Schmiergeldvereinbarungen und deutsches Zivilrecht · 26 BGH StV 1999, S.366. 27 BGH NJW 2001,...
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Rechtsanwalt Dr. Harald Schlüter, MLE, Fachanwalt für Steuerrecht Detmolderstr.43, 33604 Bielefeld, Tel. 0521/ 96641-0, Fax –90, [email protected]
Schmiergeldvereinbarungen und deutsches Zivilrecht
H. Schlüter
Nach deutschem Recht setzt eine Schmiergeldvereinbarung voraus, dass
dem Vertreter oder Beauftragten eines Geschäfts- oder Dienstherrn heimlich
etwas versprochen oder zugewandt wird („Schmiergeld“), damit dieser dem
Zuwendenden im Gegenzug einen Vorteil verschafft, den er ohne die
heimliche Zuwendung nicht erlangt hätte1 und auf den er keinen Anspruch
hat2.
Ob das Schmiergeld vor oder nach der Bevorzugung des Zuwendenden
gezahlt wird, ist nicht erheblich. Ausschlaggebend für die zivilrechtliche
Bewertung in Deutschland ist, dass Schmiergeld aufgrund einer
ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarung zwischen dem
Schmiergeldzahlenden und dem Vertreter als Gegenleistung für eine
treuwidrige Vorteilsvermittlung gezahlt wird3. Bedingung ist weder, dass der
Zuwendende auch tatsächlich bevorzugt wurde, noch dass der
hintergangene Geschäftsherr durch die Schmiergeldvereinbarung geschädigt
wird4.
Die Bevorzugung des Korrumpeurs kann auch in der beschleunigten
Abwicklung von Geschäftsvorfällen liegen; das Schmiergeld nennt man dann
„speed-money“.
Abzugrenzen ist die Schmiergeldvereinbarung von der zulässigen Provision,
z. B. nach §354 HGB oder §652 BGB. Eine Provision ist eine Entlohnung des
Vertreters durch den Vertretenen oder Dritten für seine
Interessenwahrnehmung5. Entscheidend ist, dass die Entlohung des
1 RGZ 161, 229; BGH NJW-RR 1987, S.42; OLG Hamm ZIP 1993, S.468; OLG Köln NJW-RR 1988, S.144. 2 vergl. Koch, Der zivilrechtliche Schmiergeldbegriff unter Berücksichtigung der wettbewerbsrechtlichen Regelung der §§12, 13 UWG, Diss. S.35. 3 BGH NJW 1962, S.1099; OLG Köln NJW-RR 1992, S.623 (624). 4 RGZ 161, S.299 (231). 5 Dazu BGHZ 85, S.81.
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Vertreters durch denjenigen erfolgt, für dessen Interesse er tätig wird – durch
den Vertretenen6.
Der Unterschied zwischen Schmiergeld- und Provisionsvereinbarung ist also,
dass die Provision einem Interessenvertreter von dessen Auftraggeber
gezahlt wird7. In der Situation einer Schmiergeldvereinbarung zahlt die
Provision nicht der hintergangene Geschäftsherr, dem der Vertreter
verpflichtet ist, sondern der zum Treubruch anstiftende Dritte, dem der
Vertreter aufgrund seiner Treuepflichten gegenüber dem Geschäftsherrn
nicht verpflichtet sein darf8.
Der dem Vertreter zugewandte Vorteil kann entweder materiell oder
immateriell sein. Unter materiellen Vorteilen versteht man z.B. Geld oder
Sachzuwendungen9. Teilweise wird der Standpunkt vertreten, immaterielle
Vorteile seien vom Schmiergeldbegriff auszuklammern, da sie
methodologisch zu schlecht zu fassen seien. Unter dem Gesichtspunkt der
Bestimmtheit von Straftatbeständen müsse man sich deshalb auf materielle
Vorteile beschränken10. Dieser Argumentation wird für den zivilrechtlichen
Bereich nicht gefolgt, da es dort nicht um die Bestrafung des
Schmiergeldzahlers geht11, sondern um die Wirksamkeit einer konkreten
Vereinbarung. Damit sind auch Ersparnisse wie z. B. Rabatte und
zinsgünstige Darlehen zuwendbare Vorteile12.
Anders sieht man dies im Steuerrecht. Dort sollen immaterielle Vorteile, aber
auch großzügige Rabatte oder verbilligte Darlehen, die unentgeltliche
Überlassung privater Kraftfahrzeuge oder Ferienwohnungen, die
6 vergl. BGH NJW-RR 1988, S.144. 7 BGH EWiR §276 BGB, 5/91, S.871 (Siegburg). 8 Vergl. HansOLG Hamburg MDR 1970, S.47; BGH NJW-RR 1987, S.42. 9 vergl. Koch, Der zivilrechtliche Schmiergeldbegriff unter Berücksichtigung der wettbewerbsrechtlichen Regelung der §§12, 13 UWG, Diss. S.14; Noonan hat hierzu eine rechtshistorisch interessante Liste entwickelt aus der sich ergibt, wieviel eine öffentliche Person über die Jahrhunderte kostete. Ein Senator in Rom nahm 74 v.Chr. 40.000 Sesterzen Schmiergeld. Ein US-Senator kostete 1862 50.000 US$, ein Präsident 1868 nur 25.000 US$ und ein Wähler 1908 2,50US$. Dazu mehr bei Noonan, Bribes, S.707. 10 Geerds, Die Korruption im Wirtschaftsleben, Vortrag auf der Mitgliederversammlung des Vereins gegen das Bestechungsunwesen, e.V., Bonn, am 18.Okt. 1963, S.66/ 67. 11 Koch, Der zivilrechtliche Schmiergeldbegriff unter Berücksichtigung der wettbewerbsrechtlichen Regelungen der §§12, 13 UWG, Diss., S.17. 12 Joecks, Abzugsverbot für Bestechungs- und Schmiergelder, DStR 1997, S.1025 (1026).
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Finanzierung von Luxusurlauben etc. kein Schmiergeld sein und damit nicht
vom Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr.10 EStG erfasst werden, da die
Vorteilsgewährung Gegenstand einer Betriebsausgabe sein muss13. Nach §4
IV EStG sind Betriebsausgaben Aufwendungen, die durch den Betrieb
veranlasst sind. Da es sich um Ausgaben handeln muss, also um Aufwand,
könnten entgangene Einnahmen für Dienstleistungen nicht erfasst sein,
sondern allenfalls Fälle, in denen Entnahmen bzw. Eigenverbrauch
vorliege14.
Im Zivilrecht sind materielle und immaterielle Vorteile als zuwendbare
Vorteile anzusehen, da sie das Interesse des Adressaten befriedigen sollen.
Dabei genügt es auch, wenn diesem die Vorteile nur mittelbar zugute
kommen, indem sie z.B. nahen Angehörigen gewährt werden15.
