Schmid - Chemie für Maschinenbau

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1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 1 2 1 H He 1,008 Ordnungszahl Metall 4,003 3 4 6 5 6 7 8 9 10 2 Li Be C Symbol Halbmetall B C N O F Ne 6,941 9,012 12,01 10,81 12,01 14,01 16 19 20,18 11 12 Atommasse Nichtmetall 13 14 15 16 17 18 3 Na Mg Al Si P S Cl Ar 22,99 24,31 26,98 28,09 30,97 32,07 35,45 39,95 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 4 K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr 39,1 40,08 44,96 47,88 50,94 52 54,94 55,85 58,93 58,69 63,55 65,39 69,72 72,61 74,96 78,96 79,9 83,8 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 5 Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe 85,47 87,62 88,91 91,22 92,91 95,94 96,91 101,1 102,9 106,4 107,9 112,4 114,6 116,7 121,6 127,6 126,9 131,3 55 56 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 72 6 Cs Ba Lu Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn 132,9 137,3 175 176,5 180,9 183,8 186,2 190,2 192,2 195,1 197 200,6 204,4 207,2 209 209 210 222 87 88 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 7 Fr Ra Lr Rf Db Sg Bh Hs Mt Uun Uuu Uub Uut Uuq Uup Uuh Uus Uuo 223 226 262,1 261,1 262,1 263,1 264,1 265,1 268 269 272 277 289 289 293 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 6 La Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb 136,9 140,1 140,9 144,2 146,9 150,4 152 157,3 158,9 162,5 164,9 167,3 168,9 173 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 7 Ac Th Pa U Np Pu Am Cm Bk Cf Es Fm Md No 227 232 231 236 237 244,1 243,1 247,1 247,1 251,1 252 257,1 258,1 259,1 Institut für angewandte Synthesechemie LVA-Nr.: 153.494 Chemie für Maschinenbau Univ.Prof.Dipl.-Ing. Dr.techn. Roland Schmid

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1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 181 2

1 H He1,008 Ordnungszahl Metall 4,003

3 4 6 5 6 7 8 9 10

2 Li Be C Symbol Halbmetall B C N O F Ne6,941 9,012 12,01 10,81 12,01 14,01 16 19 20,18

11 12 Atommasse Nichtmetall 13 14 15 16 17 18

3 Na Mg Al Si P S Cl Ar22,99 24,31 26,98 28,09 30,97 32,07 35,45 39,95

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36

4 K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr39,1 40,08 44,96 47,88 50,94 52 54,94 55,85 58,93 58,69 63,55 65,39 69,72 72,61 74,96 78,96 79,9 83,8

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54

5 Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe85,47 87,62 88,91 91,22 92,91 95,94 96,91 101,1 102,9 106,4 107,9 112,4 114,6 116,7 121,6 127,6 126,9 131,3

55 56 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 72

6 Cs Ba Lu Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn132,9 137,3 175 176,5 180,9 183,8 186,2 190,2 192,2 195,1 197 200,6 204,4 207,2 209 209 210 222

87 88 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118

7 Fr Ra Lr Rf Db Sg Bh Hs Mt Uun Uuu Uub Uut Uuq Uup Uuh Uus Uuo223 226 262,1 261,1 262,1 263,1 264,1 265,1 268 269 272 277 289 289 293

57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70

6 La Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb136,9 140,1 140,9 144,2 146,9 150,4 152 157,3 158,9 162,5 164,9 167,3 168,9 173

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102

7 Ac Th Pa U Np Pu Am Cm Bk Cf Es Fm Md No227 232 231 236 237 244,1 243,1 247,1 247,1 251,1 252 257,1 258,1 259,1

Institut für angewandte Synthesechemie

LVA-Nr.: 153.494

Chemie für Maschinenbau

Univ.Prof.Dipl.-Ing. Dr.techn.

Roland Schmid

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Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Aufbau der Materie 2

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Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Aufbau der Materie 3

1. Korrosion und Korrosionsschutz

1.1. Aufbau der Materie In diesem Kapitel

• Aufbau des Atoms • Möglichkeiten der Bindung von Atomen

1.1.1. Das Atom

Atom = Teilchen: Ladung: rel. Masse:

Atomkern +

Proton p Neutron n

positiv ⊕ neutral ∅

≈ 1 ≈ 1

Atomhülle Elektron e– negativ – ≈ 0

Jedes chemische Element ist durch eine bestimmte Zahl von Protonen im Kern gekennzeichnet, die man auch die Ordnungszahl nennt, z.B.: H : 1 p ; Fe : 26 p

In einem neutralen Atom ist die Zahl der Elektronen in der Hülle gleich der Protonenzahl. Unterscheiden sich die beiden Zahlen, ist das Atom ge-laden, es ist ein Ion. Positive Ionen nennt man Kationen, negative Anio-nen.

Valenzelektronen sind Elektronen in der äußersten Hülle. Sie werden oft durch Punkte symbolisiert, z.B.: H·. Chemische Reaktionen werden des-halb eingegangen, weil die Elemente das Bestreben haben, vollbesetzte Schalen, sogenannte Edelgaskonfiguration zu erreichen. Das kann auf drei Wegen geschehen, in anderen Worten in drei Arten von chemischen Bindungen.

Bauteile des Atoms

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Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Aufbau der Materie 4

1.1.2. Arten der chemischen Bindung

IonenbindungAtombindung

Chemische Bindungen

Metallischer Zustand

Die Elemente teilen sich gemeinsame Elektronenpaare, sodaß sie Edel-gaskonfiguration erhalten. Bindende Elektronenpaare werden mit Strichen symbolisiert, z.B.:

H H H H H⋅ + ⋅ → - = 2

Oder nehmen wir das Element Chlor. Es hat 7 Valenzelektronen, mit 8 hat es Edelgaskonfiguration. Daher:

: : : : :Cl Cl Cl Cl Cl Cl Cl⋅ ⋅

⋅ ⋅⋅ + ⋅

⋅ ⋅

⋅ ⋅→

⋅ ⋅

⋅ ⋅

⋅ ⋅

⋅ ⋅= − = 2

Deshalb kommen einige Elemente zweiatomig vor: H2, N2, O2 und die Halo-gene (F2, Cl2, Br2, I2). Die entstandene Bindung nennt man Atombindung oder kovalente Bindung. Dabei haben sich Atomorbitale zu Molekülorbita-len überlagert. (Orbitale nennt man die Aufenthaltsräume der Elektro-nen.)

Woraus resultiert die Bindungsenergie? Da Molekülorbitale größer sind als Atomorbitale, wird die kinetische Energie der Elektronen in der Atombin-dung reduziert. Das ist die Bindungsenergie. Die Elektronen können als dreidimensionale stehende Wellen angesehen werden, die zwischen den Atomkernen eingespannt sind wie das Trommelfell auf dem Rahmen einer Trommel. Atome streben ein opt imales Schwingungsmuster der Elektro-nenhüllen an.

Man kann zwei Arten der Atombindung unterscheiden: Bindungen zwi-schen gleichartigen Kernen wie die zuvor beschriebenen Fälle oder zwi-schen ungleichen Kernen. Im letzteren Fall kommt es wegen der unter-schiedlichen Kernkräfte zu einer Polarisierung der Elektronenhülle, und es entsteht ein Dipolmolekül. So trägt im Chlorwasserstoffmolekül Cl eine negative Partialladung und H eine positive:

In einem Dipolmolekül fällt der negative und der positive Ladungsschwer-punkt nicht zusammen. Das Dipolmoment ergibt sich aus der Partialladung und dem Abstand der Ladungsschwerpunkte. Die Tendenz eines Atoms in einer Atombindung die Elektronen an sich zu ziehen wird durch die Elektronegativität (EN) beschrieben. Für einige wichtige Elemente kann man folgende Reihung angeben:

F > O > Cl, N > C, S, H > Metalle

Je mehr sich die EN-Werte der verbundenen Elemente unterscheiden, desto größer ist das Dipolmoment, mit anderen Worten, umso polarer ist die Verbindung. So sind z.B. Verbindungen zwischen C und H, die soge-

Chemische Bindungen

Atom-bindung

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Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Aufbau der Materie 5

nannten Kohlenwasserstoffe, typisch unpolar (siehe Kapitel „Kohlenwas-serstoffe“, Seite 33).

Ist die Elektronegativität der verbundenen Elemente zu groß, kommt es zu einer Elektronenübertragung. Das ist eine weitere Möglichkeit, Edelgas-konfiguration zu erlangen. Betrachten wir die Verbindung zwischen Natri-um und Chlor. Na hat ein Valenzelektron, Cl hat sieben. Wird das eine Va-lenzelektron des Na auf das Cl übertragen, haben beide Atome Edelgaskon-figuration.

z.B.: [ ]{Na Na e

Ne

→ ++

− = Oxidation = Abgabe von Elektronen

[Ne] heißt Neonkonfiguration. Das Na+-Ion hat dieselbe Elektronenkonfiguration wie das Edelgas Neon.

[ ]{:Cl e Cl

Ar

⋅⋅ ⋅

⋅ ⋅+ →− −

… Chlorid = Reduktion = Aufnahme von Elektronen

Das Chloridion hat dieselbe Elektronenkonfiguration wie das Edelgas Ar-gon.

In Summe kann man dann schreiben:

Na Cl NaCl+ =12 2 = Redoxreaktion = Übertragung von

Elektronen

Es ist Natriumchlorid (Kochsalz) entstanden.

„Elektrostatische Bindung“:

Ein NaCl-Molekül gibt es nur in der Gasphase (bei sehr hohen Temperatu-ren), NaCl ordnet sich bei gewöhnlichen Bedingungen in einem Gitter an.

Ionen-beziehung

Kochsalz

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Koordinationszahl KZ = Anzahl der nächsten Nachbaratome (im Raum).

NaCl: KZ = 6 für Na+, KZ = 6 für Cl–.

Im Gitter hat jedes Na 6 Cl als Nachbarn, und umgekehrt.

Überlagern sich die Orbitale der Ionen im Gitter, spricht man von einem kovalenten Anteil.

Kovalente Bindung und Ionenbindung stellen zwei Extremfälle dar, meis-tens tritt eine Kombination beider auf (so besteht die Bindung z.B. in Fe2O3, wie in vielen anderen Metallverbindungen, aus kovalenten und ioni-schen Anteilen).

Eine dritte Möglichkeit, Edelgaskonfiguration zu erlangen, wird im metalli-schen Zustand realisiert. Dabei werden die Valenzelektronen abgegeben, die dann als „Elektronengas“ frei beweglich sind. Die Gitterpunkte in ei-nem metallischen Kristall bestehen aus positiven Metallrümpfen (Elektro-nengasmodell).

Es gibt 3 Bindungsarten:

I. Valenzelektronen lokalisiert

A. auf Gitterbausteinen ð Ionenbeziehung

B. zwischen den Gitterbausteinen ð kovalente Bindung

II. Valenzelektronen delokalisiert ð Metalle

1.1.3. Eigenschaften der chemischen Bindungen

Im Bild dieser drei chemischen Bindungen kann man viele unterschiedli-che Eigenschaften der Materie leicht verstehen. Betrachten wir die me-chanischen Eigenschaften. Bei einer mechanischen Verformung wird praktisch eine Gitterebene im Werkstoff relativ zu einer Nachbarebene verschoben.

Ein Ionenkristall ist spröde: Eine Verschiebung von Ladungsträgern im Io-nengitter bewirkt, daß gleichnamige Ladungen nebeneinander zu liegen

Metalli-scher Zu-

stand

Zusammen-fassung

Ionenkristall

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Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Aufbau der Materie 7

kommen, was einen Bruch des Werkstoffes bewirkt. Ionengitter sind des-halb nur wenig beanspruchbar.

In einem Atomgitter werden bei mechanischer Deformation Elektronen-paarbindungen zerstört, sodaß der Kristall in kleinere Einheiten geteilt wird. Z.B.: Im Diamant sind pro C-Atom 4 Elektronenpaare angeordnet, die sich maximal voneinander abstoßen und deshalb Tetraederform (mit dem Atomkern als Mittelpunkt) annehmen.

Die mechanische Beanspruchung eines kovalenten Kristalls führt zu ei-nem muscheligen Bruch.

In einem Metallgitter wird bei Verformung der Gitterzusammenhalt nicht verändert. Metalle sind daher plastisch ve rformbar und nicht spröde. Sie lassen sich ziehen, walzen, hämmern usw.

Atomgitter (Diamant)

Metallgitter (Elektro-nengas-modell)

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Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Grundlagen der Korrosion 8

Erze sind Metallverbindungen, sie kommen in der Natur vor als:

• Oxide,

• Sulfide,

• schwerlösliche Salze (Carbonate, Sulfate, Phosphate, Silikate).

Erz MetallReduktion

Oxidation

→←

Da Erze und nicht Metalle in der Natur vorkommen, sind Erze stabiler. Die Rückführung der Metalle in die Metallverbindung nennt man Korrosion: die Zerstörung (metallischer) Werkstoffe durch die Atmospherilien (= Um-gebung, z.B. O2 in Wasser). Durch Korrosion wird das Metall in Metallve r-bindungen übergeführt, wobei sich, wie wir gesehen haben, die mechani-schen, elektrischen, usw. Eigenschaften grundlegend ändern.

1.2. Grundlagen der Korrosion In diesem Kapitel

• Wasser und seine Polarität • Elektrochemische Spannungsrei-he

• Reihung der Metalle: e-del / unedel und nach ihrer Re-aktivität

• pH-Wert

Korrosion findet hauptsächlich durch die Anwesenheit von zwei wichtigen chemischen Grundstoffen statt, die beide spezifische Eigenschaften ha-ben: Wasser (H2O) und Sauerstoff (O2).

1.2.1. Wasser

Im Wasser sind in zwei kovalenten Bindungen zwei H-Atome mit einem O-Atom verbunden. Dadurch haben beide Elemente Edelgaskonfiguration er-reicht: O hat im Atom 6 Valenzelektronen und nun 8 (Neonkonfiguration), und H hat statt einem nun zwei Elektronen (Heliumkonfiguration). Folg-lich sind nun um das O-Atom nun 4 Elektronenpaare angeordnet, und zwar weisen sie in die Richtungen der vier Tetraederecken. Auf diese Weise stoßen sie einander maximal ab.

Auf Grund der unterschiedlichen Elektronegativität des O und H ist Was-ser polar. Deshalb gehen H2O-Moleküle untereinander Wechselwirkungen ein. Als Folge ist das „effektive Molekulargewicht“ des Wassers höher als der Formel H2O entspricht. Wasser ist eine assoziierte Flüssigkeit. Des-

Polarität

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Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Grundlagen der Korrosion 9

halb ist Wasser auch bei Raumtemperatur flüssig. Moleküle der Formel H2O ohne gegenseitige Wechselwirkung wären bei Raumtemperatur gas-förmig (Der Siedepunkt wäre bei etwa –80 °C). Z.B. ist H2S gasförmig, ob-wohl S schwerer ist als O: Da aber S auch größer als O ist und mehr E-lektronen vorhanden sind, die den Kern abschirmen, ist das Dipolmoment des H2S und damit die Assoziation zwischen den Molekülen geringer.

1.2.2. Hydration

Auf Grund der ausgeprägten Dipolnatur hat Wasser eine hohe Affinität zu Ionen. Den Prozeß des Einhüllens der Ionen mit Wasser nennt man Hydration oder Aquatisierung. Dabei entstehen neue chemische Verbin-dungen, sogenannte Aquo-Komplexe, z.B.:

Cu H O Cu OH22 2 6

2+ ++ 6 ( )→ … Hydrat

oder kürzer :

( )Cu aq Cu aq2 2+

+ +→ … aquatisiert (= „mit Badehose“)

Oft tritt die oktaedrische Konfiguration auf (bei Cu2+ ist der Oktaeder allerdings stark verzerrt).

as passiert nun, wenn man den Kupferstab ins Wasser taucht?

Makroskopisch tut sich nichts.

Mikroskopisch passiert folgendes: Ein Kupferion geht baden und läßt dabei zwei Elektronen im Kupferstab zurück (Kupfer ist gewöhnlich zweiwertig); dadurch wird der Stab negativ geladen. Ein zweites Kupferion, das baden gehen will, muß nun eine Potentialdifferenz (das Ion ist positiv geladen und müßte sich vom negativen Stab trennen) überwinden. In Summe stellt sich ein dynamisches Gleichgewicht

ein:

Cu-Ionen (im Cu-Stab) ⇔ Cu-Ionen (im Wasser)

Oktaedrische Konfiguration

Kupferstab in Wasser

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Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Grundlagen der Korrosion 10

Das „Badengehen“ kann man energetisch in drei Teilstufen zerlegen:

( ) ( )Cu Cus Atom→ Sublimation Sublimationsenergie wird aufge-

wendet

( )Cu Cu eAtom → + −2+ 2 Ionisierung Ionisationsenergie wird aufgewen-

det

( )Cu aq Cu aq2 2+ ++ → Hydration Hydrationsenergie wird frei

Bei der Sublimation werden aus dem kompakten Metall (s = solidus = fest) Metallatome freigesetzt. Im zweiten Prozeß wird dann aus dem Metallatom ein Ion gemacht, wobei die Ladungszahl (die hochgestellte Ziffer) von Me-tall zu Metall unterschiedlich ist. Da sich die Energiebilanz aller drei Teil-prozesse von Metall zu Metall unterscheidet, folgt, daß die Tendenz der Metalle in Lösung zu gehen („Lösungsdruck“) metallspezifisch ist: Edle Me-talle kommen bevorzugt in der metallischen Form vor. Unedle Metalle be-vorzugen die Verbindung mit anderen Elementen. Man kann eine Reihung nach der edlen „Natur“ durchführen, das geschieht in der Elektrochemi-schen Spannungsreihe.

1.2.3. Reihung edel / unedel

Halbelement = Metallstab in der Metallsalzlösung

Dabei ist die Konzentration des Metallsalzes wichtig. Diese wird in Form der Molarität = mol/l angegeben.

Einige naturwissenschaftlichen Grundkenntnisse:

Ein Mol ist jene Substanzmenge, die eine ganz bestimmte Zahl an Teil-chen enthält, nämlich die Avogadro Zahl, das sind 6,022 · 1023. Man erhält 1 mol, wenn man das Formelgewicht (Atomgewicht oder Molekulargewicht) in Gramm ausdrückt. Das Formelgewicht ist eine dimensionslose Zahl, die angibt, um wieviel schwerer ein Atom oder ein Molekül verglichen mit ei-nem Bezugspunkt. Als dieser Bezugspunkt wurde der zwölfte Teil der abso-luten Masse eines Kohlenstoffisotops mit der Massenzahl 12 (6 Protonen und 6 Neutronen im Kern), genannt C-12 gewählt.

„Baden ge-hen“

Halb-element

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Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Grundlagen der Korrosion 11

Sind also zwei Lösungen gleichmolar, heißt das, daß sie dieselbe Zahl von reagierenden Teilchen enthalten.

Werden die beiden Metallstäbe leitend miteinander verbunden, tut sich nichts. Erst wenn man einen „Stromschlüssel“ verwendet, kann ein che-mischer Prozeß ablaufen.

Der Stromschlüssel (hier: Kaliumsulfat K2SO4) enthält einen Elektrolyt (= Wasser + Salz = stromleitende Flüssigkeit), er schließt den Stromkreis. Die Stromleitung ist dabei an einen Massetransport gebunden, weil die Ladungen an Ionen gebunden sind. Man spricht von einem Stromleiter 2. Klasse.

Im Gegensatz dazu wandern in Metallen Elektronen, die praktisch masse-los sind. Man spricht von Stromleitern 1. Klasse.

Werden nach einiger Zeit die Elektroden gewogen, erhält man folgendes Ergebnis: der Kupferstab ist schwerer, der Zinkstab leichter geworden ist. Mit anderen Worten: Kupfer hat sich abgeschieden, Zink hat sich aufge-löst.

Versuch

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Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Grundlagen der Korrosion 12

Die Reaktion, die stattgefunden hat, läßt sich folgendermaßen beschrei-ben:

( )

( )

Cu e Cu

Zn Zn e

Cu Zn Cu Zn

aq

aq

2

2

2 2

2

2

+ -

+ -

+ +

+ Reduktion

+ Oxidation

+ +

Es sind somit Elektronen vom Zinkstab zum Kupferstab gewandert.

Ergebnis des Versuchs:

Kupfer ist edler als Zink, es kommt relativ zum Zink lieber im metalli-schen Zustand vor, Zink geht lieber baden.

Wird in der Verbindung der Elektroden ein Voltmeter eingefügt, so liegt am Voltmeter eine Spannung an, es findet jedoch keine chemische Reak-tion mehr statt, es tut sich nichts (da der elektrische Widerstand im Volt-meter gegen unendlich geht).

Bei gleicher Konzentration der Lösungen mißt man 1,10 Volt.

Elektrostatische Übereinkunft:

Elektronen fließen vom weniger positiven Pol zum positiveren Pol.

Daraus folgt: Cu-Stab = „+“ = Kathode

Zn-Stab = „–“ = Anode

Definition von Kathode und Anode: Die Bezeichnung richtet sich nicht nach der Ladung, sondern nach dem Stromfluß.

Kathode = Elektrode an der die Reduktion stattfindet.

Sie ist negativ in einer Zelle durch die Strom geschickt wird (Elektrolyse). Sie ist positiver Pol in einer Zelle die Strom liefert (spontaner Prozeß = Prozeß der von alleine abläuft).

Anode = Elektrode an der die Oxidation stattfindet.

In der Elektrolyse fließen Kationen (–) zur Kathode (+).

„Ein Metall ist anodisch“ heißt, daß es oxidiert wird.

Die auftretenden Potentiale müssen relativ zu einem Bezug gemessen werden. Man verwendet dazu die Wasserstoffelekt-rode.

Platin nimmt H2 im Metallgitter auf und ist selbst nicht reaktiv (Platin ist inert).

Das Potential eines Halbelements hängt von der Konzentration der Metallionen in der Lösung ab. Um Potentiale vergleichen zu können, muß man sich daher auf eine einheitliche Konzentra-tion beziehen. Das Standardpotential E0 bezieht sich auf 1 mo-lare Lösungen.

Reduktion Oxidation

Kathode

Anode

Wasser-stoff-

elektrode

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Die Umrechnung auf andere Konzentrationen geschieht mithilfe der Nernst’schen Gleichung.

[ ][ ]E E

R Tn F

OxRed

= +⋅⋅

0 ln

mit [Ox] Konzentration des Oxidationsmittels (nimmt die e– auf) in mol/l [Red] Konzentration des Reduktionsmittels (gibt die e– ab) in mol/l R Gaskonstante T absolute Temperatur n Zahl der übergehenden Elektronen (Molzahl) (z.B. ist für Cu2+ + 2 e– ↔ Cu n = 2) F Faraday-Konstante

[ ][ ]E E

nOxRed

= + ⋅

0 0,059

log für T = 298 K = 25 °C

Die elektrochemische Spannungsreihe ist eine Reihung von Reduktions- bzw. Oxidationsmitteln nach ihrer Stärke. Sie ist hauptsächlich von wis-senschaftlichem Interesse, für die Praxis ist sie wenig brauchbar, weil

• Konzentrationen sind 1 molar: für die Praxis zu hoch

• reine wässrige Lösungen, keine Verunreinigungen: in der Praxis sind immer Salze gelöst, Umgebung hat Effekt, …

• manche Metalle sind passivierbar, das heißt: sie überziehen sich mit einer Oxidhaut, die einen fest haftenden Isolator darstellt. z.B. Al, Cr, rostfreie Stähle (Cr-Fe, Cr-Mo-Fe, Cr-Ni-Fe, Cr-Ni-Mo-Fe). Rostfreie Stähle enthalten mindestens 12 % (Massenanteile) Cr. Ab diesem Gehalt wird die Passivierbarkeit des Cr auf die gesamte Legierung übertragen (Bil-dung von Fe5Cr).

Nernst’ sche Gleichung

Elektro-chemische

Spannungs-reihe

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Ein üblicher Bezugspunkt ist die Standardwasserstoffelektrode (SHE).

