Schneider, Emil - Der Animale Magnetismus - Seine Geschichte Und Seine Beziehungen Zur Heilkunst...

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D E R A N I M A L E M A G N E T I S M U S

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D E R A N I M A L E

MAGNETISMUS S E I N E G E S C H I C H T E U N D

SEINE B E Z I E H U N G E N ZUR H E I L K U N S T

von

EMIL S C H N E I D E R

Mit 5 doppelseitigen, 17 einseitigen

Bildtafeln und 7 Textfiguren

KONRAD LAMPERT VERLAG ZÜRICH

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A L L E R E C H T E V O R B E H A L T E N

C O P Y R I G H T I 9 5 0 B T K O N R A D L A M P E R T V E R L A G , Z Ü R I C H

G E M S B E R G D R U C K D E R G E S C H W I S T E R Z I E G L E R & C O . , W I N T E R T H Ü R

C L I C H É S : C L I C H É A N S T A L T W I N T E R T H U R

P R I N T E D I N S W I T Z E R L A N D

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Meinen Patienten

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I N H A L T

Vorwort 13Einführung 17

I. Vorgeschichte des Magnetismus

1. Vorchristliche Kulturkreise; Babylonien, Assyrien, Ägyp-ten, Griechenland und Rom 25

2. Christliche Zeit bis 1775; Wunderheilungen; Heilige,Könige etc. heilen durch Handauflegen. Paracelsus, Max-well, Fludd, van Helmont, Greatrakes, Gaßner 45

II. Franz Anton Mesmer Entdeckung, Ausbreitung und Schicksal des Magnetismus während der Zeit seines Lebens.

1. Herkunft, Jugend, Studium und Doktorat (1734-1766) .. 93 2. Die Wiener Praxis. Mesmer privat. Die Entdeckung der Ma-

gnetkuren und des animalischen Magnetismus. (1766-1775) 1043. Die Reise nach Ungarn und die in Rohow gemachten

magnetischen Erfahrungen (Juni 1775) 1214. Reise nach Süddeutschland. München. Gutachten über

Gaßner. Der Fall Paradis. Wegzug von Wien (1775 bisJanuar 1778) 158

5. Mesmer und sein Magnetismus in Paris. Hoffnungen undEnttäuschungen. Kampf um die Anerkennung und Ver-breitung. Gutachten der Untersuchungskommissionen.(1778-1786) 181

6. Mesmers Harmonie-Gesellschaften. Seine Vorträge in derPariser Harmonie. Die Aphorismen. (1785 bis zum Aus-bruch der Französischen Revolution 1789) 233

7. Dunkle Zwischenjahre. Reisen. Mesmer ist für die großeWelt verschollen (1786-1813) 244

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8. Ausbreitung und Entwicklung des Magnetismus und Som-nambulismus in Deutschland und der Schweiz und die vonihm angeregte Literatur. Prof. Kluges Buch über den ani-malischen Magnetismus als Heilmittel. (1785-1812) 250

9. Mesmers Lebensabend und endliche Anerkennung. (1812-1815) 281

III. Mesmers Lehre

Theoretische und praktische Anweisungen. Die Aphorismen. Prof. Wolfarts «Mesmerismus oder System der Wechselwir-kungen» 327

IV. Der Mesmerismus in seiner geschichtlichen Fortentwicklung

Neue Entdeckungen. Bestätigung von Beobachtungen Mes-mers. Die psychischen Heilmethoden. Moderne Forschungs-resultate, die den Magnetismus bestätigen. (1811 bis zur Ge-genwart) 403

1. Literatur. Entwicklungstendenzen und Ausbreitung desMagnetismus seit Mesmers Tod. Die Auffassung des gro-ßen Arztes Dr. C. G. Carus über den Lebensmagnetismus 403

2. Die Fluidisten und das Od. Die Ausscheidung des Empfin-dungsvermögens. Reichenbach, Blondlots N-Strählen, deRochas, Grunewald und die Ergebnisse der neuesten For-schung 431

3. Hypnose und Suggestion. Die Verfahren von Braid undCoue. Mesmerische Einflüsse auf die Entwicklung des gei-stigen Heilens 464

4. Magnetismus und Medizin. Die Homöopathie erweist sichals die dem Magnetismus verwandteste und wirksamstemedizinische Therapie. Sie ist besonders geeignet, die vomMagnetismus gespendete Lebenskraft am zweckmäßigstenzur Heilung zu lenken 482

V. Literaturverzeichnis 499

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V E R Z E I C H N I S D E R A B B I L D U N G E N

I. Tafeln

1. Portrait des Verfassers !6/i72. Altägyptische Votivhände aus Montfaucon: «L'An-

tiquité expliquée et représentée en figures. Paris 1719 3 2/3 3 3. Portrait des 45 jährigen Paracelsus von A. Hirschvogel

1538 64/654. Portrait Valentine Greatrakes altenglischen Ursprungs 80/81 5. Titelkupfer aus Joh. Jos. Gaßners Schrift : «Weise,

fromm und gesund zu leben, auch ruhig und gottseligzu sterben»'(1775) 112/113

6. 2. Titelkupfer aus Joh. Jos.Gaßners Schrift: «Weise, fromm und gesund zu leben, auch ruhig und gottselig zu sterben», die Austreibung des Bösen darstellend . 128/129

7. Portrait F.A.Mesmers nach einem Pastellbild derWiener- oder ersten Pariserzeit. (Original im Besitzdes Rittersaalvereins Burgdorf) 160/161

8. Titelblatt von Mesmers Wiener Dissertation von 1766 176/1779. Titelblatt von «Neueste Nachrichten aus Wien von

den vermittelst des Magnets geschehen seyn sollen-den Curen» (5. Januar 1775) 208/209

10. Mitgliedspatent der Pariser Harmoniegesellschaftvom Jahre 1787. (Erstveröffentlichung.) Original imBesitz des Autors 224/225

11. Portrait F.A.Mesmers (Pujos del. Legrand sculp.)aus Mesmers Pariser Zeit 256/257

12. Faksimile eines zum ersten Mal veröffentlichten Brie-fes Mesmers an Mr. Billouetz vom 11. Juli 1784 . . . 272/273

13. Wohnhaus Mesmers in Frauenfeld (jetzt Zürcher-straße 153) 304/305

14. Allegorie über die Befreiung der Kranken durch Mes-mers animalen Magnetismus (1780). Original im Be-sitz des Verfassers 320/321

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15. Faksimile eines zum ersten Mal veröffentlichten Brie-fes Mesmers in Eigenhandschrift an den befreundetenArzt Dr. Aubry in Henrichmont, datiert Frauenfeld,den 23.Oktober 1805. (Originale von Tafeln 12 und15 im Besitz des Autors) 352/353

16. Tafeln I und III der Handzeichnungen Mesmers zurErklärung des Systems der Wechselwirkungen ausWolfarts «Mesmerismus» (1814) 368/369Tafel I: Darstellung der Ur-Teilchen der Elemen-

tarmaterie und der zwischen ihnen wirkenden «Ströme» (Fluida)

Tafel III: Darstellung der Ladung von Eisen zu Ma-gneten durch die Bewegung der Ur-Teilchen und die Strahlung der geladenen Magnete. Fig. 18. Darstellung der Entstehung von Ebbe und Flut

17. Titelkupfer aus den «Mitteilungen aus dem magneti-schen Schlaflcben der Somnambule Auguste K. inDresden» (1843). Zeichnung von Ludwig Richter . 400/401

18. Portrait von C.G. Carus (nach dem Gemälde vonHübner) 416/417

19. Portrait Samuel Hahnemanns. (Stahlstich nach einemGemälde von Schoppe, 1831) 448/449

20. Siegclabdruck Mesmers, den er auf seinem Brief vom 23. Oktober 1805 an Dr. Aubry verwendet hat 464/465

II. Textfiguren

1. Magnetische Behandlung bei den alten Skyten. Zeich-nung auf einer Amphora in der Eremitage in Lenin-grad 27

2. Der ägyptische Gott Anubis magnetisiert einen Kran-ken. Zeichnung auf einer etruskischen Vase im Louvre, Paris 36

3. Magnetische Behandlung durch Handauflegen beiden alten Griechen. Zeichnung auf einer altgriechi-schen Vase 42

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4- Magnetische Heilung durch die «Königliche Hand», wie dies von vielen Fürsten Europas ausgeübt wurde 51

5. Portrait des älteren Mesmer nach dem Stich einesunbekannten Künstlers 99

6. Magnetisches Baquet (Rückwärtige Umschlagszeich-nung von Boeckmanns Archiv von 1787) 199

7. Magnetisierte Bäume (vordere Umschlagszeichnungvon Boeckmanns Archiv von 1787). Zur Erklärungwird aus dem fünften Gesang von Homers Odysseedie Stelle zitiert, wo es heißt: Er (Merkur) nahm auchden Stab, mit dem er die Augen eines Menschen nachseinem Willen entschläfert, und wieder andere, dieeingeschlafen sind, erwecket 253

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V O R W O R T

Gute neun Jahre sind seit dem Erscheinen meines ersten Buches «Über den Lebensmagnetismus und seine Heilkraft» verflossen. Es war für mich erfreu-lich zu sehen, mit welch großem eigenem Anteil und Nutzen es vor allem von meinen Patienten und dar-über hinaus von einem weiteren, erstaunlich breiten Kreis von anderen Interessenten aufgenommen wor-den ist. Zu schnell war die ganze Auflage vergriffen und ich habe auf die zahlreichen, immer wiederkeh-renden Anfragen endlich versprechen müssen, sie mit einer neuen, vielseitigeren Schrift zu entschädigen. Die Einlösung meines Versprechens mag mit diesem neuen Buch, das nun fertig vorliegt, geschehen.

Hat mein Erstlingswerk in Publikum und Presse auch in weitaus überwiegendem Maße zustimmende Aufnahme gefunden, so hat es auch da oder dort an kritischen Stimmen und Wünschen nicht gefehlt. Ich habe sie alle dankbar aufgenommen, geprüft und wo es anging, sie in der neuen Verarbeitung berücksich-tigt. Solange das Leben nicht stille steht, trägt uns der ununterbrochene Strom der Erfahrungen stets neue Einsichten zu, und ich habe mich bemüht, Augen und Herzen offen zu halten, um weiter zu lernen.

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Mein Buch ist wieder in erster Linie meinen Pa-tienten gewidmet und darum für sie geschrieben wor-den. Ich möchte sie damit in das wenig bekannte, da-gegen zuviel verkannte und verrufene Gebiet des so-genannten animalen Magnetismus einführen, damit sie einigermaßen ein Bild davon haben, was darunter verstanden wird und in welche Heilküche sie bei mir geraten. Die Erfahrung hat gezeigt, wie viel der Pa-tient durch richtige, aufgeklärte Einstellung, die oft ein ganzes Umdenken von ihm verlangt, zu seiner Heilung selbst beizutragen in der Lage ist und daß sein echtes Heil vertrauen letzten Endes ja ihm selbst zugute kommt. Es ist nicht möglich, jedem Patienten in der Sprechstunde auseinanderzusetzen, was Ma-gnetismus ist, wie er heilt und was er von mir und ihm verlangt, daß ein möglichst schnelles und voll-ständiges Heilen möglich wird.

Das Buch soll also aufklären, was die meisten Pa-tienten wissen möchten oder was ihnen zu wissen nötig ist, wenn sie glauben, daß Magnetismus ein Hokuspokus sei oder gar glauben, ich stehe im Dienste des Teufels. Auch Außenstehende mögen das Buch einmal von dieser Seite betrachten und bei der Be-urteilung berücksichtigen.

Es ist also nicht meine Absicht, der Erforschung des Mesmerischen Problems Neues zu bringen, son-

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dern das ganze verkannte Problem als solches einem weiteren Kreis zum Verständnis näher zu führen. Die Schrift erhebt deshalb keinen Anspruch, erschöpfend über das zu berichten, was das Problem ausmacht. Sie will zu eigenem Denken und Beobachten anregen und es Interessenten erleichtern, sich in den Kernfragen so weit zu orientieren, daß sie den Weg selbst weiter-gehen können. Die Lebensbeschreibung Mesmers bie-tet geradezu ideale Möglichkeiten, anhand der Be-obachtungen sich langsam mit dem Wesen des Ma-gnetismus vertraut zu machen, so daß die Erfahrun-gen Mesmers wiederum das breite Fundament der eigentlichen Einführung in den vielverzweigten Stoff bilden. Daneben habe ich auch der Lehre Mesmers größeren Raum gegeben und bin auf die Erscheinun-gen des Somnambulismus, der Hypnose und der Sug-gestion so weit eingetreten, daß sich jedermann darin die Grundlagen eines Verständnisses holen kann. Überall, wo es sich um wesentliche Aussagen der Autoren handelt, habe ich zur Wahrung des authen-tischen Inhaltes eine Wiedergabe im Originaltext vor-gelegt, was ich für den Leser als umso wertvoller erachtet habe, als die Originalliteratur über das ganze Problem immer schwieriger zugänglich wird und die öffentlichen Bibliotheken nur wenige einschlägige Werke zur Verfügung haben. Für den, der sich näher

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um die Literatur interessiert, habe ich ein bibliogra-phisches Verzeichnis beigefügt und im Text jeweils die wünschbaren Quellenangaben angebracht.

Die bösen Zungen, die mir für die im ersten Buch gemachten Angaben über die vielseitigen Erfolge in meiner eigenen dreißigjährigen Praxis Reklamesucht vorgeworfen haben, werden diesmal weniger Glück haben. Ich habe auf die Wiederholung des Tatsachen-berichtes und auf seine Ausbauung durch die Bekannt-gabe neuen Stoffes, sowie auf alle anderen persön-lichen Mitteilungen zugunsten einer möglichst über-parteilichen Stellungnahme verzichtet. Ich hoffe, daß die Leser durch die vielseitigere und umfassendere Behandlung eines erweiterten Stoffes, in die ich auch das Wichtigste über die Praxis der verschiedenen Heil-anwendungen aufgenommen habe, reich genug ent-schädigt sind.

Möge nun dieses neue Buch wieder in dem Sinne, in dem es geschrieben worden ist, unter Freunde hin-ausziehen und den Segen stiften, den ich seiner Arbeit wünsche.

Im September 1949 Der Verfasser

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E I N F Ü H R U N G

Laien und Ärzte sind im allgemeinen gleich un-wissend über den Magnetismus. Bedeutet er den einen, die ihn nicht kennen, eine Teufelsmacht, ein Höllen-zauber oder auch nur ein «Schwindel», den Geheilten aber eine Himmelsgnade, so halten ihn viele Ärzte heute noch für aufgelegten Aberglauben, für Sugge-stion und andere für Hypnose. Es ist selten einer zu finden, der weiß, daß seit Franz Anton Mesmer, dem Begründer des animalen Magnetismus, eine Literatur von über 1ooo Büchern über den Magnetismus und seine Probleme entstanden ist, daß sich darüber die besten Köpfe zerdacht und damit abgegeben haben und daß man sich heute noch nicht ganz klar darüber ist, was eben der sogenannte animale Magnetismus, das heißt mit welcher Kraft er arbeitet, ist. Daß es diesen gibt, bestreitet niemand mehr, der sich die Mühe genommen hat, sich mit ihm abzugeben. Viele seiner Erscheinungen sind subjektiv und objektiv längst festgestellt und man sollte meinen, daß es nicht möglich wäre, ihn heute noch zu verkennen. Doch ist es so. Er ist ein Grenzgebiet, mit dem sich zu be-schäftigen allein genügt, das Fragwürdige des Stoffes auf den Beschäftigten zu übertragen. Wir leben noch

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so sehr im Zeitalter des Nur-Anfaßbaren, daß es vie-len als Verwegenheit erscheint, überhaupt davon zu sprechen. Wenn Arthur Schopenhauer vor bald 100 Jah-ren in vollkommener Überzeugung behaupten konnte, daß der Mesmerismus (Magnetismus) vom philoso-phischen Standpunkt aus betrachtet die inhaltschwer-ste aller jemals gemachten Entdeckungen ist, so wäre er wohl enttäuscht, wenn er sehen würde, wie wenig weit wir mit seiner Erkenntnis vorwärtsgekommen sind. Die physikalischen Möglichkeiten sind denn auch in Hinsicht auf solche lebensmagnetische Strah-lungen und Intensitäten noch wenig entwickelt, wo-gegen die materialistische rationale Schulweisheit und die aus ihr geborene erfolgreiche Entfaltung der che-mischen wie technischen Wissenschaften so mächtig und dominierend geworden sind, daß neben diesen modernen Riesen die seelischen Belange in einen Dornröschenschlaf gesunken sind und erst wieder zum Leben erweckt werden müssen. Der strenge Schopenhauer hat denn auch viel zu früh gerufen, wer heutzutage die Einwirkung des Magnetismus ab-leugne, sei nicht mehr ungläubig, sondern schon un-wissend zu nennen. Rilkes Wort, die Geschichte sei das Verzeichnis der Zufrühgekommenen, erhält hier eine besondere Bedeutung.

Mesmer hat gesehen, daß zwischen den Wesen eine

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feine Wechselbeziehung besteht. Er hat sich vorge-stellt, daß diese Wechselwirkung universal sein müsse und wie das Atmen den Menschen, so die ganze Natur erhalte. Solange in der Natur der Körper die Har-monie herrscht, die ihnen Gesundheit bedeutet, ist diese Wechselströmung kaum bemerkbar. Sobald aber Störungen der Harmonie und der Gesundheit ein-treten, kann die Einwirkung der wieder gutmachen-den magnetischen Strömung Krisen erzeugen.

«Ein Körper, der in der Harmonie ist, fühlt die Wirkung des Magnetismus nicht, weil sie das festge-setzte Verhältnis oder die Harmonie durch die An-wendung einer einförmigen und allgemeinen Einwir-kung nicht verändert; im Gegenteil, ein Körper, der nicht Harmonie ist, das heißt, der in einem Zustande ist, in welchem die Verhältnisse zerrüttet sind, wird in diesem Zustande, ob er gleich gewöhnlicherweise nichts fühlte, dennoch durch den Gebrauch des Ma-gnetismus nach und nach fühlbar werden, weil durch diesen Gebrauch das Verhältnis oder die Dissonanz vermehrt wird.

Daraus kann man ersehen, daß man wieder für den Magnetismus fühllos wird, wenn die Krankheit ge-heilt ist; dies ist das Kriterium der Genesung. — Fer-ner begreift man, daß die Einwirkung des Magnetis-mus nach den Schmerzen zunimmt. - Die Wirkung

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des Magnetismus hemmt die Abweichung vom Zu-stande der Harmonie. - Aus dieser Wirkung folgt, daß die Symptome durch den Gebrauch des Magne-tismus aufhören. Ferner folgt daraus, daß das Streben der Natur gegen die Ursachen der Krankheiten durch den Magnetismus gestärkt wird und folglich die kri-tischen Symptome vermehrt werden. - Aus diesen verschiedenen Wirkungen kann man die verschiede-nen Symptome unterscheiden lernen. - Die Entwick-lung der Symptome geschieht in umgekehrter Ord-nung, in welcher sich die Krankheit gebildet hat. -Man muß sich die Krankheit als einen Knäuel vor-stellen, der gerade so wieder abgewickelt wird, wie er angefangen und zugenommen hat. Keine Krankheit wird ohne Krisis geheilt. — In einer Krisis muß man drei Hauptepochen beobachten: Die Zerrüttung, die Kochung und die Ausleerung.1»

Die Heilung solcher dissonanter Verhältnisse durch die Einwirkung der persönlichen harmonischen (ge-sunden) Energien des Magnetismus ist die Aufgabe des Magnetismus.

Bei Veränderung bestimmter Voraussetzungen ent-stehen die Erscheinungsformen des Somnambulismus und der Hypnose.

1 Wolfart, Mesmerismus oder System der Wechselwirkungen. Bln. 1814

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Viele kamen schon, mich zu fragen, was denn aber dieser Magnetismus «eigentlich» sei. Sie hätten mich gerade so gut fragen können, was denn das Leben selbst sei. Dann verspüre ich immer die Lust, ihnen die Legende von «Pra-yati und dem Geheimnis des Lebens»1 zu erzählen, die mich der Verlegenheit ent-hebt, etwas zu sagen, was niemand zu sagen weiß:

«Sage mir nun, o Pra-yati, worin besteht das voll-ständige Leben?»

«Eine Legende mag dir besser, als ich es vermöchte, Antwort geben. Für uns ist sie wahr, für euch mag sie als Gleichnis gelten.

Du weißt von den mächtigen Rishis, die in den Hi-malayas leben, abgewendet dem Diesseits. Zu einem von ihnen sandten die Hindu von Delhi eine Bitte um Hilfe. Der Mogul hatte gedroht, zu Ehren Allahs un-sere Tempel niederzureißen. Und, schlimmer noch, er wollte die heiligen Riten bei Todesstrafe verbieten.

Die Priester in ihrer Angst hatten dem Fürsten er-widert, daß die Heiligen des Gebirges den Frevel nicht dulden würden, ihre fernwirkende Kraft sei groß genug, seinen Palast und die Festung niederzu-legen. ,Laßt einen kommen', war die Antwort des Fürsten, ,wenn er mir eine gültige Probe nach meiner

1 Richard Woltereck, Pra-yati über das Geheimnis des Lebens. N Z Z . Nr. 2005 vom 18.November 1935.

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Bestimmung ablegt, lasse ich eure Tempel und Riten in Ruhe. Zum Bairam soll er in meinem Palast er-scheinen.'

Der Weise konnte sich den Bitten der Priester nicht verweigern, er versprach, am ersten Bairamtage im Palast zu sein. — Die Legende erzählt, wie er an jenem Tage plötzlich inmitten des Volkes stand, vor dem Hause des Fürsten. Er forderte Einlaß und wurde vor Akbar geführt, der den unscheinbaren Mann mit höh-nischer Miene begrüßte.

,Man erzählt mir von deiner Gewalt, o Heiliger. Bist du bereit, auszuführen, was ich bestimmen werde?' ,Wenn du mir nicht aufträgst, zu töten, bin ich zu allem bereit.' ,Dann fordere ich das Gegenteil deiner Weigerung, du sollst Leben schaffen, nicht töten. Aber du sollst es in einer Weise tun, die deiner Heiligkeitansteht. Getraust dudich, einen Steinleben-dig zu machen?'

Der Hofstaat, der die Halle erfüllte, brach in Bei-fall und Lachen aus, aber der Mahatma erwiderte ruhig: ,Laß einen Marmorblock bringen vom Bau-platz deiner Moschee, und einen Menschen, o Fürst, der bereit ist, für eine Stunde sein Leben dir und dem Stein und mir zu verschreiben. Ich nehme an, daß der Vertrag, den du anbotest, volle Gültigkeit hat, wenn der Stein eine Stunde lebt?'

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Der Mogul nickte verwundert und gab den ver-langten Befehl. Der Rishi versank in Meditation und achtete nicht mehr, was um ihn vorging. Ein Marmor-block wurde gebracht, und unter den Gläubigen, die sich anboten, wählte der Fürst einen starken Knaben seines Gefolges. Als alles bereit war, begrüßte der Rishi den Jüngling, hieß ihn sich niederlegen und ver-senkte ihn schnell in Schlaf. Dann berührte er mit der Linken das Haupt des Schläfers und mit der Rechten den Stein. Er blieb eine Weile geschlossenen Auges, dann sagte er leise: ,Die Lebenserregung ist jetzt im Innern des Steines... Leben ist Kraft und Drang eines Innen, sich als Gestalt verkörpern.' Voller Staunen sa-hen nun der Fürst und die Nahestehenden, daß die Oberfläche des Marmors sich zu bewegen begann. Die glitzernden Teile schoben sich hin und her, bis ein Ant-litz entstand, das Gesicht des schlafenden Jünglings.

Der Fürst hob plötzlich den Kopf. ,Wer sagt mir, daß dies kein Gaukelspiel ist, das du vor uns treibst, wie eure wandernden Bettler mit dem wachsenden Mangobaum, der beim Erwachen der verhexten Zu-schauer verschwindet?'

Der Mahatma blieb ruhig. ,Ich beweise es, o miß-trauischer Fürst. Der Mango verschwindet, ich aber lasse dir den verwandelten Stein, wenn unser Vertrag nach einer Stunde erfüllt ist. Und ich beweise dir auch,

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daß dieser Stein lebt. Die Hälfte dessen, was Leben ist, hast du gesehen: wie ein lebendiges Innen die Materie gestaltend, handelnd, sich ausdrückt. Die andere Hälfte ist, daß dieser Stein lebendig empfindet. Prüfe den Marmor mit deinem Schwert, Herr, ob er Empfindung besitzt. Aber bedenke, wenn du den Stein berührst, daß du ein geliehenes Leben triffst, das dem schlafenden Knaben gehört.'

Der Mogul zuckte die Achseln und hob zum Schlage sein Schwert. ,Bedenke dein eigenes Leben, Fürst', unterbrach der Weise sein Tun,,durch deinen Willen bis du im Ring mit dem Knaben, mir und dem Marmor verbunden. Wenn du tötest, tötest du auch dich selbst.'

Aus den Mienen des Fürsten war der gewalttätige Ausdruck verschwunden. Er berührte den Marmor leicht mit der Spitze der Waffe. Schmerzlich zog sich das steinerne Antlitz zusammen, und zugleich er-schien eine blutige Schramme auf der Wange des Schlafenden; aber dessen Gesicht bewegte sich nicht.

,Ende das Schauspiel, du hast die Wette gewonnen; entlass' mich sofort aus diesem verfluchten Ringe.' Nochmals versank der Heilige in sich selbst, indem er den Stein und den Schläfer wieder durch seine Hände verband. Der Knabe öffnete bald seine Augen, und als er aufsprang, war der Rishi verschwunden.»

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Vorgeschichte des Magnetismus

I. Vorchristliche Kultur kr eise

Setzt man das Alter des wirkenden Magnetismus dem des Lebens gleich, so kann man nicht fehlen, bildet er doch eine Naturkraft, ohne die das Leben gar nicht denkbar ist. Genau so wie es Elektrizität und elektri-sche Wirkungen gegeben hat, ehe die Menschen über diese Naturkraft aussagen konnten oder gar an einen bezeichnenden Namen dachten. Solche Kräfte wurden vornehmlich den Göttern zugeschrieben und galten so lange als heilig bis sie der Mensch unter seine Herr-schaft bekam.

Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß wir seit urältesten Zeiten und in den heiligen Schriften aller Völker auf untrügliche Merkmale stoßen, an denen man den wirkenden Magnetismus leicht zu erkennen vermag. Die sich seiner in der Rolle der Magnetiseure bedienten, waren durchwegs Priester, namentlich jene der Heilgötter, waren Weise, Propheten und Könige. Ihnen blieb bis zum ausgehenden Mittelalter die «hei-lende Hand» vorbehalten.

Die typischen Merkmale magnetischer Handlungen sind die magnetischen Striche, die Berührung der

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Kranken mit der Hand, den Fingern, der Ferse oder einem anderen Körperteil, das Handauflegen, das Be-rühren mit einem Stab (Konduktor), die Benetzung mit Speichel, das Anhauchen, das Anstarren, ferner die Verwendung von magnetisierten Gegenständen (Stoffen, Kleidern, Baquets, Amuletten), von ma-gnetisiertem Wasser zum Trinken, Waschen und Ba-den, der Tempelschlaf und das Träumen während-dessen, das künstliche in den Schlafversetzen über-haupt, das Besprechen, Verwünschen, Beschwören und schließlich das Heilgebet.

Wir können in der Kulturgeschichte der Völker zurückblättern bis in die frühesten Zeiten, bis zu den Hieroglyphen Ägyptens oder den Keilschrift-Urkun-den der ältesten Volksgemeinschaften anEuphrat und Tigris; überall begegnen wir typischen Anzeichen und Darstellungen magnetischer Handlungen. Ein-gebaut in die jeweiligen Sitten und Vorstellungen der Völker bilden sie während Jahrtausenden einen wich-tigen, nicht wegzudenkenden Bestandteil von Kultur und Zivilisation. So haben wir eindeutige Zeugen aus allen Zeiten der Geschichte: bildliche Darstellungen in den steinernen Wänden und Säulen von Palästen und Tempeln und heilige Texte, die in ihren Zusam-menhängen von Gottes- und Weltvorstellung die hei-lende Lebenskraft eine göttliche priesen. In den Heil-

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tempeln waren ganze Archive von Krankheits- und Heilgeschichten verwahrt, deren Behandlung eine magnetische war und die Mehrzahl der antiken Schrift-

Magnetische Behandlung bei den alten Skyten. Zeichnung auf einer Amphora in der Eremitage in Leningrad

steller weiß von Begebenheiten zu berichten, die in unser Gebiet gehören.

Zu allen Zeiten hat es Kranke gegeben, die Heilung suchten und sie durch magnetische Einwirkungen fanden. Die Vorstellungen davon und die Handha-bung der entscheidenden Heilgewalt haben wie die daran Beteiligten gewechselt und variiert. Die Heil-kräfte sind aber die nämlichen geblieben.

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Die Akkader und deren Erben, die Babylonier und Assyrer, stellten sich sämtliche Krankheiten als das Werk kosmischer Dämonen vor. Besonders waren es die toten Geister, die umherirrenden Seelen Verstor-bener, die für die mannigfachsten Krankheiten ver-antwortlich gemacht wurden und die sie nach den Gebräuchen der Geisterbeschwörungen zu bannen suchten. Es gab damals noch keine Ärzte im heutigen Sinne, und die Medizin, sofern man die Verabfolgung gewisser Substanzen und Zaubertränke, die erfah-rungsgemäß in der Bannung der Geister mithalfen und den Kranken gute Dienste leisteten, als Medizin bezeichnen darf, hatte nicht den Zweck, den Organis-mus und seine Funktionen in Ordnung zu bringen, sondern waren nur dazu bestimmt, die magische Gei-sterbeschwörung zu unterstützen. Die Geisterbe-schwörung und damit das ganze System der Heilung war diesen Völkern ein Bestandteil ihrer Religion und die Stelle des Arztes vertrat als Mittler zu den Göttern und als Herr über die Geister der Priester, der Magier. Sein ärztliches Verfahren bestand in Beschwörungen, Exorcismen (Geisteraustreibungen) und der Anwen-dung von Zaubertränken und Amuletten, die bei der Bereitung durch Zauberformeln beschworen und meist mit Finger oder Zauberstab (Konduktor) be-rührt wurden und bald als magnetisiertes Getränk für

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den inneren Gebrauch, bald als kleines Baquet als Heilkraftspender gebraucht werden konnten.

In den alten Reichen am Euphrat und Tigris kannte man noch keine Bazillenfurcht und keine Infektionen durch Bakterien. Die Bösen waren die Dämonen. Nur sie infizierten und verursachten die Krankheiten und die Schmerzen in Fleisch und Gebein, und um gesund zu werden, mußten sie ausgetrieben werden, welcher Auffassung wir übrigens in der ganzen Folge der Ge-schichte immer wieder begegnen gleich einer rudi-mentären Vorstellung, die die menschliche Seele in vielen ihrer Geschöpfe nie losbringen wird.

Seit altersgrauer Zeit wurde in der berühmten Schule von Erech ein Werk aufbewahrt, das alles ma-gische Wissen der Akkader enthält. Im siebten Jahr-hundert vor Christus ließ Assurbanhabal davon eine Abschrift anfertigen, die heute noch größtenteils er-halten ist und aus deren zweitem Teil wir über die Krankheitsbeschwörungen der Akkader und ihrer Nachfolger uns orientieren können. Gewöhnlich wird eine Krankheit zuerst mit ihren Symptomen darge-stellt, darauf folgen die Wünsche für die Genesung oder auch eine kategorische Aufforderung an die Krankheit, die oft als persönliches Wesen hingestellt wird, sich zu entfernen. Das ist die sich immer wieder-holende Beschwörungsformel, die zuweilen nur auf

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einen Disput zwischen dem höchsten Gott Ea und seinem Sohn Silik-mulu-khi, dem Mittler zwischen Ea und den Menschen ausgedehnt wird, indem der Gottessohn von seinem Vater die Bekanntgabe des gewünschten Heilmittels erbittet. Diese Heilmittel sind oft magnetische, wie magnetisiertes Wasser, ma-gnetisierte Amulette, Überpflanzung eines leidenden Zustandes auf ein gesundes Tier oder einen Baum oder indem man die «kranke Mumie» (Paracelsus) ausschüttet oder verbrennt. Wir finden eindeutige An-weisungen für die Herstellung magnetisierten Wassers.

Folgen wir einer eindrücklichen Beschwörung, von der der Anfang allerdings stark verstümmelt ist und das Ganze mehrere Lücken aufweist: Der Text be-ginnt mit den Versen:

«Die Krankheit der Stirn ist der Hölle entstiegen, sie ist dem Wohnsitze des Gebieters der Hölle ent-

stiegen.»

Im Folgenden werden sodann die besonderen Sym-ptome dieses Leidens charakterisiert; es wird von der «anschwellenden Geschwulst» und «beginnenden Eiterung», sowie von der Gewalt des Übels gespro-chen, welches «die Wände des Kopfes gleich denen eines morschen Schiffes zersprengt». Vergeblich hat der Kranke die Wirkung der reinigenden Gebräuche

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versucht; sie vermochten die der Hölle entstammende Plage nicht zu bemeistern.

«Er hat sich gereinigt und er hat den Stier nicht ge-bändigt,

er hat sich gereinigt und er hat den Büffel nicht in's Joch gespannt.»

Das Übel läßt nicht ab, ihn «gleich Heuschrecken-schwärmen» zu zernagen; da schreiten endlich die Götter ein, und von hier ab lautet der Text wie folgt:

«Silik-mulu-khi hat ihm Beistand geliehen; er ist in seines Vaters Ea Behausung getreten und

hat zu ihm gesprochen: ,Mein Vater, die Krankheit des Hauptes ist der

Hölle entstiegen'.»

Ein zweites Mal hat er zu ihm gesprochen:

«Was er dagegen tun soll, das weiß dieser Mann nicht; wie wird er dieselbe überwinden?»

Ea hat seinem Sohne Silik-mulu-khi erwidert:

«Mein Sohn, weshalb weißt du das nicht? Warum soll ich's dich erst lehren?

Silik-mulu-khi, weshalb weißt du das nicht? Warum soll ich's dich erst lehren?

Was ich weiß, das weißt du doch auch. Doch komme her, mein Silik-mulu-khi.

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nimm einen Eimer; schöpfe Wasser von der Spiegelfläche des Flusses ; teile diesem Wasser deine hehre Zauberkraft mit; verleihe ihnen durch deinen Zauber den Glanz der

Reinheit. Benetze mit ihnen den Mann, den Sohn seines

Gottes ; umhülle sein Haupt.

Daß der Irrsinn vergehe! Daß die Krankheit seines Hauptes sich auflöse wie

flüchtiger Nachtregen ! Daß Ea's Vorschrift ihn heile! Daß Davkina ihn heile ! Daß Silik-mulu-khi, des Océans Erstgeborener, das

günstige Bild schaffe!1»

Eine andere Beschwörung lautet:„ «Fülle ein Gefäß mit Wasser;

stelle einen Zweig vom weißen Ceder hinein; übertrage demselben den Zauber, der von Eridhu

kommt; bekräftige sodann die Bezauberung dieses Wassers ;

1 François Lenormant, Die Geheimwissenschaftcn Asiens. Die Magie und Wahrsagekunst der Chaldäer. Kap. I. S. 21/22.

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vervollständige den göttlichen Zauber. Reiche dieses Wasser dem Menschen, tue, was sein Haupt. Den hinfälligen Menschen, Sohn seines Gottes,

stelle wieder her, sein Zauberbild.

Beschwöre diesen Menschen, verleihe Heilkraft dem bezauberten Wasser, auf daß

ihn alle Folgen der Verwünschung verlassen. Gleichzeitig, während dieses Wasser über seinem

Körper zerrinnt, möge die Pest, die seinen Körper behaftet, zerrin-

nen wie dieses Wasser. Fange dieses Wasser im Gefäße wieder auf und schütte es aus, als Trankopfer, auf die Seite der

Landstraße; daß die Landstraße die Krankheit, die seine Kräfte

verzehrt, entführe! daß dieser Zaubertrank zerrinne wie Wasser! Daß das Zauberwort, das über diesem Tranke ge-

sprochen, verflüchte!1»

Die heilende und schützende Magie der Chaldäer bediente sich sehr oft und gern des Zauberstabes, der in mancher Hinsicht dem Konduktor Mesmers

1 Lenormant I/72.

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ähnlich ist. In der assyrischen Übersetzung heißt er denn auch gis-zida oder wörtlich «der günstige, wohltätig wirkende Stab»1. Er galt auch als Stab der Offenbarung, wodurch das Hellsehen angeregt wurde.

Daß auch andere Stoffe magnetisiert, wie etwa das Fell frischgeschlachteter Tiere, zu Heilzwecken ver-wendet wurden, zeigt folgender Zauberspruch:

«Nimm das Fell eines weiblichen Kamels, das sich nie begattet.

Die Zauberin stelle sich zur Rechten, auch treffe sie ihre Vorrichtungen zur Linken (des Kranken);

zerteile (dieses Fell) in zweimal sieben Stücke, und teile ihnen den Zauber mit, der da kommt von Eridhu.

Umhülle das Haupt des Kranken, umhülle den Hals des Kranken, umhülle den Sitz seines Lebens, umhülle seine Hände und Füße. Lasse ihn sich niedersetzen auf seinem Lager und benetze ihn mit den bezauberten Wassern. Daß die Krankheit seines Hauptes in den Himmels-

raum entführt werde, gleich einem reißenden Sturmwind!

1 Lenormant I/60.

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Daß sie von der Erde verschlungen werde, wie die zeitweise übertretenden Wasser!

Daß Ea's Vorschrift ihn heile! Daß Davkina ihn heile! Daß Silik-mulu-khi, des Oceans Erstgeborener,

dem Bilde die heilsame Kraft leihe!1»

Ägypten besaß in der ganzen Antike den besonde-ren Ruf für seine mannigfaltigen, wunderbaren Tem-pelheilungen. Eine ganze Kaste der Priester befaßte sich nur mit dem Heilen. Ägypten hatte die ersten Heilspezialisten und ihre Tempel standen an den ver-schiedensten Punkten des Nilreiches. Als Heiltempel galten vor allen jene der Isis und des Serapis. Ihre Haupttempel befanden sich in Memphis und Busiris, in Canopus, Alexandria und Theben. Wie aus zahl-reichen bildlichen Darstellungen und Zeugnissen er-sichtlich ist, bestand ein wesentlicher Teil der ägypti-schen Heilkunst in magnetischen Behandlungen, die fast alle Stufen von den schmerzstillenden oder be-lebenden Strichen bis zum somnambulen Heil- und Offenbarungsschlaf umfaßten. Namentlich wurde der Tempel-Heilschlaf gepflegt.

«In den Tempeln des Serapis ist eine große Gottes-verehrung, wo viele medicinische Wunder geschehen,

1 Lenormant I/43.

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an welche die berühmtesten Männer glauben und für sich und andere den Tempelschlaf pflegen1.» In Cano-pus gab es im Serapistempel eine Menge Weihetafeln,

Der ägyptische Gott Anubis magnetisiert einen Kranken. Zeichnung auf einer etruskischen Vase im Louvre, Paris

die allerhand Wunderkuren enthielten. Noch berühm-ter war aber sein Tempel zu Alexandrien. Von diesem Tempel erzählt Sueton2:

«Als Vespasian in Ägypten auf dem Tribunal saß, traten zwei Menschen aus dem geringen Volke, ein

1 Strabo XVII, 801. 2 Sueton, Titus Flavius Vespasianus Abs. 7.

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Blinder und ein an Lahmheit Leidender an ihn heran und flehten ihn um Heilung an, die ihnen von Serapis in einem Traumgesichte mit den Worten verheißen sei: er (Vespasian) werde dem Blinden das Augen-licht wiedergeben, wenn er die Augen mit seinem Speichel benetzen, und dem Lahmen das Bein heilen, wenn er so gnädig sein wolle, es mit seiner Ferse zu berühren. Obschon er nun kaum daran glaubte, daß die Sache irgendeinen Erfolg haben werde und des-halb sich nicht entschließen konnte, auch nur den Versuch zu wagen, so ließ er sich doch endlich von seinen Freunden erbitten und versuchte beides in-mitten der öffentlichen Versammlung und siehe, der Erfolg fehlte nicht.»

Wie großes Ansehen der Isis als Heilgöttin zukam, mag folgende Stelle aus dem ersten Buch des Diodor von Sizilien ahnen lassen1:

«Die Ägypter versichern, daß Isis ihnen in der Arz-neikunst große Dienste geleistet habe, durch heilsame Mittel, die sie entdeckte; daß sie jetzt, wo sie unsterb-lich geworden, an dem Gottesdienst der Menschen ein besonderes Wohlgefallen habe und sich vorzüglich um ihre Gesundheit bekümmere; daß sie ihnen durch Träume zu Hilfe komme, womit sie ihr ganzes Wohl-wollen offenbare. Die Probe ist darüber festgesetzt,

1 Joseph Ennenmoser, Geschichte der Magie S. 353.

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nicht durch Fabeln, wie bei den Griechen, sondern durch gewisse Tatsachen. In der Tat, alle Völker der Erde geben Zeugnis von der Macht dieser Göttin in-bezug der Heilung von Krankheiten, durch ihre Ver-ehrung und Dankbarkeit. Sie zeigt in den Träumen denjenigen, die leidend sind, die für ihre Krankheiten geeigneten Mittel an und die treue Erfüllung ihrer Verordnungen hat gegen die Erwartung aller Welt Kranke gerettet, die von den Ärzten aufgegeben waren.»

Als Symbole magnetischer Handlungen gelten be-sonders Darstellungen von Händen und Fingern, heißt es doch sprichwörtlich, «die Hand Gottes sei über ihn gekommen » wenn jemandem besonderes Heil wi-derfuhr. Da der Zeigefinger Medicus heißt, also hei-lender Finger und tatsächlich oft nur mit diesem Finger, oft auch mit den ersten drei Fingern als den magnetisch stärksten behandelt wurde, sind die Zu-sammenhänge klar. Deshalb übernimmt Ennemoser die von Montfaucon1 beschriebenen bronzenen Hände als Weihgeschenke von magnetisch Geheilten an die Gottheiten der Isis und des Serapis und eine gleiche Deutung erfahren die von Apulejus erwähnten, bei Prozessionen herumgetragenen Hände der Isis2.

1 Montfaucon, L'antiquité expliquée. Paris 1719 (siehe Tafel 2). * Apulejus, Metamorphosen.

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Im christlichen Mittelalter gehörten solche in Gold gearbeiteten Hände als «Königliche Hände» zu den Insignien der byzantinischen und karolingischen Kai-ser und der französischen Könige und hatten eine ähnliche Bedeutung.

Bei Griechen und Römern gibt es eine reiche Litera-tur, die magnetische Phänomene berühren. Hippo-krates, der größte Arzt des Altertums und Jünger Aesculaps, der während seines mehrjährigen Aufent-haltes in ägyptischen Heiltempeln genugsam mit den magnetischen Kuren bekannt geworden war, rühmt die «Kraft, die mancher Hand entströmt». In der Na-turgeschichte des Plinius gibt es manche Erwähnung der heilenden Kräfte des menschlichen Körpers. Er kennt das Anhauchen der Stirn als wichtiges Heil-mittel während Galen erklärt, daß durch die fortge-setzte Berührung eines kranken Körpers mit einem gesunden ersterer eine auffallende Kräftigung erfah-ren könne.

In den von Stobäus gesammelten Sentenzen des Solon heißt es1:

«Großes Leiden ist oft von geringem Schmerze ge-kommen,

Und es wurden umsonst lindernde Mittel gereicht. 1 Ausgabe der griechischen Gnomiker von Bunel, Straßburg 1784.

Solon V. Fragment V. 59-62.

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Doch, wer bitter gequält von böser beschwerlicher Krankheit,

Mit den Händen berührt wird, steht plötzlich ge-sund.»

König Pyrrhus von Epirus hat Koliken und Milz-krankheiten durch das Bestreichen mit seiner großen Zehe geheilt1 und nach Sueton gehörten die Kaiser Vespasian und Hadrian zu den antiken Menschen, die Augenleiden und Wassersucht durch magnetische Be-rührung zu heilen vermochten.

In diesem Zusammenhang verdient auch das stär-kende Zusammenleben mit jugendlich gesunden Per-sonen der gebührenden Erwähnung.

Reinhart erwähnt das Zusammenleben mit jungen Mädchen als «ein Labsal der Greise»2 und erzählt von Kaiser Rudolph von Habsburg, daß er «als ein schon vor Alter schwacher und unpäßlicher Herr, im Ge-brauch gehabt habe, die Töchter und Gemahlinnen fürstlicher, gräflicher und adeliger Personen in Ge-genwart ihrer Männer und Väter des öfteren zu küssen, und seinen Worten nach aus ihrem Atem die ange-nehmsten Lebensgeister zu schöpfen und eine recht herzstärkende Erquickung zu genießen.3»

1 Plutarch, Lebensbeschreibung des Königs Pyrrhus. 2 Reinhart,Bibelkrankheiten desAltenTestamentsLpz. 1767. S.167. 3dto. S. 171.

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Das bekannteste hierhergehörende Beispiel aber dürfte das des Römers Clodius Hermippus sein, der durch dieses Zusammenleben mit jungen Mädchen ein Alter von 115 Jahren erreichte und dem Heilgott Aesculap folgende Denkschrift widmete:

«Dem Aesculap und der Gesundheit setzet dieses zu Ehren L. Clodius Hermippus,

welcher durch das Anhauchen junger Mädchen

115 Jahre und 5 Tage gelebt hat, worüber sich nach seinem Tode die Naturkundigen

nicht wenig wunderten. Wohlan, Nachkömmlinge, führet auch ein solches

Leben.»1

Das Wichtigste aber war, daß es die Ägypter ver-standen und von ihnen die Griechen erlernten, durch ihre magnetischen Manipulationen im Menschen den inneren Sinn anzuregen und zu wecken. Diese Seite der Heilkunst wurde besonders im Tempelschlaf ge-pflegt. Der Tempelschlaf war aber ein durch magne-tischeBehandlung hervorgerufener Somnambulismus, der die Heilinstinkte des Träumenden wachrief. Diese Art der Heilung war das wichtigste Anliegen in den

1 Ennemoser, Geschichte der Magie S. 215.

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Magnetische Behandlung durch Handauflegen bei den alten Griechen. Zeichnung auf einer altgriechischen Vase

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Tempeln des Aesculap. Aesculap war der wichtigste Heilgott der Griechen und hieß bei ihnen der Traum-sender. Ihm, der wie sein großer Jünger Hippokrates, seine Heilkunst von Ägypten gebracht hatte, waren in Griechenland viele berühmte Heiltempel geweiht, so jene von Pergamus, Epidaurus, Thisorea inPhokis, Megalopolis, Aegä in Cilicien, auf der Insel Kos usw. Nach Plitiius1 kam der Aesculapkult 463 zur Abwehr einer schweren Pestkrankheit von Epidaurus nach Rom und verbreitete sich dann rasch in Italien.