Die beschriebenen Tatbestandsmerkmale des Schmiergeldgeschäfts sind
Grundlage seiner rechtlichen Bewertung durch den § 134 BGB und den §
138 I BGB.
B) Zivilrechtliche Bewertung der Schmiergeldvereinbarung
I. Nichtigkeit wegen des Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz gemäß §
134 BGB
Die Nichtigkeit der Schmiergeldvereinbarung kann auf dem Verstoß gegen §
134 BGB iVm. einem Verbotsgesetz beruhen, soweit sich aus dem
Verbotsgesetz nicht etwas anderes ergibt. Ein Verbotsgesetz richtet sich
gegen die Geltung rechtsgeschäftlicher Regelungen, deren Inhalt von einem
Satz des positiven Rechts abgelehnt wird16. Etwas anderes ergibt sich aus
dem Verbotsgesetz dann, wenn es ausdrücklich eine andere Sanktion
13 Vergl. BMF-Schreiben vom 10.10.2002, DStR 2002, S.1990 (1991). 14 Vergl. BMF-Schreiben vom 10.10.2002, DStR 2002, S.1990 (1991); zum Streitstand Stapf, Steuerliche Folgen der Zuwendung korrumpierender Vorteile ab 1999, DB 2000, S.1092 (1093). 15 Sack in Staudinger §138 Rd.470. 16 Vergl. dazu BGHZ 115, 123 (125).
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anordnet oder auf andere Weise die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts ausser
Zweifel stellt. Etwas anderes ergibt sich auch dann, wenn das Ausbleiben der
Nichtigkeit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes besser gerecht wird17.
Welche Normen Verbotsgesetze iSd. §134 BGB sind, ist im einzelnen
umstritten. Einigkeit besteht jedoch dahingehend, dass strafrechtliche
Verbote regelmässig als Verbotsgesetze iSd. §134 BGB anzusehen sind18.
Soweit Schmiergeldvereinbarungen Inhalt des objektiven Tatbestandes
strafrechtlicher Verbotsgesetze sind, führt dies damit zu ihrer Nichtigkeit nach
§134 BGB, da sich aus einem Verbotsgesetz, welches dieses Verhalten
unter Strafe stellt, grundsätzlich nichts anderes ergibt19.
Das deutsche Strafrecht enthält die nachfolgenden korruptionsrelevanten
Verbotsgesetze:
1. Strafrechtliche Verbotsgesetze
Es werden exemplarisch die beiden in der Praxis wichtigsten Fallgruppen
korruptionsrelevanter Verbotsgesetze, die §§331-334 StGB, und die
Angestelltenbestechung nach §299 StGB, dargstellt, soweit sie für das
Verständnis des §134 BGB und §4 V 1 Nr.10 EstG erforderlich sind. Die
übrigen Straftatbestände sollen wegen des zivilrechtlichen Schwerpunkts
dieser Arbeit nur in der gebotenen Kürze erwähnt werden.
a) Amtsträger
aa) Nationaler Rechtsverkehr
aaa) Bestechung und Bestechlichkeit von Amtsträgern
17 Mayer-Maly in MüKo BGB §134 Rd.1. 18 BGH Z 115, 123 (125); M.w.N. Mayer-Maly in MüKo BGB, §134 Rd. 47 f, insbes. Rd.50 f. 19 Auflistung in Mayer-Maly, MüKo BGB, §134 Rd.50.
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Das Strafgesetzbuch enthält umfangreiche Regelungen zur Strafbarkeit von
Schmiergeldvereinbarungen mit Amtsträgern und dem öffentlichen Dienst
besonders Verpflichteter. Nach §332 StGB macht sich der Bestechlichkeit
strafbar, wer als Amtsträger oder dem öffentlichen Dienst besonders
Verpflichteter einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung
dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er eine
Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine
Dienstpflichten verletzt. Spiegelbildlich verwirklicht der Korrumpeur den
Straftatbestand der Bestechung nach §334 StGB.
Der Begriff des Amtsträgers richtet sich nach dem funktionalen
Amtsträgerverständnis des § 11 Abs. I 2 c StGB. Danach sind Amtsträger
Beamte, Richter, Angestellte des öffentlichen Dienstes und die Personen, die
eine Behörde oder eine sonstige Stelle zur Wahrnehmung von Aufgaben der
öffentlichen Verwaltung bestellt20.
Abgeordnete fallen deshalb nicht unter den Amtsträgerbegriff21. Ihre
Bestechung und Bestechlichkeit ist, mit Ausnahme des Stimmenkaufs
gemäß §§ 108 b und e StGB, also straffrei22.
In der Rechtspraxis problematisch ist, ob private Gehilfen, wie amtlich
beauftragte Planungsingenieure, als Amtsträger iSd. §332 StGB gelten. Dies
wird gemeinhin abgelehnt, solange sie nicht nach dem Verpflichtungsgesetz
gesondert verpflichtet wurden. Der schuldrechtliche Auftrag allein soll diesen
Personenkreis nicht zu tauglichen Tätern machen23.
In diesem Zusammenhang spielt in der Rechtspraxis der Begriff der
„sonstigen Stelle“ eine besondere Rolle. Nach dem funktionalen
Amtsträgerbegriff des §11 Abs.I 2 c StGB sind auch solche Personen
taugliche Täter, die durch „sonstige Stellen“ mit der Wahrnehmung von
20 vergl. BayObLG NJW 1996, S.268. 21 In Art 21 der UN Convention against Corruption wird verlangt, Abgeordnete mit Amtsträgern gleichzustellen, A/ 58/ 422, Agenda items 110. 22 Dannecker, in: Dannecker/ Leitner, Schmiergeld, S.116. 23 mwN. Schubert, in Wabnitz/ Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, S.710, Rd.36.
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Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bestellt wurden. Eine „sonstige Stelle“
ist nach Ansicht der Rechtsprechung u.a. jede privatisierte staatseigene
Gesellschaft, die typische, klassische öffentliche Aufgaben wahrnimmt24. Der
BGH bejahte die Tätereigenschaften bei Mitarbeitern der Gesellschaft für
Technische Zusammenarbeit25, der Frankfurter Flughafen AG26 und der
Treuhand Liegenschafts GmbH27, indem sie annahm, auch diese privaten
juristischen Personen seien „sonstige Stellen“ iSd. §11 Abs.I 2 c StGB und
deren Mitarbeiter deshalb taugliche Täter, da die Gesellschaften klassische
öffentliche Aufgaben wahrnehmen.
Neben nach dem Verpflichtungsgesetz besonders Verpflichteten sind also
auch Mitarbeiter bestimmter juristischer Personen Amtsträger, obwohl sie zu
diesen in einem privaten Anstellungsverhältnis stehen.
