch geprägten "wissenschaftlichen" Weltbildes. In diesem Weltbild wird die geistige Dimension des Menschen auf die ungeistigen Strukturen der Biologie und Mechanik zurückge­führt und aus diesen Elementen konstruiert. Daß die sittliche -oder

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allgemeiner: die kEl~relle Prägung der Völker eine~~~Jt ist, die nicht einer bestimmten Gesetzmäßigkeit unterworlen ist, sondern aus sich heraus einer ganz anderen Notwendigkeit ge­horcht, ist den Nationalsozialisten verschlossen geblieben.

Die Herabsetzung andererV<;llker und Rassen hat das national-- - '-"·-·------~ . ..- -------

sozialistische System - zurecht - moralisch in die Defensive ge-bracht. Er hat der Gegenseite moralische Kräfte zugeführt, die es anders nicht gehabt hätte. Das ist aufzuarbeiten. Das muß man sehr kritisch sehen.

Ich erlebe es heute immer wieder, daß der Rassismus im Sinne einer biologistischen Interpretation unserer Existenz noch nicht überwunden ist. Ich halte das für gefährlich. Mit Geduld und Sorgfalt ist hier eine sachbezogene Sprechweise -ohne moralische Untertöne - zu entwickeln. Zu allererst sind die Tabuisierungsre­flexe wegzuarbeiten. Der Mensch ist nicht auf Biologie zu redu­zieren. Er ist ein geistige~ Wesen. Im V~rhältnis zu den Juden war diese Einsicht damals nicht wirksam. Sie wurden in der öffiziösen Propaganda herabgewürdigt. Die Kriegserklärung der W~ltjuden-

. ,.~-" . ' ." .. heit an das Deutsche Reich, die schon am24. MärzJQ33 erlolgte,

--- ·... ' -- ., ·-- .... --~- -- - " ·-----schien dadurch eine gewisse Berechtigung zu haben.

Wahrscheinlich hat Hitler die jüdische Macht unterschätzt. Die­se ist tatsächlich auch nur sehr schwer einzuschätzen: denn die

J~~:~J>R4s!n-ciJlP..seudp-V ()1~: -~~ i~t_überall un<l. nirgends. Wie will man da seinen Einfluß und seine Ressourcen zuverlässig messen? Seit den Zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts voll­zieht sich eine dramatische Judaisierung der OS-amerikanischen Eliten auf allen Ebenen. Die Anfänge dieser Entwickl~~g hat

~-"1942 GiScliierWiising in seinem Werk "Der maßlose Kontinent" schartsichtig dargestellt. Da war es für eine realistische Lagebe­urteilung aber schon zu spät. In einem faszinierenden Huckepack­

V erfahren si~d gew~j~~.i-~~Jl~_!YeJ~~--üJ~~r:.Jli~JJ§~~-~chon damals zur bestimmenden Weltmacht aufgestiege . Gegen diese h'äitedä'S Detrtsche Reicliillit aeri "'Mitteln es materiellen Krieges nie eine Chance. Wollen wir das den Erfolgreichen vorwerlen? Wollen wir ihnen vorwerfen, daß die Verlolgung ihrer europäi­schen Glaubens-Volksgenossen durch die Deutschen auf diese

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Kreise nicht - wie beabsichtigt - als Repressalie sondern eher als Stimulans wirkte?

SCHÖNHUBER: Chaim Weizmann damals.

MAHLER: 1933, 34 schon ging der militärischen Eröffnung der Kampfhandlungen voraus. Aber wenn man schon mal die Dinge so sieht, angesichts der Diskriminierung und auch der Verfolgung der jüdischen Minderheit, des jüdischen Volkes. Das ist ja ein Pseudovolk, das ist kein richtiges Volk, in Deutschland, gibt dieser Kriegserklärung der Judenheit eine gewisse moralische Berechti­gung

SCHÖNHUBER: Also in einem sind wir zu einer gemeinsamen Überlegung gekommen. Der Rassismus war der Grund des Unter­gangs des Dritten Reiches. Und der Rassismus ist aufs tiefste zu verurteilen. Aber eine Frage stellt sich noch. Warum haben die 68er nicht die Versöhnung mit jenen nationalen Kräften gesucht, die aus der Vergangenheit gelernt und einen Brückenschlag zu revolutionären Kräften gesucht hatten?

MAHLER: Sie legen hier schon eine Sichtweise der 68er Bewe­gung zugrunde, die ich sehr kritisch sehe. Wie ich es aus mir heraus erinnere, war das etwas anders. Das war einmal - ich erwähnte es bereits - der Entschluß: wenn irgendwo was sichtbar wird, gegen das man Widerstand leisten muß, weil das nicht hinzunehmen ist, dann bist du dabei. Und dann war da der Vietnarnkrieg. In dieser Konstellation haben wir uns nicht so sehr mit uns beschäftigt. Wir waren zwar der Ausgangspunkt, aber Zielpunkt und Objekt des Handeins war die Konfrontation der Supermacht USA mit jenem heldenhaften kleinen Bauernvolk, das um seine nationale Befrei­ung kämpfte. Wir waren natürlich auf der Seite dieses Volkes. In ihm war das Selbstbestimmungsrecht der Völker für uns zum ersten Male mit einer nicht zu verdrängenden Intensität anschau­lich geworden. Im Unterbewußtsein hat sicherlich das mit unse­rem Anspruch, als Person anerkannt zu sein, unlösbar verbundene

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MAHLER: Wir wollten ein von Fremd­bestimmung freies Leben für unser Volk

Streben nach Freiheit von jeglicher Fremdbestimmung eine we­sentliche Rolle gespielt. Als geschlagenes und durch "Umerzie­hung" verdummtes Volk haben wir den nationalen Befreiungs­kampf nur auf diese indirekte Weise aufnehmen können. Wir waren für Freiheit. Und wir haben die westliche Hauptbesatzungs­macht im Westen bekämpft als Weltfeind Nr. 1 und wollten natürlich ein freies Deutschland, ob geteilt oder nicht, das ist eine Diskussion innerhalb des SDS gewesen. Wir wollten ein von Fremdbestimmung freies Leben für unser Volk. Das ist der Sache nach ein nationaler Standpunkt und davon lasse ich mich auch nicht abbringen. Ich habe ja vorhin schon gesagt: für mich war der Einstieg in die Politik das Bedürfnis, als Deutscher aufrecht gehen zu können, also Selbstachtung als Deutscher zu gewinnen. Wir sind in diesem Sinne gar nicht in der Lage gewesen, ohne diesen Durchlauf durch die Opposition der 68er Bewegung gegen die Supermacht USA zu einem nationalen Standpunkt zu finden. Insofern war das kein Fehler, sondern in der Entwicklung ange­legt. Worauf es jetzt ankommt- und da stehe ich mit Bernd Rabehl, mit Reinhold Oberlercher, mit Günter Maschke, also mit maßgeblichen Wortführern der 68er-Bewegung, in einer Reihe: es ist das nationalrevolutionäre Moment herauszuarbeiten, das in der 68er-Bewegung ganz klar vorhanden war. Wir halten gegen alle V ersuche, auch die Geschichte der Revolte von 1968 umzulügen, daran fest: die 68er-Bewegung war auch eine Bewegung zur nationalen Befreiung der Deutschen, in diesem Sinne eine patrio­tische Bewegung. Das wird heute nur anders interpretiert, weil Patriotismus bei den sich selbst so nennenden "Linken" inzwi­schen als Teufelswerk gilt. Heute haben viele 68er und ihre Epigonen nur noch Antifa-Reflexe. Die in der 68er Atmosphäre Nachgewachsenen, die gar nicht mehr sehen, worum es ging, haben als ihr Eigenes nicht einmal die Tat der Revolte, die sie mit

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Stolz erfüllen könnte. Sie ertrinken im Selbsthaß und im Haß auf ihr Volk. Sie skandieren: "Nie wieder Deutschland!" und "Deutschland verrecke!" und sind sich dabei gar nicht bewußt, wie sehr sie damit das System stabilisieren, das sie doch auch hassen. Indem sie alle, die in dieser Frage anders denken, bedenkenlos terrorisieren, sind sie im Grunde genommen eine vom Staate geduldete und möglicherweise sogar geförderte Terrorformation gegen alle Bestrebungen unseres Volkes, sich als deutsches Volk zu behaupten und die von unseren Feinden gegen uns eingesetzte Umvolkungswaffe stumpf zu machen.

Und, um die Proportionen zurechtzurücken, sei die Frage er­laubt: Wo standen denn damals die "Rechten"? Ihr Hauptfeind war der Bolschewimus, der in der Bundesrepublik mit der 68er-Bewe­gung Fuß zu fassen schien. Das brachte sie zwangsläufig an die Seite der USA. Sie bildeten sich ein, in diesen einen Verbündeten oder gar einen Freund für die "Nationale Sache" zu haben- oder irre ich mich da? Mir scheint, da schneiden Rudi Dutschke, Bernd

Ein Höhepunkt der 68er Demonstrationen. Im Vordergrund Rudi Dutschke

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berlercher mit ihrem Freundeskreis im ehemaligen SDS besser ab: Sie waren in der Nachkriegsgeneration wohl die ersten, die den nationalen Befreiungskampf sowohl gegen die USA als auch gegen die Sowjetunion forderten.

SCHÖNHUBER: Also insofern hätte ich mir sehr gewünscht, daß es heute noch die 68er gäbe im Jahre 1999 in der Frage des verbrecherischen NATO-Angriffs auf Serbien. Die ist fast iden­tisch mit der damaligen Situation.

MAHLER: Die deutsche Beteiligung am Überfall auf Serbien wäre mit der 68er-Bewegung nicht möglich gewesen. Sie wissen vielleicht- in den Memoiren von McNamara steht es-, daß die USA damals schon die Bundesregierung gedrängt haben, sich militärisch an ihrem Krieg gegen Vietnam zu beteiligen, nicht nur mit einem Rotkreuzbataillon sondern mit Kampftruppen. Damals hat Bundeskanzler Kiesinger - oder war es schon Willy Brandt? -den Amerikanern bedeutet: das ginge nicht, weil das der innenpo­litische Kriegsfall wäre. Die Regierung fürchtete- zu recht-, daß sie die Kontrolle über die Situation in der Bundesrepublik verlie­ren würde. Und das wäre auch so im Falle des Angriffskrieges gegen Serbien gewesen. Ich meine, das wäre auch mit der SPD und den Grünen in der Opposition nicht gegangen. Diesen Grup­pierungen mußte man erst den Schneid mittels der Regierungs­macht abkaufen. Ich würde mich nicht wundern, wenn demnächst heraus käme, daß die US-Ostküste mit ihrer Medienmacht die Rot-Grüne Koalition ermöglicht hat, um ihr Spiel gegen Serbien durchzubringen.

Da sind wir eigentlich bei diesem Thema: "rechts-links". Die einen sagen, ich sei von links jetzt nach rechts - und dann auch gleich wieder in die extreme Ecke - gedriftet. Dazu fällt mir wenig ein. Aber ich kann feststellen: wir hatten damals eine Vorstellung davon, was Imperialismus ist. Das nennt sich ja heute - etwas verklärend - "G_l,obalismp~". E.s ist eine Weltbeb~r.r:ssl.ll!.nssstrate­~~e_!.QeJ.9~s. Diejenigen, die diese Strategie mit ihren Mitteln verfolgen, haben sich ja weitgehend schon durchgesetzt. Wir sind

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damals auf der Grundlage der Marxschen Analyse der politischen Ökonomie der bürgerlichen Gesellschaft, die ich nach wie vor für gültig halte, zu der Überzeugung gelangt, daß dieses System die Lebensgrundlagen der Menschheit zerstört. Marxens Vorschläge, wie man über dieses System hinwegkommt, die halte ich heute für widerlegt und abseitig. Aber die Beschreibung des Mechanismus, wie Geld als Kapital funktioniert und schließlich in den Globalis­mus mündet, ist unübertroffen. Und davon sind wir damals ausge­gangen. Wir haben gesagt: das ist es, das macht dieses System aus und das muß überwunden werden.

Und heute sehe ich, daß die nationalen Kräfte- insbesondere die NPD -, die uns damals heftig als Vaterlandsverräter bekämpft haben, in dieser Frage genau auf diesem Standpunkt angelangt sind. Sie sehen heute die ökonomischen Zusammenhänge dieses Systems und sagen: das ist die Wurzel unserer Nöte. Sie sind deshalb heute anti-imperialistisch, anti-globalistisch, in diesem Sinne auch anti-kapitalistisch. Wir treffen uns jetzt in der Auffas­sung, daß dieses System- weltweit- nur überwunden werden kann durch die (Wieder)Aufrichtung der Volkswirtschaften im Rahmen starker Nationalstaaten, die untereinander nach dem Prinzip wech­selseitigen Vorteils Handel treiben und dann auch regionale Wirt­schaftsräume eröffnen, die zugleich die materielle Basis für eine wehrkräftige Verteidigung bilden. Das ist ein dritterWeg-jenseits von Liberal-Kapitalismus und Kommunismus. Den streben wir gemeinschaftlich an. Wer ist da "rechts" und wer "links"?

Die Deutschen haben in den Jahren 1933 bis 1939 der Welt gezeigt, daß eine lebendige Volksgemeinschaft eine auf staatlich gelenkter Unternehmerschaft beruhende leistungsfähige Volks­wirtschaft ermöglicht. Dieses Beispiel war die eigentliche Bedro­hung für den westlichen Liberal-Kapitalismus. Diese Einsicht hat auf Seiten der US-amerikanischen Eliten sicherlich den Ausschlag dafür gegeben, den totalen Krieg gegen das Deutsche Reich zu suchen mit dem Ziel der bedingungslosen Kapitulation des Rei­ches. Da blieb kein Spielraum für das strategische Konzept von HarryS. Truman, der 1941 als Senator militärische Unterstützung für Deutschland forderte für den Fall, daß ihm im Krieg gegen

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SCHÖNHUBER: Alles, was auf der rechten Seite bedeutend war, kam von links

Rußland eine Niederlage drohte, wie umgekehrt Rußland unter­stützt werden sollte, wenn Deutschland die Oberhand gewönne -um so beiden Seiten Gelegenheit zu geben, möglichst viele Men­schen des jeweils anderen Volkes umzubringen.

SCHÖNHUBER: Ganz kurz noch dazu. Zunächst gehe ich da­von aus, daß alles, was auf der rechten Seite richtig und bedeutend, sagen wir mal nicht immer richtig, aber bedeutend war, von links gekommen ist. Da gibt es historische Beispiele, angefangen von Mussolini bis hin zu Peron und dann Mosley. Auch er war mal ein Anhänger der Labourparty. Aber was hei:ßt rechts? Und wenn man heute die nationalen Kräfte in Deutschland anspricht, die sich in Parteien wiederfinden, so gibt es natürlich kein Wir-Gefühl. Ich· kann Ihnen sagen, daß die sogenannten klassischen Rechtspartei­en in Deutschland, in der Frage des Serbieneinsatzes absolut unterschiedlicher Meinung waren, wo auch die Meinung herrsch­te, was interessieren uns da unten diese Balkanesen. Laß sie doch draufgehen. Die waren ja auch im Ersten und Zweiten Weltkrieg gegen uns. Denkt doch an die bösen Tito-Partisanen. Das konnte aber an meiner grundsätzlichen Einstellung nichts ändern. Es mag zwar nach einem Paradoxon klingen. Aber ich habe mich immer als "linker" Rechter gefühlt. Man muß dieses Problem auch aus historischer Sicht angehen. Welche Wurzeln haben eigentlich die Rechten? Da empfiehlt es sich, einen Blick über den Zaun zu werfen und nach Frankreichzu schauen. Es mag gewagt klingen und nicht unumstritten sein, wenn man die Jakobiner zu den Stammvätern der Rechten zählt, gewi:ß mit weit größerer Berech­tigung als ihre Gegner, die historischen Weicheier der französi­schen Revolution, die Girondisten. Die waren vom Schlag jener,

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die sich heute in Deutschland "Wertkonservative" nennen. Aber man kann sich's einfacher machen und schlicht feststellen, daß es derzeit keine deutsche Rechte gibt, keine bedeutende zumindest.

Was sich heute rechts nennt, das sind Minigruppierungen, deren Hauptaufgabe zu sein scheint, sich das Leben gegenseitig schwer zu machen. Allerdings muß dabei auch bedacht werden, daß es in der ganzen Welt keine Rechte so schwer hat wie in Deutschland. Die siegreichenAlliierten hatten rechts zur Todeszone erklärt und die geduldeten etablierten Parteien schlossen alles, was rechts stand, vom sogenannten Verfassungsbogen aus. Wer in Deutsch­land Karriere machen wollte, dermied rechtes Terrain. Dasführte unter anderem dazu, daß sich der Zustrom von Intellektuellen in engen Grenzen hielt. Die verbliebene deutsche Rechte hat kaum noch Köpfe. Sie hat allenfalls wackere Kämpfer auf mittlerer Ebene, aber visionäres Gedankengut paßt nicht in ihre Köpfe. Weiterbildung ist ein Fremdwort. Es wird kaum gelesen. Heget gehört gewiß nicht zu den Lieblingsautoren. Und der Marxismus ist etwas, auf das man schimpfen kann. Interesse erwecken nur Dossiers, vor allem jene, die den "Parteifreund" bloßstellen sol­len. Also, da ist nichts zu erwarten, im Moment zumindest. Trotz­dem sollte man die Hoffnung nicht aufgeben und es mit dem Sprichwort halten: "Wo die Not am größsten, ist Gottes Hilfe am nächsten." Gerade in letzter Zeit konnte ich bei jungen Menschen idealistische Aktivitäten beobachten, die aus der muffigen Hinter­hof-Atmosphäre ausbrechen wollen und mutig die Auseinander­setzung mit den etablierten Gegnern suchen. Sie interessiert nicht mehr das Gezänt zwischen den Rechtsparteien. Für diese jungen Patrioten gilt, was Willy Brandt einmal bei anderer Gelegenheit mit weniger Berechtigung gesagt hat: "Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört." Natürlich verlaufen die Bemühungen noch wenig koordiniert. Da gibt es die einen, die das rechte Banner auf den Straßen hochhalten wollen, die radikalsten unter ihnen denken dabei auch an Horst Wessels "Die Fahne hoch". Ob diese Art von Provokation allerdings die Einigungsbemühungen stärkt, sich umsetzen läßt in eine tragfähige Bqsis, ist mehr als zu bezweifeln. Die anderen wissen zwar auch, daß der Protest auf die Straße

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MAHLER: Die entscheidenden Kräfte kommen aus der Mitte des Volkes

getragen werden muß, weil sich nur so die Mediensperre durch­brechen läßt, aber sie ziehen in ihre Überlegungen auch die Bewußtseinslage der übelWiegenden Mehrheit der Bundesbürger mit ein. Sie wissen, daß allzu militantes Gehabe kontraproduktiv ist. Aber das alles ist Teil eines Gärungsprozesses und man sollte jungen Menschen auch das Recht auf Irrtum zugestehen. Schließt man sie aus, nimmt man ihnen die Chance, über Fehler zur Reife zu gelangen. Ich habe meine eigenen Jugendtorheiten nicht ver­gessen, sie dauerten übrigens länger, als Jugend gemeinhin währt.

MAHLER: Ich kann es vielleicht auflösen. Reinhold übeder­eher hat das mal versucht, auf eine Formel zu bringen. Er hat gesagt: die Linke ist die Linke, weil sie um Rechte und Freiheiten und deren Ausweitung kämpft. Und die Rechte im positiven Sinne ist dann die Kraft, die errungene Positionen, Rechtspositionen, Freiheiten, verteidigt und bewahren will. Und das gerät häufig in einen Gegensatz, der sich aber ebenso auch wieder auflöst. Wir sind gerade in einer solchen Phase der Auflösung. Es spielt heute wirklich keine Rolle mehr, ob man von rechts oder von links kommt. Es geht um das Überleben des deutschen Volkes als deutsches Volk, und das ist eine gemeinsame Herausforderung und Aufgabe. Und ich bin sicher, wir werden sie bestehen, gemein­sam. Diese alten Rechtsparteien spielen dabei überhaupt keine Rolle mehr. Aus ihnen werden sehr viele diesen sich jetzt ankün­digenden dynamischen Prozeß mitmachen. Andere werden aus ihrem Ressentiment heraus nicht in der Lage sein, sich diesem Neuen zu öffnen. Nun gut, dann geht die Geschichte über sie hinweg. Die entscheidenden Kräfte kommen- wie immer- aus der Mitte des Volkes. Teile der Eliten werden beginnen, sich ihrer Herkunft zu erinnern und ihre Verantwortung gegenüber ihren Kindem und Enkeln zu spüren. Zuerst werden es jene sein, die sich

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SCHÖNHUBER: Adenauer wollte eine absolute Westbindung

ein bißeben mit der deutschen Geschichte beschäftigt haben und deshalb die über unser Volk verbreiteten Lügen nicht mehr glau­ben. Von ihnen werden viele in ihrer persönlichen Umgebung einen Prozeß des Nachdenkensund Neudenkens anstoßen. Aber das verselbständigt sich dann sehr schnell. Ich bin ganz sicher, daß wir da noch Dinge sehen werden, von denen wir heute noch nicht zu träumen wagen. Der Geist weht, wo er will und wann er will. Das wird niemand verhindern können.