Die im Tempelschlaf beobachteten Heilmethoden drangen durch alle Schichten des Unbewußten und machten Kräfte frei, von denen sowohl der gewöhn-liche Mensch im Alltag wie der normale Mediziner gar keine Ahnung haben und in die die offizielle Me-dizin erst wieder zu Mesmers Zeiten durch magneti-sche Kuren Einblick erhielt. Die heutige Tiefenpsy-chologie befaßt sich mit diesen Problemen, nachdem es immer wieder bedeutende Einzelne gegeben hat, die auf die Wichtigkeit dieser Kräfte aufmerksam ge-macht haben. (Kerner, Carus, Schindler, Schubert, Perty, Freud, Jung u. a. m.)

Schindlers Wort gilt heute noch: «Heute sind wir blind und taub gegen der Natur geheimes Wirken; eine Fülle lebendigen Treibens um uns geht spurlos

1 Plinius, Naturgeschichte X, 47.

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an uns vorüber; es bedarf oft der Krankheit, um un-seren inneren Sinn jenen Einflüssen aufzuschließen, die als unendlich feine Triebkräfte nur da wirken, wo die Empfänglichkeit dafür vorhanden ist.»1

Aus der heidnischen Antike wäre noch eine Un-menge Stoff zu erwähnen. Die meisten Schriftsteller haben sich solcher Begebenheiten angenommen, so Plutarch, Aristoteles, Herodot, Cicero, Pausanias, Strabo, Lucian, Aristophanes, Appulejus,Philostratus und viele andere.

Eine weitere Fundgrube bildet das Alte Testament, in dem jeder Leser sich ein reiches Material, das zu unserem Thema gehört, sammeln kann.

1 Dr. Heinrich Bruno Schindler, Das magische Geistesleben, Breslau 1857, S. 84.

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2. Christliche Zeit bis 1775

Gott der erste Arzt Das sollt ihr Christen merken, daß Gott der Erst Arzt sein soll, denn er ist der höchst, und nit der mindst, der mehrist und der gewaltigest, ohn den nichts beschicht. Aber die Heidnischen, die Ungläubigen, die schreien zu den Menschen umb Hülf: Aber ihr sollt zu Gott schreien, Er wird euch wohl zuschicken den Gesund-macher : Es sei dann ein Heilig, oder ein Arzt, oder sich selbst. Paracelsus, Volumen Paramirum

Huserausg. Bd. I. S. 60

Am Anfang der christlichen Zeitrechnung herrsch-ten durch die Überflutung des römischen Reiches mit ägyptischen Heilpriestern, jüdischen und griechischen Ärzten die magischen Heilmethoden vor. Ihnen hul-digten auch mehrheitlich die römischen Heilkünstler.

«Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht der Herr, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt» (Jeremias 23, 29).

«Das Heilen durch Worte, das ist durch die un-mittelbar ausgesprochene Geisteskraft, geschah in der ältesten Zeit, vorzüglich in der Kirche», sagt van Hel-mont, «und zwar nicht bloß wider den Teufel und die magischen Wirkungen, sondern auch gegen alle Krankheiten, und ,wie es mit Christus angefangen, so wird es ewig bleiben!'1»

1 Ennemoser, Geschichte der Magie, S. 216.

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Die Apostelgeschichte spricht für die Heilungen der ersten christlichen Gemeinschaften ein beredtes Zeugnis. Die Kirche und ihre Vertreter wurden die größten Heiler. Ihre Heilerfolge standen denen, die als magische Heiler aus dem Neuplatonismus und der Gnostik hervorgegangen waren oder im Ver-gleich mit den alten Heilpriestern in keiner Weise nach.

Die im Rufe christlicher Heiligkeit standen, blieben seither oft die größten heilenden Wundertäter und es hat kein Jahrhundert gegeben, wo diese gefehlt hätten.

So soll der heilige Patrik, Irlands Nationalheiliger, durch das Händeauflegen viele Blinde geheilt haben. Desgleichen der heilige Bernhard, der zu Konstanz elf Blinden an einem Tag das Augenlicht wieder geschenkt und achtzehn Lahme gehend gemacht hat.

Als der heilige Bernhard selbst einmal erkrankte, erschienen ihm die Heiligen Laurentius und Benedikt und heilten ihn ebenfalls durch das Auflegen ihrer Hände. Sogar seine Teller und Schüsseln sollen nach seinem Tode noch zahlreiche Kranke gesund ge-macht haben. Ähnliche Wunder vollbrachten die hei-lige Margaretha, die heilige Katharina, die heilige Eli-sabeth usw. Berühmt sind auch die Wunderkuren der beiden heiligen Märtyrer Cosmas und Damianus, die

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unter andern den Kaiser Justinian von einer unheil-baren Krankheit geheilt haben. Die heilige Odilia hatte einen Aussätzigen, vor dem alle Menschen ge-flohen waren, in ihre Arme genommen und freund-lich gewärmt und mit ihrer reinen Nähe durchstrahlt, wodurch er selbst rein, frisch und gesund gewor-den ist1.

Von der heiligen Hildegard von Bingen berichten ihre Biographen2:

«Die Gnade der Krankenheilungen erstrahlte in der seligen Jungfrau so wirksam, daß sich ihr nur selten ein Kranker nahte, ohne sofort gesund zu werden. Das zeigen die folgenden Beispiele zur Genüge. So hat ein vornehmes Mägdlein, das ebenfalls Hildegard hieß, seine Eltern, das Vaterhaus und die Welt verlassen und gelobt, sich der Leitung der heiligen Hildegard, dieser frommen Mutter, hinzugeben. Einst wurde dies Mädchen vom Wechselfieber befallen und konnte durch keine Arznei geheilt werden. Da wußte sie sich keinen anderen Rat, als die Hilfe der heiligen Jung-frau anzurufen. Nach dem Herrenworte: ,Kranken werden sie ihre Hände auflegen, und sie werden ge-sunden' (Markus 16, 18) legte Hildegard ihr unter

1 Ennemoser, Geschichte der Magie, S. 206. 2 Die Mönche Gottfried und Theodorich. Siehe Johannes Bühler,

Schriften der Heiligen Hildegard von Bingen, Leipzig 1922, S. 24/26.

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Gebet und Segen die Hand auf, vertrieb das Fieber und heilte sie. (Ebenso befreite sie Mönch Rorich von einem ähnlichen Fieber.)

Hildegard half übrigens nicht nur solchen, die in ihrer Nähe waren, sondern auch weit Entfernten. So hatte Arnold von Wacherneim, den sie seit langem kannte, ein schweres Halsleiden. Nur mit Mühe konnte er atmen. Weil er sich selbst nicht helfen konnte, ersuchte er demütig Hildegard um ihre Für-bitte. Voll Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit seg-nete sie Wasser und schickte es ihrem Freunde. So-bald er davon genommen, verließ ihn sofort aus Got-tes Huld der Schmerz...

Ich möchte auch nicht übergehen, daß die verschie-densten Kranken ihre ursprüngliche Gesundheit wie-der gewannen, wenn ihnen etwas von den Haaren oder Kleidern Hildegards gebracht wurde. So lief man eilig zum Kloster der Jungfrau Gottes, als die Gattin des Schultheißen von Bingen an einer schweren, lang-wierigen Geburt darniederlag und man schon an ihrem Leben zweifelte. Man fragte, ob man nicht mit irgend etwas der so schwer Leidenden zu Hilfe kom-men könnte. Die Nonnen gaben den Hilfesuchenden etwas von den Haaren Hildegards, was sie gelegent-lich aufbewahrt hatten, und hießen dies der Kreißen-den um den bloßen Leib legen. Kaum hatte man es

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getan, da gebar sie glücklich und wurde also vom Tode befreit...»

Desgleichen berichtet Perty1, daß auch der Kreuz-zugsprediger Fulco wie Peter von Amiens die Gabe der Wunderheilung besessen habe; er heilte durch Auflegen der Hände und gesegnetes Quellwasser und gab so einem Stummen die Sprache wieder und machte einen lahmen Edelmann in Gegenwart des ganzen französischen Hofes gehen.

Die katholische Kirche nennt das Heilen durch Auf-legen der Hände Chirothesie. Nach Lampe sind vier-unddreißig Chirotheten heilig gesprochen worden.

Auch von König Olaf dem Heiligen von Norwegen wird in der jüngeren Edda erzählt, wie er den kranken Egill durch Auflegen seiner Hände auf die kranke Seite heilte. Nach der Sage heilten selbst noch Olafs Blut und Leichnam.

Einer besonderen Gabe im Heilen von Kröpfen rühmten sich Jahrhunderte hindurch die englischen und französischen Könige. Laurent schildert eine solche königliche Heilungshandlung wie folgt: «Vor-aus schreitet die Schweizergarde und der Hof, worauf das königliche Zepter mit den Lilien und das mit der Hand der Gerechtigkeit geschmückte Zeichen dem König vorgetragen werden. Hierauf folgt der König

1 Mystische Erscheinungen, Bd. 2, S. 229.

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selbst mit entblößtem Haupt, am Halse den Orden des heiligen Geistes tragend. Bevor der König die heilige Hand ausstreckt, ist jemand da, der den zu Be-rührenden bei der Hand nimmt und vorführt. Der König berührt mit den zwei Fingern Stirne und Schläfe des zu Heilenden leicht, doch wirksam, und spricht, nachdem er über dessen Haupt ein Kreuz geschlagen hat: «Dieu te guérisse, le Roi te touche, au nom du Pére, du Fils et du Saint-Esprit».

Unter den deutschen Fürsten wurde das Vermögen, Kröpfe zu heilen, auch den Grafen von Habsburg zu-geschrieben; diese sollen auch das Stammeln durch einen Kuß geheilt haben1.

In Spanien hat während des verflossenen Jahrhun-derts eine Genossenschaft von Heilmagnetiseuren be-standen, Saludadores (Heilkräftigen) und Ensalma-dores (Besprecher), von deren Praxis Torquemada und Delrio berichten. Diese Heiler trugen auf der Brust ein Kreuz, welches sie den Heilung Suchenden zum Kuß darboten, indem sie Sprüche murmelten, die Kranken anhauchten, küßten oder mit Speichel be-strichen oder ihnen bei Vergiftungen und Tollwut ein von ihnen angebissenes Stück Brot darboten. Die lei-denden Stellen berührten sie mit bestimmten Griffen und heilten auf diese Weise oft ganz veraltete Übel.

1 Ennemoser, Geschichte der Magie, S. 207.

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Magnetische Heilung durch die «Königliche Hand», wie dies von vielen Fürsten Europas ausgeübt wurde

Unzweifelhafte Berichte über manche Wunder-heilungen durch Handauflegen sind uns von den er-sten Jesuiten bekannt. Diese von tiefster Hingabe an ihre Aufgabe erfüllten, auf höchster mystischer Ent-wicklung stehenden Jünger Loyolas, liebten es, durch Vermittlung ihrer gesegneten Hände zu heilen.

Absichtlich habe ich die vielen Wunderheilungen des Alten und Neuen Testamentes übergangen und habe nur vergleichend darauf hingewiesen. Durch meine Darstellung von wunderbaren Heilungen aus

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dem Leben heiliger Personen will ich keineswegs die Behauptung aufstellen, es habe sich dabei um Heilun-gen gehandelt, die nur dem Magnetismus zugeschrie-ben werden können. Dagegen ist es für mich von hoher Wahrscheinlichkeit, daß gerade in Heiligen diese wirksame Urheilkraft, die wie jede Naturkraft von Gott herstammt, ihren höchsten heilwirksamen Ausfluß findet.

«Es sind mancherlei Gaben, aber es ist ein Geist. Dieses aber alles wirkt derselbige Geist und teilet einem jeglichen seines zu, nachdem er will.» (Paulus an die Korinther.)

Es wären noch manche Beispiele anzuführen, die im Abendland die heilende Wirkung magnetischer Be-handlung preisen und den heilenden Strom, der vom gesunden, von gutem Geist erfüllten Menschen kommt, erwähnen. In diesem Sinn klang auch das alt-französische Lied vom heilenden Atem der Jungfrau :

«Alaine douce tant c'un malade alast du doux fleur guérissant.»

Von großen Ärzten, Philosophen und Heilprakti-kern, die uns in bezug auf die kommende Wiederent-deckung des sogenannten animalen Magnetismus durch Franz Anton Mesmer etwas zu sagen haben, möchte ich in eine Beziehung zu Mesmer stellen: den

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größten Arzt der Renaissance: Theophrastus Bom-bast von Hohenheim, genannt Paracelsus (1493-1541), den schottischen Arzt William Maxwell (um 1600), den Philosoph und Kabbaiist Robert Fludd (1574-1637), den berühmten Arzt und Naturphilosoph Joh. Baptist van Helmont (1577-1640), den begnadeten Heilpraktiker Valentine Greatrakes, Graf von Water-ford (1628-1693) und schließlich Mesmers Zeitge-nossen, den geistlichen Exorcisten Johann Joseph Gaßner (1727-1779).

Theophrastus Paracelsus (1493-1541), den die heutige Medizin als einen ihrer größten Vorfahren wieder in Ehren auferstehen läßt, wurde 1493 in Einsiedeln als Sohn eines Arztes geboren. Er war wohl einer der umfassendsten und genialsten Ärzte und Gelehrten aller Zeiten und wird heute als Reformator und größ-ter Inspirator der Medizin und der Naturwissen-schaften gefeiert.

Wenn wir von des Paracelsus Theorien sprechen, so möchte ich vorweg seine eigene Auffassung zu Wort kommen lassen, denn Paracelsus ist nicht ein-fach in den ausgetretenen Fußstapfen seiner Vorgän-ger gewandelt, sondern hat selbst erforscht und er-probt und, ohne die übernommenen Lehren als ge-geben und verbindlich zu betrachten, nach eigener Erfahrung geurteilt.

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Paracelsus war der erste Arzt, der über die Ver-wendung des Mineralmagneten zu Heilzwecken ver-wendbare Angaben gemacht hat. In einer besonderen kleineren Schrift «Von den Kräften des Magneten» und «Besondere Verordnungen bei jeder Krankheit für den Gebrauch des Magneten von Theophrastus»1

schreibt er: «Die Kraft im Magneten liegt offen vor den Augen

aller Ärzte und es wird nicht weiter beachtet, ob der Magnet auch bei anderen Dingen (als der Anziehung des Eisens) gebraucht werden kann oder nicht. Die lausigen Doktoren und Apotheker, die nicht mehr verstehen, reiben es mir oft unter die Nase, daß ich den alten Skribenten nicht folge. Was soll ich denn Unergründeten folgen? Denn sehet allein an, was sie vom Magneten schreiben, das ist so viel wie nichts. Und sehet, was ich schreibe, und legets gegeneinander auf die Wage. Hätte ich nicht selbst Erfahrung ge-sammelt, mit den Alten wäre ich stockblind ohne Augen in der Arznei geboren und wüßte nicht mehr, als was jeder Bauernknecht weiß, nämlich: daß der Magnet Eisen und Stahl anzieht. Ich spreche aus der Erfahrung, die alle Dinge erprobt, daß der Magnet ein Stein ist, in dem eine anziehende Kraft für Eisen

1 Sudhoffausg. I/2, S. 49/57. Aschnerausg. III, S. 525/530.

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und Stahl offen zu Tage liegt, zudem aber eine anzie-hende Kraft für alle martialischen Krankheiten, die im ganzen Leib sind, ist. Martialische Krankheiten sind: alle Flüsse der Frauen, alle Flüsse des Stuhl-ganges, jede Krankheit, die sich von der Mitte im Kreis ausbreitet, um wiederum ins Zentrum zu kom-men, ebenso die Umkehrung der Flüsse, die von ihrer Wurzel in die Äste laufen, in ihrer Wurzel zu behalten.

Bei den Krankheiten muß man den Magnet auf das Zentrum legen, von dem die Krankheit ausgeht. So folgt auf Colica keine Kontraktur. Die Krankheit soll an ihrem Ort und ihrer Mitte gehalten und erst nach Reifung ausgetrieben werden. Durch reife Austrei-bung vergehen Colica und Kontraktur. So ist es mit der Wassersucht, so mit der Wundarznei. Dann soll man die Natur beobachten und sehen, auf welchem Wege die etwas tun will.

Damit ihr verstehen sollet, den Magneten zu ge-brauchen, erkennet zuerst, daß er einen Bauch und Rücken hat, um an sich zu ziehen und von sich zu treiben (einen anziehenden und abstoßenden Pol). Es ist nicht einerlei, wie man in dieser Hinsicht den Ma-gnet auflegt.

Desgleichen sollet ihr von der fallenden Sucht (Epilepsie) wissen, woher sie aufsteigt und wie sie dann alle in die Spitze des Hauptes gehen. Mit dem

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Bauch des Magneten soll nach unten gezogen werden, der Rücken soll zu oberst gelegt und nach unten ge-trieben werden. Dies soll nicht nur an einem Orte ge-schehen, sondern an allen Ästen des Menschen. Die Bäuche sollen auf vier Wege gelegt werden. Nur ein Rücken soll ihnen entgegengestellt werden. Die Krankheit wird dann vom Kopf in die Mitte getrie-ben. Äußerlich soll zur Stärkung Triagummatum (eine Mischung von Galbanum, Bdellium und Opo-panax) gebraucht werden. Dann soll man Esse essen-sificatum und ein herzstärkendes Mittel eingeben.

Dieser Paragraph ist mehr wert als alles, was die Humoristen ihr Leben lang geschrieben und auf ihrer hohen Schule gelehrt haben. Wenn alle diese Ärzte statt ihres Küchengeschwätzes den Magneten vor sich genommen hätten, so würden sie mehr ausgerichtet haben als mit all ihren gelehrten Klappereien.

Der Magnet heilt die Leiden der Gebärmutter, bei schwangeren Frauen nimmt er den Krampf. Er heilt die Flüsse der Augen, Ohren, Nase und äußeren Glie-der, heilt offene Schenkel, Krebs, Blutflüsse der Wei-ber, Fisteln usw. Der Magnet zieht ferner die Brüche und heilt alle Rupturen; er zieht die Gelbsucht aus und die Wassersucht wieder zurück, wie ich oft in der Praxis erfahren habe; allein es ist nicht nötig, den Un-wissenden alles ins Maul zu kauen.

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Ich behaupte klar und offen aus dem, was ich vom Magnet selbst aus Erfahrung erprobt habe, daß in ihm ein hohes Geheimnis verborgen liegt, ohne welches man in vielen Krankheiten gar nichts ausrichten kann.»

Paracelsus war der Magnetismus nicht nur eine Eigenschaft des Mineralmagneten. Er hat in seinem Werke immer wieder auf die große Bedeutung der Wechselwirkung zwischen Makrokosmos und Mikro-kosmos, zwischen Himmel, Erde und Mensch zufolge ihrer Wesensverwandtschaft hingewiesen. Ihm war deshalb der Magnetismus als anziehende und absto-ßende, somit bipolare kosmische Kraft wohlbekannt. Im Menschen sah er etwas Siderisches oder einen vom Gestirn kommenden Einfluß. Obwohl dieser Einfluß von irgendwelcher Substanz getragen war, war seine Körperlichkeit im Vergleich mit der Grobstofflich-keit der sinnlich wahrnehmbaren Umwelt doch so fein, daß er ihn Geist nannte. Dieser Magnetismus ging aus vom Gestirn und zog alle Kräfte an sich. Er konnte also aus dem Chaos Krankheiten anziehen, aber auch solche übertragen.

Also war schon bei Paracelsus der Magnetismus ein alles durchflutendes Fluidum, und die dem Menschen angeborene magnetische Natur (das Gestirn im Men-schen) konnte als seine «Entsprechung» Krankheiten anziehen, die dann den physischen Leib ansteckten.

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«Daher müßt ihr verstehen, daß der Magnet der Lebensgeist im Menschen sei, welcher den infizierten Menschen sucht, da sich beide außen im Chaos ver-einen. So werden Gesunde von Kranken durch ma-gnetische Anziehung angesteckt. Solches lernet aus einem Beispiel. Wenn gesunde Augen die triefenden eines anderen ansehen, so zieht der Magnet der ge-sunden Augen das Chaos der kranken an sich, und das Übel springt gleich auf die gesunden Augen über.1»

Paracelsus nennt den menschlichen Magneten ge-legentlich auch Mumie und diese war nach ihm nicht nur in der Lage, wenn sie Krankheitsstoffe in sich trug, ansteckend auf den Leib zu wirken, sondern konnte, wie ein Magnet das Eisen anzieht, so auch Krankheiten aus dem Leib herausziehen. Da allgemein im Magnetismus eine heilende, ordnende Tendenz liegt, so konnte, wenn ein Körper mit gesundem Fluidum auf einen kranken Körper wirkte, das Kranke vom Gesunden angezogen werden und in sich, wenn er dazu stark genug war, heilend umgewandelt wer-den.

Robert Fludd (1574-1637) war Kabbaiist und Philo-soph. In seiner Philosophia Moysaica entwickelt er sein System, indem er alles Existierende auf die bei-den Urprinzipien des Willens und der Verneinung des

1 Paracelsus, De Peste, Sudhoffausg. I/9, S. 565 fr.

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Willens Gottes zurückführt. Gesundheit ist der Wille Gottes, Krankheit die Verneinung des Willens Gottes. Alles Seiende fließt aus Gott durch die Einpflanzung des Willens Gottes in das noch Unerschaffene, Latente, Unendliche. Alles ist Gott und ist an sich weder gut noch böse. Im Urgrund eigenschaftslos, als unend-liches Nichts, liegen alle Möglichkeiten in Gottes Schoß, um auf seinen Willen hin geschaffen oder wie-der in die ewige Ursubstanz zurückgeführt zu werden. Alles sichtbar Erschaffene ist eine im Willen Gottes gewordene, für uns wahrnehmbar gewordene Erschei-nung Gottes und wird von einer unsichtbaren gött-lichen Kraft belebt. Die Erscheinung, die Substanz, der Körper aber ist passiv und ist überall, ob es sich nun um einen menschlichen oder tierischen Körper, oder um die große Welt oder Natur handelt, denselben Gesetzmäßigkeiten unterworfen.

So besitzt der Mensch wie die Erde Magnetismus und besitzt wie sie zwei Pole, einen negativen und einen positiven, und wie die Erde in eine nördliche Halbkugel mit positiv-magnetischer und eine südliche Halbkugel mit negativ-magnetischer Hemisphäre ein-geteilt ist, so auch der Mensch, dessen linke Seite negativ-passiv, die rechte dagegen positiv-aktiv ist.

Kommen nun Menschen zusammen, so wirken sie durch den ihnen eigenen Magnetismus aufeinander.

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Auf diese Weise kann ein Mensch auf den anderen Einfluß gewinnen, wobei er ihn verändern, heilen oder krank machen kann1.

William Maxwell (um 1600). Dieser zu wenig be-kannte, intuitiv hochbegabte schottische Arzt bildete die Ansichten Fludds selbständig fort. Ein Jahrhun-dert vor Mesmer veröffentlichte er seine gewonnenen Gedanken in «De medicina magnetica»2 :

«Die Seele ist nicht allein in dem eigenen sichtbaren Körper, sondern auch außerhalb desselben und wird von keinem organischen Körper begrenzt. - Die Seele wirkt auch außerhalb des insgemein sogenannten eige-nen Körpers. — Von jedem Körper strömen körper-liche Strahlen aus, in welchen die Seele durch ihre Ge-genwart wirkt und denselben Kraft und Widerstands-fähigkeit verleiht. Es sind aber diese Strahlen nicht nur körperlich, sondern sie bestehen auch aus verschiede-nen Teilen. — Diese Strahlen, welche aus den Körpern der Lebewesen strömen, besitzen einen Lebensgeist, durch welchen die Seele ihre Wirkungen ausführt.

Dieser Lebensgeist ist flüchtig, denn jeden Augen-blick tritt ein Teil von ihm aus dem Körper, und es ist ganz der Vernunft gemäß, daß er mit den in Strahlen aufgelösten Körperteilen austrete. Denn, daß er diese

1 Fludd, Philosophia Moysaica 1638. 2 Maxwell, De medicina magnetica, Frankfurt 1679.

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austretenden Teilchen verlassen und in nicht dispo-nierte Körper eindringen sollte, dafür kann kein Grund angegeben werden, ja es erscheint geradezu als un-möglich. Daß die Ausstrahlungen, mit denen er aus-tritt, ihn zurückzuhalten fähig seien, ist leicht erklär-bar : denn die Ausstrahlungen behalten die Eigentüm-lichkeiten des Körpers, von dem sie ausgehen; ja, sie könnten, wenn dieser Geist nicht zugegen wäre, das, was sie tun, nicht vollbringen, und würden auch nicht mit der Kraft der Seele wirken, denn dieser Geist ist das Werkzeug der Seele. Die menschlichen Körper werden also entweder auf keine Entfernung wirken, oder dieser Geist muß mit seinen Ausstrahlungen die gedachte Ferne berühren; im Anfang des Lebens be-sitzt aber durch die Kraft der jetzt noch mächtigeren Seele der menschliche Körper sowohl als der der übrigen Animalien eine größere Energie in den natür-lichen Wirkungen.»

Von Maxwells interessanten Aphorismen, die dem zweiten Buch seines Werkes angehängt sind, gebe ich hier die mir am bedeutendsten erscheinenden in ihrer Reihenfolge bekannt. Sie sind magisch-magnetisch durchdrungen und zeigen übrigens, daß Maxwell etwas Ähnliches wie den magnetischen Rapport, die Kraft der Faszination und den Gebrauch magnetisier-ter Gegenstände gekannt hat.

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A. i. Die Welt ist von der ersten und höchsten ver-nünftigen Seele beseelt, welche die Samenursachen der Dinge in sich enthält, die, vom Glänze der Ideen des ersten Verstandes ausgehend, gleichsam die Werk-zeuge sind, durch welche dieser große Körper regiert wird; und die Glieder der goldenen Kette der Vor-sehung.

A. 2. Wenn die Wirkungen der Seele ein Ziel fin-den, so wird ein Körper erzeugt oder aus der Kraft der Seele hervorgebracht und nach deren Imagination verschieden geformt, weshalb sie über den Körper eine Oberherrschaft erhält, die sie nicht haben könnte, wenn er nicht ganz und gar von ihr abhinge.

A. 3. Bei dieser Schöpfung wird, indem die Seele sich einen Körper baut, etwas Drittes, zwischen bei-den in der Mitte Stehendes erzeugt, wodurch die Seele inniger mit dem Körper verbunden und alle Wirkun-gen der natürlichen Dinge ausgeführt werden. Dieses Dritte wird Lebensgeist genannt.

A. 4. Die Wirkungen der natürlichen Dinge werden von diesem Geiste je nach der Beschaffenheit der Organe ausgeführt.

A. 6. Nichts Körperliches besitzt eine Kraft, außer insofern es Werkzeug des genannten Geistes ist, oder von ihm geleitet wird, denn das rein Körperliche ist auch rein passiv.

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A. 7. Wenn du Großes wirken willst, so entkleide die Dinge soviel als möglich ihrer Körperlichkeit.

A. 11. Die Organe, durch welche dieser Geist wirkt, sind die Eigenschaften der Dinge, die, an und für sich betrachtet, so wenig etwas wirken können, als das Auge ohne Leben zu sehen vermag, insofern sie nur eine Modifikation der Materie oder des Körpers sind.

A. 27. Der allgemeine, vom Himmel herabkom-mende, reine, klare und unbefleckte Lebensgeist ist ein Vater des in allenDingen befindlichen, besonderen Lebensgeistes; er erzeugt nämlich denselben im Leibe und vervielfältigt ihn und verleiht auch dem Körper die Fähigkeit der Fortpflanzung.

A. 29. Wer den von der Kraft eines Körpers erfüll-ten Geist mit einem anderen, zur Veränderung dis-ponierten, verbinden kann, der wird viel Wunder-bares hervorbringen.

A. 38. Dieser Geist strömt beständig vom Himmel aus und wieder zu demselben zurück und er kann von einem erfahrenen Meister mit einem jeden Ding nach der Disposition des Gegenstandes auf wunderbare Art vereinigt werden und die Kräfte der Dinge ver-mehren.

A. 49. Der Geist wird von einem Brudergeiste an-geregt, wenn er ihm allzusehr ausgesetzt ist.

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A. 60. Wo dieser Geist eine ihm verwandte, ge-eignete Materie findet, da bringt er jener Verwandt-schaft Angemessenes hervor und drückt dem Zu-standegekommenen sein Siegel auf.

A. 61. Wo der mit den Eigenschaften eines Körpers verbundene Geist einem anderen mitgeteilt wird, ent-steht wegen des wechselseitigen Hin- und Herströ-mens der Geister zu ihren Körpern eine gewisse Sym-pathie, welche nicht so leicht auflöslich ist, als jene von der Imagination erzeugte.

A. 69. Wer den Lebensgeist abzusondern weiß, der kann den Körper, um dessen Geist es sich handelt, auf jede Entfernung mit Hilfe des allgemeinen Geistes heilen.

A. 78. Wer das Licht den Weltgeist nennt, der wird vielleicht von der Wahrheit nicht sehr abirren, denn entweder ist er das Licht, oder er hat seinen Wohnsitz im Licht.

A. 92. Wer den Weltgeist und seinen Nutzen kennt, der kann jede Verderbnis verhindern und dem beson-deren Geist die Herrschaft über den Körper verschaf-fen. Die Ärzte mögen sehen, wie viel dies zur Heilung von Krankheiten beiträgt.

A. 93. Daß es ein Universalmittel geben könne, ist bereits bekannt, insofern der besondere Geist, wenn er gestärkt wird, alle Krankheiten durch sich selbst zu

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heilen vermag, wie die allgemeine Erfahrung lehrt; denn es gibt keine Krankheit, die nicht schon ohne die Hilfe der Ärzte vom Lebensgeist kuriert worden ist.

A. 94. Das Universalmittel ist nichts anderes, als der in einem geeigneten Subjekt vervielfältigte Le-bensgeist.»

Job. Bapt. van Helmont (1577-1644) war ein großer, tiefsinniger Anhänger Paracelsi. Er kannte die Hohen-heimschen Schriften sehr genau und bildete gerade die Paracelsischen Anregungen von den Kräften des magnetischen Wunders in seinem berühmten Werk «De magnetica vulnerum curatione» weiter aus. Aus-zugsweise heißt es darin:

«Die materielle Natur zieht täglich ihre Formen durch einen beständigen Magnetismus von oben her-ab, indem sie sich die Gunst des Himmels erbittet. Gleichzeitig findet vom Himmel aus unsichtbar eine Anziehung nach oben statt, so daß ein freier, gegen-seitiger Verkehr stattfindet und in einem auch das Ganze enthalten ist. Der Magnetismus, welcher jetzt allgemein blüht, enthält außer dem Namen weder Neues noch Paradoxes, oder doch nur für solche Leute, welche alles verlachen und dem Satan zu-schreiben, was sie nicht verstehen. Auch der Magne-tismus ist eine himmlische, den astralen Influenzen ähnliche, an keine Entfernung gebundene Eigenschaft.

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Wenn wir uns magnetischer Mittel bedienen, so mögen wir gewiß sein, daß dieselben Gott angenehm und ihr Gebrauch eine Handlung, welche in beiden Welten mit gleicher Ordnung und gleichem Schritt einen und denselben Führer besitzt.

Paracelsus ist weit davon entfernt, sich ein schlech-tes Verdienst erworben zu haben, weil er den im Altertum unbekannten Magnetismus zur Untersu-chung der Dinge und eines gegründeten Naturstu-diums, welches in allen Schulen unfruchtbar darnie-derliegt, Dienendes schon sehr einleuchtend und nutz-bringend hervorhob; er hat vielmehr den rechten Titel «Monarch aller Geheimnisse» seinen Vorgängern ent-rissen und wir müssen ihn schätzen, wenn wir nicht mit seinen Hassern alles, was zu gutem und edlem Zwecke dient, hämisch bekritteln wollen.

Alle Dinge enthalten in ihrem Ens seminale ein par-tikulares Firmament, vermittels deß das Untere mit dem Oberen nach dem Gesetz der Freundschaft und Harmonie verkehrt; und aus diesem Verkehr kann man den Magnetismus und die überall in die Dinge geleg-ten und ihnen eigenen Kräfte der Influenz abstrahieren.

Magnetismus nenne ich hier in Ermangelung eines anderen Wortes den überall waltenden gegenseitigen Einfluß der sublunarischen Dinge und eine geheime Anpassung, durch welche Anwesendes auf Abwesen-

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des durch Anziehen oder Antreiben und Abstoßen wirkt.

Das Mittel dieser geheimen Eigenschaft, wodurch Anwesendes auf Abwesendes durch Wechselverhält-nisse einwirkt, ist das Magnale magnum. Allein das-selbe ist keine körperliche Substanz, welche man er-dichten, messen und wägen kann, sondern es ist ein ätherischer Geist, der rein und lebendig alle Dinge durchdringt und die Masse des Weltalls bewegt.»

Weitere Kapitel aus Helmonts Werk lauten: «Jene magnetische, fern wirkende, natürliche Kraft

der Seele liegt gleichsam schlafend und der Weckung entbehrend im Innern des Menschen verborgen. Sie schläft und waltet wie trunken (unbewußt) in uns. Es schläft also die magische Kraft der Wissenschaft und wird durch einen bloßen Wink in Aktion gesetzt, wel-che umso lebendiger ist, j e mehr das Fleisch und die Fin-sternis des äußern Menschen zurückgedrängt werden.

Ich lehre außerdem noch, daß ein Wechselspiel und Connex zwischen allen geistig wirkenden Dingen vor-handen seien und daß ein Geist mit dem anderen kämpfe, wie wir bei den Werken der Hexen sehen, oder daß einer mit dem anderen befreundet sei, wie beim Magneten. Damit erkläre ich die Faszination und Ligatur der Seelen und wage endlich zu behaup-ten, daß der Mensch alle anderen Geschöpfe be-

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herrscht und durch seine natürliche Magie die magi-schen Kräfte anderer Geschöpfe bezwingen könne, welche Herrschaft viele falsch und mißbräuchlich der Kraft der Gesänge und Beschwörungen zuschreiben.

Ich habe bisher vermieden, das große Geheimnis zu offenbaren, nämlich handgreiflich zu zeigen, daß im Menschen die Kraft verborgen liege, allein durch den Willen und die Imagination nach außen zu wir-ken und anderen Dingen diese Kraft einzuprägen, welche hernach fortdauert und auf die entferntesten Gegenstände wirkt. Durch dieses Geheimnis allein wird alles sein wahres Licht erhalten, was wir bisher von den ideenhaften Wesenheiten und dem Geiste, dem Magnetismus der Dinge, der Fantasie, der magi-schen Kraft des Menschen und seiner Oberherrschaft über die Körperwelt gesprochen haben.1»

In Valentine Greatrakes (1628-1693), Graf von Wa-terford in Irland, finden wir den ersten Fall von rein mesmerischen Heilungen, über die wir exakte Berichte besitzen. Greatrakes träumte im Jahre 1662 eines Nachts, er könne durch Auflegen der Hand Kröpfe heilen. Anfänglich schenkte er dem Traum keinerlei Beachtung, doch als seine Frau unter den Unannehm-lichkeiten eines Kropfes zu leiden begann, versuchte er es, wie es ihm der Traum gezeigt hatte und siehe!

1 Nach Kiesewetter, Mesmers Leben und Lehre. Lpz. 1895.

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der Kropf war in kürzester Zeit samt allen seinen Be-schwerden verschwunden. Greatrakes versuchte nun das Handauflegen bei anderen und der Erfolg wieder-holte sich immer wieder.

Schließlich ging er dazu über, auch andere Krank-heiten durch seine Hände zu behandeln und da er auch außerhalb seiner Kropfheilungen auf dieselbe Art viele Krankheiten zu heilen vermochte, wurde er bald bekannt und sein Ruf drang bis an den königli-chen Hof. Im Jahre 1666 rief ihn König Carl zu sich; doch war für den ernsten Mann am Hof, wo er wegen seiner merkwürdigen Heilmethode, die er an Men-schen und Tieren anwandte, in unpassender Weise geneckt wurde, kein Bleibens. Greatrakes zog des-halb in die Nähe eines Spitals, wo er ein magnetisches Sanatorium errichtete und erfolgreich seine Kuren durchführte. Er wurde in seinem Wirken von dem Mediziner J.N.Pechlin beobachtet, der über zahl-reiche Kuren Greatrakes ein Buch veröffentlichte1. Aber auch Greatrakes schilderte in eigenen Schriften seine Behandlungen und Erfahrungen2. Gleichzeitig

1 J.N.Pechlin, Observat. phys. et med. Lib. III. cap. Hbg. 1691. Valentine Greatrakes, London 1666

2 Greatrakes, Famous for curing several diseases and distempers by the stroak of his hand only. London 1666. A brief account of M. Val. Greatrakes and diverse of the stränge eures by him performed. London 1666.

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wurde auch von theologischer Seite (Joseph Glanvil und Richard Baxter) über diese merkwürdigen Hei-lungen geschrieben1.

Pechlin bezweifelte in keiner Weise Greatrakes wunderbare Heilungen und wünschte, daß dessen Werk in alle Sprachen übersetzt würde. Er ließ auch eine große Menge Zeugnisse und Briefe in Druck geben, woraus die Bestätigung der Erfolge von Great-rakes Heilungen klar ersichtlich wurde. Glanvil, der Hofprediger Carls II. schilderte in einem solchen ab-gedruckten Brief Greatrakes als einen «einfachen, lie-benswürdigen, frommen und jedem Betrug abholden Mann». Ähnlich urteilt über ihn Georges Rust, Bi-schof von Dranmore in Irland, indem er in seinem Zeugnis schreibt, er sei drei Wochen bei ihm gewesen, wobei er Gelegenheit gehabt habe, seine guten Sitten und eine große Anzahl von Krankenheilungen zu be-obachten. Er vertreibe durch das Auflegen seiner Hände die Schmerzen und leite sie nach den äußeren Gliedmaßen hin.

Manchmal geschehe die Wirkung sehr schnell und wie durch Zauberei. Wenn die Schmerzen nicht wei-chen wollten, so wiederhole Greatrakes seine Reibun-gen und treibe so die Schmerzen von dem edleren

1 Glanvil, Sadduccismus Triumphatus. — Baxter, The certainty of the world of spirits.

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Teil in die unedleren und endlich in die Extremitäten, von wo sie verschwänden.

Rust sagt ferner, er könne als Augenzeuge versi-chern, daß Greatrakes sehr schwere Augen- und Ohrenkrankheiten, Schwindel, Fallsucht, veraltete Ge-schwüre, Kröpfe, Drüsen, Verhärtungen und Krebs-geschwülste geheilt habe. Er selbst habe Geschwüre in fünf Tagen reifen sehen, welche mehrere Jahre alt waren und er glaubt in der Art der Behandlung weder etwas Übernatürliches noch etwas Göttüches sehen zu müssen. — Die Kur sei oft sehr langwierig und manche Krankheiten wären nur nach Wieder-holung der Manipulation gewichen, einige hätten so-gar aller Mühe widerstanden. Ihm (Rust) scheine es, als ströme aus dem Körper von Greatrakes etwas Heil-sames und Balsamisches aus. Greatrakes selbst sei überzeugt, daß er in seiner Gabe ein besonderes Ge-schenk Gottes erhalten habe. Selbst epidemische Krankheiten (damals herrschte die große Pest in Lon-don, welche von der etwa eine halbe Million betra-genden Einwohnerzahl über 68000 Menschen hinweg-raffte) heilte Greatrakes durch eine Berührung, wes-halb er (Rust) glaube, derselbe müsse sich ganz allein der Heilung von Krankheiten widmen.

Bei Pechlin finden wir außerdem noch die Zeug-nisse der Ärzte Faireklow und Astelius, welche die

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Kuren von Greatrakes sehr genau untersucht haben. Fairklow sagt: «Ich war betroffen von Greatrakes' Sanftmut und Güte gegen die Unglücklichen und von der Wirkung, welche er durch seine Hand vollbrachte.» Das Urteil von Astelius lautet: «Ich sah Greatrakes die heftigsten Schmerzen augenblicklich stillen, bloß durch seineHand; ichsah ihnzum Beispiel die Schmer-zen von den Schultern bis zu den Füßen hinunter treiben. Wenn die Schmerzen im Kopf oder in den Eingeweiden festsaßen, so folgten bei ihrer Vertrei-bung oft fürchterliche Krisen, welche selbst für das Leben der Kranken bangen ließen; allein nach und nach zogen sie sich in die Extremitäten, um endlich ganz zu verschwinden. Ich sah ein skrophulöses Kind von zwölf Jahren mit solchen Geschwülsten, daß es keine Bewegung machen konnte; er zerteilte bloß mit seiner Hand den größten Teil der Geschwülste; eine sehr große öffnete er jedoch und heilte sie, so wie die übrigen durch öftere Benetzung mit seinem Speichel.

Auch Robert Boyle, der Präsident der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften in London, ein be-rühmter Chemiker und Physiker, zeugte für Great-rakes und seine Kuren, indem er zum Beispiel be-stätigte: «Viele Ärzte, Edelleute, Geistliche usw. be-zeugen die Wahrheit von Greatrakes' Heilungen, wel-

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che er in London bekannt machte. Die vorzüglichsten Krankheiten, welche er heilte, waren Blindheit, Taub-heit, Lähmungen, Geschwüre, Geschwülste und Fie-ber.»

Die Heilungen Greatrakes' gaben den Anhängern des Mesmerismus schon früh Veranlassung zu Ver-gleichen mit ihren eigenen Methoden und Erfolgen. Es gab sogar solche, die glaubten, Mesmer verdanke seine «Entdeckung» überhaupt nur den Berichten über Greatrakes. So erschien im Archiv von Hofrat Boeckmann 17871 ein Aufsatz «Über Valentin Great-rakes' wunderbare Heilungsgeschichte durch Berüh-rung mit den Händen, mit Zeugnissen verschiedener Autoren belegt». Darin sind auch die BriefeRusts und Fairclows abgedruckt. Es folgen weitere Zeugnisse von Dr. Astel, Des Maizeaux, Mitglied der könig-lichen Akademie der Wissenschaften und Dr. More. Zuletzt finden wir die Bemerkung der Berliner Mo-natsschrift vom Februar 1786: «Hier hätten wir also schon vor mehr als 100 Jahren den ganzen animali-schen Magnetismus, nur nicht unter diesen Namen; und so geschieht also nichts Neues unter der Sonne.»

Zu seiner Zeit war Greatrakes in der Art, durch Handauflegen zu heilen, nicht allein. So lebte in Sitten

1 Archiv für Magnetismus und Somnambulismus. Viertes Stück. Straßburg 1787.

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im Kanton Wallis ein Domherr namens Mathias Will, der wegen seinen vielen Heilungen, die er durch seine Hände, durch Gebet undExorcismen vollbracht hatte, weitherum berühmt war.

Großen Ruf in solchen Dingen genoß im 18. Jahr-hundert auch ein schottischer Fischer Jennis, der durch magnetische Striche viele Drüsenerkrankungen, na-mentlich Skropheln, zu heilen vermochte. Um die gleiche Zeit heilte in Württemberg auf ähnliche Weise ein Bauer Martin in Schlierbach die verschiedensten Krankheiten und analoges wurde von einem Mann, der in Kiel wohnte, berichtet.

Auch der in seinen Heilkräften schon seit dem Alter-tum bekannte und von Paracelsus beschriebene Ma-gnetstein fand im 18. Jahrhundert eine vielfache Ver-wendung als Heilmittel. Als es in England gelang, durch Streichen Eisen und gehärteten Stahl magnetisch zu machen, wurden in England und Frankreich diese künstlichen Magnete bald in solcher Qualität erzeugt, daß sie fast überall, auch bei der Heilanwendung, die seltenen und teuren Magnetsteine ersetzten.

Man wandte die Magnete in der Augenheilkunde zum Zurückziehen der Flüsse, zur Entfernung von Eisensplittern und sonstigen Übeln an, wofür Dr. Weber in Walsrode besonders bekannt war. Der Phy-sikus Dr. Klärich in Göttingen heilte damit Zahn-

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schmerzen. In England waren die Kuren mit dem künstlichen Eisenmagneten gegen Krämpfe und Ma-genschmerzen bekannt und 1768/1769 berichteten die Berliner Zeitungen von mancherlei ähnlichen magne-tischen Kuren. Die Zeit war also, wenigstens von der praktischen Seite her, reif, als Mesmer seinen Magne-tismus entdeckte.

Johann Joseph Gaßner (1727-1779) wurde am 20. August 1727 in Bratz bei Bludenz (Vorarlberg) ge-boren. Er wurde neben seinem Zeitgenossen Franz Anton Mesmer zum größten Heilmagnetiseur und Exorzist seines Jahrhunderts. Mesmer und Gaßner gingen nur von zwei ganz verschiedenen Gesichts-punkten aus an die Erfüllung ihrer Aufgabe. Gaßner wurde in einem Priesterseminar erzogen und kam zum Studium zu den Jesuiten nach Innsbruck und Prag. 1751 wurde er zum Frühmesser nach Dalgs be-rufen und erhielt 175 8 das Amt des Pfarrers von Klö-sterle1. Etwa 1760 befiel ihn ein heftiges Kopf-, Ma-gen- und Brustleiden, gegen das weder die verordne-ten Arzneien noch strenge Diät halfen. Gaßner be-richtet selbst, daß er «keinen Rat mehr wußte». Er wandte sich deshalb eines Tages während des Meß-opfers an Gott und bat um Erleuchtung. In tiefer re-ligiöser Erregung ging er darauf nach Hause, wo ihm

1 Biographische Daten aus Kiesewetter, Mesmer. 1893.

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ein vom Exorzismus handelndes Buch1 in die Hände kam, das ihm bei der Lektüre den Gedanken nahelegte, «daß bei seinem Übel etwas Übernatürliches sei und der Satan mit alter, böser Tücke seinen Leib angreife». Diese Gedanken brachten Gaßner zur Erprobung des Exorzismus, den er sofort anzuwenden beschloß.

Die erste Zeit in der Anwendung der Teufelsaus-treibung brachten Gaßner keinen Erfolg. Aber nach einigen vergeblichen Versuchen war er beim Exorzie-ren plötzlich frei von allen seinen Übeln. Um sicher zu sein, daß wirklich der Teufel der Urheber seiner Krankheit gewesen war, befahl er diesem im Namen Jesu, ihn wieder mit der nämlichen Krankheit zu schlagen. Augenblicklich war sein Leiden wieder da. Er befahl ihm im göttlichen Namen, mit seinen Plagen zu weichen undGaßner stand wieder befreit davon da.