Standardelektrodenpotentiale gegen SHE1

Oxidations- bzw. Reduktionsmittel E0 [V]

( )Au eaq3+ + 3 − ↔ Au(s) +1,50

• saures Wasser ( ) ( )O H eg aq2 + 4 4+ −+ ↔ 2 H2O(l) +1,23

( )Ag eaq+ + − ↔ Ag(s) +0,80

FeO O. .2 (passiv) +0,60

Fe-Cr-Ni (passiv) +0,60

Al Al O- 2 3 (passiv) +0,60

• Wasser + Sauerstoff ( ) ( )O H O eg l2 22 4+ + − ↔ 4 OH– +0,40

Cu eaq( )2+ −+ 2 ↔ Cu(s) +0,34

• Wasserstoff 2 2H eaq( )+ −+ ↔ H2 (g) ±0,00

Sn eaq( )2+ −+ 2 ↔ Sn(s) -0,14

Ni eaq( )2+ −+ 2 ↔ Ni(s) –0,24

Fe eaq( )2+ −+ 2 ↔ Fe(s) –0,47

Cr eaq( )3+ −+ 3 ↔ Cr(s) –0,73

Zn eaq( )2+ −+ 2 ↔ Zn(s) –0,76

• ( )2 2H O el2 + − ↔ H2 (g) + 2 OH– –0,83

Al eaq( )3 + −+ 3 ↔ Al(s) –1,66

( )Mg eaq2+ −+ 2 ↔ Mg(s) –2,37

Na eaq( )+ −+ ↔ Na(s) –2,71

Li eaq( )+ −+ ↔ Li(s) –3,04

→←

ReduktionOxidation

• = in der Praxis wichtige korrosive Agentien (= Mittel) = Oxidationsmittel (s) … solidus = fest (l) … liquidus = flüssig (g) … gasförmig

„Je positiver das Potential, umso stärker oxidierend ist die oxidierte Form.“

1 Standard Hydrogen Elektrode

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Je positiver das Potential, desto edler ist der Werkstoff und desto stabiler.

Von allen Metallen in obiger Reihe bevorzugt daher am ehesten das Gold die metallische Form. Mit anderen Worten, Au aq( )

3+ ist ein gutes Oxidati-

onsmittel.

Alle Werkstoffe unterhalb H2O lösen sich in H2O, weil Wasser elektroche-misch positiver ist.

In Säuren, z.B. ausgelaufener Akku findet ein anderer Prozeß statt, es bi l-det sich Wasserstoff:

2 H+ + 2 e– → H2

• Kupfersulfatlösung (blau) + Zinkstab: CuSO Zn Cu ZnSO4 (blau)+ + (farblos)4→

( ) ( )Cu Zn Cu Znaq aq2 2+ ++ +→

aus der Spannungsreihe erkennt man, daß Cu edler als Zn ist ð Cu möchte metallisch sein, Zn geht baden ð „Zementation“

• Silbernitratlösung + Cu-Draht: Cu AgNO- Draht + 3

( ) ( )Cu Ag Cu Agaq aq+ 2 + 2 + → +2

Wie oben, aber diesmal geht Cu baden. Die Lösung verändert sich von farblos auf blau (Zeichen dafür, daß Cu2+ gelöst ist).

• Al + H2O: Al geht nicht in Lösung obwohl es unedler als H2O ist, weil Al passiviert ist. Man kann jedoch folgendes versuchen: Al + NaOH (Natronlauge) Die Aluminiumoxidhaut löst sich in der Natronlauge auf und nun kann das Al mit Wasser (sogar sehr heftig) reagieren:

( ) ( )Al H O Al OH Haq g+ → + ++ −3 3 322

32

• Cu + HNO3 (Salpetersäure): Cu löst sich dabei in konzentrierter HNO3 besser als in verdünnter (Nernst’sche Gleichung !).

• Fe + HNO3: Fe löst sich in verdünnter HNO3 besser als in konzentrierter Salpeter-säure, weil in HNO3 (konz) das Fe von einer Schutzschicht überzogen wird, die aber in verdünnter HNO3 löslich ist. Fe ist jetzt aber nicht passi-viert, denn Passivierung kann nur durch Oxide erfolgen (O2 aus der Luft). Die O-xidhaut wird dabei an der Luft nachgebi ldet. Im obigen Fall entsteht diese Schutzschicht durch HNO3, das ständig zugeführt werden müßte, um die Schutzschicht zu erhalten.

Experi-mente zur

Span-nungsreihe

Page 16: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Grundlagen der Korrosion 16

1.2.4. Die Reihung der Metalle nach ihrer Reaktivität

LithiumKaliumBariumStrontiumKalziumNatriumMagnesiumBerylliumAluminiumManganZinkChromEisenCadmiumKobaltNickelZinnBleiWasserstoffAntimonWismuthArsenKupferQuecksilberSilberPlatinGold

Treten niemalsungebunden auf

Selten frei in derNatur gefunden

Häufig frei in derNatur gefunden

Setzt Wasserstoff vonkaltem Wasser frei

Setzt Wasserstoff desDampfes frei

Keine Reaktionmit Wasser

Setzt Wasserstoffvon Säuren frei

Setzt Wasserstoffvon Säuren nicht frei

1.2.5. Der pH-Wert2

( ) ( )H O H O H O OHaq aq2 2 3+ + + -↔

Man schreibt einfachheitshalber statt H O aq3 ( )+ nur H+. Das Produkt der Kon-

zentrationen von H+ und OH– ist gleich [H+] · [OH–] = 10–14, dem Ionenpro-dukt.

Für neutrales Wasser gilt, daß die Konzentration von H+ gleich der Konzentration von OH– sein muß: [H+] = [OH–] ⇒ [H+] = 10–7.

Der pH-Wert ist nun definiert als der negative dekadische Logarithmus der Konzentration der Protonen:

pH = –log [H+]

sauer: pH < 7

neutral: pH = 7

basisch: pH > 7

Je stärker die Säure, umso kleiner ist der pH-Wert.

2 pH steht für „pondus Hydrogenii“.

Page 17: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Triebkraft für die Korrosion 17

Da das Ionenprodukt des Wassers so klein ist, reagieren Säure (enthält H+) und Base (enthält OH–) praktisch vollständig miteinander (bis [H+] · [OH–] = 10–14). Diesen Prozeß nennt man Neutralisation.

z.B. Natronlauge (Base) + Salzsäure:

( ) ( )

NaOH HCl H O NaCl

Na OH H Cl H O Na Claq aq

+ → +

+ + + → + +

+ − + − + −

2

22 2 … Wasserbildung

1.3. Triebkraft für die Korrosion In diesem Kapitel

• Makroelement = Lokalelement • Korrosion von Eisen

• Sauerstoffkonzentrationselement • Korngrenzenkorrosion

• Chemische – elektrochemische Korrosion

• Passivierung

Arten der Korrosion

elektrochemisch • Anwesenheit von

Wasser • Stromfluss

chemisch • ohne Wasser • ohne Stromfluss

biochemisch • Mikroorganismen im

Boden und Wasser

Korrosion

Page 18: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Triebkraft für die Korrosion 18

1.3.1.Makroelement = Lokalelement

Makroelement (= Lokalelement): zwei leitend miteinander verbundene verschiedene Metalle im Wasser.

Oxidation: ( )Zn Zn eaq→ ++ −2 2

Reduktion: 12 2 2O H O e OH2 2+ + →− −

( )Zn OH Zn OHaq( )2

2+ −+ →2

Das unedlere Metall (im Beispiel das Zink Zn) wird durch das edlere (hier Kupfer Cu) „aktiviert“, d.h., das Auflösen des Zn geht in Anwesenheit des Cu schneller vonstatten als ohne Anwesenheit eines edleren Metalls. Das Zn wird durch das Cu anodisch. Reduktion und Oxidation sind lokal von-einander getrennt, mit anderen Worten, es hat sich ein kathodischer und anodischer Bezirk gebildet. Der Stromkreis wird durch Diffusion der Ionen in der Lösung geschlossen. Dadurch, daß sich die Kationen (Zn2+) mit den Anionen (OH–) vermischen, kann sich der Prozeß der Metallauflösung wei-ter fortsetzen. Die Flüssigkeit wirkt also wie ein Stromschlüssel.

Würde man den Anodenraum vom Kathodenraum trennen, so käme die Reaktion zum Stillstand.

Ergebnis: Verschieden edle Metalle sollen nicht leitend miteinander verbunden. Es würde sich ein Lokalelement ausbilden, z.B. Cu/Fe:

Das Eisen löst sich nicht großflächig auf, sondern frißt sich an manchen Stellen (a-nodischer Bereich) in die Tiefe. Die Löcher heißen pits (= pittings). Der Rost bildet sich an den Phasengrenzen zum edleren Metall (Kathode).

Die Rostbildung selbst ist ein komplizierter Vorgang, der wie folgt in 2 Stufen unter-

teilt werden kann:

Anode: ( ) ( )Fe Fe es aq→ + ⋅+ −2 2 2

Kathode: ( )O H O e OHl2 2+ + →− −2 4 4

( )2 2 2(II)Hydroxid

Fe O H O Fe OHs

Fe

( ) + + →2 2 21 24 34

Makro-element = Lokalelement

Makro-element = Lokalelement

Korrosion von Eisen

(Fe)

Page 19: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Triebkraft für die Korrosion 19

Diese Gleichungen beschreiben die elektrochemische Korrosion (verbun-den mit Stromfluß) des Eisens. Fe(II)hydroxid (die römische Ziffer zeigt die Wertigkeit an) ist in den meisten Fällen noch nicht das Endprodukt der Korrosion, es können viele verschiedene Formen eines Eisenoxids entste-hen, z.B.:

1 a) ( ) ( )6 2 4grünes Magnetithydrat

Fe OH O Fe O H O H Og2 2 3 4 2 2+ → ⋅ +1 244 344 und daraus

1 b) ( )Fe O H O H O Fe O s3 4 2 2 3 4⋅ → +

schwarzer Magnetit1 24 34

oder

2) ( ) ( )4 2 2rotbraun

Fe OH O H O Fe O H Og2 2 2 2 3 2+ → + ⋅1 244 344 im O2-Überschuß.

Dabei ist der Übergang von metallischem Eisen zum Eisenoxid ( Fe Fe0 2→ + ) — die eigentliche Korrosion — ein elektrochemischer, die Umwandlung von Fe Fe2 3+ +→ ein rein chemischer Prozeß.

Daß Anoden- und Kathodenräume von einander getrennt sind, kann durch folgendes Experiment schön gezeigt werden.

An der Anode bildet sich Eisen(II), an der Kathode Hydroxid. Beide Ionen kann man durch Farbreaktionen sichtbar machen

{ ( ) ( )Fe Fe CN Fe Fe CN26

3

6+ − −

+ → ⋅farblos

Berlinerbl au1 244 344

OH– + Phenophthalein → rot

Somit sollte sich ein anodischer Bezirk blau, und ein kathodischer Bezirk rot färben. Ein Gegenstand aus Stahl, z.B. ein Nagel, wird nun in ein Agar-Agar-Gel (Agar-Agar ist ein gelbildender Extrakt aus bestimmten Seetan-gen) eingebettet, in dem sowohl Kaliumhexacyanoferrat(III) (K3Fe(CN)6) und Phenolphthalein aufgelöst worden sind:

Dieser Versuch zeigt, daß sich das Metall dort auflöst, wo es unter einer mechanischen Spannung steht, also an jenen Stellen, an denen es ve r-formt wurde (blaue Bereiche). Das OH– entsteht dort, wo die Spannungen geringer sind (roter Bereich). Aus diesem Experiment sieht man, daß (a) es bei der Korrosion immer anodische und kathodische Bereiche gibt und (b) mechanische Verformungen des Metalls die Korrosion begünstigen.

Nagelex-periment

Page 20: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Triebkraft für die Korrosion 20

1.3.2. Sauerstoff-Konzentrationselement

O2-Gehalt der Luft und des Wassers ist unterschiedlich:

Luft enthält 21 Vol-% O2. Da 1 mol Gas bei Normalbedingungen ein Volumen von 22,41 Liter einnimmt, ergibt sich eine Kon-zentration von 8 · 10–3 mol O2 pro Liter Luft.

O2-Gehalt von mit Luft gesättigtem Wasser: Die Löslichkeit von Gasen im Wasser ist allgemein schlecht, da das Gas in der Flüssigkeit eingesperrt wird; diese Freiheitsberaubung ist entropisch ungünstig. Als Ergebnis sind nur 3 · 10–4 mol O2 in 1 Liter Wasser gelöst. Daraus resultiert ein Konzentrationsgefälle des O2 am Rand des Wasser-tropfens um einen Faktor von etwa 27! (In der Luft ist ca. 27 mal mehr O2 als im Wasser.) Damit entsteht an der Oberfläche zwischen der Luft und dem Wassertropfen eine Potentialdifferenz (Nernst’schen Gleichung). Da-her rostet nur teilweise mit Wasser bedecktes Eisen schneller als Eisen unter Wasser.

Weitere Beispiele für O2-Konzentrationselemente, also unterschiedliche Schichten, die eine Potentialdifferenz erzeugen:

• Algen (z.B. Schiffsrumpf);

• Schmutz (= Kathode), freie Fläche dazwischen (= Anode);

• Rost (bindet Feuchtigkeit = H2O) ⇒ Rost fördert Rosten;

• beschädigter Lack: Da der Lack relativ schlecht auf dem Metall haftet, bilden sich rund um die Beschädigung der Lackschicht Spalten zwischen dem Lack und dem Eisen. Hier ist aber der anodi-sche Bereich (dort, wo weniger O2 ist), weshalb das Eisen unter dem Lack aufgelöst wird, während es an der eigentli-chen Fehlstelle als Rost abgelagert wird.

• Nagel in feuchtem Holz: Der Nagel wird im Holz aufgelöst und nicht dort, wo sich der Rost abla-gert.

Ist der anodische Bezirk klein, so geht die Korrosion in die Tiefe = „Lochfraß“. Dieses Phänomen tritt bei Fehlern in der Schutzschicht (z.B. Lackschicht) von Metallen auf. Oder bei passivierten Metallen, wenn die nachgebildete Schutzschicht inhomogen ist.

Wasser-tropfen auf Fe

Beispiele

Lochfraß

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Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Triebkraft für die Korrosion 21

1.3.3. Elektrochemische und chemische Korrosion

Die elektrochemische Korrosion findet im Beisein von Wasser statt. Merkmal ist das Auftreten eines Stromflusses: Elektronen im Metall und Ionen in der Lösung.

Die chemische Korrosion findet im Gegensatz dazu ohne Wasser und Stromfluß statt. Sie ist kann also als eine rein chemische Reaktion be-trachtet werden. Sie findet besonders bei hohen Temperaturen statt (= „Verzunderung“).

Auch bei Raumtemperatur findet immer chemische Korrosion statt. In Ab-wesenheit von H2O rostet das Eisen allerdings sehr langsam, Wasser be-günstigt die Korrosion. Deshalb ist die elektrochemische Korrosion gegen-über der rein chemischen bevorzugt. Bei Raumtemperatur tritt immer wieder Wasser in Form von Kondenswasser auf (z.B. Wassertank; Auspuff beim KFZ rostet schneller im Kurzzeitbetrieb, da dabei der Auspuff nie richtig heiß wird und sich folgedessen Kondenswasser abscheidet).

Elektrochemische Interpretation der chemischen Korrosion: Die FexOy-Schicht schützt das Fe nicht vor Korrosion, obwohl die Schicht fest ist und fest haftet.

Als erstes bildet sich an der Oberfläche des Metalls eine Oxidschicht. Die zwei Phasen-grenzen zwischen Metall und Oxidschicht sowie zwischen Oxidschicht und der umge-benden Luft bewirken eine Potentialdiffe-renz zwischen den beiden Oberflächen der Oxidschicht. Dieses Potential treibt die Fe2+- und die O2–-Ionen, durch die Oxid-schicht zu wandern (diffundieren), wenn sie können. Das hängt nun davon ab, ob die

Oxidschicht ein Isolator ist. Die Diffusion setzt einen der folgenden be i-den Punkte voraus:

(a) Fehlstellen in dem Metalloxidgitter oder

(b) die Zwischengitterplätze des Metalloxids sind besetzbar.

Durch die FexOy-Schicht können sowohl Fe2+-Ionen nach außen wandern (die Oxidschicht wächst dann nach außen) als auch die O2–-Ionen nach innen diffundieren (die Oxidschicht wächst in diesem Fall nach innen).

Elektrochemi-sche Korrosi-on

Chemische Korrosion

Primär-reaktion:

Bildung der FexOy-Schicht

Page 22: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Triebkraft für die Korrosion 22

Metalle haben einen negativen Temperatur-Koeffizient (NTC). Das bedeu-tet, daß sie bei niedriger Temperatur eine bessere Leitfähigkeit bzw. einen geringeren elektrischen Widerstand aufweisen.

Diese Tatsache wird oft folgendermaßen erklärt: Der Stromfluß kommt in Metallen durch die Bewegung der Elektronen zustande, die ja in Form des Elektronengases im Metall frei beweglich sind. Wird die Temperatur des Metalls erhöht, so schwingen die positiven Metallrümpfe heftiger um ihre Ruhelage (die Wärme ist ein Maß für die kinetische Energie eines Teil-chens). Daher stoßen die Elektronen häufiger an einen Atomkern, ihre Bewegung wird behindert, der Widerstand steigt.

Halbleiter besitzen einen positiven Temperatur-Koeffizient (PTC). Sie leiten umso besser, je wärmer sie sind. In Halbleitern sind die Elektronen lokali-siert, aber nicht fest gebunden. Sie können mit einem bestimmten Ener-gieaufwand losgerissen werden, der umso kleiner ist, je höher die Tempe-ratur ist.

Die Oxidschicht verhält sich ähnlich wie ein Halbleiter. Bei tiefen Tempe-raturen ist die Ionenleitfähigkeit – relativ zum Wandern der Ionen im Wasser – im festen Oxid-Fe-Gitter stark behindert. Daher findet bei nied-rigen Temperaturen die elektrochemische Korrosion bevorzugt statt.

Die Möglichkeit der Passivierung eines Metalls hängt also davon ab, wel-che Eigenschaften die Passivschicht hat. Für eine gute Schutzwirkung muß sie folgende Eigenschaften erfüllen:

• Die Schicht muß festhaftend sein.

• Die Schicht muß ein Isolator sein.

• Die Schicht muß gewährleisten, daß die Ionen nicht durch das Gitter diffundieren können, was konkret bedeutet: ♦ wenige Fehlstellen im Gitter; ♦ Zwischengitterplätze nicht aktivierbar.

1.3.4. Korngrenzenkorrosion

1. Submikroskopische (= atomare) Betrachtungsweise:

Die positven Metallrümpfe haben ihre Außenelektronen abgegeben, die als Elektronengas frei beweglich sind (siehe Kapitel „Metallischer Zustand“, Seite 6).

2. Mikroskopische Betrachtungsweise:

Unter dem Mikroskop lassen sich an einer Schnittfläche durch ein Metall Körner und Korngrenzen erkennen. Diese entstehen beim Abkühlen der Metallschmelze: Die flüssige Schmelze erstarrt, indem sich um Kristalli-sationskeime Kristallkörner bilden, die bis sie zum Zusammenstoß wach-sen. Deshalb ist erstarrtes Metall inhomogen. Die Korngrenzen stellen Phasengrenzen dar, welche die Ursache für die sogenannte interkristalli-ne Korrosion (= Korrosion entlang der Korngrenzen) sind. Bei Korrosion,

Leitfähig-keit

Passivie-rung

Metall-aufbau

Page 23: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Triebkraft für die Korrosion 23

die quer durch die Körner fortschreitet spricht man von transkristalliner Korrosion.

Wenn ein Metall gebogen (plastische Verformung) wird, so reiben diese Körner aneinander. Das kann man hören, besonders deutlich bei Zinn („Zinngeschrei“). Biegt man das Metall öfters hin und her, so reiben sich die Körner ab, bis das Metall entlang der Korngrenzen bricht.

Daher (und der besseren mechanischen Eigenschaften wegen) wünscht man sich ein Metall, das nur aus einem Korn besteht, also keine Korn-grenzen hat.

Eigenschaf-ten

Metall Glas3 metallisches Glas4

mechanisch • duktil (= ver-formbar): kalt und warm

• geringe Festig-keit und Härte (wegen Korn-grenzen)

• spröde

• große Festigkeit und Härte

• duktil

• große Festigkeit und Härte, da keine Korngren-zen vorhanden sind ⇒ homogen

elektrisch • hohe Leitfähig-keit

• NTC (wegen der Wanderung der Elektronen durch die Korn-grenzen)

• Isolator (alle Valenzelektro-nen sind fixiert)

• hohe Leitfähig-keit

• keine oder ge-ringe Abhängig-keit der Leitfä-higkeit von der Temperatur, weist eher ei-nen leicht PTC auf

chemisch • geringe Korrosi-ons-beständigkeit

• resistent (ist be-reits in energe-tisch günstigem Zustand; es be-steht ja aus Me-talloxiden)

• gute Korrosions-beständigkeit

3 Glas besteht aus Si, O, Na, Ca, … und wird durch kovalente und ionische Bi ndung zusammengehalten.

4 Metallisches Glas erhält man, indem man die Schmelze so schnell abkühlt, dass sie nicht auskristallisieren kann (= unterkühlte Schmelze).

Metallisches Glas

Page 24: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Triebkraft für die Korrosion 24

a) konventionelle polykristalline Turbi-nenschaufel: Mit der polykristallinen Turbinen-schaufel hat man viele Probleme, da sie sich bei schneller Rotation der Turbine ve rformt. Das Material kriecht, bis es bricht. Außerdem ist es nicht sehr korrosionsbeständig.

b) gerichtet gewachsene polykri-stalline Turbinenschaufel:

Die Schaufel wird so einge-setzt, daß die Korngrenzen in die Haupt lastrichtung gehen. Da diese Schaufel keine Korngrenzen senkrecht zur Hauptlastrichtung aufweist, hat sie viel bessere (mechani-sche) Eigenschaften.

Bsp.: Turbi-nenschaufel

Page 25: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Triebkraft für die Korrosion 25

c) Einkristall: Die Anordnung ist genau so aufgebaut, daß nur ein einziges Korn durch die Röhre in die Kokille wachsen kann. Daraus ergeben sich sowohl große Verbesserungen der mechanischen als auch Eigenschaften be-züglich der Korrosionsbeständigkeit.

3. Makroskopische Betrachtungsweise:

So wie man Metall aus der Anschauung kennt: metallisch glänzend, glatt, guter Wärmeleiter.

1.3.5. Zusammenfassung

Warum findet Korrosion statt?

1. O2,

2. H2O,

3. Korngrenzen.

Page 26: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Salze und Korrosion 26

1.4. Salze und Korrosion In diesem Kapitel

• Löslichkeit und Lösen von Salzen • Wirkung der Salze

1.4.1. Allgemeines

Salze bestehen aus Ionen, deren Bezeichnung von den Säuren abgeleitet wird, von denen sie stammen.

Übliche Ionenladungen sind für Kationen: +1 … +3 (z.B. Na+, Fe3+) Anionen: –1 … –4 (z.B. Cl–)

Überblick über die wichtigsten Salze und deren Säuren:

Säure Salz

H2SO4 Schwefelsäure SO42- Sulfat

HSO4- Hydrogensulfat

H2CO3 Kohlensäure CO32- Carbonat

HCO3- Hydrogencarbonat

H3PO4 Phosphorsäure PO43- Phosphat

HPO42- Hydrogenphosphat

H PO2 4- Dihydrogenphophat

H4SiO4 Kieselsäure SiO44 - Silikat

HCl Salzsäure Cl– Chlorid

In der Verbindung müssen die Ladungen ausgeglichen sein. Man erhält z.B. aus Ca2+ und Cl– als Verbindung CaCl2 (Kalzium + Chlorid = Kalzium-chlorid). Oder z.B. aus Ca2+ und PO4

3- als Verbindung Ca3(PO4)2 (Kalzium-phosphat).

Page 27: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Salze und Korrosion 27

1.4.2. Löslichkeit von Salzen

Die Gitterenergie ∆U ist jene Energie, die notwendig ist, um die Ionen in einem Kristallverband vollständig zu trennen (Mathematisch ausgedrückt: um die Ionen in unendliche Entfernung voneinander zu bringen, um alle Kräfte zwischen ihnen aufzuheben).

Beim Lösen von Salzen finden zwei Prozesse statt: Das Aufspalten des Kristallgitters und das Hydratisieren der Ionen in Wasser.

a) Kristall ∆U → Einzelionen … endotherm = Prozeß, der Ener-gie benötigt (∆U > 0)

b) Einzelionen + H2O ∆Hhydr → Ionenhydr … exotherm = Prozeß, der Energie freisetzt (∆Hhydr < 0)

Als Lösungswärme ∆Hsol (sol für solution = Lösung) bezeichnet man die Summe ∆U + ∆Hhydr.

Die Löseentropie ∆Ssol ist die Summe der Entropiedifferenzen der Teilpro-zesse a und b: ∆Sa + ∆Sb.

Es gilt weiters: ∆Gsol = ∆Hsol – T ∆Ssol

mit ∆Gsol … freie Energie ∆Hsol … Reaktionswärme = Enthalpie T … absolute Temperatur ∆Ssol … Reaktionsentropie

Im Prozeß a ist ∆Sa > 0, das bedeutet einen Gewinn an Bewegungsfreiheit. Im Gitter sind die Ionen fest gebunden; gasförmig haben sie die Bewe-gungsmöglichkeiten der Translation, Rotation und Schwingung.