SCHÖNHUBER: Wesentlich aber bleibt in diesem Zusammen­hang die Frage, warum die deutsche Teilung nicht früher über­wunden werden konnte? Nach meiner Meinung war diese Frage tot nach der Ablehnung des Vorschlags von Stalin 1952, man wäre bereit, den Deutschen die Wiedervereinigung zu geben, wenn sie sich aus der Westbindung lösen würden. Nun weiß man nicht, ob das so ernsthaft gemeint war, es der Wahrheit entsprach oder ob es eine taktische Finesse war. Aber es gab ja damals hochinteres­sante Ansätze. Und diese Ansätze reichen bis in die heutige Zeit hinein. lch kann mich erinnern, ich war Redakteur einer sehr weit links stehenden Wochenzeitschrift "Die deutsche Woche", ein glänzend gemachtes Blatt. Dort waren wir die großen Befürworter beispielsweise der Partei von Herrn Beinemann und Herrn Rau und Helene Wessel, wie sie alle hießen. Diese Partei hieß damals Gesamtdeutsche Volkspartei.

Zu den Drahtziehern gehörte auch der Reichskanzler in der Weimarer Republik, Josef Wirth. Eines Tages erschien er in unserer Münchner Redaktion. Seine Servilität gegenüber jenen Mitarbeitern, von denen gemunkelt wurde, daß sie ostdeutsche Auftragstäter seien, war geradezu widerlich. Auch er lobte die Beinemann-Partei in den höchsten Tönen, tat dies aber augen­zwinkernd. Er wußte Bescheid. Diese Partei war ja für die ostdeut-

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sehen Machthaber sehr interessant. Sie war gegen Wiederbewaff­nung und einseitige Westbindung. Unterstützung fand sie auch durch kirchliche Kreise, zum Beispiel durch Pastor Niemöller, der in unserer Zeitung besonders gehätschelt wurde. Zweifellos flos­sen auch Ostgelder. Das soll nicht bedeuten, daß Herr Reinemann oder Herr Rau persönlich finanziell unterstützt worden wären. Aber Leute im zweiten oder dritten Glied düiften da weniger zimperlich gewesen sein. Doch obwohl die DDR-Regierung alles daransetzte, die Gesamtdeutsche Volkspartei überden Neutralis­mus zu einer gewissen Partnerschaft mit dem Ostblock zu gewin­nen, ist dieser Versuch gescheitert. Die Wähler machten einen Strich durch die Rechnung. Die GVP kam über den Status einer unbedeutenden Splitterpartei nicht hinaus. Reinemann und Rau zogen die Konsequenzen, wechselten zur SPD und wurden Bun­despräsidenten. Konrad Adenauer dürfte sich über das Scheitern seines ehemaligen Innenministers Reinemann besonders gefreut haben, konnte er doch jetzt die angestrebte Westbindung noch intensiver vorantreiben. Von ihm wird ja bekanntlich erzählt, daß er sich auf die dem Osten ab gewandte Seite drehte, wenn er über die Elbe fuhr. Er wollte von diesem, vorwiegend protestantisch geprägten Land nichts wissen. Die Preisgabe der deutschen Ost­gebiete dürfte ihn nicht um den Schlaf gebracht haben. Wie ist dazu Ihre Meinung?

MAHLER: Also verloren war es noch nicht, noch nie. Aber der Prozeß hat zwei Seiten. Einerseits die Kriegsziele der westlichen Alliierten, insbesondere der Amerikaner, damals noch formuliert von Roosevelt, waren: das deutsche Reich muß zerschlagen wer­den, dieses darf nie wieder eine Rolle spielen. Deshalb sollte bis zur "bedingungslosen Kapitulation" gekämpft werden. Bis zur völkerrechtswidrigen vollständigen Annexion des Reiches durch seine Nachbarn konnten es die USA aus den verschiedensten Gründen nicht treiben. Man ist einen anderen Weg gegangen, indem man dieses Kondominium der vier Haupt-Siegermächte errichtete bei gleichzeitiger Einteilung des Rumpf-Reiches in vier Besatzungszonen. Nur wußte keiner so recht, wie das mal zu

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einem Ende gebracht werden sollte. Die auf dem Gebiete des Deutschen Reiches 1949 durch Besatzungsgewalt gebildeten Reichszerteilungsstaaten ( übedereher) sind völkerechtswidrige Gebilde. Man hat Rußland wesentliche Zugeständnisse gemacht. Man hat es hingenommen, daß Rußland Buropa dominiert bis eben jetzt in die 90er Jahre hinein.

Das hat sich Gott-sei-Dank durch den Zusammenbruch des Sowjetblocks geändert. Dadurch ist aber auch eine sehr gefährli­che Situation entstanden. An der US-Ostküste wird bereits jetzt über eine erneute militärische Operation gegen Deutschland nach­gedacht. Sie könnte auf die Feindstaatenklauseln der UN-Charta gestützt werden. Vorwände dafür sind schnell geschaffen.

Das andere ist natürlich die Verfaßtheit des deutschen Volkes. Es war durch den totalen Krieg erschöpft. Es war psychisch gelähmt durch die Niederlage und ist seit dieser Zeit unausgesetzt - ohne daß diesbezüglich ein hinreichendes Problembewußtsein vorhanden ist- Objekt einer fortgesetzten psychologischen Krieg­führung gegen das deutsche Reich. Den Deutschen wird im Rah­men der sogenannten Umerziehung beigebracht, daß wir durch unsere Charaktereigenschaften ein hoch gefährliches Volk seien, und daß von Deutschland immer nur Gefahr für die Nachbarn, für die Welt und für den Frieden ausging. Die erste und die zweite Nachkriegsgeneration hat das verinnerlicht. Viele Deutsche mei­nen ernsthaft, daß die Deutschen als Volk aufhören sollten zu existieren, damit diese Gefahr beseitigt sei. Das gebrochene Selbstbewußtsein hat krankhafte Züge angenommen. Es hat uns ein nationaler Masochismus erfaßt. Ich bin überzeugt, daß das seitens der Siegermacht USA beabsichtigt war. Es gibt eine Fülle zweifelsfreier Dokumente und Zeugnisse, die eine derartige Ab­sicht belegen. Diese Strategie wird jetzt allerdings in der dritten Nachkriegsgeneration an der Plumpheit der Geschichtsfälschun­gen und Geschichtslügen scheitern.

SCHÖNHUBER: Nur dazu muß man vielleicht noch historisch anmerken, daß eine wesentliche Schuld sich dann auch die deut­schen Sozialdemokraten aufgeladen haben und insbesondere

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Willy Brandt. Er aber hatte einen Vorgänger, der noch durchaus national dachte. Wir erinnern uns gewiß beide an den Zwischenruf Kurt Schumachers in Richtung Adenauer: "Sie sind der Kanzler der Alliierten!" Ich stelle mir die hypothetische Frage, könnte es nicht sein, daß ein Schumacher, lebte er heute noch, den gleichen Vorwurf an Sehröder richten würde? Zu Schumachers Zeiten waren weite Kreise der SPD ja noch national orientiert, sogar Herbert Wehner. In Bezug auf die verlorenen Ostgebiete sagte er einmal: "Verzicht ist Verrat." Aber dann regten sich, angeführt von Willy Brandt, die Gegenkräfte. Die blickten vor allem nach Amerika. Brandt hatte ja schon zu Kriegszeiten Verbindungen zu Amerika, auch zu amerikanischen Geheimdienstkreisen aufge­baut, die sich auszahlten. Er legte die Verratsformelad actaund sprach hinsichtlich der Wiedervereinigung nunmehr von der "Le­

bens lüge der Deutschen". Da war es mehr als ein Kunststück, sich I 989 beimFaltder Mauer hinzustellen und zu tönen: "Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört." Aber die Menschen vergessen bekanntlich rasch und Willy Brandt mutierte zu einem gesamtdeut­schen Patrioten.

MAHLER: Sehen Sie, darüber habe ich in Wien gesprochen: "Über den V errat Adolf Hitlers an der Deutschen Linken und über den Verrat der Deutschen Linken am Deutschen Volk."

Hitler hat, nachdem er die Macht errungen hatte, seine Bewe­gung fortgesetzt als Bürgerkrieg, indem er ganze Teile der politi­schen Gesellschaft, nämlich die Sozialdemokratie und die Ge­werkschaften exiliert - ins innere und ins äußere Exil gezwungen - hat. (Dagegen war die Verfolgung der Kommunisten legitim, denn diese waren Agenten einer Feindmacht). Das hatte zur Folge, daß die so Exilierten weitgehend die Greuelpropaganda der Feind­mächte verinnerlichten. Sie sind mit einem deformierten Bewußt­sein in die Politik zurückgekehrt. Dieses machte sie zu willigen Vollstreckern der von den Siegermächten erzwungenen Umerzie­hung der Deutschen. Sie sind - mit reinem Gewissen - zu einer bestimmenden Kraft im Nachkriegsdeutschland geworden, sozu­sagen zu gutgläubigen Kollaborateuren der Feindmächte. Sie ha-

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SCHÖNHUBER: Die Waffen-SS als Sündenbock

benjene einseitige Sicht auf den Nationalsozialismus gehabt, die die Alliierten brauchten für ihre psychologische Kriegführung, die ohne die breite Mitwirkung der ehemals von den Hitleristen ver­folgten Deutschen nicht so erfolgreich gewesen wäre. Die Verfol­gung der Sozialdemokratie war ein strategischer Fehler des Sy­stems. Talleyrand hat den Spruch geprägt: "Fehler sind schlimmer als Verbrechen." Als Folge dieses Fehlers leben wir heute in der Gefahr, daß das Deutsche Volk endgültig aus der Geschichte ausscheidet und untergeht. Aber nicht Deutschland, sondern es geht die Bundesrepublik unter. Wir sind in der Lage, den nationa­len Masochismus jetzt zu überwinden.

SCHÖNHUBER: Man kann natürlich von einer doppe/strategi­schen Arbeit sprechen. Sie sagten, es waren also die Exilanten, die dann zurückgekehrt sind. Und die sich natürlich aus ihrer Sicht sogar mit einem gewissen Idealismus und Wahrheitsliebe an die Umerziehung gemacht haben. Aber sie wurden ergänzt durch ehemaligen HJ-Führer und was auch immer, die also früher sich in Heilschreien von niemanden überbieten ließen. Die auf der NAPOIA waren, und dann plötzlich nach Amerika eingeladen worden sind, dort einer Gehirnwäsche unterzogen wurden und als die eifrigsten Vergangenheitsbewältiger zurückgekehrt sind, weil sie genau wußten, das ist unsere einzige Chance des Überlebens, wenn wir die Amerikanisierung des Geistes vorantreiben. Und immer, wenn sie ein bißchen wackelten, dann konnte man so schön sagen: "Aber lieber Freund, warst Du nicht Bannführer da und dort oder warst Du nicht ... ?" Und dann ist er wieder ruhig.

Die Amerikaner haben ja schon vor Ende des Krieges die sogenannte "Weiße Liste" zusammengestellt. Daraufwurdenjene Nationalsozialisten und Gegner vermerkt, die ansprechbar wären und nützlich sein könnten. Das haben sie wirklich klasse gemacht.

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Das gilt vor allem für die amerikanischen Offiziere jüdischer Herkurift und Propagandaspezialisten aus Emigrantenkreisen. Sie hatten eine genaue Kenntnis der deutschen Mentalität und auch der deutschen Verhältnisse. Die Amerikaner hätten das nicht geschafft, wenn sie irgendeinem braven Mann von Michigan das machen hätten lassen, sondern sie wußten genau, da ist der Herr Langendorf geeigneter, der Kommunist war und dann später Pressechef von Free Europe und Radio Liberty. Diese Emigranten wußten, wie man das macht. Das muß man ehrlich sagen, diese psychologische Kriegführung haben die Amerikaner mit Glanz bestanden, allerdings zu Lasten Deutschlands.

MAHLER: Das ist eine großartige historische Leistung. Als solche kann man sie durchaus bewundern. Es wirkten drei Hauptfaktoren zusammen. Sie haben das schon richtig akzentu­iert. Einerseits waren das die Teile des deutschen Volkes, insbe­sondere die politisch Denkenden und Handelnden, die Hitler exi­liert, aus der deutschen Volksgemeinschaft ausgeschlossen und verfolgt hatte. Sie haben ein Verfolgungssyndrom gegen das ei­gene Volk entwickelt. Das ist tragisch. Der zweite Hauptfaktor waren die kollaborationswilligen ehemaligen Parteigänger Hitlers und Funktionsträger des Dritten Reiches. Die waren erpreßbar und konnten dadurch gegen ihr Volk instrumentalisiert werden. Der dritte Hauptfaktor waren jüdische Emigranten, die - meistens als Offiziere der US-Army - nach Deutschland nicht gerade mit freundlichen Gefühlen zurückkehrten.

Diese Faktoren wirkten in einer geistigen Atmosphäre zusam­men, die noch gesondert zu würdigen ist: Roosevelt hatte es - wie kein anderer vor ihm - verstanden, aus der grenzenlosen Freiheit des Geldverdienens eine Kreuzzugsidee zu machen. Die Freihan­delsdoktrin und die Menschenrechtsideologie wurden durch ihn zu einer neuen Religion verschmolzen, die heute weltweit gepre­digt wird. Und wer sie nicht annimmt, wird eben klein gebombt. Das haben wir gerade in Serbien erlebt. Daß wir Deutsche bei diesem Angriffskrieg jetzt wieder mitmachen, ist die praktische Beglaubigung, daß die amerikanische Strategie der psychologi-

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sehen Kriegführung erfolgreich war. Aber dieser Erfolg hat jetzt auch seinen Höhepunkt erreicht und überschritten.

SCHÖNHUBER: Ich kann zum Abschluß noch eine vierte Di­mension beitragen. Ich habe mit Herrn Sudholt unlängst darüber gesprochen. Es war die Suche nach dem Sündenbock, auf den man alles abladen konnte. Und wir wissen heute, daß die Engländer in den Kriegsgefangenenlagern die Gespräche der deutschen Gene­räle abgehört haben. Und die machten aus ihren Herzen keine Mördergrube. Aber sie gruben eine andere Grube und in diese warfman die Waffen-SS. Man einigte sich darauf, alles Böse auf die Waffen-SS zu schieben, um die Wehrmacht von Verbrechen freizuhalten. Diese Rechnung ist bis vor kurzem aufgegangen, inzwischenjedoch nicht mehr haltbar. Zu dieser Sachlage möchte ich als betroffener Soldat des Zweiten Weltkrieges meine Meinung sagen: Das Verhalten dieser Generäle war besonders perfide, weil sie aus Erfahrung wußten, daß die Wehrmachtfroh war, wenn in der Nähe Truppen der Waffen-SS lagen, die in der Regel in selbstaufopfernder Weise ihre Wehrmachtskameraden aus Notla­gen heraushauten. Den Ruf, die Feuerwehr bedrohter Frontstel­lungen gewesen zu sein, hat sich die Waffen-SS redlich verdient. Dafür mußte sie außerden U-Bootbesatzungen auch den höchsten Blutzoll zahlen. Ein Drittel ist gefallen. Aber das ist ein anderes Kapitel, wenn es auch indirekt mit der Umerziehung zu tun hat. An der Spitze der Umerzieher stand unmittelbar nach dem Kriege der glänzende Journalist jüdischer Herkunft aus Wien, Hans Habe. Er war weiterfahren, wußte wie es beim Völkerbund in Genf zuging, wo er Korrespondent war. Er kannte die Vorgänge um das Jahr 1938 beim Anschluß in Österreich. Und er kannte sich aus in bestimmten Seiten der deutschen Mentalität. Er kam nach München, wurde Chefredakteur des wichtigsten Blattes der ame­rikanischen Besatzungsmacht, der technisch hervorragend ge­machten "Neuen Zeitung". Bei ihm klopften sie alle an, die Gegner und Befürworter der NS-Zeit. Sie auseinander zu halten war nicht immer leicht. Am untertänigsten benahmen sich ehemalige Schriftleiter und Spitzenjournalisten des Dritten Reiches. Sie

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MAHLER: Fragezeichen hinter dem Begriff Demokratie

überboten sich in mea culpa- mea maxima culpa-Bekundungen: Ich war unschuldig, habe geholfen, wo ich nur konnte, bin veiführt worden, werde alles tun, um meine Schuld wieder gutzumachen. So war's! Und dann durften sie mitarbeiten in der NZ und rangen um Spitzenplätze in Trauer- und Bewältigungsarbeiten Zuweilen mußte Habe selbst ihren Eifer bremsen. Als ich ihn später während meiner Zeit als Chefredakteur der Münchner Boulevard-Zeitung tz als Kolumnisten verpflichtete, erzählte er mir des öfteren schmunzelnd von diesen "Bestarbeitern ". Er kannte seine Pappen­heimer. Übrigens stieß bei manchem meiner Kameraden aus der Waffen-SS-Zeit diese Verpflichtung nicht gerade auf begeisterte Zustimmung. Ausgerechnet den Habe, den Nazi- Veifolger! Ein Verhaltensmuster, das vielleicht auch bei diesem Buch, zeitgemäß abgewandelt, wieder zum Vorschein kommen könnte. Generell aber möchte ich sagen, daß ich damals bei Juden nicht selten mehr Verständnis für die aufgetretene Problematik junger Menschen fand, als bei manchem "Volksgenossen". Das traf besonders auf die jüdische Verwandtschaft meiner ersten Frau, einer Budapester Halbjüdin, zu. Sie hing einer demokratischen Denkweise ameri­kanisch-westlicher Provenienz an.

MAHLER: Also ich würde schon mal das Fragezeichen hinter den Begriff "Demokratie" anbringen. Wenn man das übersetzt, es ist ja ein griechischer Ausdruck, lautet er "Volksherrschaft". Was wir haben, war nie eine Volksherrschaft und kann es auch gar nicht sein. Die auf Parteien sich gründende parlamentarische Demokra­tie ist ein System der grenzenlosen Freiheit für das Mehrwert­schöpfen in privater Hand, also für den Reibach. Der Staat gerät dabei zwangsläufig in die Schuldknechtschaft des großen Kapi­tals. Und das Parteiensystem ist der politische Ausdruck dieser Knechtschaft des Staates. Und mit dem Staat sind wir als betrof-

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fene Staatsbürger alle in der Schuldknechtschaft der Banken. Es ist den Bürgern überhaupt noch nicht bewußt, daß ihre Ersparnis­se, ihre Alterssicherung in der Staatsschuld längst untergegangen sind. Die Staatsschuld wird immer größer. Sie wird, genauer: sie kann nicht zurückgezahlt werden. Irgendwann schlägt - wahr­scheinlich schon bald- die Stunde der Wahrheit. Ginge es geordnet zu, würde es einen gesetzlichen Währungsschnitt geben, der den Sparern bescheinigt, daß ihre Guthaben nichts mehr wert sind. Aber so geordnet wird es nicht zugehen. Die Bundesrepublik wird sich wohl eher durch eine Hyperinflation entschulden.

Das Ganze ist ein hoch kriminelles System: In dessen Zentrum wirken die Banken und vergleichbare Geldsammelstellen. Sie neh­men das ihnen von Sparern anvertraute Geld und geben es einem faulen Schuldner, von dem sie von vornherein wissen: der kann seine Schulden niemals zurückzahlen. Um ein Schuldenloch zu stopfen, muß dieser Schuldner zwei neue aufreißen. Schließlich kann er die Zinsen nur noch aus neuen Krediten zahlen. Ein privater Schuldner würde wegen Kreditbetrugs bestraft werden. Da bei der Staatsschuld alle Beteiligten den Sachverhalt genau kennen, kommt Betrug nicht in Betracht, denn der setzt eine Täuschung voraus. Die Banken aber begehen Untreue zum Schaden der Sparer. Der Staat stiftet die Banken dazu an. Die Kreditblase wird immer größer. Immer größere Teile Volkseinkommens gehen als Zinszah­lungen an die Banken - über den Staatshaushalt, der das Steuerauf­kommen auf diese Weise an das große Geldkapital ausliefert. Die politische Gestaltungsfreiheit schrumpft immer mehr. Die öffent­liche Hand verarmt in einem Maße, das für uns einfach nicht vorstellbar ist. Wir werden das aber noch erleben. Das sind alles Entwicklungen, die sehr wohl mit dem Begriff "Demokratie" zu verbinden sind. Das ist kein System der Volksherrschaft. Es ist kein System der Volksfreiheit Damit dieses System halbwegs funktio­niert, müssen die Wähler unausgesetzt desinforrniert, belogen und manipuliert werden. Das besorgen die Medien, die ihrerseits wieder unter der Fuchtel des Großen Geldes stehen.

Der Österreichische Geldtheoretiker und Nobelpreisträger, Au­gust von Hajek, hat dieses System über Jahrzehnte sorgfältig

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untersucht. Sein Fazit: das Parteiensystem ist die Wurzel des Übels. Für ihn ist es der Weg in die Sklaverei. Zunächst in die Schuldsklaverei des Staates und damit aller Staatsbürger gegen­über den Banken; dann aber auch in die politische Sklaverei. Denn der Widerstand, der soziale Widerstand gegen diese Entwicklung wird immer heftiger, bis er schließlich durch die vetfassungsmäßi­gen Institutionen nicht mehr in das System integriert werden kann. Dieses greift zu versteckter und zunehmend auch zu offener Repression. Das erleben wir jetzt in der Bundesrepublik, deren liberal-rechtsstaatliche Gesichtszüge mehr und mehr entgleisen.

SCHÖNHUBER: Also ich zögere, Ihre Definition der Demokra­tie nachzuvollziehen. Dazu bedarf es eines längerenNachdenkens. Aber in einem gebe ich Ihnen wiederum recht. Daß heute die Macht der Banken weit größer ist als die Macht der Bundesrepu­blik, der Regierung. Das gilt übrigens auch für Amerika. Ich meine, daß der Dollar heute nicht mehr sozusagen im Staat verankert ist, sondern ...

MAHLER: Die Regierung hat nur noch die Macht, den Willen der Banken nach unten durchzureichen.