Gaßner war felsenfest davon überzeugt, daß der Teufel ihn mit seinen Leiden heimgesucht hatte. Dies bestätigte auch seine Ansicht, daß der Satan nicht nur die Seele des Menschen verderbe, sondern auch den Leib mit vielerlei Not bedränge, ihn behexe und be-sessen mache. Er fühlte sich darin mit vielen berühm-ten Autoren einig, die überzeugt waren, daß es «male-ficia gebe und dienen hier zum Beweise Dr. Hofman-nus de potentia diaboli in corp. § 24; Fromann, Forn-

1 Antonius Reichle, Der triumphirliche Namen Jesus.

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stus, Langius, Sennertus, Condrochus, Bartholius, Merlichinius, der in seiner Abhandlung de incanta-mentis 60 dergleichen Zufälle, größtenteils aus eigener Erfahrung, beibringt, daß nicht nur Würmer, Frö-sche, Schlangen, Mäuse, welche die Natur vielleicht in dem menschlichen Körper erzeugen kann, sondern Scherchen, Nägel, Messer, Haarnadeln, Siegellack, Gläser und andere Kunstwerke aus dem Munde, Schenkeln, Armen, Knieen, Ohren etc. des Kranken hervorgekommen.1»

Nach diesen durch die eigenen Erfahrungen gefe-stigten Ansichten versuchte nun Gaßner, den Exor-zismus auch bei seinen Pfarrkindern anzuwenden und da er sowohl als Magnetiseur wie als Exorzist durch eine ganz selten in solchem Maß beobachtete Kraft begabt war, konnte er bald eine ganze Reihe erfolg-reicher Kuren durchführen, die seinen Ruf als Wun-dermann in seiner Heimat, in der benachbarten Schweiz, in Süddeutschland und bis nach Frankreich rasch verbreiteten.

1 Des Wohlehrwürdigen Herrn Johann Joseph Gaßners ehemals Pfarrers zu Klösterle, nun Hofkaplans Sr. hochfürstlichen Gnaden des Bischofs zu Regensburg und Probstes zu Ellwang Weise, fromm und gesund zu leben, auch ruhig und gottselig zu sterben oder nütz-licher Unterricht wider den Teufel zu streiten; durch Beantwortung der Fragen: I. Kann der Teufel dem Leibe der Menschen schaden? II. Welchen am mehresten? III. Wie ist zu helfen? Mit Erlaubnisgeistlicher Obrigkeit. Augsburg und Ingolstadt 1775.

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Gaßner erzählt über seine gemachten Erfahrungen, daß zuerst einmal festzustellen sei, ob die gemeldete Krankheit vom Teufel herkomme oder ob sie natür-lichen Ursprungs sei. Natürliche Krankheiten wollte er nicht behandeln, da sie des Arztes und nicht des Priesters Sache seien. Gelang es ihm, durch das Zeichen des Kreuzes und einen im Namen Jesu ausgesproche-nen Befehl die Schmerzen und sonstigen Zufälle einer Krankheit augenblicklich hervorzurufen, sie wieder verschwinden und nochmals wirksam werden zu las-sen, sie zu steigern oder zu lindern oder nach andern Orten des Körpers zu treiben, so galt ihm die Krank-heit zweifellos als eine unnatürliche, die er der Ein-wirkung des Teufels zuschrieb. Er war dann auch voll-kommen davon überzeugt, daß eine solche Krankheit nur mit geistlichen Mitteln geheilt werden konnte und daß alle natürlichen medizinischen Mittel und Anwendungen dabei versagen müßten.

Als nicht zu umgehende Voraussetzung einer Hei-lung betrachtete Gaßner den festen Glauben des Kran-ken, daß seine Krankheit eine Wirkung des Teufels sei und daß er durch Gottes Wort und Hilfe über den Priester geheilt werden könne, denn ohne diesen festen Glauben an die allmächtige Kraft des gött-lichen Namens könne kein Priester einem Leidenden helfen.

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Gaßners Weise, «wider die Anfechtungen der Hölle zu streiten» lautete: «Ich befehle im Namen Jesu einem jeden Teufel insonderheit, und allen insge-sammt, daß ihr von meinem Leibe und der Seele sollet fortweichen mit allen Anfechtungen, und inskünftige keine Gewalt mehr haben, mich weder an der Seele noch am Leibe zu belästigen; denn ich will stehen im Schutze Gottes, und des heiligsten Namens Jesu. Wer ist wie Gott? Heilig, heilig, heilig ist er, den ich über alles liebe, weil er das höchste Gut: an den ich glaube, daß er mir helfen kann, weil er allmächtig: auf den ich hoffe, daß er mir helfen wolle, weil er unendlich gütig und barmherzig: mir helfen wird; weilen er es ver-sprochen, und in seinem Versprechen unendlich ge-treu und wahrhaft ist. Ich will streiten im Leben und Tode im Namen Gott des Vater und des Sohns und des heiligen Geistes. Amen.1»

Seine «kürzere Weise zu streiten» war: «Ich befehle dir höllischer Geist, und deinem Anhange durch die Kraft des allerheiligsten Namens Jesu, daß du als-bald mit dieser Anfechtung N. N. von meinem Leibe, und (wenn die Anfechtung an der Seele ist) von mei-ner Seele fort weichest, im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, Amen.2»

1 Siehe Anmerkung auf Seite 77, (S. 50/51). 2 Gaßner, Weise, fromm und gesund zu leben etc., S. 51.

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Über das Gaßnersche Heilverfahren besitzen wir von Augenzeugen viele Berichte, die uns sein Vor-gehen lebendig vor Augen stellen. So erzählt Abbé Bourgeois, Erzieher der jungen Grafen von Donsdorf1:

«Wenn die kranke Person in den zweiten Platz, wo sich der Exorcist befindet, eingeführt ist, so sieht man weder täuschende Vorstellung, noch prahlerisches Großthun in seinem Benehmen, alles ist einfach und gleichförmig. Er sitzt auf einem kleinen Schlafsessel mit einer Stola über seine Kleider angethan, an seinem Halse hängt ein Kreuz, an seiner Seite steht ein Tisch, worauf ein Kruzifix sich befindet und um den Tisch herum steht eine Reihe Sessel für die hohen Standes-personen. Ein Aktuarius muß die merkwürdigen Vorfälle protokollieren. Die dem Priester vorgestellte kranke Person kniet nieder, er fragt sie über Gattung und Umstände der Krankheit. Hat er genug über ihren Zustand erkundigt, so spricht er einige Worte zur Er-weckung des Vertrauens an sie und ermahnt sie, ihm innerlich beizustimmen, daß alles geschehe, was er befehle. Ist alles so vorbereitet, so spricht er: Wenn in dieser Krankheit etwas Unnatürliches ist, so befehle

1 Archiv für den Thierischen Magnetismus, herausgegeben von Dr. Eschenmayer, Dr. Kieser und Dr. Nasse. Bd. VIII. i. Stück, S. 91 ff. Leipzig 1820. Diesem Band sind auch die weiteren Schilde-rungen Abbé Bourgeois entnommen.

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ich im Namen Jesu, daß es sich sogleich wieder zeigen solle; oder er beschwört den Satan in Kraft des aller-heiligsten Namen Jesu, die nämlichen Übel, womit diese Person sonst behaftet ist, auf der Stelle hervor-zubringen. Zuweilen erscheint das Übel sogleich nach gegebenem Befehl, und alsdann läßt er alles nachein-ander kommen, gleichsam stufenweise und nachMaß-gabe der Stärke, in welcher der Patient sein Übel frü-her hatte. Dieses Verfahren nennt der Priester den Exorcismum probativum, um zu erfahren, ob die Krankheit natürlich oder unnatürlich ist, und zugleich hat er die Absicht, durch diese Übereinstimmungen mit seinen Befehlen das Vertrauen des Kranken zu vermehren und allen Anwesenden die Kraft des heili-gen Namens Jesu kund und offenbar zu machen. Wenn sich das Übel auf den ersten gegebenen Befehl nicht zeigt, so wiederholt er denselben immer steigend wohl bis zehnmal. Erfolgt dann keine Wirkung, so ver-schiebt er diese Person auf den andern Tag oder noch später, oder er schickt sie auch ganz zurück mit der Äußerung, daß ihre Krankheit natürlich sei oder daß sie nicht hinreichend Vertrauen besitze.»

An einzelnen selbst beobachteten Fällen weiß Abbé Bourgeois folgendes zu berichten:

«Ich mache den Anfang mit zwei jungen Mädchen von verschiedenen Orten, welche beide genötigt wa-

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ren, das Kloster zu verlassen und mit besondern krampfhaften Zufällen belastet waren. Beide wurden gleich den andern Tag nach meiner Ankunft exorci-sirt, eine Vor-, die andere Nachmittags. Die Erste lag bei den Füßen des Herrn Gaßner, welcher nach den gewöhnlichen Vorfragen mit einer gemäßigten Stim-me, wie er gewöhnlich zu tun pflegt, sagte: Agitetur brachium sinistrum und sogleich war der Schmerz auf dem Gesichte des Mädchens zu lesen, ihr Atem wurde schwer und unterbrochen, der linke Arm und die Finger fingen an sich zu verdrehen, steif zu werden und verblieben auch in diesem Zustande, bis er das Gegenteil befahl. Sobald er gesagt: Cesset ista agita-tio, verschwand alle Erschütterung und der Arm kam in seine natürliche Lage. Nach diesem befahl er, daß die Gichter den rechten Arm, Fuß und die ganze rechte Seite ergreifen und die Kranke bis zur Erde ziehen sollten, was ganz so erfolgte. Alsdann befahl er, daß sie vom kalten Fieber befallen werden sollte. Es geschah, die Hände wurden eiskalt, sie zitterte, die Zähne klapperten. Nun befahl er, das hitzige Fieber solle kommen; es kam ebenfalls nach dem Zeugnis dreier Ärzte, welche eben erst angekommen waren und ihr die Hände und den Puls in beiden Zuständen befühlten.

Nach diesem befahl er, die Patientin solle von den

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lachenden Gichtern, dann von den traurigen und me-lancholischen, ferner von dem Aberwitz zu singen und zuletzt von Gewissenszweifeln befallen werden. Auf den ersten Befehl folgte ein überlautes Lachen, auf den zweiten Seufzen und Weinen, auf den dritten sang sie einige Hymnen und Psalmen, und auf den vierten sagte sie seufzend: sie müsse verdammt wer-den, sie müsse beichten. Nachdem der Exorcist sie wieder zu sich selbst gebracht hatte, fragte er sie, ob sie noch beichten wolle, worauf sie mit Lachen ant-wortete, sie hätte keine Lust dazu.

Nach diesem befahl er, sie solle zornig werden und gegen ihn einen Widerwillen fassen. Alsobald war das Wutfeuer in ihren Augen, sie schnalzte auf ihn zu und knirschte mit den Zähnen, streckte die Arme ausein-ander, krümmte die Finger, als ob sie sich zerreißen wollte.

Weiter befahl er, daß der Puls am rechten Arm schwach und kaum fühlbar, am linken Arm hingegen stark und geschwind gehen sollte. Die Leibärzte be-fühlten rechts und links den Puls und befanden die Sache also. Der Garnisonsarzt von Würzburg bestä-tigte das Gleiche.

Zuletzt befahl er, daß sie einer sterbenden Person ähnlich werden sollte. Nun fiel sie einigen Personen in die Arme, alle Glieder streckten sich und wurden

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steif. Da die Augen und der Mund geschlossen waren, so befahl Herr Gaßner, um das Bild des Todes voll-kommener darzustellen, auf lateinisch: die Augen und der Mund sollen sich öffnen, die Nase lang und spitzig werden.

Auf drei- und viermalige Wiederholung dieses Be-fehls fingen Augen und Mund an sich halb aufzutun, wurden starr und unbeweglich, die Nase zog sich in die Länge und wurde ganz spitzig; sie blieb einige Zeit in diesem Zustande und kam dann augenblick-lich auf das Wort des Herrn Gaßner wieder zu sich.

Nachmittags erschien das zweite Mädchen, das von Heidelberg war. Da dieses Mädchen an ähnlichen Gichtern litt, so ließ Herr Gaßner noch mit größerer Stärke die Zufälle kommen; außerdem machte er sie taub, so daß sie auf einige laute Fragen nicht antwor-ten konnte; darauf befahl er, sie sollte blind werden. Bald stieß sie einen schreckvollen Schrei aus, sie wolle ihr Gesicht nicht verlieren, was sie aber auf der Stelle wieder erhielt. Als mit diesem Mädchen alles vorüber war, erkundigte ich mich bei einem Professor der Me-dizin von Heidelberg, welcher auch gegenwärtig war, ob er diese Person kenne? Er sagte mir, er kenne sie wohl, er habe sie lange in der Kur gehabt, ohne sie heilen zu können. Auf meine Frage, ob sie diese Zu-fälle schon früher gehabt hätte, antwortete er mit Ja.

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So ist denn in allem diesem kein Betrug noch Ver-stellung, versetzte ich, worauf er mit großer Ernst-haftigkeit erwiderte, ganz und gar nicht. Ich wandte mich darauf zu dem Mädchen selbst und fragte, ob sie wüßte, was mit ihr vorgegangen sei, während sie bei den Füßen des Herrn Gaßner gelegen sei und sie so viel gelitten hätte? Sie erwiderte, daß sie größtenteils nicht bei sich selbst gewesen sei; hätte zwar manchmal einige Schmerzen empfunden, aber nicht viel gelitten.

Den andern Tag meines Aufenthalts trug sich eine Begebenheit zu, die mich noch am meisten überzeugte.

Eine wegen ihres Verstandes und gottseligen Wan-dels sehr schätzbare und mir wohl bekannte Dame war seit einigen Jahren mit häufigem Kopfweh, hef-tigen Lendenschmerzen, außerordentlichen Hitzen und öftern Anfällen von Melancholie gequält, so daß sie beim Alleinsein immer weine. Diese Dame ward gerade zu der Zeit mit dem Grafen ihrem Gemahl von dem Hofmarschall zum Mittagsmahl mit Herrn Gaß-ner eingeladen. Sie befand sich dazumal sehrwohl und hatte schon einige Zeit nichts von ihren Anfällen ge-spürt. Nach dem Essen zog sie sich mit ihrem Gemahl und Herrn Gaßner in ein nächstgelegenes Zimmer zu-rück. Nachdem Gaßner sich um ihre Umstände er-kundigt hatte, ließ er sogleich nacheinander alle die Übel kommen bis zur Melancholie, worauf das Wei-

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nen erfolgte. Nun ließ er alles verschwinden und lehrte sie, es selbst zu vertreiben. Solches habe ich aus dem Munde des Grafen und der Gräfin.»

In der Zeit der Hypnose und der Suggestion hat weder Braid noch Coué noch sonst jemand überzeu-gendere Resultate in dieser Art erzielt.

Zugunsten der Gaßnerschen Heilpraxis ist zu be-merken, daß Gaßner öffentlich und im Beisein von Ärzten beider christlichen Konfessionen behandelte. Über die meisten seiner exorzistischen Kuren sind öffentliche Protokolle aufgenommen worden und es steht fest, daß neben Gaßners Behandlung keine andere ärztliche Betreuung stattfand. Gaßner verwendete außer seinem Exorzismus nur Weihwasser, geweihte Kräuter und Oele zur äußeren Anwendung.

Abbé Bourgeois Bericht erwähnt weiter: «Was ich die zwei andern Tage Merkwürdiges sah,

waren besonders die erschrecklichen Gichter einer Fräulein von 50 Jahren, welche schon 9 Tage in Er-wartung ihrer Gesundheit mit 8 Pferden sich in Ell-wangen aufhielt. Nach gegebenem ersten Befehl des Herrn Gaßner wandte sie sich unversehens auf den Knien gegen die Zuschauerum, murmelte ganz schnell einige Worte durcheinander, steifte die Arme, ver-drehte die Augen mit einem so häßlichen grimmigen Gesicht, daß die Frau Gräfin von Rechberg, welcher

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ich an der Seite saß, das Gesicht abwenden mußte. Noch ärger war es, als er ihr zu schreien befahl, das war ein gräuliches Mordgeschrei; nach diesem fing sie an zu singen und spielte mit den Händen; darauf ließ er sie singend etlichemal in dem Saal herumgehen, wobei sie die Füße dermaßen verdrehte, daß die Fer-sen an der Stelle des Vorfußes standen. Was mir am merkwürdigsten schien, war der Befehl, daß die Gich-ter in die auf den Tisch gelegten Hände fahren sollten, zuerst in die ganze Hand, dann in alle Finger, dann bald in diesen, bald in jenen Finger mit Krümmung und Steifigkeit, welche ich durch Berührung unter-suchte.

Ebenso machte Gaßner während unseres Aufent-halts eine Bäuerin, ein Untertans-Weib des Grafen von Rechberg gesund. Dieses Weib hatte von langer Zeit her den Aberwitz, sich häufig den Kopf zu ent-blößen, die Haare auszureißen und das Angesicht zu zerschlagen. Dies alles kam auch in Ellwangen zum Vorschein, aber von dieser Zeit an befindet sie sich wohl, ohne mehr solche Zerrüttungen zu empfinden.»

Wer Gaßner mit seinen Kranken operieren sah, be-zweifelte seine erstaunlichen Erfolge nicht mehr. Gaß-ner gab seine Befehle ausschließlich in lateinischer Sprache, während unter seinen Patienten sich mehr-heitlich solche befanden, die kein Wort lateinisch ver-

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standen. Trotzdem ist es nach den Protokollen vor-gekommen, daß ihm Personen, die nie eine Latein-stunde hatten, lateinisch antworteten. Gaßner hat Men-schen oft in einer Sitzung von allen nur denkbaren Übeln befreit, wobei er eine Macht über seine Patien-ten ausübte, die geradezu unheimlich war.

Es ist deshalb auch nicht weiter erstaunlich, daß diese Gaßnerschen Kuren weit herum ungeheures Aufsehen erregten und daß sich Ärzte, Professoren und Behörden auf den Weg machten, um Gaßners Kuren zu beobachten. Auf diese Weise kam das Ell-wanger Protokoll zustande, das die unglaublichen Er-eignisse bestätigt und vom Fürsten von Hohenlohe-Waldenburg, von Herzog Ludwig Eugen von Würt-temberg, dem Bischof Josef Ludwig von Freisingen, von zweiunddreißig Grafen und Freiherren und fünf-zehn Ärzten unterzeichnet ist.

Gaßner begab sich 1775 von Ellwangen nach Re-gensburg, wo er seine Exorzismen unter der Aufsicht einer bischöflichen Kommission, die aus dem Konsi-storialdirektor Dillner, dem geistlichen Rat Brugger und zwei Ärzten, Zollner und Winkler, bestand, aus-führte. Unter den Augen dieser Kommission führte er 375 protokollierte Kuren durch, in denen er die unglaublichsten Dinge fertigbrachte. Als man in Ingol-stadt davon hörte, entsandte die Universität Ingol-

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Stadt eine eigene Kommission nach Regensburg, die den Gaßnerschen Kuren beiwohnen sollte. Sie be-stand aus den Professoren Sattler (Theologie), Prug-ger (Rechte), Gabler (Philosophie) und Levelin (Me-dizin). Die Kommission ließ sich von der Wirklich-keit der Gaßnerschen Erscheinungen überzeugen und stellte ihm darauf ein ehrenvolles Zeugnis aus1.

Auch über die von Gaßner 1775 zu Sulzbach an dem Hofe und in Gegenwart der Pfalzgräfin und anderer hochgestellter Persönlichkeiten durchgeführten Exor-zismen wurde ein genaues Protokoll aufgenommen, das 205 Kuren umfaßt.

Konnte man Gaßners Erfolge nicht bestreiten, so erregte das Dogma seiner Methode bei seinen Geg-nern umso heftigem Widerspruch. Man konnte sich die Vorgänge nicht erklären und griff ihn deshalb von dieser Seite an. Den beiden christlichen Kirchen war im Zeitalter der Aufklärung Gaßners Meisterschaft «über den Teufel» unangenehm und es entspann sich darüber ein zunehmend heftiger Streit, dessen haupt-sächlichste Bekämpfer Gaßners von protestantischer Seite Prof. Johann Salomo Semler, von katholischer Seite der bekannte Münchner Theatiner und Akade-miker Don FerdinandSterzinger (1721-1787) wurden.

1 Abgedruckt im Archiv f. d. Thierischen Magnetismus Bd. VIII, S. 119-125.

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In diesem Streit, der um die Niederringung eines außergewöhnlichen Menschen und dessen unzeitge-mäßer Idee entbrannte, war es der Zürcher Pfarrer Jo-hann Caspar Lavater, der für den Angegriffenen Worte der Aufmunterung und der Achtung fand und seinen Feinden entgegenrief: «Ich möchte wissen, ob Johann Joseph Gaßner in dem Namen Jesu Christi unheilbare Krankheiten vollkommen heile? Untersucht möchte ich wissen die historische Wahrheit so vieler vor mir liegender vollkommen übereinstimmender Aussagen.

Daß besagter Gaßner in Gegenwart vieler Personen durch Auflegen der Hände und Beschwörung im Na-men Jesu der Natur des menschlichen Cörpers despo-tisch gebiete und die Krankheiten auf der Stelle kom-men und gehen heiße ?

Nicht zur Rechten, Nicht zur Linken! auf diesem Pfade geblieben! Möcht' ich dem Untersucher unauf-hörlich zurufen. Tatsache! Tatsache untersucht! Nicht Meinung! Dogma! Nicht Folgen abgewogen! Nur untersucht.1»

In seinem zweiten Brief an Semler vom 19. Mai ruft Lavater aus: «Ist aber Gaßner kein Betrüger, so ist er

1 Johann Salomo Semler, Sammlungen von Briefen und Auf-sätzen über die Gaßnerischen und Schröpferischen Geisterbeschwö-rungen. Halle 1776. S. 6 und 130. (Briefe Lavaters an Semicr vom 26.März 1775 und vom 19.Mai 1775.)

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- er ist ein Priester, der einfältig glaubt! Sein Glaube würkt, so weit er reicht.1»

Gaßner war ein Zufrühgekommener und zu ein-fältig, sich wissenschaftlichen Erklärungen hinzuge-ben. Die Zeit war dafür auch noch zu früh und konnte die Vorgänge seiner Kuren nicht verstehen. Jene Jahre der Aufklärung widerhallten von den zündenden Re-den und Schriften gegen den Hexenaberglauben und gegen all seine verheerenden Auswirkungen, und Gaß-ners Kuren erinnerten viele Leute eben gerade an diese Teufels-Spukwerke. Dies aber war der Hauptanlaß, warum der streitbare Sterzinger, der ehrlich genug war, die Heilungen Gaßners als solche nicht in Frage stellen, mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln gegen Gaßner vorging und schließlich beim Bi-schof von Regensburg wegen Mißbrauch des Namens Jesu ein Verbot der Exorzismen durchsetzte.

Um dieselbe Zeit war Mesmer, den Kurfürst Max Josef zur Abgabe eines Gutachtens über Gaßner zu sich berufen hatte, in München. Mesmer war überzeugt davon, daß Gaßner ein Übermaß an Magnetismus in sich vereinigt habe. Er führte nun in Gegenwart des Kurfürsten einige Versuche des tierischen Magnetis-mus mit glücklichem Erfolg und vergleichbaren Er-gebnissen vor, mit denen er zeigte, daß sich auch auf

1 Siehe Anmerkung Seite 90.

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natürlichem Wege Erscheinungen hervorbringen lie-ßen, die dem Fürsten als Beweis dafür dienten, «daß derlei Experimente weder immer Betrug, noch daß sie übernatürliche Wunder, sondern der Natur, bei ge-wissen Krankheitszuständen, zuzuschreiben seyen.1»

Dies nahm der Fürst zum Anlaß, in Bayern den Exor-zismus zu verbieten und die Exorzisten des Landes zu verweisen. Auch die Erzbischöfe von Salzburg und Prag erließen Hirtenbriefe gegen Gaßner. Kaiser Jo-sef II. dehnte das Verbot der Teufelsaustreibungen auf das ganze Gebiet des römischen Reiches deutscher Nation aus und Papst Pius VI. setzte Gaßners Schrif-ten auf den Index.

Gaßner zog sich enttäuscht von dieser Welt zurück, der er durch seine Kuren, die er stets unentgeltlich zum Nutzen der Gläubigen praktiziert hatte, Gutes getan zu haben glaubte und die ihn dafür wie seinen großen Heiland aufgeopfert hatte.

Er lebte von da an still zurückgezogen in der Ge-gend von Regensburg und blieb einfältigen Herzens im unerschütterlichen Glauben an Gott bis zu seinem baldigen Tode im Jahre 1779.

1 Wolfart, Erläuterungen zum Mesmerismus. Berlin 1815.

1782 wurde in Glarus die letzte «Hexe» Europas, Anna Göldi enthauptet. Man lese im Zusammenhang mit diesem Buch die Be-schreibung in Caspar Freulers Roman, Anna Göldi.

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II. Franz Anton MesmerEntdeckung, Ausbreitung und Schicksal des Magne-

tismus während der Zeit seines Lebens

Den Arzt hat Gott geschaffen, nicht der Mensch. Darum handle er aus guten Treuen und ohne Falsch. Dem, der die Gnade hat, vermag er zu helfen. Paracelsus1

i. Herkunft, Jugend, Studium und Doktorat (1734-1766)

Am 23. Mai 1734 wurde den Eltern Anton und Ma-ria Ursula Mesmer-Michel im Jägerhaus von Iznang bei Radolfzell als drittes Kind Fran\ Anton geboren. In dem elterlichen Hause, der Vater war Förster und Jäger im Dienste des Bischofs von Konstanz, wuchs der Knabe gesund und in innigster Naturverbunden-heit heran.

2«Seine Kinder- und Knabenjahre brachte Mesmer in dieser herrlichen Gegend des Bodensees, ganz sich selbst überlassen, zu, in Wäldern und Feldern, an den

1 Ausg. Sudhoff-Matthießen I/9, S. 193 2 Justinus Kerner, Franz Anton Mesmer aus Schwaben, Entdecker

des thierischen Magnetismus. Erinnerungen an denselben. Frankfurt 1856. S. 14/15

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Ufern des Rheins und des Bodensees, wo sein Vater ein in den Diensten des Bischofs von Constanz ste-hender Jäger war. Es zeigte sich bei ihm hauptsäch-lich eine besondere Neigung zu den Wassern, zu den lebendigen Quellen und Bächen, denen er immer nachging und ihren Ursprung und Lauf untersuchte.

Bei dem letzteren Besuche Professor Wolfarts bei ihm, sprach er sich über diese, seine Jugendneigung aus und erzählte ihm, daß in seinem achten Jahre, wo er in die Schule zu gehen genöthigt gewesen sei, und ihn sein Weg an den Ufern des Rheins hingeführt, ihn seine Neigung, den in denselben sich ergießenden Bächen nachzugehen, oft die Schule habe versäumen lassen. So habe er auch an allen Orten, wo Wasser ge-flossen, gerne Muscheln und Steine gesucht, und Wind, Gewitter, Regen, Hagel und Schnee hätten schon als Knabe sein Nachdenken gefesselt und er sei, ihnen nachzuforschen, oft in sie hinausgelaufen.

Durch dieses Herumtreiben und Leben in freier Natur scheint ihm schon als Kind und Knabe eine Naturkraft zugeflossen zu sein, die nicht in der Stube erzogenen Menschen, aber gerne solchen zufließt, die in vielseitigem Umgange und Streite mit der Natur sind, zum Beispiel Schiffern, Jägern, Hirten, Berg-leuten, Landbebauern usw. Bei solchen findet man am meisten die Entwickelung eines besonderen Sinnes und

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einer besonderen Kraft, die sich in Mesmer auch in seinem späteren Leben immer mehr entwickelte und die er im sogenannten Magnetismus auch zuerst er-kannte, als Heilmittel erprobte und anrühmte, eine Kraft, die nicht jedem und besonders nicht dem glä-sernen Verstände und den Stubengelehrten innewohnt.

Daß ihm eine solche Kraft selbst inne wohne, be-merkte Mesmer später besonders dadurch, daß, wenn er bei einem Aderlasse zugegen war, das aus der Ader laufende Blut sich, wenn er sich näherte oder entfernte, auf eine merkliche Weise veränderte. Durch Proben, die er darüber anstellte, fand er dieß immer bestätigt. Ja, ich hörte selbst noch in Meersburg von einem alten Manne, der Umgang mit ihm hatte, daß wenn Mesmer mit der flachen Hand auch nur unvermutet über das Gesicht einer Person, selbst in einiger Ent-fernung herunterfuhr, dieselbe besondere Empfin-dungen davon erhielt.»

Vom achten Jahre an besuchte Franz Anton die Dorfschule von Weiler, wo er von Pfarrer Milegg den ersten Unterricht erhielt. Dieser schickte ihn für «Mu-sik und Latein» in ein nahes Kloster (Grünenberg). Vom zwölften bis zum sechzehnten Jahr wurde dem vielversprechenden, aufgeweckten und offensichtlich mit viel Talent begabten Knaben die ehrenvolle Aus-zeichnung zuteil, am Jesuitenkolleg in Konstanz als

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Schüler aufgenommen zu werden, wo er seine Bega-bung fördern und sich einen hinreichenden Bildungs-grad erwerben konnte, der ihm am 3.November 1754 den Übertritt an die bayrische Landesuniversität In-golstadt ermöglichte. Er ließ sich dort anfänglich als Studierender der Theologie einschreiben, hat aber nie über dieses Studium Prüfungen abgelegt. Auch scheint Mesmer während einiger Zeit in Dillingen studiert zu haben, doch sind keine Einzelheiten hierüber bekannt. Überhaupt wissen wir nur wenig Genaues aus seinen Studienzeiten. Aber hier kam er wohl zum ersten Mal zum tiefen Erlebnis und zur Bildung seiner späteren na-turwissenschaftlichen Anschauungen. Seine Seele war den Geistesrichtungen und Naturerkenntnissen sei-ner Zeit weit aufgeschlossen und mit großem Wissens-durst ließ er sie in sich einziehen. Er mag hier außer in der damals besonders heftig diskutierten Aufklä-rungsphilosophie von Christian Wolf (1679-1754) be-sonders in Cartesius (1596—1650) und in Leibniz (1646—1716) die gewünschte Nahrung gefunden ha-ben. Daß ihn vor allem die Korpuskulartheorie von Cartesius außerordentlich beeindruckt und gefesselt und zu eigenem Nachdenken angeregt hat, zeigt die Anwendung ähnlicher Vorstellungen über die Wir-belströmungen des das ganze Universum erfüllenden Weltäthers in seinem ganzen späteren Schrifttum.

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Neben diesen neuen Erkenntnissen scheint ihn, den geborenen Naturbeobachter, die Theologie nicht mehr ganz befriedigt zu haben. Nach dem Wunsch seiner Eltern und dem der bischöflichen Obrigkeit, die am Studium des talentierten jungen Mesmer Interesse ge-funden hatte und ihn deshalb fördern ließ, wäre er für den geistlichen Stand bestimmt gewesen. Er gab aber alle Vorteile, die für ihn damit verbunden ge-wesen waren, auf und wandte sich ganz dem philoso-phischen und naturwissenschaftlichen Studium zu. In Ingolstadt promovierte Mesmer zum Doktor der Phi-losophie. Da er durch seine Abwendung vom theolo-gischen Studium seine damit verbunden gewesenen Einkünfte verloren hatte, war er ganz auf sich selbst angewiesen und mußte seinen Lebensunterhalt wäh-rend des Studiums durch Unterrichtgeben in Mathe-matik und Physik selbst verdienen. Weitere Einzel-heiten aus diesen Studien- und Abschlußjahren, die für die Entwicklung Mesmers richtungsanzeigend ge-wesen wären, kennen wir leider nicht. Selbst die ge-wöhnlichen Begebenheiten aus diesen Jahren werden nur der Wahrscheinlichkeit nach erzählt. Doch sind gerade hier während seinen Ingolstädter und Dil-linger naturwissenschaftlich-mathematischen und phi-losophischen Studien die entscheidenden Erkennt-nisse, Erweckungen und Entschlüsse zu suchen, die

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Mesmer auf den schicksalhaften, richtigen Weg zum Arzt hinführen sollten.

Im Jahre 1759 begegnen wir Mesmer erstmals in Wien. Er war als Hörer der Rechte an der Universität eingeschrieben; aber schon nach einem Jahr wandte er sich endgültig dem Studium der medizinischen Wis-senschaft zu. Sein naturphilosophisches Interesse hatte sich ganz dem Menschen zugekehrt. Die alte Kaiser-stadt bot ihm mit ihrer damals berühmtesten deut-schen Hochschule die verheißungsvollsten Ausbil-dungsmöglichkeiten. Er konnte dort die gefeiertsten Ärzte seiner Zeit, so den Holländer Gerard van Swieten (1700-1772), den Leibarzt der Kaiserin Maria There-sia, ferner den bedeutenden Kliniker Anton de Haen und den berühmten Landsmann Mesmers, Anton von Stoerk, mit dem er bald in persönliche, freundschaft-liche Beziehung trat, kennenlernen.

Obwohl auch über die Studienzeit in Wien we-nig Einzelheiten bekannt geworden sind, scheint es ihm hier gut gegangen zu sein. Er konnte sich frei und unter günstigsten Voraussetzungen ent-wickeln.

Am 20.November 1765 legte Mesmer mit Erfolg sein Examen als Doktor der Medizin ab, am 27. Mai 1766 hielt er seine öffentliche Disputation über seine Dissertation «De Planetarum influxu» (über den Ein-

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Portrait des älteren Mesmer nach dem Stich eines unbekannten

Künstlers

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fluß der Planeten), am 19. September 1767 wurde ihm Sitz und Stimme in der Fakultät erteilt.

In seiner Dissertation wollte er den Nachweis er-bringen, daß die Gestirne, insbesondere Sonne und Mond, unseren Körper ebenso beeinflussen wie die Erde. Unter Berufung auf Newton, Kepler, Flams-teed und Plinius legt er die Grundsätze der allgemei-nen Anziehung, der Schwerkraft und die Ursachen von Ebbe und Flut dar und bezeichnet Sonne, Mond und Erde als große Magnete. Auch im Lebewesen sei ein Stück Erde, und wenn es doch richtig sei, daß der Mond die Ursache von Ebbe und Flut sei und durch seinen Einfluß Wind, Wärme, Kälte, Wolken, Stürme und Nebel entstehen können, weshalb sollte er nicht auch den Menschen bis zu einem gewissen Grad be-herrschen?

«Es gibt ferner noch eine andere Art von Einwir-kung auf den tierischen Körper, die nicht von den er-wähnten atmosphärischen Zuständen abzuhängen scheint, sondern vielmehr von jener Kraft, die, durch die weiten Himmelsräume sich ergießend, in die in-nersten Teile jedweder Materie eindringt, die unge-heure Sphären in ihren Bahnen festhält, von der rich-tigen Bahn in verschiedener Lage abzieht und in Un-ordnung bringt, welche die allgemeine Ursache der Schwere ist und die mit großer Wahrscheinlichkeit

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die Grundlage aller körperlichen Eigentümlichkeiten bildet. Denn sie spannt und lockert auch wieder und stört so in den kleinsten Teilen des Flüssigen und Festen in unserem Organismus die Kohäsion, Elastizi-tät, Irritabilität, Elektrizität und den Magnetismus; und unter diesem Gesichtspunkt könnte man sie mit Recht die «tierische Schwere» nennen.

Wer weiß nicht, daß die bedeutendsten Affektionen unseres Körpers durch solche Substanzen zustande kommen, die wir wegen ihrer Feinheit fast Bedenken tragen, zur Klasse der Körper zu rechnen? Die Ein-wirkung geschieht durch einen Lichtstoff, dessen Ver-mögen den tierischen Körper zu verändern, bekannt ist. Nur ein kleiner Teil des gesamten Nervensystems ist im tierischen Organismus so gebaut, daß er die Eindrücke von jenem Lichtstoffe aufnehmen kann; doch dieser genügt, um ihn ganz in Bewegung zu setzen, um auffällige körperliche und geistige Ver-änderungen hervorzurufen. Bekannt ist jene Modifi-kation der Luft, die nur den Nerven angepaßt ist, welche im Gehörorgane gereiht sind, und dabei doch das ganze Lebewesen erregen. Über die riechenden und schmeckenden Stoffe ließe sich dasselbe sagen. Wenn wir annehmen, daß es eine Kraft gibt, welche, in alle Teile des Körpers eindringend, das ganze Ge-füge der Nerven, das Sensorium, selbst die Nerven-

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flüssigkeit unmittelbar angreift, wer wird sich da wundern, wenn alle von dieser Kraft ausgehenden Alterationen den ganzen Bau erschüttern?

Erwägt man dies, so wird es keineswegs paradox erscheinen, wenn wir die Behauptung aufstellen, daß auch im menschlichen Körper die Flut eintrete, so-bald durch dieselben Kräfte, durch welche das Meer und die Atmosphäre anschwillt, auch unsere Säfte in ihren Gefäßen in verschiedene Bewegung und in Aufruhr geraten, zu steigen beginnen und in grö-ßerer Menge in der Richtung gegen den Kopf ge-trieben werden. Bei den Pflanzen ist ein Aufsteigen der Säfte zur Zeit des Vollmondes zu bemerken, usw.1»

Es folgen Schilderungen von bezeichnenden Krank-heitsfällen unter Berufung auf die Autoren. Was Sonne und Mond in ihrem Einfluß auf den menschlichen Körper zu tun vermögen, das könnten in analoger Weise auch die übrigen Planeten tun. Er fordert des-halb den Arzt auf, diesen Einflüssen Beachtung zu schenken und der Erforschung dieser kosmischen Ein-wirkungen sorgfältiges Interesse zuzuwenden.

Im Doktordiplom, das sich jetzt im Kernerhaus in Weinsberg befindet, ist zu lesen: «Da der hochge-

1 Dr. Schürrer-Waldhcim scn., Anton Mesmer, Wien 1950. Da-selbst eine vollständige deutsche Übersetzung der Dissertation.

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lehrte Anton Mesmer aus Meersburg, in Schwaben, der Philosophie Doktor, nachdem er viele Jahre lang dem Studium der Medicin obgelegen und schon schriftliche Probe seiner Gelehrsamkeit abgelegt hatte, die Bitte an uns stellte, ihm den Doktorgrad in der Medicin zu ertheilen; so entsprechen wir dieser so ge-rechten Bitte desselben. Wir prüften ihn auf dem ge-samten Gebiete der Medicin, hörten die Vertheidi-gung seiner Thesen: ,Über den Einfluß der Planeten auf den menschlichen Körper' an, und da er in jeder Hinsicht ausgezeichnete Gelehrsamkeit und Kennt-nisse der Arzneikunde zeigte, so ertheilen wir ihm gerne die Ehre, welche er durch seine ausgedehnten Kenntnisse verdient. Deßhalb ernennen wir hiemit kraft der, uns von Ihrer apostolischen Majestät, der K. K. Maria Theresia verliehenen Machtvollkommen-heit, den besagten Franz Anton Mesmer, heute den 3i.Mai 1766 zum Doktor der Medicin und verleihen ihm feierlich die Erlaubnis, den Lehrstuhl der Medicin zu besteigen, ärztliche Responsen und Consultationen zu ertheilen und die Medicin in ihrem ganzen Um-fange praktisch auszuüben.»

Im Namen der «alten, hochberühmten Universität Wien» unterschrieben: Dominicus Berelino, Rektor; Franz Anton Maier, Kanzler; Gerard van Swieten, Präses der medicin. Fakultät; Anton Stork, Dekan

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der med. Fakultät, Heinrich Johann Kranz, promo-virender Professor und Joseph Heeg, Notar der me-dicinischen Fakultät.1

2. Die Wiener Praxis. Mesmer privat. Die Entdeckungder Magnetkuren und des animalischen Magnetismus

Damit konnte Mesmer seine ärztliche Laufbahn be-ginnen. Am io. Januar 1768 verheiratete er sich im Wiener Stefansdom mit der «hoch: Edlgebohrnen Frau Maria Anna von Posch» der Witwe des im April 1767 verstorbenen k.k. Proviantamtobristleutnant Konrad V.Posch. Mesmers Gattin war die Tochter des begüterten k. k. Feldapothekers Georg Friedrich von Eulenschenk, der in der damaligen Rauchfang-kehrergasse des Wiener Außenbezirkes Landstraße das schöne Haus Nr. 261 mit einem weiten, prächtig ausgestatteten Garten besaß. In diesem Hause rich-tete sich Mesmer mit seiner zehn Jahre älteren Frau wohnlich ein und eröffnete daselbst seine ärztliche Praxis.

Bald wurde diese Stätte zu einem großen Anzie-hungspunkt, nicht nur für die Kranken, die ärztliche Hilfe suchten, sondern auch für viele, die Wissen-

1 Kerner, Franz Anton Mesmer, Frankfurt 1856. S. 11-12

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schaft und Kunst verehrten. Mesmer befaßte sich hier ebenso ernsthaft mit seiner ärztlichen Kunst wie mit den ihn interessierenden Gebieten der Geologie, Phy-sik, Chemie, Mathematik. Daneben liebte er leiden-schaftlich die Musik und spielte mit Talent das Cello und das Klavier. In seinem jungen Neffen Joseph, dem Sohn des Normalschulinspektors Mesmer, besaß er einen musikalisch außerordentlich begabten Partner, mit dem er viel zusammenspielte. Und bald dehnte sich der Kreis derer aus, die hier kunst- und wissen-schaftbeflissen ein und aus gingen, da Mesmer sein gastfreundliches Haus allem Schönen weit offen hielt.

Als die Schwestern Davies aus England die Glas-harmonika brachten und damit vor der Kaiserin Kon-zerte gaben, ließ sich Mesmer für 50 Dukaten ein eigenes Glasinstrument bauen, auf dem er gerne übte und bald im Spiel eine große Fertigkeit erlangte. Die Glasharmonika war ein Instrument, bei dem durch Pedale Glasglocken in Drehung versetzt wurden. Strich man nun mit angefeuchteten Fingern über die sich drehenden Glocken, die durch die Menge des sich in ihnen befindlichen Wassers auf die richtigen Tonhöhen abgestimmt waren, so entstanden die eigen-artig schmelzenden Töne, die das Instrument aus-zeichneten. Diese unvergleichlich sanfte Musik begann Mesmer über alles zu lieben. Er trennte sich nie mehr

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von seiner Glasharmonika, die ihn bis an sein Lebens-ende begleitete.

Besonders reizende und interessante Begebenheiten aus jenen schönen, ungetrübten Tagen bildete die Freundschaft zur Familie Mozart. Manche Briefe Vater Mozarts an seine Frau legen dafür Zeugnis ab1. Der junge Wolfgang Amadäus (175 6-1791) war mit seinem Vater oft ein Gast des Hauses und man kann sich leicht vorstellen, wie da musiziert wurde. Das junge Genie lehrte so auch die Glasharmonika kennen und spielte oft mit Entzücken darauf. Aus einem Brief Vater Mozarts ist ersichtlich, wie gerne er für seinen Sohn ein solches Instrument besessen hätte. In seinem Todesjahr schrieb Mozart, als er die blinde Kirch-geßner die Glasharmonika meisterhaft spielen hörte, eigens für sie sein Quintett für Harmonika2.

Zwölfjährig hatte Wolfgang Amadäus Mozart für Mesmer das heitere Singspiel «Bastien und Bastienne» geschrieben. Es wurde im September 1768 in seinem schönen Garten, das ein Naturtheater, schöne Bäume, antike Statuen und ein Marmorbassin besaß, uraufge-führt.

1 Schiedermair, Die Briefe Leopold Mozarts. 1914. Jahn, Biogra-phie Mozarts. Zusammenstellung bei Schürrer, Mesmer, Wien 1930.

1 Quintett in c-moll, Köchelverzeichnis 617, komp. 23. Mai 1791 in Wien, für die erblindete Marianne Kirchgeßner, f in Schaffhausen 1809.

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So verliefen jene Tage Mesmers angeregt und heiter, eingeteilt zwischen Wissenschaft und Kunst, zwischen beruflicher Arbeit und schöngeistiger Betätigung in harmonischer Fülle. Er war in seinem Kreise beliebt und wirkte durch sein aufgeschlossenes, liebenswür-diges Wesen ebenso anziehend und vertrauenserwek-kend auf seine Patienten wie auf seine Freunde, Kol-legen und Gäste. Mesmer wird von großer Gestalt ge-schildert, sich in mittleren Jahren in mäßig üppigen Formen entwickelnd, aufrechtem Gang, vollem Ge-sicht mit breiter Stirn und rehbraunen, faszinierenden Augen.

Am Tagewerk des Arztes, Forschers und Künst-lers nahm die Gattin nicht eben viel Anteil. Sie hatte andere Interessen, denen sie sich hingab, lebte nach dem Zeugnis der Bekannten des Hauses verschwen-derisch und verbrauchte in wenigen Jahren den größ-ten Teil ihrer beträchtlichen Erbschaft. Es hat eine Zeit gegeben, wo sich das bekannte gastliche Haus aufs Äußerste einzuschränken gezwungen sah. Durch den Tod ihrer Mutter kam aber Frau von Mesmer bald wieder zu so bedeutenden Nutznießungen, daß das gewohnte Leben seinen Fortgang nehmen konnte. Mesmers Ehe war nicht glücklich.

1767 trat Mesmer in freundschaftliche Beziehungen zum gelehrten k.k. Hofastronomen Pater Hell (1720—

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1792). Dieser war durch seine Schriften über Mathe-matik, Physik und Astronomie über die Grenzen Oesterreichs hinaus bekannt. Beide hatten an For-schungsgegenständen viel gemeinsam, hatten also ge-wisse gemeinsame Interessen. Hatte seinerseits Mes-mer schon erfolglos versucht, mit der erst entdeckten elektrischen Kraft Nervenkrankheiten zu beeinflussen, experimentierte Maximilian Hell eben mit den ge-heimnisvollen Erscheinungen des Magnetismus. Hell ließ seit Jahren nach seinen Angaben künstliche Ma-gnete herstellen, die in keiner Weise den vorhandenen französischen und englischen nachstehen sollten. 1774 bat ihn nun eine Hofdame um einen seiner Magnete für eine an furchtbaren Magenkrämpfen leidende eng-lische Baronin. In England war es bereits bekannt, daß mit starken Magneten Magenschmerzen geheilt werden konnten. Und siehe! Auch Pater Heils Ma-gnetstab half. Diese glückliche und geschwinde Hei-lung veranlaßte nun Hell1, bei einem gewissen Fräu-lein, das schon seit zwei Jahren in Mesmers Behand-lung stand und an erstaunlichen Krämpfen am ganzen Leibe litt und für unheilbar gehalten wurde, den Ver-such mit den künstlichen Stahlmagneten zu wieder-

1 Unpartheyischer Bericht v. 4.1. 1775 von Hell in der Sammlung der neuesten gedruckten und geschriebenen Nachrichten von Ma-gnet-Curen, vorzügl. der Mesmerischen. Leipzig 1778.

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holen. Er gab daher Mesmer zwei Stab- und einen herz-förmigen Magnet und informierte ihn über die un-erwartet günstige Genesung der Baronin v. S. Mesmer machte damit seine Versuche und berichtete zwei Tage später seinem Freund «Wunderdinge» von verschie-denen Empfindungen und Wirkungen, die die Ma-gnete in dem Nervensystem der Kranken geäußert hatten. Hell war nicht so leicht zu überzeugen und wollte Augenzeuge davon sein. Das für unheilbar ge-haltene Fräulein war nach drei Wochen von ihrer schweren Krankheit völlig hergestellt und gab die erste Gelegenheit zur Beobachtung der «erstaunlichen Wirkungen der magnetischen Kraft in verschiedenen anderen Nervenkrankheiten, welche nachmals Herr Mesmer und andere allhier berühmte Mediciner ich auch selbsten erfahren habe».