Der objektive Tatbestand der Bestechung oder Bestechlichkeit iSd. §§ 332,
334 StGB verlangt, dass ein Amtsträger für eine konkrete pflichtwidrige
Diensthandlung Schmiergeld fordert, sich versprechen lässt oder annimmt
bzw. ein Dritter ihm dafür Schmiergeld anbietet, verspricht oder zahlt.
Strafbarkeitsvoraussetzung ist also eine konkrete pflichtwidrige
Diensthandlung. Eine Unrechtsvereinbarung im Rahmen der allgemeinen
Dienstausübung genügt folglich nicht. Des Weiteren muss die angestrebte
Diensthandlung pflichtwidrig sein. Pflichtwidrig ist eine Diensthandlung, wenn
dem Täter durch Rechtssatz, Dienstvorschrift oder Anordnung der
Entschluss über Vornahme oder Unterlassung einer Diensthandlung und
über die Art der Vornahme vorgeschrieben ist und er hiervon abweicht28.
Bei Ermessensentscheidungen kommt es darauf an, ob das Schmiergeld vor
oder nach der Entscheidung gezahlt wurde. Gewährte man dem Amtsträger
das Schmiergeld als „Gratifikation“ für eine bereits gefällte
24 vergl. Schubert, in Wabnitz/ Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, S.717, Rd.47. 25 BGHSt 43, S.370. 26 BGH StV 1999, S.366. 27 BGH NJW 2001, S.3062. 28 Dazu und zum Spezialitätsverhältnis von §331 und §332 StGB, Rudolphi/ Stein, SK StGB §331, Rd.18.
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Ermessensentscheidung, liegt Strafbarkeit nur vor, wenn die
Verwaltungsentscheidung ermessensfehlerhaft war. Wird das Schmiergeld
bereits vor der Diensthandlung gezahlt, ist es unerheblich, ob die
Entscheidung sachgerecht ist oder nicht. Es genügt, wenn die
Vorteilsgewährung Einfluss auf die Entscheidung hatte29.
Das Schmiergeld muss nicht für eine zukünftige Leistung gezahlt werden. Es
reicht für die Erfüllung der Straftatbestände aus, wenn der Vorteil
vereinbarungsgemäss nachträglich für eine in der Vergangenheit erbrachte
Diensthandlung gewährt wird30. Voraussetzung ist jedoch die Vereinbarung
des Unrechts vor der Tat.
Die Strafbarkeit der Bestechlichkeit und Bestechung entfällt nicht durch die
Genehmigung seitens einer vorgesetzten Dienststelle.
Zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes bedarf es des Vorsatzes
hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale des objektiven Tatbestandes31.
aab) Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung
Als Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung iSd. §§ 331, 333 StGB ist
strafbar, wenn ein Amtsträger für die Dienstausübung einen Vorteil fordert,
sich versprechen lässt oder annimmt. Umgekehrt macht sich derjenige
strafbar, der dem Amtsträger für die Dienstausübung einen Vorteil anbietet,
verspricht oder gewährt.
Der wesentliche Unterschied zu den Straftatbeständen der Bestechung und
Bestechlichkeit ist, dass bei den §§331 und 333 StGB durch den
Zuwendenden keine konkrete Diensthandlung beabsichtigt wird. Der Vorteil
muss für die Dienstausübung allgemein gefordert, versprochen oder
angenommen werden. Es bedarf keiner konkreten Diensthandlung. Zwischen
29 Fischer in Tröndle/ Fischer, StGB, §332, Rd.4. 30 Vergl. Cramer in Schönke/ Schröder, StGB, §331, Rd.12a. 31 Rudolphi/ Stein, SK StGB §331, Rd.30.
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Vorteil und Dienstausübung muss danach ein Äquivalenzverhältnis
bestehen32.Dadurch sind auch Schmiergeschenke erfasst, die mit dem Ziel
gewährt werden, allgemeines Wohlwollen herbeizuführen33. Die Zuwendung
muss in dem Bewusstsein vorgenommen werden, dass der Amtsträger
hierfür irgendeine dienstliche Handlung vorgenommen hat oder vornehmen
wird. Die Verknüpfung zwischen Vorteil und Dienstausübung liegt im Wesen
der Zuwendung als „Gegenleistung“ und in der wenigstens stillschweigenden
Übereinkunft der Beteiligten hierüber34.
Die Strafbarkeit entfällt, wenn die Tathandlung von der zuständigen Behörde
vorher genehmigt wurde oder der Täter unverzüglich bei ihr Anzeige erstattet
und sich diese genehmigen lässt.
Im Übrigen gilt das zur Bestechung und Bestechlichkeit Gesagte.
ab) Internationaler Rechtsverkehr
Die Bestechung von Amtsträgern im internationalen Geschäftsverkehr ist
nach deutschem Recht strafbar35.
Bevor aber eine inländische Strafnorm auf Sachverhalte angewandt wird, die
teilweise oder ganz im Ausland stattfanden, wird geprüft, ob diese Tat in den
Schutzbereich der deutschen Norm fällt. Soweit keine grenzüberschreitende
Tat nach §3 StGB vorliegt, ist gemäß §7 StGB die Strafbarkeit nach
ausländischem Recht und die deutsche Staatsangehörigkeit des Täters zu
ermitteln, bei deren Vorliegen deutsches Rechts Anwendung findet. Wenn es
sich um eine grenzüberschreitende Tat handelt, also zumindest ein
Tatbeitrag in Deutschland geleistet wurde, findet ebenfalls deutsches Recht
32 Blessing, in Müller-Gugenberger/ Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, §53, Rd.18. 33 Cramer in Schönke/ Schröder, StGB, §331, Rd.18. 34 dazu Rudolphi/ Stein, SK StGB §331, Rd.27. 35 Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr, BGBl.II, 1998, 21.9.1998, S.2329.
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Anwendung. Ein solcher Tatbeitrag ist nach §9 StGB schon bei Mittäterschaft
oder Beihilfe einer Person in Deutschland zu bejahen36.
Deutschland hat die OECD Convention on Combating Bribery in International
Business Transactions ratifiziert und durch das Gesetz zur Bestechung
ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr (IntBestG) in
deutsches Recht umgesetzt. Durch dieses Umsetzungsgesetz, welches am
15. 2. 1999 in Kraft trat, werden ausländische Amtsträger, Richter und
Soldaten inländischen Amtsträgern iSd. §§ 332, 334–336, 338 f. StGB
gleichgestellt37. Unerheblich für die Strafbarkeit nach deutschem Recht ist,
ob die Bestechung im ausländischen Staat sozialadäquat ist oder nicht38.
Nach dem IntBestG ist strafbar, einem ausländischen Amtsträger, Richter
oder Soldaten für das Vornehmen einer konkreten pflichtwidrigen
Diensthandlung Schmiergeld anzubieten, zu versprechen oder zu gewähren.