SCHÖNHUBER: Ja, aber man muß wissen, wie die Banken heute vorgehen. Auch sie haben ihre geschichtlichen Vorbilder. Man denke an die Rothschilds. Ihr Stammhaus stand zwar in Franlifurt, aber zu dem immensen Reichtum kamen sie über die Londoner Filiale. Hier wurde vorgeführt, wie man durch Desin­formation Geld scheffeln kann. Durch seine Kundschafter auf dem Schlachtfeld von Waterloo ließ er nach London die Nachricht übermitteln, Napoleon habe gesiegt. Panik an der Börse. Die Aktien rutschten in den Keller. Rothschild ließ die billig geworde­nen Aktien aufkaufen. Dann kam die Nachricht: Napoleon ist geschlagen. Der Wert, der in Händen Rothschilds befindlichen Aktien schnellte in die Höhe. Und der Bankier saß auf einem GoldeseL Nach der Methode Rothschild gehen auch die heutigen Banken vor. Sie scheuen sich wohl auch nicht, bei der Inszenierung

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SCHÖNHUBER: Die Bankenherrschaft beruht auf Desinformation und Lüge

von Kriegen Hilfestellung zu leisten. "Hilfreich" ist dabei die Zusammenarbeit mit den Medien. Das kann so gehen: Will man einen bestimmten Effekt erzielen, schickt man einen, im Solde der Bank stehenden Reporter nach - sagen wir einmal als fiktives Beispiel- also nach Venezuela. Der Reporter meldet: In Venezuela droht Bürgerkrieg, das Leben der Ausländer ist gefährdet. Der Sturz der Aktien beginnt. Die eingeweihten Bankiers beginnen mit dem Aufkaufen. Der Reporter sagt drei Tage später: Die Krise ist überwunden, das Leben der Ausländer ist wieder sicher. Die demokratischen Kräfte haben sich gegen die Rebellen durchge­setzt. Und es ist das alte Spiel: Große Bankgewinne für die Eingeweihten. Die Verlierer sind die Nichteingeweihten. An dieser Stelle fällt mir Gottfried Feder ein und seine Forderung nach Brechung der Zinsknechtschaft. Die Bank - und Börsenskandale der zwanziger Jahre, die sich mit den Namen Kutisker, Barmat und Sklarek verbinden, die Weltwirtschaftskrise von I929 melden sich in der Erinnerung. Heute sagt man, so etwas könne sich nicht mehr wiederholen, da gäbe es internationale Sicherungsinstru­mentarien Wer's glaubt, wird selig. Gottfried Feder kam ja nicht von ungefähr auf seine Idee. Ihm war nicht entgangen, wie skru­pellos Kredithaie, meistens ausgesprochene Kriegsgewinnler, vor allem in den ländlichen Gegenden Bayerns, den stark verschulde­ten Bauern Kredite aufschwätzten, damit diese ihre Höfe retten konnten. Die in diesen Belangen uneifahrenen Bauern durch­schauten das Spiel nicht und nahmen hohe Zinslasten in Kauf. Aber dann ging ihnen die Luft aus, sie gingen bankrott, verloren Haus und Hof und die Kredithaie hatten wieder ein neues Speku­lationsobjekt gefunden, mit dem sich Geld machen ließ. Die Na­tionalsozialisten sogen Honig aus dieser Ausplünderung und ge­wannen neue Anhänger. Dabei schürten sie auch den Antisemitis­mus, indem sie die fatale Gleichung aufmachten: Kredithai ist

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gleich Jude. Sie stimmte in dieser Pauschalierung zwar nicht, wenngleich sich nicht leugnen läßt, daß auch Juden unter diesen Haien zu finden waren und ungeniert ihren neu gewonnenen Reichtum protzig zur Schau stellten. Das machte sie verhaßt und die Bevölkerung, besonders die verarmte, schloß von den wenigen auf viele. Kluge, integere und patriotische Juden warnten mehr als einmal ihre Rassegenossen vor dieser Wucherei und kritisier­ten sie schonungslos. Hält man dies alles unter der Decke und bemüht sich nicht um objektive Aufklärung, so gibt man jenem Antisemitismus Nahrung, der jetzt in der Frage der Entschädigung für Zwangsarbeiter wieder auftaucht. Auch hier ist in den Berich­ten viel von moralischer Empörung die Rede und weniger von historischen Fakten. Es gibt auf der Welt genügend respektable jüdische Kräfte, die offen vor skrupellosen und geldgierigen Rechtsanwälten warnen und die Augen vor historischen Mißdeu­tungen nicht verschließen. Darüber muß man reden.

Das sind alles Überlegungen, die wir patriotischen Kräfte in Deutschland einmal nachvollziehen könnten und sollten und auch die Leute dafür interessieren.

MAHLER: Ja, alles hängt damit zusammen. Wenn dieses Prob­lem nicht gelöst wird, haben wir keinen Spielraum für eine le­benssichernde Politik.

Sie sehen es ja: Die Regierung stellt sich vor, es könnte doch ganz gut so sein. Sie kündigt ein bestimmtes Vorhaben an. Sofort wird sie in der Presse zusammengeschlagen. Warum? Weil ganz bestimmte Bankinteressen, also Geldinteressen be­rührt sind.

Oskar Lafontaine hat das erst jüngst wieder einmal durchexer­ziert. Er bekannte sich als Befürworter der "Tobinsteuer", d.h. die über den Globus frei flottierenden Finanzströme sollten dadurch gedrosselt werden, daß jede Transaktion mit einer Umsatzsteuer von 1 % belastet wird. Und er hat - erstmals seit Hitler - einen Unterschied gemacht zwischen dem schaffenden Kapital und dem raffenden Kapital. Er hat diese beiden Termini vermieden, aber der Sache nach hat er gesagt: Wir müssen das zinstragende Kapi-

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MAHLER: Die Medien müssen vom Geld unabhängig werden

tal, das fürs Nichtstun Mehrwert aneignet, stärker zur Steuer heranziehen als das produktive Kapital.

SCHÖNHUBER: Das wäre ein Ansatz zur Aktualisierung von Gottfried Feder.

MAHLER: Na, und wo ist Oskar Lafontaine heute? Weg vom Fenster! Wir wissen ja immer noch nicht, was die Umstände seines Rücktritts sind. Ich glaube nicht, daß der freiwillig gegangen ist. Das wäre ganz gegen seine Natur. Möglicherweise war er in irgendeiner Weise erpreßbar. Und hat das in dieser Weise dann bereinigt, das er den Abschied von der Politik genommen hat. Die Regierung ist in diesem System gegenüber den übermächtigen Kapitalinteressen machtlos. Diese Kreise haben- direkt und indi­rekt - die Presse in der Hand. Das haben die Amerikaner zum ersten Mal anläßlich des amerikanisch-spanischen Krieges um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erprobt Damals ist Randolph Hearst, der Chef der großen Zeitungskonzerne, dahergekommen und hat gesagt: "Ich schicke meine Leute. Die bringen die Bilder. Dann kriegt ihr den Krieg, den ihr haben wollt." Das hat sich bewährt.

Und so arbeitet die Presse heute noch. Deswegen trete ich dafür ein: Der erste Schritt auf dem Weg in eine neue freiheitliche Ordnung muß sein, daß wir überhaupt erstmals Pressefreiheit dadurch herstellen, daß wir die Verbindung zwischen dem Geld und den Medien durchtrennen. Die Medien müssen vom Geld unabhängig werden. Erst dann bekommen wir eine Chance, über unsere Angelegenheiten relativ unverstellt und frei von Manipu­lation zu reden. Die Medienmacher werden genossenschaftlich organisiert und Eigentümer ihrer Produktionsmittel sein. Soweit Werbung in den Medien überhaupt noch zulässig sein wird, sind

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die Werbeeinnahmen zentral vom Genossenschaftsverband zu erfassen und den Mitgliedern nach Qualitätskriterien zuzuteilen. Der Staat wird die informationeHe Grundversorgung durch eigene Medien gewährleisten. Die ständische Ehrengerichtsbarkeit wird streng sein und so für die Reinerhaltung des Berufsstandes der Medienmacher sorgen. Korruption im Medienbereich ist unter Strafe zu stellen. Haben Sie da Überlegungen, Herr Schönhuber?

SCHÖNHUBER: Ja, und die datieren nicht erst von heute. Ich hab' sie schon geäußert, als ich in den Medien selbst noch tätig war. Im Regelfall ist es doch so, daß ein Intendant wiedergewählt werden will. Wie soll er das anstellen? Er muß alles tun, um jenen Leuten im Rundfunkrat, die ihn gewählt haben, die Überzeugung zu vermitteln, daß sie eine gute Wahl getroffen hätten und man auf ihn weiter setzen könne. Das ist besonders wichtigfür die Vertreter der Parteien in den Rundfunkräten. Wie eine an Parteiinteressen orientierte Rundfunkpolitik aussieht, können Sie in Bayern und Nordrhein-Westfalen beobachten. In Bayern hat ein Dr. Stoiber seinen Bonus, an Rhein und Ruhr ein Clement. Aus diesen Grün­den bin ichfür eine radikale Reform der Rundfunk- und Fernseh­strukturen. Meine Vorschläge: 1. Die Amtszeit eines Intendanten muß auf eine Periode be­

schränktwerden. Da er nicht um eine Wiederwahl bangen muß, kann er sich jedem Erpessungsversuch entziehen.

2. Rückzug der Parteienvertreter aus den Rundfunkräten. Das gleiche gilt für religiöse Gruppierungen.

3. Der Intendant muß auch das Recht haben, selbst seine Hauptabteilungsleiter zu bestimmen. Eine Zustimmung durch den Rundfunkrat entfällt. Er kann sie entlassen oder finanziell zurückstufen, wenn sie seinen Anforderungen nicht gerecht werden. Das wirkt leistungsstimulierend. Der Betroffene kann sich wehren. Der Weg zum Arbeitsgericht steht ja jedem offen.

4. Eine Quotierung zur Sicherung der Existenz deutscher Produk­tionen ist unumgänglich. Es kann nicht angehen, daß ein Herr Kirch billigst den amerikanischen Schund aus den 60er Jahren aufkauft und damit den deutschen Markt überschwemmt. Zur

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Steigerung der Einschaltquoten wird selbst die Pronografie nicht ausgeklammert. Die Frau wird zur Beute denaturiert, der Mann als Sexprotz lächerlich gemacht. Es sind in der Tat die Kirchs, Springers und Bertelsmänner, die in Zusammenarbeit mit den Banken ein Machtkartell aufgebaut haben, das den Zeitgeist bestimmt. In Frankreich hat man wenigstens eine Quote eingeführt, die verlangt, daß ein bestirnter Prozentsatz der Sendungen aus französischen Produktionen stammen muß.

Können wir in Deutschland die Zustände nicht ändern, gelingt es nicht, das Machtkartell aufzubrechen, wird uns der Ausbruch aus dem Jammertal nicht gelingen.

MAHLER: Sehen Sie, wir sind hier an einem ganz wesentlichen Punkt angelangt: Es geht um Verfassungsfragen. Man wird viel­leicht versuchen, die Diskussion darüber mit Mitteln des Straf­rechts einzugrenzen. Das wird allerdings nicht funktionieren: Das Grundgesetz selbst setzt eine freie, völlig unbeschränkte V erfas­sungsdiskussion voraus. Es bestimmt nämlich in Artikel 146: "Dieses (von den westlichen Siegermächten oktroyierte) Grund­gesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine V erfas­sung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entschei­dung beschlossen worden ist."

Die gegebene- auch vom Bundesverfassungsgericht mehrfach bestätigte - Rechtslage ist die, daß das deutsche Reich 1945 nur handlungsunfähig geworden, aber nicht untergegangen ist. Das Deutsche Reich ist als Staats- und Völkerrechtssubjekt noch vor­handen. Daraus folgt, daß jeder Deutsche aufgerufen ist, sich dafür einzusetzen, daß das Reich seine Handlungsfähigkeit wiederer­langt und die Deutschen sich endlich in freier Selbstbestimmung eine Reichsordnung (Verfassung) geben. Das müssen wir errei­chen. Es muß eine Bewegung in unserem Volke entstehen, die das durchsetzt. Da ist die Frage der Meinungsfreiheit, der Medienfrei­heit, der Wissenschaftsfreiheit eine ganz zentrale Frage, denn diese Freiheiten sind die Wurzeln der politischen Freiheit. Die haben wir noch lange nicht erreicht. Was sich hier für Freiheit

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MAHLER: Wir wollen als geistige Na­tion überleben

ausgibt, ist einfach nur ideologischer Schein. Wir haben die Herr­schaft des Geldes über die Medien und die Zersetzung der Kultur und der Sittlichkeit durch die Medien. Und damit muß Schluß sein. Das ist das Leben des Volkes, was hier auf dem Spiele steht. Wir wollen als geistige Nation überleben und dazu gehört unsere Kultur. Wir können es nicht hinnehmen, daß in privatem Profitin­teresse und darüber hinaus in politischem Herrschaftsinteresse bestimmter Kreise unsere Kultur und damit unsere Identität zer­stört wird. Das ist eine ganz wesentliche Frage, die Frage der Verfassung der Deutschen, die auf uns zukommt. Und alles, was jetzt angesichts der Parteienkrise hochkommt, muß, meine ich, unter diesem grundsätzlichen Gesichtspunkt gesehen werden. Es geht nicht um eine Verbesserung des Rentensystems oder um eine Arbeitsbeschaffungspolitik, sondern es geht um die grundlegende freiheitliche Ordnung für das deutsche Volk.

SCHÖNHUBER: Natürlich geht es auch um eine Verbesserung des Rentensystems und um eine bessere Arbeitsbeschaffungspoli­tik Wir dürfen die Menschen nicht überfordern und den zweiten Schritt vor dem ersten tun. Ich zitiere Bertold Brecht: Erst kommt das Fressen, dann die Moral, ein vulgärer, aber nicht unrealisti­scher Satz. Es kommt meines Erachtens darauf an, den Menschen geduldig und verständlich zu erklären, daß alle sozialen Verbes­serungen nur durch die Durchsetzung einer wahrenfreiheitlichen Ordnung zu erreichen sind.

Aber sollte man nicht gerade jetzt nach den schlechten Erfah­rungen direkt demokratische Elemente in die Debatte werfen und mehr Basis-Demokratie fordern?

MAHLER: Wenn Sie diese Frage an mich stellen, dann möchte ich daran erinnern, was ich vorhin gesagt habe. Ich stelle ja den

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Begriff der Demokratie in Frage, denn sie ist die Verhinderung der Freiheit, Ideologie, Schein. Das sollte Gegenstand unserer Über­legungen sein. Darüber müssen wiruns klar werden, weil wir sonst immer wieder in die Sackgasse, die der vom Geld abhängige Parteienstaat ist, reinlaufen. Demokratie, das was darunter ver­standen wird, ist die Herrschaft des Geldes, des großen Geldes. Und das sind natürlich auch Personen, das sind auch Zusammen­hänge von Personen.

Um vielleicht das Problem der parteienstaatlichen Unordnung einmal anzureißen: wenn ich Beschwerden mit meinem Blind­darm habe, dann gehe ich natürlich zu einem Chirurgen, weil ich annehme, der ist beruflich so weit vorgebildet, daß er weiß, was er damit zu tun hat. Ich gehe nicht zu jemandem, der es gelernt hat, Brötchen zu backen. Oder ich gehe nicht zu jemandem, der - wie unser gegenwärtiger Vizekanzler und Außenminister Joschka Fi­scher - überhaupt nichts gelernt hat, denn es ist schließlich mein Leben. Und ein Volk und eine darin agierende Gesellschaft sind mindestens so kompliziert wie ein menschlicher Organismus. Aber die politische Religion geht davon aus, daß in Staatsangele­genheiten jeder kompetent ist und mitsprechen kann. Bekanntlich wird die Bundesrepublik am besten an den deutschen Stammti­schen regiert. Die wissen's immer, wie es richtig zu machen ist.­Nichts wissen sie!

Wer also den Staat so konstruiert, daß er auch in Sachfragen auf das Votum der Wähler baut, daß er Programme, die Sachentschei­dungen beinhalten, zur Abstimmung stellt, der ist auf Manipulati­on der Wähler, auf die Verwirrung der Köpfe angewiesen. Der Durchschnittswähler verfügt über keinerlei Kompetenz in Staats­angelegenheiten, liest nicht mal regelmäßig eine Tageszeitung. Wie soll er darüber entscheiden, was der richtige Weg des Ge­meinwesens in die Zukunft ist? Wo vielleicht noch gesunder Menschenverstand waltet, greifen die Parteien mit ihren Desinfor­mationskampagnen an und stiften durch unsinnige Sündenbock­Theorien, die die Sachprobleme verzerren und schließlich völlig verdecken, Verwirrung mit dem Ziel, über die Medien bestimmte für die jeweilige Partei vorteilhafte Vorstellungen und Stimmun-

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gen zu erzeugen. So hoffen sie, Stimmen fangen zu können. Das ist eine durch und durch verlogene Veranstaltung.

SCHÖNHUBER: Gerade die Debatte um die Einführung des Euro hat bewiesen, wie durch gezielte Halbwahrheiten, Vortäu­schen großen Sachverstandes, herausgestellte Kenntnisse der in­ternationalen Zusammenhänge jene Menschen getäuscht werden können, die sich in dieser Materie wenig oder gar nicht auskennen. Inzwischen ist eingetroffen, was Skeptiker, die sich als Europa­gegner beschimpfen lassen mußten, vorausgesagt hatten.

MAHLER: Man muß wissen: ein Gemeinwesen ist nur dann wohlgeordnet, wenn es einen allgemeinen Stand gibt, der durch seine Ausbildung und Prägung dazu berufen ist, eine Politik für das Gemeinwesen und für das Allgemeinwohl zu formulieren und dann auch durchzusetzen. Das ist ein sehr schwieriges Studium.

Dann kommt es darauf an, einen Mechanismus zu haben, über den das Volk die Regierung kontrollieren kann. Das beginnt damit, daß es entscheidet, ob es diesem oder jenem das Vertrauen schenkt, die Dinge so zu richten, daß die Lebensinteressen des Volkes bestmöglich gewahrt werden. Und es muß dann auch immer wieder die Möglichkeit geben, daß das Volk in einem gesetzlichen V erfahren seine Wünsche und Vorstellungen zum Ausdruck bringen kann. Und in erster Linie wird die Regierung gehalten sein, diese Meinung ernst zu nehmen und zu bedenken. Wenn sie sich darüber hinwegsetzt, muß sie das vor dem Volk rechtfertigen. Da keine Regierung gegen eine sich verfestigende Volksmeinung auf Dauer regieren kann, haben wir damit eine Form der Volksfreiheit, die allen bekannten Verfassungen weit überlegen ist. Zum ersten Mal wird die Voraussetzung geschaffen sein, dem Volke auch dieWahrheitsagen zu können, es nicht mehr manipulieren zu müssen, um überhaupt noch was auf die Reihe zu bekommen. Weil man es nicht mehr belügen muß, wird das Volk viel besser als heute in der Lage sein, widerstreitende gesellschaft­liche Interessen in gemeinwohlverträglicher Weise in sich auszu­halten. Die Regierung kann die Bedingungen schaffen, daß sich

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die besonderen Interessen entfalten können. Zugleich wird sie diese unter das Gemeinwohl beugen. Nur in extremen Ausnahme­fällen sollte die Möglichkeit gegeben sein, mit einem V olksent­scheid unmittelbar in die Gesetzgebung bzw. Regierungstätigkeit einzugreifen.

SCHÖNHUBER: Gut. Jetzt möchte ich mein Demokratiever­ständnis, oder besser gesagt, eine Replik auf die Äußerungen von Ihnen anführen. Zunächst einmal denke man an Haider. Ich glau­be, wenn man die plebiszitären Elemente betrachtet, ist uns Bio­eher, der Schweizer, näher. Auch die Schweiz steht uns in der Frage mit Volksentscheiden, Volksbefragungen weit näher als irgend ein anderes europäisches Land. Punkt 2 was die Frage der Kompetenz angeht, ist das Thema richtig von Ihnen angeführt

Mit Fraktionskollegen des Europa-Parlaments in Straßburg

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SCHÖNHUBER über das Europaparla­ment: Wir waren mehr oder minder Ab­stimmungsmaschinen

worden, Herr Mahler, denn ich war Europaabgeordneter. Und ich muß Ihnen sagen, dieses Europaparlament wurde von sechs bis sieben oder acht Leuten dirigiert. Und wir waren mehr oder minder Statisten und Abstimmungsmaschinen. Es war mir einfach auch unmöglich, beispielsweise über den Walfang in Norwegen mir ein Urteil zu bilden, ich war immer auf das Urteil von einem anderen angewiesen. Und der andere war entweder ein Anhänger der Walverarbeitung, oder der Industrie, oder ein Tierschützer. Am nächsten Tag mußten wir abstimmen über die Frage des Weinbaus in Spanien, über Luftverschmutzung in Tschechien und Schäden da und dort. Aber bei der rhetorischen Darstellung all dieser Probleme waren wir angewiesen auf das Urteil von Fach­leuten. Doch je kleiner eine Fraktion ist, desto geringer sind die Hilfestellungen von Experten. Gehört man gar keiner Fraktion an, ist man hilflos. Man tut gut daran, sich dem Votum einer Fraktion anzuschließen, an deren seriöse Arbeit man glaubt.

Ich sprach mal über den Baikalsee. Meine einzige Qualifikation war, daß ich russisch spreche und man deshalb voraussetzte, daß ich mir auch russisches Material besorgen könnte. Selbst habe ich den Baikaisee nie gesehen. Wie kann man diesen Umstand än­dern? Ich habe mir darüber viele Gedanken gemacht. Erstens müßte das Parlament radikal verkleinert und mehr Chancen­gleichheit unter den Fraktionen angestrebt werden. Redezeiten sollten nicht mehr allein von den Fraktionsstärken abhängig ge­macht werden. Technische Hilfen sollten gleichermaßen allen zugänglich sein. Stellt sich die Frage, welches System steht mir am nächsten? Wenn ich das in meiner einstsigen Partei angedeu­tet, ich wiederhole, nur angedeutet habe, stieß ich nicht selten auf heftigen Widerstand und Hinweis auf den Verfassungsschutz.