Die Nachricht von diesen neuartigen, erfolgreichen magnetischen Kuren verbreitete sich rasch in Wien und auch im Ausland. Auf die kurzen und namentlich für den Arzt ungenauen Zeitungsberichte erfolgten Rückfragen, die Mesmer in seinem «Schreiben an einen auswärtigen Arzt1, die irrigen Nachrichten auf den ächten Grad der Wahrheit zubringen», veröffentlichen

1 Schreiben über die Magnetkur an einen auswärtigen Arzt (Dr. Unzer). Von Herrn A. Mesmer, Doktor der Arzneygelahrtheit. Wien 5. Jänner 1775.

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ließ. Sich der Bedeutung der gemachten Erfahrungen bewußt, schließt er mit dem prophezeienden Satz: «Ich behalte mir vor, diese und meine weiteren Ver-suche und Entdeckungen in einer umständlicheren Ausführung meiner Theorie und bereits festgesetzten Regeln der Welt mitzutheilen.»

Pater Hell seinerseits setzte sich gegen deutsche Zeitungsmeldungen, in denen er im Beisein Mesmers Kranke geheilt haben sollte in seinem «Unparteyischen Bericht der in Wien gemachten Entdeckungen der sonderbaren Wirkungen der künstlichen Stahlmagne-ten in verschiedenen Nervenkrankheiten vom 4. Jän-ner 1775»1 zur Wehr: «Daher die Zeitungen das Pu-blicum sehr falsch berichtet, daß ich selbsten dieCuren machte, wahr ist es, daß Herr Mesmer mit mir viel über alle seine Erfahrungen berathschlaget..., alle, die von mir Hülfe suchen, weise ich an die Herren Medicos, und besonders empfehle ich Herrn D. Mes-mer, als er die ersten Curen mit einem besonderen Be-obachtungsgeiste, der in dieser neuen Cur sehr nötig ist, gemacht hat und annoch machet mit anscheinen-dem glücklichen Erfolg.» Der Bericht ist immerhin so gehalten, daß daraus deutlich ersichtlich werden soll, daß er, Pater Hell, der Entdecker dieses Heil-

1 Sammlung der neuesten gedruckten und geschriebenen Nach-richten von Magnet-Curen, vorzügl. d. Mesmerischen. Leipzig 1778.

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magnetismus sei. Als Hell kurz darauf das Schreiben Mesmers über die Magnetkur an einen auswärtigen Arzt zu Gesicht bekam, war er über das Fehlen eines Hinweises auf seine Urheberschaft recht ungehalten und antwortete darauf schon am 12. Januar 1775 in einem publizierten «Schreiben über die allhierinWien entdeckte Magnetcur1», worin er auf die Umstände hinwies, «an welcher Person die magnetischen Kräfte ihre Wirkungen am ersten geäußert haben, wodurch das erste Licht dieser Entdeckung angezündet wurde». Von den übrigen von Mesmer mitgeteilten Versuchen und Erfahrungen distanziert er sich energisch und verweist einiges ins Reich der Einbildung. Es ent-spinnt sich hier der erste Streit um unberücksichtigte Fehlermöglichkeiten bei der Beobachtung von Ma-gnetisierten. Er schlägt einleuchtend die Einführung von Kontrollmaßnahmen bei den einzelnen Versuchen vor, damit der Arzt keinem Betrugsversuch des rea-gierenden Patienten verfällt. «Herr Doctor Mesmer sagt. . . er lade seine Flaschen mit der magnetischen Materie, die vermuthlich durch die Berührung der Patientinn ihr gewisse Stöße verursacht..., ich hätte vier oder fünf ganz ähnliche Flaschen genommen und hätte selbe in einem von der Patientinn abgesondert

1 Sammlung der neuesten gedruckten und geschriebenen Nach-richten von Magnet-Curen, vorzügl. d. Mesmerischen. Leipzig 1778.

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verschlossenen Zimmer in eine Ordnung auf einen Teller gestellet; von diesen hätte ich die zweyte und vierte nach meiner vermutheten Art mit magnetischer Materie geladen; dann hätte ich alle vier oder fünf Flaschen der Patientinn zum Berühren vorgestellt; sie hätte mir eine nach der andern berühren müssen und sagen, von welcher Flasche sie den Stoß emp-finde; und wenn sie die zwey Flaschen errathen hätte, welche ich magnetisch vermuthete, da hätte ich schlie-ßen können, daß die Patientinn eine wahre und nicht eine eingebildete Empfindung hätte.»

Mesmer war über das Verhalten Heils zu sehr ent-rüstet und beleidigt, als daß er auf diesen richtigen Vorschlag noch einging. Er konnte die «schnelle son-derbare Gesinnungsveränderung» seines Rivalen, mit dem er «schon über acht Jahre genaue Freundschaft gepflogen hatte», nicht verstehen und verdauen. Statt sich vernünftig auszusprechen, richtete er am 19. Januar 1775 ein «zweytes Schreiben an das Publikum», worin er zornvoll erklärte, er habe jetzt nicht die Ab-sicht, jemanden zu überzeugen. Die Zeit werde das schon tun. Mit Streitigkeiten werde er sich nicht wei-ter abgeben, sondern seine «Zeit zu neuen Entdek-kungen, wovon das menschliche Geschlecht einen wichtigen und wesentlichen Nutzen zu hoffen hat, verwenden.»

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Mesmer war immer ein guter und unermüdlicher Beobachter gewesen. Was er beobachtete, wollte er auch verstehen. Dazu hatte er die Neigung, alle Er-gebnisse in einer Theorie allgemein verständlich und anwendbar zu machen. Er war von der Richtigkeit seinerldee so ganz erfüllt und seine fortwährenden Ent-deckungen schienen sie ihm zu bestätigen, daß er beim Bruch der Freundschaft mit Hell, die ihm viel zu schaffen machte, nicht stehen blieb, sondern sich erst recht mit dem neu entdeckten «magnetismum animalem» befaßte. In seinem Hause ließ er mehrere Zimmer als Privatklinik einrichten und fand bald eine genügende Anzahl geeigneter Patienten, an denen er erfolgreich die neuen Einsichten anwenden konnte. Es dauerte auch nicht lange, da wußte er aus vielen Versuchen und Beobachtungen, daß die künstlichen Magnete bei der Behandlung nicht das Wichtigste waren, sondern der Magnetismus im Menschen. Er erkannte, daß er nach Belieben im Patienten «Ebbe und Flut» erzeugen konnte und daß sich die Krisen und die Besserung fast gesetzmäßig leiten ließen. Er stellte auch fest, daß nicht alle Menschen gleich auf den Magnetismus reagierten und daß nicht alle Kranken und Krankheiten die gleichen Heilungsaussichten durch den Magnetismus hatten. Er heilte aber in kur-zer Zeit viele Fälle mit seiner neuentdeckten Therapie,

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die allen bisherigen Methoden in jahrelangen Bemü-hungen und Behandlungen widerstanden hatten und für die es anscheinend keine Heilmittel gab.

Von den auswärtigen Ärzten veröffentlichte als er-ster Dr. Urtier in Altona, dem Mesmer auf Anfrage hin Magnete und Anweisungen gesandt hatte, eine erfolgreich verlaufene magnetische Kur1. Diese Schrift rief im «Hamburger Korrespondenten» zu einer Kritik, die für die publizierte Heilung mehr Be-lege und hinsichtlich der angewendeten Therapie eine bessere und genauere Beschreibung von Mesmers Heilmethode, dafür etwas weniger Theorie verlangte. Mesmer war über diesen Angriff nicht erfreut und antwortete in einem längeren dritten «Schreiben an die Frankfurter vom 1o.Mai 1775 »2: «Die Absicht meines ersten Schreibens war, nur eine summarische Nachricht von dem, was geschehen, nicht wie es ge-schah, zu geben; dieses versprach ich bey einer anderen Gelegenheit zu thun, welches auch nächstens gesche-hen soll.»

«Wie hätte ich ohne Theorie des Strömens, der Empfindung, der Harmonie, des thierischen Magne-

1 Johann Christoff Unzer, Beschreibung eines mit dem künstli-chen Magneten angestellten medicinischen Versuches, Hamburg 1775-

* Drittes Schreiben an die Fr.***, Wien 1775.

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tismi etc. wissen können, daß durch die Wirkung der gehörig angelegten Magneten selbst alle Zufälle wie-dererscheinen müssen, die entweder gegenwärtig oder vorher Zufälle der Krankheit waren; daß selbe als heilsame Wirkungen der Magneten nicht zu fürchten; daß die Empfindlichkeit auf die Magneten sich nur in den kranken Theilen äußere, nach dem Maße der Krankheit zu- und abnehme und mit derselben ganz verschwinde; daß endlich ein vollkommen Gesunder die Wirkung der Magnete unmöglich wahrnehmen könne?

«Ich sage... , daß ohne die Theorie die Magnetkur nicht wohl möglich sey.. .»

«In mehreren ähnlichen Fällen war ich im Stande, durch Verstärkung des thierischen Magnetismi, durch Mittheilung und Concentrierung der magnetischen Kraft in anderen Körpern etc. Unfälle, die sonst gan^e Wochen und noch länger anhielten, in einer halben Stunde heben, und nach zwey bis drey wiederholten Anfällen die Kranke gänzlich herzustellen. Ja ich muß gestehen, daß ich mich dieser Hilfsmittel, welche eigentlich das Wesentliche der Magnetkur ausmachen, bey allen Ku-ren bediene, deren ich forthin mehrere unternehme und mit unglaublicher Geschwindigkeit vollende.»

Um künftighin allen eintretenden Meinungsver-schiedenheiten, allen die neue Entdeckung lächerlich

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machenden Kritiken und herabwürdigenden Streitig-keiten vorzubeugen oder ihnen wenigstens zum vor-aus die Spitze abzubrechen und um der neuen Thera-pie einen gesicherten Boden zu geben, war es nun Mesmer sehr daran gelegen, dem von ihm als Magne-tismum animalem bezeichneten Heilungsverfahren die Anerkennung und den Schutz seitens der höchsten wissenschaftlichen Stellen, der Akademien, zu sichern. Mesmer war davon überzeugt, daß er eine der größ-ten Erfindungen der Heilwissenschaften überhaupt gemacht hatte. Seine Praxis hatte ihm schon so viele Beobachtungen geliefert und zählte schon so viele er-folgreich abgeschlossene Kuren; auch hatte er so viele Versuche für den Beweis seiner ihm richtig erschei-nenden Theorie vorgenommen und zusammenge-stellt und die gesetzmäßigen Regeln notiert, daß er glaubte, damit bald den einstimmigen Beifall und die dankbare Anerkennung von wissenschaftlicher Seite zu finden. Die neue Entdeckung ließ sich ja ohne Schwierigkeiten aus den Gedankengängen seiner Dis-sertation weiterentwickeln. Hatte er mit seiner Ver-fechtung der These vom Einfluß der Planeten auf den menschlichen Körper Erfolg gehabt und war Mitglied der österreichischen Akademie der Wissenschaften ge-worden, so sah er sich in seiner festen Überzeugung für die Leistung der Entdeckung des Magnetismus

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und die richtige wissenschaftliche Deutung derselben bereits von höchster Stelle gefeiert und belohnt. Er sandte deshalb sein erstes Schreiben über die Magnet-kur an alle Akademien der Wissenschaften von Europa.

Es kam jedoch anders als Mesmer sich gewünscht und geträumt hatte. Wenn er auf die freudige und dankbare Zustimmung der Mitglieder der Wiener Akademie gehofft hatte, so mußte er bald einsehen, daß er damit kein Glück hatte. Auch sein berühmter Landsmann Baron von Stoerk bot ihm keinerlei Un-terstützung, sondern verhielt sich äußerst reserviert. Mit bitterer Enttäuschung äußerte sich Mesmer in seinen Memoiren1 : «Ich war der einzige Besitzer einer dem menschlichen Geschlecht unschätzbaren Wahr-heit, war schuldig, sie und ihre Vortheile zuerst mei-nem Vaterlande anzubieten. Die Wienerisch Oester-reichische Facultät der Ärzte, von der ich ein Mit-glied bin, hätte, ihrer wesentlichen Bestimmung ge-mäß, die von mir angekündigte Wahrheit aufs ge-naueste prüfen, ihr Ansehen verschaffen, sie in das gehörige Licht setzen können. Mußt ich mir nicht schmeicheln : daß sie sich bemühen würde, die Rich-tigkeit meiner Behauptungen zu bezeugen, ihren Nut-zen bekannt zu machen? Ich wandte mich in dieser

1 Mesmer, Mémoire sur la découverte du magnétisme animal. Genève 1779. Deutsche Übersetzung Carlsruhe 1781.

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Hoffnung an die Facultät. Allein der Erfolg betrog meine Wünsche und anhaltende Geduld.»

Die einzige Akademie, die ihm überhaupt auf sein Schreiben antwortete, war diejenige von Berlin. Sie ließ ihm durch den Ästhetiker H. J. Sulzer antworten, daß die akademische Gesellschaft nicht geneigt sei, sich in eine nähere Untersuchung und Beurteilung der von Mesmer in zu unbestimmten Erzählungen darge-legten magnetischen Kuren und das Aufsammeln ma-gnetischer Kraft in Flaschen einzulassen1. Als dann aus politischen Gründen sich doch verschiedene Mit-glieder der physikalischen und mathematischen Klasse mit dem Schreiben befaßten, war ihr übereinstimmen-des Urteil:

1. Daß man die behauptete Kurwirkung des Ma-gneten für unsicher halte. Obgleich man nicht leugnen wolle, daß die magnetische Kraft einige Wirkung auf den menschlichen Körper haben könne.

2. Daß es gegen alle bisherigen Erfahrungen streite,daß die magnetische Materie andern Körpern als dem Eisen übertragen werden könne und sich sogar in Fla-schen concentrieren lasse. Es bedürfe zur Behauptung Mesmers ganz anderer als der angeführten Beweise und es müsse auch gezeigt werden, daß magnetisiertes Papier, Wolle, Brot etc. auch wirklich Eisen anziehe.

1 Allgem. deutsche Bibliothek, Band 26/I, Band 28/II.

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3- Daß bei dem vorgeblichen, der Patientin aus einer Entfernung von zehn Schritten beigebrachten magnetischen Schlage allem Ansehen nach ein Trug-schluß vorgegangen sei, indem die bei der kranken Person sich äußernden Schmerzen und heftigen Emp-findungen gar wohl auf andere Ursachen als den ver-meinten magnetischen Schlägen zugeschrieben wer-den können.

4. Daß der Umstand, nach welchem die magnetische Materie auf die Patientin keine Wirkung mehr gehabt habe, nachdem sich die Zufälle der Krankheit gelegt hatten, die ganze Observation verdächtig machen und daß sich daraus schließen lasse, daß die der magneti-schen Kraft zugeschriebenen Empfindungen der Pa-tientin vielmehr Wirkungen der Krankheit selber ge-wesen seien.

5. Daß Herr Dr. Mesmer den Dank aller Naturfor-scher gewiß verdienen würde, wenn er sein Verfahren, alle Körper magnetisch zu machen und die magneti-sche Materie in Flaschen zu laden, dergestalt bekannt machte, daß man Versuche wiederholen könne.»

Zu eigenen Versuchen ließ sich auch die Berliner Akademie nicht herbei. Sie sandte auch niemanden zu Mesmer, um bei ihm die näheren Umstände seiner Be-hauptungen kennen zu lernen. Nachdem auch Mes-mer seinerseits auf das Gutachten nicht antwortete,

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verlief die ganze Angelegenheit wirkungslos im Sande. Hätte Mesmer diese einzig sich zeigende Möglichkeit richtig ergriffen, so wäre vielleicht die ganze Entwick-lung seiner Entdeckung und sein eigenes Leben anders verlaufen. Es hätten sich ungeahnte Perspektiven für die Entfaltung der magnetischen und der psychischen Erkenntnisse eröffnen können. Da Mesmer nicht ant-wortete, unterblieb vorläufig überhaupt jede Mitwir-kung von wissenschaftlicher Seite.

Trotzdem breitete sich rasch die Kunde von Mes-mers magnetischen Wunderkuren aus und bald hörte man nicht nur in Wien, sondern auch in der Schweiz, in Deutschland, Holland und Frankreich viel Merk-würdiges darüber. Überall fanden sich Ärzte und Pu-blikum, die sich dafür interessierten, Magnete von Wien kommen ließen und ebenfalls Mesmerische Ku-ren versuchten. Es entstanden in verschiedenen Län-dern die ersten Veröffentlichungen über die Erfah-rungen mit der magnetischen Heilkur, die bald für, bald gegen einen Erfolg sprachen, je nachdem sich die Ärzte zum Problem der neuen Entdeckung einstellten und glücklich oder ungeschickt damit umgingen.

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Die Reise nach Ungarn und die in Rohow gemachten magnetischen Erfahrungen (Juni1775)

Über die magnetischen Kuren Mesmers auf dem Schlosse des Barons Horeczky de Horka in Rohow besitzen wir glücklicherweise aus der Feder des ge-lehrten Hauslehrers Seyjert eine so ausgezeichnete und sorgfältige Schilderung aller Umstände, daß sie uns wie kein anderes Zeitdokument alles vor Augen führt, was in jenen dreizehn Tagen Interessantes in Mesmers Praxis geschah. Der Leser wird mit Nutzen die unge-kürzte Wiedergabe dieser Ausführungen, die ich fol-gen lassen werde1, durchlesen. Seyfert, der später Pro-fessor in Magdeburg wurde, war nicht Mediziner. Er war gegen den angekommenen Wundermann sehr skeptisch eingestellt und es brauchte gewichtiger Tat-sachen, ehe er sich von der neuen Heilmethode etwas versprechen ließ. In seiner klaren, aufschlußreichen Darstellung der Begebenheiten, die sich während des dreizehntägigen Aufenthaltes Mesmers auf Rohow er-eigneten, erleben wir sozusagen authentisch einen wichtigen Abschnitt aus der ersten Entwicklung des Heilmagnetismus.

«Zu jener Zeit, wo man anfing, von Mesmers magnetischer Heilart auch in Ungarn zu reden, nach-

1 Kerner, F. A.Mesmer, Frankfurt 1856. S. 19fr.

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dem sie schon längere Zeit in Wien Aufsehen gemacht hatte, befand ich mich in Ungarn im Neu-traer Comitat, in dem Dorfe Rohow, an dem Hofe des Baron Horeczky de Horka und seiner Gemah-lin, einer geborenen Gräfin Nyary de Bedegh, ange-stellt.

Immer lauter wurde es auch in Ungarn vom Mes-merismus. Aber die Meinungen waren über diesen Gegenstand sehr getheilt. Ich, der ich damals zu den negirenden Gelehrten gehörte, läugnete die Wahrheit des Mesmerismus weg, erklärte ihn öffentlich für Charlatanerie und verwies ihn in das Reich der Un-möglichkeiten, aus dem meinem Eigendünkel triftig scheinenden Grund: weil er mir unbegreiflich war. Allein ich mußte mich in der Folge selbst überzeugen, daß ich mich irrte und Mesmern ein großes Unrecht gethan habe. Dies ging so zu:

Der Baron, der noch bei Weitem nicht 30 Jahre alt war, empfand oft in seinem Halse gewisse Spasmen, bei denen er ersticken zu müssen glaubte. Was er da-gegen brauchte, war ohne Wirkung. Daher ließ er einstens zu Wien ein concilium medicorum über sich halten, deren Urtheil so, wie schon vorher das seines Arztes, Ungerhoffer, dahin ausfiel: ,daß, wenn seine Spasmen nicht bloß, wie es ihnen schiene, in seiner Einbildung beständen, er ganz gewiß nicht daran ster-

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ben und daß dieselben mit den Jahren sich von selbst verlieren würden'. Weil aber alles nach wie vor beim Alten blieb, so begab er sich zum zweiten Male nach Wien, wo er abermals ein Concilium der Ärzte, wor-unter sich van Swieten und van Haen befanden, über seinen Zustand sich berathschlagen ließ. Ihr Urtheil war auch diesmal von dem erstem nicht verschieden, doch wurde beschlossen, ihm zu einiger Beruhigung einen Thee zu verschreiben, wozu ein jeder der an-wesenden Ärzte ein Kraut bestimmen sollte. Dies ge-schah. Als der Baron mit dem van Swieten allein war, sagte dieser ganz trocken zu ihm: der Thee könnte ihm nichts, wohl aber die Zeit helfen; er sollte also auch dies Theetrinken ganz unterlassen. Mit diesem Bescheid nicht zufrieden, begab er sich zum van Haen. Dieser sprach mit ihm aus dem nämlichen Tone; da aber der Hilfesuchende sich dabei durchaus nicht be-ruhigen wollte, so gab ihm van Haen den Rath, daß er, weil die Ärzte für seine Krankheit kein Mittel aus-findig machen könnten, sich von Mesmern magneti-sieren lassen sollte, obgleich van Haen nichts davon hielt. Nun säumte der Baron nicht, sich mit Mesmern in Unterhandlungen einzulassen und ihn nach Rohow einzuladen. - Dies alles habe ich aus des Barons eige-nem Munde; von dem Übrigen bin ich größtenteils Augenzeuge gewesen.

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Im Jahre 1775 langte Doktor Mesmer in der schön-sten Jahreszeit (es war Juni) eines Tages gegen Abend zu Rohow an, ohne daß ich es gleich Anfangs gewahr wurde. Kaum hatte ich aber seine Ankunft, obgleich etwas später, erfahren, so eilte ich sogleich, den Wun-dermann zu sehen und ihn zu bewillkommnen. Bei meinem Eintritt in das Zimmer fand ich den Baron und den Doktor Mesmer neben ihm, auf einem Ka-napee, dicht nebeneinander sitzend. Die Unterredung dauerte lange, und wurde bald auf diesen, bald auf jenen Gegenstand gelenkt. Endlich sagte Mesmer ganz unerwartet: ,Herr Baron, haben Sie noch nichts empfunden?' ,Nein, gar nichts!' war die Antwort. ,Also, erwiederte Mesmer, ist ihre Krankheit eine bloße Einbildung.' Für diesmal wollte sich der Baron seine Spasmen durchaus nicht nehmen lassen; und Mesmer wollte sie schlechterdings nicht zugeben. Weiter fiel diesen Abend nichts vor, was auf den Ma-gnetismus einigen Bezug gehabt hätte.

Den andern Morgen erzählte mir der aus der Stadt Senitz angekommene Barbier, wie Mesmer während des Barbierens ihn über die Spasmen des Barons be-fragt hätte; weil er ihm aber keinen näheren Auf-schluß geben konnte, so hätte Mesmer gesagt: ,Ich bleibe also dabei; der Baron leidet nur in seiner Ein-bildung'. Ich muß es gestehen, jene Fragen, die Mes-

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mer an den Barbier that, machten mir ihn noch ver-dächtiger, als er mir vorher gewesen war, ob ich gleich auf der andern Seite seine wiederholte Äuße-rung wegen der Einbildung des Barons, ich mochte wollen oder nicht, zu seinem Vortheil auslegen mußte.

Einige Zeit beschäftigte sich Mesmer mit in Ord-nungbringen seines zum Magnetisieren nöthigen Ge-räthes, worunter ich nichts als lauter verschiedentlich gestaltete künstliche Magnete und eine Elektrisier-maschine bemerkte, die aber auf der Reise zerbrochen und dadurch unbrauchbar wurde. Ich lieh ihm daher die meinige, die zwar viel kleiner und einfacher war, aber ihm doch die gewünschten Dienste leistete.

Blitzschnell verbreitete sich sein Ruf in der ganzen umliegenden Gegend. Von allenthalben strömtenNeu-gierige von hohem Range, von Honorationen und Gelehrten, besonders Juristen herbei. Ebenso wurde die Zahl der sich meldenden Kranken von Tag zu Tag größer, denen man daher einen besonderen Saal ein-räumte.

Unter den Hilfesuchenden waren sehr Viele, welche Mesmer nach einem vorhergegangenen genauen Aus-fragen zum Magnetisieren zuließ. Andere aber, an der Zahl viel wenigere, weil sie keine Nervenkranken waren, verwies er an andere Ärzte, oder er schrieb ihnen, wenn sie es wünschten, selbst Recepte vor,

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ohne die dafür freiwillig angebotene Bezahlung an-zunehmen.

Von großen Vorurtheilen zum Voraus gegen Mes-mern eingenommen, in denen mich noch jener Bar-bier mehr bestärkt hatte, und in der Hoffnung, ihn, wenn er sich auf einem Schleichwege befände, auf der Stelle zu ertappen, entfernte ich mich besonders an-fänglich von seiner und der Kranken Seite fast gar nicht, ausgenommen, wenn mich besondere Umstände oder meine Geschäfte vom Schauplatz abriefen. Mit argwöhnischen Augen lauerte ich nicht nur auf alle seine Handlungen, Mienen und Worte, sondern auch auf das ganze Benehmen der Kranken und der Haus-genossen gegen ihn.

Anfangs brachten seine Fingerzeige und Berüh-rungen, ja sogar die Anwendung des künstlichen Ma-gnets und der Elektrizität, keine in die Augen fallen-den Wirkungen hervor. Die wenigen, kaum bemerk-baren Erscheinungen an den Kranken wurden von mir und anderen Anwesenden der überspannten Ein-bildungskraft der Leidenden zugeschrieben. Auch dann blieben wir noch bei dieser einmal vorgefaßten Meinung, als durch Mesmers Anstrengung und Aus-dauer die magnetischen Wirkungen anschaulicher wur-den, und einige der zweifelnden Zuschauer selbst we-gen der ihnen dabei zugestoßenen Übelkeiten und

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Mißbehagen sich entfernen mußten. In unseren Augen war noch immer alles entweder Einbildung oder Täu-schung, oder beides zugleich. So sehr strebten wir ge-gen die sich uns augenscheinlich aufdringende Wahr-heit! Wir schlossen sehr unlogisch von einer nur in unseren Köpfen bestehenden Möglichkeit einer Täu-schung auf deren gegenwärtige Wirklichkeit, obgleich eine solche außerordentliche Täuschung bei solchen Umständen gar nicht möglich war. Denn keiner von den Kranken hatte Mesmern je vorher gesehen und mehrere von denen, auf welche Mesmer am stärksten wirkte, waren notorisch schon lange vorher krank, ehe es irgend Jemanden träumen konnte, daß Mesmer von Wien nach Rohow kommen würde. Auch waren die allermeisten Leidenden zu sehr Kinder der einfältigen Natur, als daß sie zu einem, und zwar zu einem so äußerst künstlichen Betrug hätten gebraucht werden können. Ferner verstanden die Meisten nur slowa-kisch, zwischen denen und Mesmern ich gewöhnlich einen sehr vorsichtigen und schlauen Dolmetscher machte, indem ich seine deutschen Fragen oft im Slo-wakischen so einkleidete oder sonst Etwas zusetzte, daß, wenn er eine bejahende Antwort erwartete, die slowakische verneinend oder doch anders ausfallen mußte, wobei ihn die Mienen und Gebärden der Ant-wortenden nicht selten in eine gewisse Verlegenheit

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setzten, ehe ich ihm das Gesagte deutsch erklärte. War Mesmer irgend wohin gegangen, so benutzte ich seine Abwesenheit zur verfänglichen Ausfragung der Magnetisierten; allein es war mir nie möglich, der gutmüthigen Einfalt dieser Leute etwas zu entlocken, was mich in meinem Argwohn nur im Mindesten hätte bestärken können. Nach einer Menge anderer ähnlicher, jedesmal fehlgeschlagener Kunstgriffe, die mir die Eigenliebe an die Hand gab, um dadurch mein einmal gefälltes und so oft öffentlich geäußertes Ur-theil zu retten, und nach Vervielfältigung unläug-barer, immer stärker in die Augen fallender Erschei-nungen, mußte ich endlich doch gegen mein Miß-trauen selbst mißtrauisch zu werden anfangen, bis ich zuletzt einsah, wie sehr ich mich in meinen vorigen Urtheilen getäuscht hatte. Auch anderen erging es so . . .

Das bis hieher von mir Geschriebene soll nur be-weisen, daß Mesmer zu Rohow nicht lauter kurzsich-tige, leichtgläubige Anstauner, sondern auch außer mir noch manche andere mißtrauische Argusse be-ständig um sich her hatte, die etwas mehr wußten und verstanden, als: quid distent aera lupinis.

Von hier an will ich zur Erzählung dessen schreiten, was ich selbst gesehen, zum Teil auch an mir empfun-den habe. Das in meiner Abwesenheit Geschehene,

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aber mir gleich nach frischer That von rechtschaffenen und ernsthaften Augenzeugen wieder Erzählte, werde ich jedesmal besonders anzeigen. Weggelassen ver-dient es nicht zu werden, weil ich das von mir nicht Gesehene nicht nur andern Zusehern, sondern auch den Kranken selbst abfragte, und weil dasselbe mit dem vor- und nachher von mir Gesehenen genau über-einstimmte.

Noch nicht lange, alsMesmer sich bei uns mit seinen Magneten beschäftigte, fingen mehrere Hausgenossen an, sich über verschiedene krankhafte Gefühle zu be-klagen, die sie vorher nie in sich gefühlt hatten. Einige der vornehmen Damen wollten sogar an der Tafel nicht mehr neben ihm sitzen. - Als Mesmer sah, daß ich die ganze Zeit hindurch, ob ich gleich unter Allen am Meisten bei und um ihn war, mich über gar nichts beklagte, so sagte er, ich müsse im ganzen Schlosse der Allergesündeste sein. Indessen muß sein Magne-tismus die ersten vier oder fünf Tage doch etwas auf mich gewirkt haben. Der Baron, als ein leidenschaft-licher Liebhaber der Musik, der selbst die Violine gerne spielte, hatte von jeher die Gewohnheit, des Tages zum wenigsten einmal, und wenn Gäste da waren, wohl mehreremale, ein Concertchen zu ver-anstalten. Dabei spielte ich stets die Alto-Viola. Bei der Anwesenheit Mesmers geschah dies meistens bald

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nach Tische und derselbe begleitete dann das Spiel auf dem sonst sogenannten Bassettell oder Violon-cello. Den ersten Theil z. B. einer Symphonie dauerte ich dann aus, aber beim zweiten Theile wurde ich, gegen meine sonstige Gewohnheit, jedesmal so schläf-rig, daß ich mitten im Spiel zu schlummern anfing, durch mein unrichtiges Mitspielen die Musik störte und mein Instrument auf die Seite legen mußte. Wei-terhin nahm meine Schlaflust während des Musizie-rens täglich mehr und mehr ab, bis ich zuletzt wieder, vom Anfang bis ans Ende munter zu bleiben im Stande war. Als ich von meinem argwöhnischen Mißtrauen gegen Mesmer völlig geheilt war, und er, auch unge-sehen, sehr oft durch die Musik auf seine durch zwei Mauern und eben so viele zugeschlossene Thüren von ihm entfernten Kranken wirkte, dann erst gerieth ich auf die vielleicht nicht ungegründete Vermuthung, er möchte mir dieses Schlummern durch sein Musicieren, da ich neben ihm saß, noch leichter beigebracht haben. An den vielen zu- und abgehenden oder auch bis ans Ende der Anwesenheit Mesmers ausdauernden Ner-venkranken war die Wirkung des Magnetismus mehr oder weniger, aber doch immer merklich.

Wie ich mich noch mit Gewißheit zu erinnern weiß, so zeichneten sich darunter Folgende vorzüg-lich aus:

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1. Ein ungarischer, und, wenn mich mein Gedächt-nis nicht trügt, zu Rohow angesessener Zeman, der-gleichen man deutsch, aber sehr unrichtig, einen Edel-mann zu nennen pflegt. Dieser war, ich weiß nicht mehr recht, ob an der rechten Hand allein, oder auch an der linken zugleich, von Frost und Kälte so gelähmt, daß er sie nicht mehr empor heben konnte. Mesmer ließ ihn auf einen Stuhl setzen, berührte ihn vor und nach Mittag öfter, legte unter einen seiner Füße einen Magnet, hieß ihn, sich an andere, bereits Magneti-sierte, von Zeit zu Zeit einen Kreis Bildende und sich wechselseitig bei den Händen Haltende anschließen, indem ihn der Eine bei der rechten, der Andere bei der linken Hand anfassen sollte. Schon am ersten Tage vor Sonnenuntergang war dieser Gelähmte imStande, in meiner Gegenwart die rechte Hand beinahe bis an die Stirne zu bringen; den nächsten Tag kam er noch weiter, und am dritten oder vierten konnte er schon, freilich nicht ohne einige Anstrengung, den Hut auf-setzen und abnehmen. So lange Mesmer zu Rohow war, ließ er sich fleißig magnetisieren, mit dem guten Erfolge, daß er nach seiner Versicherung sich täglich besser befand. Nach Mesmers Abreise soll er sehr bald völlig genesen sein.

2. Ein noch ziemlich junger Jude aus dem ungefähreine kleine Meile von Rohow entlegenen Flecken So-

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botischt. Er hatte schon vorher, wie er es mir nach-her selbst sagte und andere Sobotischter Christen be-stätigten, schon lange an einem inneren Brustschaden gelitten und war bereits sehr schwach, so daß man ihn auf einem Wagen nach dem Schlosse bringen mußte. Mesmer erkundigte sich nach dem Zustand seiner Krankheit, dann zeigte er eine Weile in einiger Ent-fernung mit dem Finger auf seine Brust, und der Kranke soll in kurzer Zeit nach einer starken Convul-sion in Gegenwart vieler Menschen eine Menge Ma-terie ausgeworfen haben. Einiger Abhaltungen wegen war ich zu meinem Verdrusse bei diesen Auftritten nicht zugegen; doch als ich bald darauf in den Saal kam und Mesmer uns verlassen hatte, erzählte mir ein guter Freund den ganzen Vorfall. Um mich davon zu überzeugen, befragte ich den Juden selbst, welcher mir das Geschehene ebenso beschrieb. In der Folge war er täglich einer der Ersten, die in den Saal an-kamen, und Einer der Letzten, welche nach Hause gingen, weil er sich nun besser befand. Etliche Tage nach jener ersten Begebenheit bekam ich eine uner-wartete Gelegenheit, mich dafür, was ich versäumt hatte, wieder schadlos zu halten. Wir hielten mehrer-lei ausländische Zeitungen, die wir, der großen Ent-fernung des nächsten Postamtes und anderer Um-stände wegen, sehr spät zu lesen bekamen. In einer

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derselben stand: Mesmer hätte ein mit der fallenden Sucht behaftetes Mädchen und zwei Männer, die sich steif und fest einbildeten, von Gaßnern durch Aus-treibung der Teufel vollkommen wieder hergestellt zu sein, (ich weiß nicht mehr, ob auf einmal, oder zu verschiedenen Zeiten) plötzlich in ihren vormaligen Zustand versetzt, indem er in einem Nebenzimmer sich verborgen hielt, und blos auf die Gegend hin, wo diese Leute sich hinstellen mußten, seinen Finger-zeig gerichtet hatte. Ohne Verzug suchte ichMesmern auf, und fand ihn in einem an den Saal stoßenden Zimmer mitten unter mehreren Personen von hohem Adel. Ich bat dieselben, mir zu erlauben, den gemel-deten Artikel aus der Zeitung hier vorlesen zu dürfen. Recht gern erlaubten sie es mir. Ich fragte Mesmern, ob diese Nachricht wahr wäre. Er bejahte es. Nun er-suchte ich ihn, auch bei uns einen ähnlichen Versuch durch die Mauer zu machen. Hierin wurde ich von den gesammten Adeligen, besonders aber von der Gräfin unterstützt. Mesmer suchte dies anfangs von sich abzulehnen. Dadurch machte er in mir meine Zweifel gegen ihn von Neuem wieder rege. Weil man ihm aber zuzusetzen nicht aufhörte, so besah er die massive Querwand und sagte dann zu uns: er glaube nicht, daß er durch eine 2 1/2 Fuß dicke Mauer, wie diese wäre, etwas ausrichten würde; denn in Deutsch-

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land wären solche Wände bei Weitem nicht so dick gewesen. Es half nichts; er mußte unserer Zudring-lichkeit auf der Stelle nachgeben. Nun ging er in den Saal, holte diesen jungen Juden, als den Empfindlich-sten aus dem Kreis der Magnetisierten und stellte ihn mit dem Rücken dicht an die Scheidewand. Dann be-gab er sich in das vorige Zimmer wieder und nahm seine Stellung ungefähr drei Schritte weit von jener Wand. Da die Tür, die in den Saal führte, zwei Flügel hatte, deren einer stets zu blieb, so stellte ich mich so auf die Schwelle, daß es mir leicht war, mit dem rech-ten Auge den Juden in dem Saale, mit dem linken aber Mesmern im Nebenzimmer zu beobachten. Mit der rechten Hand hielt ich den zweiten Türflügel so dicht zu, daß kein Anderer weder aus dem Saal in das Zim-mer, noch aus dem Zimmer in den Saal sehen konnte. Nach einigem Verweilen machte Mesmer mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand hin und her lauter Querzüge in der Luft in horizontaler Richtung nach der Gegend hin, wo der Jude stand. Es währte nicht lange, als der Jude sein Gesicht verzerrte, seine bei-den Hände in die Hüfte setzte, kläglich seufzte, und sich so gebärdete, als ob ihm übel würde. Mit diesem Anblick nicht zufrieden, fragt ich ihn, was er emp-fände, worauf er antwortete: ,Es wird mir schwer!' Auf meine zweite Frage: ob in ihm nichts Besonderes

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vorginge, erwiederte er: ,Es geht in mir alles in die Quere hin und her.' Um des übrigen Fragens über-hoben zu sein, sagte ich zu ihm, er möchte bei einer jeden Veränderung uns sogleich sagen, was in ihm vorginge, ohne erst eine Frage abzuwarten. Bald dar-auf schlug Mesmer seine Arme übereinander. Keine acht Sekunden waren vergangen, so sagte schon der Jude von selbst: Jetzt hört es wieder auf.' Als Mes-mer gegen ihn Ovalzüge zu machen anfing, so krümmte sich der Jude wieder, und sagte: Jetzt geht in mir alles in einem Kreise auf und ab.' Kaum hatte Mesmer die vorige Stellung wieder angenommen, so sagte der Jude: Jetzt wird's wieder ruhig.' Mesmer fuhr hernach so weiter fort, und machte für eine jede neue Regung, die er hervorbringen wollte, andere Striche und Züge, welche der Jude jedesmal sammt den bald längeren, bald kürzeren Zwischenfristen ge-nau angab. Hier war doch wohl keine vorherige Ver-abredung oder irgend eine taschenspielerische Täu-schung möglich; und eine bloße, so schnell auf die Probe gestellte Einbildung konnte schlechterdings nicht so viele und so vielerlei Veränderungen in Be-tracht ihrer Dauer und ihrer Richtungen so treffend bestimmen. Das nächste Jahr darauf erblickte mich dieser Jude von ungefähr auf der Straße zu Sobo-tischt, kam auf mich zu und erkundigte sich mit viel

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Wärme nach Mesmern. Weil ich ihm nichts Bestimmtes von ihm sagen konnte, so bat er mich, wenn ich ihn je einmal wieder spräche, ihm in seinem Namen noch-mals den innigsten Dank für seine Hilfe abzustatten; denn er hätte gar nichts gebraucht, und wäre doch jetzt beständig frisch, munter und gesund wie ein Fisch.

3. Ein Bauer aus einem benachbarten Dorfe. SeineKlage war, er hätte schon lange eine Verhärtung in der Gegend des Magens, die ihm allerlei Ungemach, mitunter auch viele Schmerzen verursache. Dies ver-dolmetschte ich Mesmern so unmedizinisch, wie es mir der Bauer gesagt hatte. Nun mußte der Kranke sich entblößen. Mesmer untersuchte die geschwulst-artige Verhärtung, hieß ihn, sich wieder zuzuknöp-fen, deutete, wie er es gewöhnlich tat, von Zeit zu Zeit auf die kranke Stelle, und verfuhr mit ihm nur insofern anders als mit den übrigen Kranken, daß er ihn ganz abgesondert auf einen Stuhl sitzen ließ und ihm eine große viereckige, mit Wasser angefüllte Weinflasche, welche er eine Weile vorher in den Hän-den gehalten und so magnetisiert hatte, gab, mit dem Bedeuten, daß er diese Flasche ja fleißig auf den Leib halten sollte. Der Bauer gehorchte, spürte aber erst nach einer geraumen Zeit nur einige Linderung, die nach seinen ferneren Aussagen täglich merklicher wurde. Weiter fiel mit ihm nichts in die Augen Fallen-

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des vor, bis endlich eines Tages Mesmer in dem Ne-benzimmer bei verschlossener Tür die Elektrisier-maschine lud. Plötzlich stieß der Bauer die gröbsten slowakischen Flüche gegen Mesmern aus. Ich stellte ihn darüber zur Rede, warum er sich dies erlaubte, worauf er sich damit entschuldigte, weil er jetzt die heftigsten Stiche bekäme, woran kein Anderer als der deutsche Mann oder der leidige Teufel schuld sein müßte. Lächelnd über die Einfalt des Bauers ging ich in das Nebenzimmer, wo ich Mesmern im Beisein mehrerer Zuseher die Funken mit den Knöcheln sei-ner Hand aus der Elektrisiermaschine herauslocken sah, wo dann der Bauer bei jeder Wiederholung seuf-zte und die Zähne zusammenbiß, welches ich genau sehen und hören konnte, weil ich mit dem einen Fuß im Saale, mit dem andern im Nebenzimmer stand. Eben solche Erscheinung bemerkte ich an diesem Bauer, wenn Mesmer den Magnetismus entweder durch einen Spiegel oder durch den Schall unmittel-bar oder auch nur mittelbar verbreitete. Übrigens hielt dieser Bauer Alles bis zur Abreise Mesmers standhaft aus. Ganz hergestellt ging er freilich nicht nach seiner Heimat; was aus ihm hernach geworden, hatte ich keine Gelegenheit zu erfahren gehabt, indessen hat er doch einen offenbaren Beweis gegeben, daß, seiner abgehärteten Beschaffenheit ungeachtet, der Magne-

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tismus an ihm nicht unwirksam gewesen war. Und dies ist schon hinreichend, das wirkliche Dasein eines animalischen Magnetismus an den Tag zu legen; denn was kein Dasein hat, kann auch nicht wirken.

4. Abermals ein Jude, seines Gewerbes ein Schnei-der von Senitz, einer von Rohow nicht weitgelegenen Landstadt. Diesen traf ich eines Tages in der Reihe der sich an beiden Händen haltenden Magnetisierten stehen. Als ein neuer von mir noch nicht bemerkter Patient fiel er mir sogleich auf. Mesmer ging im Saale auf und ab und sprach mit einigen Gästen. Als er sich entfernt hatte, trat ein Rohower Zeman (Großbauer), der auch sonst als Hausfreund sich im Schlosse viel aufhielt, Lateinisch nur sehr wenig und vom Deut-schen gar nichts verstand, zu dem Juden, den er gut kannte, und sagte slowakisch zu ihm: ,Höre, Jude, du bist gesund, du hast also den Herrn Doktor mit deinem Herumwälzen auf der Erde nur zum Besten gehabt.' Der Jude erwiderte: ,Nein, mein Herr. Ich habe den Herrn Doktor mit meiner Klage nur auf die Probe stellen wollen; er hat mich aber dafür recht heimgeschickt. Die Krankheit, überweiche ichklagte, hatte ich wirklich, aber schon vor vielen Jahren ge-habt. Bei meiner Arbeit überfielen mich damals zu-weilen so heftige Kopfschmerzen, daß ich ohne Be-wußtsein auf die Erde hinstürzte. Seit 8 Jahren ist

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mir dies aber nicht widerfahren. Das Übrige, was hier mit mir sich zugetragen, haben Sie mit angesehen, ich habe es aber gefühlt. Morgen laß ich mich wahr-scheinlich nicht wieder so behandeln. Ich sehe, es ist damit nicht zu spassen.' Er hielt Wort, ging weg und kam nicht wieder. Der erwähnte, äußerst rechtschaf-fene Zeman erzählte mir hernach in meiner Stube den Vorfall nach seiner Art: ,Der Jude hatte mit dem Doktor etwas Deutsch geschwatzt, der ihn hernach in die Reihe der Magnetisierten stellte, dann aber in eini-ger Entfernung seinen Finger gegen das Genick des verstellten Patienten hielt. Ehe er sichs versah, stürzte der Jude auf die Erde, so daß er alle Viere von sich streckte. Nach und nach kam derselbe wieder zu sich und stellte sich ganz gelassen wieder hin.' Dar-aus schließe ich jetzt, daß ein Magnetiseur auch auf einen solchen wirken kann, der an seine Kraft gar nicht glaubt.

5. Am Tage, an welchem Mesmer seine Rückreisenach Wien antreten wollte, war alles dazu schon be-reit. In der Absicht, von ihm beim Einsteigen in die Kutsche Abschied zu nehmen und ihm glückliche Reise zu wünschen, begab ich mich auf den Hofraum hinunter; allein da er zu lange ausblieb, so ging ich diejenige Treppe hinauf, die er hätte herunter kom-men sollen. Oben an derselben fand ich eine sonder-

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bare Gruppe, nämlich Mesmern, der einen jungen Bauernkerl aus dem Gebirge bei beiden Ohren hielt, und neben ihm einen herrschaftlichen Bedienten, der vorher zwischen beiden ein Dolmetscher gewesen war. Alle drei schwiegen stille, ich mit; denn ich war nunmehr ganz Auge. Mittlerweise wurde diese Stille durch die zufällige Dazwischenkunft der Gräfin unter-brochen, welche, nachdem sie noch etwas mit Mes-mern gesprochen, den Bauer mit gewöhnlicher Stimme fragte: ,Wessen Unterthan bist Du?' Dieser sagte: ,Eurer, Großmächtige Gräfin.'Auf die zweite Frage: ,Was fehlt dir?' erfolgte die Antwort: ,Ich habe vor sechs Wochen bei einem heftigen Sturmwind mein Gehör verloren, welches mir dieser Herr hier eben jetzt wieder gab.' Die Gräfin nahm noch einmal von Mesmern Abschied und entfernte sich; wir viere aber blieben noch immer stehen, bis endlich Mesmer von selbst aufhörte und mich ersuchte, dem Bauer zu sagen, er möchte sich im Schlosse ein Stückchen Baumwolle geben lassen, sich damit die Ohren ver-stopfen, und sich soviel wie möglich, nicht leicht Win-den aussetzen. Nachher begleitete ich Mesmern bis an die Kutsche und er schied von uns allen nicht ohne Rührung. Was die ganze Dauer des Magnetisierens dieses Tauben anbelangt, so soll sie überhaupt nicht viel über eine halbe Stunde gewährt haben, vermut-

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lieh weil die Krankheit noch nicht zu sehr eingewur-zelt war.