Straffrei ist die Vorteilsgewährung, also das Anbieten, Versprechen oder
Gewähren von Vorteilen im Rahmen der Dienstausübung. Das IntBestG geht
über die nationale Regelung, die sich auf den Stimmenkauf beschränkt,
hinaus und stellt auch die Bestechung von ausländischen Abgeordneten
unter Strafe, soweit es sich bei der Tathandlung um die unbillige
Bevorzugung des Bestechenden bei internationalen Geschäften handelt39.
Die internationale Bestechung von ausländischen Abgeordneten,
Amsträgern, Richtern und Soldaten ist dann strafbar, soweit sie im
geschäftlichen Verkehr erfolgt. Darunter ist ein grenzüberschreitender
Sachverhalt zu verstehen, zu dem auch der Geschäftsverkehr mit
internationalen Organisationen gehört, die ihren Sitz im Inland haben40. Die
amtliche Begründung führt dazu aus: „Der Begriff ,geschäftlicher Verkehr‘
wird dabei weit im Sinne der Verwendung dieses Begriffs im Gesetz gegen
36 vergl. BMF-Schreiben vom 10.10.2002, DStR 2002, S.1990 (1992). 37 Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr, BGBl.II, 1998, 21.9.1998, S.2329. 38 Krause/ Vogel, Bestechungsbekämpfung im internationalen Rechtsverkehr , RiW 1999, S.488. 39 Bannenberg, Korruption in Deutschland und ihre strafrechtliche Kontrolle, S.37. 40 Zieschang, Das EU-Bestechungsgesetz und das Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung, NJW 1999, S.105 (107).
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den unlauteren Wettbewerb zu verstehen sein. ,International‘ setzt einen
grenzüberschreitenden oder auslandsbezogenen Sachverhalt voraus, wozu
allerdings auch der Geschäftsverkehr mit internationalen Organisationen
gehört, die ihren Sitz im Inland haben41.“ Nach dem Gesetz gegen den
unlauteren Wettbewerb ist bei einer Tätigkeit dann von geschäftlichem
Verkehr auszugehen, wenn sie der Förderung eines beliebigen
Geschäftszwecks dient, also jede selbstständige, wirtschaftliche Zwecke
verfolgende Tätigkeit, in der eine Teilnahme am Erwerbsleben zum Ausdruck
kommt42.
Beachtlich ist, dass es in den Erläuterungen des Übereinkommens heißt,
dass kleinere Zahlungen zur Erleichterung des Geschäftsabschlusses keine
Zuwendungen seien, die gezahlt würden, um einen Auftrag oder sonstigen
unbilligen Vorteil iSd. Übereinkommens zu erlangen, und deshalb straffrei
seien43. „Speed-Money“, also heimliche Zuwendungen an Vertreter zur
Beschleunigung von Prozessen, wird von dem Übereinkommen also
ausdrücklich ausgeklammert44.
Durch die Umsetzung des EU-Übereinkommens über den Schutz der
finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (EUBestG) in
deutsches Recht wurden die §§ 332, 334–336, 338 StGB auch auf
Amtsträger der EU-Mitgliedstaaten, Gemeinschaftsbeamte der Europäischen
Gemeinschaften und die Mitglieder anderer EU-Organe für anwendbar
erklärt45. Insoweit gilt das oben Gesagte. Auch nach diesem Gesetz ist die
Vorteilsgewährung an den vorgenannten Adressatenkreis straffrei.
Darüber hinausgehend sind internationale Bestechungsdelikte im
Zusammenhang mit Amtsträgern nicht strafbar, da sie nicht dem
41 BT-Dr. 13/10428, S.6. 42 BGHZ 26,53 (58) 43 Vergl. dazu Zieschang, Das EU-Bestechungsgesetz und das Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung, NJW 1999, S.107. 44 Vergl. Krause/ Vogel, Besetchungsbekämpfung im internationalen Geschäftsverkehr, RiW 1999, S.488 (491). 45 BGBl.II 1998, S.2340; Randt, BB 2000, Schmiergeldzahlungen bei Auslandssachverhalten, S.1006 (1007).
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Weltrechtsprinzip des § 6 StGB unterliegen und keine dort aufgeführte
Katalogtat sind46.
b) Bestechung und Bestechlichkeit von Vertretern
ba) Nationaler Rechtsverkehr
Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch die Bestechung und
Bestechlichkeit von Vertretern, die keine Amtsträger sind, strafbar. Gemäß §
299 StGB ist es strafbar, wenn ein Angestellter oder Beauftragter eines
geschäftlichen Betriebes im geschäftlichen Verkehr einen Vorteil fordert, sich
versprechen lässt oder annimmt, damit er den Bestechenden als
Gegenleistung in der Zukunft im Wettbewerb unlauter bei dem Bezug von
Waren und gewerblichen Leistungen bevorzugt47. Strafbar ist auch das
spiegelbildliche Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines solchen
Vorteils als Gegenleistung einer Bevorzugung.
Angestellter ist, wer in einem Dienstverhältnis zu dem Inhaber eines
Geschäftsbetriebes steht und weisungsgebunden oder befugt für einen
Geschäftsherrn tätig wird48. Klassische Beispiele sind Arbeitnehmer oder
Vorstände einer AG49.
Beauftragter ist die Person, die befugtermaßen für einen Betrieb tätig wird,
ohne Angestellter oder Geschäftsinhaber zu sein50. Typische Fälle sind
Aufsichtsratsmitglieder, Handelsvertreter, Unternehmensberater und
Architekten51.
46 Dazu eingehend, Randt, Schmiergeldzahlungen bei Auslandssachverhalten, BB 2000, S.1006 (1008). 47 §§ 299, 300 StGB haben den § 12 UWG, der schon früher die Bestechung und Bestechlichkeit im Wettbewerb unter Strafe stellte, vollständig ersetzt. 48 Bauer in Reinhard/ Grüber, Anwaltshandbuch Wettbewerbspraxis, S.1045 (1051). 49 Bürger, Bestechungsgelder im privaten Wirtschaftsverkehr – doch noch steuerlich abzugsfähig?, DStR 2003, S.1421 (1423). 50 BayObLG NJW 1996, S.268 (270). 51 Mit weiteren Beispielen, Bürger, Bestechungsgelder im privaten Wirtschaftsverkehr – doch noch steuerlich abzugsfähig?, DStR 2003, S.1421 (1423).
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Geschäftsinhaber ist derjenige, der autonom die Entscheidung über den
Waren- und Leistungsaustausch für seinen Geschäftsbetrieb fällt52.
Da die bestochene Person iSd. § 299 StGB nur ein Angestellter oder
Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes sein kann, sind von dem
Tatbestand die Betriebsinhaber selbst ausgenommen53. Folglich ist es
straffrei, z. B. einen selbstständigen Arzt oder Einzelunternehmer zu
bestechen, soweit diese als Geschäftsinhaber autonom über ihren
Leistungsaustausch entscheiden.