Heute kann ich ohne Rücksichtnahme auf Parteibefindlichkeiten

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offen sagen, daß das System Mussolinis, das ständestaatlich orga­nisiert war, den Kooperativen einen herausragenden Platz ein­räumte und die Weltwirtschaftskrise von 1929 von allen liindern am besten überstand, bei mir in manchen Bereichen auf positive Resonanz stieß. Jörg Haider wäre gut beraten gewesen, als Vor­bildfür eine gute Beschäftigungspolitik nicht auf das Dritte Reich zu verweisen, sondern auf Italien, das humaner vorging. Ich weiß, daß ich damit den Zorn der Südtiroler herausfordere. Und ich habe Verständnis dafür. Die brutale Südtirolpolitik bleibt ein schwarzer Fleck in der Geschichte des Faschismus. Aber HitZer hat hier Mussolini freie Hand gelassen. Auch die Hybris, die Italien in einen Kolonialkrieg gegenAbessinien trieb, trübte mein Faschismusbild, obwohl ich glaube, daß die Ursache dieses Krie­ges nicht aus dem Faschismus kam, sondern aus dem imperialen Denken des alten Rom: Roma aeterna- ewiges Rom! Ich weiß, daß man meine, wenn auch mit Einschränkungen versehene positive Einschätzung des Faschismus sofort mit den einschlägigen Keulen begegnen wird. Aber eines ist sicher. Der Faschismus war nicht rassistisch geprägt. Mussolini selbst hatte jüdische Freundinnen. Nicht wenige Juden besetzten führende Stellungen in faschisti­schen Organisationen. Nach der Machtübernahme der National­sozialisten fanden Juden und Regimegegner Zuflucht in Italien. Das alles änderte sich, als der faschistische Atem in den Armen des Nationalsozialismus erstickte. Der Faschismus ging unter. Ein Wiederauferstehen als Partei ist kaum möglich. Nur der Gedanke bleibt. Und mehr als nur Splitter wären übernehmbar. ,

MAHLER: Damit ist ein weiteres grundsätzliches Problem der Bundesrepublik angesprochen. In ihr leiden die Deutschen darun­ter, daß jegliche Gedankenführung mit der Auschwitzkeule nie­dergestreckt wird, die das nationalsozialistische Geisterreich zu durchdringen versucht. Mit religiöser Inbrunst wird alles, was Hitler jemals gedacht, getan, geschrieben und angefaßt hat, für tabu erklärt. Aber wo stellt man Warntafeln mit einer Totenkopf­zeichnung auf? Doch wohl dort, wo Gefahren lauern, denen man sich nicht gewachsen weiß. Der Nationalsozialismus wird also

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noch für eine übermächtige Gefahr gehalten. Das muß doch ver­wundem. Mit dem Kommunismus kann man dagegen ganz gelas­sen umgehen. Er gilt weltweit als durch Selbstversuch überwun­den. Auf dem Roten Platz in Moskau marschieren immer wieder Tausende mit Stalinbildem und roten Fahnen, auf denen Hammer und Sichel zu sehen sind. Nur ein paar Irre sehen darin noch eine wirkliche Gefahr. Was aber wäre, wenn Tausende mit Haken­kreuzfahnen und Hitlerbildem durch das Brandenburger Tor zö­gen?

Hat also der Selbstversuch von 1933 bis 1945 nicht ausgereicht, um den Nationalsozialismus zu überwinden? Aus welchen Quel­len speisen sich jene energiereichen Ängste, die - wenn ein paar hundert Jugendliche in Deutschland das Horst-Wesssel-Lied an­stimmen- die ganze Welt in Aufruhr versetzen?

Churchill soll einmal gesagt haben: Bis zum Ausbruch des Krieges sei das größte Verbrechen Hitlers nicht die Judenverfol­gung gewesen, sondern die Herauslösung Deutschlands aus dem Weltmarkt.

Die Feinde Deutschlands, USA und Großbritannien, wollten eben das korrigieren. Denen war es gleichgültig, was hier im Inland passierte. Ob da Leute verfolgt wurden oder nicht. _§i~ wollten das :Freihandelssystem ausweiten oder wenigstens intakt halt~n. Präsident Wilson hat das scho~ lange vor der Machtergrei­fungder Nationalsozialisten auf die Formel gebracht: "Wer uns nicht rein läßt, dem treten wir die Türen ein." Und so haben es die Anglo-Amerikaner ja auch immer gemacht.

Aus dem Freihandelssystem sollte auch das sozialistische Deutschland ausscheren, für das die 68er gekämpft haben.

Müssen wir da über die wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Nationalsozialisten nicht noch einmal- diesmal aber sachlich und ganz von vom - nachdenken, auch über das, was in Italien unter Mussolini geschehen ist? Vielleicht üben wir wieder einmal als Intellektuelle den aufrechten Gang und weisen alle Versuche, uns dieses Nachdenken mit dem Faschismus-Vorwurf auszutreiben, zurück.

Wir könnten uns doch klar machen, daß der machtpolitische

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Mißbrauch einer Theorie, der terroristische Einsatz einer Religion oder die selbstmörderische Verkehrung sittlicher Überzeugungen im Zweifel die Theorie nicht widerlegen, die Religion nicht zu einer Lehre des Bösen und die Tugendhaftigkeit nicht zum Laster machen. Wäre Auschwitz ein gültiges Argument gegen das Den­ken, dann wären die Kreuzzüge der christlichen Abenteurer und die Hexenverbrennungen durch die katholische Inquisition eine ewige Autorität gegen das Christentum, den römischen Papst und die katholische Kirche.

Es geht \lier um nichts Geringeres als um die Wiederauferste~ hung des DenkensirnDeutschen Volk Wer sich diesem Versuch mit der Auschwitzkeule entgegenstellt, macht sich als Feind des Deutschen Volkes kenntlich.

Wir müssen gelten lassen, daß auch der Faschismus, daß auch der Nationalsozialismus Lebensproblerne der jeweiligen Völker gesehen, wahrgenommen und in bestimmter Weise angepackt haben. Und da war nicht alles falsch. Und was der Haider mal gesagt hat über die Beschäftigungspolitik der Nationalsozialisten, wofür er sich dann gleich wieder entschuldigt hat, war absolut richtig. Das muß man offensiv vertreten. Man soll Fehlentwick­lungen diagnostizieren, aufgrund der gesammelten Erfahrung auch Korrekturen anbringen, aber beiseite legen sollten wir diese Konzepte nicht.

Offensichtlich müssen wir genau unterscheiden, was die Führer der Feindmächte arn "Nazismus" verurteilt haben, und was wir als Deutsche von diesem System verwerfen.

Die Übernahme der Sichtweise unserer Feinde ist Hochverrat.

SCHÖNHUBER: Ich möchte in Ergänzung nochfolgendes sa­gen. Was auch zu dieser schrecklichen Allianz gegen Deutschland beigetragen hat, wardie Tatsache, daß man befürchtet hat, daß in die Arbeiterkreise dieser kapitalistischen Staaten der NS-Funke überspränge. Ich kann Ihnen ein Beispiel liefern. Ich war Kriegs­gefangener und einer meiner Bewacher, der später zu einem meiner besten Freunde wurde, war ein AnhängerOswald Mosleys von den Black Shirts. Er sagte, in England wurden die Arbeiter

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MAHLER: Roosevelt wollte diesen Krieg, um das Reich als Kern Europas zu zerstören

unruhig, insbesondere die einfachen Menschen, die einfachen Arbeiter, als sie die ersten KDF-Schiffe sahen. Die haben gesagt, das kann doch nicht wahr sein! Die deutschen Arbeiter fahren da mit dem Schiff durch die Gegend, sind wohl genährt und erholen sich gut und wir sind arme Schweine. Die haben schon empfunden, daß da ein Sprengstoff herankommt. Und sie dürfen nicht verges­sen, auch auf die Jugend hatte das eine gewaltige Auswirkung. Die Kinder von dem französischen Botschafter in Berlin, Franr;ois Poncet, bereiteten ihm große Mühe, sie daran zu hindern, daß die mit der Hitlerjugend-Kluft herumliefen. Das wären ganz begei­sterte "Nazijünglinge" geworden. Also, die Furcht vor einem Bazillus, einem sozialistischen Bazillus in einem kapitalistischen Staat war groß.

MAHLER: Das geht aber noch weiter. Es gibt jetzt die ersten ernst zu nehmenden historischen Untersuchungen zu der Frage, warum Frankreich 1940 schon nach sechs Wochen zusammenge­brochen ist. Dazu wird die wohl begründete Auffassung vertreten, daß die Franzosen mehrheitlich den Nationalsozialismus nicht bekämpfen wollten, weil sie darin ein Modell für sich selbst gesehen hätten.

In England gab es sehr starke Kräfte bis in die Führungsränge, die sich an Hitler-Deutschland als Vorbild orientierten. Diese sind von der Clique um Roosevelt und Churchill mit Hilfe der Medien beiseite geräumt worden. Es ist schon ziemlich bekannt, wie intensiv Hitler die Briten umworben hatte. Er sah in ihnen natür­liche Verbündete. Deutschland war bereit, den Briten bei der Ausübung der Weltmacht den Vortritt zu lassen.

Dieses Bemühen um Verständigung ist im Einvernehmen und teilweise auf Betreiben Roosevelts seit Oktober 1937 von der

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Ostküstenpresse brutal zusammengeschlagen worden. Den OS­Bürgern wurde eingeredet, "Nazi-Deutschland" würde in Brasili­en einfallen und von diesem Brückenkopf aus den nordamerika­nischen Kontinent aufrollen. Den Briten wurden in der unver­schämtesten Weise die Folterwerkzeuge gezeigt, die dem Dollar­Imperialismus zur Verfügung stehen, um sich andere Nationen gefügig zu machen. Es hieß mit drohendem Unterton, Großbritan­nien müsse sich entscheiden, ob es eine Nazi-Nation sei oder eine freie westliche Nation. Chamberlain, der die Notwendigkeit einer Revision des V ersailler Diktats begriffen hatte, wurde genötigt, seine Politik begründbarer Zugeständnisse an Deutschland mit der unsinnigen Garantie-Erklärung zugunsten Polens zu konterkarie­ren. Schließlich wurde er von dem Sohn einer Angehörigen der OS-amerikanischen Geldaristokratie, von Winston Churchill, er­setzt, der in konspirativem Einvernehmen mit Franktin D. Roose­velt stand und von der Ostküstenpresse massiv unterstützt wurde. Er hat Großbritannien an die USA verraten.

SCHÖNHUBER: Insbesondere mit Hilfe von Hollywood, das, wie bereits im Ersten Weltkrieg, sich voll in den Dienst einer antideutschen Kampagne stellte.

· ---- MAHLER: Roosevelt hatte die Vision der "einen Welt" unter der Herrschaft der USA. Er hat als Erster diesen Begriff in die Debatte geworfen. Er verfügte über die Verschlagenheit, die erforderlich ist, um in einer Demokratie als Führer aufzusteigen. Und er war für die Ostküste der USA ein großer Führer - aber kriminell durch und durch. Wäre er nicht rechtzeitig gestorben, hätte er eigentlich vor das Nürnberger Kriegsverbrechertribunal gestellt und als Hauptkriegsverbrecher zum Tode verurteilt werden müssen. Aber er war- im Gegensatz zu Hitler- erfolgreich. Das hätte ihn gerettet. So steht er heute in der Geschichtsschreibung als ein großer und genialer Führer da, der die Weltmachtstellung der USA begründet hat. Schon im Ersten W eltk:rieg gehörte er als stellvertretender Marineminister zur engsten Umgebung von Präsident Woodrow Wilson, den er nach Versailles begleitete. Er war ein Schüler des

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theoretischen Kopfes der OS-Admiralität, Alfred Thayer Mahan, der die auf eine unüberwindliche Kriegsflotte gestützte US-Welt­herrschaft anstrebte. Roosevelt sah in Buropa den künftigen Welt­macht-Rivalen der USA. Er war lange vor dem Machtantritt Hitlers der Auffassung, daß das durch die Niederlage im Ersten Weltkrieg nur erst geschwächte Deutsche Reich endgültig zerstört werden müßte, um die Vormachtstellung Europas zu beseitigen. Mit diesem Ziel hat er seine Fäden gesponnen. Er wollte unter allen Umständen den Krieg gegen das Deutsche Reich. Um dieses Ziel zu erreichen, bediente er sich hochverräterischer Machen­schaften.

SCHÖNHUBER: In der Rooseveltbeschreibung liegen Sie übri­gens auf einer Linie mitAugstein, der gesagt hat, nach den Gesetzen des Nürnberger Tribunals hätte er gehängt werden müssen.

MAHLER: Ja, das ist ganz eindeutig. Das kommt jetzt auch in den USA langsam hoch. Amerikanische Historiker haben die Frage aufgeworfen, ob Roosevelt wegen Hochverrats und Verfas­sungsbruchs hätte angeklagt werden müssen.

SCHÖNHUBER: Diese Frage könnte auch für europäische, darunter deutsche Politiker gelten, obwohl ein solches Unteifan­gen in unserer Zeit nicht nur utopisch, sondern auch als staatsge­fährdend angesehen werden würde. Was kann man aber gegen die negative Entwicklung tun? Wenn ich nun von einem diskutierba­ren Modell rede, z. B. dem faschistischen, bedeutet es nicht, daß man es so übernehmen möchte, wie es war. Jede Zeit hat andere ökonomische und soziale Voraussetzungen. Aber man kann nicht sagen, wir haben heute eine andere Welt, eine andere Zeit, und darum interessieren uns relativ wenig geschichtliche Erkenntnis­se. Geschichte ist ein Kontinuum. Sie ist durchgängig. Und jede Generation ist eigentlich verpflichtet, aus den Vorzügen oder den Fehlern der vergangenen Generationen zu lernen. Wenn man heute sagt, die jungen Menschen haben andere Vorstellungen,

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siehe Spaßgesellschaft und was auch immer, so werden sie eine historische Eifahrung machen, die andere vorher gemacht haben. Ich erinnere z. B. an das Kalifat von Bagdad. Die Herrschenden hatten genau die gleiche Spaßgesellschaft damals. Sie waren faul, gefräßig, und sie konnten ihre Macht aus eigener Kraft nicht mehr halten. Und da passiert ein historischer Vorgang, der eine beklem­mende Ähnlichkeit mit heute hat. Dann haben sie die Türken als Schutztruppen ins Land gerufen, damit sie ihren Thron behalten können. Was war die Folge? Ein paar Jahrzehnte später saßen die Türken auf dem Thron der Kalifen und die damaligen Herrscher waren eigentlich unwichtig geworden. Es kann aber auch ganz anders laufen. Es kann sein, daß die Gesellschaft untergeht. Das ist ja alles drin heute. Ich glaube, daß Sie das sogar einige Zeit vorher angedeutet haben. Aber deshalb müssen wir, gerade wir Älteren, Eifahrungen weitergeben, damit die Jungen nicht nur sagen, es interessiert mich nicht, das ist ein Krampf, das sind sowieso lauter Idioten gewesen, und wir sind jetzt die Großen. Die werden sich in der Spaßgesellschaft totlaufen. Sie werden er­schöpft sein und frustriert. Es wird sie eines Tages gar nichts mehr interessieren.

MAHLER: Das ist vielleicht ein Punkt, in dem ich mich von den Wertkonservativen und den Konservativen und den Rechten im alten traditionellen Sinne unterscheide. Die sehen ja diesen Indi­vidualismus, diesen Liberalismus im wirtschaftlichen Bereich, dieses laissez faire - alles geht und alles ist möglich und alles ist zulässig- diese permissive Gesellschaft nur negativ und lasten das genau den 68em an. "Das habt ihr," sagen sie, "alles zerstört." Sie sehen nicht das in einem doppelten Sinne produktive Moment der Zerstörung. Ich sage dagegen: "Das ist wohl so, aber dieses Zerstörungswerk hat auch eine positive Seite, die für unsere Zukunft von unendlichem Wert ist. Die Germanische Freiheit ist eine voll entfaltete erst dadurch, daß sich das Besondere als Individuum bis zum Extrem gesteigert ausbildet, die Hölle der Vereinzelung erleidet, um aus ihr mit dem Bewußtsein aufzuer­stehen, daß es sein Leben nur in der Rückbindung in das Allge-

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MAHLER: Die Zerstörung der Gemein­schaft bedeutet Zerstörung des Lebens jeden einzelnen

meine, in der Einheit von Besonderem und Allgemeinem als Einzelheit, d.h. in der nicht nur gefühlten sondern auch gewußten Volksgemeinschaft hat. Da das Besondere ein wesentliches Mo­ment des Ganzen ist, bedarf es der vollständigen Ausbildung als Besonderes. In seiner Berechtigung liegt die Spannung, die erst die Volksgemeinschaft zum Dasein bringt. Ohne diese Spannung verkommt das Ganze zum Kollektiv, das im Bolschewismus allein als berechtigt galt. In ihm hat das Individuum bestenfalls die Stellung eines Objektes staatlicher Fürsorge. Als Subjekt ist es vernichtet."

Diesen Erkenntnisschritt hat der Konservativismus nie vollzie­hen können. Die wahnhafte Loslösung von der Gemeinschaft mit ihren tödlichen Gefahren für den Einzelnen wie für das Ganze muß sich erst ereignet haben, ehe sie als Vernichtung des Idividuums begriffen werden kann. In Wirklichkeit kann der Mensch nicht ohne die Volksgemeinschaft existieren. Ja es gibt "den Menschen" sowenig wie es Obst gibt. Es gibt nur Deutsche, Franzosen, Türken, Engländer usw. Wir alle wären Nichts ohne unser Volk. Nur in unserer Einbildung können wir uns von dem Volk, in das wir hineingeboren sind, ablösen.

SCHÖNHUBER: Hier bringen Sie geschichtliche Erfahrungen ein, die das bestätigen, was Herder vorausgedacht hat. Wobei übrigens auch Lenin seinen Herder verraten hat. Aus dem prokla­mierten Selbstbestimmungsrecht der Völker war eine brutale Zen­tralmacht geworden, die nach der römischen Maxime handelte: "Moskau locuta- Causafinita!"

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MAHLER: Je bizarrer sich der Individualismus äußert, je ver­rückter die Hohen Priester der Multi-Kultur gegen den Gedanken der völkischen Einheit anrennen, desto näher ist der Umschlags­punkt, an dem der vereinzelte Einzelne erschöpft der Volksge­meinschaft wieder in die Arme sinkt.

Man überwindet den Liberalismus nicht, indem man ihn verteu­felt. Man muß ihn voll ausgelebt haben, um seine negative Seite zu erfahren. Wenn das vollbracht ist, verliert er wie durch einen Zauberspruch seine Anziehungskraft. Das ist dann das Ende des American way oflife und der US-Amerikanischen Weltherrschaft, die ohne ihr ideologisches Fundament nicht aushält.

Der Amerikanismus war eine ganz wichtige Phase der gesell­schaftlichen Entwicklung. An ihm begreifen wir: Die Zerstörung der Gemeinschaft bedeutet Zerstörung des Lebens eines jeden einzelnen, psychisch und dann auch physisch und sozial schon erst recht. Und bis zu diesem Punkt mußten wir den Individualismus

Horst Mahler in seiner Bibliothek

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treiben, um jetzt die Rückkehr vorzubereiten, daß man sagt, ja, wir sind um unserer Selbst willen da als freie geistige Wesen. Das ist unser Prinzip, aber frei sind wir eben nur in der erkannten Rück­bindung, und das ist ja ein Wort für Religion, in das Ganze, daß man sich dann als Individuum auch für das Ganze verantwortlich fühlt und verantwortlich weiß. Das macht die bewußte Volksge­meinschaft aus. Diese ist eine völlig neue Qualität unseres Seins. Das die Gemeinschaft als solche wahrnehmende Denken ist ein Denken ganz anderer Art als die mechanistische Logik, die unser "wissenschaftliches" Weltbild begründet und uns darin einschließt.

Mit dieser Erkenntnis dringen wir in neue Gestaltungsräume für politisches Handeln vor.

Gegenwärtig sind alle politischen Strategien beschränkt durch das demokratische Ideal. Wo Mißstände als vermeintliche "demo­kratische Defizite" wahrgenommen werden, reagieren wir mit Konzepten, die diese Defizite beheben und das demokratische Ideal "besser verwirklichen" sollen. Das sind alles Sackgassen, weil das Ideal eine auf vereinseitigendem Denken beruhende schlechte Abstraktion ist. Jeder Versuch, eine derartige Abstrak­tion zur Wirklichkeit zu bringen, endet notwendig im Mißstand, der der Stand derWahrheitder Abstraktion ist. Sollte ich für diese Überlegung ein anschauliches Beispiel beibringen, würde ich auf die Vereinigten Staaten von Amerika, auf ihre Geschichte und damit auf ihr gegenwärtiges Sein verweisen. Dort ist in allen Bereichen die Demokratie ihrem Wesen gemäß voll entfaltet - als System des organisierten Verbrechens.

Die politische Freiheit wird bei uns erst dann eine Chance haben, wenn sich die Kritik nicht mehr auf vermeintliche Mißstände richtet, sondern das demokratische Ideal als solches durchdringt und dadurch überwindet.