6. Der Baron Horeczki de Horka selbst. Daß Mes-mer sich alle ersinnliche Mühe gab, um denselben, als den eigentlichen und einzigen Gegenstand seiner Ein-ladung nach Rohow, für die Einwirkungen des Ma-gnetismus empfänglich zu machen, läßt sich leicht denken. Die ersten fünf Tage war alles Magnetisieren, ja sogar das zu Hilfe genommene Elektrisieren, ohne und mit Magnet, ganz vergeblich, so daß der Baron mehr als ein Mal zu uns sagte: es müßte ihn nicht we-nig verdrießen, daß so viele andere Leute so vielerlei, er aber gar nichts empfände. Am fünften Abend sagte er das Nämliche Mesmern ins Gesicht, welcher dar-auf erwiederte: ,Eben daraus können Sie sehen, daß Sie nicht nervenkrank sind.' Erst der sechste Abend muß Mesmern einige Hoffnung gemacht haben; denn als er ihm beim Magnetisieren wie sonst an den Puls fühlte, redete er den Baron so an: ,Geduld! Sie sollen schon in der Folge etwas fühlen.' Den ganzen folgen-den Tag schien Mesmers Vorhersagung nicht in Er-füllung gehen zu wollen. Am späten Abend suchte er die Gräfin in Gegenwart mehrerer Hausgenossen auf den künftigen, für sie traurigen Morgen gefaßt zu machen. Sie schien auf seine Worte nicht mehr viel bauen zu wollen. Gegen 8 Uhr des andern Morgens

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kam das Kammermädchen zu mir gelaufen mit den Worten, ich sollte alles liegen lassen und gleich zu der Gräfin kommen, denn der Baron befände sich sehr schlecht. Nahe war ich schon an der Türe ihres Wohn-zimmers, als eben der Büchsenspanner, ein großer, starker und bildschöner Mann, herausstürzte. Er war todtenblaß und fluchte abscheulich über Mesmern, der, wie er mir sagte, ihn samt dem Baron noch ums Leben bringen würde. In dem Zimmer lief die Gräfin, in einer Art von Verzweiflung die Hände über dem Kopfe windend, auf und ab, und rief bei meinem An-blick aus: ,Ach! der verwünschte Mesmer wird mei-nen Mann noch ins Grab stürzen.* Darauf hieß sie mich, in der Geschwindigkeit einen Brief an Dr. Un-gerhoffer zu schreiben, daß er so bald als möglich kommen sollte, weil der Baron in zu großer Lebens-gefahr schwebe; doch sollte ich mich vorher von dem schauderhaften Auftritte selbst überzeugen. So sehr ich auch betroffen war, so wenig konnte ich mich doch bei der eben so sonderbaren als unerwarteten Ansicht des Magnetiseurs als des Magnetisierten des Lachens enthalten. Mesmer saß zu rechten Seite des Barons auf einem Stuhle, mit dem linken Arm gegen dasselbe ge-wendet, hatte ein hechtgraues, mit goldenen Tressen besetztes Kleid und auf dem einen Fuße einen weißen seidenen Strumpf an; den andern entblößten Fuß hielt

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er in einem hölzernen, mit Wasser angefüllten Schaff, der ungefähr 2 Fuß im Durchmesser hatte. Ob das Wasser warm oder kalt gewesen, und ob Magnete darin gelegen oder nicht, darauf habe ich nicht Ach-tung gegeben. An diesem Schaffe saß noch der vom Baron besoldete Virtuose Violinist, Namens Kolo-wratek, mit dem Gesicht gegen das Bett gewendet, welcher soeben den unpaß gewordenen Büchsen-spanner abgelöst hatte. Er war ganz angezogen, hielt in der linken Hand ein spanisches Rohr, welches mit dem beschlagenen untersten Theil im Wasser, auf dem Boden des Schaffs ruhte. Dieses Rohr mußte er mit der rechten Hand umfassen und so unausgesetzt von oben hinunter reiben. Ein anderer würde dies für eine gauklerische Charlatanerie gehalten haben; ich that dies nicht, weil ich wußte, was das Reiben und Was-ser beim Elektrisieren vermögen. Beide waren dabei stille; nur der Baron sprach, der im Bette, bloß mit seiner Wildschur von Wolfsfellen zugedeckt, lag. Er hatte Frost, und doch redete er irre, als ob er ein hit-ziges Fieber hätte. Weil ich mich des Briefes wegen nicht lange im Schlafzimmer aufhalten durfte, so sagte Mesmer zu mir, ich möchte dem Dr. Ungerhof-fer schreiben, er brauche nichts weiter als zwei Dosen von cremor tartari (Brechweinstein) mitzubringen, denn der Baron würde noch vor seiner Ankunft ganz

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gewiß wieder auf den Beinen sein. Den Brief richtete ich so ein, wie es die Umstände mit sich brachten. Unser Husar sprengte mit demselben sogleich nach Holitsch, einem zwei Meilen weit von Rohow entle-genen Städtchen; hinter ihm jagte eine vierspännige Kutsche auf das schnellste eben dahin; mich aber trieb die Wißbegierde wieder in das Schlafgemach des Kranken. Alles war dort noch so, wie vorher. Das Irrereden, Verwünschen, Winseln und Jammern des Barons hatte kein Ende. Oft bat er uns, wir möchten ihn todt schießen. Mesmer schien dabei ganz ernsthaft und nachdenkend zu sein; uns übrigen beiden war es dabei nicht sonderlich gut zuMuthe, ob wir gleich zu-weilen bei den unterlaufenen drolligen Einfällen des Patienten das Lächeln nur mit Mühe verbeißen konn-ten. Sobald die Krankheit Mesmern schon lange ge-nug angehalten zu haben schien, ließ er die Hand des Barons los und faßte ihn dafür bei der Zehe. Sicht-lich nahm die Heftigkeit der Anfälle bis zu einiger Ruhe ab. Wir dachten, dieser Auftritt hätte nun ein Ende, allein Mesmer ergriff den Kranken wieder bei der Hand und die ganze Geschichte ging von vorn wieder an. Von nun an wechselte Mesmer mit seinen Handgriffen öfters ab und zwar immer mit demselben Erfolg. Die Gräfin war schon vorher voll Verdruß etlichemal ins Schlafzimmer gekommen und machte

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zuletzt Mesmern bittere Vorwürfe; er sagte aber zu ihr ganz gelassen: , Habe ich Sie nicht schon gestern Abend gebeten, Sie sollten sich durch die heftigeren Anfälle, denen der Baron heute früh ausgesetzt sein dürfte, nicht irre machen lassen? Doch Sie sollen ihn bald wieder munter sehen.' Noch einige Zeit fuhr Mesmer mit dem abwechselnden Magnetisieren fort, bis er sah, daß es für diesmal genug war. Er hieß dann den Baron aufstehen und sich ankleiden lassen; her-nach führte er ihn zu der Gräfin, die sich darüber sehr freute. Von dort begab sich Mesmer in den Saal, wo die Kranken waren, und ich folgte ihm auf dem Fuße nach. Während er sich dort mit dem Magnetisieren beschäftigte, fanden sich bei der Gräfin und dem Ba-ron nach und nach mehrere vornehme Gäste ein. Mes-mer (den einige dieser Fremden noch nicht gesehen hatten) wurde ersucht, sich auch dahin zu begeben. Ich folgte ihm abermal wie sein Schatten. Der Baron, um dessen Mund, auf dem Kinn und den Wangen sich bereits ein Ausschlag in Gestalt von Blasen ge-bildet hatte, fing nach seiner Gewohnheit an, allerlei lustige Stücke auf seiner Violine zu spielen und hüpfte dabei herum. Gegen \z Uhr Mittags trat der sehnlichst erwartete Dr. Ungerhoffer in das Zimmer. Sein Erstaunen war nicht gering, als er den Baron, welchen er gefährlich krank zu sehen glaubte, in ei-

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nem solch munteren Zustande antraf. Man erzählte ihm alles, was erst vor wenigen Stunden vorgefallen war. Aus seinen Mienen leuchtete ein Kampf des ernsthaftesten Nachdenkens mit dem Zweifel hervor. Nun fühlte er an den Puls des Barons, schüttelte den Kopf, sah Mesmern an, und sagte: , Dies Fieber dür-fen wir nicht noch zwei Mal kommen lassen, es ist zu heftig gewesen.' Mesmern, welcher noch weitere Ver-suche mit dem Baron anstellen wollte, war mit diesem Ausspruch gar nicht gedient. Er wollte durchaus nicht zugeben, daß irgend eine Gefahr dabei sein könnte, weil er dies Fieber völlig in seiner Gewalt hätte. Dr. Ungerhoffer läugnete dies, weil er selbst eben jetzt etliche solche Fieberkranke in der Kur hätte, die während des paroxismus so wie der Baron über schmerzhaftes Gliederreißen klagten; es könnte also das Fieber desselben viel leichter von jeder an-dern Ursache, als vom Magnetisieren, herrühren. Der erstere führte zum Beweis seiner Behauptungen an, das Fieber hätte sich nicht eher eingestellt, als bis er zu magnetisieren anfing, welches er nach Belieben bald verstärkt, bald geschwächt und wieder aufhören gemacht hätte, sonst würde ihn ja die Gräfin (die alles mit anhörte) ungerechter Weise zum Urheber der Krankheit ihres Gemahls gemacht haben. Der zweite schob das gleichzeitige Zusammentreffen des Fiebers

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mit dem Magnetisieren auf ein blindes Ungefähr, das Übrige aber schrieb er der durch den Glauben an den Magnetismus rege gewordenen Einbildung des Ba-rons zu. Mesmer widerlegte den angeblich ungefäh-ren Zufall damit, daß er schon etliche Tage vorher das Herannahen der Krankheit angekündigt und erst gestern am späten Abend die Gräfin auf die heftigen Anfälle vorbereitet habe. Der Einbildung könnte das Übrige nicht zugeschrieben werden, weil der Baron während der Dauer des Fiebers seines Verstandes und Bewußtseins beraubt gewesen; wofür er die Gräfin, den Baron selbst und mich zu Zeugen aufrief, wel-ches alles noch mehrere Andere, wenn sie zugegen wären, bezeugen müßten. Wir konnten nicht anders, als das Gesagte bestätigen. Seiner Sache gewiß, setzte Mesmer weiter hinzu, er wollte wetten, daß der Baron das Fieber nicht eher, als beim abermaligen Magneti-sieren, und bei allenfallsiger gänzlicher Unterlassung desselben fürs Erste gar nicht wieder bekommen würde. Die Zeit hat diese Versicherungen Mesmers vollkommen gerechtfertigt. Dr. Ungerhoffer reiste den Nachmittag wieder ab. Mesmer magnetisierte den Baron ein oder zwei Tage nicht, und das Fieber blieb aus, obgleich derselbe nichts dagegen einnahm. Am dritten oder vierten Tage nach jenem Paroxismus wollte Mesmer den Baron früh Morgens wieder ma-

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gnetisieren, allein dieser wollte nichts davon hören. Nach langen und öfter wiederholten Vorstellungen legte sich der Baron um 103/4 Uhr Vormittags (also ungefähr drei Stunden später als das erste Mal) zu Bette. Das Magnetisieren begann ebenso wie vor et-lichen Tagen. Die Wirkungen zeigten sich bald, aber etwas schwächer als neulich. Der Baron hielt es keine halbe Viertelstunde aus; denn ehe er noch die Besin-nung ganz verlor, sprang er aus dem Bette mit den Worten: er wolle lieber seine Spasmen behalten oder gar sterben, als solche Schmerzen zum Zweitenmale leiden. Kein Zureden konnte ihn bewegen, sich wie-der ins Bett zu legen; er blieb auf und bekam seit je-ner Zeit, binnen Jahreszeit und vielleicht noch länger (so lange ich nämlich zu Rohow blieb) weder Fieber noch Spasmen. Weil er sich in den folgenden Tagen zum Magnetisieren gar nicht verstehen wollte, so er-klärte sich Mesmer in meiner und mehrerer Andern Gegenwart gegen die Gräfin so: ,Hätte der Baron sich der magnetischen Kur gehörig unterworfen, so würden die Anfälle jedesmal schwächer gewesen und zuletzt ganz weggeblieben sein; jetzt aber muß ich gestehen, daß er dereinst so werden wird, wie er sich beim ersten Anfall gebärdet hat. Ich bin hier ferner un-nütz.' Die Abreise wurde nun im Ernste beschlossen und bald bewerkstelligt.

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Vermutlich wird man von mir hören wollen, was ich Mesmern abgesehen oder auch aus seinem eigenen Munde weiter gehört habe. Er erklärte mir allerdings damals manches, was und wie der animalische Magne-tismus wirke; weil aber das meiste sich mit meiner da-maligen neuen Philosophie nicht reimen wollte, machte ich ihm allerlei, aber vergebliche Einwürfe da-gegen und dachte mir dabei, es käme hier, wie bei tausend andern Gegenständen unsers Wissens, nicht sowohl auf das, vielleicht nie zu ergründende Was und Wie, als auf das Ob an, welches Letztere für uns einst-weilen genug sein könne.

Ferner sagte er zu mir, er besäße zwar den thieri-schen Magnetismus in einem, aber nicht im höchsten Grade, daher sehe er sich genöthigt, denselben durch Kunst zu verstärken. Wodurch? Das entdeckte er mir nicht. Es fiel mir dabei sogleich ein, daß man Magnete in seinem Bette gefunden haben wollte. Einstens überraschte ich ihn, als er eben beim Anziehen war. Unter seinem Hemde, das vor der Brust noch offen war, erblickte ich ein anderes, ziemlich dichtanliegen-des ledernes, welches, wie ich deutlich sah, ein hell-blaues seidenes Unterfutter hatte. Auf meine Frage, wozu dasselbe diene, erfolgte die Antwort: Zur grö-ßeren Reinlichkeit; ich erwähnte aber, es dürfte sol-ches die Ausströmungen oder vielmehr Verströmun-

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gen des magnetischen Fluidums, wie sonst des elek-trischen, aufhalten und verhindern. Ob Mesmer auch dergleichen Unterziehbeinkleider und Unterzieh-strümpfe getragen, dahinter konnte ich nicht kom-men.

Bei einer andern Gelegenheit, wo ich mir, wie bei der vorhergehenden, die magnetischen Erscheinungen leichter durch den Elektricismus als durch den Ma-gnetismus erklären konnte und ich ihn fragte, warum er das, was die Erscheinungen hervorbrächte, nicht lieber thierischen Elektricismus nenne, gab er mir den Bescheid: weil die allermeisten Wirkungen un-gleich mehr Ähnlichkeit mit dem Magnetismus als mit dem Elektricismus haben.

Über Gaßner (siehe Seite 75 ff.) von dem ich einen sehr schlechten Begriff hatte, urtheilte Mesmer so: derselbe besäße den thierischen Magnetismus, ohne es selbst zu wissen, im Übermaße. Wenn er also die Hand auf den Kopf eines Nervenkranken lege, so be-kämen sie, besonders Epileptiker, ihre Zufälle, die mit zunehmender Heftigkeit so lange dauerten, bis sie gänzlich austobten und hernach eine lange Zeit aus-blieben.

Auch war Mesmer der Meinung, daß, wenn zuwei-len einzelnen Leuten bei Aufführung der Musik, in der Kirche, in einem Schauspielhause oder in einem

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Saale übel wird, nicht selten ein mit starkem Magne-tismus begabter Sänger oder Musikus da sei, der durch seinen Gesang oder durch sein Instrument den Magnetismus um sich her verbreite und so auf den Nervenschwachen einen starken Eindruck mache. Dies ist, wenigstens in einigen Fällen, mir nicht un-glaublich; denn er hatte ja selbst dies mehrere Male durch sein Singen und Spielen auf dem Violoncello unleugbar bewiesen, was ich zum Theil schon oben erwähnt habe. Es wird nicht überflüssig sein, hier zwei solche Beispiele vollständiger anzuführen, wo er durch den Schall, aber nur mittelbar, in einer ziem-lichen Ferne einen sichtlichen Einfluß auf die schon vorher Magnetisierten hatte. Gewöhnlich mußten sich zwei Waldhornisten des Barons auf einem Altan des Schlosses zu unbestimmten Zeiten hören lassen. Die Kranken hörten, wie es schien, nicht ohne Ver-gnügen zu. Eines Tages war dies bei mehreren Wald-hornstücken derselbe Fall; plötzlich aber fingen einige an zu murren oder gar zu fluchen, andere seufzten nur und bekamen allerlei Zufälle. Die Ursache dieser unerwarteten Veränderung auszukundschaften, ging ich aus dem Saal durch zwei Zimmer, deren Türen zu waren; dort traf ich Mesmern, der den äußersten Rand der Mündung eines Waldhorns, welches soeben geblasen wurde, mit seiner rechten Hand hielt. Ich

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erzählte ihm, daß die Kranken im Saal jetzt sehr un-ruhig wären; er lächelte nur und hielt noch eine Weile bei dem folgenden Stücke das Waldhorn fest; dann zog er seine Hand davon ab und faßte es dafür an der-selben Stelle mit der linken Hand. Zuletzt ließ er es ganz los mit den Worten: Jetzt oder bald werden die Kranken wieder ruhig sein. Ungesäumt kehrte ich in den Saal zurück, wo die Kranken bald wieder zu sich kamen.

Es mußte sich fügen, daß die Schwester des schon oben erwähnten Kolowratek sich bei ihrem Bruder im Schlosse aufhielt. Sie war eine sehr gute Sängerin. Zur Unterhaltung der anwesenden vornehmen Gäste mußte auch sie sich hören lassen, wobei ihr Bruder auf der Violine und einige andere Musiker auf ande-ren Instrumenten ganz sanft ihren Gesang begleite-ten. Im Saale, wo man nicht viel von dieser Musik vernahm, ereigneten sich bald die nämlichen Auf-tritte wie vorher bei dem Waldhornblasen. Durch den vorigen Vorfall belehrt, säumte ich nicht, die Mu-sicirenden zu beobachten. Mesmer that dabei nichts anders, als daß er stillschweigend die rechte Hand der Sängerin mit seiner rechten festhielt. Absichtlich sagte ich diesmal Mesmern nichts von den Kranken. Die Musik ging ununterbrochen fort. Um die Mitte einer Arie fing die Sängerin an heiser zu werden, und

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am Ende klagte sie über Halsschmerzen, die sie ver-hinderten, weiter zu singen. Mesmer ließ ihre Hand fahren und deutete, wenn ich nicht irre, mit dem lin-ken Zeigefinger in einer Entfernung von wenigen Zoll auf die rechte Seite ihres Halses in der Gegend der Kehle. Bald war das Übel wieder verschwunden, so daß sie weiter fortsingen konnte. Als ich sah, daß Mesmer nichts mehr tue, so entfernte ich mich und fand im Saale Alles wieder stille.

Nicht minder wirksam war die durch den Spiegel bewerkstelligte weitere Fortpflanzung des Mesmeris-mus. Zufälligerweise war Mesmer einstens in dem Nebenzimmer von mehreren Gästen und Hausgenos-sen umgeben, mit denen er von verschiedenen Sachen sprach. Die Saaltür war zwar offen, aber er und wir alle standen so, daß uns weder einer der Patienten, noch wir einen derselben sehen konnten. Ganz un-vermutet deutete Mesmer mit dem rechten Zeigefin-ger auf das sich in einem im Saale hängenden Spiegel darstellende Bild eines Magnetisierten, der mit dem Rücken gegen denselben gewendet war. Dieser konnte also nichts davon merken. Nichts desto weni-ger bekam er sogleich Zuckungen, und die Übrigen, die durch wechselseitige Haltung bei den Händen mit ihm in Verbindung standen, wurden ein jeder nach seiner Art unruhig; in welchem Zustande sie so lange

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blieben, bis der von ihnen nicht gesehene Mesmer sei-nen linken Zeigefinger nach dem Spiegel gerichtet hatte. Über diese Erscheinung mußten wir desto mehr erstaunen, da er uns vorher gar nichts davon gesagt hat. Bei diesem Versuche blieb es nicht, denn er wurde gelegentlich, jedesmal ganz unvermuthet, nicht ohne Erfolg öfter wiederholt.

Zu seinen Lehren gehörten folgende Versicherun-gen:

1. Daß er nur Nervenkranken und keinem Andernmit Hilfe des Magnetismus zur Wiedergenesung hel-fen könne; daher verwies er die mit andern Übeln be-hafteten nach Umständen an Ärzte oder Chirurgen, oder er schrieb ihnen selbst Arzneien vor.

2. Daß er durch den Magnetismus eine jede alte,nicht ganz aus dem Grunde gehobene Nervenkrank-heit, die sich ohnehin mit der Zeit von selbst wieder einstellen würde, mit geringerer Gefahr herbeizufüh-ren vermöge; was unter andern vorzüglich die oben Nummer 4 beschriebene Geschichte mit dem Senitzer Juden zu bestätigen scheint.

3. Daß auch die heftigsten Anfälle mit jeder vonihm vorgenommenen Magnetisierung immer schwä-cher würden und zuletzt ganz wegblieben, was ein sicheres Zeichen wäre, daß der Kranke vollkommen geheilt sei, und wenn ja dies aus Mangel der Zeit oder

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aus einer andern Ursache nicht ganz erreicht würde, so wären doch seine Versuche für den Kranken nicht nur nicht nachtheilig, sondern auch wohlthätig. Dies suchte er dadurch zu beweisen, daß er bereits einen zu Wien Studierenden, der die Epilepsie von einem gro-ßen Erschrecken bekam, binnen sechs Wochen durch den Magnetismus vollkommen wieder hergestellt habe. Die ungefähr ein Jahr und vielleicht noch län-ger ausgebliebenen Spasmen des Barons Horeczki schienen dem letztern Theile dieser seiner Behauptung eben nicht ungünstig zu sein.

Sein offenherziges Geständnis, daß ihn die Reise nach Ungarn nicht gereue, weil er daselbst viele neue Entdeckungen gemacht hätte, auf die er anderswo vielleicht nie gekommen sein würde, mußte uns ein nicht geringes Vergnügen machen, da wir glaubten, dies könne eine Veranlassung sein, seine Erfindung besser auszubilden und der Vollkommenheit näher zu bringen.

Außer den von mir bereits erzählten Verfahrungs-arten seiner Magnetisierungen habe ich keine andern gesehen als folgende: Zuweilen faßte er einen min-der empfänglichen Nervenkranken bei beiden Hän-den, mit dem Gesicht gegen ihn gewandt schmiegte er sich an ihn an, und blieb dann eine ziemliche Weile in dieser Stellung. Wollte dies nicht fruchten, so

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legte er ihm einen künstlichen Magnet unter den Fuß und ließ ihn nötigenfalls ein Magnetstück nahe an dem in Bewegung gesetzten und sich an einem leder-nen Polster reibenden Glase der Elektrisiermaschine halten. Nur bei wenigen waren diese beiden letztern Behandlungen ganz ohne Erfolg; ob darum, weil sie etwa irrig für Nervenkranke gehalten wurden, oder einer andern verborgen gebliebenen Ursache wegen, davon wird man von mir keine Rechenschaft fordern, da ich nur sagen kann, was geschehen ist. Übrigens klagte Mesmer nie über eigenes Unbehagen, Schwäche und dergl., wenn er gleich noch so Viele vom frühen Morgen an bis in den späten Abend magnetisiert hatte.»

Anhand dieser Aufzeichnungen Seyferts haben wir eine ganze Reihe der für den Magnetismus charakte-ristischen Merkmale kennengelernt. Wir haben gleich-sam zusehen können, wie Mesmer den einzelnen Pa-tienten und wie er eine ganze Gruppe, die im Kreise herumstehend sich an den Händen faßte, magneti-sierte. Mesmer wirkte sichtlich durch eine 2 1/2 Fuß dicke Mauer hindurch. Er versuchte es mit der Über-tragung des Magnetismus durch den Schall und durch das Spiegellicht und legte dem an einer geschwulst-artigen Verhärtung im Leibe leidenden Bauer eine magnetisierte Flasche Wasser auf die kranke Stelle.

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Damals bediente sich Mesmer zur Verstärkung seiner magnetischen Kraft noch zahlreicher künstlicher Ma-gnete und der Elektrisiermaschine, die er später gänz-lich beiseite ließ, da er feststellte, daß er die ganze nö-tige Kraft in sich selbst besaß und daß sich diese mit der häufigen Anwendung in der Praxis immer mehr entwickelte. Die Krisen, die er in Rohow hervorrief, waren noch sehr heftige. Im weiteren Verlauf der Entwicklung ist er zur Hervorrufung milderer For-men übergegangen, ohne daß dadurch dem Patienten ein Nachteil für die Ausheilung entstanden wäre. Er hat eingesehen, wie wichtig es ist, der jeweiligen Si-tuation immer ganz Herr zu sein. Es hat sich bestä-tigt, daß die Krisen in der Behandlung immer schwä-cher werden und mit der Wiederherstellung der Ge-sundheit ganz verschwinden.

Endlich ist das überflüssige Dazwischentreten von Dr. Ungerhoff typisch für die Haltung von vielen Ärzten, die sich nicht die Mühe nehmen, etwas Neues unvoreingenommen mit richtigen Augen anzusehen. Mit Neid, Mißgunst und Überheblichkeit im Herzen kann auch ein hochgelehrter Mann völlig blind an der größten Offenbarung vorbeigehen.

Es gibt mehr Ding' im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit sich träumt.

(Shakespeare, Hamlet i. Aufzug, 5. Scene)

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4- Reise nach Süddeutschland. München. Gutachten über Gaßner. Der Fall Paradis. Wegzug von Wien

(1775 bis Januar 1778)

Nach seiner Rückkehr aus Ungarn blieb Mesmer nicht lange in Wien. Freunde und Geschwister erwar-teten ihn in der Heimat und so reiste er im Juli 1775 nach dem Lande seiner Kindheit an den Bodensee. Ein Jahr zuvor war im Pfarrhaus von Stahringen, wo Mesmers Bruder Johann als Ortsgeistlicher seines Amtes waltete und eine Schwester ihm den Haushalt führte, eben diese Schwester an schwerer Hysterie und Gicht erkrankt. Der aus Radolfzell herbeigerufene Arzt und Chirurg Rehmann bemühte sich umsonst, mit seiner Kunst zu helfen. Die heftige Krankheit, die sich in Erbrechen, schwerer Atemnot, abwechs-lungsweisem Schreien, Singen und Toben, bald in Schwitzen, dann wieder in Erkalten äußerte und mit Stunden anscheinender Gesundheit wechselte, in de-nen die Jungfer Schwester sich ihrer Anfälle nicht er-innern konnte, nahm immer mehr überhand. Es brei-tete sich auch über Ober- und Unterleib eine große Geschwulst aus. «Bey diesen Umständen bliebe mir nichts übrig, als daß ich mich an den Herrn D. Mes-mer zu Wien wendete, welchem ich den dreyviertel-jährigen hülflosen Zustand von der Kranken um-

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ständlich berichtete und ihn um die berühmte Magneta von verschiedenen Formen bittlich angegangen, wel-chen gleich die Menschenliebe dahin gebracht, daß er solche nicht nur bald überschickt, sondern hat mir seine besondere Methode, damit zu handeln, anbey geoffenbaret. Gleich bey dem Empfang habe ich selbe nach der Vorschrift aufgebunden. Den zweyten Tag nach der Applicatur hat er angefangen zu wirken und zwar dermaßen, daß die schon beschriebene und be-dauernswürdige Zufälle gleich höher gestiegen, und drey Wochen lang, von Tag zu Tag, mehr zugelegt, bis endlich nach vier Wochen der Magnet aufgehört, zu wirken und die Kranke von ihren beweinungswür-digen Umständen der Gichtern vollkommen frey ge-sprochen worden... Von nun an befindet sie sich wohl und gesund1.»

Diese mit Erfolg zu Ende geführte Kur war noch in aller Mund als Mesmer selbst erschien. Aus den zahlreichen Berichten jener Tage läßt sich leicht ein Bild von dem großen Aufsehen gewinnen, das Mes-mers persönliche Anwesenheit in jenen Gegenden und weit darüber hinaus auszulösen imstande gewe-sen war. In der Hurterischen Zeitung, Schaffhausen, und in der Post- und Ordinari Schaffhauser Samstags-

1 Sammlung der neuesten gedruckten und geschriebenen Magnet-kuren, vorzüglich der Mesmerischen. Leipzig 1778.

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Zeitung vom 29. Heumonat 1775 erschien eine Notiz: «Da Herr Doctor Mesmer aus Wien sich in hiesigen Gegenden befindet, und zwey bis drey Wochen auf-zuhalten willens ist, so glaubt man seinen Correspon-denten, besonders aber denjenigen, so sich seines Rathes und Hülfe durch die Magnet-Cur bedienen wollen, einen angenehmen Dienst zu erweisen, wenn man hiermit bekannt macht, daß die an ihn binnen dieser Zeit zustellenden Briefe nach Stockach zu adressieren seyen.» In Nummer 63 der Post- und Ordinari Schaffhauser Mittwochs-Zeitung vom 9. Augstmonat 1775 war folgender anschaulicher Be-richt «Vom Bodensee, vom 4. Augstmonat» zu lesen: «Der durch die Entdeckung verschiedener neuer Würkungen des Magnets, und besonders des thieri-schen Magnetismus berühmte Herr Doctor Mesmer von Wien ist in diesen Gegenden angekommen. Er beweiset sein System durch die wunderbare Gewalt, die er über alle Menschen ausübt, bey denen der Ner-vensaft in einiger Unordnung ist. Durch bloße Be-rührung der Hände der Patienten macht er den Epi-leptischen ihre Paroxismos kommen, bringt Empfin-dung in paralytische Glieder, erregt Ohnmächten, Schwindel, Zittern, Magenkrampf und andere hyste-rische und convulsivische Symptomen, ja er erwecket diese Erscheinungen sogar ohne Berührung in der

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Entfernung von mehreren Schritten, und sogleich als er seine Hände zurücke zieht, läßt auch das Übel nach. Diese Erscheinungen hat er sonderbar zu Mörspurg, wo er sich einige Tage aufgehalten, in Gegenwart verschiedener Hof-Cavaliers und anderer ansehnli-cher Personen, zu jedermanns Erstaunen an verschie-denen Patienten gezeiget. Herr Mesmer eignet diese bewunderungswürdige Kraft keinem Geheimnis, oder seiner Person allein zu. Alle Menschen sind nach seinem System mehr oder minder magnetisch; ge-wöhnlicher Weise aber sind es die eines melancholisch oder cholerischen Temperaments am meisten; daher auch diese die gleiche Kraft, wie er selbst, besitzen. Wenn nun auch die Curen, die Herr Mesmer unter-nommen, unserer Erwartung entsprechen, so ist seine Erfindung nicht allein wunderbar, sondern eine große Wohltat für die Menschheit.»

In Espensingen heilte Mesmer in vierzehn Tagen ein sechzehnjähriges Mädchen, das fast täglich furcht-bare Anfälle von Epilepsie hatte und eine ähnliche günstige Heilung gelang ihm bei einem Mädchen von Eglishofen. Auffallend ist bei diesen Fällen, daß beide Mädchen während der Behandlung einen anormal ge-steigerten Geruchsinn bewiesen, indem die eine alles, was magnetisch war, schon von weitem zu riechen vermochte, während die andere bloß durch den Ge-

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ruch jeden Finger unterscheiden konnte, mit welchem man einen Magnet berührt hatte. Nach der Wieder-herstellung der Gesundheit verlor sich bei beiden Pa-tientinnen diese starke Sensibilität.

In der Reichenau rief man ihn zu einem kleinen zehnjährigen Mädchen, das seit einem Jahr an beiden Füßen lahm war. Nach einem «Brief aus dem Hegau vom 20. November 17751 verlor sie anfänglich die Stimme, endlich auch die Sprache und das Schlucken ward ihr nach und nach so beschwerlich, daß sie nichts als flüssige Sachen genießen konnte. Darzu kam ein konvulsivisches Hin- und Herbewegen des Unterleibes, welches endlich den Oberleib oder Kopf mit ergriff und selben jede Minute bis 80 mal von einer Seite zur andern warf. Diese gewaltsame Bewegung dauerte, so lange das Kind wachte, ununterbrochen fort. Die Kräfte nahmen zusehends ab . . . Wirklich war es der neunte Tag, da sie ohne alle Speis und Trank als ein Gerippe dalag, als Herr Mesmer in un-serer Insel ankam. Er versuchte an der Patientinn un-verzüglich eine magnetische Operation von zwey Stunden. Gleich des andern Morgens brachte der Vater des Kindes die Nachricht, daß es zu essen ver-lange . . . Die Cur ward mit vieler Genauigkeit fortge-

1 Anhang von einigen Briefen und Nachrichten die D. Mesmeri-sche Kurart betreffend. 1776.

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setzt und die Kranke erholte sich von Tag zu Tage. . . Es ist bereits bey drey Monate, daß die Genesung an-hält. Das Kind ist fetter und heiterer als jemals zuvor. Eine kleine Heiserkeit der Stimme und Schwäche der Füße sind noch die einzigen Überbleibsel ihrer ehemali-gen schrecklichen Krankheit... Bei dieser Magnetcur wurde kein Magnet als der thierische angewendet.»

In Genf war Dr. med. de Harsu seit fünf Jahren am unteren Teil der Füße ganz lahm. Dies verursachte ihm besonders zur Winterszeit in Füßen und Schen-keln heftige Schmerzen. Auf Grund des Artikels in der Post- und Ordinari Schaffhauser Mittwochs-Zei-tung vom 9. Augstmonat, den wir zitiert haben, wandte sich Dr. de Harsu an Mesmer, der ihm mit der «gütigsten Offenherzigkeit alle zur magnetischen Kur nötigen Anleitungen» und die erforderlichen Magnete schickte. Im Herbst 1775 konnte er Mesmer schon mit Befriedigung eine wesentliche Besserung1

mitteilen. Aus weiteren Berichten von Dr. de Harsu2

ist schließlich seine gänzliche Wiederherstellung zu entnehmen, so daß er seinen ärztlichen Beruf wieder voll ausüben konnte und seither ein treuer Anhänger des Magnetismus wurde.

1 Fortsetzung der Schreiben die Mesmerischen Magnetkuren be-treffend. Augsburg 1777.

1 Journal encyclopédique. Paris 1776.

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Die Kunde von Mesmers erfolgreicher Heilkunst war schließlich bis zum bayrischen Kurfürsten Max Josef vorgedrungen. Dieser ließ ihn auf Empfehlung der von ihm gegründeten Akademie der Wissen-schaften nach München rufen, um von ihm sein Urteil über die Gaßnerschen Methoden der Teufelsaustrei-bungen zu vernehmen. Mesmer erfüllte auf seiner Rückreise den Wunsch des bayrischen Kurfürsten und stellte bei seiner Anwesenheit in München den Gaßnerschen Exorzismus seinem System und seinen Experimenten mit dem tierischen Magnetismus ge-genüber. In einem «Schreiben aus München1» erfah-ren wir darüber: «Allhier ist der durch seine magneti-schen Kuren so berühmte Herr D. Mesmer auf seiner Rückreise nach Wien angelangt, woselbst er die höchste Gnade gehabt, in Gegenwart Sr. Churfürstl. Durchlaucht einige Versuche des thierischen Ma-gnetismus mit glücklichem Erfolge zu zeigen.

i. Hat er durch bloßes Anrühren ohne Zuthuungeines Magneten verschiedene Symptomata in mehre-ren menschlichen Körpern hervorgebracht.

z. Diese hat er verschiedenemal ohne Anrührung,bloß durch Entgegenhaltung seines Zeigefingers wiederholet.

1 Anhang von einigen Briefen und Nachrichten die D.Mesmeri-sche Kurart mit dem Magneten betreffend, 1776.

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3- Hat man die magnetischen Effluvia in Gestalt eines zuweilen warmen, zuweilen kalten Windes, aus seinem auf einen entgegen gesetzten Finger deutlich gespüret.

4. Diese Effluvia durchströmten unverhindert undununterbrochen verschlossene Thüren und dicke Mauern.

5. Sie wurden auch von dem Spiegel reflectirt; dasist, wenn der Körper einmal mit dem Magnetismo stark impregnirt worden, so hat z.B. der Finger, so gegen den Spiegel in einer nicht gar großen Entfer-nung gehalten wurde, den zurück geprallten Strom des Magnetismi deutlich gespüret.

6. Diese Effluvia wurden in einem Abstände von10 und mehr Fuß mittelst eines Stockes oder Rohrs, dessen man sich im Gehen zum Aufstützen zu bedie-nen pflegt, fortgepflanzt, auch wenn man einen Kör-per e. g. dazwischen gehalten hat.

7. An R.P.Kennedy, beständigen Secretair derchurfürstl. Akademie hat Herr D. Mesmer ein con-vulsivisches Zucken, so ihn je zuweilen zu überfallen pflegt, durch bloßes Entgegenhalten seines Fingers, so oft und anhaltend als er gewollt, erreget, und auch wider gestillet: so, daß Herr P.Kennedy den Herrn Doctor bitten müssen, diesem Scherze ein Ende zu machen.»

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Der Kurfürst ließ sich durch Mesmer von der Rich-tigkeit seines auf natürlichen Ursachen und Wirkun-gen fußenden Magnetismus überzeugen und er-nannte ihn am 28. November 1775 zum Mitglied sei-ner Akademie1.

Der Exorzismus wurde in Bayern verboten und die Exorzisten des Landes verwiesen.

Mesmer aber hatte in München Freunde für seine Lehre gewonnen und zum ersten Mal die ersehnte Anerkennung seines Heilsystems durch eine Akademie erlangt. Als er im Dezember 1775 nach Hause fuhr, hatte er immerhin ein Jahr großer praktischer Erfolge hinter sich, die ihn mit Vertrauen und Überzeugung für die gute Entwicklung seines Magnetismus erfüllten.

Im kommenden Jahr (im Juni 1776) reiste Mesmer nochmals nach Bayern, wo ihm die Heilung des bayri-schen Geheimen Rates Peter von Osterwald, der seit vielen Jahren an einer bemühenden Sehschwäche, an Magenkatarrh, einem Leistenbruch und Hämorrhoi-den gelitten hatte, gelang2. Nach dem Zeugnis Oster-

1 Wolfart, Erläuterungen zum Mesmerismus. Berlin 1815. 2 Brief Osterwalds an Brander, Augsburg, in: Fortsetzung der

Schreiben die Mesmerischen Magnetkuren betreffend, Augsbg. 1777. In der Hurterischen Schaffhauser Zeitung No. 74 vom 16. Herbst-

monat 1775 erschien folgendes Avertissement: «Es wird hiermit be-kannt gemacht, daß alle Arten von Magneten zu den Magnet-Curen des Herrn Doctor Mesmer bey Herren Brander und Höschel, Me-chanicis in Augspurg zu haben sind.»

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walds machte «Herr D. Mesmer dermalen seine mei-sten Kuren ohne alle künstlichen Magnete durch blo-ßes, theils unmittelbares, teils mittelbares, auch an-haltendes und wiederholtes Berühren der leidenden Teile...»

In diesem Brief wird weiter berichtet, daß in der Kur zu Maria Brunn neben ihm (v. Osterwald) ein italienisches Frauenzimmer war, das außerordentlich unter ihrer Melancholie, Appetit- und Schlaflosigkeit zu leiden hatte. «Die Extremitäten ihres Körpers, son-derlich Hände und Füße, waren wie todt, worinn kein Umlauf des Geblüts mehr zu spüren war. Die ganze Heilekunst wußte hier nicht zu helfen. Die Magnetkur des Herrn D. Mesmer schlug ihr so gut an, daß sie nach 3 Wochen vollkommen gesund das Bad verlassen konnte.»

In Anerkennung dieser erstaunlich erfolgreichen Kur schenkte die Kurfürstin von Sachsen Mesmer eine mit Brillanten besetzte goldene Uhr samt Kette.

Auf die vielen Bitten des genesenen und sich seiner wiedergekehrten Gesundheit erfreuenden Herrn von Osterwald begleitete ihn Mesmer auf dessen Land-haus bei München. Wieder hatte Mesmer Gelegenheit, seinen Magnetismus mit schönstem Erfolg anzuwen-den, indem er eine Dame von ihren seit langem be-stehenden furchtbaren Magenkrämpfen befreite und

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ein fünf Wochen altes Knäblein, das mit hartnäckiger Verstopfung und Kopfreißen befallen und mit einem Kropf am Halse von der Größe eines kleinen Hühner-eies auf die Welt gekommen war, vollständig heilte.

Osterwald war von diesen glücklich verlaufenen Kuren begeistert. Er schrieb darüber in seinem Brief an Brander in Augsburg1: «Durch die Erfindung sei-ner Heilmethode will Mesmer im Stande seyn, den größten Theil aller sonst unheilbaren Krankheiten zu heilen. Das, was er allhier bey verschiedenen Krank-heiten mit der nämlichen Methode geleistet hat, macht auch dieses sehr wahrscheinlich und läßt vermuthen, daß er der Natur eines ihrer geheimsten Triebwerke ab-gesehen habe, welches bisher den größten Naturkun-digen verborgen geblieben ist. Wenigstens bin ich von dem Daseyn einer subtilen Materie, die sich von allen andern bekannten unterscheidet, und von ihrer Wirkung auf die Nerven ebenso gewiß, als ich es von der Sonne bin.

Ich halte dafür, daß cordate und verständige Medici sich vielmehr bemühen sollten, dem menschlichen Geschlechte zum besten, diesen Magnetismus oder was es auch ist, durch sorgfältige Untersuchungen und Beobachtungen zu prüfen und kennen zu lernen,

1 Fortsetzung der Schreiben die Mesmerischen Magnetkuren be-treffend. Augsburg 1777.

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als ein Ding, das sie weder verstehen noch kennen, durch ausgesuchte Widersprüche a priori zu ver-werfen . . .

Ich fürchte nur, daß durch dergleichen schmäh-süchtiges Betragen und voreiliges Verachten diese wichtigste Entdeckung, woran dem ganzen mensch-lichen Geschlechte so viel gelegen ist, schon in ihrer Geburt ersticket und wiederum gänzlich verlohren gehen möchte...»

Als Mesmer wieder in Wien war, wollte er sich auch dort die Anerkennung durch seine Fachkollegen sichern. Er wollte zu diesem Zweck schwer heilbare Kranke bei sich aufnehmen, die er durch eine auffal-lende Kur gleichsam vor den Augen der Öffentlich-keit heilen würde. Nach seinem eigenen Zeugnis1

wählte er sich zu diesem Zweck unter anderen Kran-ken das Fräulein Paradis aus.

Dieses war seit ihrem 4. Lebensjahr blind. Die be-rühmtesten der damaligen Ärzte hatten sie seitdem behandelt, doch ohne jeden Erfolg. Paradis galt des-halb als unheilbar blind.

Fräulein Paradis war die Tochter des Sekretärs der Kaiserin Maria Theresia. Sie galt als musikalisches Wunderkind und war der Liebling und das Patenkind

1 Mesmer, Kurze Geschichte des thierischen Magnetismus bis April 1781, Carlsruhe 1783.

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der Kaiserin. Sie erhielt eine sorgfältige Erziehung und wurde bald durch ihr frühes Auftreten als ge-feierte Sängerin und Pianistin stadtbekannt. Es er-regte deshalb nicht geringes Aufsehen, als der für seine Magnetkuren ebenfalls bekannte Doktor Mes-mer die achtzehnjährige, blinde Künstlerin in seine private Klinik aufnahm.

Was den bekanntesten Ärzten in jahrelangen Be-mühungen nicht gelungen war, bei Mesmer schien sich das Wunder einer Heilung zu vollziehen. Schon bald stellten sich deutliche Anzeichen der wiederkeh-renden Sehkraft ein. Paradisens Vater veröffentlichte, wohl auf Mesmers Wunsch, über die Vorgänge dieser Kur einen Aufsatz, der aufschlußreich den Kampf um das wiedererweckte Gesicht der jungen Künstlerin darlegt:1

«Nach kurzer kräftiger magnetischer Behandlung Herrn Dr. Mesmer's fing sie nun an, die Contours der ihr vorgestellten Körper und Figuren zu unterschei-den. Der neue Sinn war aber so empfindlich, daß sie diese Dinge nur in einem sehr dunkeln, mit Fenster-läden und Vorhängen wohlverwahrten Zimmer erken-nen konnte. Wenn man bei ihren, obschon mit einer fünffach übereinandergelegtenBindeverhülltenAugen mit einem angezündeten Lichte nur flüchtig vorüber-

1 J.Kerner, Franz Anton Mesmer, Frankfurt 1856, S. 62ff.

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fuhr, so fiel sie, wie vom Blitze gerührt, schnell zu Boden. Die erste menschliche Figur, die sie erblickte, war Herr Dr. Mesmer. Sie betrachtete ihn und die ver-schiedenen schwankenden Bewegungen seines Kör-pers, die er vor ihren Augen, sie zu prüfen, machte, mit vieler Aufmerksamkeit. Sie entsetzte sich einiger-maßen darüber und sprach: ,Das ist fürchterlich zu sehen! Ist das das Bild des Menschen?' Man führte ihr auf Verlangen einen großen Hund im Hause vor, der sehr zahm und immer ihr Liebling war. Sie besah ihn mit gleicher Aufmerksamkeit. ,Dieser Hund', sagte sie hierauf, ,gefällt mir besser als der Mensch, sein Anblick ist mir wenigstens weit erträglicher'. Vorzüglich waren ihr die Nasen in den Gesichtern, die sie sah, sehr anstößig. Sie konnte sich darüber des Lachens nicht enthalten. Sie äußerte sich darüber fol-gendermaßen: ,Mir kommt es vor, als wenn sie mir entgegen droheten und meine Augen ausstechen woll-ten'. Seitdem sie mehrere Gesichter gesehen, gewöhnte sie sich besser daran. Die meiste Mühe kostet es, sie die Farben und die Grade der Entfernung kennen zu lernen, da sie in Absicht auf den neugeschaffenen Sinn des Gesichtes eben so unerfahren und ungeübt, als ein neugeborenes Kind ist. Sie irret sich nie in dem Abstand einer Farbe gegen die andere, hingegen ver-menget sie deren Benennungen, besonders, wenn man

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sie nicht auf die Spur führet, Vergleichungen mit Far-ben anzustellen, die sie schon kennen gelernt hat. Bei Erblickung der schwarzen Farbe erklärte sie, das sei das Bild ihrer vorigen Blindheit. Diese Farbe erreget auch immer bei ihr einen gewissen Hang zur Melan-cholie, der sie während der Kur oft ergeben war. Sie brach in dieser Zeit vielfältig in plötzliches Weinen aus. So hatte sie einmal einen so heftigen Anfall, daß sie sich auf ein Sopha warf, mit den Händen rang, die Binde abriß, Alles von sich stieß und unter jäm-merlichen Klagen und Schluchzen sich so verzwei-felnd gebährdete, daß Madame Sano oder sonst jede andere berühmte Actrice kein besseres Muster zur Vor-stellung einer durch den äußersten Kummer geäng-stigten Person hätte abnehmen können. Nach weni-gen Augenblicken war diese traurige Laune vorüber und sie nahm ihr voriges gefälliges und munteres Wesen gleich wieder an, obschon sie bald darauf in den nämlichen Rückfall auf das neue gerieth. Da in den ersten Tagen des sich verbreiteten Rufes von ihrem Wiedersehen ein starker Zulauf von Verwand-ten, Freunden und von den vornehmsten Standes-Personen geschah, so wurde sie sehr unwillig darüber. Sie äußerte in ihrem Unmuthe sich einsmals gegen mich:,Woher kommt es, daß ich jetzt mich weniger glücklich finde, als vormals? Alles was ich sehe, ver-

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ursachet mir eine unangenehme Bewegung. - Ach in meiner Blindheit bin ich weit ruhiger gewesen.' Ich tröstete sie mit der Vorstellung, daß ihre jetzige Be-wegung allein von der Empfindung der fremden Sphäre herrühre, darinn sie schwebe. Die neue We-senheit, worin sie sich durch das wieder erhaltene Augenlicht versetzet fände, müsse notwendig eine nie gefühlte Unruhe in ihr erregen. Sie werde aber so ge-lassen und so zufrieden, als Andere werden, so bald sie des Sehens mehr gewohnt sein würde. ,Das ist gut', antwortete sie, ,denn sollte ich immer bei Ansichtwer-den neuer Dinge, eine der jetzigen gleiche Unruhe empfinden, so wollte ich viel lieber an der Stelle zur vorigen Blindheit zurückkehren'. Sie hatte verschie-denemale Anwandlungen von Ohnmächten, beson-ders, wenn ihr nahe Verwandte oder sonst vertraute Freundinnen vorgestellt wurden. Ein gleiches geschah bei dem Anblick der Abbildung von ihren zwei On-keln, die beide Kaiserlich-Königliche Offiziere sind und gegen welche sie immer die zärtlichste Neigung getragen hat. Sie fuhr mit der Hand über die Züge der Gesichtsbildung, zog aber selbe verwundert zu-rück, da ihr die Hand am glatten Glase abglitschte. Sie glaubte nämlich, daß die gemalten Züge wirklich, wie an lebenden Personen, erhaben seien. Die hohen Modehauben der hiesigen Frauenzimmer, besonders

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die sogenannten ä la Matignon, findet sie ganz und gar nicht nach ihrem Geschmacke, obschon sie vor-mals in ihrer Blindheit selbst diesen Kopfputz gerne trug. Ihrer Meinung nach ist dieser neumodische Kopfputz unverhältnismäßig mit dem Gesichte, worin sie auch nicht ganz unfecht hat. Sie verlangte von einem anwesenden Frauenzimmer die Schleppe ihres Kleides zu sehen, wie sie im Gehen passe. Sie hatte aber eben so wenig Gefallen daran, als an den vorge-nannten Modehauben. ,Der Anblick dieser nachschlei-fenden Kleidung ist schwermüthig', sagte sie. So fremd sind überhaupt ihre Ausdrücke, wenn sie noch unge-sehene Dinge zuerst betrachtet. Da der neu empfan-gene Sinn sie in den ersten Stand der Natur versetzet, so ist sie ganz vom Vorurtheile frei, und benennt die Sachen bloß nach dem natürlichen Eindrucke, womit sie auf sie wirken. Sie urtheilet sehr wohl von den Gesichtszügen und schließt daraus auf die Gemüths-eigenschaften. Die Vorweisung eines Spiegels brachte ihr viel Verwunderung; sie konnte sich gar nicht darin finden, wie es zuginge, daß die Fläche des Spiegel-glases die Objekte auffangen und sie dem Auge wie-der vorstellen könne. Man führte sie in ein prächtiges Zimmer, wo sich eine hohe Spiegelwand befand. Sie konnte sich darin nicht genug satt sehen. Sie machte die wunderlichsten Wendungen und Stellungen vor

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demselben, besonders aber mußte sie darüber lachen, daß das im Spiegel sich zeigende Bild bei Annäherung ihrer Person gegen sie trat, hingegen bei ihrer Ent-fernung ebenfalls zurück wich. Alle Objekte, die sie in einer gewissen Entfernung bemerket, kommen ihr klein vor und sie vergrößern sich in ihrem Begriffe nach Maaße, als sie ihr näher gerücket werden. Da sie mit offenen Augen einen Bissen gerösteten Brodes in ihren Chocolade tauchte und damit zum Munde fuhr, schien ihr solcher so groß, daß sie ihn nicht in den Mund bringen zu können glaubte.