Da z. B. Geschäftsführer einer GmbH den Weisungen der
Gesellschafterversammlung unterliegen, gelten sie nach überwiegender
Auffassung als taugliche Täter iSd. §299 StGB54. Diese Ungleichbehandlung
von Organen einer Kapitalgesellschaft und selbstständigen
Geschäftsinhabern wird kritisiert, da auch Geschäftsführer in der Praxis
regelmässig autonom entscheiden55, bzw. bei Ein-Mann-Gesellschaften mbH
einem Betriebsinhaber gleichzustellen seien56. Die Strafbarkeit wäre damit
rechtsformabhängig57.
Die Tathandlung der Bestechung muss im geschäftlichen Verkehr erfolgen.
Unter geschäftlichem Verkehr ist jede wirtschaftliche Zwecke verfolgende
Tätigkeit zu sehen, in der eine Teilnahme am Wettbewerb zum Ausdruck
kommt58. Folglich sind die private Bestechung und die Bestechung von
Amtsträgern von § 299 StGB nicht erfasst. Im Gegensatz zur Bestechung
von Amtsträgern, die den §§ 332, 334 StGB unterfällt, fällt die Bestechung
und Bestechlichkeit von Privatpersonen im Privatverkehr aus dem
Tatbestand des § 299 StGB und ist straffrei59.
52 Schubert in Wabnitz/ Janovsky, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, S.731, Rd.76. 53 Joecks, Abzugsverbot für Bestechungs- und Schmiergelder, DStR 1997, S.1025 (1027). 54 Streitig, mwN, Bürger, Bestechungsgelder im privaten Wirtschaftsverkehr – doch noch steuerlich abzugsfähig?, DStR 2003, S.1421 (1423). 55 Vergl. Joecks, Abzugsverbot für Bestechungs- und Schmiergelder, DStR 1997, S.1025 (1027); Stapf, Steuerliche Folgen der Zuwendung korrumpierender Vorteile ab 1999, DB 2000, S.1092 (1096). 56 Vergl. BMF-Schreiben vom 10.10.2002, DStR 2002, S.1990. 57 Bürger, §299 – Eine Straftat gegen den Wettbewerb? Wistra 2003, S.130 (132). 58 Heine in Schönke/ Schröder StGB, §299, Rd.9. 59 Bauer in Reinhard/ Grüber, Anwaltshandbuch Wettberwerbspraxis, S.1045 (1052).
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Tatbestandsmerkmal des §299 StGB ist, dass die Bevorzugung entweder bei
dem Bezug von Waren, also wirtschaftlichen Gütern, oder bei gewerblichen
Leistungen, also allen Leistungen des gewerblichen Verkehrs, erstrebt wird.
Der Gesetzgeber hat insoweit nichtgewerbliche Leistungen, z. B.
freiberuflicher Ärzte oder Rechtsanwälte vom Tatbestand ausgeschlossen,
obwohl diese im geschäftlichen Verkehr tätig werden60. Kritisiert wird auch,
dass die Bestechung bei der Vergabe von Leistungen nicht von §§ 299 StGB
erfasst wird und damit straffrei ist61.
Da die Bevorzugung zum Zeitpunkt der Vereinbarung in der Zukunft liegen
muss, ist das nachträgliche Vereinbaren einer Belohnung straffrei62. Kritisiert
wird, dass sich die Form der Belohnung in der Praxis leicht gestalten lässt
und Schmiergeldvereinbarungen damit u. U. ungeahndet bleiben63.
Eine Einschränkung erfährt der Tatbestand darüber hinaus dadurch, dass die
Bevorzugung im Wettbewerb erfolgen muss. Zum Zeitpunkt der Bestechung
muss also eine Konkurrenzsituation bestehen64. Die Bevorzugung in dieser
Konkurrenzsituation müsste unlauter sein. Unlauter ist die Bevorzugung,
wenn der Bestechende mit dem angebotenen Vorteil versucht, den lauteren
Wettbewerb auszuschalten65. Bei dem Tatbestandsmerkmal der Unlauterkeit
handelt es sich deshalb um eine Ausprägung der Unrechtsvereinbarung. Die
Bevorzugung ist also unlauter, wenn für die Vertreterentscheidung
hinsichtlich der gewerblichen Leistung oder den Bezug von Waren z. B. nicht
die Qualität, der Preis oder ein anderes sachliches Kriterium
ausschlaggebend ist, sondern das Schmiergeld66.
60 So Fischer in Tröndle/ Fischer, StGB, §299, Rd.13; a.A. Stapf, Steuerliche Folgen der Zuwendung korrumpierender Vorteile ab 1999, DB S.1092 (1096); allgemein dazu, Bürger, §299 – eine Straftat gegen den Wettbewerb, wistra 2003, S.130 (131). 61 Schubert, Wabnitz, Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 10. Kap. S.732, Rd.77. 62 BGH NJW 68, S.1572 (1573); OLG Düsseldorf NJW 1974, S.417. 63 So Park, Die Ausweitung des Abzugsverbots für Bestechungs- und Schmiergelder durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/ 2000/ 2002, DStR 1999, S.1097 (1098). 64 BGHSt 10, S.368. 65 vergl. Bauer in Walter/ Grüber, Anwaltshandbuch Wettbewerbspraxis, S.1045 (1050). 66 Dazu Heine in Schönke/ Schröder, StGB, §299, Rd.19.
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Da Ziel der Bestechung eine Bevorzugung bei dem Bezug von Waren und
gewerblichen Leistungen sein muss, ist die Zahlung von „speed-money“ nicht
tatbestandsmäßig.
Für den subjektiven Tatbestand reicht zumindest bedingter Vorsatz aus67.
bb) Internationaler Rechtsverkehr
Seit dem 22.August 2002 ist auch die Bestechung von Angestellten im
internationalen geschäftlichen Verkehr strafbar, da die Absätze 1 und 2 des
§299 StGB nun auch bei Handlungen im Ausland Anwendung finden68. Der
Tatbestand ist auch dann erfüllt, wenn die Tat ausschliesslich den
ausländischen Wettbewerb betrifft69. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass
deutsches Strafrecht einschlägig ist.
Nach dem Gebietsgrundsatz des § 3 StGB ist deutsches Strafrecht immer
anwendbar, wenn die Tat im Inland ausgeführt wurde. Dabei soll nach § 9
Abs. 1 StGB ausreichen, wenn nur ein Einzelakt im Inland verübt wurde.
Soweit es um Teilnahmehandlungen geht, genügt sogar das Begehen eines
Einzelaktes der Haupttat oder der Teilnahmehandlung in Deutschland für die
Anwendung deutschen Rechts. Wird z. B. der Entschluss zu einer nach
deutschem Recht strafbaren Angestelltenbestechung im Inland gefällt, ist
dies ein hinreichender Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit des
Strafgesetzbuches70.