Die kritischen Demokraten haben den Volksentscheid auf ihre Fahnen geschrieben. Sie verweisen auf das Schweizer Vorbild. Das ist gut so, weil sie aus dieser Illusion am leichtesten zu vertreiben sind. Das kann allerdings hier nicht geleistet werden. Das ist ein anderes Buch. Ich beschränke mich auf Andeutungen, wie sich das Problem auf der begrifflichen Ebene darstellt. Dabei

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sollte man sich gegenwärtig halten, daß unter "Begriffe" hier etwas anderes verstanden wird, als in der Umgangssprache. Hier steht dieser Ausdruck für das Ganze der sich in sich bewegenden Denk­oder Geisteskraft, die uns als geistige Wesen durchdringt und im Dasein erhält. Das bewußte geistige Leben ist die Bewegung, die aus der U nterschiedlichkeit der unendlich vielen endlichen Geister - Menschen genannt - und ihrer spannungsvollen Beziehung auf­einander hervorgeht. Nicht die Vereinheitlichung sondern die Verunterschiedlichung, die Entfaltung der Unterschiede der end­lichen Geister ist das Prinzip der Freiheit.

Die lebendige Gemeinschaft der endlichen Geister als Volk ist ein eigenes, von den einzelnen Volksgenossen unterschiedenes, jedoch nicht getrenntes und auch nicht trennbares Subjekt (Staat). Es bildet einen eigenen Willen und handelt. Handlung als prakti­scher Wille setzt immer eine Entscheidung voraus. In der Ent­scheidung werden verschiedene Gedanken über Handlungsmög­lichkeiten aufeinander bezogen (reflektiert), bewertet und schließ­lich eine von den vielen Möglichkeiten als der zu verwirklichende Gedanke (Wille) ausgewählt, während gleichzeitig den anderen Handlungsmöglichkeiten die Aufmerksamkeit entzogen wird. Die einmal getroffene Auswahl unter Verschiedenen Handlungsmög­lichkeiten (Optionen) bedingt einen Handlungsentwurf, der vor­gibt, in welcher Reihenfolge die Schritte zur Verwirklichung unternommen und welche weiteren Folge-Entscheidungen zu treffen sind, damit der ursprüngliche Wille sich durch Anpassung an wechselnde Umstände erhält und sich schließlich im beabsich­tigten Erfolg durchsetzt.

Eine unbestimmte Vielzahl von endlichen Geistern könnte die­sen Prozeß der Willensbildung und Durchsetzung - wenn über­haupt - nur durch eine weitgehende Vereinheitlichung der opera­tiven Gedanken, Werthaltungen und Wahrnehmungskompetenz leisten. Eine solche Vereinheitlichung aber widerspricht dem Prin­zip der Freiheit. Sie kann näherungsweise in der Regel nur durch eine Ausbildung erreicht werden, die einen besonderen Stand begründet, den Allgemeinen Stand, d. i. der Stand der Wahrer des Gemeinwohls.

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Ein Gemeinwesen, das die staatliche Willensbildung in eine Versammlung freier Geister verlegt, die vorher nicht durch eine Ausbildung im erforderlichen Maße vereinheitlicht wurden, über­läßt die Staatsgeschäfte dem Zufall und geht zugrunde.

Wo der Zeitgeist die Verlagerung der Entscheidung über Staats­angelegenheiten in die Versammlungen der Freien erzwingt (Dis­kursdemokratie) , übernimmt die Manipulation durch Lüge, Des­information und Korruption die Aufgabe der notwendigen Verein­heitlichung des Willens. Geht dabei die Manipulation hauptsäch­lich von den Agenturen gesellschaftlicher Sonderinteressen - von Medien in privater Hand, von politischen Parteien und zeitgeist­lieh verseuchten Bildungseinrichtungen - aus, entsteht der typi­sche demokratische Sumpf, in dem das Gemeinwesen schließlich erstickt. Die Bundesrepublik Deutschland hat dieses Endstadium jetzt erreicht.

Das Problem der politischen Freiheit stellt sich im Bereich der staatlichen Willensmacht nicht auf dem Felde der Entscheidun­gen, sondern in der Frage, wie die Entscheidungsträger an die Schalthebel der Macht gestellt und bei ihrer Tätigkeit kontrolliert werden.

SCHÖNHUBER: Und der Ablösbarkeit.

MAHLER:Ja.

SCHÖNHUBER: Also es kann nicht mehr angehen, daß einer 20 Jahre quasi an der Macht bleibt.

MAHLER: Das kann man sehr wohl zulassen, wenn man ihn wirksam kontrolliert. Mißbraucht er die Macht, muß es möglich sein, ihn in einem geregelten - aber nicht justizförmigen - und kurzen Verfahren loszuwerden. Man muß dem Machthaber eine ausreichende Zeitstrecke lassen, damit seine Pläne in Ruhe reifen und dann von ihm auch verwirklicht werden können. Die berüch­tigten "Vier Jahre" sollten nicht der Maßstab sein.

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MAHLER: Ich trete ein für ein monar­chisches Modell

SCHÖNHUBER: 20 Jahre sind eine Verführung.

MAHLER: Die Reichsordnung sollte ein V erfahren vorsehen, das die vereinfachte Ablösung nach 10 bis 12 Jahren vorsieht, eventuell schon früher, wenn eine gewisse Altersgrenze erreicht ist.

Aber wenn der Machthaber seine Sache gut macht, soll kein Zwang bestehen, ihn aus dem Amt zu entfernen. Übrigens gibt es in der neueren Geschichte der USA ein eindrucksvolles Beispiel dafür, daß derartige Befristungen unterlaufen werden. Franklin D. Roosevelt hat sich entgegen der Verfassung dreimal in Folge um die Präsidentschaft beworben. Er ist dreimal gewählt worden. Im Zeitpunkt der dritten Wiederwahl war er aus gesundheitlichen Gründen - die er durch mannigfaltige Täuschungsmanöver ver­schwiegen hatte - bereits amtsunfähig.

Man sollte diese Möglichkeit schaffen, so daß man die V erfas­sung nicht brechen muß, wenn anderenfalls der Machthaber zur Unzeit ausscheiden würde. Das sind Dinge, über die man sachlich nachdenken sollte und sich Vorstellungen bilden sollte, wie ein freiheitliches Gemeinwesen geordnet sein kann. Kontrolle muß sein. Aber verantwortliche Entscheidung ereignet sich in der Staatsspitze. Ich trete deshalb für ein monarchisches Modell ein, für eine Wahlmonarchie. Die Präsidialdemokratie ist ja schon eine quasi monarchische Form. Wesentlich ist die Ehrlichkeit und Offenheit im Umgang mit dem Volk. Das ethische Zentrum des Staates ist wahrheitsgemäße Information der Bürger und die Ge­währleistung angstfreier Diskussion der Staatsangelegenheiten in der Öffentlichkeit. Jede Regierung wird aus einer von freiheitli­chem Geist bestimmten politischen Atmosphäre Kraft schöpfen.

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SCHÖNHUBER: Also für eine monarchische Regierungsform trete ich nicht ein, weil ich mir nicht vorstellen kann, wie das funktionieren soll. Sie sagen keine Erbmonarchie. Gut. Aber wen machen Sie dann zum Monarchen? Und wer macht ihn zum Monarchen? Sie sagen: das Volk.

MAHLER: Sicher, in direkter Wahl.

SCHÖNHUBER: Da können Sie genausogut den Bundespräsi­denten wählen, in direkter Wahl. Was ich Ihnen sogarvorschlagen würde.

MAHLER: Ja, warum nicht?

SCHÖNHUBER: Eben. Ich bin ja der Meinung, er soll direkt gewählt werden. Aber warum machen Sie den Rückgriff auf die Monarchie? Ich glaube, Monarchien haben sich überlebt. Auch der Begriff der Monarchie hat sich überlebt. Für die Partei habe ich bewußt den Namen Republikaner gewählt.

MAHLER: Hier lassen Sie sich von Worten schrecken. De Gaulle war ein Monarch auf Zeit. Die OS-Amerikanischen Präsi­denten sind - bedingt - Monarchen auf Zeit. Es kommt auf die Form an, in der sich der Wille eines Staates bildet und äußert. Wille bildet sich immer nur in einem konkreten Menschen. Dieser Wille muß verantwortet werden, d.h. die aus dem Willen folgende Tat muß stets als die Tat einer bestimmten Person erkennbar sein. Wo das aufgegeben wird zugunsten einer Gremienherrschaft, macht sich - wie Rudolf Bahro das in seinem Buch "Die Alternative" eindrucksvoll beschrieben hat - "organisierte Verantwortungslo­sigkeit" breit. Da will's am Ende, wenn der Mißerfolg feststeht, keiner gewesen sein.

Einen Tanker oder ein "Staatsschiff" zu steuern, setzt im Kopf des Steuermanns eine Konzeption voraus. Die vorausgedachten Wirkungen stellen sich dabei in der Regel erst sehr viel später ein. Was geschähe wohl, wenn jedesmal andere, die - ungeduldig - die

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MAHLER: Napoleon ist nicht das Vorbild

Wirkung vermissen, ins Steuer greifen in der irrigen Annahme, der Steuermann habe das erforderliche Kommando verschlafen?

Nein, planvolles Vorgehen entsteht in der Gedankenwelt eines konkreten Menschen. Er kann aber für seine Entscheidungen nur verantwortlich gemacht werden, wenn diese nicht durch die Da­zwischenkunft anderer Willen wirkungslos gemacht werden. Das ist das monarchische Prinzip. Dieses ist vom dynastischen Prinzip wohl zu unterscheiden. Dieses macht das Amt des Herrschers zum Anhängsel eines vererbliehen privaten Eigentumstitels. Davon aber rede ich nicht.

SCHÖNHUBER: Aber dann sehe ich folgendes: Dann würden Sie ja jetzt die, sagen wir mal "Errungenschaften" der Französi­schen Revolution ...

MAHLER: Die keine sind. Das ist der Punkt.

SCHÖNHUBER: Auch wenn Napoleon nicht als ihr Überwinder dadurch angesehen werden könnte, daß er verantwortungsbewußt ihre Auswüchse beseitigte? Er mußte dies unter schweren Bedin­gungen tun, sich ständig des Neides der verkrusteten Monarchien erwehren. Sie sehen, ich bin ein Napoleonide, ein Bewunderer nicht nur der militärischen Leistungen des Korsen, sondern auch seiner gesetzgeberischen Arbeit und seiner Überwindung der Klassengegensätze. Ein nicht unbeträchtlicher Teil seiner legen­dären Marschälle rekrutierte sich aus dem Mannschaftsstand. Trotzdem sagen Sie, die Französische Revolution ist für Sie kein Vorbild. Ist das richtig?

MAHLER: Richtig. Und Napoleon ist für mich nicht das Vor­bild. Er war ein Despot.

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SCHÖNHUBER: Aber er hat doch viel zur Selbstbefreiung der Menschen beigetragen. Man denke daran, was Goethe oder Höl­derlin über ihn geschrieben haben. Und hätte Napoleon in Rußland gesiegt, wäre es gut 50 Jahre früher zur Aufhebung der Leibeigenschaft gekommen. Aber entschuldigen Sie diese Ab­schweifung.

MAHLER: Er ist die Folge des Mangels der Staatsform, die die Französische Revolution hervorgebracht hat. Er hat diese nämlich beiseite gefegt - und danach ist sie nie wieder aufgestanden. Aber seitdem leidet Europa an der Französischen Krankheit.

SCHÖNHUBER: Ja gut, aber ...

MAHLER: Das sind einseitige und damit eben auch irrtümliche Bildungen, weil die Gleichheit ...

SCHÖNHUBER: So steht es aber nicht drin. Das ist ja nicht alles. Es hat egalite ja nichts mit Rechtswesen allein zu tun.

MAHLER: Das Rechthatdie Unterschiedlichkeit, die Ungleich­heit, zur Voraussetzung. Im Recht liegt die Anerkennung des jeweils Besonderen und Anderen, sich Unterscheidenden. Dessen Berechtigung, weil er anders ist oder obwohl er anders ist, die steht immer zur Debatte. Wenn wir alle gleich sind, alle gleich meinen, alle gleich wollen, besteht dieses Problem des Rechts und der Freiheit nicht. Rosa Luxemburg hat das völlig richtig auf die Formel gebracht: "Freiheit ist immer die Freiheit des Andersden­kenden".

Die Ungleichheit, was die wirtschaftlichen und persönlichen Interessen betrifft, was die Bildungsvoraussetzung betrifft, ist eine gesellschaftliche Gegebenheit, die wir nicht beseitigen können. Und wenn wir Gleichheit fordern, geht damit einher das Mißver­ständnis, daß jeder von allem gleichviel haben soll, daß jeder über alles zu reden und mitzureden hat. Das ist das Übel schlechthin. Gott bewahre uns vor solch einem Zustand des Gemeinwesens!

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Der Schrecken der Gleichheit, die stets mit ihrer Zwillingsschwe­ster, der Gleichmacherei, auftritt,- das war an der Französischen Revolution zu erkennen. Allein das ist ihre Rechtfertigung. Die von ihr ausgehende westeuropäische Geistesrichtung ist jetzt um­zukehren in der Überwindung der gallo-romanischen Aufklärung. Von ihr wird nur bleiben, was Immanuel Kant als ihr Wesen bestimmt hat: der Ausgang der Menschheit aus selbstverschulde­ter Unmündigkeit, aus einer Unmündigkeit, die heute nur noch auf der Feigheit der Menschen beruht, von ihrem Denkvermögen Gebrauch zu machen. Was aber in jener Aufklärung auch liegt, hat einjüdischer Theoretiker, Theodor Wiesengrund Adorno, auf den Punkt gebracht mit der Bemerkung, Auschwitz sei nicht die Abir­rung von der Aufklärung, sondern ihre Vollendung. Der Satz vom Widerspruch, auf dem das "wissenschaftliche" Weltbild beruht, ist nach seinen Worten "das (Konzentrationslager-) System in nuce (im Kern)". Das haben wir damals nicht ernst genommen. Wir haben darüber nicht nachgedacht. Aber das ist genau der Punkt, über den Klarheit zu schaffen ist.

SCHÖNHUBER: Wenn Sie also in der Französischen Revoluti­on nicht einen positiven Faktor, einen übemehmbaren Faktor für unsere heutige Zeit sehen, dann möchte ich zunächst einmal sagen, natürlich läßt sich nichts sozusagen ohne Veränderung überneh­men, zweihundert Jahre später. Aber, war nicht die Französische Revolution gerade in der Abschaffung des monarchischen Gedan­kens eigentlich in der Lage, die Franzosen zu einer Nation zu formen, wo bestimmte Privilegien standesmäßiger Art, die durch Könige hervorgerufen wurden, überwunden worden sind. Also ist das nicht ein soziales Element.

MAHLER: Das ist in Frankreich bis zum heutigen Tage nicht überwunden. Das ist ein Kapitel für sich. Das war der V ersuch, natürlich den Monarchen loszuwerden und eine egalitäre Diktatur des Pöbels zu errichten.

SCHÖNHUBER: Sagen Siejetzt Pöbel oder Bürgerschaft?

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MAHLER: Des Pöbels. Das war die Blutherrschaft der Jakobi­ner mit den Tausenden von Toten, auf der Guillotine gestorben. Und dann das Massaker in der Vendee usw. Man muß diese Seite einfach mal zur Kenntnis nehmen und zugestehen, daß sich der Jakobinismus in Lenin und Stalin fortsetzte. Die konservativen Kritiker der Französischen Revolution kommen derWahrheitsehr viel näher: Danach ist sie eine Ausnahmeerscheinung und nicht das Maß und Vorbild für Europa. Weil bestimmte Entwicklungen, die in England, in Österreich, aber auch in Preußen vonstatten gingen - mit den Monarchen, durch die Monarchen - in Frankreich wegen der völligen Dekadenz der führenden Schichten bis hin zum König nicht mehr möglich waren, hat die gewaltsame soziale Explosion den Weg für die weitere Entwicklung freigesprengt Aber eine solche gewaltsame Revolte verhindert notwendig den Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit, weil der Gewalt, der Tötung von Menschen, anheimgegeben ist, was nur der sich selbst bestimmende Geist vollbringen kann. Die napoleonische Despotie über Europa ist wohl nur deshalb zu rühmen, weil sie in Deutsch­land die Fackel der nationalen Befreiung entzündet hat.

Wir sind noch weit davon entfernt, aus der Französischen Ent­wicklung die richtigen Schlüsse für uns zu ziehen. Es fehlt der Mut, jene Revolution und ihre Folgen nach unserer Lesart zu deuten. Für die Deutschen Intellektuellen der Nachkriegsgenera­tionen gehört es zum guten Ton, die Französische Revolution als Vorbild zu verinnerlichen, den Britischen Parlamentarismus an­zubeten und dem Amerikanismus zu Füßen zu fallen. Das ist alles Teufelszeug. Dieser Augiasstall ist endlich auzumisten.

SCHÖNHUBER: Nur, es mag ja möglicherweise so sein. Und es mag auch sein, daß die Entwicklung in der napoleonischen Zeit eine Form angenommen hat, die insbesondere uns in Deutschland schwer zu schaffen machte. Gleichwohl, aber hat ...

MAHLER: Uns auch als Nation wieder geboren hat.

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SCHÖNHUBER: Der Begriff der Nation ist originär in der Französischen Revo­lution verankert

SCHÖNHUBER: Europa der Vaterlän­der, Völker und Regionen

SCHÖNHUBER: Ja, aber Moment, jetzt kommen wir nämlich in ein ganz gefährliches Dickicht. Der Begriff der Nation ist originär in der Französischen Revolution verankert, sie hat ihn geprägt.

MAHLER: Es ist ein anderer Begriff von Nation, als wir ihn haben.

SCHÖNHUBER: Aber nehmen wir mal an, aus deren Sicht ist der Begriff der Nation in der Französischen Revolution entstan­den. Was mich allerdings von der Französischen Revolution im Denken trennt, ist die Nichtbeachtung des Völkischen. Ich bin insofern ein Anhänger Herders, der einmal gesagt hat "Völker sind Gedanken Gottes".

MAHLER: Da sind wir uns völlig einig.

SCHÖNHUBER: Also mit meinem inneren Zwiespalt muß ich leben, einerseits meiner Bewunderung Napoleonsfür seine Schöp­fungen. Man denke unter anderem an den Code Napoleon. Ande­rerseits mit der verwerflichen Niederknüppelung von Völkern, die sich nicht unterweifen lassen wollten, wie z. B. in Tirol oder in Spanien. Aber darin hat sich in Frankreich bis heute wenig geän­dert, vor allem nicht bei den Patrioten. Jean-Marie Le Pen wäre gewiß nicht bereit, den Korsen die völlige Autonomie zu gewäh-

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MAHLER: Wir müssen über die Mög­lichkeiten und Imperative nachdenken

ren. Da denkt er genauso wie die Spanier hinsichtlich der Basken, oder die postfaschistische Alleanza Nationale bezüglich der Süd­tiroler. Deshalb habe ich stets die berühmte Formel De Gaulies von einem "Europa der Vaterländer" mit dem Zusatz versehen:

"Und der Regionen", also der Völker. Denn aus Regionen kön­nen mal Nationen werden. Aber wie gesagt: Ich gebe meine Schwachstelle zu. Zu meiner positiven Einschätzung der Franzö­sischen Revolution als Überwinderin des monarchischen Gedan­kens gesellt sich das Mißbehagen über die Nichtakzeptanz des Völkischen.

MAHLER: Hier ist eine Anmerkung anzubringen: Ich orientiere mich nicht an sogenannten objektiven Gesetzmäßigkeiten oder allgültigen Begriffen, sondern ich gehe davon aus, daß ich es mit lebendigen Einheiten - geistigen Lebewesen - zu tun habe. Jede Einheit für sich ist etwas besonderes. So kann nie eine lebendige Einheit A in allen Beziehungen das Vorbild der Einheit B sein. Weil die Bedingungen ganz andere sind. Und so sind wir als Deutsche etwas ganz anderes als die Franzosen. Die französische Nation ist nicht homogen in dem Maße, wie wir das waren. Wir müssen als Deutsches Volk, als Staat der Deutschen, als Deutsche Nation über die Möglichkeiten und die Imperative, die in uns stecken, nachden­ken. Dann können wir uns - natürlich kritisch - mit dem anderen auseinandersetzen, das Positive für uns fruchtbar machen.

SCHÖNHUBER: Ich muß widersprechen.

MAHLER: Und das Negative überwinden.

SCHÖNHUBER: Gut. Aber ich muß da widersprechen. Die französische Nation ist homogener als die deutsche. Ich frage

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mich, wo sind die Unterschiede innerhalb Frankreichs? Sagen wir mal zwischen den Franzosen des Mittelmeers und den Franzosen des Nordens. Sie sind gewiß da, aber nicht so gravierend, sieht man mal von den Bretonen oder Basken ab. In Deutschlandfrage ich mich permanent, was hat ein Bayer mit einem Friesen gemein? Oder mit einem Ostpreußen? Ich meine, wir Bayern stehen natür­lich weit näher der Arge Alp. Für uns sind die Österreicher quasi Stammesbrüder, und wenn sie geographisch weiter runtergehen, auch die Tiroler und die Istrier.

MAHLER: Also müßte man mal tiefer in die Geschichte gehen. Ich sehe auch die Substanz dessen, was ein Volk bildet, 1m Geistigen, nicht nur in dieser blutsmäßigen Abstammung.

SCHÖNHUBER: Gebe ich Ihnen recht.

MAHLER: Die Franzosen - oder besser: die Franken und die Kelten - waren in einem viel höheren Maße der Romanisierung ausgesetzt als die jenseits des Limes lebenden germanischen Stämme. Aber das geht wahrscheinlich zu sehr ins Einzelne. Es geht zunächst darum - und das haben Sie auch als Problem angesprochen -, daß der völkische Zusammenhalt immer die Basis für einen starken Staat, auch für eine starke Nation ist.