Man zeigte ihr an einem heiteren Abend durch die Fenster den gestirnten Himmel. Sie drang aber darauf, denselben in dem Garten frei zu besehen. Man mußte ihr nachgeben und sie auf die vor dem Gebäude lie-gende Terrasse des Gartens führen. Hier nun zeigte sich allen Anwesenden ein beweglicher Auftritt. Sie erhob stillschweigend ihre Hände hoch gegen den prächtig schimmernden Himmel, vermuthlich aus dem Innersten des Herzens ihm das feurigste stille Dank-gebet zuzusenden. Nach einigen Augenblicken rief sie aus: ,0 wie ernsthaft diese Sterne auf mich herabblik-ken! Prächtiger kann wohl Nichts in der Natur sein. Wenn man nirgends eine feurige Regung zur wahren Andacht gegen das obere Wesen empfindet, so muß es gewiß hier sein, hier unter dieser hellscheinenden

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Decke, wo ich jetzt stehe.' Sie wurde darauf zu dem Bassin geführet, welches sie eine große Suppenschüs-sel benannte. Die Spaliergänge auf beiden Seiten schienen ihr nebenher zu gehen und auf dem Rück-wege nach den Zimmern glaubte sie, das Gebäu käme ihr entgegen, woran ihr die beleuchteten Fenster be-sonders wohl gefielen. Des folgenden Tages mußte man, um sie zu befriedigen, sie beim Tageslichte in den Garten bringen. Sie besah alle Gegenstände wie-der aufmerksam, aber nicht mit so viel Vergnügen als am vorigen Abend. Sie nannte den vorbeifließen-den Donaustrom einen langen und breiten weißen Streif. Sie deutete genau die Orte an, wo sie den An-fang und das Ende vom Flusse sah. Die in einer Ent-fernung von etwa tausend Schritten jenseits des Flus-ses stehenden Bäume der sogenannten Praterau glaubte sie mit den ausgestreckten Händen berühren zu kön-nen. Da es ein heller Tag war, so konnte sie das freie Sehen im Garten nicht zu lange aushalten. Sie selbst verlangte ihre Augen wieder zu verbinden, weil die Empfindung des Lichtes ihrem noch schwachen Sinne zu scharf ist und ihr einen Schwindel verursachte. Ist sie nun wieder verbunden, so getraut sie sich ohne Führung keinen Schritt vorwärts zu thun, da sie doch vormals in ihrer Blindheit in dem ihr bekannten Wohnungszimmer ohne Jemandes Leitung ganz zu-

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versichtlich herumgegangen ist. Dieneue Zerstreuung der Sinne verursacht, daß sie beim Clavier schon mehr Nachsinnen anwenden muß, um ein Stück zu spielen, da sie vordem die schwersten Concerte mit der größ-ten Richtigkeit fortspielte und zugleich mit den Um-stehenden sich im Gespräche unterhielt. Mit offenen Augen wird es ihr jetzt gar schwer, ein Stück zu spie-len. Sie beobachtet alsdann ihre Finger, wie sie über die Claviere weggauckeln, verfehlet aber dabei die meisten Claves.»

Mesmer berichtet sicherlich wahrheitsgetreu und ohne jede Übertreibung1: «Ich brachte ihre Augen in die natürliche Lage, verschaffte ihr das Vermögen, sie nach Willkür zu bewegen. Ich verschaffte ihr das Ge-sicht wieder.»

Auf die wiederholten inständigen Bitten des Herrn Paradis begaben sich selbst die beiden Präsidenten der medizinischen Fakultät an der Spitze einer Deputation zu Mesmer. Nachdem sie sich davon überzeugt hatten, daß Mesmer der blinden Paradis das Gesicht wieder hergestellt hatte, drückte ihm Herr von Stoerk seine Genugtuung über eine so interessante Kur aus und zugleich auch sein Bedauern, daß er so lange gesäumt habe, die Wichtigkeit einer solchen Entdeckung durch

1 Mesmer, Kurze Geschichte des thierischen Magnetismus bis April 1781, Carlsruhe 1783.

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sein Beipflichten zu unterstützen. Dem Beispiel von Stoerks folgten mehrere andere Ärzte, indem sie sich von den Tatsachen überzeugen ließen.

Es kam zu Mesmer auch Herr Barth (1745-1818), Professor der Augenheilkunde. Er selbst hatte zwei-mal anerkannt, daß die Jungfer Paradis sehend ge-worden war. Dies hinderte diesen mißgünstigen Men-schen aber nicht, später im Publikum die Meinung zu verbreiten, daß die Paradis gar nicht sehe, weil sie die Namen von Gegenständen, die ihr gezeigt wurden, entweder nicht kannte oder verwechsle1.

Zu dem Verleumder Barth gesellte sich ein anderer Verleumder, Hofrat Dr. Jan lngen-housz (1730-1799), der auf ganz gemeine Art Mesmer zu täuschen ver-suchte und unbekümmert um die Wahrheit die irrig-sten Dinge über Mesmer und seine Entdeckung pu-blik machte und Mesmer zu schaden trachtete, wo immer er konnte.

Diese beiden Individuen gingen soweit, gegen Mes-mer jede Intrige anzuzetteln, um ihm die Paradis im kritischen Zustand ihres Sehvermögens zu entziehen, um dadurch die Heilung wieder rückgängig zu ma-chen und zu verhindern, daß die Geheilte dem Kaiser vorgestellt würde. Sie jagten dem Vater die Furcht

1 Sierke, Schwärmer und Schwindler zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts. Leipzig 1874.

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ein, seine Tochter würde das kaiserliche Gnadenge-halt verlieren, das dem blinden Patenkind ausgesetzt war und sie wußten es mit Raffinement fertig zu bringen, daß Herr Paradis seine Tochter von Mes-mer unausgeheilt zurückverlangte. Die Tochter wei-gerte sich. Doch ließ Herr Paradis nicht mehr nach. Er drang mit dem Degen in Mesmers Haus und be-reitete diesem und seiner eigenen, empfindlichen Tochter einen schändlichen Auftritt. Die unglück-liche Paradis wurde durch diese brutale, beschämende Tat ihres Vaters so sehr in die heftigste Erregung ver-setzt, daß sie sich erbrach, in Krämpfe und Wut-anfälle verfiel, die sich bei den kleinsten Erschütterun-gen, sogar beim Ton der Glocken, wiederholten, und schließlich erschöpft in den Zustand ihrer früheren Blindheit zurückfiel. Um sein unsinniges Vorgehen zu bemänteln, setzte Herr Paradis gegen Mesmer die empörendsten Verleumdungen in Umlauf1.

Der berühmte Freiherr von Stoerk wußte nichts Gescheiteres zu tun, als in diesem Moment Mesmer eine Verfügung zuzustellen, mit diesem Betrug ein Ende zu machen und das Fräulein Paradis ihrer Fami-lie zurückzugeben, falls dies ohne Gefahr geschehen könne.

1 Sierke, Schwärmer und Schwindler zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts. Leipzig 1874.

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Fräulein Paradis war aber nicht transportfähig und war in einen sehr schlimmen Gesundheitszustand ge-fallen, der den weiteren Aufenthalt in der Klinik Mes-mers notwendig machte. Sie wurde in fünf Wochen wieder hergestellt und kehrte am 8. Juni 1777 ins Elternhaus zurück.

«Am folgenden Tage schon erfuhr ich, daß seine Familie sich Mühe gäbe, in der Stadt auszubreiten, die Tochter sei immer noch blind und litte nach wie vor an Krämpfen... Man kann sich wohl denken, wie sehr ich von dem rachsüchtigen Bestreben meiner Gegner, mir zu schaden, und von der Undankbarkeit einer Familie, die ich mit so vielen Wohltaten über-häuft hatte, verstimmt werden mußte.1»

Mesmer wurde durch diese Begebenheit der Aufent-halt in Wien so verleidet, daß er beschloß, aus dieser vergifteten, undankbaren Atmosphäre wegzuziehen.

Da er auch aus Bayern von Anhängern Gaßners, die ihm sein Gutachten über Gaßner nicht verzeihen konnten, gehässige Briefe erhielt, war für ihn der Glaube, in deutschen Landen seine Entdeckung und seine Lehren zu Ehren und zu allgemeiner Anerken-nung zu bringen, zusammengebrochen und seine ein-zige Hoffnung wandte sich ganz dem Westen zu, nach

1 Sierke, Schwärmer und Schwindler zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts. Leipzig 1874.

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Frankreich, nach Paris. Dort wollte er es nochmals versuchen.

Seine Frau folgte ihm nicht nach Paris und starb, kinderlos, am 15.Mai 1790 in Wien.

/. Mesmer und sein Magnetismus in Paris. Hoffnungen und Enttäuschungen. Kampf um die Anerkennung und Ver-

breitung. Gutachten der Untersuchungskommissionen. (1778-17*6)

Nach kurzen Erholungsaufenthalten kam Mesmer im Februar 1778 nach Paris. Er mietete sich an der Place Vendome von den Brüdern Bourret ein schönes, vornehmes Haus und empfing dort bald zahlreiche Patienten und Gäste aller Bevölkerungsschichten, dar-unter sehr angesehene Herrschaften in höchsten Stel-lungen. Mesmer war durch die in ganz Europa be-kannt gewordenen Kuren bereits ein berühmter Mann und seine Ankunft in Paris hatte sich wie ein Lauf-feuer durch ganz Frankreich gemeldet und bot An-laß zu lebhaften Diskussionen über den umstrittenen Mann. Der Zulauf in seine schön eingerichtete Praxis wurde zusehends größer und der einsetzende «Silber-strom» reicher Einkünfte erlaubte ihm bald die Füh-rung eines großen Hauses.

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Seiner Vorliebe für Musik blieb er auch in Frank-reich treu. Die Glasharmonika hatte er mitgebracht und sein Spiel blieb in täglicher Übung. Als Gluck (1714-1787) zu den triumphalen Aufführungen seiner Oper «Iphigenie en Tauride» selbst nach Paris kam, war er oft ein liebgehaltener Gast Mesmers.

Mesmer war aber nicht nach Paris gekommen, um dort eine reiche Praxis zu führen, die ihm dazu den Genuß eines Lebens voll Annehmlichkeiten und Schönheit bot. In sich trug er die Hoffnung und fühlte die Verpflichtung, seine Entdeckung durch die zünf-tige Fachwissenschaft ernstlich geprüft und anerkannt zu sehen. Die Pariser Akademie hatte sein erstes Schreiben über die Magnetkur nicht beantwortet und er fühlte sich unsicher, sich geradewegs nochmals an diese stolze Körperschaft zu wenden. Er konnte es nicht verstehen, daß sie an seiner für die Menschheit so wichtigen Errungenschaft nicht aus eigenem Inter-esse Anteil nahm.

Unschlüssig begab er sich zu Professor Charles Le Roi (1726-1779), dem Direktor der Akademie der Wissenschaften und gewann den zuvorkommenden, alten Herrn, für ihn eine Lanze zu brechen. Le Roi nahm sich seiner liebenswürdig an und versuchte, die ihm von Mesmer unterbreiteten Theorien über sein System der Akademie vorzutragen. Er wurde jedoch

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von einer unerwartet feindlichen Stimmung über-schrien und in der Durchführung seines Vorhabens verhindert.

Nicht besser erging es Mesmer bei seinem Versuch, seine Entdeckung der königlichen medizinischen Ge-sellschaft der Ärzte vorzulegen.

Einzig die medizinische Fakultät anerbot sich, eine Kommission von Ärzten zur Überprüfung der Tätig-keit Mesmers einzusetzen. Doch mißtraute Mesmer, der sich durch das Verhalten der Akademie und der medizinischen Gesellschaft tief beleidigt fühlte, die-sem Vorschlag und lehnte das Angebot der Fakultät ab. Er traute den ihm zur Kontrolle anempfohlenen Ärzten die Fähigkeit nicht zu, in der vorgeschlagenen Weise sein System richtig bewerten und beurteilen zu können, das so himmelweit von ihrer bisherigen Pra-xis und Ansicht über Krankheit und Heilen verschie-den war.

Trotzdem war es Mesmer daran gelegen, für eine mögliche Verständigung nicht alle Fäden abzuschnei-den und machte den Gegenvorschlag, eine andere Kommission von 12 Ärzten zu bestimmen, die im Vorort Creteuil, wo Mesmer eine Art magnetischen Spitals eröffnet hatte, die neue Behandlungsweise ge-nau überprüfen konnte, ohne daß Mesmer in seiner übrigen Praxis gestört würde. Er verbat sich von die-

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ser Kommission allerdings ein schiedsrichterliches Ur-teil, weil er befürchtete, daß die von einer großen Ärztekommission beobachteten Kranken durch die Anwesenheit so vieler Ärzte abgelenkt würden und keine brauchbaren Resultate mehr liefern könnten.

Dieser Gegenvorschlag blieb denn auch unausge-führt.

Mesmer war durch das erlittene Mißgeschick tief unglücklich geworden. Er hatte durch sein System so vielen Kranken und Leidenden die Gesundheit wieder geschenkt und war fest davon überzeugt, die alte Heil weise durch seine Entdeckung um einen über-aus wertvollen Beitrag bereichert und vervollkomm-net zu haben und mußte nun gerade von den höchsten Stellen, die sich dieser Errungenschaften hätten freu-dig annehmen sollen, diese feindselige Verdammung hinzunehmen. Wir hören die Bitternis aus seinen spä-teren Worten1 :

«Es gibt in der Geschichte wenige Beispiele von einer Entdeckung, die, ihrer großen Wichtigkeit ohn-geachtet, so viele Schwierigkeiten sich auszubreiten und sich geltend zu machen gefunden hätte, als die Entdeckung einer bisher unbekannten Naturkraft, eines auf die Nerven unmittelbar wirkenden Agens,

1 Kernet, Mesmer, Frankfurt 1856. Mißkennung der Lehre Mes-mers und seine Gefühle hierüber.

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ohne das die Heilkunde noch im Entstehen geblieben ist. Dieses ist eigentlich das Lebensprincipium, wel-ches man als eine Substanz vergebens in den soge-nannten drei Reichen aufgesucht hat, und das ich sammt einer Theorie und deren Anwendung ,thieri-scher Magnetismus' genannt habe.

Zufolge dieser und mehrerer Entdeckungen und tieferer Ansichten über den Organismus der Natur und der Menschen erfand und übte ich eine neue Heilmethode aus.

Man hatte sich anfänglich den Fortschritten der-selben so hartnäckig entgegengesetzt, daß ich mich nach unausgesetzten Beobachtungen anstrengte, viele physische Kenntnisse zu vervollkommnen, zu berich-tigen und ein mechanisches System, dessen eine neue Heilkunde ein Bestandtheil sein sollte, zu bilden.

Der Ruf dieser Neuerungen brachte gar bald die Gelehrten wider mich auf, daß ich, vielem Wider-wärtigen zu entgehen, mich genöthigt fand, das Va-terland zu verlassen, und nach Frankreich zog, wo ich mit Recht die Nation für meine Wahrheiten emp-fänglicher glaubte. Einige Ärzte dieses Landes such-ten zwar gleich anfänglich das sogenannte Geheimnis, so sie als ein specifisches und verkäufliches Mittel an-sahen, in minder reinen Absichten durch List und Kunst mir zu entwenden. Als sie sich aber in ihrem

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Unternehmen getäuscht fanden, so kündigten sie mir förmlich die Fehde an, sie belegten mich mit den ihnen gewöhnlichen Titeln eines Charlatans und verboten den Ihrigen, bei Strafe des Ausschließens, mit mir nur Umgang zu pflegen...

Eine unbestrichene in Bewegung gesetzte Magnet-nadel setzt sich bloß zufälligerweise wieder in eine be-stimmte Lage, hingegen die bestrichene, vom Stoß bewegte wird nach verschiedenen dem Stoßen und der magnetischen Kraft proportionalen Schwingun-gen ihre erste Lage wieder finden und dann stille ste-hen. Eben so ungewiß wird, nach meiner ersten Vor-aussetzung, die einmal gestörte Harmonie organi-scher Körper wieder hergestellt, wenn es nicht durch ein allgemein wirkendes bestimmtes Principium ge-schieht, von dessen Dasein ich überzeugt bin. Dies allein kann diese Harmonie wieder in ihren natürli-chen Zustand versetzen. Man fand aber auch, daß Krankheiten bald ohne, bald beim Gebrauch der Arz-neimittel, bei verschiedenen Systemen, bei völlig sich entgegengesetzten Methoden oft gefährlicher, oft ge-hoben wurden. Diese Betrachtungen überzeugten mich vollends, es müsse ein allgemein wirkendes Prin-cipium in der Natur vorhanden sein, welches ohne unser Zuthun das verrichtet, was wir sehr unbestimmt der Kunst und der Natur zuschreiben. Dergleichen

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Betrachtungen entfernten mich nach und nach von der alltäglichen Straße. Ich unterwarf meine Ideen einer Erfahrung, die ich den genauesten Beobachtun-gen aller Arten von Krankheiten widmete, und hatte endlich das Vergnügen, die von mir vermutheten Grundsätze ohne Ausnahme bestätigt zu sehen.

Das System, welches mich auf die Entdeckung des thierischen Magnetismus leitete, war nicht die Frucht eines einzigen Tages. Nach und nach sammelten sich die Bemerkungen in meiner Seele, so wie sich die Stunden meines Lebens häuften. Nur meinem stand-haften Aushalten hab' ich die nöthige Herzhaftigkeit zu danken, mit der ich die Vorurtheile der Vernunft und Weltweisheit angriff, ohne eine Verwegenheit, wenigstens nach meinem Urtheil, zu begehen. Die Kälte, mit der man meine ersten Ideen, die ich öffent-lich bekannt zu machen wagte, aufnahm, setzte mich in Erstaunen, als wenn ich sie nicht vorausgesehen hätte. Freilich lachten die Gelehrten, vorzüglich die Ärzte, sehr zur Unzeit darüber, da mein System, noch von keinen Proben unterstützt, wenigstens immer eben so vernünftig scheinen mußte, als der größte Theil der ihrigen, welchen sie jederzeit den herrlichen Namen: ,Grundsätze' beilegen. Diese schlechte Auf-nahme bewog mich, meine Gedanken aufs Neue zu prüfen. Statt dabei zu verlieren, erhielten sie einen

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Grad von Evidenz. Und wirklich überzeugte mich alles, daß sich in den Wissenschaften außer den bisher angenommenen Grundsätzen noch andere entweder vernachlässigte oder nicht beobachtete, finden muß-ten. Immer sagte ich mir selbst: So lange die Grund-sätze der Wissenschaften falsch und ungewiß sind, werden die Bemühungen der herrlichsten Genie's un-fruchtbar für das Glück und die Aufklärung Anderer bleiben. Die Gelehrten pflegen mit unermüdeter Sorg-falt den großen Baum der Wissenschaften; allein sie beschäftigen sich immer mit dem äußersten der Äste, vernachlässigen aber die Wartung des Stammes. Oft verglich ich die Ärzte mit Reisenden, welche einmal von ihrer Straße abgekommen, sich immer weiter ver-irren, weil sie statt umzukehren und sich zurechtzu-finden beständig gerade forteilen.

Ein verzehrendes Feuer erfüllte meine Seele. Ich suchte die Wahrheit nicht mehr voll zärtlicher Nei-gung, ich suchte sie voll der äußersten Unruhe. Fel-der, Wälder und die entlegensten Einöden hatten al-lein noch Reize für mich. Da fühlt' ich mich näher bei der Natur. In der heftigsten Bewegung glaubte ich zuweilen, daß mein von ihren vergeblichen Lockun-gen ermüdetes Herz sie wild von sich stieße. O Natur, rief ich bei dergleichen Anfällen aus, was willst du von mir? Bald hingegen glaubte ich sie zärtlich zu

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umarmen oder voll der höchsten Ungeduld zu be-schwören, sie möchte doch meine Wünsche erfüllen. Zum Glück hatte meine Heftigkeit in der Stille der Wälder niemand als die Bäume zu Zeugen. Denn wahrlich ich muß einem Wahnsinnigen sehr ähnlich gesehen haben. Alle übrigen Beschäftigungen wurden mir verhaßt. Ein jeder Augenblick, den ich ihnen wid-mete, schien mir ein an der Wahrheit begangener Diebstahl zu sein. Ich bereute die Zeit die ich an-wandte, Ausdrücke für meine Gedanken zu suchen. Ich fand daß wir jeden Gedanken unmittelbar ohne langes Nachsinnen in die Sprache einzukleiden pfle-gen, die uns die bekannteste ist. Und da faßte ich den seltsamen Entschluß, mich von dieser Sklaverei los-zumachen. So gewaltig war meine Einbildungskraft gespannt, als ich dieser abstrakten Idee Wirklichkeit, - Einkleidung gab. Drei Monate dachte ich ohne Worte. Als sich dieß tiefe Nachdenken endete, sah ich mich voll Erstaunen um. Meine Sinne betrogen mich nicht mehr wie vorhin. Alle Gegenstände hatten für mich eine neue Gestalt. Die allergemeinsten Ver-bindungen der Gedanken schienen mir einer genaue-ren Untersuchung zu bedürfen und die Menschen so ausnehmend zum Irrthum geneigt, daß ich ein nie gefühltes Entzücken empfand, so oft ich unter allge-mein angenommenen Meinungen eine sonnenklare

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Wahrheit entdeckte. Denn dieß war für mich eine sel-tene Probe: daß Wahrheit und menschliche Natur nicht schlechterdings zwei unverträgliche Begriffe seien.

Unmerklich kam wieder Ruhe in meine Seele; denn ich war nun von dem wirklichen Dasein der von mir bisher so hitzig verfolgten Wahrheit völlig überzeugt. Freilich erblickte ich sie noch in der Ferne, noch in einige leichte Nebel gehüllt, aber ich sah doch deut-lich den Weg, der zu ihr führte und entfernte mich nicht mehr von demselben. So erwarb ich mir die Fähigkeit, die von mir vermuthete, nachahmende Theorie durch Versuche zu bestätigen, die wirklich eine, auf das schärfste durch Erfahrung bewiesene physische Wahrheit ist.

Nun stund mir noch eine lange, beschwerliche Reise durch das Reich der Meinungen anderer Menschen bevor. Ich sah die ganze gewaltige Strecke vor mir liegen. Doch dies schreckte mich nicht ab. Ich fühlte vielmehr die Nothwendigkeit, die Anzahl der Hinder-nisse dadurch zu vergrößern, daß ich mir's als die strengste Pflicht auferlegte, der Menschheit das un-schätzbare, meinen Händen anvertraute Gut in seiner vollen Reinheit so unverfälscht, als ich's von der Na-tur erhalten hatte, zu überliefern. Ich untersuchte auf's Pünktlichste die vorsichtigen Maßregeln, die ich er-greifen mußte, um es bei der Mittheilung vor aller

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Verfälschung zu bewahren und es an den Ort seiner wahren Bestimmung zu bringen. Aber eben diese Vor-sicht wurde von sehr vielen mißbilligt und man gibt mir ein sehr zweideutiges Betragen schuld, weil ich die Theorie von meinem System nicht bekanntmache. Und ich antwortete hierauf: ,Dies ist mir wirklich un-möglich'. Überzeugung, nicht Eigenliebe ist's, wenn ich versichere, daß ein Versuch von dieser Art unnütz, ja gefährlich sein würde. Sehnlich wünsche ich den Beweis davon ordentlich, deutlich und bestimmt ge-ben zu können; allein ich finde für meinen Gegen-stand keine bestimmten, eigentlichen Ausdrücke. Will ich mich verständlich machen, so muß ich Bilder, Ver-gleichungen, Annäherungen zur Hülfe nehmen und diese Sprache behält trotz allen genauen Berichtigun-gen noch immer tausend Unvollkommenheiten.»

Mesmer war nahe daran gewesen, Paris auf im-mer zu verlassen um anderswo sein Glück zu ver-suchen. Da machte er im Herbst 1778 die Bekannt-schaft des Doktors Charles d'Eslon (ca. 1750-1786), Professor an der medizinischen Fakultät und erstem Leibarzt des Grafen von Artois, des Bruders des Kö-nigs Louis XVI. Mesmer erkannte bald die feinen, vorurteilsfreien Qualitäten dieses Mannes und warb um seine Freundschaft. D'Eslon zeigte sich gegen Mes-mer und seine Forschungen sehr aufgeschlossen und

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vermochte ihn in Paris zurückzuhalten. Nachdem er sich von Mesmers Heilsystem vollkommen überzeugt hatte und es in eigener Praxis erfolgreich anzuwenden wußte, suchten sie gemeinsam neue Wege zu einer Verständigung mit der Fakultät. Was Mesmer in der Zeit seiner Einsamkeit als richtig an seinem System befunden hatte, sammelte er und brachte es zu Papier.

Im Frühjahr 1779 ließ er seine «Mémoire sur la dé-couverte du magnétisme animal» (Abhandlung über die Entdeckung des tierischen Magnetismus) erschei-nen, in der er sein System in 27 Lehrsätze, auf die wir noch zurückkommen werden, zusammenfaßte. Ohne etwas Wunderbares zu versprechen, wirbt er für die Anerkennung seiner Entdeckung. «Der tierische Ma-gnetismus ist gar nicht, was die Ärzte unter einem ge-heimen Mittel sich denken. Er ist eine Wissenschaft, welche ihre Gründe, Folgen und Sätze hat. Das Ganze ist bis auf diese Stunde unbekannt, ich gebe es zu. Aber eben deswegen wäre es widersprechend, mir Leute zu Richtern geben zu wollen, welche nichts von dem verständen, was sie zu beurteilen sich unter-fingen. Nicht Richter, Schüler muß ich haben. Eben darum geht meine Absicht dahin, von irgend einer Regierung öffentlich ein Haus zu erhalten, um darin Kranke in die Kur zu nehmen und wo man mit leich-ter Mühe, ohne fernere Unterstellungen besorgen zu

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dürfen, die Wirkungen des tierischen Magnetismus vollständig beweisen könnte. Dann wollte ich es über mich nehmen, eine bestimmte Anzahl von Ärzten zu unterrichten, und es der Einsicht derselben Regierung überlassen, wie allgemein oder eingeschränkt, wie schnell oder langsam sie diese Erfindung verbreiten wollte. Sollten meine Vorschläge in Frankreich ver-worfen werden, so würde ich es zwar ungern verlas-sen, allein es wird doch gewiß geschehen. Werden sie allerorten verworfen, so hoffe ich doch immer, ein Ruheplätzchen für mich zu finden. Eingehüllt in meine Rechtschaffenheit, sicher vor allen Vorwürfen meines Gewissens, werde ich rings um mich einen kleinen Teil der Menschheit sammeln, der ich so sehr allgemein nützlich zu sein gewünscht habe, und dann wird es Zeit sein, niemanden als mich selbst über das, was ich zu tun habe, um Rat zu fragen. Wenn ich an-ders handelte, so würde der tierische Magnetismus wie eine Mode behandelt werden. Jeder würde damit zu glänzen und mehr oder weniger, als wirklich ist, darin zu finden suchen. Man würde ihn mißbrauchen, und sein Nutzen würde in ein Problem ausarten, des-sen Auflösung vielleicht erstnach Jahrhunderten statt-fände.»

Auf diese Schrift Mesmers erfolgte ein Jahr später die Veröffentlichung der «Observations sur le magne-

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tisme animal» (Beobachtungen über den tierischen Magnetismus) durch Professor d'Eslon. Darin be-kennt sich der Verfasser überzeugt zum Magnetismus und gibt seiner Theorie in Anlehnung an Paracelsus und Mesmer folgende Begründung: «Wie es nur eine Natur, ein Leben, eine Gesundheit gibt, so gibt es auch nur eine Krankheit, ein Heilmittel und eine Hei-lung. Wenn die Aktion der Natur regelmäßig ist, so ist der Mensch gesund, setzen sich dieser Aktion Hin-dernisse entgegen, so strengt sich die Natur an, sie zu überwinden. Deshalb erfolgen Krisen, die bald heil-sam, bald schädlich sind, je nachdem der Erfolg glück-lich oder unglücklich für die Natur ausfällt. Jedem dieser Zustände haben die Ärzte einen Namen ge-geben und sie als ebenso viele Krankheiten erklärt. Der Wirkungen gibt es unzählige, aber die Ursache ist immer dieselbe. Alle auch noch so verschiedenen Heilmittel bewirken dasselbe, und man kann nicht anders als durch Erregung von Krisen heilen. Des-halb muß man Epileptikern die Anfälle hervorrufen, um sie zu kurieren. Der größte Vorteil des animali-schen Magnetismus ist in der Beschleunigung der Krise, ohne daß eine Gefahr für den Patienten be-steht.»

Am 18. September 1780 erschien d'Eslon in der Vollversammlung der medizinischen Fakultät und

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versuchte in einer Rede die Thesen seiner Schrift und die überragende Bedeutung der von ihm geprüften neuen Therapie dem Kollegium vorzulegen. Er be-gegnete aber schärfster Ablehnung. Die Fakultät fühlte sich durch sein Bekenntnis zu Mesmer, von dem die Mehrheit der Mitglieder nichts zu wissen wünschte, verletzt und erhob durch Roussel de Vau-zesme (1754-?) eine leidenschaftliche Anklage gegen ihn und den Mesmerismus. D'Eslons Verteidigung wurde nicht gehört und seine Vorschläge mit Ver-achtung abgelehnt. Er mußte es sich gefallen lassen, sich durch Stimmentzug auf ein Jahr von der Fakultät gemaßregelt zu sehen und erhielt die Androhung des Ausschlusses aus der Körperschaft, wenn er seine Schrift nicht widerrufe und sich nicht von Mesmers Magnetismus trenne.

D'Eslon war durch seine eigenen Erfolge vom festen Glauben an den heilwirkenden Magnetismus nicht mehr abzubringen. Durch Verhandlungen mit dem königlichen Leibarzt Dr. de Lassone versuchte er mit Mesmer nochmals eine ärztliche Untersuchungs-kommission zusammen zu bringen, doch gelang es ihnen nicht, sich über die wesentlichen Punkte zu einigen, so daß auch dieser letzte Versuch scheiterte. Mesmer beschloß darauf, Paris zu verlassen und teilte dies seinen Kranken mit, die darüber sehr betrübt

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waren. Davon erfuhr auch die Königin Marie An-toinette (geb. 1755, 16. Oktober 1793 guillotiniert), deren Hofdame, die Herzogin von Chaulnes, Mesmer erfolgreich behandelt hatte. Die Königin sandte ihren Minister Breteuil zu ihm, ließ ihm ein Jahresgehalt von 40 000 Livres unter der Bedingung anbieten, daß er drei Regierungsärzte in der Anwendung seiner Pra-xis unterrichte und versuchte ihn in Paris zurückzu-halten. Mesmer wollte aber außerdem bestimmte Zu-sicherungen der Regierung hinsichtlich der Anerken-nung des Magnetismus erlangen und da ihm der Mi-nister diese nicht im voraus geben konnte, beharrte der mißtrauisch gewordene Mesmer auf seiner Ab-reise.

Er reiste im April 1781 in Begleitung von mehreren Getreuen nach Spa und verfaßte dort unter dem Ein-druck der ungünstigen Pariser Erlebnisse zu seiner Verteidigung die «Kurze Geschichte des thierischen Magnetismus bis April 1781», die zuerst als französi-sche Übersetzung seiner Freunde unter dem Titel «Précis historique des faits relatifs au magnétisme animal jusques en avril 1781» noch gleichen Jahrs in London erschien und erst 1783 nach dem französi-schen Text wieder ins Deutsche übertragen wurde.

Während seines kurzen Aufenthaltes in Spa waren die Freunde des Magnetismus, die er in Paris zurückge-

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lassen hatte, nicht untätig geblieben. Allen voran ließ der Advokat Bergasse durch ganz Frankreich einen eindringlichen Aufruf ergehen, «um einen schändlich verfolgten Mann vor dem Schicksal zu schützen, das ihm der blinde Haß seiner Feinde bereitet habe». Er forderte jedermann auf, Vereine zu gründen, die Mes-mers Lehre und Praxis ausüben sollten. Diesem ge-schickten Aufruf war ein ungeahnter Erfolg beschie-den. Die Anmeldungen durch Interessierte strömten Bergasse vom ganzen Lande in überwältigenden Men-gen zu. Binnen kurzem wurden Beiträge von über 240 000 Franken gezeichnet. Es bildete sich in Paris eine Gesellschaft von 48 Personen. Vier Ärzte mel-deten sich für die Übernahme der mesmerischen Heil-methode und jeder bezahlte für die Einführung in den Magnetismus 400 Louis d'or und versprach absolute Verschwiegenheit über die ihm anvertrauten Geheim-nisse. Aus dieser Gründung entstand bald der «Orden der Harmonie», der sich in der Rue Coq Héron nieder-ließ und sich durch Zweigvereine auf verschiedene Provinzstädte und selbst nach Amerika verbreitete. Wir werden auf die Bedeutung dieser Institution noch zurückkommen.

Während Mesmers Abwesenheit von Paris hatte sich d'Eslon veranlaßt gesehen, nach seines Meisters Muster einen eigenen magnetischen Salon zu eröffnen.

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Da Mesmer nicht mehr zugegen war, ergoß sich die ganze Flut seiner zahlreichen Patienten zu d'Eslon in Behandlung, der seine Praxis nunmehr auf eigene Rechnung führte und dem es auch an therapeutischen Erfolgen nie fehlte. Auch er hatte sich schön einge-richtet und ließ seine Behandlungen mit Musik und Gesang begleiten. D'Eslons großer Erfolg erregte in Mesmer einen leidenschaftlichen und nachhaltigen Verdruß, der die gemeinsam kämpfenden Freunde von gestern in bittere Feindschaft entzweite und Mes-mer dazu trieb, gegen seinen Schüler auf Verrat und Wortbruch zu klagen und ihm vorzuwerfen, er kenne den richtigen Magnetismus gar nicht.

Mesmer sah sich veranlaßt, nach dreimonatiger Ab-wesenheit nach Paris zurückzukehren und dort seine eigene Praxis wieder zu eröffnen. Die Kranken kamen bald zahlreich wie noch nie zuvor. Die Massenbe-handlungen am Baquet nahmen immer größeren Um-fang an. Aus allen Kreisen meldeten sich täglich im-mer neue Kranke und solche, die es zu sein glaubten, dazu kamen viele Neugierige. Der Magnetismus war bereits zur Modetherapie von Paris geworden und be-mächtigte sich immer größerer Bevölkerungsmassen. Außer bei Mesmer und d'Eslon entstanden in der Stadt und auf dem Lande neue magnetische Heilstät-ten und die öffentliche Meinung für und gegen die

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sich rasch ausbreitende Heilkunst ereiferte und ent-zündete sich von Monat zu Monat heftiger.

Das Baquet diente zur massenweisen Magnetisie-rung von Patienten. Es war gewöhnlich ein mit Wasser gefüllter, großer Holzzuber, dessen Boden mit Eisen-feilspänen und zerstoßenem Glas bedeckt war und in

Magnetisches Baquet (Rückwärtige Umschlagszeichnung von Boeckmanns Archiv von 1787)

dem konzentrisch geordnete Flaschen standen. Durch die Decke des Zubers ragten rechtwinklig gebogene eiserne Konduktoren, die von den Patienten gehalten oder auf die leidenden Körperteile gerichtet wurden. Auf ein gegebenes Zeichen bildeten die Kranken die magnetische Kette, indem sie sich gegenseitig mit den Spitzen der Daumen und Zeigefinger berührten und so den Kontakt im gezogenen Kreise unter sich her-stellten. Mit wachsender Spannung und Erregung er-

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warteten sie das Erscheinen des Meisters. Durch die tiefverhängten Fenster drang spärlich gedämpftes Licht in den Raum, schwere Teppiche und Wandvor-hänge verschlangen die seltenen Laute und erhöhten das Schweigen und die Erwartung. Die Erregung und fieberhafte Spannung lag elektrisch in der Luft. An den Wänden hingen Spiegel, aus denen verwirrend die Szenen am Baquet in ihrem Doppelspiel schau-ten. Sonst war tiefatmendes Schweigen, nur hin und wieder von einem Seufzer unterbrochen. Auf einmal drangen vom Nebenzimmer herüber sanfte Akkorde des Klaviers, ein leichter Chor oder Mesmers Glas-harmonika, bald beruhigend, bald aufreizend, bis die Spannung gesättigt und zum Überlaufen geladen war. Endlich trat Mesmer herein, langsam, ruhig, ernst und durch die Kette der Kranken zitterte die erste sicht-liche Erregung. Mesmer trug oft ein langes lila- oder purpurfarbiges Seidenkleid wie ein Priester oder ein Magier und schritt langsam auf die schweratmende, bebende Kette zu, befragte leise den einen nach sei-nem Befinden, bestrich den andern mit seinem Ma-gnetstab, während er seinen Blick tief in die Augen des Patienten versenkte. Einen berührte er überhaupt nicht, sondern zog in einiger Entfernung von ihm Kreise und Striche in die Luft. Bald traf er einen Kran-ken, der bei seiner Berührung in eine Krise verfiel, zu

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schreien, zu stöhnen, zu schwitzen begann und also-bald brach oft plötzlich der Bann des erregten Schwei-gens. Die Krise sprang da und dort über. Hier wand sich ein Kranker in Krämpfen, dort begann ein hyste-risches Lachen, während sie an anderen Stellen der Kette zu schreien begannen. Die am heftigsten zu toben anfingen und schrien, wurden unauffällig in den Krisensaal geführt, wo sich Hilfskräfte des Mei-sters um ihre Beruhigung bemühten. Man sah in jeder Baquetbehandlung Kranke auf den Meister zueilen und sich für gesund erklären, andere, die ihn um ver-stärktes Magnetisieren baten oder ihm für die Hilfe auf den Knien dankten.

Die Räume an der Place Vendôme, obwohl sie nach Möglichkeit vermehrt worden waren, reichten bald nicht mehr aus, die vielen Kranken zu fassen. Mesmer sah sich gezwungen, in der Rue Montmartre das ge-räumige Hotel Bouillon als eigene große Klinik ein-zurichten. Volk und Adel strömten herbei und fünf Jahre lang hielt diese neue erfolgreiche Therapie die erhitzten Gemüter in steter Erregung. Das war für Mesmer eine Zeit des größten Erfolges. Entsprechend waren seine reichlichen Einnahmen, die ihm die Bil-dung eines stattlichen Vermögens erlaubten.

Mesmers Ruhm stieg noch als es sich herumsprach, daß er den schwerkranken königlichen Zensor und

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Präsidenten des Pariser Museums, Court de Gebelin, geheilt habe. Gebelin bedankte sich öffentlich für seine Heilung in seinen 1784 erschienenen «Lettres de l'auteur du monde primitif à Messieurs les souscrip-teurs sur le magnétisme animal». Da Gebelin jedoch bald darauf starb, erhoben sich viele haßerfüllte Geg-ner des Magnetismus und wollten Mesmer für den Tod verantwortlich machen. Die Sektion der Leiche zeigte aber eine so vollkommene Zerstörung der in-neren Organe, namentlich der Niere, daß keine Kunst der Welt dieses Leben länger hätte erhalten können. Es spricht gerade für den Magnetismus, daß er, auch wenn gar keine Heilungsaussicht mehr besteht, in vielen Fällen das Leiden der Sterbenden derart zu ver-mindern vermag, daß sie mit viel größerer Fassung und geringen Schmerzen dem letzten irdischen Schlaf entgegensehen.

Der Siegeszug Mesmers und seiner Therapie erreg-te viel Neid und Mißgunst. Nicht erfolgreich verlau-fene Kuren wurden grob ausgeschlachtet und die Spöt-ter und Witzvögel von Paris hatten Stoff in Hülle und Fülle. Im Theater wurde über «Les docteurs moder-nes» gelacht und satyrische Spottblätter über den Ma-gnetismus und seine Zuläufer waren überall zu sehen.

Eine für Mesmer in der Öffentlichkeit peinliche Situation entstand, als zur Fastenzeit 1784 in den Tui-

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lerien im Beisein derKönigin die junge blindeParadis, die Mesmer in Wien geheilt hatte, aber wieder erblin-det war, in einem Konzert auftrat. Mesmer war dazu eingeladen und konnte die Schadenfreude aus unge-zählten Bemerkungen aus nächster Nähe erfahren, die seine Kunst an diesem Beispiel herunterreißen wollte.

Die Regierung hatte lange der Entwicklung der ge-schilderten Verhältnisse von weitem untätig zuge-sehen. Endlich wollte sie über den Wert der neuen Heilart aufgeklärt sein. Durch einen Kabinettsbefehl vom März 1780 verlangte Ludwig XVI. von der Aka-demie der Wissenschaften die eingehende Prüfung des Magnetismus und seiner Möglichkeiten. Es wurden zu diesem Zweck Kommissionen ernannt, zu denen die Akademie den Physiker Benjamin Franklin (1706 bis 1790), den Astronomen Jean-Sylvain Bailly (1736 bis 1793), die Akademiker de Bory und Le Roy und den berühmten Chemiker Antoine-Laurent Lavoisier (1713-1794) als Mitglieder ernannte.

Die medizinische Fakultät beauftragte mit der Un-tersuchung die Ärzte Bovie, Majault, Sallin, d'Arcet und Joseph-Ignace Guillotin (1738-1814), den Er-finder der Guillotine; die Königliche Medizinische Gesellschaft die Ärzte Poisonnier, Desperrieres, Caille, Mauduyt, Andry und den hochgeschätzten Botaniker

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am «Jardin des plantes» Antoine-Laurent de Jussieu (1748-1836).

Zu Mesmers Enttäuschung und Erbitterung kamen die so bestellten Kommissionen nicht zu ihm, dem Entdecker, dem Meister, sondern sie gingen zu seinem Schüler d'Eslon und machten an dessen Baquet ihre Beobachtungen. Bald aber gingen sie dazu über, mit einzelnen seiner Kranken getrennt zu operieren. «Die Kommissäre kamen bald zu dem Urteil, daß die öffent-liche Behandlung nicht der Ort ihrer Erfahrungen werden konnte. Die Vielheit der Wirkungen ist ein Hindernis ersten Ranges ; man sieht zu viel Dinge auf einmal, um ein besonderes genau zu sehen. Außerdem könnten distinguierte Kranke, die zur Behandlung kommen, durch die Fragen belästigt werden. Ihre auf-merksame Beobachtung könnte sie genieren oder ihnen mißfallen und auch die Kommissäre selbst würden durch ihre Diskretion, die sie zu beachten haben, ge-niert. Sie haben also festgestellt, daß ihre beständige Anwesenheit bei der Behandlung nicht nötig sei, daß es genüge, wenn einige von Zeit zu Zeit kämen, um die ersten allgemeinen Beobachtungen zu bestätigen und um neue zu machen.1»

Diese Einstellung der Kommission war wenig ge-

1 Rapport des commissaires, chargés par le Roi, de l'examen du magnétisme animal. Imprimé par ordre du Roi. Paris 1784.

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eignet, positive Resultate zu zeitigen und den wahren Sachverhalt klarzustellen. Immerhin werden einige typische Merkmale der magnetischen Behandlung zur Kenntnis genommen, denn es heißt weiter im erwähn-ten Rapport (S. 8): «Nichts ist erstaunlicher als das Schauspiel der Konvulsionen. Wenn man sie nicht ge-sehen hat, so kann man sich keinen Begriff davon ma-chen, und wenn man sie sieht, so ist man gleichmäßig erstaunt sowohl über die tiefe Ruhe eines Teiles der Kranken, als über die Aufregung, welche die andern belebt, über die verschiedenen Zufälle, welche sich wiederholen und die Sympathien, welche sich geltend machen. Man sieht Kranke, welche einander bestän-dig aufsuchen und sich anlächeln, indem sie von dem einen zum andern stürzen, welche mit großer Be-stimmtheit sprechen und deren Krisen sich eventuell mildern. Alle sind dem unterworfen, welcher sie ma-gnetisiert; sie führen ein schönes Dasein in einem scheinbaren Schlummer, aber seine Stimme, ein Blick, ein Zeichen entreißt sie demselben. Man kann sich nicht enthalten, in diesen beständigen Wirkungen eine große Gewalt anzuerkennen, welche die Kranken be-wegt, sie beherrscht und deren Verwahrer der Ma-gnétiseur zu sein scheint.»