Sollten alle Einzelakte einer Bestechungshandlung im Ausland stattgefunden
haben, kann deutsches Strafrecht gemäß § 7 StGB zur Anwendung
kommen, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder am Tatort keiner
67 Heine in Schönke/ Schröder StGB §299, Rd.29. 68 BGBl. I, 2002, S.3387. 69 Demuth/ Peykan, Zur Reichweite des Abzugsverbots nach §4 Abs.5 Satz 1 Nr.10 EstG, DStR 2003, 1426 (1427). 70 Vergl. dazu Hoyer im SK StGB §9, Rd.4.
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Strafgewalt unterliegt und die Tat gegen einen Deutschen erfolgte oder der
Täter Deutscher ist71.
Ein nahe liegendes Beispiel dafür, dass die Bestechung von Angestellten im
geschäftlichen Verkehr nicht überall unter Strafe gestellt wird, ist Spanien. §
7 StGB wäre damit nicht einschlägig. Die Bestechung von Angestellten iSd. §
299 III StGB in Spanien ist nach deutschem Recht also nur dann strafbar,
wenn ein Einzelakt in Deutschland begangen worden ist.
Mit der Reform des §299 StGB und die Einbeziehung der Auslandstaten ist
der alte Streit zu der Frage, ob der Schutzbereich des §299 StGB nur
Inlandstaten oder auch Handlungen im Ausland umfasst, erledigt72.
Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, gegen welche
Gesetzesverbote eine Schmiergeldvereinbarung verstoßen und deshalb
gemäß § 134 BGB unwirksam werden kann. Eine Schmiergeldvereinbarung
kann aber nicht nur gemäß § 134 BGB iVm. einem Verbotsgesetz nichtig
sein, sondern auch wegen des Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß §
138 I BGB.
II. Nichtigkeit wegen des Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138
I BGB
Voraussetzung für die Anwendbarkeit des §138 I BGB ist, dass sich die
Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts nicht schon aus §134 BGB iVm. einem
Verbotsgesetz ergibt, da nach allgemeiner Ansicht §134 BGB im Verhältnis
zu §138 I BGB lex specialis ist73.
71 Dazu eingehend Stapf, Steuerliche Folgen der Zuwendung korrumpierender Vorteile ab 1999, DB 2000, S.1092 (1094). 72 Vergl. zur alten Streitigkeit Randt, Schmiergeldzahlung bei Auslandssachverhalten, §1006 (1008); Wichterich/ Glockemann, Steuer- und strafrechtliche Aspekte von Schmiergeldzahlungen an Mitarbeiter von Staatsunternehmen, Teil I, INF 2000, S.1 (4); OLG Düsseldorf NJW 1974, S.417. 73 MwN. Hefermehl, in Soergel BGB §138 Rd. 63; Krüger-Nieland/ Zöller, RGRK, §138, Rd.9.
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1. Die Schmiergeldvereinbarung im nationalen Rechtsverkehr
Eine Schmiergeldvereinbarung im nationalen Rechtsverkehr ist nach
deutschem Recht stets, soweit nicht schon nach §134 BGB iVm. einem
Verbotsgesetz, gemäß § 138 I BGB nichtig, da sie als Vereinbarung, die
Angestellte, Bevollmächtigte oder sonstige Vertreter einer Partei mit dem
Vertragsgegner „hinter dem Rücken“ des Geschäftsherren treffen, gegen die
guten Sitten verstößt74. Diese rechtliche Beurteilung ist in Literatur und
Rechtsprechung unumstritten75.
Der sittliche Unwert ergibt sich aus den Grundsätzen der
Umstandssittenwidrigkeit. Ein Rechtsgeschäft ist danach
umstandssittenwidrig, wenn sich die Sittenwidrigkeit seines Inhalts nicht
unmittelbar aus seinem Inhalt, sondern erst aus den besonderen Umständen
ergibt, die den Gesamtcharakter des Rechtsgeschäfts prägen76. Diese
Formel ist sehr weit gefasst, weshalb die Rechtsprechung dazu
übergegangen ist, zu ihrer Konkretisierung Fallgruppen zu bilden. Die
Schmiergeldvereinbarung fällt unter eine dieser entwickelten Fallgruppen,
der Fallgruppe einer sog. „missbilligten Kommerzialisierung“77. Unter dieser
Fallgruppe werden die Rechtsgeschäfte der Kommerzialisierung eines
Verhaltens gefasst, das gerade unabhängig von fremden Zahlungen sein
sollte und mit dessen Kommerzialisierung fremde Interessen geschädigt
werden78. Der sittliche Unwert einer Schmiergeldvereinbarung liegt demnach
darin begründet, dass ein Vertreter seine Treuepflichten gegenüber dem
74 OLG Hamm ZIP 1993, S. 468. 75 Hefermehl in Soergel §138 Rd.180; Mayer-Maly in MüKo §138 Rd.110; Hefermehl in Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, §12 Rd.25; Krüger-Nieland/ Zöller in RGRK §138 Rd.177; Brox in Erman BGB, §138 Rd.68; Damm in AK BGB, §138 Rd.176; Heinrichs in Palandt §138 Rd.63; RGZ 132, 131; BGH NJW 1962, S.1099; BGH NJW 1968, S.1572; BGH NJW 1973 S.363; BGH NJW-RR 1987, S.42. 76 Vergl. Hefermehl in Soergel, §138 Rd.29. 77 Vergl. BGH NJW-RR 1988, S.144; Zur Fallgruppe selbst Mayer-Maly in MüKo, BGB, §138 Rd.32/ 33. Zur Subsumtion der Schmiergeldvereinbarung unter diese Fallgruppe, Mayer-Maly in MüKo, BGB, §138 I BGB, Rd.110. 78 Krüger-Nieland/ Zöller, in RGRK, §138 Rd.163/ 177 f.; Heinrichs in Palandt, §138 Rd.56.
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Geschäftsherrn durch die heimliche Annahme des Schmiergelds verletzt, um
sich persönlich zu bereichern79.
Der Prinzipal ist während einer Vertretung der dauernden Gefahr ausgesetzt,
durch seinen Vertreter gegenüber Dritten berechtigt und verpflichtet zu
werden80. Insoweit ist er in seinem Anspruch auf die Pflicht zur Treue und
Loyalität des Vertreters81 besonders schutzbedürftig, da im deutschen
Kulturkreis Schmiergeldvereinbarungen nicht typischer Teil der
Geschäftskultur sind und er so nicht mit der Bestechung seines Vertreters
rechnen muss82.