SCHÖNHUBER: Stimmt, aber die Nation kommt vor dem Völ­kischen, auch heute noch.

MAHLER: Und wo der nicht da ist, haben wir es immer mit einem gefährdeten Gemeinwesen zu tun, das dann in Krisenzeiten manchmal auch sehr schnell auseinanderbricht Wir haben das gerade in Jugoslawien gesehen.

SCHÖNHUBER: Ich würde an dieser Stelle gerne einen ketze­rischen Gedanken hier in die Debatte einführen. Mein eigenes Selbstverständnis als Bayer. Denn man ist ja nicht nur Deutscher, sondern ist auch Bayer, und letztlich ist man sogar Münchner,

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SCHÖNHUBER: Was wäre gewesen, wenn Maria Theresia den Schlesischen Erbfolgekrieg gewonnen hätte?

wenn Sie so wollen. Es kann auf immer kleinere Bereiche reduziert werden. Ich denke manchmal, was wäre gewesen, wenn im Schle­sischen Erbfolgekrieg nicht Friedrich der Große, sondern Maria Theresia gewonnen hätte? Uns wäre wahrscheinlich auch einiges erspart geblieben, was wir unter dem preußischen Königshaus dann, das übrigens ein württembergisches und kein echt preußisches ist, erleiden mußten. Wir wären wahrscheinlich in ein Gebilde hineingeraten unter der Leitung Habsburgs, römisch-ka­tholisch dirigiert, in der Tat von der Elbe bis zur Etsch. Denn das wären die Gebiete gewesen, die im Habsburger Bereich, plus Bayern, plus Württemberg, plus Sachsen eine Rolle gespielt hät­ten. Ich habe immer, ich gebe es offen zu, eine möglicherweise emotional bedingte Aversion gegen den Prussianismus gehabt. Jetzt werden Sie natürlich sagen, das ist nur eine Emotion. Es ist nicht unbedingt quasi intellektuell unteifüttert. Das kann sein. Aber der Mensch hat ja nicht nur Intellekt, sondern er hat auch Gefühle und traditionelle Bindungen.

Also insofern habe ich auch mit dem Reichsgedanken, den Sie heute vorher definiert haben, meine Schwierigkeiten, weil Reiche für mich schon im Begrijjlichen eine mehr oder minder gestrige Angelegenheit sind.

MAHLER: Das weiß ich nicht. Was heißt denn gestrig?

SCHÖNHUBER: Nicht im negativen Sinn.

MAHLER: Geschichte ist sicherlich nicht dieser ins Unendliche weisende gerade Pfeil nach oben, sondern die Geschichte ist mehr oder weniger eine Spiralbewegung und es kommen diese Dinge, die in einer früheren unteren Stufe schon mal eine Rolle gespielt

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haben, immer wieder auf einer höheren Ebene vor, wo wir dann an ihnen mehr erkennen und mehr Freiheit realisiert finden, als in den unteren Spiralwindungen. Das ist ja die Kraft Geistes, die jene Bewegung hervortreibt Der Fortschritt ist der Rückgang in den Grund. Alles wesentliche war von Anfang an - oder besser: schon im Anfang-. Aber erst in einer in sich verschlossenen, noch nicht ausgewickelten und damit nicht entwickelten Form. Dieses Ver­schlossene herauszubringen an das Licht der Erkenntnis, darin liegt der Fortschritt des Geistes im Bewußtsein der Freiheit. Das ist die Hegel' sehe Formel von Geschichte. Es geht hier nicht um die Geschichte des Unterkiefers; auch nicht um die Geschichte des Autos. Letzteres sind Geschichten, aber nicht Geschichte. Was hier interessiert, ist die Geschichte der menschlichen Gemeinwe­sen, der rein geistigen Lebewesen. Volk und Nation ist eine geistige Daseinsweise - ein Gedanke Gottes, wie Herder sagte. Und der Geist entwickelt sich ständig; ist immer in Unruhe. Sie denken unablässig und haben damit unmittelbar ein Gleichnis für das, was eine Volksgemeinschaft vollbringt: Diese bringt sich ständig voran mit neuen Ideen, neuen Gedanken, Fragestellungen, Zweifeln, Thesen, Erfolgen usw. und ist dadurch immer eine andere und doch immer dieselbe. Das ist der Widerspruch, der ist Leben. Wenn man das auf die Stämme in Deutschland bezieht, ist jeder natürlich ein Besonderer. Diese Besonderung geht bis in die kleinste Einheit. Jede Familie unterscheidet sich von der anderen, in der Familie jedes Familienmitglied von dem anderen. Es bilden sich kleine Wir-Gruppen. Das sind wir und das sind die Nachbarn. Sie fassen sich zu größeren Einheiten zusammen: Aber dann irgendwo ist ein Punkt erreicht, wo die oberste Wir-Gruppe sich findet in dem Gefühl, wenn es hart auf hart kommt, stehen wir zusammen und sind in diesem Sinne nicht Preußen und Bayern sondern Deutsche, die sich ihrer Haut wehren. Aber als Preußen oder Bayern sind es zwei verschiedene Stämme, die natürlich auch sich als Besonderheiten erhalten wollen. Und es geht auch über Vorurteile, indem man "Saupreißen" sagt oder ich weiß nicht, wie wir zu den Bayern sagen. "Seppl." Aber wir mögen sie eigentlich. Das war nun aber mal den Preußen beschieden, die dominierende

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Macht im Deutschen Reich zu sein, unter Bismarck. Diese Stel­lung war der "Lohn der Angst". Vergessen Sie nicht: Preußen war immer der Riegel gegen die Weiten des Ostens, aus denen durch die Jahrhunderte Buropa Gefahr drohte. Buropa hat es Preußen nicht gedankt. Aber Preußen kommt wieder. Wären es die Bayern geworden, dann hätten sie wahrscheinlich auch ein entkrampfteres Verhältnis zu den Preußen und könnten uns lieben. Aber das ist etwas, was uns nicht so sonderlich trennen sollte. Das ist ja auch schön, daß es in diesem Sinne immer wieder die Herausforderung gibt des anderen und durch den anderen. Und das ist ja auch das, was man unter "Bereicherung" verstehen kann.

SCHÖNHUBER: Es gibt natürlich in der Frage der Bereiche­rung sicher unterschiedliche Auffassungen, auch zwischen uns beiden. Sie sagten einmal, wenn ich mich recht erinnere, es geht letztlich auch in einem Wettkampf, ob sich dies Germanische durchsetzen wird. Ja?

MAHLBR: So sehe ich es nicht.

SCHÖNHUBER: Das können Sie gleich erklären. Ich habe eine andere Vorstellung, ich bin der Auffassung, das Talentbecken der Menschheit ist das Mittelmeer. Das brachte die größten Geister hervor, von deren Einfällen, Übelfällen von mir aus auch, oder geistigen Entwicklungen wir noch heute zehren. Ich habe nicht das Gefühl, daß man beispielsweise von den nordischen Völkern heute noch sehr viele Impulse kriegen kann. Also von Schweden, Nor­wegen, Dänemark und was auch immer. Sie alle sind für mich sterile Völker geworden.

Mich hat immer das strahlende Licht angezogen, die clarte der dort entstandenen Gedanken. Mich hat die Eleganzfranzösischer Schriftsteller von Victor Hugo über Balzac, bis hin zu Stendhal fasziniert. Ich konnte wenig anfangen mit dem Rauschen und Raunen der germanischen Wälder, der Schwerblütigkeit nordi­scher Dichtungen. Die Ausnahme blieb Hamsun, der mir viel bedeutet. Undfür einen Verdi schenk ich zehn Wagners her. Aber

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ich meine, man sollte sich vor allgemeinen Festlegungen hüten, sich mehr an Einzelpersönlichkeiten und Einzelschicksalen orien­tieren. Ich kann mich erinnern, wie ich bei vielen meiner ehema­ligen Parteifreunde auf verständnisloses Kopfschütteln gestoßen war, als ich darauf hinwies, daß gerade auch durch Rassemi­schungen hohe musische und intellektuelle Kräfte freigesetzt wer­den können. Als Beispiel führte ich den bedeutendsten Dichter Rußlands, Puschkin, an, der einem äthiopischen Fürstenge­schlecht entstammte, dunkle Haut und gekräuseltes Haar hatte. Aber kein "reiner Russe" hat schöner und besser die Seele des Volkes besungen als dieser Dichter. Und noch etwasfällt mir zum Germanenturn ein: Meine Zeit bei der Waffen-SS. Ich konnte damals das hohe Lied der edlen Nordmenschen nicht mehr hören, zumal ausgerechnet der Vorsänger, Heinrich Himmler, wie die Personifizierung des im SS-Sinne rassisch minderwertigen Men­schenschlages aussah.

Aber während unseres Gespräches, Herr Mahler, fällt mir im­mer mehr auf, daß wir uns auf zwei verschiedenen Ebenen den Problemen nähern. Das mag zunächst etwas mit unseren Berufen zu tunm haben. Sie sind Jurist und haben klare Rechtsvorstellun­gen. Mich haben zeitlebens Menschenschicksale mehr interessiert als Normen des Rechtes. Manche Outlaws trafen auf meine Sym­pathie. Darin mag ein gewisser anarchischer Wesenszug stecken, der gerade in Bayern stets einen guten Humus fand. Deshalb fühlte ich mich aus persönlich zu jenem bayerischen Volksschriftsteller besonders hingezogen, der sich hinter Ludwig Thoma nicht zu verstecken braucht: Oskar Maria Graf, der meine Sympathie auch erwiderte. Ich mußte das loswerden, weil ich manche Ihrer Vor­stellungen nur schwer nachvollziehen kann. Sie müssen deshalb nicht falsch sein, sie bleiben mir halt fremd. So geht es mir in der Frage des Germanentums. Darum würde ich Sie gerne bitten, diesen finalen Kampf zwischen Germanenturn und einer Gegen­macht, welcher auch immer, klarzumachen

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MAHLER: Von der Macht der Freiheit

MAHLER: Also es geht nicht um die Aufrichtung von Herr­schaft und die Durchsetzung von Herrschaft des einen über den anderen, des einen Volkes über das andere Volk. Sie haben völlig recht: das Mittelmeer war praktisch die Brutstätte aller geistigen Strömungen, die Europa ausmachen. Aber der Geist ist aus dem Mittelmeerraum in das Zentrum gewandert. Die Geschichte hat sich mit dem Untergang des Römischen Reiches mehr nach Nor­den verlagert. Und wenn ich von dem germanischen Prinzip spreche, dann ist das für mich ein geistiges Prinzip. Aufgrund der besonderen Lebensweise der Germanen in den Wäldern Germa­lliens hat sich nicht wie in den südlichen Ländern mit Steppen und großen von der Natur begünstigten Gebieten eine Despotie von Einzelnen oder von Wenigen über eine große Masse von Bevöl­kerung herausbilden können: In Germanien war es mehr oder weniger die kleine Einheit, nicht Familie, aber der kleine Sippen­verband, der kleine Stammesverband, die vorherrschte. Es war dort kein Raum dafür vorhanden, daß sich ein einzelner als einzel­ner so aufführen konnte, daß er der allseits anerkannte Monokrat oder Despot wurde. Da hat sich durch die Lebensweise schon dieses Bewußtsein geformt, daß der Einzelne nichts ist ohne die Gemeinschaft, die Gemeinschaft aber ihrerseits auf den Einzelnen angewiesen ist. Diese Dialektik von Allgemeinem und Besonde­ren im Einzelnen hat sich dort im wahrsten Sinne des Wortes eingelebt. Dieses Leben ist nicht zufällig in der Deutschen Philo­sophie, insbesondere bei Hegel, zum Gedanken geworden.

Erlauben Sie mir einen Exkurs zur Veranschaulichung: Die Hand ist auch der Kopf. Jeder Teil ist immer zugleich das Ganze. Das Ganze wiederum existiert nicht getrennt von seinen Teilen.

Betrachte ich meine rechte Hand, so kann mir der Gedanke kommen, daß sie Hand nur dadurch ist, daß ich mit ihr greifen, tasten, spüren kann usw.

Mir wird dann weiterhin bewußt, daß ihre koordinierten Bewe-

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gungen, die Tast-, Wärme- oder Kälteempfindungen bedingt sind durch die Funktionen meines Zentralnervensystems. Ohne dieses wäre meine rechte Hand nichts. Also gehört Kopf zur Hand. Er ist in ihr gegenwärtig und wirksam, obwohl ich ihn nicht sehe, wenn ich mir nur meine Hand vor Augen führe. In der Sprache der Logik heißt das, daß der Kopf ein Moment der Hand ist.

Aber weiter: Sowohl die Muskelzellen der Hand als auch die Nervenzellen müssen, um am Leben zu bleiben, unablässig mit Sauerstoff und Nährlösung versorgt werden. Also sind auch Lun­ge, Herz, Blut, Magen und Gedärm ebenso notwendige Momente der Hand, wie deren formgebende Momente: die Knochen, das Muskelgewebe und die Haut, die zusammen jenen Körperteil anschaulich machen, welchen ich meine rechte Hand nenne.

Hand ist Hand dadurch, daß Kopf, Lunge, Herz, Blut usw. ist. Etwas, das durch ein Anderes ist, nennt die Logik ein V ermittel­

tes. Die hier aufgezeigte Vermittlung ist auch keine Einbahnstraße:

So wie die Hand nämlich durch den Kopf, die Lunge, das Herz, das Blut, den Magen und das Gedärm vermittelt ist, so sind es jene Organe durch die Hand, die dem Kopf durch tasten, spüren und greifen eine äußere Welt zum Begreifen gibt, dem Magen die Nahrung zuführt, die alles zusammenhält usw.

Es gilt also auch der entgegengesetzte Satz: Kopf, Lunge, Herz, Blut usw. ist dadurch, daß Hand ist.

Die Hand als Organ eines lebendigen Körpers ist- das erhellt aus dem Vorstehenden - schließlich durch sich selbst vermittelt. Denn wie wäre es um sie bestellt, würde sie nicht den Kopf ständig veranlassen, "Handgriffe zu erlernen", d.h. sich zu trainieren, die Hand zu steuern; wie, wenn sie dem Magen nicht die Speisen zuführte, aus denen schließlich jene Säfte gewonnen werden, deren sie zur Ernährung ihrer eigenen Zellen, aber auch der Nervenzellen und aller übrigen bedarf, damit sie nicht zusammen mit allen anderen Körperteilen Hungers stürbe?

Es gilt also auch der Satz: Hand ist durch Hand. Allgemein gilt: Das Ganze ist nur in seinen Teilen und durch die Teile.

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Jeder Teil ist immer auch das Ganze, von diesem zwar unter­schieden aber nicht getrennt und auch nicht trennbar. Die vom Richtschwert abgeschlagene Hand ist nicht mehr Hand, sondern nur ein Haufen verwesenden Fleisches.

Zur Bezeichnung dieses Sachverhalts dient das Wort "Totali­tät".

Das physiologische Gleichnis läßt sich noch weiter ausbauen: Wirkt die Umgebung lebensfeindlich auf die Zellen der Hand -

zum Beispiel Frost -, geben diese die entsprechende "Stimmung" an das Gehirn weiter. Dort werden die Reize und die Lage, die sie bedingen, geprüft.

Stelle ich fest, daß die Hand ohne Nachteil in die wärmende Tasche meines Mantels gesteckt werden kann, wird das gesche­hen.

Weiß ich aber, daß die Hand in der Kälte ausharren muß, um größere Nachteile zu vermeiden - weil sie beispielsweise einen gebrechlichen Weggefährten stützen muß, damit dieser aufverei­ster Straße nicht von den Füßen kommt-, so werde ich sie ohne Rücksicht auf die Schmerzempfindung weiterhin der Kälte aus­setzen.

Das "Sonderinteresse" der Hand, dem Frost zu entkommen, wird im zuletzt gebildeten Beispiel zwar zur Kenntnis genommen und erwogen, schließlich aber von der allgemeinen Instanz (dem Kopf) zugunsten eines übergeordneten Interesses verworfen. Diesem Willen hat sich nun die Hand zu beugen.

Beziehe ich diese Betrachtung auf das Volk, so folgt daraus: Wie der Kopf wesentliches Moment der Hand, so ist die Regie­

rung wesentliches Moment des einzelnen Volksgenossen. Hier endet die Analogie. Der Volksgenosse ist - wie die Regie­

rung - selbst auch Geist, was man von der Hand, soweit sie vom Kopf auch unterschieden ist, nicht sagen kann.

Der Geist ist frei, indem er nur von sich selbst, d.h. von seinem Willen abhängt und nicht von einem fremden. Wie kann der Geist als das Allgemeine - als Regierung - und als das Besondere - als Volksgenosse - frei sein? Wie ist es denkbar, daß sowohl die Regierung als auch der Volksgenosse nur von sich, d.h. von ihrem

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bzw. seinen Willen abhängt,? Diese Frage ist das bewegende Zentrum der Regel' sehen Philosophie.

Freiheit blüht auf.

• im Einzelnen, wenn dieser sich als Gemeinwesen erfaßt, sich in der hier dargestellten Weise begreift als die Einheit des Allge­meinen und des Besonderen, sich als Totalität weiß. In diesem Begreifen (besser: im Begriff) liegt es, daß das Allgemeine als eine besondere Sphäre - eben als Regierung - da ist. Der Wille des Volkes formt und offenbart sich in dieser Sphäre - und nicht in der unorganischen Menge. Indem der Einzelne das weiß, d.h. die Notwendigkeit dieses Verhältnisses als seine eigene erkennt, weiß er den Willen der Regierung als seinen eigenen.

• im Bewußtsein des Regenten, daß seine Besonderheit das Dasein des Willens des Ganzen ist, des Allgemeinen, das vom Besonderen nicht getrennt und nicht trennbar ist, und daß er todeswürdigen V errat übt, wenn er in sich den als vernünftig erkannten Willen des Ganzen durch seine private Willkür er­setzt.

Ein Staat, der solchen Regenten und solche Bürger hat, ist allein durch dieses Bewußtsein ein anderer als der Not- und Verstandes­staat der bürgerlichen Gesellschaft, deren öffentlich-rechtliches Grundverhältnis nach innen der Zynismus und nach außen die Heuchelei ist.

Wo bewußt und erkannt ist, daß das Volk ein lebendiges Ge­meinwesen ist und dieses nichts Anderes ist als der absolute Geist (=Gott) in einer besonderen Gestalt als konkreter objektiver Geist neben anderen objektiven Geistern (Völkern), dort erscheint die Staatsidee als sittlicher Staat, d.h. der sittliche Staat ist wirklich.

Lassen Sie mich zum eigentlichen Thema zurückkommen: Die­ses Bewußtsein des besonderen Verhältnisses vom Ganzen und Einzelnen, ist im Germanischen ein Produkt der Lebensweise und in der deutschen Philosophie zum Gedanken gebracht. Dieses

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Bewußtsein wird sich jetzt überall durchsetzen, weil die Bestim­mung des Menschen die Freiheit ist, die nur so in diesem Verhält­nis des Teils zum Ganzen gedacht und aus diesem Bewußtsein heraus die Welt durchdringen kann, und zwar jetzt universell, weil der Geist in allen Menschen an sich einundderselbe ist. Seine in einer gesonderten Lebenswelt herausgedachte höhere Gestalt fin­det auch in den Menschen aus anderen Lebenswelten zu sich, hebt deren Bewußtsein auf die Höhe der Zeit. Die Freiheit propagiert sich selbst. Der Drang zur Freiheit - so verkrüppelt er manchmal in Erscheinung tritt - ist allgegenwärtig und mächtig.

Das konkrete Bewußtsein als Volksgeist ist die absolute Macht. Ein Einzelner kann Despot eines Volkes nur dadurch sein, daß dieses Volk seine Freiheit in die Überzeugung setzt, daß nur einer frei sein kann, und alle anderen Unfreie sind. Macht hat ihr Fundament in besonderen Geisteshaltungen. Hegel hat die Bemer­kung gemacht, daß, als die Menschen erkannt hatten, daß der Mensch keine Sache sein könne, die Sklaverei historisch überwun­den war (obwohl es sie als Einzelerscheinung noch heute gibt). Aber sie ist durch das höhere Bewußtsein der Freiheit jetzt als Unrecht gesetzt. Früher wurde es als ganz normal empfunden, daß, wer im kriegerischen Kampf unterlegen war, sein Leben verlor und dieses nur durch Unterwerfung in die Sklaverei erretten konnte. Darin lag kein Unrecht. Die Menschen sagten sich: "Es ist halt so." Sie konnten dagegen rebellieren, durch Flucht versuchen, die Bestimmung über sich wiederzugewinnen; aber eine Berech­tigung dazu war nicht anerkannt. Heute würden sich die Menschen in dem Bewußtsein, daß ihnen Unrecht geschieht, dagegen empö­ren. Gegen diese Empörung würde sich überhaupt keine Ordnung herstellen lassen. Stalins V ersuch in Rußland die asiatische Des­potie wiederzuerrichten, hat ihn nicht überlebt. Das Sowjetsystem ist mehr oder weniger friedlich von der Bühne des Welttheaters abgetreten. Keine Regierung könnte sich auf Dauer gegen das gewandelte Bewußtsein eines Volkes halten. Die Beispiele politi­scher Revolutionen durch friedliche Massenbewegungen in Por­tugal, Iran, Polen, DDR, Rußland sind im 20. Jahrhundert zahlrei­cher als die blutigen Volksaufstände.