Dagegen wird im weiteren Verlauf des Textes die Existenz eines magnetischen Fluidums oder einer be-

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sonderen Kraft, die vom Magnetiseur ausgeht, nicht anerkannt, weil sich diese weder mit den eigenen Sin-nen, noch physikalisch feststellen läßt. Die Kommis-säre wehrten sich übrigens energisch gegen eine kon-sequente Selbstbeobachtung während ihren Unter-suchungen, weil sie befürchteten, sie könnten sich selbst beeinflussen. Der glückliche Verlauf einer ma-gnetischen Kur machte auf sie keinen Eindruck. Sie sahen darin keinen Beweis für die Wirkung des Ma-gnetismus.

Schließlich richteten sie sich bei d'Eslon ein Zim-mer mit Baquet ein, worin sie von d'Eslon wöchent-lich magnetisiert wurden, dabei aber ausdrücklich ver-sicherten, daß sie nichts spürten, auch war die Migräne eines Kommissions-Mitgliedes nicht zum Verschwin-den zu bringen. Sie kamen schließlich zur Feststellung, der ganze Magnetismus beruhe auf bloßer Einbildung. Es kam dann noch dazu, daß ein Kranker, dem man versicherte, man führe ihn zu einem magnetisierten Baum, obwohl der Baum, zu dem man ihn brachte nicht magnetisiert war, in eine Krise verfiel, so daß die Kommission den Magnetismus für reinen Unsinn hielt und sämtliche Wirkungen, sofern sie nicht ge-rade auf die direkte Berührung, das Reiben undDrük-ken an empfindlichen Stellen zurückzuführen seien, für Imagination und Nachahmungstrieb ausgab, wel-

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che Erscheinungen ihr als der Gesundheit sehr ab-träglich erschienen.

Nicht besser stand es um das Urteil der Kommission der königlichen medizinischen Gesellschaft, die sich außerstande sah, ein endgültiges Urteil über die Wirk-lichkeit des Magnetismus und seine Ursachen zu fäl-len1.

Gegen diese mangelhaften Gutachten erhob zuerst d'Eslon öffentliche Einsprache2. Er kritisierte darin, daß die Kommission auf physikalische Weise das Vor-handensein des magnetischen Fluidums habe feststel-len wollen, da doch kein einfaches Urprinzip der Na-tur und des Lebens von den Sinnen wahrgenommen werden könne. Ferner tadelte er die ganz ungenügende Beobachtung der Kranken. Sie hätten bei ihm doch oft gesehen und selbst bezeugt, daß viele Kranke durch das neue Verfahren geheilt worden seien und es seien törichte Ausflüchte, dazu zu sagen, daß oft die Natur allein die Krankheiten heile, da dies doch auch bei den nach der herrschenden Schulmedizin behan-delten Krankheiten der Fall sei. Er verwarf auch das

1 Rapport des commissaires de la société royale de médecine, nom-més par le Roi pour faire l'examen du magnétisme animal. Imprimé par ordre du Roi. Paris 1784.

a Observations sur les deux rapports de MM. les commissaires nommés par Sa Majesté pour l'examen du magnétisme animal. Paris 1784.

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vorgebrachte Argument, wonach die Kommission von der Wirkung des Magnetismus nichts gespürt habe, nachdem die volle Wirkung des Magnetismus sich doch nur am kranken Organismus zeige. Übri-gens hätten einige Mitglieder trotzdem zugestehen müssen, daß sie etwas gespürt hätten. Wenn man schon alles für bloße Einbildung halte, möge man doch sagen, was denn diese Kraft eigentlich sei. Viel-leicht sei die Wirkung der angenommenen Imagina-tion doch eben auf die Strömung eines magnetischen Fluidums zurückzuführen. Schließlich warf er der Kommission Widersprüche vor, da vor Jahresfrist die Ärzte Andry und Thouret von der Existenz eines sol-chen Fluidums überzeugt gewesen seien1.

Auch Mesmer protestierte in seinen «Lettres de M. Mesmer ä M. Vicq. d'Azyr (den bekannten verglei-chenden Anatom und ständigen Sekretär der König-lichen Gesellschaft der Medizin), ä MM. les Auteurs du Journal de Paris et ä M.Franklin» (Paris 1784) ge-gen das teilweise irreführende, oberflächliche Urteil der Kommission und verwahrte sich gegen die bei d'Eslon gezogenen Schlußfolgerungen auf sein Sy-stem. Hervier, ein durch Mesmer von schwerer Krank-

1 Andry und Thouret, Beobachtungen und Untersuchungen über den Gebrauch des Magnets in der Arzneikunst. Aus dem Französi-schen. Leipzig 1785.

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heit geheilter Doktor der Sorbonne unterstützte ihn darin in seinem «Lettre à Mr. Court de Gebelin sur la découverte du magnétisme animal. Pékin 1784.»

Gegen die Berichte der Kommission verhielten sich auch andere Ärzte ablehnend wie Jean-Louis Varnier1

und der Lyoner Wundarzt Jean-Baptiste Bonnejoy2, der eine Menge Widersprüche in den Rapporten auf-deckte und über 100 Zertifikate von Kranken, die d'Eslon geheilt hatte, beibrachte. Die Kommission hatte den königlichen Auftrag: «die von Herrn d'Es-lon durch den thierischen Magnetismus gemachten Kuren zu untersuchen», nie ernstlich auszuführen be-gehrt. Sie hatte Versuche nach eigenem Gutfinden durchgeführt und danach geurteilt, ohne sich um die vorliegenden Heilerfolge und die eigentliche Praxis d'Eslons überhaupt zu interessieren.

Im Kampf für den Magnetismus traten mit neuen befürwortenden Schriften der Anwalt Bergasse3, fer-ner der Lyoner Arzt Orelut4 und in Philadelphia Galart de Montjoye5 hervor, verlangten Anerkennung und

1 Mémoire pour M. Ch.L.Varnier contre les doyens et docteurs. 1785.

2 Bonnefoy, Analyse raisonnée des rapports des commissaires chargés par le Roi de l'examen du magnétisme animal. Lyon 1784.

3 Bergasse, Considérations sur le magnétisme animal ou sur la théorie du monde et des êtres organisés. A la Haye 1784.

4 Orelut, Détail des cures opérées à Lyon. 1784. 5 Montjoye, Lettre sur le magnétisme animal. Philadelphia 1784.

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gaben Zeugnis für die therapeutische Wichtigkeit des-selben.

Anderseits erhielten die Gegner des Mesmerismus durch die ablehnende Stellungnahme der vom König eingesetzten Untersuchungskommission neuen Auf-trieb. Auch ernstzunehmende einflußreiche Warner traten auf, die an maßgebenden Stellen auf die zahl-reichen Möglichkeiten des Mißbrauchs durch ge-wissenlose Charlatane und die sittlichen Gefahren hin-wiesen, denen sie die Patienten ausgesetzt sahen und verlangten die Verbietung dieser neuenHeilmethode1.

Gewiß konnte niemand Mesmer persönlich irgend eine Unkorrektheit zum Vorwurf machen. Aber die wache und einmal aufgereizte Phantasie bemächtigte sich der galanten Möglichkeiten und produzierte wil-lig eine Unmenge obszöner Darstellungen in Wort und Bild, die reißend Absatz fanden und dem An-sehen seiner Lehre schadeten.

Jetzt ging die medizinische Fakultät mit aller Schärfe gegen die dem Mesmerismus verfallenen Ärzte vor. 2i Mitglieder der Fakultät, die d'Eslon in der Praxis der neuen Heilkunde unterwiesen hatte und öffent-lich den Magnetismus praktizierten, mußten vor dem Fakultätsgericht erscheinen, wo ihnen der Entzug

1 A. Thouret, Recherches et doutes sur le magnétisme animal, Paris 1784 und unveröffentlichter Bericht Baillys an Louis XVI.

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ihres Arztpatentes angedroht wurde, wenn sie in Zu-kunft das Magnetisieren nicht sein lassen würden. 17 davon nahmen die geforderte Entsagung an, während 4 Tapfere sich dieser Forderung nicht unterzogen und sich von der Liste streichen ließen. Einer davon, Dr. Thomas d'Onglée, war mutig genug, sich wegen die-ser Vergewaltigung an die öffentliche Meinung zu wenden und dagegen zu protestieren1.

Jussieus Gutachten

Das Gutachten der königlichen medizinischen Ge-sellschaft war von einem Mitglied nicht unterzeichnet worden, das mit der untauglichen Art der Untersu-chung nicht einverstanden war und deshalb eigene, exaktere Wege dazu eingeschlagen hatte. Dieses Mit-glied war der berühmte Botaniker de Jussieu (1748-18 3 6). Er legte seine eigenen, unbeeinflußten Beobach-tungen in einer eigenen Schrift2 dar, die näher be-achtet zu werden verdient.

Jussieu stellte darin fest, daß er vom König zum Kommissär ernannt wurde, um die Lehre, das Ver-

1 D'Onglée, Rapport au public de quelques abus auxquels le mignétisme animal a donné lieu. Paris 1785.

2 Rapport de l'un des commissaires chargée par le Roi de l'examen du magnétisme animal. Paris 1784.

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fahren und die Wirkungen des animalischen Magne-tismus bei Herrn d'Eslon mitzuprüfen. Der Bericht seiner Mitkommissäre «wurde von mir aus Motiven nicht unterzeichnet, von welchen ich hier Rechen-schaft gebe, damit man mir keine falschen andichte».

Der nun folgende Bericht dieses hervorragenden, verantwortungsbewußten Forschers ist so interessant und lehrreich, daß ich ihn in dem Auszug alles We-sentlichen, wie ihn Kiesewetter in seinem Mesmer-buch1 verwendet hat, hier ausführlich wiedergebe:

«Von unserer Kommission schien man nicht ein simples Urteil zu fordern, welches sich auf einige isolierte Tatsachen stützte, sondern eine gründliche Auseinandersetzung zahlreicher und mannigfaltiger Versuche, die fähig wären, die Sache selbst aufzuklä-ren und die Behörden wie das Publikum in ihrem Ur-teil zu leiten.

Die Freunde des Magnetismus nehmen eine große Kraft, ein allgemeines Fluidum an, das in der ganzen Natur existiert, welches in beseelten Körpern das Prin-zip des Lebens ist, sich anderen Körpern mitteilen kann und dadurch mehr oder weniger bemerkbare Effekte hervorbringt. -Diese Wirkungen setzen, wenn sie Tatsachen sind, eine bestimmte Aktion und ein tätiges Wesen voraus und können für den Körper, der

1 Franz Anton Mesmers Leben und Lehre. Leipzig 1893.

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sie empfindet, entweder nützlich, schädlich oder gleichgültig sein.

Der Hauptgegenstand der Tätigkeit der Kommis-säre mußte wohl dieser sein: Die Wahrheit der Tat-sachen zu bestätigen, deren unmittelbare Ursache auf-zusuchen und den medizinischen Nutzen derselben zu bestimmen. Wir haben bei d'Eslon einen Teil die-ser Wirkungen zu wiederholten Malen und unter ver-schiedener Gestalt unter unseren Augen entstehen sehen.

Das Baquet, dessen eiserne gekrümmte Stäbe gegen die Kranken gerichtet sind, eine Schnur, die sie ver-bindet, und ein kleiner Stab oder Konduktor sind die bekannten Werkzeuge der Magnetiseure, welchen diese die Eigenschaften beilegen, das in der Luft ent-haltene Fluidum zu konzentrieren, es jedem Indivi-duum mitzuteilen und von einem zum andern zirku-lieren zu lassen. Diese Aktion wird noch durch die eigentlichen magnetischen Behandlungen vermehrt, welche bald in Verbindung mit jenem Apparat, bald auch nur allein vorgenommen werden. Diese Be-handlung besteht im Reiben, in bloßer Berührung, in der Bewegung des Konduktors oder eines Fingers vor der magnetisierten Person. Unter den daraus ent-stehenden Wirkungen sind einige innerliche, wie zum Beispiel eine an dem Teil des Körpers empfundene

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Wärme, der mit den Stäben des Baquets in Berührung ist, oder des Wohlseins und Unwohlseins, welches durch die geschilderte Behandlung erregt wird. An-dere Wirkungen sind äußerliche und geben sich durch Gähnen, Feuchtigkeit, Schweiß, Tränen, Lachen, Un-ruhen, leichtere und schwerere Konvulsionen, Schlaf, Verlust der Sinne und Ausleerungen aller Art kund.

Man hat uns mit der Art und Weise des Verfahrens bekannt gemacht, so daß wir dadurch ähnliche Er-scheinungen hervorrufen konnten.

Einige von uns handelten selbst, andere begnügten sich, Zuschauer und Beurteiler zu sein. Die von uns selbst hervorgebrachten Wirkungen konnten nun nicht geleugnet werden; aber da sie nicht immer die nämlichen und mit unserer Art zu operieren überein-stimmend waren, so ließ sich eine veränderliche Ur-sache vermuten. Nach der Angabe der Verteidiger dieser Lehre ist die Ursache ein Fluidum, das in allen lebenden Körpern verteilt ist und durch alle Punkte der Oberfläche entflieht. Die Existenz desselben mußte bewiesen werden.

Physische Proben derselben konnte uns Herr d'Es-lon nicht geben, weil das Fluidum, wie er sagte, durch kein Mittel sichtbar zu machen ist, und folglich die an lebenden Körpern hervorgerufenen Wirkungen der einzige Beweis seiner Existenz sind. - Die Gegner

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konnten nun die Wirkungen etwa dem Eindruck zu-schreiben, der durch ein unmittelbares Berühren her-vorgebracht wurde, oder, wenn diese Wirkungen in seltenen Fällen auch ohne Berührung geschahen, so konnte man noch immer eine mehr oder weniger er-höhte Einbildungskraft annehmen. Man muß also bei den entscheidenden Versuchen alles Reiben unter-lassen. Das Berühren durch eine breite Fläche oder starken Druck mußte auch vermieden werden, weil es einige Ähnlichkeiten mit dem Reiben hat; aber eine leichte Berührung mit der Fingerspitze oder der Spitze des Konduktors konnte erlaubt werden; es hat aber auch diese noch nicht den Wert wie die Behand-lung ohne Berührung. Wesentlich ist auch die Vor-sicht gegen Imagination. Man operiere also teils ohne Wissen der Personen, teils wähle man sich zu solchen Versuchen Kinder, Personen, die ihrer Vernunft be-raubt sind, oder selbst Tiere. Ohne diese Vorsicht würden die Gegner alles der Einbildungskraft zu-schreiben, obgleich die Verteidiger mit gleichem Recht behaupten können, daß diese Meinung eben-sowenig begründet sei, wie die Hypothese eines all-gemeinen magnetischen Fluidums.

Da man ferner behauptet, daß die Kraft sich nicht bei jeder Person gleich zeige, sondern daß sie bei fein organisierten Kranken merklicher wirke, so folgt dar-

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aus, daß, wenn Versuche bei ganz Gesunden oder ge-ringgradig Kranken gemacht werden und diese Per-sonen keine Empfindungen haben, dieser Umstand noch nichts entscheide. Diese negativen Beweise sind nur so lange geltend, bis man ihnen Gegenbeweise entgegenstellt. Als wahr aufgestellte positive Tatsa-chen müssen auf eine andere Art angegriffen werden. Der erste Ort, hierüber Erfahrungen zu sammeln, sind wohl die öffentlichen Krankensäle, wo viele Kranke beieinander sind und man so vieles sehen kann, wo man nach und nach alle Details der Behand-lung erkennen, alle Nuancen und Veränderungen empfinden und - mit einem Wort - alle diejenigen Ef-fekte aufzeichnen kann, welche der methodischen Be-stätigung wert sind. Auf diese erste Prüfung folgen dann einzelne wiederholte Versuche, um dadurch die vornehmsten vorhin beobachteten Fakta zu bestäti-gen. Demzufolge besuchte ich den Krankensaal des Herrn d'Eslon, operierte, um alle Täuschungen zu vermeiden, selbst und verwendete ungeachtet meiner öffentlichen Beschäftigungen und Arbeiten viel Zeit darauf. Von den Kommissären wurden von Zeit zu Zeit einige Versuche gemeinschaftlich gemacht, die ihnen schon hinreichend erschienen, darauf ein Urteil zu gründen, welches ich nicht unterschrieben habe. Ich liefere hier in Verbindung mit jenen gemeinschaft-

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lichen Versuchen meine für mich allein beobachteten Fakta kurz und unparteiisch. Vielleicht können sie zur Basis einfacher Folgerungen nach den Grund-sätzen der Physik dienen.

Ich bilde drei Klassen von Tatsachen: i. allgemeine und positive, von denen man vielleicht die wahre Ur-sache nicht angeben kann; 2. negative Fakta, die nur die Nichtwirkung eines Fluidums zu bestätigen schei-nen; 3. positive oder negative Fakta, welche der Ein-bildungskraft allein zugeschrieben werden können; 4. positive Fakta, die offenbar eine andere, wirklicheKraft erfordern.

7. Allgemeine Fakta. Die Kranken versichern, daßdie eisernen Stäbe des Baquets, eine sehr sanfte Be-rührung, ein gegen sie gerichteter Konduktor oder Finger in den magnetisierten oder andern Teilen eine Wärme, in seltenen Fällen eine Kälte, bald einen Schmerz, bald andere bestimmte Empfindungen her-vorbringen. Einige empfindlichere Personen glauben diesen Einfluß des Fingers oder des Konduktors schon auf beträchtliche Entfernungen zu empfinden, sowie auch die Kraft des sie fixierenden Auges oder der Kette. Ihnen entgegengehaltene Körper haben für sie in gewisser Richtung einen besonderen Geruch, der bei einer veränderten Richtung sich ändert. Da dies alles innerliche Wirkungen sind, so lassen sie sich

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nicht wohl vom Beobachter verifizieren. Die gewöhn-lichsten äußeren Veränderungen sind: Gähnen; bei einigen, namentlich bei Frauenspersonen, entstehen bei fortgesetzter Behandlung nach und nach Unruhe, konvulsivische Bewegungen, die von kürzerer oder längerer Dauer, anfangs leicht, dann heftiger sind, zu-weilen ein widernatürliches Lachen, zuweilen Schlaf oder Verlust der Sinne. Bald bleibt der Kranke an einem Ort, bald durchwandelt er verwirrten Ausse-hens den Saal, der Puls ist gewöhnlich regelmäßig, zuweilen - bei heftigen Schmerzen - schneller. Diese verschiedenen Empfindungen nennt man magneti-sche Krisen, welche entweder nur mit Aufhören der Symptome oder mit Tränen der Augen, feuchter Haut, Schweiß, Auswurf, Erbrechen, Urin oder Stuhlgang endigen. Der Gang dieser Krisen ist zuweilen unre-gelmäßig. Ich habe dergleichen mehrmals ohne alle weitere Behandlung schon am Baquet entstehen sehen. Einige Personen versicherten, daß sie solche nur im Krankensaal bekämen; andere jedoch haben sie auch außerhalb desselben.

Einige Personen erleichtern sich die Krise durch regelmäßiges Magnetisieren und bleiben dann eine Zeitlang ruhig beieinander. Ein junger Mensch, der häufige Krisen hatte, schien die Sprache verloren zu haben, ging ruhig durch den Saal und magnetisierte

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oft andere Kranke, wodurch er zuweilen regelmäßige Krisen hervorbrachte und ohne fremdes Zutun endete.

Sobald er in seinen natürlichen Zustand zurückkam, sprach er wieder, erinnerte sich an nichts von dem, was mit ihm vorgegangen und konnte nicht magneti-sieren. Ich habe dies oft mit eigenen Augen gesehen. Die Lehre von den entgegengesetzten Polen fand ich durch meine Versuche nicht bewiesen.

Das Fluidum soll von oben nach unten fließen und den Nerven als seinen Hauptleitern folgen, weswegen man auch die magnetische Behandlung von oben nach unten für heilsam, die entgegengesetzte für schädlich hält. Das erstere traf nicht immer richtig zu, wohl aber das zweite, denn die Bewegung der Finger nach auf-wärts erregte bei empfindlichen Personen in der Brust, im Halse und im Kopf Beschwerden und eine Art von Starrheit, welche durch Gegenwirkung sogleich auf-hörten. Diese abwechselnden Empfindungen, welche bei dem männlichen Subjekt drei Minuten anhielten, waren bei einigen bloß innerlich, bei andern wurde dadurch ein augenscheinlicher Schweiß verursacht. Diesen Schweiß habe ich selbst innerhalb einer Stunde bei drei Personen durch dieses Verfahren hervorge-rufen.

Wenn ich bei der Behandlung anstatt einer leichten Berührung stark drückte oder rieb, so erreichte ich

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sehr oft Schmerzen oder Konvulsionen und selten eine komplette, mit einer Ausleerung endende Krise.

Die Versuche mit magnetisierten Gefäßen und die Versuche, durch Reflexe von Spiegeln Empfindungen hervorzubringen, schienen mir oft nicht genügend zu sein. Die Musik hat oft Krisen erregt und verstärkt. Eine unter die Nase gehaltene Blume erregte lebhafte Empfindungen. Die Bewegung zweier aneinander ge-riebener Finger vor der Nase oder dem Munde brachte in diesen Teilen Reize hervor und erregte Nießen. Ein Konduktor verursachte unter denselben Umstän-den zuweilen eine Anschwellung oder lokale Span-nung, welche sich bis zum Hals zog, die benachbarten Drüsen zusammendrückte und zuweilen von Erbre-chen begleitet war. Ich sah, wie allein durch dieses Verfahren ein mit Blut und Schleim vermischtes Er-brechen veranlaßt wurde.

Die Behandlung durch Berühren ist für denMagne-tiseur besonders ermüdend. Ich habe dies zwar an mir selbst nicht erfahren, aber andere nach langem Mani-pulieren so erschöpft gesehen, daß sie am Baquet oder in Berührung anderer Menschen neue Kräfte suchten und erhielten.

Die Behandlung selbst ist nach dem Zustand der Kranken verschieden, doch gibt es allgemeine Regeln und Teile, welche besonders der Einwirkung unter-

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liegen. Mit Recht hält man die Herzgrube, mit wel-cher das Zwerchfell und ein Nervenkomplex in Ver-bindung stehen, für einen der empfindlichsten Teile. Ebenso wird im allgemeinen die vordere Seite des Körpers für reizbarer angesehen als der Rücken, und Personen, welche von mir selbst nach beiden Rich-tungen magnetisiert wurden, bestätigen mir dies.

Die kranken, leidenden, verstopften Teile empfinden oft noch außerdem bei der Berührung des Fingers oder Konduktors einen lebhaften Eindruck und eine brennende Hitze. Zugleich bewegt sich die Geschwulst unter dem Finger und scheint zu wachsen. Ich habe diese beiden Effekte oft hervorgebracht. Eine Frauens-person gab lebhafte Schmerzen durch Schreien zu erkennen, als der sie magnetisierende Arzt seinen Finger in horizontaler Linie von einer Drüse des Un-terleibs entfernte. Dieser Versuch wurde von ihm in meiner Gegenwart mehrmals wiederholt.

Um den Eindruck des durch den ganzen Körper laufenden Fluidums zu erkennen, legte ich meine rechte Hand auf den Kopf einer zu Krisen geneigten Kranken und die linke Hand auf ihren rechten Fuß. In wenigen Minuten ergriff sie ein Zittern oder ein allgemeines Frösteln, welches sie vorher nie gehabt hatte und das sogleich aufhörte, als ich meine rechte Hand wegnahm.

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Manchmal kamen die Empfindungen mit dem Ort der Berührung nicht überein. Ein auf den Unterleib gelegter Finger erregte Schmerzen im Rücken, und wenn man den Finger nun auf diesen leidenden Teil brachte, so trieb er den Schmerz an einen andern Ort oder zerstreute ihn.

Manche Kranke glaubten einen gelinden Wind zu spüren, welcher bald warm, bald kalt war, so oft ich meinen Finger in einer zollweiten Distanz vor ihrem Körper vorbei bewegte. Wurde diese Bewe-gung längs des ruhig liegenden Armes oder Schenkels fortgesetzt, so schwollen zuweilen diese Glieder da-durch auf und es wurde namentlich in gelähmten Gliedern ein Kribbeln erregt, welches mehr oder we-niger lebhaft war.

Von diesen angeführten Tatsachen sind einige offen-bare Wirkungen einer physischen Ursache, andere von ihnen können einem unbekannten Fluidum zugeschrie-ben werden.

2.Negative Tatsachen. Die hierher gehörigen Tatsa-chen sind - weil alle gleichartig - bald aufgezählt.

Eine junge, epileptische, ihrer Vernunft beraubte Person wurde in Gegenwart der Kommissäre eine Stunde lang auf verschiedene Weise magnetisiert und empfand nichts. Das nämliche Resultat ergab sich bei fünf Kranken aus der elektrischen Krankenanstalt von

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Dr. Mauduyt, von denen jeder eine Viertelstunde lang berührt wurde, wie auch bei einigen Kranken des Herrn d'Eslon. Mehrere Personen, welche ich ihrer Neugierde halber außerhalb des Saales magnetisierte, empfanden nichts, sowie ich selbst mehrmals ohne Empfindung magnetisiert worden bin.

Aus diesen Beobachtungen folgt, daß das Fluidum auf viele teils gesunde, teils kranke Personen zuweilen ohne wahrnehmbare Zeichen wirken müsse.

3. Tatsachen, welche von der Einbildungskraft abhängen. Die übrigen Kommissäre haben ebenso wie ich selbst

mehrere Wirkungen beobachtet, welche allein von der Imagination abzuhängen scheinen. Allein auch die Magnetiseure verwerfen die Imagination nicht völlig. - Ich führe zweierlei Arten von Tatsachen an, von denen die ersteren negativ oder schwach beweisend sind: Wenn nämlich die Einbildungskraft gewisser für den Magnetismus empfänglicher Personen auf an-dere Gegenstände gelenkt wird, so empfinden sie nichts. Ein den magnetischen Krisen unterworfener Kranker wurde von mir lange Zeit durch Berührung magnetisiert und empfand nichts als Wärme, indem wir uns während der Manipulation über interessante Gegenstände unterhielten. Er versicherte, daß diese Beschäftigung des Geistes bei ihm öfters die Effekte des Magnetismus abgeändert und unterdrückt hätte.

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Eine Dame ward während der Zeit, in welcher sie sich mit ihrem in Konvulsionen liegenden Gatten be-schäftigte, magnetisiert; sie empfand aber nur gelinde Wärme, während ich sonst durch das nämliche Ver-fahren Krisen bei ihr hervorgerufen hatte.

Die positiven Tatsachen sind solche, welche zu be-weisen scheinen, daß die Einbildungskraft hinreicht, solche Empfindungen zu erregen, welche man dem Magnetismus zuschreibt. Herr d'Eslon behandelte einige Personen, welche ein vorzügliches Zutrauen zu ihm hatten. Ich sah dieselben gleichzeitig in Krisen kommen, ohngeachtet er sie nur nach und nach be-rühren konnte. Wenn eine derselben teilweise zu sich kam und ihre Blicke auf ihn richtete, so war dieser Blick ohne alle Berührung hinreichend, die Symptome der Krise wieder zurückzurufen. - Eine dieser Kran-ken hatte gewöhnlich am Schluß der Krise starken Auswurf, welchem stets ein leichter Krampf voran-ging. Wenn Herr d'Eslon den Saal verließ, so wurde der Auswurf unterbrochen und konnte durch die Berührung eines andern Arztes nicht im Gange er-halten bleiben. Die Zurückkunft des Herrn d'Eslon stellte jedoch den Auswurf sofort wieder her. Ich habe den Auswurf ohne vorherige Berührung be-ginnen sehen, sobald sich Herr d'Eslon der Kranken nur an die Seite setzte, und dieselbe gestand, daß

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dessen Gegenwart öfter diesen Erfolg hervorgebracht habe.

Eine andere, heftigen Krisen unterworfene Kranke, empfand bei der unmittelbaren Berührung mehrerer Ärzte eine geringere Wirkung, als wenn Herr d'Eslon sie nur anblickte oder von fern seinen Finger gegen sie bewegte. Bei dieser letzteren Behandlung fiel sie mehrfach in Konvulsionen.

Um zu sehen, welche Wirkung der erste Eindruck hervorbringe, wünschte ich eine für Magnetismus empfängliche Kranke zuerst zu magnetisieren. Das erste Mal zeigte sich nichts; am Schluß des zweiten Magnetisierens wurde sie in die Höhe geworfen und die Bewegungen nahmen schmerzlos an Stärke und Anzahl zu. Am dritten Tage erschienen diese Bewe-gungen gleich anfangs und dauerten lange Zeit, ohn-geachtet ich endlich die magnetische Behandlung ab-gebrochen hatte. Ich ging aus dem Saale, worauf sie nach der Erzählung der anwesenden Ärzte sofort auf-hörten. Als ich nach einer Viertelstunde wieder kam, fingen sie ohne vorherige Behandlung in gleicher Stärke wieder an. Ich ging fort, und sie besänftigten sich. Die Kranke wollte auf einer Terrasse frische Luft schöpfen, sah mich im Hof, und die nämlichen Bewegungen begannen wieder. Als sie beruhigt in den Saal zurückgekehrt war, wollte sie fortgehen, sah mich

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unten an der Treppe, bekam einen neuen Anfall und wurde in einen untern Saal geführt, wo ich sie zu-rückließ. Einige Tage später sah ich diese Dame wie-der, welche in der Zwischenzeit von anderen Ärzten magnetisiert worden war und die gleichen Bewegun-gen zeigten sich wieder nur mit dem Unterschied, daß sie sich nicht auf dieselbe Weise erneuerten. Meine Gegenwart wirkte jetzt nicht auf sie. Wenn dies, wie ich nicht glauben kann, kein abgekartetes Spiel war, und wenn ich die Natur und Stärke der Bewegungen bedenke, so hängen dieselben gewiß von einer heftig erregten Einbildungskraft ab.

4. Von der Einbildungskraft unabhängige Tatsachen.Wir haben nun noch eine andere Reihe von Tatsachen durchzunehmen, welche Aufmerksamkeit verdienen und - wenn sie wahr sind - andere Anschauungen er-zeugen, als das Vorhergehende uns darzubieten schien. Ein einziges positives Faktum, welches das Dasein einer äußeren Kraft zur Evidenz beweist, zerstört alle negativen Tatsachen, welche bloß deren Nichtwirken dartun, und überwiegt diejenigen, welche der Einbil-dungskraft allein zugeschrieben zu werden pflegen.

Ich stellte mich am Baquet einer Frau gegenüber, welche auf ihren Augen zwei sehr starke Flecken hatte, und deren Blindheit durch die Kommissäre völ-lig bestätigt war. Ich beobachtete sie eine ganze Vier-

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telstunde hindurch, indem ich mehr mit dem eisernen Stabe des Baquets, der gegen ihre Augen gerichtet war, als mit der Unterhaltung der andern Kranken be-schäftigt schien. In einem Augenblick, wo das Ge-räusch von Stimmen ihre Aufmerksamkeit ablenkte, richtete ich in einer Entfernung von sechs Fuß einen Konduktor gegen ihren Magen, den ich als sehr emp-findlich kannte. Nach etwa drei Minuten wurde sie unruhig und kam in Bewegungen; sie wandte sich auf ihrem Stuhl um und versicherte, es müsse sie je-mand magnetisieren, obschon ich vorher alle Vor-sicht angewandt hatte, alle diejenigen zu entfernen, welche den Versuch zweifelhaft machen konnten.

Ihre Unruhe hörte fast augenblicklich auf, wenn ich meine Bewegungen einstellte, und sie wurde so ruhig wie vorher. Fünfzehn Minuten später wieder-holte ich unter ähnlichen Umständen und mit aller möglichen Vorsicht den Versuch mit völlig gleichem Erfolg. Ich war überzeugt, daß die Kranke bisher keinen andern Nutzen aus ihrer Behandlung gezogen hatte, als daß sie in einer Entfernung von drei bis vier Zoll manche Gegenstände schimmern sehen konnte. Das Licht fiel bei diesen Versuchen von seitwärts auf sie und mich. Nur einer von den Vorstehern des Saales war anwesend und stand an meiner Seite, verhielt sich aber ganz ruhig und ließ mich nach Belieben

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handeln. Da die Zeit indessen verflossen war, konnte ich einen dritten Versuch nicht machen.

Eine Kranke, deren Krise in einem tiefen Schlaf be-stand, bekam von Zeit zu Zeit durch äußere Geräusche im Saal verursachte leichte konvulsivische Bewegun-gen und fuhr in die Höhe, ohne zu erwachen. Magne-tische Striche, welche in einiger Entfernung von ihrem Gesicht gemacht wurden, erregten oft die glei-chen Zuckungen. Ich versuchte es oft und fast immer mit Erfolg, obschon ich die Zeit in Obacht hielt, da kein fremdes Geräusch diese Wirkung hervorbringen konnte.

Die Krise einer andern Kranken bestand in allge-gemeinen Krämpfen, verbunden mit einem vorüber-gehenden Verlust des Bewußtseins, doch ohne heftige Bewegungen. DerKopf lag vorwärts, die Augen waren geschlossen, die Arme zurückgebogen, die Hände offen und die Finger auseinander gespreizt. Als ich mit meinem Finger ihre Stirn zwischen den Augen berührte, so schien sie ein wenig Erleichterung zu fin-den. Zog ich den Finger sanft zurück, so folgte der Kopf, ohne berührt zu werden, jeder Richtung des-selben. Wenn ich den Kopf so auf die eine Seite ge-richtet hatte und meine andere Hand in zoll weiter Ent-fernung gegen die entgegengesetzte Hand der Kran-ken hielt, so zog sie dieselbe schnell zurück, als ob sie

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daran eine starke Empfindung hätte. Diese Bewe-gungen wurden innerhalb zehn Minuten drei- bis vier-mal wiederholt, worauf der Krampf und zugleich die Empfindlichkeit abnahm. Die Kranke konnte sich nachher an nichts von allem erinnern. Ich selbst habe diesen Versuch nur einmal gemacht, und er ist des-wegen so vollständig gelungen, weil ich einen Monat vorher dieselben Phänomene in einer von einem an-dern Arzt hervorgerufenen Krise beobachtet hatte.

Die kleinsten magnetischen Bewegungen machten bei einer andern Kranken einen so lebhaften Eindruck, daß, wenn man ohne ihr Wissen ihr einigemal mit einem Finger einen halben Fuß vom Rücken entfernt abwärts strich, sie auf der Stelle konvulsivische Be-wegungen und Stöße bekam, welche ihr die vorge-nommene Handlung anzeigten und so lange dauerten, als diese währte. Dieser mein erster und einziger Ver-such mit dieser Kranken brachte die nämlichen Wir-kungen hervor, wovon ich (bei andern) vorher vier-oder fünfmal Zeuge gewesen war.

Im Krankensaal befanden sich noch mehrere Kranke beiderlei Geschlechtes von mehr oder weniger reiz-barer Konstitution, bei welchen gleichfalls die vorige Erscheinung, wenn auch nicht gleich stark, hervor-gerufen wurde. Der Versuch gelang vorzüglich gut, wenn sie durch vorherige Berührung der Magenge-

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gend gereizt worden waren. Wenn man den Finger ohne ihr Wissen und ohne Berührung über ihren Kopf oder Rücken bewegte, so sprangen sie äußerst lebhaft auf und verdrehten den Kopf, um zu sehen, wer etwa hinter ihnen stehe. Die unwillkürliche und unerwar-tete Bewegung wurde nämlich durch Ärzte hervorge-rufen, welche erst ganz neu zugelassen worden waren, welche noch nicht frei handeln durften, noch außer-halb des von den Kranken gebildeten Kreises standen und nur von rückwärts und halb mißtrauisch die Kraft versuchten, die sie erst hatten kennen lernen dürfen. - Ich habe anfangs auch sehr oft diese Wirkung her-vorgebracht. Allein, um die Vermutung in mir selbst zu ersticken, daß die Kranken meine Handlung etwa vorher sähen, oder daß diese Empfindung etwa ohne mein Zutun zustande komme, blieb ich eine Zeitlang ruhig neben ihnen stehen und erwartete so einen glücklichen Augenblick zu meinem Versuche, der mir auch fast immer gelang. Ohne mein Wirken fand keine Erschütterung statt. Dieselbe Wirkung wurde auch öfter durch andere Personen bei Kranken hervorge-rufen, während ich deren Aufmerksamkeit durch ent-gegengesetzte Berührung beschäftigte.

Diese Tatsachen sind nun zwar nicht zahlreich und nicht sehr mannigfaltig, aber ich wollte nur solche aufführen, welche genügend bestätigt sind und über

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die ich nicht den geringsten Zweifel hege. Sie wer-den dennoch hinreichen, die Möglichkeit oder Exi-stenz einer Kraft zu beweisen, welche sich von einem Menschen auf den andern fortpflanzt und bei letz-terem manchmal merkbare Einwirkungen hervor-bringt.

Aus der Zusammenstellung dieser Tatsachen und teilweisen Folgerungen läßt sich schließen, daß der menschliche Körper dem Einfluß verschieden wir-kender Ursachen unterworfen ist, welche — wie die Einbildungskraft - teils innerliche und moralische, teils - wie das Reiben, die Berührung und das aus einem ähnlich gearteten Körper ausströmende Fluidum -äußerliche und physische sind. Die äußeren Ursachen werden sich bei genauerer Untersuchung nur auf eine einzige, einfachere und allgemeinere bringen lassen, nämlich auf die generelle Einwirkung der uns umge-benden elementaren, aber zusammengesetzten Kör-per. Wenn man über die Wirkung des bestrittenen Fluidums und über die Gleichheit der durch dasselbe hervorgerufenen Effekte nachdenkt, so muß man an-standslos in allen drei Fällen das nämliche, nur auf verschiedene Weise angewendete Agens erkennen. Die lebhafte Wirkung des Reibens gibt eine Empfin-dung, die stärker, sicher, allgemeiner ist. Die Tätig-keit der Berührung ist sanfter, aber nach dem Zu-

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stand der Organe verschieden; die Wirkung des von einiger Entfernung kommenden Fluidums muß im ganzen nicht sehr fühlbar sein und nur gewisse Per sönlichkeiten affizieren, welche für die schwächsten Einflüsse empfänglich sind. Allein, wie wirkt diese dreifache Behandlung? Was ist das für ein Wesen, das in den Körper dringt? Das Reiben und die Berührung bringen Wärme hervor. Sollte diese Wärme wohl das Fluidum sein, dessen Existenz man bestreitet? Wie wirkt es auf den menschlichen Körper? Wie durch-dringt es denselben und mit welcher Kraft? Welches sind seine Verhältnisse zu den inneren und äußeren Ursachen? — Dies alles verdient dereinst näher unter-sucht zu werden.»

Aus diesem unparteiischen Bericht eines ernsthaf-ten, hochbegabten Forschers von großem Rang geht mit Deutlichkeit hervor, daß die Beobachtungen des wirkenden Magnetismus vor allem zwei neue Kraft-quellen aufwies, die im Menschen eine ganze Reihe von verschiedenen Zuständen hervorrufen konnten. Die eine Kraft war die der reinen Einbildung, der Imagination, der auch die übrigen Kommissionsmit-glieder vieles zugeschrieben hatten, was sie bei d'Eslon zu sehen bekamen. Die andere war ganz unabhängig von dieser Einbildung und konnte durch magnetische Striche aus der Entfernung, die weder vom Patienten

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gesehen noch durch eine Luftbewegung gefühlt wer-den konnten, tiefste Wirkungen im magnetisierten Menschen hervorbringen. Diese letzteren schienen auch de Jussieu die Existenz einer unbekannten Kraft zu beweisen, die sich von einem Menschen auf den andern fortpflanzen und dort eigenartige, merkliche Wirkungen hervorbringen kann.

Dieses umfassendste Gutachten eines Mitgliedes der vom König beauftragten Untersuchungskommission wurde leider unterdrückt und blieb über 100 Jahre lang verschollen.

6. Mesmers Harmonie-Gesellschaften. Seine Vorträge in der Pariser Harmonie. Die Aphorismen. 1785/ bis zum

Ausbruch der Französischen Revolution 1789)

Während in der Öffentlichkeit leidenschaftlich für und gegen den Magnetismus Partei ergriffen wurde, führte Mesmer in den geheimen Versammlungen der «Harmonie» seine Schüler in das Wesen und die Pra-xis seiner neuen Heilkunst ein.

Der Plan zu dieser Schule des heilenden Magnetis-mus war während seines freiwilligen Exils in Spa ge-reift, wo ihm die Marquise de Fleury die Mittel zur Er-öffnung einer magnetischen Kuranstalt für Spa zur

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Verfügung gestellt hatte. Die Anstalt war im Juli 1782 eröffnet worden. Zugegen waren der Anwalt Nikolaus Bergasse, der sich ganz den Ideen Mesmers als be-gabter Propagandist und Verteidiger hinzugeben ge-willt war, und der elsäßische Bankier Wilh. Kornmann, dessen schwer erkrankten und von den Ärzten aufge-gebenen Sohn Mesmer geheilt hatte und der nun sei-nerseits Mesmer nach seinen Kräften seine Unter-stützung geben wollte. Hier entstand die erwähnte «Kurze Geschichte des thierischen Magnetismus bis April 1781», die Mesmer zu seiner Rechtfertigung vor aller Welt schrieb, und Bergasse versuchte auf seine Art, der Philosophie über den Magnetismus in seinen «Considérations sur le magnétisme animal ou sur la théorie du monde et des êtres organisés, d'après les principes de Mr. Mesmer» (La Haye 1784) Ausdruck zu verleihen, deren Überlegungen Mesmer allerdings nicht teilte. Er hatte Mesmer und seine Idee, wie sie dem Meister vorschwebte, nicht ganz verstanden, so daß Mesmer nach einer Möglichkeit sann, seine Ge-danken durch eine richtigere und konkretere Dar-stellung einem auserlesenen Publikum vorzulegen. Er scheute sich noch, der Allgemeinheit, die ihm so viel Gutes verdreht hatte und immer bereit war, die heiligsten Sachen zum Gegenstand ihrer Witze zu ma-chen, seine geheimsten Gedanken zu verraten. Ander-

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seits drängten die Ereignisse in Paris auf eine bessere Fundierung seiner Lehre und seiner Autorität und verlangten die Heranbildung von Schülern, die mehr und eingehender als d'Eslon vom wahren Wesen des Magnetismus wußten und die Mesmer geeignet er-schienen, seine Sache in aller Welt nach seiner eigenen Auffassung weiterzuführen. Einerseits konnte er sich nicht entschließen, seine innersten Gedanken in einem Buch darzustellen oder in ganz öffentlichen Vorträgen jedem Pöbel preiszugeben, und so entschloß er sich, geeignete einzelne Schüler zu suchen und sich diese durch das Versprechen der absoluten Verschwiegen-heit und eines geregelten Vertragsverhältnisses zu sich und untereinander zu sichern. Gegen eine An-teilzeichnung von 1oo Aktien zu je 100 Louis d'or (2400 Livres) erhielt jeder Teilnehmer sein vertrag-liches Recht, in die Lehren und die Praxis des Magne-tismus gründlich eingeführt zu werden und nach Ab-solvierung der Kurse die neue Heilmethode selbst ausüben zu dürfen. Jeder Teilnehmer mußte sich aber zu absoluter Verschwiegenheit über die ihm in den Kursen mitgeteilten Geheimnisse verpflichten und durfte nur mit Mesmers ausdrücklicher Erlaub-nis und im Rahmen neuer Gründungen der Gesell-schaft der Harmonie andere in die neue Lehre ein-weihen.

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Es meldeten sich in kurzer Zeit 48 Schüler, die mit den Bedingungen Mesmers einverstanden waren. Diese Schüler stammten aus den besten Kreisen. Außer den bereits erwähnten Freunden Mesmers, dem Advo-katen Bergasse und dem Bankier Kornmann, befanden sich unter diesen ersten Schülern Mesmers die Grafen Chastenet und Maxime de Puységur, Pater Gérard, Prior Gentil, General Lafayette, ferner einige bedeu-tende Gelehrte und Ärzte. Auf Grund dieser gehei-men Vorträge in der Pariser Harmonie wurde in der Folge auch Georges Washington, der nachmalige erste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Mesmers Schüler.

Der Sitz der Gesellschaft der Harmonie in Paris war das Hotel de Coigny in der Rue Coq-Héron. Die Vor-träge wurden in geschlossener Gesellschaft gehalten und die Teilnehmer durften über das Gehörte keine Kunde nach außen geben. Trotzdem hat ein unbe-kannter Schüler die von Mesmer vorgetragenen Lehr-sätze jeweils mitgeschrieben, gesammelt und schließ-lich dem Leibarzt des ältesten Bruders des Königs, Dr. Caullet de Veaumorel, zur beliebigen Verwendung übergeben. Dieser hatte schon immer eine große Nei-gung empfunden, sich mit außergewöhnlichen Tat-sachen der Natur und der Medizin zu beschäftigen und trug keine Bedenken, das ihm durch Vertrauens-

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bruch zugekommene Wissen um Mesmers Lehrsy-stem als «Aphorismes de M. Mesmer»1 zu veröffent-lichen. Das Buch, worin Mesmers Lehre in 344 Apho-rismen aufgezeichnet stand, verkaufte sich reißend an die neugierige Menge, so daß es in kurzer Zeit wieder-holt neu aufgelegt werden mußte und noch im glei-chen Jahr der ersten Herausgabe (1785) in Straßburg in einer deutschen Übersetzung2 erschien. Diese Apho-rismen, auf deren Lehren wir im III. Kapitel in Ein-zelheiten einzugehen haben werden, sind für die Kennt-nis und das Verständnis des Mesmerismus von größ-ter Bedeutung. Sie zeigen Mesmers Auffassung, die Zusammenhänge seiner Lehre und die Allumfassung seiner Theorie. Er äußert sich darin über seine Vor-stellung von Gott, Stoff und Kraft, über die Anzie-hung, die Kohäsion, die Elastizität, die Schwere, das Feuer, den Einfluß und Ausfluß, die Elektrizität, den Menschen, die Empfindungen, den Instinkt, dann über die Krankheiten, die Erziehung und schließlich über sein eigenes Heilverfahren und die Krisen.

Man staunt über die Vielfältigkeit und den Zusam-menhang seiner Theorien, die den außerordentlichen

1 Caullet de Veaumorel, Aphorismes de M. Mesmer, dictés à l'as-semblée de ses élèves, et dans lesquels on trouve ses principes, sa théorie et les moyens de magnétiser. 3. Auflage, Paris 1785.