Im Prozeß b ist ∆Sb < 0, das bedeutet, daß das Wasser gebunden wird, es verliert Bewegungsfreiheit.

Eine chemische Reaktion findet statt, wenn die freie Energie kleiner wird (∆G < 0).

Es bestehen dazu 2 Möglichkeiten: 1) es wird warm oder

2) es wird Freiheit gewonnen.

Lösen von Salzen

Page 28: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Salze und Korrosion 28

1.4.3. Lösen von Salzen

Salz ∆Hsol [kJ/mol] 298 ⋅ ∆Ssol [kJ/mol]

∆Gsol [kJ/mol]

CaCl2 –81,3 –13,3 –68,0

NaCl +3,8 +12,9 –9,1

Ca(HPO4) –20,6 –59,0 +38,4

CaCO3 –13,0 –60,5 +47,5

Ca3(PO4)2 (Apatit) –62,4 –250,0 +187,5

Aus der Tabelle erkennt man: schwerlösliche Salze haben hohe Ionenla-dungen. Es sind dies jene Salze, die eben aufgrund ihrer schweren Lös-lichkeit in der Natur vorkommen (Phosphate, Silikate, Karbonate, …). Die Schwerlöslichkeit kommt zustande, weil die hoch geladenen Ionen in Was-ser stark hydratisiert würden. Dies ist entropisch ungünstig, weil Was-sermoleküle fest gebunden würden (Wasser wird „eingefroren“) und damit ihre Bewegungsfreiheit verlieren.

Die Löslichkeit kann verbessert werden, indem die Ladung verringert wird. Z.B.:

CaCO3 + CO2 + H2O → Ca(HCO3)2 , welches leichter löslich ist, da das zwei-fach negativ geladene Carbonat durch das einfach negativ geladene Hydro-gencarbonat ersetzt wurde.

1.4.4. Wirkung der Salze

Die Salze lassen sich aufgrund ihrer verschiedenen Wirkung in folgende 3 Klassen unterteilen:

• Nichtschichtbildner,

• Schichtbildner,

• Schichtzerstörer.

Beim Makroelement (siehe Kapitel „Makroelement = Lokalelement“, Seite 19) kommt es zu Diffusion, die durch Elektrolyte (Salze) verbessert wird. Das heißt, daß Salze im Wasser die Korrosion begünstigen, sofern sie nicht zur Gruppe der Schichtbildner gehören.

Sind im Wasser Ionen mit hoher Ladung, so bilden sie eine Schutzschicht, die im Wasser nicht löslich ist. Ionen mit hoher Ladung werden deshalb als Schutzschichtbildner bezeichnet.

Diese Eigenschaft wird z.B. zum Phosphatieren von Blechen verwendet (Bildung von Eisenphosphat FePO4 bestehend aus Fe3+ und PO4

3− .

Nicht-schicht-bildner

Schicht-bildner

Page 29: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Korrosionsprüfung 29

Chlorid Cl– zerstört Schutzschichten, man spricht auch von Chloridkorrosion (Loch-fraß).

Grund: Das Chloridion ist so klein und hat eine große Affinität zu Metallionen, daß es sich in die Schutzschicht einlagert. Da-durch wird die Schutzschicht inhomogen. So kommt es zu Potentialdifferenzen an der Oberfläche, was die Korrosion begünstigt.

Ein Komplex besteht aus Teilen, die auch alleine stabil sind.

z.B. Metall-Komplex: {Fe OHZentral Ion Liganden−

+( )2 63

124 34

Fe H O Fe OH

Fe OH Cl FeCl H O

32 2 6

3

2 63

4 2

+ +

+ − −

+ →

+ ↔ +

6

4 6

( )

( )

Cl– (Vorkommen im Streusalz, Meerwasser, ...) ist also ein Komplexbildner.

1.5. Korrosionsprüfung In diesem Kapitel

• Hinweise auf Korrosion

1.5.1. Chemische Korrosion

(z.B.: Verzunderung)

Die Prüfung kann aufgrund der Ge-wichtszunahme ∆A einer Probe pro Fläche F durchgeführt werden.

1.5.2. Elektrochemische Korrosion

Die elektrochemische Korrosion in Wasser kann nicht durch Messung der Gewichtsänderung der Probe ermittelt werden, da die Korrosionsprodukte in Wasser löslich oder unlöslich sein können. Daher müssen kompliziertere Verfahren angewandt werden, das Aufnehmen von sogenannten Aufnehmen von sogenannten „Strom-Spannungskurven“. Ein Stromfluß zeigt Korrosion an.

Schicht-zerstörer

Atom, Ion

Radius [A,°=10-10 m]

Al 1,26

Al3+ 0,83

O2– 1,32

Cl– 0,99

Fe2+ 0,83

Fe3+ 0,67

Page 30: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Korrosion und KorrosionsschutzErscheinungsformen der Korrosion 30

1.6. Erscheinungsformen der Korrosion In diesem Kapitel

• Auflistung möglicher Erscheinungsformen der Korrosion

1.6.1. Ebenmäßige Korrosion (ebenmäßiger Metallabtrag)

Diese Form der Korrosion findet man bei nicht-passivierbarem Metall.

1.6.2. Narben-, Lochfraß

Die Korrosion durch Lochfraß tritt auf, wenn edle Schutzschichten partiell zerstört werden oder wenn bei einem passivierten Metall die Nachbildung der Schutzschicht nicht homogen erfolgt. Ein spezieller Fall ist die Chlo-rid-Korrosion. Z.B. Edelstahl ist nicht seewasserfest (siehe Kapitel „Sauerstoff-Konzentrationselement“, Seite 21).

1.6.3. Spaltkorrosion

Die Spaltkorrosion tritt vor allem an Nieten und Laschenverbindungen auf. Die Korrosion wird durch ein Gefälle in der Konzentration von im Wasser gelösten Stoffen, die die Korrosion beeinflussen, bewirkt (z.B. kein O2 im Spalt, Salze, …; siehe Kapitel „Sauerstoff-Konzentrationselement“, Seite 21). Z.B. verliert Edelstahl in Spalten seine Passivität, da keine Luft an seine Oberfläche kommt.

1.6.4. Kontaktkorrosion = „Lokalelementbildung“

Wenn verschieden edle Metalle elektrisch leitend miteinander verbunden sind, bezeichnet man diese Konfiguration als Lokal- oder Makroelement (siehe Kapitel „Makroelement = Lokalelement“, Seite 19). Z.B.: Stahl an Lötstellen, Schraubverbindungen (Al-Blech + Stahlschrauben, Cu + Stahl, Messing + Stahl). Allerdings lassen sich Schrauben aus Edelstahl und Al-Blech gefahrlos verbinden, da die Oxidschicht der beiden Metalle das glei-che Potential von 0,6 Volt haben (siehe Kapitel „Elektrochemische Span-nungsreihe“, Seite 14).

1.6.5. Spannungsrißkorrosion und Schwingungsrißkorrosion

Diese beiden Korrosionsformen sind auf Materialermüdung gepaart mit einer Korrosion zurückzuführen.

Ihre Begründung fundiert im Metallaufbau, das sich aus Körnern zusam-mensetzt. Die Bindung an den Korngrenzen ist schlechter als im Kristall, weshalb eine Ermüdung des Korngefüges eintreten kann; die Korrosion findet an den Korngrenzen statt.

Als Hinweis für den praktischen Korrosionsschutz folgt, daß Spannungen möglichst vermieden werden sollen. So sind bei einer Schraubverbindung immer Spannungen vorhanden. Bei Schweißverbindungen hingegen lassen

Page 31: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Korrosion und KorrosionsschutzErscheinungsformen der Korrosion 31

sich Spannungen durch Nachbehandlung verringern (Entspannungsglü-hen).

Bei der Schwingungsrißkorrosion kommt noch hinzu, daß die Schutz-schichtbildung durch andauernde Zerstörung derselben gestört ist. Ein Dünnschliff im Mikroskop zeigt, daß Schwingungsrisse durch die Kristall-körner durchlaufen, es findet also eine transkristalline Korrosion statt (siehe Kapitel „Korngrenzenkorrosion“, Seite 24).

1.6.6. Kavitation

Wie schon im Punkt „Spannungsrißkorrosion und Schwingungsrißkorrosi-on“ geht auch hier der Korrosion eine mechanische Beanspruchung vor-aus.

Kavitation: In Turbinen, Pumpen, etc. können sich an den Schaufelblättern in den Sog-Gebieten ört-lich begrenzte Vakua in Form von Dampfblasen ausbilden. Steigt der Druck im umgebenden Medi-um leicht an, so kondensiert die Dampfblase schlagartig, die folgende Druckspitze zerstört das Metall.

Die Kavitation zerstört somit nicht nur die Schutzschichten, sondern schafft auch eine inhomogene Metalloberfläche, was wiederum die Korro-sion begünstigt.

1.6.7. Reibkorrosion

Durch Reibung wird die Schutzschichtbildung gestört.

Diese Form der Korrosion tritt in Kugel- oder Rollenlagern auf, die bei ge-ringer Drehzahl große Lasten zu tragen haben; weiters beim Transport (z.B. Schiffsfrachten); in allen Maschinen, wo ein zu großes Spiel durch Vibrationen starke Relativbewegungen zwischen zwei Bauteilen verur-sacht. Zu beachten ist, daß nicht beide Reibungspartner aus Metall beste-hen müssen, sondern auch andere Werkstoffe (z.B. Holz, Papier, Glas, …) die gleiche Wirkung erzielen.

1.6.8. Korrosion durch Streuströme (vagabundierende Ströme))

Fließen in einem Me tall Gleichströme (z.B. Streuströme), so findet eine Elektrolyse statt. Diese Form der Korrosion findet sich bei mit Gleichstrom betriebenen Eisenbahnen (die Schienen müssen als Stromleiter gut gegen den Untergrund isoliert sein) oder bei Schweißgeräten mit schlecht iso-lierten Kabeln (z.B. Schweißarbeiten an einem Schiff, das im Meerwasser liegt).

v

Dampf-blase

Page 32: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Einteilung der Korrosion 32

1.7. Einteilung der Korrosion In diesem Kapitel wird die Korrosion eingeteilt

• nach den Erschei-nungsformen

• in chemische – elekt-rochemische

• nach dem Medium

1.7.1. nach den Erscheinungsformen

(siehe Kapitel „Erscheinungsformen der Korrosion“, Seite 31)

1.7.2. chemische – elektrochemische Korrosion

(siehe Kapitel „Elektrochemische und chemische Korrosion“, Seite 22)

1.7.3. nach dem agressiven (korrosiven) Medium

Es ist warmes und kaltes Wasser zu unterscheiden.

Was ist aggressives Wasser?

• O2-Gehalt (siehe Kapitel „Sauerstoff-Konzentrationselement“, Seite 21): Hier sind vor allem Differenzen im O2-Gehalt maßgeblich. Daher ist die Korrosion im fließenden Wasser (gute Durchmischung und somit gleichmäßiger O2-Gehalt) geringer als im ruhenden Wasser (wo ja auch noch eventuell vorhandener Algenbewuchs die Korrosion fördert).

• pH-Wert (siehe Kapitel „Der pH-Wert“, Seite 17): Je saurer das Wasser, umso aggressiver ist es (siehe Kapitel „Elektrochemische Spannungs-reihe“, Seite 14).

• Salzgehalt: Salz kann sowohl als Elektrolyt als auch als Schutzschichtbildner fungieren. In hartem Wasser sind potentielle Schichtbildner (Ca2+ oder Mg2+ in Gegenwart von Hydrogencarbonat) vorhanden: CaCO H O CO Ca HCOs l g aq aq3 2 2

23( ) ( ) ( ) ( ) ( )+ + ↔ ++ −2

hartes Wasser1 2444 3444

.

An der Luft oder besonders beim Kochen wird das Kohlendioxid ausge-trieben und Calciumcarbonat scheidet sich ab (= „Kalk“ = „Kesselstein“). Diese Schicht, die sich hauptsächlich an Heizschlangen ablagert (z.B. Waschmaschine), ist ein Isolator und hemmt daher die Korrosion. Mit der elektrischen Leitfähigkeit ist allerdings die Wärmeleitfähigkeit kor-relliert. Wird nun die Schicht auf Heizstäben sehr dick, so müssen die Heizelemente viel heißer werden, um das Wasser zu erwärmen. Neben dem hohen Energieverbrauch kann es in diesem Fall aber auch passie-ren, daß die Schutzschicht unter dem Einfluß der Hitze abplatzt, was schlecht ist. Weiches Wasser wirkt korrosiv, außer es enthält PO4

3− o-

der SiO44 − , also Anionen, die Schichtbi ldner sind. Mischt man Kalzium-

hydroxid in hartes Wasser, so wird dieses weicher!

Wasser

aggressives Wasser

hartes Was-ser

Weiches Wasser

Page 33: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Einteilung der Korrosion 33

( )Ca OH Ca OH

OH HCO CO H O

CO Ca CaCO

22

3 32

2

32 2

3

↔ +

+ ↔ +

+ ↔ ↓

+ −

− − −

− +

2

Der sich bildende Kalk fällt aus.

• Zu beachten ist, daß sich auch die Wassertempe-ratur auf die Korrosion auswirken kann: Wird bei einem verzinkten Blech die Zinkschicht zerstört, so löst sich bei Raumtemperatur das Zink weiter auf, da es unedler ist als das Eisen. Bei Tempera-turen über 60 °C ist das Zink passiviert (ZnO). Wird nun die Schicht zer-stört, so korrodiert das Eisen (Lochfraß, siehe Kapitel „Sauerstoff-Konzentrationselement“, Seite 21). Daher dürfen ve rzinkte Stahlrohre nicht als Warmwasserleitungen eingesetzt werden.

• Seewasserkorrosion:

♦ Salzgehalt (Cl–-Gehalt), ♦ Mikroorganismen.

Mikroorganismen tierischer Art (verbrauchen O2) vergären Schmutz unter Abgabe von CO2.

Es gibt zwei Arten von Mikroorganismen:

• aerobe: nehmen das O2 aus der Luft;

• anaerobe: nehmen das O2 aus Salzen.

Die aerobe Lebensform kann energetisch günstiger arbeiten. Ist daher ge-nug O2 vorhanden, findet die Gärung aerob statt. Ist allerdings zuwenig O2 vorhanden, treten die anaeroben Mikroorganismen in Aktion; der nun stattfindende Prozeß heißt Fäulnis.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, O2 aus Salzen zu bekommen:

♦ Sulfatreduzierende Bakterien erhalten O2 aus Sulfaten:

222

4 2 OSSO +→ −− . Der Schwefelwasserstoff H2S entweicht und ist für den typischen Fäulnisgeruch verantwortlich.

♦ Nitratreduktion: 2 6 4 2 3NO H e NH O3 3 2− + −+ + → + . Ammoniak: NH3.

Um diese Arten der Fäulnis zu vermeiden, ist es bei der Abwasseraufbe-reitung wichtig, darauf zu achten, daß genügend O2 vorhanden ist. Daher wird das Wasser „verrieselt“. Die Lösung verarmt an O2 auch durch eine große Anzahl von aeroben Bakterien, die sich bei großem Nahrungsangebot schnell vermehren. Dadurch ist es möglich, daß eine Vergärung bei O2-Mangel in Fäulnis umschlägt.

Einschub: Abwasser

Page 34: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Einteilung der Korrosion 34

Bei der Seewasserkorrosion findet man als Korrosionsprodukt oft Eisensul-fid (FeS). Daraus läßt sich schließen, daß sulfatreduzierende Bakterien im Wasser vorhanden sind.

Für einen aggressiven Boden sind folgende Faktoren maßgebend:

• geringe Belüftung,

• hoher Säuregehalt,

• hoher Salzgehalt,

• hoher Wassergehalt.

Das Rohr korrodiert, weil es unterschiedliche Bodenarten durchläuft.

Korrosion durch Gase kann atmosphärisch (durch SO3, SO2, Ionen), oder durch Hochtemperaturkorrosion (T > 500 °C) vor sich gehen.

Flugasche (z.B. aus der Verbrennung von Heizöl) ist eine Mischung von Metalloxiden und Kohlenstoff in Form von Ruß. Metalloxide wie V2O5, PbO, MoO3 und WO3 bilden mit Eisen niedrigschmelzende gemischte Oxide.

Die Korrosion bei hohen Temperaturen kann durch spezielle Legierungen bei Stählen verringert werden. Dazu werden Legierungen auf Kobalt-Basis (z.B.: 30 % Cr, 6 % Mo oder W, > 1 % C, Rest Co) verwendet.

Eine weitere Möglichkeit ist die Verwendung von keramischen Werkstof-fen. Darunter versteht man alle festen Materialien, die weder Metall noch Polymere sind. Meistens handelt es sich um Metallverbindungen. Sie sind von großer Härte, spröde, kriechfest und hochtemperaturbeständig. Sie enthalten z.B.

Karbide (Grundkörper C4–): Mo-, W-Karbide: sie sind sehr hart, weshalb für sie die Bezeichnung „Hartstoffe“ verwendet wird und

Nitride (Grundkörper N3–): z.B. FeN = Nitrierstahl. Dieser ist verschleißfest und wird z.B. für Wellen für Wasserpumpen verwendet. Auch Verbes-serung der Korosionsfestigkeit gegen Seewasser.

Weiters werden Hartmetalle (= Cermets) verwendet. Es sind dies Verbindungen aus Keramik und Metallen.

Ceramics + Metals = Cermets = Hartmetall = Hartstoff + Metall

Boden

Rohr im Bo-den

Luft (Gase)

Hoch-temperatur-korrosion

keramische Werkstoffe

Hartmetalle

Page 35: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Korrosionsschutz 35

Neuere Technologien beruhen darauf, Motorenbestandteile aus solchen Werkstoffen zu fertigen (z.B. Turbolader aus Siliziumnitrid Si3N4, Ventile und Federn aus Ti-Verbindungen).

Die Vorteile der keramischen Werkstoffe beruhen darauf, daß einerseits höhere Temperaturen, andererseits eine leichtere Bauweise möglich ist. Beides erhöht den Wirkungsgrad von Maschinen.

1.8. Korrosionsschutz In diesem Kapitel: Korrosionsschutz

• vom Werkstoff aus (Zulegieren oder Überzüge)

• vom angreifenden Medium aus

• durch konstruktive Maßnahmen

1.8.1. Korrosionsschutz vom Werkstoff aus

Korrosionsschutz kann durch Beigabe von Legierungselementen erreicht werden. Verwendet werden vor allem Cr, Ni, Mo, Al, Si.

Ist ein Cr Anteil von mehr als 12 % vorhanden, bezeichnet man einen Stahl als Edelstahl. Dieser ist korrosionsfest, denn bei einem Anteil von 12 % kommt es zur Ausbildung der intermetallischen Phase Fe5Cr.

a) metallische

b) nichtmetallische (=Metallverbindungen)

c) organische (z.B. Lack)

• Überzug unedler (z.B. Zn-Blech = verzinktes Blech): es korrodiert das Zink. Zn-Verbindungen sind farblos, weshalb keine Rostflecken ent-stehen, weil das Zn farblos korrodiert.

• Überzug edler (z.B. Sn-Blech = Weißblech): es korrodiert das Eisen. Dieser Effekt ist normalerweise nicht erwünscht. Sn ist jedoch stabil gegen organische Säuren, weshalb Weißblech für Konservendosen verwendet wird. Solange die Schicht nicht verletzt ist, kann das Fe nicht korrodieren. Wird die Dose geöffnet, wird die Schutzschicht ve r-letzt, und Eisen beginnt stark zu rosten (Lochfraß).

Cr ist normalerweise unedler als Eisen, es ist jedoch passivierbar und dann edler als Fe (ð Edelstahl). Die Gründe für die Verwendung für Stoßstangen und ande-ren Autoteilen liegen weniger im Korrosionsschutz als darin, daß Cr hohe mechanische Festigkeit besitzt, und in opt ischen Gründen (Reflexion).

Herstellung der metallischen Überzüge:

• Diffusionsverfahren: Inchromieren (IK-Stahl): darunter versteht man die Diffusion von Cr-Atomen in das Metallgitter. Es entsteht dabei ein Überzug aus einer Chromlegierung und nicht aus Cr selbst (Kostenersparnis !).

Zulegieren

Überzüge

metallische Überzüge

Page 36: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Korrosionsschutz 36

CrCl H Cr HCl2 2+ → + ↑2 Weiters gibt es: Alitieren (Al statt Cr), Silieren (Si), Sheradisieren (Zn).

• Metallspritzen: darunter versteht man das Aufspritzen von verflüssig-ten Metallen.

• Galvanische Verfahren.

• Aufdampfen.

• Schmelztauchen: Herstellung von feuerverzinkten Blechen.

• Plattieren: darunter versteht man ein mechanischen Verfahren, bei dem durch Aufwalzen, Aufpressen, … Metallüberzüge hergestellt wer-den. Man erreicht porenfreie Oberflächen.

• Mitral-Verfahren: Darunter versteht man Plattieren in einer Trommel mithilfe pulverförmigen Plattiermetalls, H2O und Prallkörpern; die Trommel wird ca. 20 Minuten gedreht. Wird für Kleinteile verwendet (z.B. Verzinken von Massenteilen wie Schrauben, Nägeln, Beschlägen oder Kettengliedern).

Phosphatieren = Herstellen eines Überzuges aus FePO4 (farblos) mit fol-genden Reaktionen:

Fe H PO FePO H+ → +3 4 4 232

Fe O H PO FePO H O2 3 3 4 4 22+ → +2 3 (ð Rostwandler = „Blankkorrosions-schutz“)

Rost und Eisen lösen sich auf und gehen die Verbindung FePO4 ein. Diese Metallverbindung hat mehrere Vorteile:

• gute Lackgrundlage: Lack haftet auf Metallen schlecht, denn Lack hat eine andere chemische Natur (Lack ist organisch), und Metalle sind glatt (Aufrauhen von Metallen bewirkt Poren, in denen sich der Lack gut einlagern kann). Es wird deshalb das Phosphatieren als Grundlage für das Lackieren ve rwendet.

• temporärer Korrosionsschutz: FePO4 ist eine festhaftende Schicht, die die Korrosion verhindert. Ist die Phosphatschicht verletzt kommt es a-ber zu Lochfraß.

• Einlaufhilfe: die Phosphatschicht wird als Einlaufhilfe (für Lager, …) verwendet, da sie weich ist und mit der Zeit abgelöst wird.

Technik des Phosphatierens:

Das Phosphatieren wird in Bädern (NaH2PO4) mit Hilfe von Oxidationsmit-teln durchgeführt. Die Dauer liegt bei etwa 20 Minuten.

Es gibt 2 Verfahren:

Nichtschichtbildend: NaH PO Fe H O FePO H NaOH2 4 2 4 2+ + → + +32

Schichtbildend: 3 4 4 6Zn H PO Fe Zn PO FePO H( ) ( )2 4 2 3 4 2 4 2+ → + +

Es sind zwar beide Verfahren schichtbildend, aber beim zweiten Verfahren ist der Schichtzuwachs größer, weil sich Zinkphosphat bi ldet. Bei erste-

Überzüge aus Metall-

verbindungen

Page 37: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Korrosionsschutz 37

rem Verfahren hingegen stammt das Schutzschichtmetall aus dem Werk-stoff.

Auf diese Weise wird auch Rost umgewandelt:

2 NaH2PO4 + Fe2O3 → 2 NaOH + 2 FePO4 + H2O

Eine andere Möglichkeit besteht durch eine Aufschlämmung von Zn-Metall:

Fe2O3 + 3 Zn → 2 Fe + 3 ZnO

(Zn ist unedler und hat daher eine höhere Affinität zu Sauerstoff.)

Ähnlich wie auf Eisen haftet Lack auch auf Aluminium schlecht. Für Aluminium wird statt des Phosphatierens das Chromatieren verwendet. Dazu wird das Chromat CrO4

2− verwendet.

Es gibt zwei Mechanismen der Lackhaftung:

• chemische Bindung und

• physikalische Absorption.

Die verwendeten Kunststoffe sind sogenannte Thermoplaste. Diese wer-den durch Erhitzen weich, geben also verformbare Schmelzen. Füllt man in eine Gußform das Kunststoffgranulat und erhitzt es, so fließt der Kunststoff in die Form; wird er nun abgekühlt, so erstarrt er ohne Form-änderung.

Der Vorteil des Kunststoffs liegt also darin, daß auch komplizierte Teile, die sich aus metallischen Werkstoffen nur in Form vieler kleiner Einzel-teile (die alle entgratet und montiert werden müßten) herstellen ließen, in einem Guß schnell und einfach fertigen lassen (z.B. Kühlergrill). Au-ßerdem ist der Kunststoff viel leichter als Metalle.