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MAHLER: Europa ohne Deutschland ist schlicht nicht denkbar

Ein Umschwung im Selbstverständnis der Deutschen wird eine Änderung der politischen Form unseres Gemeinwesens zur Folge haben. Darauf baue ich. Bei uns wird es der erfaßte Gedanke der Freiheit sein, der die Wende bringt. Es läßt sich belegen, daß dieser Gedanke nirgends klarer herausgedacht worden ist, als in der klassischen Deutschen Philosophie, insbesondere bei Hege!. In diesem Sinne - sage ich - wird sich das germanische Prinzip als begriffene Freiheit, der Gedanke und das Gefühl der Freiheit als Verantwortung für das Ganze, durchsetzen, weil dieser Gedanke das Ureigenste des Menschen ist. Diesem Denken ist der Unter­drücker selbst auch unfrei; denn die, die ihn anerkennen und respektieren, tvn das nicht avs freiem WiJJen. Der Unterdrücker ißt t\k.\\t '<()\\ Pe\:ß()\\e\\ älß Pe\:'i>()\\ 1.\\\e\:k:anl\t, ß()\\dem '<()\\ Skl<we\\ äl'i> deren Herr. Dieser muß stets vor der Empörung und Gewalt der Unterdrückten auf der Hut sein. Das macht ihn auch äußerlich unfrei.

Damit ist ausgeschlossen, daß wir uns zum Herren über andere Völker erheben. Das gerade nicht mehr.

SCHÖNHUBER: Aber zu gleichberechtigten Partnern.

MAHLER: Genauso sehe ich das. Die Europäer brauchen sich wechselseitig, und Europa ohne Deutschland ist schlicht nicht denkbar. Wenn das deutsche Volk in diesem Zustand bleibt, wie es ist, ist es nur das trojanische Pferd der Ostküste der USA. Es bliebe schutzlos gegen den wanderungsförmigen Einfall fremder Völkerschaften in unser Staatsgebiet. Wir würden schon sehr bald zum Objekt zuerst kultureller dann aber auch politischer Fremd­bestimmung durch islamische Volksstämme, insbesondere durch Türken. Europa würde letzten Endes, wie der Historiker Ernst Nolte das voraussagt, in 100 oder 150 Jahren ein Anhängsel Asiens oder Afrikas sein. Ich sage dagegen: Mit Europa ist das nicht zu

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machen. Es schlummern noch Kräfte in uns, von denen wir heute noch gar keine klare Vorstellung haben. Wir werden uns zu einer Politik befähigen, die die Islamisierung Deutschlands und Europas verhindert.

Wie sieht dann die Zukunft aus? Müssen wir uns beschränken? Wo drohen Gefahren?

Und das setzt in erster Linie voraus, daß wir uns als Industriena­tion zurücknehmen, den Freihandel endlich beenden. Denn dieser zerstört die Lebensgrundlagen der Völker, die nicht über die industrielle Basis verfügen wie wir. Die machen wir ja mit unseren Exporten restlos und erbarmungslos nieder, degradieren sie zu "verlängerten Werkbänken" unserer Industrie. Und gerade das ist das, was in der Welt Unruhe schafft. Ich sehe eine Entwicklung zu einem Krieg der USA gegen China, in den wir über die NATO reingezogen werden. Erinnern sich die Deutschen noch, wie schnell im Krieg der USA gegen Nordkorea 1950-53 (mit 2 Millionen Kriegstoten) die Hilfstruppen der USA, darunter starke Kontingen­te der Türkischen Streitkräfte, sich auf koreanischem und chinesi­schen Boden wiederfanden und in blutigen Schlachten gegen die Chinesische Volksarmee kämpfen mußten? Diesmal werden auch deutsche Divisionen eingesetzt werden. Henry Kissinger warnte im September 1999, daß dieser Krieg unmittelbar bevorstehe. Er ver­glich die Situation mit derjenigen im August 1914. DER SPIEGEL berichtete kürzlich über ein Dokument des Chinesischen Verteidi­gungsrates. Daraus geht hervor, daß Rotchina inzwischen eine militärische Konfrontation mit den USA für unausweichlich hält. Die Verfasser des Dokuments plädieren dafür, den Konflikt mit den USAjetzt zu suchen. Das liegt auch nahe. China kann den rasanten wirtschaftlichen Aufbau in den Sonderwirtschaftszonen nicht aus­setzen. Seine Fortsetzung steigert aber die Verletzlichkeit Chinas im Falle eines Krieges. Hoffentlich können wir diese Entwicklung noch aufhalten. Hier ist Buropa gefordert.

SCHÖNHUBER: Wie aber können wir die alten Rivalitäten in Europa abbauen?

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MAHLER: Diese Rivalität ist nur noch ein Nachlauf in den Köpfen mancher Europäer. In Europa war es über Jahrhunderte die Politik der Engländer, ein Gleichgewicht zwischen den rivali­sierenden Kontinentalmächten herzustellen, so daß keine konti­nentale Macht das Übergewicht bekommt. Großbritannien wollte stets doppelt so stark sein wie die stärkste Kontinentalmacht Die westlichen europäischen Randmächte England und Frankreich mußten sich zur Absicherung ihrer kolonialen Interessen den Rücken frei halten im Verhältnis zu den Europäischen Zentral­mächten. Die Gleichgewichtspolitik war eine richtige Politik in Englands Interesse, solange Großbritannien mit seiner Flotte über die Meere ausgreifen und ein Weltreich begründen bzw. aufrech­terhalten konnte. Aber in dem Augenblick, wo die USA als impe­rialistischer Machtfaktor auftraten, also seit dem Krieg der USA mit Spanien von 1898, änderte sich die geopolitische Lage für Großbritannien und Frankreich entscheidend. Jetzt drücken die USA die Westmächte, Frankreich und England an das Zentrum Europas heran. Beide haben ihr Kolonialreich verloren. Aufgrund ihrer kulturellen, familiären und finanziellen Verflechtung mit der OS-Plutokratie waren die britischen Eliten zwischen den Welt­kriegen nicht in der Lage, in dem radikal veränderten geostrategi­schen Kraftfeld zwischen Europa und Amerika ihre Stellung inte­ressengerecht zu bestimmen. Großbritannien hat den II. Weltkrieg als Dummkopf verloren, Deutschland als tragische Figur, tragisch deshalb weil es die Last der Verteidigung Europas gegen die USA allein tragen mußte, was über seine Kräfte ging.

Frankreich und Großbritannien können sich als souveräne Na­tionen jetzt nur noch im Bündnis mit einem starken Deutschen Reich in der Mitte Europas behaupten. Beide haben ein Interesse, daß Deutschland wieder zu sich findet. Der französische Außen­minister V edrine ruft voller Verzweiflung nach der Solidarität der Nationen gegen die Hypermacht USA. Da kann er in erster Linie nur an die Deutschen gedacht haben. Großbritannien, das als Hofnarr der USA heute noch die atlantische Karte spielt, wird die Seite wechseln, wenn die Weltwirtschaftskrise die Werktätigen auf der Insel rebellisch macht. Die gesunden Kräfte werden ange-

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SCHÖNHUBER: Das europäische Rechtsdenken in den Kategorien des 19. Jahrhunderts

sichts von Hunger und überbordender Kriminalität das Bündnis mit den Kräften suchen, die für die Wiederherstellung der Volks­wirtschaften im Rahmen starker Nationalstaaten eintreten. Das bringt sie zwangsläufig in einen Gegensatz zu den USA und an die Seite Deutschlands.

SCHÖNHUBER: Ich will jetzt nicht auf Einzelheiten Ihrer Aus­führungen eingehen. In weiten Bereichen denken wir ähnlich. Ich will ein Problem herausgreifen, das vor unserer Haustüre liegt. Ich sehe mehr die aktuelle Situation. Es ist ja kein Zufall, daß die Osterweiterung von den Amerikanern betrieben wird. Dies mit dem Zie I, die Türken nach Europa zu führen. Fakt ist jedoch, daß etwa sieben Zehntel der Türken auf asiatischem Boden leben. Die Türken sind Asiaten. Sie sind keine Europäer. Selbst die dünne Oberschicht, die in Paris Literatur studiert oder Maschinenbau in Dortmund, ist wesensmäßig asiatisch geblieben. Das soll keine Herabwürdigung sein. Asien braucht sich hinter Europa lei­stungsmäßig, auch kulturell nicht zu verstecken.

Aber Ihre Frage zielt ja nach der Solidarität der europäischen Nationen. Wie könnte man sie erreichen? Da muß ich Ihnen sagen, die Hauptverhinderer einer europäischen Zusammenarbeit sind die europäischen Rechten. Sie lassen sich leiten von den Schatten der Vergangenheit. Ich bin mit Dr. Sudholt vor einiger Zeit in Ungarn und Serbien gewesen. Der Chef der ungarischen Rechten, Istvan Csurka, schimpfte gottserbärmlich über die Serben. In Bel­grad schimpfte der Führer der Radikalen Serbischen Partei, Dr. Vojislav Seselj, in Richtung Ungarn zurück. Der rumänische Na­tionalist Corneliu V. Tudor kennt nur ein Ziel: "Romania Mare" -ein Großrumänien Der tschechische Nationalist und Politclown a

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MAHLER: Alle Gebietsverluste sind Merkposten, die die Gegensätze am Le­ben halten

la Schirinowski, Miroslav Sladek, hält gar die Deutschen für ein Verbrechervolk, von denen im Krieg zu wenig umgebrachtworden wären. Es sind die Verträge von Trianon und St. Germain und die Willkür der Sieger nach dem Zweiten Weltkrieg mit ihren die Interessen der Völker mißachtenden Grenzziehungen, die dieses haßerfüllte Klima hervorgerufen haben. Da tun sich die Soziali­sten leichter. Sie haben einen internationalen Denkansatz. Da spielen Grenzen kaum noch eine Rolle. Die gesamten europäi­schen Rechten denken dagegen in den Kategorien des vorigen Jahrhunderts. Das ist die Crux. Ich weiß, daß es schwer ist, historische Verwundungen zu überwinden. Die Narben schmerzen noch immer. Und trotzdem müssen sich die Völker aus den Banden der Erbfeindschaften befreien und zu einer patriotischen Gemein­samkeit kommen.

MAHLER: Ja. Aber wir sollten das Problem nicht einseitig sehen. In der Haltung der chauvinistischen Rechten - so möchte ich sie hier einmal nennen - steckt ein Kömehen Wahrheit, das sich allerdings zerstörefisch auswirkt. Alle Gebietsverluste infol­ge von Gewalt haben unverheilte Wunden hinterlassen. Die sind Merkposten, mit denen die Gegensätze, die nicht friedlich durch völkerrechtliche Verträge ausgeglichen wurden, am Leben erhal­ten werden. Das ist auch notwendig, denn Gebietsraub kann nicht zur Grundlage einer neuen Europäischen Friedenssordnung wer­den. Solange die betroffenen Völker nicht in die Lage versetzt sind, ihre Verhältnisse mit den Nachbarn auf der Grundlage wech­selseitigen Respekts durch souveräne Willensakte - hoffentlich friedlich- entsprechend den Grundsätzen des Europäischen Völ­kerrechts, wie es vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges be­stand, zu regeln, solange werden die durch völkerrechtswidrige

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Gewalt geschlagenen Wunden zerstörerisch wirken. Das sage ich auch im Hinblick auf die infolge des Versailler Diktats 1919 und durch die Willkür der Alliierten 1945 dem Deutschen Reich geraubten Gebiete. Dieser Standpunkt ist der einzig denkbare Durchgangspunkt zum Hausfrieden in Europa.

Ich muß jetzt ins Grundsätzliche gehen: Diese ganze Problema­tik ist bis in unsere Tage mit der gegen die Deutschen gerichteten Kriegsschuldpropaganda der Siegermächte in unseren Köpfen eingefroren worden. Wir lebten in dem Bewußtsein, daß die infol­ge der beiden Weltkriege erlittenen Gebietsverluste die gerechte Strafe dafür seien, daß Deutschland im ausgehenden 20. Jahrhun­dert zweimal einen Weltkrieg angezettelt hätte. Doch die Ge­schichtsschreibung hat längst beide Kriegsschuldlügen widerlegt. Das dem Bewußtsein der Deutschen weiterhin vorzuenthalten, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Immer breitere Kreise unseres Volkes lernenjetzt aus den einschlägigen Geschichtswerken die geschicht­liche Wahrheit kennen. Diese ist: Deutschland wuchs nach der Reichseinigung durch Bismarck zu einem wirtschaftlichen Riesen heran. Dadurch - und nicht durch eine angebliche militärische

Heiner Müllers "Tat im Thrm", Berlin, Sommer 1990, v.l. n. r. Christoph Wackemagel, Horst Mahler, Daniel Cohn Bendit

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Überlegendheit (diese gab es nicht und wurde vom Reich auch nie angestrebt) - fühlte sich Großbritannien in seiner Weltmachtstel­lung bedroht. Aus diesem Bedrohungsgefühl heraus arbeiteten die Englischen Eliten auf einen Krieg gegen das Deutsche Reich hin in der Absicht, dieses mit militärischen Mitteln ein ftir allemal zu zerschlagen. Weit vorausschauend hatte Franklin D. Roosevelt, im Ersten Weltkrieg schon stellvertretender Marineminister der USA und ein Falke bei den Versailler Friedensverhandlungen in der Umgebung von Präsident Woodrow Wilson, dieses Ziel für die Weltmachtpolitik der USA übernommen.

Da 1914 bis 1918 die vereinten Kräfte von Großbritannien und Frankreich nicht ausreichten, wurde dieses Ziele im ersten Anlauf nicht erreicht. Immerhin ermöglichte der Kriegseintritt der USA auf Seiten der Entente den Diktatfrieden von V ersailles, der von den Siegern bewußt so angelegt worden war, daß er nur ein "Waffenstillstand für 20 Jahre" (Marschall Foch) sein konnte. Den Verantwortlichen Politikern, unter ihnen Franklin D. Roosevelt, war klar, daß das Deutsche Reich nach dieser Erholungspause gezwungen sein würde, den militärischen Kampf um seine Selbst­erhaltung wieder aufzunehmen. In diesem zweiten Akt des Dreißigjährigen Krieges gegen das Deutsche Reich sollte sich nach dem Entschluß Roosevelts das Schicksal Deutschlands erfül­len: das Reich sollte zerstört werden und für immer aus der Geschichte ausscheiden. "Wer Deutschland hat, hat Europa", sag­te einmal Lenin. Droht dem europäischen Kontinent nicht das nämliche Schicksal?

Jetzt zeigt sich deutlich, daß Buropa insgesamt dieses Schicksal droht. Es ist nicht mehr zu übersehen, daß die führenden Kreise der USA die Islamisierung Europas betreiben. Es ist erst einige Wo­chen her, daß Bill Clinton die Staaten der Europäischen Union nachdrücklich ermahnt hat, ihren Widerstand gegen die Aufnahme der Türkei als Vollmitglied aufzugeben. Jeder, der sich mit diesem Problem vertraut macht, kann die Folgen dieser Entwicklung abse­hen: Die jetzt schon kritisch werdende Überfremdung Deutsch­lands durch die türkischen Zivilokkupanten würde durch weiteren ungezügelten Zuzug von Millionen Türken (der Türkische Mini-

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Sterpräsident Demirel - heute Staatspräsident seines Landes -kündigte in einem Gespräch mit Bundeskanzler Helmut Schmidt -wie dieser selbst der Presse mitteilte- ZEIT-Punkte 111993- an, daß noch vor der Jahrtausendwende 15 Millionen Türken nach Deutschland einwandern würden) schon innerhalb der ersten drei Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts zur völligen politischen Entmach­tung der Deutschen in ihrem eigenen Lande führen. In diesem Falle wäre Europa gegen den Wanderungsdruck aus Asien und Afrika nicht mehr zu verteidigen. Ernst Nolte würde dann bestätigt werden.

Ich kann mir durchaus vorstellen, daß die Europäer insgesamt im Verlaufe dieser Entwicklung der Überfremdung und des sich gegenwärtig abzeichnenden wirtschaftlichen Zusammenbruchs, erkennen werden, daß es jetzt wirklich ums Überleben als euro­päische Völker und Nationen geht. Es wird dann ihr vorhandener Wille, daß Europa der Erdteil des weißen Mannes und der abend­ländischen Kulturen bleibt, zu einer mächtigen einigenden Kraft heranwachsen. Das Gewitter zieht auf: Ein erstes Wetterleuchten erreichte uns aus Österreich, der Schweiz, Spanien, Dänemark, Flandern und Finnland. Damit hat auch der Zerfall der Europäi­schen Union eingesetzt. Es wird sich die Einsicht einstellen, daß die Europäer, um zu überleben, untereinander Frieden halten müssen. Diese Einsicht wird dann der Ausgangspunkt sein für einen friedlichen Ausgleich bezüglich der aus der Vergangenheit herüber ragenden territorialen Streitpunkte. Er wird unter dem Hegel' sehen kategorischen Imperativ stehen: Sei Person und an­erkenne den Anderen als Person! Sei Nation und respektiere die Anderen als Nation! Das ist die Grundlage des Befreiungsnatio­nalismus, der jetzt auch in Europa Einzug hält.

SCHÖNHUBER: Wir müssen Versailles auch in uns überwinden, seine geistigen Väter sitzen oder saßen ja nicht nur in Europa, sondern auch an der amerikanischen Ostküste.

MAHLER: Genau das. Wir sind vergewaltigt. Und dieser Zu­stand des Vergewaltigtseins muß überwunden werden, weil wir

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sonst nicht anerkannt sind als Person. Darum geht' s. Wir leiden doch heute alle an den Folgen der englischen Kolo­

nisation und des sich daran anschließenden Dollar-Imperialismus: Durch sie wurden die Länder in Asien und Afrika zerstört, die völkischen Gemeinschaften zersetzt. Die Asiaten und Afrikaner können dort, wo sie geboren werden, nicht mehr das finden, was sie zum Leben brauchen, also kommen sie zu uns, weil hier nach ihrem Verständnis "Milch und Honig fließen". Das ist die Wurzel der Überfremdung, unseres größten Problems. Unser Eigeninte­resse gebietet uns, jetzt die imperialistische Phase abzuschließen, den Freihandel zu beenden und den Austausch nach dem Prinzip wechselseitigen Vorteils zu suchen., damit sich in Asien und Afrika die Völker regenerieren und dort ihre Lebensgrundlagen erarbeiten können. Die Menschen wollen in der Regel ja dort bleiben, wo sie geboren wurden, - vorausgesetzt, sie finden dort "etwas besseres als den Tod"; wenn sie dort Wasser haben, wenn sie zu essen haben usw. Das ist keine altruistische Politik. Das ist kalter Egoismus der Europäer. Deshalb wird das auch funktionie­ren. Wir müssen nicht erst zu Engeln werden, sondern wir können sofort damit anfangen. Wir brauchen nur angesichts der sich auftürmenden Gefahren unser eigenes Interesse besser zu begrei­fen, als bisher. Wir müssen nur unsere Augen auftun und das selbständige Denken wieder anschalten.

SCHÖNHUBER: Ich bin ein absoluter Anhänger Europas, bei aller Beachtung der Subsidiarität des europäischen Gedankens, der für mich über das nationalstaatliche Element bereits hinaus­greift. In diesem europäischen Haus, das wir wünschen, werden die Deutschen mit Sicherheit nicht mehr in einer Suite wohnen und auch nicht in der Belle Etage, sondern sie werden, wie die anderen, ein Zimmer zugewiesen bekommen. Mein Europagedanke ist, daß in diesem gemeinsamen europäischen Haus jedes Zimmer von den Bewohnern nach ihren Vorstellungen ethnisch, ökonomisch, so­ziologisch eingerichtet wird. Das heißt also, nicht ein Plattenbau, wo alle Zimmer völlig gleich sind, sondern wo jedes Zimmer individuell ausgestattet ist. Die deutsche Rechte, wie ich sie kenne,

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SCHÖNHUBER: Die deutsche Rechte, wie ich sie kenne, ist europafeindlich

ist europafeindlich. Für die, und das habe ich 11 Jahre lang erlebt und habe 11 Jahre darunter gelitten, für die war jeder Punkt ein guter Punkt, wo man den Europäern eins auswischen konnte. Sie meinten natürlich Brüssel. Und da gibt es eine Menge auszuwi­schen. Es gibt Maastricht. Auch nicht gut. Aber wir werden uns doch damit, ich sage nicht einmal abfinden, wir werden uns daran gewöhnen müssen, daß wir zu diesem europäischen Haus gehö­ren. Und ich sage Ihnen auch noch etwas aus persönlicher Sicht. Ich bin groß geworden in einer Kleinstadt, einer bayerischen Kleinstadt. Wenn da jemand eine Frau hinterden Bergen, die also nur ein paar Kilometer entfernt lebte, heiratete, dann wurde er schon scheel angesehen. Wie konntest Du mit denen da drüben oder mit der da drüben? Das war das erste, was ich erlebte als Kind. Dann ging es weiter im Dritten Reich auch mit einem übersteigerten Nationalismus. Wie ist die Situation heute? Die Menschheit ist in Bewegung geraten. Flughäfen sind Schüttelro­ste. Bahnhöfe sind Orte der permanenten Begegnungen. Sie kön­nen beispielsweise den jungen Leuten nicht mehr vorschreiben, wen sie nun mögen, lieben oder hassen müssen. Deshalb wird es immer stärkere Verzahnungen geben auch im menschlichen Be­reich, im privaten Bereich. Was sagen wir dazu? Sind wir, und man muß es immer auf die einfachste Ebene bringen, dagegen, wenn ein Mensch, einjunger Mensch, sich in eine hübsche Asiatin verliebt? Was sagen wir als sogenannte deutsche Patrioten. Ich habe darüber eine Diskussion gehabt. Die NPD hat mich ange­griffen in geradezu unglaublicher Form, als ich gegen deren Blutsdefinition zu Felde gezogen bin. Ich hab denen gesagt, könnt ihr mir erklären, was ein deutsches Blut ist? Woran kannst Du das von einemanderen unterscheiden? Nach Eurem Denken düifte ich gar nicht mehr ein Deutscher sein, denn ich habe Rassenschande begangen, weil meine erste Frau eine Halbjüdin war. Da blieb

248

ihnen der Mund offen. Ich will ja nicht plötzlich so tun, als würde mich das Deutschtum nicht interessieren. Ganz im Gegenteil. Ich bin bewußt ein Deutscher und ein Bayer. Aber wie können wir auf eine sich wandelnde Welt Antworten finden, die auch akzeptiert werden.