Den Bruch des besonderen Vertrauens eines Geschäftsherrn lässt sich der
Vertreter durch das Schmiergeld honorieren, obwohl die Treuepflicht
gegenüber dem Geschäftsherrn gerade unabhängig von fremden Zahlungen
bleiben sollte83. Wegen der missbilligten Kommerzialisierung des
Treuebruchs ist die Schmiergeldvereinbarung im nationalen Rechtsverkehr
sittenwidrig.
Für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit einer Schmiergeldvereinbarung
kommt es nicht darauf an, ob die daran Beteiligten den Geschäftsherrn
benachteiligen wollen. Auch kommt es nicht darauf an, ob solche Nachteile
eingetreten sind84. Missbilligt werden allein schon die Verquickung von
eigennützigen Interessen des Vertreters mit dem Interesse des Vertretenen
an dem versprochenen Vorteil, der darin liegende Missbrauch des dem
Vertreter gewährten Vertrauens und die hiervon ausgehenden Gefahren85.
Der Vorwurf der Rechtsprechung lautet also, dass der Vertreter durch den
wirtschaftlichen Vorteil der Schmiergeldvereinbarung seine originäre Aufgabe
als Vertreter nicht mehr erfüllen kann, nämlich für den Geschäftsherrn
79 Vergl. BGH NJW-RR 1987, S.42; OLG Hamm ZiP 1993, S.468; Streissler, Zum Zusammenhang zwischen Korruption und Wirtschaftsverfassung, in Brünner (Hrsg.), Korruption und Kontrolle, S.299 (300); Sack in Staudinger, §138, Rd. 469-473. 80 Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, S.104. 81 Tillmann, Konkurrierende Ansprüche auf das Schmiergeld, Diss., S.5. 82 Vergl. BGH NJW 1968, S.1572 (1574). 83 BGH WM 1976, S.1306 (1307). 84 RGZ 161, 229 (231). 85 BGH NJW 1973, S.363.
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unvoreingenommen tätig zu werden86. Diese Vermengung eigenen
Interesses an der Schmiergeldvereinbarung mit dem Interesse des
Geschäftsherrn am uneigennützigen, loyalen Handeln des Vertreters prägt
den Gesamtcharakter der Schmiergeldvereinbarung als Auslöser des
Treuebruchs und macht sie sittenwidrig87. Die Schmiergeldvereinbarung ist
also wegen der „missbilligten Kommerzialisierung“ des Treuebruchs
umstandssittenwidrig88.
Der BGH verlangt begrifflich für den Tatbestand der
Schmiergeldvereinbarung, dass dies für einen zukünftigen Vorteil gezahlt
werde89. Soweit erst nachträglich eine Belohnung iSe. nicht vereinbarten
Erfolgsprovision gezahlt werde, sei dies begrifflich kein Schmiergeld.
Gleichwohl werden aber auch Vereinbarungen dieser Art als sittenwidrig
angesehen, da der Vertreter sich treuwidrig gegen den von ihm Vertretenen
verhält und der Vertragspartner daran mitwirkt. Eine solche
Provisionszahlung sei sittenwidrig, soweit sie keinen „kaufmännischen
Anlass“ habe und lediglich der persönlichen Bereicherung diene90. Dies ist
bei heimlichen Belohnungen regelmäßig der Fall. Die Rechtsfolge, die
Nichtigkeit einer solchen Vereinbarung und Rechtsgrundlosigkeit der
Zahlung, ist also dieselbe. Es handelt sich bei dieser Abgrenzung nur um
eine begriffliche Einschränkung ohne Rechtswirkung.
Fraglich ist, ob die Bewertung der Schmiergeldvereinbarung gemäß § 138 I
BGB im internationalen Rechtsverkehr anders ausfällt, wenn
Schmiergeldvereinbarung in dem betreffenden Staat die Regel sind.
2. Die Schmiergeldvereinbarung im internationalen Rechtsverkehr
86 Vergl. Siegburg in EwiR, 1991, S.871 (872). 87 Vergl. BGH NJW-RR 1987, S.42; OLG Köln NJW-RR 1988, S.144. 88 So OLG Hamm ZiP 1993, S.468; Mayer-Maly in MüKo, BGB, S.138, Rd.110. 89 BGH NJW 1989, S.26. 90 Zum Begriff des „kaufmännischen Anlass“, OLG Köln NJW-RR 1992, S.623 (624).
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Im internationalen Rechtsverkehr spielen Schmiergeldvereinbarungen eine
große Rolle91. Da Schmiergeldgeschäfte in manchen Ländern Bestandteil
der Geschäftskultur sind, fällt die Beurteilung ihres sittlichen Wertes
besonders schwer92.
Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen der Bestechung ausländischer
Amtsträger und den Schmiergeldvereinbarungen zwischen Privatleuten.
Schmiergeldvereinbarungen mit ausländischen Amtsträgern waren nach
bisheriger Auffassung des BGH gemäß § 138I BGB sittenwidrig93.
Voraussetzung dafür war, dass sie in dem betreffenden Land verboten
waren, die Schmiergeldvereinbarungen also gegen ein ausländisches
Verbotsgesetz verstießen, welches mittelbar auch deutsche Interessen
schützen sollte oder dessen Umgehung allgemein zu achtenden Interessen
aller Völker zuwiderlief94.
Der BGH hatte schon in den bisher entschiedenen Fällen eine
Schmiergeldvereinbarung mit einem ausländischen Amtsträger gemäß § 138
I BGB für sittenwidrig befunden95, da die Verletzung ausländischer
Rechtsnormen, die auch nach den in Deutschland herrschenden rechtlichen
und sittlichen Anschauungen anzuerkennen seien, gleichzeitig eine
Verletzung allgemein gültiger sittlicher Grundsätze bedeute96. Eine derartige
Schmiergeldvereinbarung war deswegen nichtig97.
Seit dem 15. 2. 1999 gilt das OSZE-Übereinkommen über die Bekämpfung
der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen
91 Siehe den jährlich veröffentlichten Transparency International Corruption Perceptions Index (CPI). 92 Eine rechtsvergleichende Übersicht zur Gesetzeslage in dreizehn verschiedenen Rechtsordnungen findet sich bei Hepkema/ Booysen, Bribery of public Officials, International Business Lawyer, 1997, S.415. 93 BGHZ 59, 82, (83). 94 So auch Heinrichs in Palandt, §134 Rd.2. 95 BGH IPRaX 1987, S.110; Dazu Fikentscher/ Waibl, Ersatz im Ausland gezahlter Bestechungsgelder, IPRaX 1987, S.86; Vergl. Auch OLG HH NJW 1992, S.635. 96 BGH IPRax 1987, S.110 (111). 97 Vergl. Kühn, Kickbacks to civil servants will invalidate agency agreements, International Business Lawyer, 1985, S.385.