Nachteile des Kunststoffs:

• Kunststoff ist weich,

• Kunststoffe schauen nicht schön aus, da sie kein optisches Reflexions-vermögen besitzen, und

• Kunststoffe sind nicht lichtbeständig.

Optimal wäre also ein Kunststoff mit Metallüberzug, da er dann als gute Eigenschaften vorweisen könnte:

• Oberflächenhärte,

• Lichtbeständigkeit und

• optische Schönheit (Reflexionsvermögen).

Allerdings ist das Problem, daß – aus denselben Gründen weshalb Lack schlecht auf Metall haftet – das Metall schlecht auf dem Kunststoff haftet.

Kunststoffe sind Isolatoren, galvanisieren heißt Aufbringen von metalli-schen Schichten mittels elektrischen Stroms. Es stellt sich also die Frage, wie Galvanisieren dennoch möglich ist.

Überzüge aus Lack

Metallische Überzüge auf

Kunststoff (Einschub)

Kunststoff-Galvanisie-rung

Page 38: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Korrosionsschutz 38

Technik der Kunststoff-Galvanisierung:

1. Verwendung von 2-Phasenkunststoff: Der Kunststoff besteht aus zwei unterschiedlichen Phasen: a) steife Harzphase und b) kautschukelastische Phase. Durch chemischen Angriff (z.B. Chromschwefelsäure als aggressives Medium) löst sich die kautschukelastische Phase aus dem Werkstoff heraus; dadurch entstehen Kavernen (= Hohlräume). Die Oberfläche des Werkstückes ist nun bedeutend größer.

2. Chemisches Aufbringen einer „Leitschicht“: Das Werkstück wird in ei-ne Lösung von edlem Metallsalz und Reduktionsmittel gelegt. Es bildet sich eine dünne Schicht aus Metallabscheidungen. Ein edles Metall (z.B. Palladium Pd) muß deshalb verwendet werde, da es für unedle Metalle keine milden Reduktionsmittel gibt.

3. Galvanisieren: Durch die leitende Oberfläche läßt sich der Kunststoff nun wie üblich galvanisieren.

Würde man das Metall bei normalem Druck Aufdampfen, würde der Kunst-stoff durch die hohe Temperatur des verdampften Metalls zerstört, da Metall einen hohen Siedepunkt haben. Mit fallendem Druck, sinkt die Siedetemperatur; im Hochvakuum verdampft das Metall bei für den Kunst-stoff ungefährlichen Temperaturen und kann ohne Beschädigung des Kunststoffs auf diesem kondensieren.

1.8.2. Korrosionsschutz vom angreifenden Medium aus

VPI-Papier (vapor phase inhibitor): Wird dieses spezielle Papier mit H2O in Verbindung gebracht, so scheidet es gasförmige Schutzschichtbildner ab, die sich auf dem verpacktem Gegenstand abscheiden.

Kieselgel (= Silicagel): Dieses absorbiert das Wasser; es kann natürlich nur in abgeschlossenen Räumen wirksam werden (z.B. in Verpackungen).

Es bestehen zwei grundsätzliche Möglichkeiten, die korrosive Wirkung des Wassers zu entschärfen:

• Schutzschichtbildner zusetzen.

• Destimulatoren: Diese dienen dazu, das O2 aus dem Wasser zu entfer-nen; z.B. Zusatz von Hydrazin: N H O N H O2 4 2 2 2+ → + 2

Aufdampfen im Hochva-kuum

Luft

Wasser im Kreislauf

Page 39: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Korrosion und Korrosionsschutz Korrosionsschutz 39

1.8.3. Elektrischer Korrosionsschutz = Kathodischer Korrosions-schutz

Da Eisen (Stahl) niemals mit edleren Me-tallen (z.B.: Kupfer Cu, Kupferlegierungen, Edelstahl, Aluminium, Nickellegierungen) in Verbindung gebracht werden soll, kann man zwischen diese verschieden edlen Me-talle elektrische isolierende Teile einba u-en.

Durch eine Anode wird die gesamte zu schützende Metalloberfläche Kathode.

ad a) Bei einer Anode aus Eisen (Fe, das edel ist) oder Kohlenstoff (C, der an sich inert ist), ist ein Stromfluß notwendig, damit die Anode reagiert.

Als leitendes Medium kann Wasser (z.B. Schiffsrümpfe) oder Boden (Lager-tank, Pipeline) dienen.

Isolierstü-cke

Kathodi-

scher Schutz

Page 40: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Schmierstoffe Schmieröle (flüssige Schmierstoffe) 40

2. Schmierstoffe

2.1. Schmieröle (flüssige Schmierstoffe) In diesem Kapitel

? Überblick: Kohlenwasserstoffe ? Herstellung

? Aufgaben und Eigenschaften ? Additives und Zusätze

2.1.1. Aufgaben des Schmieröls

Man könnte annehmen, daß, wenn Metall auf Metall reibt, sich die Rau-higkeitsspitzen wegreiben, die Metalloberflächen glatt würden und die Reibung sinkt. Allerdings verschweißen die Rauhigkeitsspitzen und bre-chen gezwungenermaßen wieder auf, jedoch an einer anderen Stelle als sie verschweißen. Dadurch wird die Oberfläche nicht glatt und es entsteht Abrieb. Die Nachteile der direkten Reibung von Metall auf Metall liegen auf der Hand:

• hoher Energieverbrauch,

• Verschleiß.

Die Aufgabe des Schmiermittels besteht also darin, die Metalloberflächen zu trennen.

2.1.2. Eigenschaften eines Schmieröls

Das Schmiermittel muß auf der Metalloberfläche so gut haften, daß es durch die Belastung des Schmierspaltes quer zur Bewegungsrichtung nicht aus dem Spalt gedrückt wird.

Adsorption Chemisorption chemische Bindung

Eine Art der Haftung ist die Adsorption, die physikalische Bindung zweier unterschiedlicher Stoffe. Die festest mögliche Bindung zwischen zwei Stof-fen ist die chemische Bindung. Bei Schmierölen tritt die sogenannte Chemisorption auf, ein Mittelding zwischen physikalischer und chemi-scher Bindung.

Wie wir schon früher festgestellt haben (siehe Kapitel „Wasser“, Seite 5), können die Stoffe nach ihrer Polarität eingeteilt werden, so gibt es polare

Haftfestig-keit auf Metall-

oberfläche

Page 41: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Schmierstoffe Schmieröle (flüssige Schmierstoffe) 41

(z.B. H2O) und unpolare Stoffe. Als Muster für unpolare Stoffe sind die Kohlenwasserstoffe (KWs) zu nennen. Sie bestehen nur aus den beiden Elementen Kohlenstoff (C) und Wasserstoff (H) Die Elektronegativitäten von C und H sind ähnlich, weshalb die Kohlenwasserstoffe unpolar sind.

Erdöl und somit Mineralöl, das aus Erdöl gewonnen wird, ist eine Mi-schung aus KWs. Die besonderen Eigenschaften dieser Stoffklasse er-kennt man am Kriechöl oder Kontaktspray: Diese bestehen aus gewöhn-lichen KW-Ölen. Sie unterkriechen eine Wasserschicht oder eine Rost-schicht (wenn sie viel Wasser enthält), sind also Rostlöser. Da sie außer-dem nicht Salze lösen, wirken sie als Isolatoren und beheben damit durch Wasser herbeigeführte Kurzschlüsse. Aus diesen Beobachtungen folgt der Schluß: KW-Öle haften auf Metall besser als Wasser. Die Metalloberflä-che wirkt also wie ein unpolarer Stoff. Unpolare Stoffe werden nach dem Grundsatz: „Similia similibus solvuntur“ („Stoffe werden durch ähnliche Stoffe gelöst.“, d.h. polare Stoffe lösen polare Stoffe und umgekehrt) an der Metalloberfläche chemisorbiert.

Schmiermittel dürfen nicht mit Wasser mischbar sein, sonst käme es zur Korrosion. Da das Schmiermittel unpolar ist, ergibt es sich automatisch, daß es sich nicht mit Wasser mischt. Einölen eines Metallteiles wirkt also als Korrosionsschutz, weil das Wasser abgehalten wird.

2.1.3. Kohlenwasserstoffe (KWs)

Man kann zwischen gesättigten und ungesättigten KWs unterscheiden. Die gesättigten KWs enthalten nur Einfachbindungen und werden so ge-nannt, weil sie die maximale Anzahl von Wasserstoffen enthalten. Unge-sättigte KWs enthalten Mehrfachbindungen, wobei es Doppel- und Drei-fachbindungen gibt.

Gesättigte KWs bezeichnet man als Alkane (Paraffine) und sie haben in ihrem Namen als Endung immer ein -an (z.B. Ethan). Ungesättigte KWs mit einer Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindung nennt man Alkene; man hängt an den Wortstamm die Endung -en an (z.B. Ethen). KWs mit einer Kohlenstoff-Kohlenstoff-Dreifachbindung nennt man Alkine; man hängt an den Wortstamm die Endung -in an (z.B. Ethin).

Alkane treten kettenförmig (n-Alkane, z.B. n-Butan) und verzweigt (iso-Alkane, z.B. iso-Butan) oder ringförmig (cyclo-Alkane, siehe weiter unten) auf.

Keine Mischbar-

keit mit Wasser

Überblick über KWs

Alkane

Page 42: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Schmierstoffe Schmieröle (flüssige Schmierstoffe) 42

Der Siedepunkt hängt primär von der Molekülgröße, d.h. von der Zahl der C-Atome und sekundär vom Aufbau ab.

KW Formel Siedepunkt Anmerkung

Methan CH4 HH

H

H

C

–161 °C “Erdgas“

Ethan C2H6 C C

–88 °C

Propan n-C3 C C C

–42 °C “Flüssiggas“

Butan n-C4 –0,5 °C “Flüssiggas“

Pentan n-C5 +36 °C

Hexan n-C6 +69 °C

Heptadecan n-C17 fest bei Raumtemperatur, „Wachse“

C3- und C4-KWs werden als Flüssiggase (LPG, Liquid Petroleum Gases) be-zeichnet, da sie sich unter Druck leicht verflüssigen lassen.

Aggregatszustand der Alkane bei Normalbedingungen:

• C1 ÷ C4 gasförmig,

• C5 ÷ C16 flüssig,

• > C17 fest.

-200

-100

0

100

200

300

400

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

In geradkettigem CnH 2 n + 2

Tem

per

atu

r °C

Schmelztemperatur

SiedetemperaturRaumtemperatur

Erdgas Benzin Petroleum Öle Wachse

n

Schmelz- und Siedepunkte der n-Alkane

Page 43: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Schmierstoffe Schmieröle (flüssige Schmierstoffe) 43

Alicyclen sind ringförmig Alkane:

z.B. Cyclohexan C6H12 (n-Hexan: C6H14!)

Das n-Hexan hat genauso viele Kohlenstoffato-me wie das Cyclohexan, allerdings besitzt es mehr Wasserstoffatome.

Alkene sind nicht im Erdöl enthalten, sondern bilden sich als unerwünschtes Nebenprodukt beim Destillieren durch Cra-cken.

z.B.: Ethen (Doppelbindung)

Grundkörper Benzen (Benzol)

C

C

C

C

H

HH

H

HH

C

C

C

C

C

C

H

H H

H

H H

C

C

C

C

C

C

H

HH

H

HH

C

C

Die beiden links dargestellten Arten sind nicht unterscheidbar und geben die Bindungen im Benzen nicht richtig wieder, da alle Kohlenstoff-Kohlenstoffbindungen gleichwertig sind, und ihre Länge zwischen einer Einfach- und Doppelbindung liegt. Tatsächlich sind die Doppelbindungen „verschmiert“, man stellt das Benzen deshalb wie rechts gezeichnet dar („Benzolring“).

2.1.4. Erdöldestillation

Erdöl ist eine Mischung aus KWs, die man in folgende drei Gruppen ein-teilen kann:

a) Alkane (Paraffine): kettenförmig und verzweigt;

b) Alicyclen (Naphtene): ringförmig, gesättigt;

c) Aromate: Grundkörper Benzen (Benzol5);

weiters kommen zum Teil auch Oxidationsprodukte vor (Terpene, Phenole).

Die typische Farbe des Rohöls kommt von den Asphaltenen (polycyclische Aromaten mit Metallen (Ni, V) komplex gebunden), die zu ≈ 0,1 % im Erdöl vorkommen.

5 Die Namen in den Klammern geben immer die alten Namen an.

Cycloalkane C

C C

CCC

H2H2

H2

H2H2

H2

Alkene (O-

lefine)

C C

Aromate

Erdöl

Page 44: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Schmierstoffe Schmieröle (flüssige Schmierstoffe) 44

Bestandteile des Erdöls:

Vol-% Siedepunkt Anzahl C-Atome

Name

1 ÷ 2 < 30 °C C1 ÷ C4 Naturgas, Flüssiggas

15 ÷ 30 30 ÷ 200 °C C4 ÷ C12 Naphta, straight run gasoline6

5 ÷ 20 200 ÷ 300 °C

C11 ÷ C15 Kerosin (= kerosene), Heizöl (= hea-ter oil)

10 ÷ 40 300 ÷ 400 °C

C15 ÷ C25 gas oil, diesel oil, lubricating oil (= Schmieröl)

Rück-stand

> 400 °C > C25 Wachs, Asphalt, Teer

Durch Destillation können die KWs nicht als Reinstoffe erhalten werden. Dies wird anhand folgender Tabelle verdeutlicht. Die verschiedenen For-men der KWs haben bei gegebener Kohlenstoffzahl ähnliche Siedepunkte. Auf die Schmelzpunkte trifft das aber nicht zu.

Stoff Siedepunkt [°C] Schmelzpunkt [°C]

n-Hexan (n-C6H14) 69,0 –94,0

c-Hexan (c-C6H12) 81,0 6,5

Benzen (C6H6) 80,1 5,5

2,3 Dimethyl-1,3-butadien

C = CH2 2

CH3

CH3

CH = C

70,0

Naphtalin =

C

C

H

H

H

CC

C

C

H

H

H

H

CC

C

C

H

218,0 80

n-Dekan (n-C10H22) 174 –30

6 Als straight run gasoline (Rohbenzin) wird das Benzin bezeichnet, das direkt durch Destillation gewonnen wird. Es ist als Treibstoff nicht direkt verwendbar.

Page 45: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Schmierstoffe Schmieröle (flüssige Schmierstoffe) 45

Stoff Siedepunkt [°C] Schmelzpunkt [°C]

CC

CC

C

C

CH 3

CH 3

CH 3

CH 3

195 80

Durch Destillation ist also eine Unterscheidung nach der Molekülgröße möglich.

Nach der Entsalzung und Entwässerung des Rohöls kann eine fraktionier-te Destillation durchgeführt werden (bei Normaldruck oder geringem Ü-berdruck (2,5 bar)).

Man unterscheidet 3 Hauptgruppen (= Fraktionen):

• Treibstoff Siedepunkt < 200 °C

• Schmieröl Siedepunkt < 400 °C

• Bitumen, Asphalt fest

In der Regel weden folgende Produktströme in einer Rohöldestillationsan-lage erzeugt:

• Gase und Flüssiggase ............... bis 20 °C

• Leichtbenzin ......................... 20 / 80 °C

• Schwerbenzin ....................... 80 / 180 °C

• Kerosin (Petroleum) ............ 180 / 230 °C

• Gasöl (Diesel) ..................... 230 / 350 °C

Erdöl-destillation

Page 46: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Schmierstoffe Schmieröle (flüssige Schmierstoffe) 46

Siedepunkt von konventionellen Treibstoffen:

• Otto-Treibstoff 30 ÷ 215 °C

• Diesel-Treibstoff 180 ÷ 360 °C

Die thermische (≈ 450 °C) und katalytische Spaltung großer KWs unter Ausschluß von Sauerstoff (kein Verbrennen, da kein O2!) in kürzere Bruchstücke nennt man Cracken. Da der Bedarf von Benzin und Diesel-treibstoff dem im Rohöl enthaltenen Anteil bei weitem übersteigt, bilden dei Crackverfahren einen wesentlichen Teil der Erdölverarbeitung.

Neben der Spaltung der Moleküle kommt es auch zu Isomerisierungen und Dehydrierungen (Bildung von Alkenen und optional Wasserstoff). Die dabei entstehenden KWs sind gute Benzinkomponenten, da sie hohe Oktanzah-len aufweisen.

1) C + C = CC C C C C

C4H10 → C2H6 + C2H4

2) C H C H C H H

C H C H C H5 12 2 4 3 6 2

5 12 2 4 3 8

→ + +

→ +

oder

Zur destillativen Gewinnung der drei Hauptkomponenten verwendet man unterschiedliche Drücke bzw. Vakua:

• Treibstoffe ................. Normaldruckdestillation

• Schmieröl ................. Vakuumdestillation

• Bitumen, Asphalt ...... Hochvakuumdestillation

Dafür gibt es vor allem 2 Gründe:

• Das Vakuum bewirkt einen geringeren Siedepunkt, weil eine Flüssig-keit beim Verdampfen Arbeit gegen den Umgebungsdruck verrichtet. Ist dieser Druck geringer, ist die Arbeit geringer. Es muß also weniger E-nergie zum Verdampfen zugeführt werden. Die Energie zur Erzeugung des Vakuums ist geringer als jene Energie, die aufgrund des niedrige-ren Siedepunktes gewonnen wird.

• Wegen den niedrigen Temperaturen ist Destillation unter Vakuum schonender, da nur ein geringer Teil gecrackt wird.

In der Regel ist der Bedarf an Benzin höher als an Teer, weshalb man üb-licherweise Öle crackt. Es ist aber auch der Aufbau (Wandlung von Benzin zu Ölen) möglich. In der Praxis ist ein Zusammenhang zwischen drei Pa-rametern von Bedeutung: Mit der Kohlenstoffzahl (d.h. Größe des Mole-küls) steigt sowohl der Siedepunkt als auch die Viskosität:

Cracken

Beispiele

Page 47: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Schmierstoffe Schmieröle (flüssige Schmierstoffe) 47

Siedepunkt

Molekülgröße

Viskosität 2.1.5. Schmierölherstellung

Destillatöl ist das direkt aus dem Erdöl durch Destillation gewonnene Schmieröl. Dieses kann nicht verwendet werden, denn es bilden sich un-ter den Bedingungen im Motor mit der Zeit:

• Harze ð verkleben Ölabstreifringe;

• Lacke ð Ventile werden undicht;

• Schlamme ð verstopfen Ölbohrungen.

Schuld sind die Aromaten und die Olefine (entstanden bei der Destillati-on). Diese sind reaktionsfreudig, reagieren mit sich selbst (führt zu Poly-merisation) und mit O2. Abhilfe:

Die Raffination erfolgt in 2 Schritten:

• Entaromatisieren: Es ist dies keine vollständige Entaromatisierung, sondern nur die reaktionsfreudigsten Aromaten und alle Olefine wer-den entfernt, und zwar durch Solventextraktion (solvent = Lösungsmit-tel). Aromate haben gute Schmiereigenschaften (da gute Chemisorpt i-on). Wenn man alle herauslöste, würden die Schmiereigenschaften verschlechtert. Die Folge wären höhere Lagertemperaturen und damit schnelleres Altern. Man löst also nicht alle Aromaten heraus und gibt dafür HD-Additives dazu (siehe Kapitel „HD-Zusatz“, Seite 56). Ergebnis

Typische Strukturen im Schmieröl

Destillatöl

Raffination

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Chemie für Maschinenbau Schmierstoffe Schmieröle (flüssige Schmierstoffe) 48

des Entaromatisierens ist das „Weißöl“. Die herausgelösten Aromate werden für Ölzusätze weiterve rwendet.

• Entparaffinieren: Darunter versteht man das Entfernen der langen n-Alkane (> C20), die einen hohen Schmelzpunkt haben. Sie kristallisie-ren bei geringen Temperaturen fadenartig aus und bilden einen Filz, in dem dann das restliche flüssige Öl kapillar gebunden wird: das Öl stockt. Stockpunkt: das ist jene Temperatur, bei der das Öl gerade aufhört zu fließen. Ein hoher Stockpunkt bedeutet schlechtes Kalt-startverhalten wegen schlechter Pumpfähigkeit. (Auch Diesel-Treibstoff für den Sommer hat einen höheren Stockpunkt als jener im Winter.) Durch Entparaffinieren wird der Stockpunkt herabgesetzt. Vorgang des Entparaffinierens: Mit Harnstoff bilden die n-Alkane Einschluß-verbindungen, die durch Kristallisation abgetrennt werden können. Auch das Entparaffinieren – wie das Entaromatisieren – geschieht nicht vollständig, sonst gäbe es zuviel Substanzverlust. Dafür werden Stockpunktserniedriger zugegeben (siehe Kapitel „Stockpunkts-erniedriger“, Seite 59).

Bestandteile eines typischen 4-Taktmotoröls:

• 4 ÷ 6 % Aromate

• 60 ÷ 65 % Paraffine

• 30 % Naphtene

Schmieröl = Raffinatöl + Zusätze (= Additives)

Additives sind Zusätze, die zu weniger als 1 % dem Öl beigefügt werden.

Bestandteile sind Zusätze, die zu mehr als 1 % vorhanden sind.

HD = heavy duty = hohe Belastung.

Erstmals wurden Schmierprobleme bei den schweren U-Boot-Dieselmotoren der US-Kriegsmarine 1936 beobachtet. Unter hoher Belas-tung „altert“ das Öl schneller. HD-Öle haben daher Zusätze gegen das Al-tern. Im Konkreten werden die Alterungsprodukte unschädlich gemacht.

2.1.6. Zusätze

a) Bildung vom Schlamm, Lack und Harz.

b) Versäuerung.

ad a) Reinigungsmittel:

Detergentien (detergents) lösen abgeschiedene Produkte auf, Dispergen-tien (dispergents) bewirken, daß Harze und Lacke fein verteilt werden, sodaß sie sich nicht abscheiden können. Die Reinigungsmittel bewirken also insgesamt, daß die Alterungsprodukte aufgelöst und in Schwebe gehalten werden.

Schmieröl

HD-Öl

Altern

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Chemie für Maschinenbau Schmierstoffe Schmieröle (flüssige Schmierstoffe) 49

Da das Öl eine unpolare Flüssigkeit ist, sind polare Stoffe unlöslich, wäh-rend unpolare gelöst bleiben. Daher fällt im Öl der polare Schmutz (Me-tallabrieb, H2O, teilverbrannte „Ölmoleküle“ und Ruß) aus und bildet Klumpen.

Seife = Metallsalz einer Fettsäure.

Fettsäure = Carbonsäure mit langem Rest-R.

Carbonsäure:

R C

OH

O

RCOOH

Ist der Rest R lang, so nennt man die Carbonsäure Fettsäure, da sie in den natürlichen Fetten vorkommen, besonders: Stearinsäure = C17H35COOH, Palmitinsäure = C15H31COOH.

Fett = Ester des Glyzerins mit Fettsäuren.

Ester = Säure + Alkohol → Ester + H2O R’ COOH + R OH → R’ COOR + H2O

Glyzerin ist ein dreiwertiger Alkohol (enthält 3 OH-Gruppen)

CH OH

CHOH

CH OH

2

2

Fettsäure: Die Fettsäure ist zwittrig in Bezug auf Polarität. Obwohl sie gut schmieren würde, ist sie als Schmiermittel nicht geeignet, da sie eine Säu-re ist, die korrosiv wirkt. Daher verwendet man ein Metallsalz einer Fettsäure (= Seife):

{R COOH M R COO M HFettsäure Metall Metallsalz

121 24 34 1 244 344+ → +− +

2

Diese Gleichung ist gleichzeitig die Korrosionsgleichung für versäuertes Schmiermittel (siehe b) Versäuerung).

Seife: Modell für einen

HD-Zusatz

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Chemie für Maschinenbau Schmierstoffe Schmieröle (flüssige Schmierstoffe) 50

Frischölmicelle: Die am Kopf polaren Seifenmoleküle lagern sich so, daß ihre Köpfe zusammenkommen. In dem Raum zwischen den Köpfen kann pola-rer Schmutz eingelagert werden. Ist dieser Freiraum mit polarem Schmutz gefüllt, so nennt man die Anordnung Schmutzmicelle.

Die Seife ist ein Beispiel für einen o-berflächenaktiven Stoff.