MAHLER: Ja da ist wieder die Gefahr, daß wir von einem moralischen Standpunkt aus "allgemein menschlich" diskutieren, weil das dem Zeitgeist entspricht. Ich bin dafür, daß man Tatsa­chen zur Kenntnis nimmt, und es ist eine Tatsache, daß es in einem Gemeinwesen, einem Volk, Affinitäten und Aversionen der ver­schiedensten Art gibt gegen andere Völker, die ganz anders aus­sehen. Auch heute im Deutschen Volk. Ich kann es auch in mir nachvollziehen. Ich stelle mir vor; meine Tochter würde einen Schwarzafrikaner heiraten und meine Enkel sind dann Mulatten. Diese Vorstellung ist mir unangenehm. Ich würde natürlich diese kosmopolitische Schlußfolgerung ziehen: das ist die Sache meiner Tochter und ich muß ihr alle Chancen eröffnen, und ich muß auch dafür sein. Aber das hilft mir nicht über dieses bedrückende Gefühl hinweg. Im Nachdenken darüber ist mir klar geworden, daß die Seinsqualität dieses Gefühls durch wertendes Denken, wie es die Gutmenschen fordern, nicht überwindbar ist - aus gutem Grund. Jenes Gefühl ist der sinnliche Ausdruck des logischen Begriffs­momentes "Eins". Alles Lebendige ist "Eins", d.h. es ist in sich lebendig dadurch, daß es anderes (fremdes) "Eins" aus sich aus­schließt und sich dadurch als dieses unverwechselbare (mit sich selbst gleiche, mit sich identische) "Eins" erhält, behauptet, sich Dauer- also Sein- gibt. Jedes bestimmte Sein ist dadurch Dasein, daß es anderes Dasein aus sich ausschließt. Das ist die Kant' sehe "Repulsion". Wir wissen, daß unser Körper, wenn er gesund ist, mit Abwehrkräften ausgestattet ist, die eindringende Fremdorga­nismen vernichten. Es ist viel von der "erworbenen Immunschwä­che", von AIDS, die Rede. Menschen, die daran leiden, sind dem Tod geweiht. Das spielt sich auf der biologischen Ebene ab. Als Menschen sind wir aber nicht nur biologische Wesen. Unser Wesen ist der Geist. Als geistige Wesen sind wir notwendig ein

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Volk und zwar auch in dem Sinne, daß jedes menschliche Indivi­duum als Teil eines Volkes zugleich auch das Ganze, Volk, ist. Die Ableitung dieses Satzes ist in Hegels Wissenschaft der Logik nachzuvollziehen. In der Sphäre des Geistes erscheint das Aus­schließende des "Eins" zunächst in sinnlicher Gestalt als abstoßen­des Gefühl (Aversion). Altkanzler Helmut Schmidt führte sie in einem Interview "auf tiefverwurzelte Instinkte" zurück (FR 12.09.92 S. 8). Nur Narren können auf den Gedanken kommen, uns diese "Instinkte" ausreden zu wollen. Diese gehören zu uns wie die Luft zum Atmen. Sie sind die Kraft, die uns signalisiert, daß sichjedes Volk als eins unter vielen Völkern gerade in deren Vielfalt erhalten will.

Die Unterschiede und Gegensätze sind das Wesentliche. Sie bringen Spannung, Austausch und auch Kampf hervor. Das ist Leben. Daß die Völker in sich so einen Willen haben, ihr unver­wechselbares Erscheinungsbild, ihren Phänotypus, in dem sie ihr Schönheitsideal haben, zu bewahren, ist ethisch nicht zu beanstan­den. Im Abendland wird Christus überall als Weißer ans Kreuz gehängt, nicht als Neger. Oder haben Sie schon mal was von Ehen zwischen Deutschen und Pygmäen aus dem afrikanischen Regen­wald gehört? Wir sollten endlich mit der gutmenschlichen Heu­chelei Schluß machen und offen über diese Fragen miteinander reden. Ich kann mir vorstellen zu sagen: gut Du kannst natürlich heiraten wen Du willst, aber Du heiratest dann unter Umständen aus Deinem Volk heraus.

SCHÖNHUBER: Ich weiß auch nicht, wie letztendlich die Kon­sequenz aussieht. Ich bin auch kein Anhänger von Coudenhove­Kalergie.

MAHLER: Ganz und gar nicht, der bringt es nämlich auf den Punkt.

SCHÖNHUBER: Ich bin auch der Meinung, daß nicht Esperan­to die Zukunftssprache der Menschheit sein soll, sondern die deutsche Sprache, die englische, französische, russische und was

250

MAHLER: Diese ganze multikulturelle Geschichte ist ein Wahnsinn

auch immer. Nur, es gibt eine These, die Ihrer widerspricht und eine geschichtliche Erfahrung. Der große Mann, der die Befreiung Südamerikas eingeleitet hat, also der Liberator, Sirnon Bolivar, war ein Mestize. Sein Vater, glaube ich, war Spanier, ein Grande, und seine Mutter war eine Dunkle. Es kann natürlich sein, daß solche Mischungen auch unglaubliche Kräfte freisetzen. Ich kann mir vorstellen, daß die Leute allmählich verblöden in einem Tiro­ler Bauerndorf und Kröpfe kriegen, wenn sie also immer wieder untereinander heiraten. Daß ein Zuzug von aU;ßen natürlich bele­bend sein kann. Ich will jetzt nicht auf die Hugenotten abheben, die gehören ja zu unserer Kultur und unserem Denkbereich Aber wir haben sicher auch andere positive Erfahrungen, wenn sie sich die vielen slawischen Elemente in uns Lobkowicz, Oskowicz und was auch immer für Wicze, gerade im Österreichischen Sprach­raum, vorstellen. Das sind überzeugte Österreichische Patrioten geworden, obwohl sie mit Sicherheit kroatischer, slowakischer, slowenischer Herkunft sind. Ich glaube, hier liegen zwischen uns beiden gar keine Welten, sondern wir suchen nach einer Verein­barkeit.

MAHLER: Das ist die Frage. Aber gerade zu Ihrem Beispiel muß ich noch eine Anmerkung machen. Die Geschichte geht immer weiter. Wenn durch Gewalt und Unterwerfung und Terror eine solche Vermischung erzwungen wird, entsteht vielleicht etwas Neues. Keiner kann voraussehen, was das sein wird. Vielleicht wird es das, was Graf Coudenhove-Kalergie sich vorgestellt hat: die Menschen in Europa sehen dann aus wie die Menschen im antiken Ägypten. Tatsache ist, daß ich das nicht will, daß Sie das nicht wollen, daß die überwiegende Mehrheit unseres Volkes - da bin ich mir sicher - das nicht will. Dagegen wird es Widerstand geben, weil die meisten so denken, wie Altkanzler Helmut

251

Schmidt. In dem bereits zitierten Interview bezeichnet er Heiner Geislers Multikulti-Vision als "absurd". Es sind gewaltige Kräfte, die da aufeinander stoßen. Wir sehen das jetzt wieder in Jugosla­wien.

Man hält uns immer die "Einwanderungsländer" vor: In Amerika gibt es ja kein Volk im eigentlichen Sinne. Auch in Australien nicht. Die Amerikanischen und Australischen Völker sind von uns Europäern ausgerottet worden. Dieser riesige Amerikanische Kontinent wird von zusammengemischten Bevölkerungen aus aller Herren Länder bewohnt. Und dann sind die Sklaven aus Afrika gebracht worden. Weder in Nordamerika noch in Südame­rika sind stabile Staaten aus diesem Prozeß hervorgegangen. Das sind eher negative Beispiele, Warnungen für uns. Es gilt die Argumentation der Multikulti-Propheten umzukehren: Was sie sich vorgenommen haben, hat noch nie und nirgends funktioniert. Überall flammen heute ethnische Konflikte auf. Es kann uns keiner zwingen, uns auf einen Großversuch dieser Art mit unge­wissem Ausgang einzulassen. Wenn das schief geht, haben wir die Hölle. Dann gibt es hier Mord und Totschlag. Mit welchem Argument will man uns denn überreden, uns auf ein solches Risiko einzulassen?

SCHÖNHUBER: Das Problem ist, daß eigentlich jeder Recht hat in einem bestimmten Sinne. Ichfand es einen guten Gedanken, daß Sie gesagt haben, meine Tochter, wenn die sagen wir mal einen Asiaten heiratet, dann muß sie wissen, was sie tut - erster Punkt. Zweiter Punkt: So sagen Sie folgerichtig nach Ihrer Vor­stellung, Du heiratest damit aus dem deutschen Volk heraus. Sie verbieten es ihr aber nicht, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Da nähern wir uns wieder an. Die sogenannten Ultras wollen das aber verbieten. Die sagen, wer eine Jüdin heiratet oder gar einen Neger, das ist etwas furchtbares. Da sage ich, es gibt die Einze­lentscheidung eines Menschen, die muß man respektieren. Es kann eine bedenkliche sein für das Volk. Es kann eine glückliche sein für ihn. Und es bedeutet nicht unbedingt multi-kulti, wenn ein Deutscher eine Vietnamesin heiratet, so kann die Vietnamesin

252

durchaus ihr vietnamesisches Erbe einbringen und der Partner sein deutsches Erbe bewahren. Wo es wirklich schwer ist, da gebe ich Ihnen recht, und problematisch wird, das ist bei den Kindern.

Der Wahrheit eine Gasse

Kurz vor Drucklegung erwarb ich das Buch von Hans Mommsen "Alternative zu Hitler". Der gewiß nicht rechtsstehende, renommierte Historiker rüttelt dabei an den Grundfesten der deutschen Widerstandslegenden. Über die Parteivorstellung der im Widerstand intellektuell tonangebenden Frauen und Männer des "Kreisauer Kreises" schreibt Momrnsen auf Seite 223: "Sie waren ebenfalls von der Vorstellung geprägt, daß sich das parlamentarische System als untauglich erwiesen habe und durch eine gewisse Repräsentativ-Verfassung ersetzt werden müsse, die die Politik wieder auf ihre Ordnungsaufgaben zurückführte. Desgleichen wollte man die Einwirkung politischer Parteien, in deren Wirken die Hauptursache für das Hervortreten von Massenleidenschaften und -manipulationen gesehen wurde, möglichst unterbinden." Klangen in unserem Gespräch, wenn auch mit anderen politischen Zielsetzungen nicht ähnliche Gedanken an, auch in meinen positiv eingeschätzten ständestaatliehen Vorstellungen von Othmar Spann? Überzeugte Demokraten waren die meisten der Widerstandskämpfer nicht. Manche Geschichtsdeutungen lassen sich nicht mehr halten, zum Beispiel jene des "Historikers" Helmut Kohl. Genauso fahrlässig wie mit den Spenden ging unser Ex-Bundeskanzler Kohl mit der Geschichte um. Ich glaube nicht, daß er nach der Lektüre des Momrnsen-Buches seinen Satz über die Putschisten vom 20. Juli noch aufrecht halten kann: "Es waren nur wenige, aber es waren die Besten." Momrnsen schreibt darüber auf der Seite 203: "Aber es gehörten auch Persönlichkeiten zur nationalkonservativen Opposition, die wie Arthur Nebe oder Kar! Heinrich von Stülpnagel weit mehr als nur Beihilfe zum Völkermord geleistet haben." Und er nennt noch andere Militärs mit rassistischer Grundeinstellung. Allein schon deshalb erscheint mir ihr Schicksal nach dem Putsch nicht unverdient gewesen zu sein. Auch die eifrigsten Umerziehungsapostel können es nicht mehr verhindern, daß allmählich frischer Wind in die miefig-stickige Luft der deutschen Vergangenheitsbewältigung kommt. Mahler und ich können hoffen, daß durch dieses Buch die Gasse zur Wahrheit wieder breiter geschlagen wird.

253

Namensverzeichnis

ADENAUER, Dr. Konrad ADLER, Dr. Max ADORNO, Prof. Theodor W. AGNOLI, Johannes ALBER1Z, Heinrich ALBRIGHT, Made1aine AMEND, Günter ANDREOTII, Giulio ARCO, Graf Anton AXMANN, Artur

BAADER, Andreas BACON, Francis BADOGLIO, Pietro BAHRO, Rudolf BALFOUR, Artur BALZAC, Honorc~ de BARMAT, Spekulant BARTHEL, Waller BA VENDAMM, Dr. Dirk BECKER, Richard BISMARCK, Otto von BLAIR, Tony BLOCHER, Christoph BOLIVAR, Sirnon BRANDT, Peter BRANDT, Willy BRECHT, Bert BRZEZJNSKI, Zbigniew

CAESAR, C. Julius CARNOT, Lazare N. CARTER, Jimmy CHAMBERLAIN, Neville CHURCHILL, Sir Winston CLEMENT, Wolfgang CLINTON, Bill COHN-BENDIT, Daniel

151, 191f 102

90,225 168 28

104 106 103 117 171

104, 108f, 165 34 23

222 13

232 199

168f 16

150 32,49, 76,244

67-69 24,67

251 168

168,184,187, 192 204

20f, 60, 92, 119

49 138

20 213

177f, 210,212 202 245 244

CORK AND ORRERY, Earl of, Admiral COUDENHOVE-KALERGIE, Nikolaus Grafvon CRAXI, Bettino

13 250f 103 242 CSURKA, Istvan

DÖNITL, Kar! DORIOT, Jacques DUTSCHKE, Rudolf

ECKART, Dietrich ECKERMANN, Johann Peter EISNER, Kurt ENGELS, Friedrich ENSSLIN, Gudmn ENZENSBERGER, Ulrich ESCHENBURG, Prof. Theodor

FEDER, Gottfried FICHTE, Johann Gottlieb FINI, Gianfronco FISCHER, Josef, dt. Außenminister FISH, Hamilton FOCH, Ferdinand FRAN.;:OIS-PONCET, Andre FREY, Dr. Gerhard FRIEDMANN, Michael

254

57 160

104-106,183

6 112 117 116

108, 165 124 172

199, 201 70, 113

23 50,53,97,204

16 245 212

94 20,92

FRIEDRICH II., König von Preußen FURTH, Peter

230 93

GAULLE, Charles de GANDHI, Mahatma GEISSLER, Heiner GIRGENSOHN, Jürgen GLOBKE, H. Staatssekretiir GLOTZ, Prof. Peter GLÜCK, Alois GRAF, Oskar Maria GRAMSCI, Antonio GRÜNHUT, Hauptmann, I. Welikrieg GOETHE, Johann Wolfgang GOLDHAGEN, Daniel

228 48 92

150 151 92

126 233 102 II

35, 112,224 90, 154

92 GYSI, Gregor

HABE, Hans HABERMAS, Prof. Jürgen HAIDER, Jörg HAJEK. August von HAMSUN, Knut HAUSLEITNER, FPÖ-Politiker HEARST, Randolph HEGEL, Georg Wilhelm F.

195f 120

24f, 66, 68f, 209' 211 197 232

69 201

31' 33, 35, 38, 46, 69, 12lf, 174,231,246

HEINES, Eduard, schlesischer SA-Führer 157 HEINEMANN, Gustav 189f HEINRICH IV. frz. König 49 HELFFERJCH, Kar! 16 HERDER, Gottfried 216, 227 HERZEN, Alexander 71 HIMMLER, Heinrich 110, 233 HITLER, Adolf 8, 10, 12, 32, 32, 49, 71, 83, 110

152,157, 170f, 177-180, 192,194

HÖLDERLIN, Friedrich HONECKER, Erich HORKHEIMER, Max HOTSCHI MINH HUBER, Ludwig HUGO, Viktor

KANT, Irnmanuel KAUFMANN, Theodore N. KJESSLING, Günther KIEMLE, Manfred KIES IN GER, Kurt Georg KISSINGER, Henry KLEIN, Staatsanwalt KLEIN, Hans KOHL, Dr. Helmut KRÜGER, Antje KUBY, Erich KUNZELMANN, Dieter KUTISKER, Spekulant

209f, 212, 214, 253 224 152 90

166 164 232

46 15

151 123 184 240 161 !50

30, 73f, 103, 145 124 93

124 199

LAFONTAINE, Osakr 200f LANGENDORF, Pressechef 194 LANGHANS, Rainer II LENIN, W.J. 102, 105, 107, 117, 122,216,226,245 LE PEN, Jean-Marie 23f, 67, 227 LOCH, Theo M. 150 LUDWIG XIV., frz. König 49

LUXEMBURG, Rosa LEY, Robert

224 179

MAHAN Alfred Thayer 214 MARIA THERESIA, Kaiserin 230 MARX, Kar! 2lf, 31, 36, 38, !02, I 16, llSf, 12lf MASCHKE, Günter !09, 182 MC NAMARA, Robert S. 184 MEINHOF, Ulrike !04, lOS. 121, 165 MITROFANOW, Alexey 60 MESCHKAT, Prof. Klaus 124 MOHAMMED, Prophet 49 MOHLER, Dr. Armin 172 MOMMSEN, Prof. Hans 253 MORGENTHAU, Henry jr. 15 MOSLEY, Sir Oswald 186, 2!0 MÜLLER, Heiner 244 MUSSOLINI, Benito 49, 76, !00, ll7, !34, 186, 209

NAPOLEON 1., Kaiser der Franzosen

NEBE, Arthur NEUHÄUSLER, Johann NEY, Jobannes P. NIEKISCH, Ernst NIEMÖLLER, Martin NIETZSCHE, Friedrich NOL TE, Prof. Ernst NYE, Gerald P.

1!0, 138, 160 198, 223

253 114 84

117 190 45

239,245 14

OBERLERCHER. Dr. Reinhold 84, 90, !09, 130, 140 144, 152, 184, 188, 191

PASCAL, Blaise PERON, Juan PETAIN, Philippe PINKALL, Waller PREUSS, Prof. Ulrich PUSCHKIN, Alexander

RABEHL. Prof. Bernd RADEK. Kar! RATHENAU, Dr. Watther RATZINGER, Joseph, Kardinal RAU, Johannes REAGAN, Ronald RICHTER, Hans Wemer RÖHM,Ernst

34 186

ll. 160 168 !07 233

182f ll7f

12 164

29, l89f 24

152 1!7, 157, !70

ROOSEVELT, Franktin Delano 15, 23, l77f, 194

ROSENBERG, Alfred ROSENBERG, Ludwig ROTHSCHILD, Arnschel M. ROUSSEAU, Jean Jacques RÜCKERT, Georg

SAINT JUST, frz. Revolutionär SAL V ATORE, Gaston SAMTLEBE, Günter SCHACHT. Hjalmar SCHÄUBLE, Wolfgang SCHALCK-GOLODKOWSKI. Alexander SCHARPING. Rudolph SCHELER, Max SCHILLER, Friedrich SCHIL Y, Otto SCHJRACH, Baidur von

212-214,245 141 156 198 62

127

166 !06 150

16 74

127 50,53 44,46

76 42f, !36

!71

SCHIRINOWSKY, Wladimir SCHLAGETER, Albert Leo SCHLEYER, Harms Martin SCHLIERER, Dr. Rolf SCHMIDT, Helmut SCHÖNHUB ER; Adolf SCHÖNHUBER, Xaver SCHÖNHUBER, Maria SCHÖNHUBER, Ingrid SCHOLZ, Prof. Rupert SCHROEDER, Gerllard SCHÜSSEL, Dr. Wolfgang SCHUMACHER, Kurt SES EU, Vojislaw SEMMLER, Christian SEIDEL, Dr. Harms SICHROWSKY, Peter SKLAREK, Spekulant SLADEK, Miroslaw SOMMER, Theo SPANN, Othmar SPENGLER, Oswald SPIELKER, Kar! Heinz SPRINGER, Axel

24,243 ll7f

6, l50f 120

67, 145,245, 250f 7 6 6

27, 127 124

43, 53, 65, 123f, !36, 146 66

71, 192 24,242

167 27 67

199 243 150

STALIN, JosefW. STENDHAL, recte Beyle Henri STOffiER, Dr. Edrnund STRASSER, Gregor STRASSER, Otto

135, 253 36

!50 43,92

189,2!0,226 232

67,126,202 ll7, 170

ll7 STRAUSS, Dr. Franz Josef STREffiL, Dr. Max STRÖBELE, Hans-Christian STÜLPNAGEL, Heinrich von SUDHOLT, Dr. Gert SUTTNER, Bertha von

47, 125 68

!37 253

195, 240 47

TALLEYRAND-PERIGORD, Char1es Manrice, Herzog von 192 TEUFEL, Fritz THADDEN, Adolf von THATCHER, Margaret THOMA, Ludwig TITO, Josip Broz TRUMAN, Harry S. TUDOR, Comelius V.

ULBRICHT, Walter

VEDRINE, Hubert VERDI, Giuseppe VOGEL, Hans Jochen

WACKERNAGEL, Christoph WAGNER, Richard WEHNER, Herber! WEISS, Obersturmbarmfiihrer WEIZMANN, Chaim WESSEL, Helene WESSEL, Horst WESTERWELLE, Guido WILSON, Woodrow WIRSING, Gisether WIRTH, Josef

ZETKIN, Klara

124, 165 93f 68

233 23, 186

185 242

152

241 232

68

244 232 192 ll4 181 189

187,210 92

140,210,213,245 16, 180

189

ll7

255