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Geschäftsverkehr98 und seit dem 10.9.1998 das Übereinkommen zum
Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften als
deutsches Recht. Da aufgrund dieser Übereinkommen der Abschluss von
Schmiergeldvereinbarungen mit ausländischen Amtsträgern auch nach
deutschem Recht strafbar ist, sind Schmiergeldvereinbarungen mit diesen
Personen nunmehr, wie oben beschrieben, gemäß § 134 I BGB wegen des
Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz nichtig.
Die bisherige Begründung der Rechtsprechung des BGH, der allein auf § 138
I BGB abstellte, ist also überholt. Am Ergebnis, der Nichtigkeit der
Schmiergeldvereinbarung, hat sich jedoch nichts geändert.
Ganz etwas anderes gilt, nach Ansicht des BGH, für
Schmiergeldvereinbarungen zwischen Privatleuten, soweit diese Verträge
nicht nach deutschem oder ausländischem Recht verboten sind. Regelmäßig
sind solche Vereinbarungen gemäß §134 iVm. §299 III StGB nichtig, soweit
der Straftatbestand erfüllt ist99. Dies ist z.B. nicht der Fall bei der Bestechung
von Betriebsinhabern oder der Zahlung von „speed-money“. Findet
deutsches Recht Anwendung auf eine solche internationale
Schmiergeldvereinbarung, soll es nach Ansicht der Rechtsprechung bei der
Bestimmung der guten Sitten gemäß § 138 I BGB auch auf die auf dem
ausländischen Markt herrschende Auffassung ankommen100. Bleibt
ungeklärt, ob es sich bei der Vereinbarung um ein Schmiergeldvereinbarung
handelt, solle im Regelfall die Wirksamkeit der Vereinbarung anzunehmen
sein101.
Der BGH argumentiert in dem entschiedenen Fall, dass die Bekämpfung der
Schmiergeldkorruption in Deutschland unmittelbar auch dem allgemeinen
Interesse daran diene, zu verhindern, dass durch Schmiergeld schlechtere
Ware den Vorzug erhält und der Preis verteuert wird102. Wenn auf dem
98 BGBl. 1998, Teil II, 21.September 1998, S.2329. 99 Dazu Randt, Abermals Neues zur Korruptionsbekämpfung: Die Ausdehnung der Angestelltenebstechung des §299 StGB auf den Weltmarkt, BB 2002, S.2252. 100 BGH NJW 1968, S.1572 (1573); So auch Hefermehl, in Soergel, BGB §138, Rd.181. 101 OLG Düsseldorf NJW 1974, S. 417. 102 BGH NJW 1968, S.1572 (1574).
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ausländischen Markt die Schmiergeldvereinbarung aber nur im Hinblick auf
die Abwerbung von Angestellten oder des Ausspähens von Geheimnissen
verpönt sei, erscheine es nicht geboten, die strengen deutschen Maßstäbe
anzuwenden, wenn die Auswirkungen der Vorteilsgewährungen sich im
Einzellfall nur auf dem ausländischen Markt zeigen103.
Der BGH meint also, bei der Anwendung deutscher Sittenmaßstäbe sei
immer zu prüfen, ob die deutschen guten Sitten und die entsprechenden
ausländischen Gesetzesmaßstäbe tatsächlich auch dasselbe Schutzobjekt
hätten. Wenn die deutsche Generalklausel des § 138 I BGB also bezüglich
der Schmiergeldvereinbarungen ein anderes Schutzgut hätte als die
entsprechende ausländische Norm und so ein nach ausländischer
Auffassung nicht schutzbedürftiges Rechtsgut aufgrund der Anwendung des
§ 138 I BGB zur Nichtigkeitserklärung des Rechtsgeschäfts herangezogen
würde, wäre dies unzulässig, so der BGH.
Die konsequente Anwendung dieser Rechtsprechung könnte also dazu
führen, dass ein deutsches Gericht einer internationalen
Schmiergeldvereinbarung gerichtlich Geltung verschaffen müsste104.
Im Sinne der Argumentation des BGH gibt auch Hopt zu bedenken, dass es
nicht dessen Aufgabe sein könne, Standards der Geschäftsmoral via
exterritorialer Wirkung von Rechtsnormen in alle Welt zu exportieren und zu
oktroyieren105.
Auch Esser und Weyers wenden ein, es könne nicht Sache deutscher
Gerichte sein, deutsche Maßstäbe an „Geschäftspraktiken etwa im Orient“
anzulegen.106 Fikentscher und Waibl schränken diese Berücksichtigung
fremder Kulturen dahingehend ein, dass es auch verwerfliche Bestechung im
103 Vergl. BGH NJW 1968, S.1572 (1574). 104 So wohl auch Schneider in Scholz, GmbH-Gesetz, §43, Rz.68; Mertens, AktG, §93, Rz.37. 105 Hopt, Recht und Geschäftsmoral multinationaler Unternehmen, in Tradition und Fortschritt, Festschrift gewidmet der Tübinger Juristenfakultät zu ihrem 500 jährigen Bestehen, S.279 (323); So auch, aber unangemessen polemisch, Knapp, Sittenwidrige Vermittlung von Regierungsaufträgen durch Bestechungsgelder, RiW 1986, S.999 (1000). 106 Esser/ Weyers, Schuldrecht BT, §35 III, 2.
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Ausland geben kann, so z. B. wenn mittelbar auch deutsche Interessen
betroffen sind107, was bei dem Verstoßen gegen ausländische
Verbotsgesetze als Umgehung allgemein zu achtender Interessen aller
Völker der Fall sein soll.
Da bei der Bewertung von Schmiergeldvereinbarungen durch den BGH auch
auf die auf dem ausländischen Markt herrschende Auffassung Rücksicht
genommen wird, es also nach seiner Auffassung auch rechtswirksame
Schmiergeldvereinbarungen geben kann, gleichen sich die Ansichten von
Rechtsprechung und Literatur in diesem Punkt.
Abschließend ist zur Frage der Nichtigkeit von Schmiergeldvereinbarungen
noch folgendes festzuhalten: Gleichwertig neben der Nichtigkeit des
Hauptvertrages nach §134 BGB und §138 I BGB steht das Anfechtungsrecht
des Geschäftsherrn aus wichtigem Grund gemäß §242 BGB108. Auch
nichtige Rechtsgeschäfte können nach allgemeiner Auffassung angefochten
werden, da mehrere Nichtigkeitsgründe nebeneinander geltend gemacht
werden dürfen109. Ein auf Schmiergeld beruhender Hauptvertrag kann also
nicht nur wegen des Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz iSd. §134 BGB
oder der Sittenwidrigkeit iSd. §138 I BGB nichtig sein, sondern auch durch
den Geschäftsherrn angefochten werden.
107 Fikentscher/ Waibl, Ersatz im Ausland gezahlter Schmiergelder, IPRaX 1987, S.89. 108 BGH ZiP 1999, S.1099 (1101). 109 Zur Doppelwirkung, vergl. Lehmann, BGB AT, §27, S.160.