Im Wasser ist der umgekehrte Effekt zu beo-

bachten: unpolarer Schmutz (Fett, Öl, …) wird vom polaren Wasser nicht gelöst. Will man z.B. Fett von der eher unpolaren Haut abwaschen, so verwendet man Seife. Die Seifenmoleküle haben ei-nen polaren (hydrophilen = wasseranziehenden) Kopf und weisen durch den hydrophoben (= wasserabstoßenden) langen Rest das Wasser ab; in diesem Bereich kann sich unpolarer Schmutz einlagern. Seife ist daher ein „Lösungsvermittler“.

ad b) Versäuerung:

Eine Versäuerung des Öles bewirken folgende Schmutzstoffe im Öl:

• teilverbrannte „Ölmoleküle“,

• Verbrennungsprodukte aus Benzin, z.B. „Benzinmolekül“ Oktan: Verbrennung von Oktan: C H O O8 18 25+ → +12 8CO 9H2 2, . Die Verbrennung eines solchen Kettenmoleküls geht über viele Zwischenstufen vonstat-ten, darunter sind auch Carbonsäuren. Außerdem bilden sich Oxide, die mit Wasser sauer reagieren, besonders CO2. Schließlich entsteht auch Säure durch die Hydrolyse von HD-Zusätzen.

Säuren sind korrosiv. Daher sollte man nie ein Auto mit altem Öl in Motor oder Getriebe länger stehen lassen: Die Säuren im Öl greifen vor allem an der Übergangsstelle Öl – Luft den Stahl an und bilden durch Korrosion Riefen.

Micelle

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Chemie für Maschinenbau Schmierstoffe Schmieröle (flüssige Schmierstoffe) 51

Gegen die Versäuerung des Öls werden soganannte Neutralisiermittel eingesetzt. Das sind basische (= alkalische) Stoffe, die die Säuren neutra-lisieren.

{ {H OH H O+ −+ →Säure Base

2

Wie schon früher (Kapitel „Raffination“, Seite 52) erwähnt, ist der Ausgangsstoff für HD-Zusätze die Abfallprodukte des Entaromatisierens:

Als Beispiel für einen HD-Zusatz sei hier das Arylsulfonsaures Bariumhydroxid genannt. Barium hat ein zweiwertiges Ion: Ba2+. Daß die chemische Bindung des Restes R und des SO3BaOH in der Mitte des Ringes ansetzt ist natürlich Ringes ansetzt ist natürlich nicht möglich und soll nur andeuten, daß es

gleichgültig ist, an welchen C-Atom diese Moleküle hängen. Über die Dispergentien kommen zu wenig basische Stoffe ins Öl, daher werden noch CaCO3 (Calciumcarbonat) und Ca(OH)2 molekulardispers verteilt zu-gesetzt. Diese Stoffe machen ebenfalls Säuren unschädlich:

CaCO H Ca H O CO32

2 2

Kalk Säure neutral

2124 34 123 1 2444 3444+ → + ++ +

Calciumkarbonat ist allerdings polar, um es in Schwebe zu halten, werden Dispergentien gebraucht.

KW-Öle weisen eine hohe Temperaturabhängigkeit der Viskosität auf.

Die Viskosität ist ein Maß für die Zähigkeit einer Flüssigkeit und so-mit ein Maß für die innere Reibung der Flüssigkeit. Denkt man sich ei-ne laminare Strömung, so ist die Viskosität die Reibung zwischen den einzelnen Schichten der Strömung.

Die Viskosität ist die maßgebende Größe, die beschreibt, ob ein Öl bei ei-ner bestimmten Belastung des Schmierspaltes aus dem Spalt gepreßt wird oder nicht.

Dynamische Viskosität η: [η] = 1 Pa s = 1 N s m–2 (SI-Einheit)

Für Schmieröl wird die Einheit 1 mPa s bevorzugt (entspricht der alten Einheit Zentipoise).

Kinematische Viskosität ηρ

: ρ … Dichte; ηρ

= −m s2 1 (SI);

für Schmieröl vorzugsweise mm2 s–1 (entspricht der alten Einheit Zentisto-kes).

HD-Zusatz

Arylsulfon-saures Bari-umhydroxid

R SO Ba OH3

Mehr-bereichsöl v v

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Chemie für Maschinenbau Schmierstoffe Schmieröle (flüssige Schmierstoffe) 52

Die SAE-Klassen (Society of Automotive Engeneers) wurden 1911 in des USA eingeführt. Man wählte zwei Temperaturen als Bezugspunkte aus: 0 °F = –17,8 °C und 210 °F = 98,9 °C.

SAE η bei 0 °F η/ρ bei 210 °F

mindestens höchstens mindestens höchstens

[mPa s] [mPa s] [mm2 s–1] [mm2 s–1]

5 W - 1200 3,9 -

10 W 1200 1400 3,9 -

20 W 2400 9600 3,9 -

20 - - 5,7 9,6

30 - - 9,6 12,9

40 - - 12,9 16,8

50 - - 16,8 22,7

Das W bedeutet Winter. Winteröle dürfen bei niedriger Temperatur eine nicht zu hohe (da es sich sonst nicht Pumpen läßt und es dadurch beim Starten des Motors Probleme gibt), aber bei hohen Tempertaturen eine nicht zu niedrige Viskosität (da sonst der Schmierfilm abreißt, was zu ei-nem „Kolbenreiber“ führen könnte) haben.

Ein Problem der KW-Öle besteht darin, daß die Viskosität stark temperaturabhängig ist, stär-ker als bei vielen anderen Flüssigkeiten. All-gemein besteht ein exponentieller Zusammen-hang zwischen der Temperatur und der kine-matischen Viskosität.

Während man früher ein Sommer- und ein Winteröl verwendete, sind die heutigen Mehr-bereichsöle unabhängig von der Jahreszeit ve r-wendbar.

Ein Mehrbereichsöl besteht aus einem Grundöl und einem VI-Verbesserer.

VI = Viskositätsindex: (besser wäre VT-Index), gibt die Temperaturabhän-gigkeit der Viskosität an. Grundsätzlich ist ein Index eine dimensionslose Größe, also eine reine Verhältniszahl, die sich aus einem Vergleich mit zwei Bezugssystemen ergibt:

Es wird eine Mischung zweier Bezugsöle (wobei dem guten ein VI von 100 und dem schlechten ein VI von 0 zugewiesen wird) hergestellt, die dassel-be Viskositäts-Temperatur-Verhalten zeigt wie das zu klassifizierende Öl. Der VI wird dann als der prozentuelle Anteil des besseren Bezugsöls ange-geben.

Viskositäts-index

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Chemie für Maschinenbau Schmierstoffe Schmieröle (flüssige Schmierstoffe) 53

Für VI größer als 100 muß empirisch durch Zusatz von VI-Verbesserern extrapoliert werden.

Als VI-Verbesserer werden Kunststoffgranulate verwendet, z.B. Polyester mit einem durchschnittlichen Molekulargewicht 105, sind also fest.

Bei niedrigen Temperaturen, wo die Viskosität des Öl groß ist (Öl dickflüs-sig), verknäuelt das Polyester. Die Solvation7 — das ist die Wechselwir-kung zwischen einem Stoff (hier: dem Polyester) und dem Lösungsmittel (solvens; hier: das Öl) — ist schwach. Bei höheren Temperaturen gehen die Polyesterknäuel auseinander und die Solvation wird besser (Das Öl kann sich an die Polyestermoleküle anlagern).

Ein solcher VI-Verbesserer bringt bei jeder Temperatur eine Viskositäts-erhöhung (= „Aufdicken“) des Öls. Er bewirkt aber, daß die Viskosität bei Temperaturerhöhung weniger stark sinkt. Aus dem Diagramm sieht man, daß die Temperaturabhängigkeit des Öls mit VI-Verbesserer deutlich ge-ringer ist (Kurve flacher). Mehrbereichsöle haben einen VI bis über 200 !

7 Ein Beispiel für die Solvation haben wir schon bei der Korrosion kennengelernt: die Hydration.

VI-Verbesserer

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Chemie für Maschinenbau Schmierstoffe Schmieröle (flüssige Schmierstoffe) 54

Mehrbereichsöl: z.B. 10 W 30: verhält sich bei niedrigen Temperaturen wie ein 10er-Öl und bei hoher Temperatur wie ein 30er-Öl.

Um dieses Öl her-zustellen wird zu einem dünnflüssige-rem Öl, z.B. einem 5er-Öl, das Granu-lat beigemischt, bis es sich im unteren Temperaturbereich wie ein 10er-Öl ver-hält. Hat es bei hö-herer Temperatur die Viskosität eines 30er-Öls, so paßt die Mischung; sonst muß man iterativ weiterarbeiten, in-dem man als Grundöl entweder ein dünneres oder ein dickeres Öl ve r-wendet.

Je größer der Unterschied zwischen niedrigster und höchster Temperatur ist, umso dünnflüssiger muß das Grundöl sein, da viel Granulat beigesetzt werden muß. Dünnflüssigere Öle haben allerdings einen tieferen Siede-punkt, weshalb das Öl bei hohen Temperaturen im Motor verdampft. Der Schmierfim reißt ab.

Der VI-Verbesserer muß „scherstabil“ sein: Er darf sich nicht zwischen Kolben und Zylinder mechanisch Cracken lassen. Außerdem muß er stabil gegen thermisches Cracken sein.

n-Paraffine haben einen hohen Schmelzpunkt, was zum Stocken des Öls bei relativ hohen Temperaturen führt (siehe Kapitel „Raffination“, Seite 52). Stockpunktserniedriger können zwar das Kristallisieren der langen n-Alkane nicht verhindern, sie lagern sich aber um die gebildeten Primär-kristalle an und verhindern ein Zusammenwachsen. Stockpunktserniedri-ger sind also oberflächenaktive Stoffe (Stoffe, die sich vor allem an Ober-flächen von Feststoffen anlagern).

Mischreibung: Ist im Schmierspalt die Gleitgeschwindigkeit zu gering, o-der der Schmierkeil zu gering ausgebildet, kann sich kein Schmierfilm bilden. In der Folge tritt teilweise Trockenreibung auf. Es ist dies auch ein Zeichen dafür, daß die Chemisorption des Schmierstoffes nicht ausreicht.

Stock-punkts-

erniedriger

EP-Zusätze

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Chemie für Maschinenbau Schmierstoffe Schmieröle (flüssige Schmierstoffe) 55

EP steht für extreme pressure;

andere Bezeichnung: AW = „antiwear“ = „Verschleißminderer“ = EP

Bei hoher Flächenpressung, zum Beispiel an den Zahnflanken in Getrie-ben, bei Ventilen, … tritt Mischreibung auf.

EP-Zusätze sind organische Moleküle, die Stickstoff, Phosphor, Chlor bzw. Schwefel enthalten. Bei hohem Druck werden diese Moleküle gecrackt, die Bestandteile bilden mit der Metalloberfläche chemische Verbindungen (FeN, FeP, FeCl2, FeS), die einen geringen Reibkoeffizienten haben. Die Verbindungen werden mit der Zeit durch Abrieb verbraucht. Solange EP-Zusätze da sind, wird die Schicht immer wieder nachgebildet.

Genaugenommen sind aber die EP-Zusätze (wie die VI-Verbesserer) nicht mehr als Additives sondern als Bestandteile zu bezeichnen, da sie weit mehr als zu 1 % enthalten sind.

Korrosionsinhibitoren sind Schichtbildner. Dazu verwendet man besonders Phosphate. Sie unterbinden die Korrosion, also die Oxidation des Metalls.

Diese hemmen die Oxidation des Schmieröls. Oxidationsvorgänge erhöhen die Acidität und Viskosität des Motorenöls und begünstigen die Bildung von Rückständen. Das Verbrennen des Schmieröls erfolgt genauso wie das Verbrennen von Benzin. Der Verbrennungsmechanismus der KWs wird später behandelt. Hier soll nur gesagt werden, daß dies über Radikale geht. Oxidationsinhibitoren wirken so, daß reaktive Radikale in weniger reaktive übergeführt werden, die keine neue Ketten mehr starten können. In den Schmierölen wird dies durch Zusatz von Phenolen mit sperrigen Substituenten (große Reste R) erreicht:

ROO· ist ein Hydroperoxid-Radikal, es wird in ein weniger reaktives Phe-noxylradikal umgewandelt. Oxidationsinhibitoren wirken also als Radikal-wandler.

Korrosions-inhibitoren

Oxidations-inhibitoren

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Chemie für Maschinenbau Schmierstoffe Schmieröle (flüssige Schmierstoffe) 56

Schaumverhütungsmittel sind von besonderer Bedeutung für Flugmotoren und Hydraulikflüssigkeiten. Es sind dies oberflächenaktive Stoffe, die den Gasaustritt beschleunigen und damit die Schaumbildung verhindern.

Die Beigabe von Farbstoffen erfolgt aus rein optischen Gründen. (Histo-risch: die guten pennsylvanischen Öle hatten eine grüne Fluoreszenz, von da weg entstand der Eindruck, farbige Öle seien qualitativ besser.)

Beispiel: Zinkdialkyldithiophosphat

Mehrzweckadditives verbinden mehrere Eigenschaften. Das Zinkdialkyl-dithiophosphat enthält: • Oxidationsinhibitor: S • Korrosionsinhibitor: Phosphat • EP-Zusatz

Dabei ist zu beachten, daß jedes Additiv auch Nachteile hat. So wirken EP-Zusätze auch korrosiv, weil die abgeriebenen Stoffe wie Eisensulfid oder Eisenchlorid unter Bildung von Säuren weiterreagieren können. Korrosi-onsinhibitoren wiederum verschlechtern das Lastaufnahmevermögen (d.h. schlechte Chemisorption).

Die Ansprüche an ein Schmieröl sind je nach Einsatzgebiet unterschied-lich. Es soll an dieser Stelle der Unterschied zwischen verschiedenen Mo-torölen dargestellt werden.

• 2-Takt-Motoröl: Im 2-Takt-Motor wird das Schmieröl mitverbrannt. Des-halb ist keine besondere Oxidationsstabilität vonnöten, auch spielt das VT-Verhalten nur eine untergeordnete Rolle. Wichtig ist aber: geringe Neigung zur Verkokung, gute Reinigungswirkung, ausreichender Korro-sionsschutz. Nachteilig wirken sich alle Zusätze aus, die Asche bilden, da es zu Zündaussetzern (Brückenbildung an den Elektroden der Zündkerze) und zu einer Verkrustung der Auslaßschlitze kommt. Asche-bildner sind metallhältige Detergentien, zum Einsatz kommen nur aschefreie Detergentien. Beispiel: Amine

• Dieselmotoröl: Im Dieselmotor entstehen bei der Verbrennung SO2 und SO3, welche Korrosion bewirken. Deshalb werden in Schmierölen für Dieselmotoren Korrosionsinhibitoren zugesetzt.

Ob ein gebrauchtes Öl noch weiterverwendet werden kann, entscheidet man durch eine Altölanalyse. Dadurch wird es möglich, die Grenzen für einen Ölwechsel voll auszunutzen, ohne daß Gefahr für den Motor auftritt. Versuche, aus der Viskosität Rückschlüsse auf den Zustand des Öls zu ziehen, schlagen fehl, da beim Betrieb des Öls

Schaum-verhü-

tungsmittel

Farbstoffe

Mehrzwe-ckadditives

Ansprüche an ein

Schmieröl

Altölanaly-se

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Chemie für Maschinenbau Schmierstoffe Schmieröle (flüssige Schmierstoffe) 57

• Cracken stattfindet (η wird geringer) und

• sich Schlamm bildet (η wird höher).

Eine Möglichkeit wäre die neuerliche Ermittlung des VI, aber das ist auf-wendig. Zwei andere Methoden sind sehr schnell und einfach:

1) Prüfen der Alkalireserve TBN = Total Base Number Titrieren bedeutet das Zugeben von Säure zu dem zu untersuchenden Stoff, bis die Lösung neutral ist. Base + Säure → Wasser + Salz Die Bestimmung der Alkalireserve erfolgt durch Titrieren. Sie gibt an, wieviel Säure das Öl aufnehmen kann. Die TBN soll über 50 % des ur-sprünglichen Wertes liegen. Die Angabe erfolgt in mg KOH/g: Die An-gaben der Hersteller schwanken zwischen TBN 3 und TBN 9.

2) Spektroskopische Methode Sind dem Öl VI-Verbesserer beigesetzt, kann die Analyse mithilfe der Infrarotspektroskopie durchgeführt werden. Polyester (ein VI-Verbesserer) haben im Infrarotbereich eine charakteristische Bande. Ist diese Bande im Infrarotspektrum nur mehr schwach ausgebildet, so ist das Öl als verbraucht anzusehen.

2.1.7. Synthetische Schmieröle

SHC = synthetic hydrocarbon

SHC-Öle sind Kohlenwasserstofföle. Erdöl oder Kohle werden gecrackt, anschließend werden neue Moleküle aufgebaut. Der Sinn in dieser Vorge-hensweise liegt darin, daß Additives im Betrieb verbraucht werden, es kommt zu einer Abmagerung des Öls, die Qualität des Öls nimmt mit der Zeit ab. In SHC-Ölen werden jene Moleküle gezüchtet, die gute Eigen-schaften haben, weshalb weniger Additives benötigt werden. Das SHC-Öl wird langsamer verbraucht, ist aber in der Anschaffung teurer. Allerdings müssen auch Entsorgungskosten und der Umweltschutz in Rechnung ge-stellt werden.

Die Erfahrung zeigt, daß fette Öle gute Schmiereigenschaften haben. Sie können aber nicht eingesetzt werden, weil sie zu schnell altern. Schuld daran ist die sekundäre Alkoholgruppe.

Deshalb werden bei der Herstellung der Esteröle nur primäre Alkohole verwendet:

Esteröl = primärer Alkohol + Dicarbonsäure + Polyethylenglykol

SHC-Öle

Esteröle

Veresterung

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Chemie für Maschinenbau Schmierstoffe Schmieröle (flüssige Schmierstoffe) 58

Sinn ist die Erzeugung von möglichst langen Molekülen, da ein hohes Mo-lekulargewicht einen hohen Siedepunkt bewirkt.

Octanol + Sebazinsäure + Polyethylenglykol

Damit können lange Ketten aufgebaut werden, allgemein:

R1 - OOC - (CH2)X - COO - [-(CH2 - CHR - O - )Y - CO - (CH2)X - COO -]Z - R1

prim. Dicarbonsäure Polyalkylenglykol Dicarbonsäure prim. Alkohol Alkohol

Polyesteröle können als teilverbrannte Kohlenwasserstofföle aufgefaßt werden. Daraus ergeben sich folgende gute Eigenschaften.

Einsatzgebiete von Esterölen:

• Flugturbinen:

1. Die großen Flughöhen bedingen eine geringe Flüchtigkeit des Öles (durch den niedrigeren Druck wird der Siedepunkt herabgesetzt). Öle für Flugturbinen brauchen also ein gutes VV-Verhalten (viscositiy - vo-lality = Viskosität - Flüchtigkeit). Für eine gegebene Viskosität sind Mineralöle zu flüchtig. Mineralöle haben eine zu hohe absolute Viskosi-tät. Das heißt, für eine gewünschte Viskosität hat das Esteröl ein hö-heres Molekulargewicht als das KW-Öl und damit einen höheren Sie-debereich.

2. Nach dem Abschalten der Turbine kommt es wegen fehlender Kühlung zu hohen Temperaturen. Deshalb muß das Öl stabil gegen thermisches Cracken sein.

3. Während des Betriebes muß das Öl eine hohe Oxidationsbeständigkeit aufweisen, also einen hochliegenden Flammpunkt (= Temperatur, bei der sich ein Stoff von selbst - ohne Zündfunken - entzündet). Der hohe Flammpunkt der Esteröle läßt sich dadurch leicht erklären, indem man diese Öle als „teilverbrannte Mineralöle“ auffaßt.

4. Die stark unterschiedlichen Temperaturen in den verschiedenen Flugphasen (Start, Flug, …) bedingen einen hohen VI von etwa 200.

• Motoren von Rennautos,

• Additives für Mineralöle.

Beispiel

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Chemie für Maschinenbau Schmierstoffe Schmieröle (flüssige Schmierstoffe) 59

Ester sind Produkte aus der Reaktion von Alkohol mit Säure. Man unter-scheidet organische Ester (mit organischen Säuren) und anorganische Es-ter (mit anorganischen Säuren):

PO

OH

OH

OH + ROH PO

O

O

OR

R

R

3

Phosphorsäure: H3PO4

Kieselsäure: H4SiO4 (=SiO2 · 2 H2O entwässert zu SiO2 = Quarz) Si(OR)4

nicht verwechseln mit Silikonölen:

Bei diesen Ölen treten Si-C-Bindungen auf. Die Si-O-Si-Bindung verleiht dem Molekül eine große Stabilität und seine Oxidationseigenschaften. Silikonöle haben einen hohen VI, aber eine schlechte Chemisorption mit Stahl, weshalb sie nicht zur Schmierung von Stahl eingesetzt

werden können. Anwendung finden Silikonöle für Hydraulikflüssigkeiten und als Schaumdämpfer in Schmierölen.

Polyether finden Anwendung als Bremsflüssigkeiten.

Ether: R - O - R

( )HO CH CH OHCH CH

OHO CH CH O CH CH OH

x− − − +

−→2 2

2 22 2 2 2

Ethylenglykol

\

EthylenoxidPolyether

1 24444 344441 24 34

1 2444444 3444444/

Im Polyether gibt es also immer noch freie Hydroxylgruppen (-OH). Diese sind stark polar, weshalb Polyether mit Wasser mischbar sind. Anders ausgedrückt: Polyether sind hygroskopisch (wasseranziehend). Das ist in der Praxis sehr wichtig, wie in den Diagrammen gezeigt wird, da Feuch-tigkeit aus der Luft durch die Entlüftungsbohrung des Ausgleichsbehälters bzw. durch Diffusion über die Bremsschläuche eindringt.

Phosphatsäu-reester

Kieselsäure-ester

SiHO

OH

OH

OH

R - Si - O - Si - O -

R R

RR

Silikonöl

Polyether

Page 60: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Schmierstoffe Schmieröle (flüssige Schmierstoffe) 60

1. komplett mischbar: Der Siedebeginn setzt zwar früher ein, wenn Wasser zugegen ist, aber er ist immer viel höher als der Siedepunkt des reinen Wassers. Ist z.B. in der Bremsflüssigkeit 15 % Wasser enthalten, so liegt der Siedebeginn der Mi-schung bei X °C.

2. komplett unmischbar: Wären Bremsflüssigkeit und Wasser komplett un-mischbar, so würde das Sieden der mit Wasser versetzten Brems-flüssigkeit bereits unter dem Siedepunkt des rei-nen Wassers einsetzen, es käme also leicht zu Gasblasenbi ldung. Diese sind unerwünscht, da sie sich leicht komprimieren lassen und dadurch bei großem Bremspedalweg keine Druckerhöhung bewirken.

Für die Hydrauliköle werden folgende Eigenschaften gefordert:

1. inkompressibel;

2. geringes Luftaufnahmevermögen und rasche Luftabgabe;

3. hohe Lasttragfähigkeit, da es gleichzeitig das Schmiermittel darstellt;

• weiters alle anderen Eigenschaften eines Schmiermittels;

• Das Verhalten gegenüber Dichtmaterialien (Simmering, …) muß getes-tet werden; es darf zu keinem Quellen oder Verspröden der Dichtun-gen kommen.

Hydraulik- und Bremsöle

Page 61: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Schmierstoffe Feste Schmierstoffe 61

2.2. Feste Schmierstoffe

Bei noch höheren Temperaturen können keine Schmieröle mehr verwen-det werden, da die Flüchtigkeit zu groß ist, z.B. in der Raumfahrt und der Luftfahrt.

In Kernreaktoren eingesetzte Schmiermittel müssen resistent gegen die radioaktive Strahlung sein.

Weiters werden feste Schmierstoffe eingesetzt, wenn hohe Lasten bei kleinen Gleitgeschwindigkeiten getragen werden müssen.

2.2.1. Schmierstoffe mit Schichtstruktur

Die Bindungen innerhalb der Schicht muß möglichst fest sein, daß die Rauhigkeitsspitzen nicht durchdringen können, während die Bindungen zwischen den Schichten locker sind, damit sich die Schichten leicht ge-geneinander verschieben können.

Graphit ist im Vakuum nicht schmierfä-hig, da etwas Wasser für die Chemisorp-tion notwendig ist. Da das Wasser im Va-kuum verdampft, kann keine Chemisorp-tion mehr aufgebaut werden.

Molybdändi-sulfid MoS2: der Schwefel bewirkt durch FeS-Bildung eine

hohe Chemisorption. Molybdändisulfid wird auch als Additiv für Schmieröle verwendet, um die Notlaufeigenschaften zu gewährleisten (= Verhinderung des Reibens Metall auf Metall selbst wenn zu wenig flüssiger Schmierstoff vorhanden ist). Der polare Stoff Molybdändisulfid kann im Schmieröl aller-dings nicht gelöst werden und wird durch HD-Zusätze in der Schwebe gehalten. Feste Schmierstoffe können auch folgendermaßen eingesetzt werden:

• Suspension (= Flüssigkeit, in der Feststoffe aufgeschlämmt sind),

• Gleitlack (= Lack, in dem anstelle der Farbpigmente feste Schmierstof-fe eingelagert sind),

• Pasten,

• Einwalzen von Schmierstoffen in Kunststoffe (z.B.: Teflon).

Graphit

Stoffe des Typs AB2

Page 62: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau SchmierstoffeSchmierung mit Gasen („Aerostatische Lagerung“) 62

Schmieröle „mit flüssigem Wolfram“: öllösliche Wolframverbindungen mit ähnlicher Wirkung wie MoS2.

2.3. Schmierung mit Gasen („Aerostati-sche Lagerung“)

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß man auch mit Gasen schmie-ren kann. Die erste Veröffentlichung einer solchen Idee stammt aus dem Jahre 1854 von Hirn.

Die Schmierung mit Gasen bietet folgende Vorteile:

• Gase sind über hohe und niedrige Temperaturen stabil, man hat also einen größeren möglichen Temperaturbereich;

• Einsparung des Abdichtens;

• Gase verschmutzen im Gegensatz zu Ölen nicht;

• Gase weisen eine geringe Zähigkeit auf; es ist die Reibung im Lager daher geringer, womit eine geringere Wärmeentwicklung einhergeht. Außerdem können höhere Lagerdrehzahlen gefahren werden.

Allerdings müssen folgende Nachteile in Kauf genommen werden:

• die geringere Viskosität erlaubt nur eine geringere Belastung des La-gers;

• außerdem kann es bei höheren Drehzahlen zu einer Flatterbewegung kommen, wogegen man eigene Spaltformen konstruieren muß.

2.4. Schmierfett

Schmierfett ist ein 2-Phasensystem, das aus nicht mischbaren Komponen-ten besteht. Deshalb ist es möglich, daß es zwei konträre Eigenschaften in sich vereint: Wird es mit geringer Schubspannung belastet, verhält es sich wie ein Feststoff; bei hohem Schergefälle wird es zu einer Flüssigkeit. Solche Stoff bezeichnet man als „rheologische Flüssigkeiten“ oder „thi-xotrope Flüssigkeiten“. Dasselbe Prinzip wird in tropffreien Lacken und Dispersionsfarben angewandt.

Page 63: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Schmierstoffe Schmierfett 63

Schmierfett besteht aus Seife und Schmieröl. Die Seife baut ein Gerüst auf, in dem das Öl kapillar gebunden ist. Bei hohem Schergefälle bricht das Gitter (reversibel, nicht ve r-wechseln mit Cracken !) zusammen, und die Mischung hat die Eigen-schaften des Öls, es wirkt als Flüs-sigkeit. In Ruhe gelassen baut sich das Seifengerüst wieder auf: Schmierfett hat die Eigenschaft der Plastizität.

Schmierfett ist eine nicht mischbare Kombination aus Seife und Öl. Bei den HD-Zusätzen des Schmieröls ha-ben wir allerdings die Seife als Modell zum Lösen von Zusätzen im Öl ve r-wendet (siehe Kapitel „Seife: Modell für einen HD-Zusatz“, Seite 53). Die-ser scheinbare Widerspruch wird durch die Löslichkeit der Seife im Öl ge-klärt. Seife löst sich im Öl bis zu einer Konzentration von maximal 6 %. Während die Additives bis maximal 1 % ins Schmieröl beigemengt werden, ist der Anteil der Seife im Schmierfett 10 bis 25 %.

Die Schmierung mit Fett bietet folgende Vorteile:

• einfachere Konstruktion;

• einfachere Wartung;

• die Schmierstelle ist immer abgedichtet, da sich ein Schmierfettkragen als Dichtung um die Lagerstelle bildet. Im Gegensatz dazu bringt Öl immer Dreck ins Lager, der im Schmierspalt abgelagert wird.

Dem steht als Nachteil die fehlende Wärmeabfuhr gegenüber. Bei Flüssig-keitsschmierung sind wegen der Wärmeabfuhr durch das Öl größere Gleitgeschwindigkeiten und damit höhere Drehzahlen möglich.

Schmierfette bestehen aus Öl und Seife. Seife wiederum besteht aus Fettsäure und Metallionen, wobei besonders letztere die Eigenschaft des Fettes bestimmen:

1. Natriumfette bauen auf dem Natriumsalz einer Fettsäure auf: Heißlagerfett wasserlöslich, temperaturbeständig.

2. Calciumfette: Staufferfett wasserunlöslich, temperaturunbeständig.

Assoziation: Haushaltsseife besteht aus Na- und K-Seife. In hartem Was-ser schäumt Seife nicht, weil sich Calciumseife bildet, die wasserunlös-lich ist (Wiederholung: hartes Wasser enthält u.a. die Ionen Ca2+ und HCO3

− ). Daher sind auch Calciumfette wasserunlöslich.

Natriumfett

Calciumfett

Page 64: Schmid - Chemie für Maschinenbau

Chemie für Maschinenbau Schmierstoffe Schmierfett 64

Wasserspuren sind allerdings notwendig, um die Kapillarkräfte zwischen dem Seifengerüst und Öl zu erzeugen. Bei hohen Temperaturen verdampft das Wasser und die Seife und das Öl trennen sich. Daher sind Calciumfet-te nicht temperaturbeständig.

3. Lithiumfette heißen Mehrzweckfette, da sie sowohl wasser- als auch temperaturbeständig sind. Nachteil ist der höhere Preis. Einerseits ist Lithium teuer, anderer-seits können nur spezielle Fettsäuren verwendet werden, die rein her-gestellt werden müssen.

Bei den billigen Staufferfetten geschieht die Herstellung in einem Arbeits-gang direkt aus dem Fett:

Herstellung von Staufferfett: Im Autoklaven werden unter hoher Tempera-tur folgende Stoffe vermischt:

10 %8 Rindertalg (billig),

4 % Fettsäure,

2 % Kalkhydrat Ca(OH)2,

1 % Wasser,

83 % Schmieröl.

In einem Arbeitsgang wird das Schmierfett in folgenden Schritten gebildet:

Fett + Lauge Hydrolyse → Fettsäure + Glycerin

Fettsäure + Ca2+ → Ca-Seife

Das Analogon zur Viskosität des Schmieröls stellt beim Schmierfett die Penetration (= „Eindringung“) dar. Um diese festzustellen läßt man einen genormten Kegel mit 150 g in das Schmierfett eindringen und mißt, wie weit der Kegel in einer Zeitspanne von 5 Sekunden in das Fett eindringt. Je höher die Penetration ist, umso weicher ist das Schmierfett.

8 Angaben jeweils in Gewichtsprozent.

Lithiumfett

Herstellung

Penetration

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1

3. Treibstoffe

3.1. Treibstoffe für Ottomotoren (engl.: petrol, am.: gasoline)

3.1.1. Bilanz der Benzinverbrennung Für technische Zwecke wird eine Materialbilanz vorgenommen, weil sie von Temperatur und Druck unabhängig ist. Hingegen ist für praktische Überlegungen eine Volumenbilanz einfacher. Gewichtsbilanz Siedebereich der Treibstoffe für Ottomotoren: 30 – 215 °C Enthaltene Komponenten: 200 – 300 verschiedene KW’s Molekülgrößen: C4 – C12 Somit ist Oktan (C8) das typische „Benzinmolekül“. Bei vollständiger Verbrennung entsteht:

C8H18 + 12.5 O2 → 8 CO2 + 9 H2O 114 g……. 400 g 1 kg……… 3.5 kg

Luft: 23.3 (Masse)% O2 (das sind 21 Vol%)

BenzinkgLuftkg 1/02.151003.23

5.3=

Theoretischer (= stöchiometrischer) Luftbedarf = air-fuel-ratio AF 14.7 - 15 Tatsächlich hängt er von den Bedingungen ab: 14 : 1 für halboffene und 12.5 : 1 für offene Drosselklappe Volumenbilanz 1 mol Gas nimmt bei Normalbedingungen (0 °C; 1.013 bar) einen Raum von 22.41 L ein. 12.5 mol O2 = 280 L O2 (100/21) = 1333 L Luft

1 mol Oktan: Luft = VolLL

7.11333

41.22= %

Zündfähige Gemische liegen zwischen 1 – 8 Vol%, das schließt glücklicherweise die stöchiometrische Reaktion mit ein. Hören und sehen Sie den Unterschied zwischen einer explosionsartigen und langsamen Verbrennung in einem einfachen Experiment:

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2

Versuch 1 L Mensur Verdampfen 1 Tropfen aus Pipette ~ 0.01 mL → 10 mL Gas = 1 Vol % 5 Tropfen Pentan (n-C5) → 5 Vol % Explosion bei Zündung 12 Tropfen 12 Vol % langsame Verbrennung

Bedingung für eine Explosion: a) stark exotherme Reaktion b) Erhöhung der Gasmolzahl ∆ ng C8H18 + 12.5 O2 → 8 CO2 + 9 H2O 13. 5 mol 17 mol Von einer Explosion spricht man, wenn sich die Flammenfront mit einer Geschwindigkeit von 7 – 8 000 m/s ausbreitet. Im Motor sind es ca. 20 m/s. Das ist eine milde Explosion. Echte Sprengstoffe haben eine Detonationsgeschwindigkeit von 3.500 – 7000 m/s. Luftverhältnis

LuftbedarfhertheoretiscLuftmengezugeführte

Für ein zündfähiges Gemsich liegt ? für Ottomotoren zwischen 0,6 und 1,4. ? < 1 Luftmangel, fettes Gemisch ? > 1 Luftüberschuss, mageres Gemisch

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3

Neben dem Benzinverbrauch eines Autos wird heute auch die CO2 Emission angegeben. Ihr Auto braucht 9.1 L/100 km. Berechnen Sie die CO2 Emission in g/km. Die Dichte von Benzin beträgt ca. 0.77 g/mL

gkg

gLkg

kmL

1.701

1000177.0

1001.9

=

C8H18 + 12.5 O2 → 8 CO2 + 9 H2O 114 g 352 g 70.1 g x x = (352 g CO2/114 g Benzin) (70.1) = 216 g/km (das sind 21.6 kg CO2 pro 100 km!!) Schadstoffe Neben den Produkten der vollständigen Verbrennung, Kohlendioxid und Wasser, sind die folgenden gasförmigen Schadstoffe im Abgas enthalten: • Kohlenmonoxid CO • Un- oder teilverbrannte HCs (VOC volatile organic compounds) • Stickoxide NOx (ein Gemisch von NO und NO2) • Schwefeldioxid SO2 (aus dem Kraftstoffschwefel) Chemischer Hintergrund: CO Es ist ein starkes Gift, weil es an das Hämoglobin stärker gebunden wird als O2 und somit die Sauerstofftransportkapazität des Blutes herabsetzt. 0.3Vol% in der Atemluft wirken in 30 min tödlich. Obwohl die Überführung von CO zu CO2 exotherm ist (es wird Wärme frei), CO + ½ O2 → CO2 ∆H° = -283.2 kJ ist dieser Prozess wegen der Stabilität des CO gehemmt. Im CO liegt eine Dreifachbindung vor wie im Distickstoff N2, mit dem es isoelektronisch ist (10 Valenzelektronen): C O N N Bindungsstärke 1076 kJ 945 kJ Die größere Bindungsstärke im CO ist die Folge von zusätzlichen elektrostatischen Kräften aufgrund der Bindungspolarität (O hat eine größere Elektronegativität als C). Als Ergebnis hat Kohlenmonoxid die größte Bindungsstärke aller zweiatomigen Moleküle, gefolgt von N2. Bei der Oxidation zu CO2 muss aus dieser Dreifachbindung eine Doppelbindung werden. Die notwendige Schwächung der Bindung im CO Molekül wird im Abgaskatalysator durch Bindung an ein Metall eingeleitet (siehe Abgaskatalyse).

Page 68: Schmid - Chemie für Maschinenbau

4

NOx Die beiden bekanntesten Stickoxide sind NO und NO2. Da sie in Gegenwart von Luft und Licht stets gemeinsam vorkommen, werden sie in der Formel NOx zusammengefasst. Beide Oxide sind Radikale, da sie eine ungerade Valenzelektronenanzahl aufweisen (11 für NO und 17 für NO2).

Definition: Radikale sind Moleküle oder Atome, in denen sich die beiden Spin-Sorten (spin-up ↑ und spin-down ↓) zahlenmäßig unterscheiden. Radikale reagieren im Allgemeinen bevorzugt mit Radikalen unter Errichtung einer Atombindung analog zu der Bildung von H2 aus 2 H.

An sich dürfte es weder NO noch NO2 geben, da es endotherme Verbindungen sind: N2 + O2 = 2 NO ∆H° = +180.5 kJ N2 + 2 O2 = 2 NO2 ∆H° = +66.4 kJ Das heißt, sie sollten sich unter Energieabgabe spontan zu N2 und O2 umsetzen Diese Rückwandlung ist aber kinetisch gehemmt. Stoffe, die energetisch nicht stabil sind, aber trotzdem, wenn sie einmal gebildet sind, eine geraume Zeit existieren, nennt man metastabil. Da endotherm, wird ihre Bildung bei hohen Temperaturen begünstigt (Anwendung des Le Chatelier-Braun’sches Prinzips). Deshalb steigt die NOx Emission mit dem Verdichtungsverhältnis, das über die Jahrzehnte ständig erhöht wurde, um die Leistung zu steigern. Bei Motoren älteren Typs war die Bildung von NOx kein Problem (1950: 25 PS und heute: > 65 PS pro Liter Hubraum). Den Einfluss der Temperatur auf die Entstehung der Stickoxide zeigt folgendes Diagramm.

Das Ausmaß einer chemischen Reaktion wird durch die Gleichgewichtskonstante angegeben:

][][Re

eLinksstoffchtsstoffe

Π=

Das Zeichen Π bedeutet Produkt. Das heißt, K ist das Produkt der Konzentrationen der Produkte bezogen auf das der Edukte. Ein negativer Wert von ln (K) zeigt an, dass die Reaktion ungünstig ist. Da die Umwandlung NO + ½ O2 = 2 NO2 ∆H° = -57.1 kJ exotherm ist, sinkt der Umsatz mit Temperatur-Erhöhung.

Das Problem der Stickoxide in der Troposphäre (< 10 km Höhe) besteht darin, dass sie im Sommersmog durch photochemische Reaktionen die Bildung des Reizgases Ozon (O3) (Schädigung der Schleimhäute und Beeinträchtigung der Lungenfunktion) provozieren. Die komplexen Reaktionen kann man etwa wie folgt zusammenfassen:

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hν 320-420 nm NO2 → O + NO (1) O + O2 → O3 (2) Das in Reaktion (1) gleichzeitig entstandene NO wirkt allerdings ozonabbauend, NO + O3 → NO2 + O2 (3) sodass sich ein photostationärer Zustand mit relativ geringem Ozongehalt einstellt. Eine echte Nettoproduktion von O3 erfolgt erst dann, wenn NO auf einem anderen Weg als (3) oxidiert wird. Diesen Part übernehmen die Kohlenwasserstoffe RH + OH• + O2 → ROO• + H2O (4) NO + ROO• → RO• + NO2 (5) So entsteht ein Kreislauf, der bei jedem Umlauf zusätzliches Ozon produziert. Das in Glg (4) enthaltene Hydroxyl-Radikal OH• entsteht auf folgende Weise: hν = 340 nm O3 → O* + O2 O* bedeutet ein elektronisch angeregtes Sauerstoffatom. (Mit hν > 340 nm entsteht O im Grundzustand). O* (aber nicht O) reagiert mit Wasserdampf, O* + H2O → OH• + OH• (6) Abhängigkeit der Abgasemission vom Luftverhältnis ?:

ohne Abgaskatalysator mit Abgaskatalysator (siehe später) CO entsteht bei unvollständiger Verbrennung durch Luftmangel oder zu niederer Temperatur, NOx entsteht bei Luftüberschuss und zu hoher Temperatur, VOC bei verzögertem Brennverlauf und Verbrennungsstörungen, z.B. Zündaussetzer.

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Verbrennung im Ottomotor

Das aus der Erdöldestillation gewonnene Rohbenzin (straight-run gasoline, Naphtha) kann nicht direkt als Treibstoff eingesetzt werden, weil es unter klopfenden und klingelnden Geräuschen verbrennen würde Das Klopfen entsteht durch unkontrollierte Selbstzündungen außerhalb der Flammenfront, was sich durch extreme Druck- und Temperatursteigerungen bemerkbar macht. Diese setzen die Lebensdauer und den Wirkungsgrad des Motors herab. Die Tendenz zum Klopfen erhöht sich mit dem Verdichtungsverhältnis. Die Klopffestigkeit ist das wichtigste Qualitätsmerkmal für Ottokraftstoffe. Sie wird durch die Oktanzahl (OZ oder ON aus dem Englischen octane number) angegeben.

Zerstörter Kolben nach längerem Betrieb unter klopfenden Bedingungen

Oktanzahl Zur Bestimmung der Klopffestigkeit wurden zwei Reinstoffe als Bezugssubstanzen ausgewählt. Dem sehr klopffreudigen n-Heptan wurde willkürlich die Oktanzahl 0 und dem sehr klopffesten „iso-Oktan“ (2,2,4-Trimethylpentan) die Oktanzahl 100 zugeordnet.

n-Heptan

2,2,4-Trimethylpentan = iso-Oktan

Oktanzahl = 0

Oktanzahl = 100

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Es wird nun eine Mischung der beiden hergestellt, die dieselbe Klopfeigenschaft wie der zu klassifizierende Kraftstoff hat. Der Gehalt der Testmischung an iso-Oktan in Prozent ist dann die Oktanzahl des untersuchten Kraftstoffs. Gemessen wird in genormten Einzylinder-Prüfmotoren (CFR-Motor (Cooperative Fuels Research) oder BASF-Motor), bei denen durch Verschieben des Zylinderkopfes das Verdichtungsverhältnis kontinuierlich verändert werden kann. Das Einsetzen des Klopfens erkennt man durch eine plötzliche Drucksteigerung, die mit einer elektronischen Messvorrichtung registriert wird. Um die Skala nach oben empirisch zu erweitern, wird als Eichsubstanz iso-Oktan mit Zusätzen von TEL (siehe unten) verwendet. Je nach Prüfbedingungen unterscheidet man zwischen der Research-Methode (ROZ) und der Motor-Methode (MOZ). Die Bedingungen bei der Motor-Methode sind härter als bei der Research-Methode: höhere Motordrehzahl (900 gegenüber 600 U/min). Außerdem wird bei der Motormethode das Gemisch auf 165 °C vorgewärmt. Folglich ist die ROZ immer größer ist als die MOZ. Daneben gibt es noch die Front-Oktanzahl (FOZ) für die flüchtigeren Anteile des Kraftstoffs (Siedebereich < 100 °C). Ist die FOZ zu niedrig, kommt es zum Beschleunigungsklopfen. Ist die MOZ zu niedrig, neigt der Kraftstoff zum Hochgeschwindigkeitsklopfen. Die Differenz ROZ-MOZ wird als „Sensitivity“ bezeichnet. Sie gibt die Temperaturempfindlichkeit der Klopffestigkeit an und ist bei Kraftstoffen mit hohem Alkan-Gehalt gering, bei Kraftstoffen mit hohem Gehalt an Alkenen und Aromaten hoch. Benzin mit hoher Sensitivity verliert besonders bei hohen Drehzahlen an Klopffestigkeit. Die ROZ gilt für die Beschleunigung aus niedrigen Drehzahlen, die MOZ bei höheren Drehzahlen und Volllast. Um die Ursache des Klopfens zu verstehen, behandeln wir kurz den

Mechanismus der Benzinverbrennung Bei der Verbrennung der Kohlenwasserstoffe zu CO2 und H2O handelt es sich um eine komplexe, im Detail immer noch nicht ganz geklärte Reaktion, bei der alle C-C und C-H Bindungen des Treibstoffes geknackt werden müssen. Selbst die einfachste Verbrennung, die des Methan CH4, verläuft über mindestens zehn Zwischenstufen. Charakteristikum: O2 liegt im Grundzustand als Biradikal (zwei ungepaarte Elektronen) vor, weil die 12 Valenzelektronen nicht als 6 spin-up und 6 spin-down, sondern günstiger als 7 spin-up und 5 spin-down (bzw.umgekehrt) vorliegen. Dadurch wird die Elektron-Elektron Abstoßung reduziert und die Kern-Elektron-Anziehung größer. Erst im angeregten Zustand kann O2 nach der Lewis-Strichformel angeschrieben werden. (Zur Erinnerung: ein Strich bedeutet ein Elektronenpaar mit umgekehrten Spins (↑↓).

O O

O O

Grundzustand angeregter Zustand Reagiert als Radikal Olefin (Doppelbindung)

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Da die Kohlenwasserstoffe (HCs) nur gepaarte Spins haben, besteht zwischen ihnen und O2 keine Affinität. Zuerst müssen aus den HCs Radikale gebildet werden („Cracken“). Das wird im Ottomotor durch Fremdzündung erreicht. An die Radikale kann sich dann O2 unter Bildung von Peroxiden anlagern. Nomenklatur der Radikale, d.h. der organischen Reste: Wird von einem aliphatischen HC ein H weggenommen, entsteht ein Alkyl-Radikal „R“: Aus CH4 wird Methyl CH3, aus Ethan Ethyl C2H5, usw. Wird ein H-Atom aus dem Kern eines aromatischen HCs entfernt, verbleibt die Aryl-Gruppe „Ar“. Die einfachste Arylgruppe ist die Phenylgruppe „Ph“oder „Φ“ C6H5 aus dem Benzol C6H6 Prinzipieller Ablauf der Verbrennung von HCs: Start: R-R → R• + R• Alkylradikale R• + O2 → ROO• Alkylperoxidradikal ROO• + RH → R• + ROOH Alkylhydroperoxid Verzweigung ROOH → RO• + HO•

Alkoxyradikal Hydroxylradikal RO• Radikale reagieren dann mit RH unter Bildung von Alkoholen (ROH), Ketonen (R2CO), Aldehyden (RCHO) weiter. OH• gibt mit HCs Wasser: HO• + RH → R• + H2O RO• können sich auch weiter zerlegen wie z.B. C3H7(CH3)2CO• → CH3COCH3 + C3H7

• In einer weiteren Phase werden C-H Bindungen unter Bildung von Radikalen und H2 gespalten. Das kann hinunter bis zu Kohlenstoff-Radikalen C• gehen (Russbildung). Schließlich finden die Reaktionen statt, die die Hauptenergiequelle darstellen, z.B. C + ½ O2 → CO CO + OH → CO2 + H H + OH → H2O H2 + ½ O2 → H2O Es ist nun wichtig festzuhalten, dass die verschiedenen Radikale unterschiedlich reaktiv sind. Radikale sind umso reaktiver, je mehr ungepaarte Spindichte auf einem Atom lokalisiert ist. Umgekehrt wird ein Radikal stabilisiert, wenn diese Spindichte auf andere Atomgruppen verteilt wird. Atomgruppen, die ungepaarte Spindichte übernehmen, sind: 1) Aryl, z.B. Phenyl („Konjugation“)

2) Methyl („Hyperkonjugation“) Außerdem geben die Fremdatome N und O leichter ungepaarte Spindichte ab.

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Hyperkonjugation erniedrigt die ungepaarte Spindichte am Kohlenstoff:

CH3 CH3C

CH3

CH3

CH3C

CH3

CH3C> >>

H

H H

So sinkt die Reaktivität der Radikale in den Reihen HO• > RO• > PhO• RCH2

• > R2CH• > R3C• primäres sekundäres tertiäres C-Atom Me-CH2

• > Me-NH• > Me-O•

Bei Kombinationen bilden sich natürlich immer die weniger reaktiven Radikale, z.B.: HO• + ROH → H2O + RO• RO• + PhOH → ROH + PhO• RCH2

• + R3CH → RCH3 + R3C• Me-CH2

• + MeOH → Me-CH3 + MeO• (Me = Methyl). Zur klopfenden Verbrennung kommt es, wenn sich in der Anfangsphase der Verbrennung zu reaktive Radikale bilden, im besonderen OH•. Demgemäß gibt es zwei prinzipielle Methoden, die Klopffestigkeit zu erhöhen:

1) Die Struktur der HCs verändern, damit sie weniger reaktive Radikale bilden. 2) Zugabe von Klopfbremsen (antiknocking agents). Das sind Radikalwandler, die

reaktive Radikale in weniger reaktive umwandeln. Heute wird eine Kombination von beiden Methoden angewendet. In den Anfängen hat man aber nur an Zusätze gedacht. Als 1918 zum ersten Mal die Klopffestigkeit des Benzins durch Zusatz von Anilin verbessert wurde, ermöglichte das eine Erhöhung des Verdichtungsverhältnisses von 4 auf 7. Dabei konnten 40 Prozent Kraftstoff eingespart werden. Abgesehen von Anilin wurden bei General Motors (GM) die Wirksamkeit von zwei Verbindungen erkannt: Ethanol (EtOH, C2H5OH) Charles Kettering (1917) Bleitetraethyl (BTE, (C2H5)4Pb Thomas Midgely Jr. (1921) Im Englischen wird Bleitetraethyl mit TEL abgekürzt (Tetraethyl lead). Obwohl man die Gesundheitsschädlichkeit von Bleiverbindungen schon lange kannte, hat man sich trotzdem für BTE entschieden, weil man diese Verbindung patentieren konnte, EtOH aber nicht!!!!!!!!!! Außerdem ist die Wirksamkeit von BTE besser. So wurden allein in den USA von 1923 bis 1986 7 Millionen Tonnen Bleiverbindungen dem Benzin zugesetzt. Seitdem es seit 1976 schrittweise aus dem Verkehr gezogen wurde, hat sich der Bleispiegel im Blut der US-Bürger um 75% erniedrigt (!).

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Außer TEL (Tetraethyllead) wurde auch PbMe4 (TML) eingesetzt. Diese beiden Verbindungen liegen im Siedebereich des Benzins (Sdp TEL 200 °C, TML 110 °C). Die gemischten Organyle haben Siedepunkte zwischen diesen beiden Werten. Die Wirkungsweise der Bleiverbindungen ist komplex. Auf alle Fälle ist das reaktive Agens atomares Blei Pb(g), das sich durch Cracken aus PbR4 bildet, PbR4 → Pb(g) + 2 R-R Dies geht leichter als das Cracken einer C-C Bindung, da wegen des großen Atomradius des Blei die Pb-C Bindung viel schwächer ist. Pb(g) kann nun hoch reaktive OH-Radikale abfangen unter Bildung von Bleihydroxid Pb(g) + 2 OH• → Pb(OH)2 Für diesen Mechanismus spricht, dass in Gegenwart von PbR4 kein Wasserstoffperoxid (H2O2) im Abgas nachgewiesen werden kann (dieses entsteht durch Rekombination von zwei OH Radikalen). Bei den hohen Temperaturen gibt dann Pb(OH)2 Wasser ab, Pb(OH)2 → PbO + H2O Nach einem anderen Vorschlag wird Pb(g) durch O2 oxidiert, Pb + 2 O2 → PbO2, das Peroxide oxidativ zerlegt, bevor sie OH Radikale bilden, PbO2 + sek-ROOH → ROH + O2 + PbO PbO2 + prim-ROOH → RCHO + O2 + PbO + H2O Das entstehende PbO hatte einen Nachteil und einen Vorteil. Nachteil: Es bildeten sich Ablagerungen im Verbrennungsraum, bes. an den Zünd-kerzenisolatoren. Deshalb musste ein „Scavenger“ (Verflüchtiger) in Form von Ethylendibromid und Ethylendichlorid zugesetzt werden, die mit PbO flüchtige Verbindungen bilden. Ein Gemisch der Bleiorganyle mit insgesamt 35 % dieser Halogenide ist unter dem Namen „Fluid“ bekannt. PbO + C2H2Cl2 → PbCl2 + VOC PbCl2 ist bei 800 °C gasförmig, damit gelangt giftiges Pb in die Umwelt. Vorteil: PbO ist schmierfähig. Das war günstig für die Schmierung zwischen Ventilen und Ventilsitzen. Es hinterlässt bei der Verbrennung einen Schutzfilm, was den Verschleiß positiv beeinflusst und auch eine schlagdämpfende Wirkung hat. Ohne diesen Schutzfilm entstehen zwischen Ventil und Ventilsitz mikroskopische Verschweißungen, was wiederum zur Folge hat, dass feinste Partikel zurückbleiben, die wie Schleifpaste wirken. Deshalb kam es bei älteren Autos zu einem hohen Ventilverschleiß, als man bleifreies Benzin einführte.

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Dies wurde dadurch behoben, dass alle Motoren ab dem Baujahr 1986 gehärtete Ventilsitzringe erhalten haben. Neben den Bleiverbindungen hat man auch andere Metallorganyle (das sind Verbindungen mit Metall-Kohlenstoffbindungen) in Erwägung gezogen, etwa des Mangan oder des Eisen. Aber speziell seit dem Einsatz der katalytischen Nachverbrennung des Abgases („Abgaskatalysatoren“, siehe später) ist man von den metallhältigen Klopfbremsen abgekommen, nicht nur wegen der Umweltschädlichkeit. Der Grund ist, dass Metallverbindungen bei der Verbrennung Rückstände bilden, sogenannte Asche, die sich auf der Oberfläche des Katalysators niederschlägt und ihn dadurch „vergiftet“ (catalyst poisening). Deshalb werden immer mehr metallfreie Klopfbremsen eingesetzt. Das waren anfangs Stickstoffverbindungen: Anilin und Anilinderivate So wurde zwischen 1955 und 1963 das N-Methylanilin dem bleifreien Superbenzin einer großen deutschen Mineralölfirma in Mengen um ein Prozent zugesetzt.

N-Methylanilin PhNHMe + R• → RH + PhN•Me

Heute werden fast ausschließlich die besser wirkenden Sauerstoffverbindungen, so genannte Oxygenate eingesetzt. Sie heißen so, weil sie zusätzlichen Sauerstoff für die Verbrennung zur Verfügung stellen. Dazu gehören die Alkohole ROH und die Ether ROR.

Tertiärbutylalkohol (TBA) Herstellung: H2O CH2=C(Me)2 → (Me)3COH (H2SO4)

iso-Buten wird aus Crackgasen gewonnen Wirkungsweise: OH• + (Me)3COH → H2O + (Me)3CO• R• + (Me)3COH → RH + (Me)3CO• Das Radikal (Me)3CO• ist stabilisiert.

Methyltertiärbutylether (MTBE) Herstellung: (H+) CH2=C(Me)2 + MeOH → (Me)3COMe

NH CH3

C

CH3

CH3 OH

CH3

C

CH3

CH3 O

CH3

CH3

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Wirkungsweise: OH• + (CH3)3COCH3 → H2O + (C•H2)(CH3)2COCH3 (C•H2)(CH3)2COCH3 → CH2=C(CH3)2 + CH3O• iso-Buten oder OH• + (CH3)3COCH3 → H2O + (CH3)3COC•H2 (CH3)3COC•H2 → CH2O + (CH3)3C• Formaldehyd Analog zu oben reagiert statt OH• auch R•. Nachteil von MTBE: Wenn es aus lecken Tanks oder Pipelines in den Boden sickert, kommt es ins Grundwasser, in dem es etwas löslich ist. Bereits 15 ppb (parts per billion) geben dem Wasser einen schlechten Geschmack. Außerdem ist MTBE krebserregend und erhöht den Gehalt von Formaldehyd im Abgas. Die Verwendung von MTBE ist z.B. in Kalifornien seit 2003 verboten. Alternative: Bioethanol. Neben MTBE sind auch andere Ether in Verwendung wie Ethyl-tert.-Butylether (ETBE) oder tert.-Amylether (TAME).

Herstellung von Reformatbenzin

Heute wird die Klopffestigkeit des Benzins in erster Linie durch Umwandlung von klopffreudigen in klopffestere HCs erreicht. Diesen Prozess nennt man Reformieren. Dabei wird Schwerbenzin bei etwa 530 °C in Gegenwart von Wasserstoff an edelmetallhaltigen Katalysatoren, besonders Platin, umgewandelt. Durch den „Platinum reforming“ Prozess, der unter der Bezeichnung Platforming bekannt ist, wird Reformatbenzin erhalten. Wir haben gesehen, dass Aryl- und Methylgruppen die

Stabilität von Radikalen erhöhen. Dies wird gut im folgenden Diagramm herausgestellt, in dem die Größe der Moleküle durch den Siedepunkt repräsentiert wird.

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Zusammenhang zwischen der Klopffestigkeit und der Struktur der Kohlenwasserstoffe Man erkennt: • Mit steigender Kettenlänge der n-Alkane sinkt die Klopffestigkeit beträchtlich. Bereits n-C8 hat ROZ ~ -20. Ab n-C11 ist die Zündwilligkeit so groß, dass keine Fremdzündung nötig ist. Die Fraktion der Dieseltreibstoffe geht von C11-C20. • Die Flüssiggase Propan und Butan (LPG= Liquefied petroleum gas) haben eine so hohe Klopffestigkeit, dass keine Additives nötig sind. (Es gäbe auch keine.) • Durch Verzweigung der Alkane steigt die Klopffestigkeit. Das ist gleichbedeutend mit der Erhöhung der Zahl der Methylgruppen. Vgl. n-C7 hat nur 2 Methylgruppen und iso-Oktan hat 5. • Aromate haben eine hohe Klopffestigkeit. Heute wird versucht, die Oktanzahl eher durch Isomerisierung (iso (griech.) = gleich; meros = Teil), d.h. Verzweigungen von Alkanen bei gleich bleibender Molekülgröße) zu erreichen als durch Aromate. Nicht nur, dass Aromate Umweltgifte sind, haben sie eine hohe Sensitivity (ROZ-MOZ) und neigen daher zum Hochgeschwindigkeitsklopfen. Daher ist man mit der Erhöhung des Aromatenanteils beschränkt.

Oktanzahlen der isomeren Hexane und einiger Aromaten

Summenformel ROZ MOZ n-Hexan C6H14 25 26 2-Methylpentan C6H14 73 73 3-Methylpentan C6H14 75 74 2,2-Dimethylbutan C6H14 92 92 2,3-Dimethylbutan C6H14 104 95 Benzol C6H6 99 91 Toluol C7H8 110 103 o-Xylol C8H10 120 102 m-Xylol C8H10 118 115 p-Xylol C8H10 117 111 Ethylbenzol C8H10 107 98

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Motorenbenzol Im Fahrbenzin sind die Aromaten Benzol, Toluol (Methylbenzol), die Isomere des Xylols (Dimethylbenzol) und Ethylbenzol. Sie werden gemeinsam als BTX-Aromaten bezeichnet. Da Benzol krebserregend ist, darf es seit 2000 in der EU nur noch zu 1% im Benzin vorhanden sein. Zurzeit wird es durch aufwändige Destillation aus dem Benzin entfernt. Neuerdings werden Membranfilter getestet, um spezifisch Benzol aus dem Benzin zu filtern. Der Benzolgehalt im Abgas steigt proportional zum Benzolgehalt im Kraftstoff an. Weiters hat man gefunden, dass eine Aufstockung von handelsüblichen Kraftstoffen mit etwa 10% Toluol oder Xylolen zu keiner Erhöhung der Benzolemission führt. Der Gehalt dieser Aromate beträgt > 10% Toluol, > 10% Xylol und >3% Ethylbenzol. Daraus ergeben sich folgende Typen von Reformerreaktionen

ROZ <0 >115

+ 4 H2

n-C5 3-Methylbutan

ROZ 62 92

Isomerisieren

Dehydrieren

Dehydrocyclisieren

Methylcyclohexan

n-C8

Toluol

ROZ 75 >115

+ 3 H2

o-Xylol

Hydrocracken

n-C7

+ H2 +

C3 i-C4

ROZ 0

Page 79: Schmid - Chemie für Maschinenbau

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Normgerechte Kraftstoffe werden aus verschiedenen Produkten der Raffinerien gemischt und ergeben den „Kraftstoffpool“

Kraftstoff-PoolNormal: 91Super: 95Super Plus: 98

katal. Crackbenzin86-93

Reformat90-95

Leichtbenzin63-77

Pyrolysebenzin95-100

Alkylatbenzin 92Polymerbenzin 93

MTBE114

MeOH/TBA (1:1)115

Butani-Pentan92-99

Bleialkylemax. 0.013 g Pb/L

Legende: Reformat: hat die größte Bedeutung und ist mit etwa 45% am Kraftstoffpool beteiligt. Katalytisches Crackbenzin: wird aus schwerem Heizöl gewonnen. Es ist reich an Alkenen und macht ca. 33% des Kraftstoffpools aus. Leichtbenzin: die leicht flüchtige Fraktion aus der Erdöldestillation Butan und i-Pentan dient zur Einstellung des Dampfdrucks. Das ist besonders für den Kaltstart im Winter erforderlich. Deshalb haben Winterkraftstoffe einen höheren Anteil an leicht verdampfbaren Komponenten. Alkylat- und Polymerbenzin wird nur von wenigen Raffinerien produziert und hat deshalb nur regionale Bedeutung. Pyrolysebenzin: Die Pyrolyse, auch thermisches Cracken genannt, dient zur Herstellung kurzkettiger Olefine (Ethylen, Propylen, etc.) aus Erdölfraktionen. Beim Cracken (Spalten) der größeren gesättigten HC-Moleküle unter Anwendung von Hitze in Gegenwart von Wasserdampf („Steamcracken“) entstehen daneben auch BTX-Aromate. Nach ihrer Abtrennung kommt der Rest in den Kraftstoffpool. MeOH/TAB: Methanol alleine wird dem Benzin nicht zugemischt, weil es zu polar ist (der Rest R ist sehr klein) und es durch Kondenswasser im Lagertank aus dem Benzin herausgelöst werden würde. In diesem Fall wirkt TAB wie ein Lösevermittler. Bleialkyle: Auch dem bleifreien Benzin werden geringe Mengen an PbR4 zugesetzt. Daher wäre die Bezeichnung „bleiarm“ besser. Mit 0.013 Gramm Blei pro Liter enthält es aber nur ein Zehntel dessen, was im verbleiten Benzin verwendet wurde (0.15 g Pb/L). Nach wie vor ist die Verwendung von Bleiverbindungen die effizienteste Methode der Oktanzahlerhöhung wie nachstehende Tabelle zeigt.

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Effizienz einiger Klopfbremsen

Stoff Formel Wirkkonzentration (Vol%) Bleiorganyle PbR4 max. 0.06 Pentacarbonyleisen Fe(CO)5 0.2 N-Methylanilin PhNHMe 1.5 Anilin PhNH2 2.5

Warum ist Euro-Super auf ROZ = 95 eingestellt? In den letzten Jahren wurden wiederholt Untersuchungen angestellt, um die gesamtenergetisch optimale Oktanzahl des unverbleiten Kraftstoffpools zu ermitteln. Eine Erhöhung der Oktanzahl erlaubt

a) ein höheres Verdichtungsverhältnis und führt damit zu niedrigerem Kraftstoffverbrauch.

b) Auf der anderen Seite steigt mit der Erhöhung der Oktanzahl der Energieverbrauch für die Herstellung des Benzins, unter anderem wegen der schlechteren Ausbeuten beim Reformieren.

Vergleichende Studien zeigten, dass der Energiemehrverbrauch für ROZ ≈ 94 ein Minimum hat. Es sei bemerkt, dass der Nettoenergieverbrauch bei unverbleitem Kraftstoff immer höher ist als bei verbleitem, denn der Zusatz von Bleialkylen ist die energiesparendste Methode zur Oktanzahlerhöhung.

Andere Zusätze zu Benzin (außer den Klopfbremsen) Rückstandskontroll-Additive Bei der Verbrennung entstehen Rückstände in form von festen Ablagerungen und Verklebungen (deposits) an Einspritz- und Einlassventilen und im Brennraum. Daraus resultieren negative Auswirkungen auf Motorleistung, Verbrauch und Abgas-Emission. Ablagerungen im Brennraum erhöhen den Oktanzahlbedarf des Motors (ORI, octan requiremnt increase), können Ölschlamm und sogar Motorschäden verursachen. Der Oktanzahlbedarf eines neuen Motors mag um 6-9 Einheiten kleiner sein als der einer Maschine nach 25.000 km. Besonders die modernen Motorkonzepte, magere Gemische,

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höhere Temperaturen, niedrige Drehzahlen und Direkt-Einspritzanlagen haben die Problematik verschärft. Seit langem eingesetzte Additive haben einen „keep clean und clean up“ Effekt, der mit Detergentien (Detergents) und Dispergentien (Dispersants) erreicht wird.

Benzeolsulfonsäure-Na Salz Detergent/Dispersant

Alterungsstabilisatoren – Antioxidatien/Metalldeaktivatoren Kraftstoffe benötigen zur Verbesserung ihrer Lagerstabilität (ca. 5 Jahre) Alterungsstabilisatoren, damit der oxidative Angriff des Luftsauerstoffs auf reaktive Kraftstoff-Komponenten, z.B. Alkene, unter Bildung von Peroxiden und löslichen/unlöslichen harzartigen Gum vermindert wird. Als Antioxidantien haben sich aromatische Amine und substituierte Phenole bewährt, z.B.

2,6-Ditertiärbutyl-4-methylphenol Wie wirkt es als Antioxidans? Das entstehende ArO• Radikal ist (durch Konjugation und Hyperkonjugation) stabilisiert. Peroxide erniedrigen die Oktanzahl und greifen

Kunststoffe/Elastomere im Kraftstoffsystem an. Löslicher Gum bildet Ablagerungen und Verklebungen (Deposits) und unlöslicher Gum kann Kraftstoff-Filter zusetzen. Die Oxidation der Kraftstoffmoleküle wird durch Metall-Ionen wie Cu2+ Co2+ und Fe2+ beschleunigt. Kupfer- und Kobalt-Ionen kommen durch das Süßen des Benzins in den Treibstoff. Beim „Süßen“ werden übel riechende Mercaptane RSH entfernt. Das geschieht durch Metallkomplexkatalyse. Eisen-Ionen entstehen durch den Abrieb. Um die Metallionen unschädlich zu machen, setzt man Komplexbildner zu, die die Metallionen einhüllen und damit desaktivieren. Besonders geeignet sind Verbindungen, die mehrere Koordinationstellen haben, so genannte Chelatbildner.

N,N’-Disalicyliden-1,2-propandiamin Metalldeaktivator

OH

C(CH3)3(H3C)3C

CH3

O

CH CHN

HC

N

O

CH3

CH2

H H

SO3Na

R

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Korrosionsinhibitoren In Gegenwart von Luftsauerstoff, Luftfeuchtigkeit und elektrischen Potentialdifferenzen kann es zu Metallkorrosion an Leitungen und Behältern kommen, nicht im Tank, dieser ist (hoffentlich) kunststoffbeschichtet. Man setzt Inhibitoren zu, welche die Metalloberfläche mit einem Schutzfilm passivieren. Diese wirken nur bei niedrigen Temperaturen, weil die Inhibitor-Moleküle bei Temperaturerhöhung in den Kraftstoff abdiffundieren. Chemisch sind die Inhibitoren mesit Carbonsäuren (Naphtensäuren) oder ihre Salze.

Naphthensäure-Na Salz Korrosionsinhibitor

Vereisungshemmstoffe Der verdampfende Kraftstoff kühlt Bauteile um bis zu 20 °C ab. Dies kann so effektiv sein, dass die Feuchtigkeit der Ansaugluft als festes Eis auskristallisiert und die Gemischbildung stört. Früher war dieser Vorgang als „Vergaservereisung“ bekannt. Aber auch bei den heutigen Direkt-Einspritz-Systemen kann es Probleme geben. Konstruktive Maßnahmen, z.B. eine Vorwärmeinrichtung und die Additiv-Chemie lösen das Problem. Dazu gibt es zwei Arten von Additiven

1) Oberflächenaktive Stoffe, die einen hydrophoben Schutzfilm auf den Metallteilen bilden.

2) Kryoskopische Zusätze, die den Gefrierpunkt des kondensierten Wassers herabsetzen. Dazu werden Alkohole (Methanol, iso-Propanol und Glykole (mehrfache Alkohole)) in Konzentrationen von 0.03-1% zugesetzt, im besonderen

Diethylenglykolmonomethylether

Rückstandsumwandler Bei der Verbrennung von verbleitem Benzin entsteht Asche (PbO, Ruß, Metrallabrieb, Verbrennungsresten aus Additiven im Benzin oder Schmieröl) Diese hat eine niedrige Glühtemperatur. So kann es zu unerwünschten Selbstzündungen, die durch die Verbrennungsrückstände an Kolben, Ventilen, Zündkerzen oder Zylinderwand ausgelöst werden, kommen (Glühzündungen). Durch Zusatz von Phosphorsäureestern entsteht Bleiphosphat, das eine höhere Glühtemperatur hat. Besonders interessiert ist man an Mehrzweck-Additiven (Multi Purpose Additives), die einen breiten Anwendungsbereich haben (siehe Schmieröladditives).

(CH2)nCOONa

R

CH3OCH2CH2OCH2CH2OH

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Treibstoffe für Dieselmotoren Treibstoffe für Dieselmotoren heißen Diesel, Diesel-Öl oder Gasöl und enthalten HCs zwischen C15 und C25, mit einem Siedebereich zwischen 180 und 370 °C (wie leichtes Heizöl). Alkane dieser Größe zünden mit Luft bei einer bestimmten Temperatur von selbst und brauchen keine Fremdzündung. Deshalb braucht der Dieselmotor keine Zündkerzen. Die Zündtemperatur für den Kraftstoff wird durch Kompressionswärme der Luft im Zylinder erreicht. (Verdichtung 16:1 vgl. mit 9:1 im Benziner).Die Zeitspanne zwischen Einspritzung und dem Beginn der Verbrennung heißt Zündverzug. Ein geringer Zündverzug bedeutet gute Zündwilligkeit. Die Zündwilligkeit wird durch die Cetanzahl ausgedrückt (CZ). Analog zur Bestimmung der Oktanzahl werden wurden zwei Bezugssubstanzen ausgewählt Dem zündunwilligen α-Methylnaphtalin wird die Cetanzahl 0 und dem zündwilligen Cetan die Cetanzahl 100 zugeordnet.

Der Prüfmotor ist ein Viertakt-Einzylinder-Dieselmotor. Er arbeitet mit veränderlichem Ansaugluftdurchsatz und hat Meßeinricht-ungen für Einspritz- und Verbren-nungsbeginn, Kraftstoffdurchsatz und Zündverzug. Die Einstellung des Zünd-verzugs erfolgt durch Drosseln des Luftdurchsatzes und durch Änderung der Verdichtung (CFR-Motor). Die Cetanzahl gibt an, wie viel Volumen-prozent Cetan in der Mischung mit Methylnaphtalin enthalten sind, bei der der gleiche Zündverzug wie bei dem zu prüfenden Kraftstoff festgestellt wird.

Dieselkraftstoffe sollten Cetanzahlen über 45 aufweisen. Je höher die Cetanzahl, desto zündwilliger ist der Kraftstoff. Die Zündwilligkeit verhält sich umgekehrt wie die Klopffestigkeit. Je zündwilliger der Kraftstoff, desto klopffreuiger ist er. Für die Umrechnung gilt: CZ ≈ 60 – 0.5 ROZ

ROZ ≈ 120 – 2 CZ

Zusätze zu Dieseltreibstoffen

Zündbeschleuniger (Diesel Ignition Improver) Diese erhöhen nicht nur die Cetanzahl, sondern reduzieren Verbrennungsgeräusche und die Rauchentwicklung. Dabei handelt es sich um Ester der der Salpetersäure ROH + O2N-OH → R-ONO2 + H2O Neuerdings hat man auch Di-tert.-Butylperoxid eingesetzt.

Me

alpha-Methylnaphtalin

Cetanzahl = 0

n-C16H34

n-Hexadekan = Cetan

Cetanzahl = 100

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2-Ethylhexylnitrat ist der am meisten verwendete Zündbeschleuniger

Wirkungsweise: R-O-NO2 → RO• + NO2 NO2 + RH → HONO + R HONO → NO + OH 2 NO + O2 → 2 NO2 Die OH Radikale initiieren den Abbau der HCs. Detergent/Dispersant Häufig werden an den Einspritzdüsen feste Ablagerungen bis hin zu Koks gebildet. Diese stören den Einspritzvorgang, führen zu schlechter Kraftstoff-Luft-Vermischung und letztlich zu Leistungsverlust und erhöhter Schadstoff-Emission. Aschefreie Polymere von Aminen haben den erwünschten „keep clean“ und „clean up“ Effekt. Stockpunktserniedriger/Fließverbesserer (Pourpoint Depressant) Dieselkraftstoffe sind kälteanfällig, weil sie bereits bei wenigen Minusgraden feste n-Alkane ausscheiden. Oberflächenaktive Stoffe (Polymere komplexer Natur) hüllen die Primärkristalle ein und verhindern ihr Wachstum und das Zusammenwachsen. Fließverbesserer halten die Wachskristalle klein (ca. 0.03 mm). Alterungsstabilisatoren-Antioxidantien/Metalldeaktivatoren/Korrosionsinhibitoren Wie bei Ottokraftstoffen Schaumverhinderer Das lästige Schäumen des Diesels beim Betanken kann durch Schaumverhinderer (anti foam) weitestgehend unterdrückt werden. Gegen den spezifischen Geruch des Diesels können Aromastoffe eingesetzt werden, die den Geruch neutralisieren oder überdecken sollen. Biocide Die HCs können Mikroorganismen, wie Bakterien, Pilzen und Hefen, als Nahrung dienen, falls Wasser und Spurenelemente vorhanden sind. Dies ist zu verhindern, weil die mikrobiell gebildeten „Schlämme“ Kraftstoff-Filter zusetzen können. Eingesetzte Biocide halten den Kraftstoff steril. Eine wichtige Maßnahame ist auch, Wasser fernzuhalten. Antismoke/Abbrennhilfen Die zur Reduzierung der Partikelemission in einigen Fahrzeugtypen bereits eingesetzte Filtertechnik kann zum Abbrennen der gesammelten Partikel den Einsatz von Additiven erfordern, die Abbrenntemperatur herabzusetzen. Von den verschiedenen geprüften

C4H9 CH

CH2CH3

CH2ONO2

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Substanzen hat sich die Eisenverbindung Ferrocen im ppm-Bereich als besonders geeignet erwiesen.

Ferrocen, Fe(Cp)2 (Cp = Cyclopentadienyl C5H5

-) Wird auch als Zusatz für Benzin überlegt.

Dampfdruckerhöher Zur Erhöhung des Dampfdruckes, besonders wichtig im Winter, wird Petroleum zugesetzt. Das ist eine Fraktion des Erdöls mit dem Siedebereich 130-280 °C.

Alternative Kraftstoffe

Als „Alternative Kraftstoffe“ werden Energieträger bezeichnet, die nicht aus der klassischen Mineralölverarbeitung stammen. Dazu gehören

(a) gasförmige Kohlenwasserstoffe Erdgas und Flüssiggas (b) regenerative (nachwachsende) Stoffe Rapsöl (für Biodiesel), Alkohole (Biomethanol, Bioethanol) (c) Diwasserstoff H2

Erdgas (natural gas) Was ist Erdgas? Eine Mischung von gasförmigen HCs, hauptsächlich Methan (CH4) Quellen für die Erdgasgewinnung Konventionell: in Verbindung mit Erdölvorkommen Nicht-konventionell: • Coal bed methane (CBM). CBM bezeichnet Gas, das in Kohlelagerstätten an der Kohleoberfläche gebunden ist. • Erdgashydrat Diese feste schneeförmige Verbindung zwischen Erdgas und Wasser ist bei hohem Druck bis zu einer Temperatur von 20 °C stabil. Riesige Erdgashydratlager befinden in Permafrostgebieten in Sibirien und Alaska oder an den Kontinentalhängen der Ozeane. • Geopressured

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Dabei handelt es sich um Erdgas, das in porösen Gestein unter dem Meeresboden in ungefähr 160 °C heißem Salzwasser bei 100 bar Druck gelöst ist. Wie kann Erdgas eingesetzt werden? 1) Direkt in verflüssigter (verdichteter) Form als CNG (compressed natural gas) z:B. im Dodge Charger von DaimlerChrysler Vorteile:

(i) Erdgasvorkommen gibt es in allen Erdteilen → Verringerung der Abhängigkeit von den Erdöl produzierenden Ländern.

(ii) der am saubersten verbrennende fossile Brennstoff → weniger Schadstoffe Abgas.

Nachteil: Die Kosten des CNG-Tanks (zurzeit 2500 $ gegenüber 100 $ für einen herkömmlichen Kraftstofftank. (Noch vor 5 Jahren betrugen die Kosten 5000 $.) 2) Verarbeitungsmöglichkeiten zu mehreren Produkten: Methanol, Benzin, Diesel. Die gemeinsame Vorstufe ist das Synthesegas (Syngas), ein Gemisch von CO und H2 im molaren Verhältnis 1:2. Es entsteht durch partielle Verbrennung: CH4 + 0.5 O2 → CO + 2 H2 Syngas kann aus auch aus Kohle, aus Erdölfraktionen wie Schweröl, oder aus irgendwelchen organischen Materialien („Biomasse“) hergestellt werden, aber die zurzeit billigste Methode ist die aus Erdgas.

(Kohle, Schweröl, Biomasse)

O2

CO + 2 H2 Syn-Gas

MeOH (-CH2-) + H2O

Erdgas

Fischer-Tropsch (FT) SyntheseFe, Co-Katalyse

GTL-Treibstoffe

Benzin Diesel

(-CH2-) steht für ein Kettenglied eines HCs

Mobil-Prozeß

GTL heißt gas-to-liquid

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Flüssiggas (Liquefied petroleum gas, LPG) Was ist Flüssigas? Es ist ein Gemisch von leichten HCs, die bei Raumtemperatur und normalem Druck gasförmig sind. Hauptbestandteil ist Propan, dann Proplyen, Butan und Buten in verschiedenen Mischungen. Darf nicht verwechselt werden mit NCG. Wie macht man Flüssiggas? Es ist ein Nebenprodukt der Gewinnung von Erdgas Herstellung oder der Erdölraffinerie. Vorteile: siehe NCG. Produzieren 30-90% weniger CO und an die 50% weniger Abgasgifte, verglichen mit Benzin.

Biodiesel Biodiesel gehört neben Bioethanol, Biomethanol und Biogas zu den erneuerbaren Treibstoffen. Sie haben eine neutrale CO2-Bilanz, weil sich die Menge des bei der Verbrennung ausgestoßenen CO2 mit dem bei der Photosynthese fixierten die Waage hält. Der Rohstoff für Biodiesel ist Rapsöl. Dieses besteht aus Estern zwischen dem dreiwertigen Alkohol Glycerin und Fettsäuren (zu fast 95% C-18-Ketten). Frage: Rapsöl hat eine zu hohe Viskosität. Was kann man tun? Antwort: Das Molekulargewicht verringern. Das geschieht durch Umestern mit Methanol (früher „Holzgeist“) in Gegenwart von wasserfreiem Natriumhydroxid (NaOH) als Katalysator. Dabei tauschen Glycerin und Methanol den Platz, und es entstehen drei einzelne Fettsäure-Methylester-Ketten und ein freies Glycerin-Molekül. Deshalb ist für Biodiesel auch die Bezeichnung RME (Raps-Methylester oder Rapsölfesttsäure-Methylester) gebräuchlich. In der neuen E DIN 51606 wird die Bezeichnung FAME (Fatty Acid Methyl Ester) verwendet. Bei der Herstellung von Bio-Diesel gibt es keine Nebenprodukte, die nicht verwertet werden:

- Rapsschrot als hochwertiger Eiweißliefernat in der Tierernährung - Glycerin als wichtiger Rohstoff für die Oleochemie (Verarbeitung von

Fetten und Ölen) Vorteile: • normale Viskosität (ähnlich den Dieselkraftstoffen) • 11% Sauerstoff (fast kein Ruß, weniger Partikel) • sehr gute Zündwilligkeit • gute Mischbarkeit mit Dieselkraftstoffen • geringe Verkokungsneigung • gute Grenzschmierfähigkeit (geringer Verschleiß in Einspritzpumpe und Motor, denken Sie an die Polyesteröle) Mineralischer Diesel verliert im Zuge der Entschwefelung in der Raffinerie einen Teil seiner Eigenschmierfähigkeit. • optimal für Oxidationskatalysatoren (kein Schwefel, kein Phosphor) • gute biologische Abbaubarkeit (Boden) • sehr geringe Wassertoxizität

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Nachteile: • schwache Aggessivität gegen einige Weichmaterialien (Dichtungen, Lacke) • Mehrverbrauch bis zu 8% (Ester haben wegen des Sauerstoffgehalts einen geringeren Heizwert, dasselbe gilt für Alkohole.) • mögliche Hautreizung • ohne Oxidationskatalysator gelegentlich Geruchsbelästigung

Ethanol

Es kann entweder auf biologischem Wege durch Vergärung von kohlenhydrathaltigen pflanzlichen Stoffen, so genannter Biomasse („Bioethanol“) oder synthetisch durch Hydratisierung von Ethylen gewonnen werden. Wenn man Ethanol als Treibstoff nutzen will, muss man dem Ethanol zuerst das Wasser entziehen. Man nennt diesen Prozess Absolutieren.

Beim Destillieren geht EtOH nie wasserfrei, sondern als konstant siedendes (azeotropes) Gemisch von 95.6% Ethanol und 4.4% Wasser bei 78.2 °C über. Um wasserfreies Ethanol als Treibstoff herzustellen, setzt man vorher Toluol zu. Bei der Destillation geht zunächst ein ternäres Gemisch (Toluol-Ethanol-Wasser) über, das das gesamte Wasser enthält. Das verbleibende Ethanol-Toluol Gemisch wird Bioethanol genannt. Dieses kann in reiner Form sowie als Zusatz verwendet werden. Vorteile: • als Zusatz zu Benzin- und Dieselkraftstoffen bestens geeignet. • Geringere Emission an VOC, CO und NOx • hoher Wirkungsgrad • Russfreie Verbrennung. (Es entstehen keine russbildenden Crackprozesse durch Radikalbildung. Für die Verwendung von Bioethanol ist Schweden ein Vorreiter – Ford baut „Flexible Fuel Vehicles (FFV) für Schweden. Als einziger Hersteller Europas liefert Ford ethanolbetriebene FFV, den Ford Focus. Er fährt mit dem Kraftstoff „E85“ (85% EtOH, 15% Benzin). Ford berechnete, dass durch Einsatz von Bioethanol die fossilen CO2 Emissionen um 80% reduziert werden. In den USA sind bereits ca. 5% des Neuwagenmarktes FFV’s. Bioethanol könnte noch vor Biodiesel zum wichtigsten erneuerbaren Kraftstoff werden.

Methanol

2 H2 + CO CH3OH Holzca. 400°

Methanol kann prinzipiell durch trockene Destillation von Holz hergestellt (daher der Name „Holzgeist“, heute am billigsten aus Synthesegas (siehe oben).

(1/2) C6H12O6

- CO2CH3CH2OH

CH2=CH2 + H2O

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MeOH kann als Mischkomponente (Mischkraftstoff, z.B. M85 besteht aus 85% MeOH und 15% Benzin) oder ungemischt als Alternativkraftstoff verwendet werden. Was bei der Verwendung von Alkoholen als Alternativtreibstoff zu beachten ist: • Alkohole können als teilverbrannte HCs betrachtet werden und haben einen geringeren Luftbedarf und einen niedrigeren Heizwert. Daher braucht man einen anderes Zumischungsverhältnis und einen größeren Tank. • Alkohole haben einen Siedepunkt (kein Siedeintervall) (MeOH 64.5 °C, EtOH 78.4 °C). Dadurch kann es zu Kaltstartschwierigkeiten und zu Dampfblasenbildung (vor und nach der Kraftstoffpumpe) kommen. • Alkohole greifen bestimmte Kunststoffe an. Für den Betrieb mit ROH muss das Fahrzeug „methanolfest“ sein. • Alkohole enthalten Spuren von Säure (in MeOH Ameisensäure und in EtOH Essigsäure), die korrosiv sind.

Wasserstoff - Brennstoffzelle Die Entwicklung der Wasserstofftechnologie gewinnt zunehmend an Bedeutung, vor allem durch die Weiterentwicklung der Brennstoffzelle. Erfindung der Brennstoffzellentechnik 1839 durch den wallisischen Juristen und Physiker Sir William Robert Grove. Dieser Prototyp bestand aus zwei Platin-Elektroden, die jeweils von einem Glaszylinder umschlossen waren. In dem einen befand sich H2, in dem anderen O2. Beide Elektroden tauchten in verdünnte Schwefelsäure ein, die als Elektrolyt diente und die elektrische Verbindung schuf. An den Elektroden konnte eine Spannung abgegriffen werden. Da diese sehr gering war, schaltete Grove zur Erhöhung der Spannung mehrere dieser Brennstoffzellen zusammen wie hier zu sehen ist:

Groves Entdeckung geriet in Vergessenheit, bis in den 1950er Jahren im Zeichen des kalten Krieges die Idee wieder aufgegriffen wurde. Der Wirkungsgrad eines Ottomotors, in dem der thermodynamische Prozess der Verbrennung stattfindet, ist durch den so genannten Carnot-Wirkungsgrad (maximal 56%, aber wegen zusätzlicher Verluste gewöhnlich nur ca. 25%) begrenzt. Im Gegensatz dazu gewinnt die

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Brennstoffzelle den Strom für den Motor in einem elektrochemischen Prozess. Sie wandelt dabei die im Kraftstoff gespeicherte chemische Energie hocheffizient in elektrische Energie um: Bei Teillast bis zu 80% der eingesetzten Energie, bei Volllast rund 50%. Der Strom ist direkt nutzbar und der verlustreiche Weg über Wärme und mechanische Energie entfällt. Aus dem Auspuff kommt reines Wasser. Bei gleichem Energieeinsatz ist die Reichweite eines Brennstoffzellen-Fahrzeuges daher etwa doppelt so groß wie die eines Fahrzeuges mit Ottomotor. Die Funktionsweise einer Brennstoffzelle entspricht einer umgekehrten Elektrolyse. Während bei der Elektrolyse elektrische Energie in chemische Energie, gespeichert werden kann, z.B. in Form von H2 und O2 wird in einer Brennstoffzelle chemische Energie (H2 und O2) direkt, d.h. ohne Verbrennungsprozess, in elektrische Energie umgewandelt. Brennstoffzellen sind sehr einfach aufgebaut. Sie besteht aus drei übereinander liegenden Schichten: Die erste Schicht ist die Anode, die zweite ein Elektrolyt und die dritte Schicht bildet die Kathode. Anode und Kathode dienen als Katalysator. Die mittlere Schicht besteht aus einer Trägerstruktur, die den Elektrolyten in sich aufnimmt. Als Elektrolyten können unterschiedliche Stoffe dienen. Manche sind flüssig, andere sind fest und haben eine Membran-Struktur. Das an die Anode geführte Wasserstoffgas wird oxidiert, es entfällt durch die katalytische Wirkung der Elektrode (z.B. Platin) in Protonen und Elektronen. Die H+-Ionen gelangen durch die protonenleitende Membran auf die Kathodenseite. Die Elektronen wandern bei geschlossenem äußerem Stromkreis zur Kathode und verrichten auf diesem Weg elektrische Arbeit. Der an die Kathode geführte Sauerstoff wird reduziert, wobei zusammen mit den Protonen Wasser gebildet wird.

Funktionsskizze einer PEM Brennstoffzelle Anode: 2 H2 → 4 H+ + 4e- Kathode: 4e- + 4 H+ + O2 → 2 H2O Gesamtreaktion: 2 H2 + O2 → 2 H2O Anmerkung: Die Reaktion der Gase H2 und O2 zu H2O braucht eine hohe Aktivierungsenergie: Erst durch Zünden findet die

Knallgasreaktion statt. Bei dieser heißen Reaktion würden auch Stickoxide entstehen. An der Katalysatorschicht an den Elektroden hingegen ist die Aktivierungsenergie soweit herabgesetzt (vgl. Abgaskatalyse). Bei der vergleichsweise kalten chemischen Reaktion wird hauptsächlich Strom und keine Wärme gewonnen.

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Da eine einzelne Zelle nur eine sehr geringe Spannung erzeugt, werden je nach benötigter Spannung einzelne Zellen aufeinander gestapelt. Solch ein Stapel nennt man „Stack“.

Energieträger für die Brennstoffzelle:

(a) Wasserstoff entweder als komprimiertes Gas in einem Druckgasspeicher, als minus 253 °C kalte Flüssigkeit in einem Kryogenspeicher, oder in einem Metallhydridspeicher. Die Speicherung von H2 im Fahrzeug ist aufgrund der voluminösen, hochisolierten Tanks begrenzt, was die Reichweite einschränkt. Wasserstoff benötigt außerdem eine besondere Tankstellen-Infrastruktur. Daher dürfte die Anwendung auf den Flottenbetrieb beschränkt sein, also Lieferdienst oder Stadtbusse, die zum Tanken immer wieder zur selben Zentrale zurückkehren und nur Reichweiten von bis zu 350 km benötigen.

(b) Methanol. In diesem Fall muss der Brennstoffzelle ein Gasprozessor, ein so

genannter Reformer, vorgeschaltet werden, in dem folgende Reaktion katalytisch abläuft:

CH3OH + H2O → CO2 + 3 H2 Anstelle von Methanol könnte auch Erdgas, Benzin, Biomasse oder andere Energieträger verwendet werden. Im Vergleich zu Wasserstoff sind Fahrzeuge mit Methanolbetrieb zwar nicht vollkommen emissionsfrei, aber sie erzeugen fast keine Schadstoffe und erheblich weniger Kohlendioxid als Verbrennungsmotoren. Der Reformer produziert weniger Abgase als der Verbrennungsmotor, weil er bei sehr viel niedrigeren Temperaturen arbeitet. Wie viel H2 jeweils im Reformer entsteht, bestimmt der Druck auf das Gaspedal. Vorteil für Methanol: die Tankstellen sind leicht umzurüsten, Transport und Lagerung recht unproblematisch. Eine neutrale CO2-Bilanz ergäbe sich, wenn das Methanol regenerativ gewonnen wurde – beispielsweise aus nachwachsenden organischen Rohstoffen, Biomasse wie Holzabfällen oder aus Abluft der chemischen Industrie. Opel, General Motors, BMW und Toyota setzen eher auf reinen Wasserstoff, während Daimler-Chrysler Methanol als Treibstoff favorisiert. Pluspunkte von Brennstoffzellen-Fahrzeugen: • Weil sie mit Elektromotor fahren, der konstruktionsbedingt schon im Stand sein maximales Drehmoment hat, beschleunigen sie außerordentlich gut, brauchen nur ein einstufiges Getriebe mit Parkmodus und Rückwärtsgang. • Entfall des Ölwechsels • Weniger bewegliche Teile und geringere mechanische Belastungen; folglich geräuschärmer, zuverlässiger und längere Lebensdauer. • Leistungsstarke Stromquelle für diverse Stromverbraucher, z.B. Standklimatisierung.

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Abgaskatalyse (katalytische Nachverbrennung der Abgase) Es wäre ein genialer Schachzug, wenn man die beiden Bösewichte CO und NO zusammenspannen könnte, 2 CO + 2 NO → 2 CO2 + N2 ∆H° = -746.5 kJ Diese Reaktion ist in der Tat stark exotherm, also praktikabel, aber sie ist kinetisch gehemmt. Deshalb braucht man einen Katalysator. Das ist ein Stoff, der die Affinität der beiden Reaktanten zueinander erhöht, ohne die Stöchiometrie der Reaktion zu verändern. Geeignete Katalysatoren sind die Edelmetalle Rhodium (Rh) und Platin (Pt) (oder Palladium (Pd)). Der Edelmetallbedarf pro Fahrzeug liegt in der Größenordnung von 1-2 Gramm. Diese Metalle binden CO und NO und „pumpen“ dabei Elektronen in die Moleküle. Dadurch wird die C-O Bindung geschwächt und damit das Molekül „gewogen“ gemacht, ein weiteres Atom O unter Bildung von CO2 aufzunehmen. Im Falle des NO wird die N-O Bindung sogar voll-ständig gebrochen.

Die einzelnen Stufen sind die folgenden: Zunächst binden sich diese Gase (1) an die metallische Oberfläche (2). NO dissoziiert dabei in ein O- und in ein N-Atom (3). Anschließend reagiert das gebundene O-Atom mit CO zu CO2 (4). Werden in der Nähe des verbliebenen N-Atoms jeweils ein weiteres CO und NO Molekül adsorbiert (5-8), so fördert der Rhodium-Katalysator die Bildung eines zweiten CO2- und eines N2-Moleküls.

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Diese Einrichtung wird Dreiweg-Katalysator genannt, weil die drei Schadstoffkomponenten CO, VOCs, und NOx reduziert werden (um >90%). Zusätzlich zu der Reaktion von CO mit NO werden unverbrannte HCs oxidiert: CxHy + z O2 → x CO2 + y/2 H2O Anders als ein Oxidations-Katalysator kann er oxidieren und reduzieren (Umwandlung der Stickoxide in die Elemente). Der kombinierte Ablauf dieser entgegengesetzten chemischen Reaktionen braucht ständige Regelung, denn das Abgas darf nur soviel O2 enthalten, wie für die Oxidationsprozesse nötig ist. Ein Mehr würde die Reduktionsprozesse behindern. Mit anderen Worten, bei Luftüberschuss würde zu wenig CO und bei Luftmangel zuwenig Stickoxide vorhanden sein. Deshalb arbeiten in modernen Fahrzeugen ausschließlich geregelte Dreiweg-Katalysatoren. Sie verfügen über eine Lambdasonde, die den Restsauerstoff-Gehalt im Abgas misst. Anhand dieser Größe regelt die Motorelektronik das Kraftstoff-Luft-Verhältnis:

Die Sonderstellung von Rhodium und Platin liegt darin, dass diese Sauerstoff reversibel binden können, x M + y/2 O2 ? MxOy und daher je nach Bedarf O2 absorbieren oder freisetzen. Damit wird das Lambda-Fenster vergrößert. Zur Klarstellung der Terminologie sei angemerkt, dass unter Katalysator nur das Trägermaterial mit der aktiven Beschichtung verstanden wird. Als katalytischen Reaktor bezeichnet man den einbaufertigen, in einem Blechgehäuse entsprechend gehaltenen Katalysator, und unter katalytischem Abgasreinigungssystem werden sämtliche für die Schadstoffreduzierung vorgenommenen Einbauten verstanden. Der katalytische Reaktor sieht im Detail folgendermaßen aus:

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Legende: Der Träger aus Keramik besteht aus Mg-Al-Silikaten (65 Kanäle/cm2). Die Zwischenschicht (wash-coat) aus Aluminiumoxid zur Vergrößerung der Oberfläche. Der Katalysatorkontakt besteht aus einem Pt/Rh-Gemisch im Massenverhältnis 5:1 und kann ca. 0.4 L Sauerstoff/Liter Katalysator für die Oxidation von VOC und CO speichern. Im speziellen dürfte an den Pt-Zentren eher die Reduktion und an den Rh-Zentren eher die Oxidationsreaktionen stattfinden.

Die Chemie des Airbags Bei einem Frontalaufprall des Fahrzeuges auf ein Hindernis mit > 20 km/h wird der Airbag vom Gasgenerator innerhalb von 30 ms prall aufgeblasen. Ausgelöst wird das System aufgrund elektronischer Auswertungen von Längsverzögerungen. Man unterscheidet zwei Systeme: Gasgenerator (älteres System) Bei der Zündung erfolgt der Abbrand (milde Explosion) der Festtreibstoff-Tabletten (Fahrer-Airbag 500 g, Beifahrer-Airbag 1200 g) im Gasgenerator. Die Zündmischung besteht aus Natriumazid (NaN3), Kaliumnitrat (KNO3) und Quarz (SiO2) und reagiert folgendermaßen: 300 °C 2 NaN3 → 2 Na + 3 N2 10 Na + 2 KNO3 → K2O + 5 Na2O + N2 K2O + Na2O + SiO2 → Glas Wie werden die 300° Zündtemperatur erreicht?

Page 95: Schmid - Chemie für Maschinenbau

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In der Mitte der Brennkammer befindet sich ein Brückenzünder mit Zündpille (ca. 8g Schwarzpulver. Über einen Draht im Brückenzünder fließt der vom Zündkondensator ausgehende Zündstrom. Die dabei entstehende Wärme reicht aus, um das Schwarzpulver zu zünden. Anschließend entzündet sich der eigentliche Treibsatz. Das Abbrandgas gelangt gereinigt und auf ca. 60° abgekühlt in den Luftsack. Bei der Reaktion entstehen nur unschädliche Stoffe, nämlich Stickstoffgas und Glas. Allerdings ist das eingesetzte Natriumazid (ca. 150g pro Kraftfahrzeug) ein schweres Gift (giftiger als Cyankali KCN). Deshalb überlegt man alternative Systeme. Hybrid-Gasgenerator (neueres System) Das Hybridsystem besteht anstelle der bisherigen Gasgeneratoren mit Festtreibstoff aus einem komprimierten Gas (98% Argon und 2% Helium), das in einem Druckgasbehälter unter ca. 240 bar gespeichert ist. Beim Auslösen des Airbags wird eine Membrane, welche den Druckbehälter verschließt, durch das Treibmittel (ca. 14 g, welches rückstandsfrei und umweltverträglich verbrennt) geöffnet und das Gas entfaltet den Luftsack.