2 Lehrsätze des Herrn Mesmer, so wie er sie in den geheimen Versammlungen der Harmonie mitgeteilt hat. Straßburg 1785.

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Weitblick des großen Mannes verraten, wie über den Reichtum und die Genauigkeit seiner Beobachtungen. Deutlich sieht man darin auch die Fortschritte, die Mesmer seit der Entdeckung und den ersten Erfolgen gemacht hat und die sich in der Ausgestaltung der Anwendung in der Praxis deutlich widerspiegeln.

Gegen diese nichtautorisierte Veröffentlichung sei-ner Lehrsätze, die er als entstellt angriff, protestierte Mesmer vergebens im «Journal de Paris» vom 6. Januar 1785. Er konnte es aber nicht verhindern, daß gerade diese Schrift einen immer größeren Absatz im interessierten Publikum fand. Und tatsächlich ist in keinem bis zu diesem Zeitpunkt erschienenen Buch Mesmers Lehre so echt dargestellt worden wie in dieser voreiligen, indiskreten Veröffentlichung, die im Wesentlichen, selbst nach der Ausdrucksweise dem durch Prof. Wolfart dreißig Jahre später heraus-gegebenen Vermächtnis Mesmers1 weitgehend ent-spricht.

Außer in Frankreichs Hauptstadt konstituierten sich in kurzer Zeit weitere Filial-Harmoniegesellschaf-ten, so in Lyon, Bordeaux, Versailles, Marseille, Metz, St. Etienne, in St. Domingo in der französischen Ko-lonie Haiti, in Soissons, Grenoble, Ostende und in

1 Dr. Karl Christian Wolfart, Mesmerismus. Oder System der Wechselwirkungen. Berlin 1814.

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Straßburg. Aus allen diesen geheimen Gesellschaften, die wie Logen verwaltet wurden, flossen Mesmer große Geldbeträge zu. Sie brachten ihm aber auch sehr viele und schwere Ärgernisse durch ihr eigen-mächtiges Vorgehen, die nicht vorschriftsgemäße Ausübung der Praxis und die schwärmerische Aus-weitung seiner Lehre. Auch blieben ihm Vorhaltun-gen über seine Geldgier und Verschwendung großer Mittel nicht erspart.

Die bedeutendste Zweiggesellschaft der Harmonie war diejenige von Straßburg, wohin 1784 der Mes-merschüler Dr. med. Würtz den eifrigen Magnetiseur Marquis de Puységur aus Soissons zu magnetischen Operationen gerufen hatte. Marquis de Puységur (1752-1825) war in der Pariser Harmonie zusammen mit seinem jüngeren Bruder, dem Grafen Maximus, in Mesmers Heilsystem eingeführt worden. Während Graf Maximus nach Absolvierung des Kurses eine magnetische Praxis in Bayonne aufgenommen hatte und 1784 über seine Kuren einen Bericht1 veröffent-lichte, war der Marquis Chastenet de Puységur als Ma-gnetiseur nach Soissons gegangen, wo er mit großem Erfolg behandelte und im gleichen Jahr wie sein Bruder eine Darstellung von 62 von ihm magnetisch

1 Graf Maxim de Puységur, Rapport des cures opérées à Bayonne par le magnétisme animal. Bayonne 1782.

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betreuten Krankheitsfällen erscheinen ließ1. Im Juli 1784 war er der Einladung von Dr. Würtz nach Straß-burg gefolgt und magnetisierte dort während zwei Monaten. 1785 kam er wieder nach Straßburg, be-schloß, sich dort fest niederzulassen und gründete im Herbst 1785 die «Société harmonique des amis réunis», die schon nach wenigen Monaten über 200 Mitglieder zählte. Der Marquis hatte bei einem von ihm behan-delten Bauern den magnetischen Schlaf beobachtet und begann nun in Straßburg dieser Entdeckung be-sondere Aufmerksamkeit zu schenken. Wenn er emp-findliche Patienten magnetisch behandelte, so ver-sanken etliche davon nach einiger Zeit der magneti-schen Bestreichung in einen tiefen Schlaf, während dem sie aber jedes seiner Worte hörten und verstanden und auf Fragen richtig antworteten. Viele wurden in diesem somnambulen Zustand mit einer dort unbe-kannten Art Hellsicht begabt, nannten darin richtig ihre eigene und anderer Krankheiten und wußten meist wirksame Arzneien zur Wiederherstellung der

1 Marquis Chastenet de Puységur, Recueil des pièces les plus intéressantes sur le magnétisme animal. Soissons 1784. — Mémoire pour servir à l'histoire et à l'établissement du magnétisme animal. Londres 1786. — Recherches, expériences et observations physiologiques sur l'homme dans l'état de somnambulisme naturel, et dans le somnam-bulisme provoqué par l'acte magnétique. Paris 1811.

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Gesundheit anzugeben. Sie sahen im voraus den Ver-lauf ihrer Krankheiten, gaben Zeiten an, wo sich Kri-sen einstellen würden, die später zur angegebenen Zeit wirklich eintraten und gaben allerlei nützliche therapeutische Anweisungen. Puysegur machte über diese Beobachtungen Aufzeichnungen und ließ dar-über mehrere Schriften erscheinen1.

Der Marquis hatte damit die ersten Beobachtungen über den magnetischen Somnambulismus veröffent-licht und diese erregten bei Ärzten und interessierten Laien größtes Aufsehen.

Mesmer, der Puysegur sonst sehr hoch einschätzte, war darüber sehr enttäuscht. Er kannte den Somnam-bulismus bereits längst aus seinen eigenen Erfahrun-gen, betrachtete ihn aber als Mysterium und ließ dar-über aus Angst vor Mißbräuchen und entstellender Schwärmerei vorläufig nichts verlauten. Daß Mesmers Sorge nicht unbegründet war, hat die nachfolgende Entwicklung bewiesen.

Als Puysegur die vom Meister geheim gehüteten Beobachtungen breitschlug und im Somnambulismus erst den wahren Magnetismus gefunden zu haben glaubte, war Mesmer entsetzt und schrieb entrüstet darüber: «In dem Leichtsinn und der Unvorsichtigkeit derjenigen, welche meine Heilmethode nachahmen,

1 Siehe Anmerkung auf Seite 240.

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ohne mit ihrem inneren Wesen bekannt zu sein, liegt die Schuld sehr vieler Vorurteile, die sich gegen die-selbe erhoben haben. Von diesem Zeitpunkt an wurde Somnambulismus und Magnetismus eines für das an-dere genommen und man wollte mit einem Eifer, den nicht immer die kältere Besonnenheit leitete, die Wirk-lichkeit des Einen bloß durch die überraschenden Ef-fekte des Andern bestätigen. Es mangelte sogar nicht an solchen, die mit der Behauptung auftraten, im Be-sitz der Kunst zu sein, Somnambüle machen zu kön-nen, die allein als unfehlbare Orakel anzusehen wären, durch die Alles zu erlernen sei und deren Besitz allein in den Stand setze, Kranke zu heilen. Sogar sollte diese, in einer von mir willkürlich gezeigten, von Ihnen aber in Regeln gezwängten Manipulation bestehende tech-nische Kunst die von dem Urheber der Erhaltungs-kunde aufgestellte Lehre übertreffen. Einige Gelehrte Deutschlands nahmen sie mit Enthusiasmus auf und huldigten dem Schein eines Irrlichtes, während sie vor den Strahlen der Wahrheit die Augen fest zudrück-ten; bis jetzt ohne richtigen Begriff von dem von mir sogenannten Magnetismus und eben so unbekannt mit meiner Theorie, suchen sie in der einzigen Ver-fahrungsart eine spezifische Kraft und werden dadurch zum blinden Empirismus und Aberglauben verführt.

Diese irrige Meinung bildete in Straßburg eine be-

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sondere Secte, die durch unbescheidenes Experimen-tiren der guten Sache schädlich wurde, indem sie die-selbe um die Achtung brachte, die ihr gebührte und Anlaß zu dem allgemeinen Unglauben gab, der in Deutschland Wurzel gefaßt hatte.1»

Mesmers abschließendes Urteil über den Somnam-bulismus werden wir im nächsten Kapitel über die Lehre Mesmers kennen lernen2.

Puységur war immerhin ein guter Beobachter und leidenschaftlicher Experimentator. Da er den magne-tischen Schlaf für etwas ganz Neues und für das Inter-essanteste am Magnetismus ansah, verlegte er sich in seinen magnetischen Kuren immer mehr auf die Er-zeugung dieses Somnambulismus. Mesmers Baquet konnte ihm dazu nicht mehr dienen, so daß er es als überlebt verwarf. Dagegen magnetisierte er mit Eifer Bäume, da nach seinen Beobachtungen die Patienten unter magnetisierten Bäumen sehr gern in den som-nambulen Zustand verfielen.

In Straßburg war noch eine zweite selbständige Ge-sellschaft der Harmonie von Dr. Ostertag gegründet worden. Während hier im allgemeinen strenger nach den Prinzipien Mesmers behandelt wurde, machte Dr. Ostertag Versuche mit einer gläsernen Kugel, auf die er

1 Just. Kerner, Mesmer. S. 79/80. 2 Wolfart, Mesmerismus. S. 199/212.

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die Kranken starren ließ, um sie in einen besonderen Schlafzustand zu versetzen. Die heil wirkenden Erfolge dieser Versuche, die stark an jene Braids erinnern, waren aber gegenüber den dabei auftretenden Übeln, wie Kopfschmerzen und allgemeinem Unbehagen, gering1.

Der Chevalier de Barbarin leitete in Ostende die dort entstandene Harmonische Gesellschaft. Auch er ging bald eigene Wege, indem er alle heilende Kraft dem Willen und dem Glauben zuschrieb. Mit Gebeten und gesammeltem Willen magnetisierte er Wasser, das er an seine Kranken abgab oder versandte2.

7. Dunkle Zwischenjahre. Reisen. Mesmer ist für die große Welt verschollen. ( 1786-1813)

Mit der Verbreitung und Tätigkeit der Harmoni-schen Gesellschaften beginnt die persönliche Rolle Mesmers in den Hintergrund zu treten. Es sind andere Männer, die seine Sache aufgegriffen haben und wei-ter entwickeln. Mesmer ist zwar erst in den Fünfziger-jahren, wird auch weiter in den «Harmonien» als Ent-

1 Hufelands Journal der praktischen Heilkunde, Bd. XV., St. 2. S. 85/95.

ä de Barbarin, Système raisonné du magnétisme universel, d'après les principes de M.Mesmer. Par la société de l'harmonie d'Ostende. Paris 1786.

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decker gefeiert, aber die Zügel über die weitere Aus-gestaltung seiner Idee entfallen mehr und mehr seiner Hand. Erst am Ende seiner Jahre, als Prof. Wolfart ihm die ein Leben lang vergeblich gesuchte Anerken-nung bringt, tritt er noch einmal für kurze Zeit ins Rampenlicht der Welt.

Vorerst reiste der Gründer der Harmonischen Ge-sellschaften vom Stammsitz in Paris, wo er seine Vor-träge regelmäßig hielt, zu den Zweigstellen seines In-stituts, wo er mit mehr oder weniger Glück Vorfüh-rungen und Anleitungen über sein Heilsystem gibt. Immer spricht er für die Reinhaltung seiner Idee, aber die Geschichte zeigt bald, in wie viele Äste sich diese Idee entfaltet hat. Seine Lehre bietet die beste Mög-lichkeit, daß ein Jeder sein Eigenes hinzufügt und mit persönlichen Erfahrungen ausbaut.

Über die Jahre bis zum Ausbruch der Französischen Revolution 1789 und die darauf folgenden sind keine sicheren Angaben über den Aufenthalt Mesmers zu erhalten. 1787 hat er sich für kurze Zeit im Bad Pfä-fers aufgehalten. Die meiste Zeit war er wohl in Frankreich. Es wird vermutet, daß er auch Italien und nach einigen Quellen zum Zwecke der Sondierung für die Aufnahme seines Heilverfahrens England be-reist habe. Es liegen aber keine sicheren Hinweise vor, daß Mesmer sich nach seinen Niederlagen in Wien

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und Paris an die königliche Ärztefakultät in London gewandt hat und dort ebenfalls zurückgewiesen wurde. 1787 und 1788 hielt er sich vorübergehend in Karls-ruhe auf, wo er Freunde besuchte, und verbrachte im Herbst 1788 einige Zeit an den heimatlichen Ufern des Bodensees.

1791 erschien er plötzlich in Wien, wo vor Jahres-frist seine Frau gestorben war. Es ist ungewiß, ob er sich dorthin zum Zwecke der Erbschaftsregelung be-geben hat oder ob er dauernd Wohnsitz suchte. Mes-mer wußte sich jedenfalls in kurzer Zeit ausgezeich-nete Beziehungen zu einflußreichen Gelehrten, hohen Militärs und selbst dem Adel zu verschaffen.

Damals gab es auch in Wien Kreise, die mit den Jacobinern in Paris sympathisierten und im Stillen die Flammen der Französischen Revolution nach Wien zu bringen trachteten. Mit einem solchen Revolutionär, Freiherrn von Riedel, Professor an der kaiserlichen Militärakademie, pflegte Mesmer besonders enge Be-ziehungen und politischen Gedankenaustausch.

1792 reiste Mesmer nach Paris, um dort sein Haus zu verkaufen und kehrte 1793 wieder nach Wien zu-rück. Auf Grund einer Denunziation der Mieterin seines Gartenpavillons, mit der er über verpönte po-litische Angelegenheiten geplaudert hatte, wurde er am 14. November 1793 von der ins Leben gerufenen

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politischen Polizei wegen «bedenklicher Gesinnung in bezug auf die französische Konstitution» verhaftet. Da die in Mesmers Heimat eingezogenen Erkundi-gungen nichts Belastendes über den «berüchtigten Arzt» erbracht hatten, entließ man ihn am 9. Dezem-ber des gleichen Jahres wieder aus der Haft. Der Kon-spiration mit den französischen Jacobinern verdäch-tig wurde er dennoch des Landes verwiesen und mußte sogleich in seine Heimat abreisen.

Bald nach seiner Rückkehr aus Wien ließ sich Mes-mer in Wagenhausen bei Stein am Rhein nieder, er-warb 1794 das thurgauische Bürgerrecht und blieb in jener Gegend in tätiger Zurückgezogenheit seßhaft bis er 1799 zur Regelung seiner Vermögensangelegen-heiten wieder nach Paris verreiste. In den Umstürzen der Revolution waren seine französischen Staatspa-piere entwertet worden. Mit seinen Bemühungen brachte er es immerhin in Paris fertig, für den erlit-tenen großen Verlust von der Republik eine staatliche Rente von jährlich 3000 Franken zu erhalten.

Gleichzeitig brachte er in Paris die während seines Landaufenthaltes völlig durchgearbeitete, erweiterte und mit dem ganzen fertigen Gedankengut seiner ge-reiften Altersansicht versehene «Mémoire de F.A. Mesmer sur ses découvertes» heraus. Auch ließ er in dieser Zeit zwei kleinere Schriften, im Fructidor 1800

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die «Lettre sur l'origine de la petite vérole», adressiert an den Kapitän, Geographen und Botaniker Nicolas Baudin (1750-1803) und eine auf den gleichen Ge-genstand aufmerksam machende «Adresse an die Hausmütter» erscheinen. Er verteidigte darin seine Ansichten und Erfahrungen über die Pocken. Er war nämlich zur Überzeugung gekommen, daß bei der Ge-burt durch die Abbindung des Nabelstranges sich das darin noch befindliche zurückgestaute Blut ungünstig verändert und dem jungen Körper den Nachteil ein-verpflanzt, daß das Kind dadurch für Pocken emp-fänglich wird. Er empfiehlt deshalb eine Methode, wo-nach das Blut aus der durchschnittenen Nabelschnur nach und nach abfließen und so kein Unheil durch Einimpfung schlechter Stoffe mehr anrichten kann. Baudin wird ersucht, auf seiner Weltreise sich hinsicht-lich dem Entbindungs- und Abnabelungsverfahren bei wilden Völkern zu interessieren und so die für den Gegenstand geeigneten Erfahrungen zu vermehren.

Zu einem bleibenden Wohnsitz in Paris konnte sich Mesmer nicht mehr entschließen. Er trug sich von An-fang an mit dem Gedanken, sich in der Provinz zur Ruhe zu setzen. 1801 begab er sich zu seinen Freunden Loos und Würtz nach Versailles, wo er den Winter ver-brachte und seiner Ruhe pflegte, sein System immer wieder durchdachte und Pläne für die Zukunft entwarf.

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Im Winter 1802 auf 1803 verließ Mesmer Frankreich endgültig und siedelte nach seiner Heimat am Boden-see über. Seinen ersten Aufenthalt nahm er im kleinen Riedetsweiler bei Meersburg, wo er mit seiner fran-zösischen Haushälterin im umgebauten Speicher eines Bauernhauses seine Wohnung bezog. In Meersburg oder seiner nächsten Umgebung blieb er bis 1805.

Aus dem Jahre 1804 stammt Mesmers Brief an sei-nen Freund Loos in Versailles über die Miasmen des gelben Fiebers. Mit seinen beiden Versailler Schülern Loos und Würtz verband ihn damals hauptsächlich seine Korrespondenz und aus ihrem Briefwechsel war es zum ersten Mal ersichtlich, daß Mesmer sein Do-mizil nach Frauenfeld verlegt hatte. In jene Zeit fällt auch der zweite hier erstmals veröffentlichte Brief Mesmers an den befreundeten Arzt Aubry in Hen-richement, datiert Frauenfeld en Suisse, den 23. Okto-ber 1805. Mesmer teilt seinem Freunde Aubry mit, daß er die letzten zwei Jahre in Meersburg am Bo-densee verlebt habe. Die Vorbereitungen des Krieges haben ihn zum Verlassen des Landes veranlaßt, um sich in die Schweiz zu begeben von der man glaubt, daß sie neutral bleiben werde. «Ich wohne zur Zeit in Frauenfeld, einer kleinen Stadt, Hauptort des Kan-tons Thurgau, wo ich rechne, mit meinem kleinen Haushalt den Winter zu verbringen.» Mesmer dankt es

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ihm als Zeichen besonderer Freundschaft, daß er ihn eingeladen hat, zu ihm nach Frankreich zu kommen. Mit Anerkennung akzeptiert er die Einladung und verspricht, im nächsten Frühjahr zu kommen «über-zeugt, daß ich mich am Ende meiner Laufbahn glück-lich in den Armen eines Freundes finden werde, der als Einziger in Frankreich mir den Beweis seiner aufrich-tigen Anhänglichkeit entbietet.» Am Schluß des Briefes die Bemerkung «Meine Gesundheit ist ordentlich gut».

Wir haben keine Nachrichten, daß Mesmer im nächsten Jahr Aubry besucht hat und nehmen an, daß Frauenfeld nun während Jahren Mesmers engere Hei-mat blieb. Wir wissen, daß sich in Frauenfeld die Sen-sation seines Alters, seine endliche moralische und wissenschaftliche Anerkennung vollzieht.

8. Ausbreitung und Entwicklung des Magnetismus und Somnambulismus in Deutschland und der Schweif und die von ihm angeregte Literatur. Prof. Kluges Buch über den animalischen Magnetismus als Heilmittel. (1785-1812)

Die Verbreitung des Magnetismus in deutschen Landen verdanken wir in erster Linie Johann Caspar Lavater (1741-1801). Dieser große Prediger, der sein weites, empfindsames und unvoreingenommenes Herz

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für alle Menschen und ihre Leistungen weit offen hielt, hatte sich schon für Pfarrer Gaßner warm ein-gesetzt. «Er glaubet und lebt seines Glaubens»1, ver-teidigte er ihn. Dieser Lavater machte 1785 in Lau-sanne die Bekanntschaft des Marquis dePuysegur, der ihm den Magnetismus und den von ihm entdeckten Somnambulismus erklärte und ihn auf seinen Wunsch hin gerne mit seiner eigenen magnetischen Praxis ver-traut machte. Lavater hatte schon bei Stadtarzt Daniel Langhans in Bern, der den Magnetismus am Baquet praktizierte, dieMesmerische Methode kennengelernt. Auch sein Bruder, Dr. med. Diethelm Lavater, war an der neuen Heilmethode interessiert und sie beide be-schäftigten sich eingehend damit.

Lavaters Frau war schon seit längerer Zeit leidend. Sobald ihr Mann von Lausanne nach Hause kam, ver-suchte er die neue bei Puysegur gesehene Therapie unverzüglich an seiner Frau und brachte sie «in den famosen Zustand des Schlafredens». Die Schlafende gab in diesem Zustand ihrem Gatten die nötigen Heil-mittel selbst an. Lavater besorgte diese und seine Frau erholte sich nach deren Gebrauch in kurzer Zeit ganz wesentlich. Als Lavater an die Stadtkirche von Bremen berufen wurde, benützte er die erste Gelegenheit, die

1 Georg Geßner, Lavaters Lebensbeschreibung, Winterthur 1802.

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Ärzte Arnold Wienholt (1749-1804), H.W.M.Olbers (1758-1840) und Georg Bicker (1754-1823) auf die Erfolge des magnetischen Schlafes aufmerksam zu machen und sie zu Versuchen damit zu überreden. Dr. Wienholt veröffentlichte in der Folge seine Beobach-tungen über diesen Gegenstand in einem «Beitrag zu den Erfahrungen über den thierischen Magnetismus. Hamburg 1787». 1802 erschien sein dreibändiges Werk über die «Heilkraft des thierischen Magnetismus. Lemgo 1802». In Bremen gab es seit 1787 da« von J. H. Cramer herausgegebene «Magnetische Magazin für Niederdeutschland», während Hoffmann in Frankfurt a. M. die Zeitschrift «Der Magnetist» seit 1787 heraus-brachte. In Straßburg erschien gleichzeitig (1787)Hof-rat Böckmanns «Archiv für Magnetismus und Som-nambulismus», das von 1804 an von A.W.Nordhoff weitergeführt wurde und der «Beobachter des thieri-schen Magnetismus und Somnambulismus», 1788 in Leipzig Rosenmüllers «Briefe über die Phänomene des thierischen Magnetismus». Kinderlin verglich be-reits den Somnambulismus mit dem antiken Tempel-schlaf und Weissagungstraum1. Murhard veröffent-lichte 1797 eine 700 Seiten des tierischen und mi-

1 J .F .A. Kinderlin, Der Somnambulismus unserer Zeit mit der Inkubation oder dem Tempelschlaf und Weissagungskunst der alten Heiden verglichen. Dresden 1788.

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Magnetisierte Bäume (vordere Umschlagszeichnung von Boeckmanns Archiv von 1787). Zur Erklärung wird aus dem fünften Gesang von Homers Odyssee die Stelle zitiert, wo es heißt: Er (Merkur) nahm auch den Stab, mit dem er die Augen eines Menschen nach seinem Willen entschläfert, und wieder andere, die einge-

schlafen sind, erwecket

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neralischen Magnetismus umfassende Bibliographie1. Es entstanden also eine große Anzahl von Schriften, die über die Erfahrungen und Beobachtungen mit dem Magnetismus Mitteilung machten und ihr Einfluß ver-breiten halfen. Es befanden sich darunter allerdings nur wenige bedeutende und von der Wissenschaft wichtig genommene Autoren. Selbst der berühmte Heilbronner Physiker Erhard Gmelin (1751-1809) ver-hielt sich anfänglich ganz ablehnend und betrach-tete lange den Magnetismus als Betrug. Als ihm je-doch im Jahre 1787 in der Anwendung des Magnetis-mus ein eigener, bemerkenswerter Erfolg beschieden war, der sich bei weiteren Versuchen wiederholt ein-stellte, beschäftigte er sich eingehend mit dem ganzen Problem und brachte mehrere bedeutende Publika-tionen darüber heraus2.

Auch der Göttinger Philosophieprofessor Christoph Meiners (1747-1810) hatte sich mit den Erscheinun-gen der neuen Lehre zu befassen. Er versuchte sie aus einem Zusammenwirken der Einbildungskraft und

1 F. A.Murhard, Versuch einer historisch-chronologischen Biblio-graphie des Magnetismus. Cassel 1797.

2 Erhard Gmelin, Über den thierischen Magnetismus. Tübingen 1787. — Neue Untersuchungen über den thierischen Magnetismus. Tü-

bingen 1789. — Materialien für die Anthropologie. Tübingen 1791-95.

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des Reibens zu erklären und zweifelt an der Übertrag-barkeit des Nervenäthers1.

Prof. Dr. Job. Heinrich Rahn in Zürich führte den Mesmerismus auf die bekannten Sympathieerschei-nungen zurück2.

Eine bedeutende Arbeit aus eigener Erfahrung lie-ferte 1800 der Bremer Prof. Dr. J. Heineken in seiner viel beachteten Schrift «Ideen und Beobachtungen den thierischen Magnetismus und dessen Anwendung betreffend».

Nach der neuen Heilmethode wurde vielerorts vom Norden Deutschlands bis in die Schweiz praktiziert. Als Schweizer Arzt hat sich darin besonders Dr. Ja-kob C. Scherb in Bischofszell einen Namen gemacht. Scherb war ebenfalls durch Lavater auf die neuen Ideen gekommen und hat 1787 einen Bericht über seine reichen Erfahrungen in Rahns «Archiv» in Zü-rich niedergelegt.

Lavaters Einstellung zum Magnetismus ist deutlich aus seinen Briefen an Spalding zu ersehen. Der be-deutende Zürcher Pfarrer schreibt darin: «Ich glaube jetzt noch nicht an Mesmers ganzes System, obgleich ich mich nicht vermesse, unerhörter und frecher Weise

1 Chr.Meiners, Uber den thierischen Magnetismus. Lemgo 1788. 1 J .H. Rahn, Archiv gem. phys. und med. Kenntnisse, Zürich

1787-91.

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über einen Mann abzusprechen, dem das Schicksal ein Geheimnis der Natur anvertraut zu haben scheint, wie ich denn überhaupt allen, besonders nachteiligen Ent-scheidungen über Menschen von berühmten oder un-berühmten Namen immer mehr von Herzen abzu-sterben trachten will. An Mesmers System glaube ich jetzt noch nicht ganz, aber ich glaubte, was ich von respectablen Augenzeugen hörte und glaube nun, was ich wohl zwanzigmal mit meinen eigenen Augen ge-sehen; mein Bruder, ein gewiß verständiger Arzt, der seltene Gaben hat, deren jede an sich sehr selten ist -die: scharf zweifeln, und die: fest glauben zu können, glücklich miteinander zu vereinigen, mehr als hun-dertmal mit eigenen Augen gesehen hat und was Je-der alle Tage sehen kann, daß eine Kraft in dem Men-schen ist, die durch eine gewisse Berührungsart in den andern hinübergehen kann und die frappantesten und bestimmtesten Wirkungen hervorbringt. Ich glaube, daß einige vielleidende, sensible, besonders mit Ner-venbeschwerden äußerst geplagte Personen, durch die Operation, die man, ich weiß nicht, ob mit Recht Magnetismus nennt, in einen divinatorischen Schlaf versetzt zu werden pflegen, in welchem sie nach der Beschaffenheit ihrer Organisation, ihres Charakters, ihrer Leidensumstände, viel feinere Wahrnehmungen machen, als sie beim Wachen zu tun vermögend sind,

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und Dinge, die sie und ihre Gesundheitsumstände be-treffen, oft mit der pünktlichsten Genauigkeit vorher bestimmen. Ich kann von meinem Leben nicht über-zeugter sein, wie davon, daß ich dadurch die Beschwer-den meiner Frau auf die augenscheinlichste Weise er-leichtert, und bei jeder neuen Regung sozusagen auf der Stelle wieder zu erleichtern vermögend bin. Mag nun alle Welt darüber lachen oder seufzen, das soll mich im Allermindesten nicht irre machen, ich weiß, was ich weiß, und sehe, was ich sehe. Glaubt es nun oder glaubt es nicht; sei es nun Einbildung oder Wirklichkeit. Wenn ich durch Einbildung gesund bin, oder gesund mache - willkommen, wohltätige Ein-bildung, dich will ich lieber als Wirklichkeit, die mich und Andere krank macht!»

An Spaldings Sohn schrieb Lavater im Oktober 1785: «Ich Schwärmer rufe immer:,untersucht!' und kann es bei Andern nicht dazu bringen, die Philoso-phen heißen und über meine Schwärmerei spotten. Bemerke ruhig, mein Lieber! der Magnetismus ist eine neuentdeckte Kraft der menschlichen Natur, eine Naturkraft. Nun ist jede Entdeckung einer Na turkraft wichtig, am wichtigsten, wenn sie im Menschen haftet und für Menschen wohltätig ist. Wer sich gegen eine wohltätige Wirkung der Natur empört, ist nicht unser Freund. Jede Wirkung, die wohltut, die einen positi-

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ven Anfang hat, ist von uns anders nicht als eine posi-tive Action dessen, der Alles in Allem wirkt und den wir als Gott annehmen, anzusehen; Ihm ist dafür zu danken, er ist dadurch als mächtig und wohltuend er-kennbar. Ich glaube mit Recht einen jeden Menschen und ein jedes Jahrhundert oder Jahrzehnt krankhaft, armselig, nervenlos und unphilosophisch nennen zu können, das sich sogleich gegen Alles, was Glauben heißt, empört und doch alle Momente genötigt ist, nach Glauben und Glaubenskraft zu handeln, unauf-hörlich von Untersuchung spricht und unaufhörlich j ammert, wenn man untersucht und untersuchen heißt; das denselben kränkelnden Ekel, dieselbe altweibische Furcht, denselben unversöhnlichen Haß zum Voraus hat gegen jede neue Entdeckung, die nur vielleicht eine neue große Seite der Menschheit zeigen könnte, wie alle von diesen furchtsamen Schwachköpfen ver-lachte, orthodoxe, schwachmütige Köhlergläubige vor Allem haben, was nur den Schein von Reformation haben könnte, die mit einem kleinmütigen Eigensinn die einmal gezogene Grenze ihres Wissens so scharf bewachen, daß sie jede Einfuhr einer neuen Wahrheit wie schrecklich strafbare Contrebande verwahren. Kannst du sagen, daß dieses nicht der Geist unseres Jahrzehntes sei, und ist der nicht unwissend, der es nicht sieht, und lumpig schwach, der es nicht sagen

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darf, wie immer das Gelächter dieser schalen Köpfe ihn angrinzen möge?1»

Wenn im deutschen Sprachgebiet der Kampf gegen den Magnetismus nicht so leidenschaftlich wie in Frankreich geführt wurde, so lag eine Ursache wohl darin, daß Mesmer lange persönlich ausgeschaltet blieb. Es fehlte zwar nicht an Gegnern und Verleum-dern wie Wieland, der imTeutschen Merkur 1784-85 viel Niederträchtiges über «Doktor Mesmer» geschrie-ben hatte. Doch blieb das Bessere, das man zu lesen bekam, in der Mehrzahl und behielt die Oberhand.

Freilich heißt es noch in des großen Christoph Wil-helm Hufelands (1762-183 6) Buch über «Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern2» : «In den neue-sten Zeiten hat man leider mehr Progressen in den Künsten, das Leben zu verkürzen, als in der, es zu verlängern gemacht. Charlatans genug sind erschie-nen und erscheinen noch täglich, die durch astralische Salze, Goldtinkturen, Wunder und Luftsalzessenzen, himmlische Betten und magnetische Zauberkräfte den Lauf der Natur zu hemmen versprechen, aber man fand sehr bald, daß die Wunderkraft des Magnetismus als Imagination, Nervenreiz und Sinnlichkeit zusam-mengesetzt war . . . Besonders verdient die Erschei-

1 J.Kerner, Mesmer 1856, S. 95/97. 2 Wien und Prag 1797, S. 2 3 ff.

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nung des Magnetismus in dieser Sammlung noch einige Erwähnung. Ein bankerott gewordener, und verachteter, aber schwärmerischer und wahrschein-lich nicht sowohl von unsichtbaren Kräften, als von unsichtbaren Obern geleiteter Arzt, Mesmer, fiel end-lich auf den Gedanken, künstliche Magnete zumachen und diese als souveraine Mittel gegen eine Menge Krankheiten, Lähmung, Gichtflüsse, Zahnweh, Kopf-weh u.dgl. zu verkaufen. Da er merkte, daß dies glückte, so ging er weiter und versicherte, daß er nun gar keine künstliche Magnete mehr nötig hätte, son-dern er selbst der große Magnet sei, der die Welt ma-gnetisieren solle. - Seine eigene Person war so mit magnetischer Kraft angefüllt, daß er durchBerührung, durch Ausstreckung seines Fingers, ja durch bloßes Anschauen dieselbe andern mitteilen zu können ver-sicherte. Er führte wirklich Beispiele von Personen an, die durch Berührung von ihm, ja durch seine bloßenBlicke,versicherten, Empfindungen bekommen zu haben, als wenn man sie mit einem Stock oder mit einem Eisen geschlagen hätte. Diese sonderbare Kraft nannte er nun animalischen Magnetismus und ver-einigte unter dieser seltsamen Benennung alles, was der Menschheit am meisten am Herzen liegt, Weisheit, Leben und Gesundheit, die er dadurch nach Belieben mitteilen und verbreiten konnte.

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Da man das Unwesen nicht länger in Wien dulden wollte, so ging er nach Paris und hier nahm es nun erst seinen rechten Anfang.. . Man sollte meinen, einen Traum aus dem tausendjährigen Reiche zu hören. Und diese ganzen pompösen Versprechungen und Aussichten verschwanden plötzlich als eine Com-mission, an deren Spitze Franklin stand, das Wesen des Magnetismus genauer untersuchte. Der Nebel ver-schwand und es ist nun von dem ganzen Blendwerk weiter nichts übrig geblieben, als die animalische Elec-trizität und die Überzeugung, daß solche durch ge-wisse Arten von Streichen und Manipulieren des Körpers in Bewegung gesetzt werden kann, aber ge-wiß ohne Beihilfe von Nervenschwäche und Schwär-merei nie jene wunderbare Phänomene hervorbringen wird, noch weniger im Stande sein kann, das mensch-liche Leben zu verlängern.

Fast schien es, als wolle man jene Idee ganz den Charlatans überlassen... Da aber dies doch unmög-lich für einerlei gelten kann, so ist es wohl der Mühe wert, daß dieser Gegenstand inskünftig den Schwär-mern und Betrügern unbrauchbar gemacht werde, die bekanntlich ihr Wesen in einem scienüsischen Gebiet nur so lange treiben können, als es noch nicht durch die Fackel gründlicher Untersuchung erleuchtet ist.»

Nach Jahren der heftigsten Ablehnung und äußer-

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sten Skepsis ließ sich derselbe große Hufeland dennoch vom großen Heilwert des Magnetismus überzeugen und begann schließlich selbst, ihn mit großem Erfolg in der Verlängerung des Lebens anzuwenden.

Die vielseitige und dauernde Beschäftigung mit dem Problem durch so viele aufrichtige und hervorragende Gelehrte und die physikalischen Entdeckungen jener Zeit brachten schließlich das Gedankengut der neu entdeckten Kraft immer weiteren führenden Männern zwangsläufig näher. Von der physikalischen Seite her wirkte besonders anregend und zu Vergleichen auf-fordernd die Entdeckung des Galvanismus. Vor allem zogen die Physiologen Rückschlüsse über das Ver-halten des «Nervenäthers» im menschlichen und tie-rischen Leib und versuchten, die Eigenschaften dieses Nervenfluidums in Verbindung mit den auffallendsten Erscheinungen des Magnetismus festzustellen. Be-rühmte Männer wie Albrecht von Haller (1708-1777), Alexander von Humboldt (1769-1859), Erhard Gme-lin (1751-1809), Laplace (1749-1803), die Professoren Nasse, Autenrieth, Treviranus, Görres, Pezold und andere mehr befaßten sich mit den neuen Tatsachen und Problemen, veröffentlichten positive Berichte dar-über und forderten die Fortsetzung der begonnenen Untersuchungen. Auch in der Philosophie waren es die bedeutendsten Männer der Zeit, wie Kant, Schel-

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ling, Fichte, Schleiermacher, Oken, Schubert und Schopenhauer, die sich darüber vernehmen ließen. Für letzteren war «der Mesmerismus vom philosophi-schen Standpunkt aus betrachtet die inhaltschwerste aller jemals gemachten Erfahrungen.»

Selbst die großen Dichter nahmen den Stoff auf. Goethe verhielt sich zwar reserviert in konkreter Stel-lungnahme. Das Problem hat ihn aber mächtig ange-zogen. Schiller erkundigte sich über eine magnetische Kur für sein eigenes Leiden. Aber in Kleists «Käth-chen von Heilbronn» fand der Magnetismus jener Zeit seine schönliterarische Darstellung.

In der Reihe der großen und berühmten Mediziner nahm sich besonders Professor Johann Christian Reil (175 9-1813), einer der bedeutendsten damaligen Ner-venärzte, der Erscheinungen des Magnetismus voll wissenschaftlichen Interesses an. Er hatte rasch er-kannt, daß der neuen Lehre gerade als psychische Kur-methode große Bedeutung für die Zukunft zukom-men würde1.

Von seinen Schülern war es vor allen Dr. Christian Friedrich Nasse (1778-1851), der diese Forschungen

1 Joh. Christ. Reil, Anwendung der psychischen Kurmethode auf Geisteszerrüttung. 1803. — Beiträge zu einer Kurmethode auf psych. Wege. 1806. — Fieberlehre, spez. Bd. IV.

Steffens, Joh.Christian Reil. Halle 1815.

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mit Talent weiterverfolgte und sich durch eigene Ar-beiten große Verdienste erwarb1.

Auch Dr. Johann Heineken (1761-1851), Professor der Arzneikunde und Naturlehre und Physikus zu Bre-men warb mit seinen 1800 erschienenen, stark beach-teten und oft zitierten «Ideen und Beobachtungen den thierischen Magnetismus und dessen Anwendung be-treifend», viel für die in Deutschland blühende Form des Magnetismus.

Durch den Grafen Moritz von Brühl, der sich sehr für den Puységurschen Somnambulismus eingesetzt hatte und Autor des «Erweckter Magnetismus» war, ließ sich der Hufelandschüler Dr. Carl Alexander Ferd. Kluge (1782-1844) interessieren. 1811 ließ Kluge, damals Professor und Oberchirurgus bei der könig-lich preußischen medizinisch-chirurgischen Pepinière in Berlin, sein Buch «Versuch einer Darstellung des animalischen Magnetismus als Heilmittel» erscheinen, das in seiner gründlichen Weise ein klares Bild dessen zu vermitteln vermag, was in den Fachkreisen der durch Puységur beeinflußte Magnetismus geworden war. Kluge stand durch den Grafen von Brühl mit

1 Fr. Nasse, Beobachtungen über den Somnambulismus von seiner psych. Seite. (In Reils Beiträgen zur Kurmethode a. psych. Wege. Bd. II. 1810. - Beiträge im Archiv für den tierischen Magnetismus 1817-1819, Bd. I-VL

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mehreren Mitgliedern der Harmonischen Gesellschaft von Straßburg in Verbindung, hatte Mesmers «Apho-rismen» studiert und die einschlägigen Werke der da-maligen Zeit gelesen und praktizierte schon seit länge-rer Zeit den magnetischen Schlaf. Da er in der vorhan-denen Literatur kein Buch vorfand, das ihm für die Pra-xis als hinreichend erschien, wollte er für die Anleitung der Ärzte ein Lehrbuch über «den von Mesmer zwar der Vergessenheit entrissenen, von ihm und seinen ersten Anhängern aber auch bis zur Charlatanerie ge-triebenen und daher leider so verkannten und verach-teten animalischen Magnetismus» herausbringen, das von den «mancher Art Schlacken» gesäubert war.

« Versuch einer Darstellung des animalen Magnetismus als Heilmittel»

§ 7. Ganz ausgezeichnet in seinen Wirkungen ist aber der animalische Magnetismus. Bei ihm ist nicht ein bloßes Durchgehen oder Verweilen, sondern ein bleibender Übergang und eine innige Beimischung eines unmittelbar auf das Nervensystem und von da auf den ganzen Organismus belebend wirkenden Fluidums. Der Körper wird also nicht bloß gereizt, sondern erhält von außen her einen wirklichen Zu-wachs der ihm beiwohnenden Lebenskraft.

§ 8. Diesen Gegenstand als Heilmittel insofern dar-

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zustellen, als ich ihn teils durch eigenes Beobachten, teils durch Erfahrung glaubwürdiger Männer über-kommen habe, ist gegenwärtig mein Zweck.

§ 66. Der Wirkende oder Magnetiseur ist gewöhn-lich nur insofern eines positiven Wirkens fähig, als er gegen den Magnetisierten ein Übermaß an Energie und Lebenskraft besitzt. Der Mann wirkt daher im Allgemeinen kräftiger als das Weib.

§ 70. Nach einer wirksamen Behandlung fühlt der Magnetiseur allgemeines Mißbehagen, . . . überhaupt einen Kräfteverlust, der sowohl mit dem Grade der Empfänglichkeit des behandelten Subjektes, als auch mit der Dauer der Operation und ihrer öfteren Wie-derholung in gleichem Verhältnis steht.

§ 74. Die allgemeinen Wirkungen des animalischen Magnetismus . . . sind nach Heinekens und anderer Erfahrungen: x. Allgemeine Erweckung und Ver-stärkung der Lebenstätigkeit in allen Teilen des Kör-pers. - Der animalische Magnetismus beschleunigt den Puls und das Atemholen, bringt mehr Wärme und Röte, ein erhöhtes Gemeingefühl und Heiterkeit der Seele hervor. Appetit und Verdauung wachsen, Beschwerden verschwinden. - Der Magnetismus be-fördert die körperlichen Absonderungen. 2. Sanfte Reizung über die ganze Oberfläche des Körpers, wo-durch jede Disharmonie aufgehoben und das Gleich-

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gewicht wieder hergestellt wird. 3. Ableitung der er-höhten Lebenstätigkeit von leidenden Organen und Hinleitung auf andere Organe.

Die Grade der magnetischen Einwirkung: § 80. Im 1. Grade sind die gewöhnlichen Zugänge,

durch welche die Psyche mit der Außenwelt in Ver-bindung steht, noch unversehrt. Es ist der Grad des Wachens.

§ 81. Im 2. Grad wird die Sinnlichkeit zum Teil ge-schlossen ; die Mehrzahl der Sinne gibt aber von nahen Umgebungen Kunde und nur der Sinn für die Ferne (das Auge) entzieht sich der Herrschaft des Willens. Es ist der Grad des Halbschlafes oder die unvollkom-mene Krise.

§ 82. Im 3. Grad weicht die ganze Sinnlichkeit zu-rück und so tritt der Mensch aus der Verbindung mit der Außenwelt und geht zur inneren Dunkelheit über. Es ist der Grad des magnetischen Schlafes.

§ 83. Im 4. Grad kehrt dem Menschen das Bewußt-sein wie aus einem verworrenen Traum zurück. Er fühlt seinen Zustand deutlich, obwohl er schlafend ist. Die Abhängigkeit des Schlafenden vom Magneti-seur wird jetzt deutlich, indem der Schlafende ge-wissermaßen durch ihn empfindet, denkt und handelt. Es ist der Grad der vollkommenen Krise oder des einfachen Somnambulismus.

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§ 84. Beim Übergang vom 4. zum 5. Grad kommt der Kranke zur inneren Selbstschau. Durch sein stär-ker hervortretendes Gemeingefühl und erhöhtes Be-wußtsein bekommt er eine helle und lichtvolle Er-kenntnis seines inneren Körper- und Gemütszustan-des, berechnet die als notwendige Folge eintretenden Krankheitserscheinungen auf das pünktlichste voraus und bestimmt die wirksamsten Mittel zu ihrer Besei-tigung. Diese seine Innerlichkeit behauptet er auch auf andere, mit ihm magnetisch verbundene Personen. Die Verbindung mit dem Magnetiseur ist inniger als zuvor und daher seine Abhängigkeit größer. Es ist dieser 5. Grad derjenige der Selbstbeschauung oder der Clairvoyance.

§ 85. Im 6. Grad tritt der Kranke wieder aus sich heraus und in eine höhere Verbindung mit der ge-samten Natur. Die bei der Selbstbeschauung vorhan-dene Klarheit breitet sich aus über das Nahe und Ferne, im Räume und in der Zeit, daher auch dieser Zustand der Grad der allgemeinen Klarheit, der Ekstase oder Desorganisation genannt wird. - Das Gefühl dieses Zustandes soll für den Patienten an Seligkeit grenzen.

§ 108. Das Wahrnehmungsvermögen für Gesichts-eindrücke kann so erhöht werden, daß der Somnam-bule Dinge bemerkt, die wegen ihrer Feinheit ganz außer unserer gewöhnlichen Sinnensphäre liegen, z.B.

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den vom Magnetiseur ausgehenden Glanz, der den Körper desselben wie ein Heiligenschein umgibt. Er sieht ferner die Lichterscheinung der magnetischen Ströme, die aus allen Teilen, aus Haaren, Augen, Händen, Fingern etc. ausfließen.

§ i io. Auch das Gehör kann sich in diesem Zustand dermaßen steigern, daß der Eingeschläferte die ent-ferntesten und leisesten und von keinem Andern wahr-zunehmenden Töne, selbst durch Wände und Türen auf das deutlichste wahrnehmen kann.

§ ii2. Wie durch die Herzgrube die Vermittlungdes Gesichtssinnes geschah (§ 103), so wird sie auf eine gleiche Weise auch die Stellvertreterin des Hör-organs.

§ § 113-114. Auch Geruch und Geschmack sind im somnambulen Zustand wesentlich verfeinert und lei-stungsfähiger.

§ 129. Fast alle Kranke im Grade des Somnambulis-mus fühlen sich während der Dauer ihres Schlafes in einen angenehmen und höchst behaglichen Zustand versetzt. Alle ihr Körperbewegungen drücken eine ungewöhnliche Leichtigkeit aus, dagegen sie im wa-chen Zustande oft nicht vermögend sind, das Bett zu verlassen.

§131. Ein solcher magnetischer Zustand dauert ge-wöhnlich nur eine oder einige Stunden. Er kann aber

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auch in außergewöhnlichen Fällen, vorzüglich wenn er von selbst eintrat, einen oder mehrere Tage dauern.

§ 138. Nächst der richtigen Erkenntnis seiner in-neren Zustände und der Angabe eines zweckmäßigen Heilverfahrens besitzt der Clairvoyant auch noch das Vermögen, nicht bloß den Eintritt, die Dauer und Stärke seines magnetischen Schlafes, sondern auch alle ihm bevorstehenden Krankheitserscheinungen bisweilen auf mehrere Monate hinaus im Voraus zu be-stimmen und die Erfahrung hat es bewiesen, daß alle dergleichen Prognostica auf das pünktlichste ein-trafen.

§ 216. Man belegt den magnetischen Schlaf mit demNamen der Krise, weil während desselben wichtige und in den allermeisten Fällen wohltätige, die Krank-heit entscheidende Veränderungen im Körper vor-gehen. Es ist eine schon alte, aber durch alle Zeiten immer wieder von neuem bestätigte Erfahrung, daß die Natur bei vielen Krankheiten sich gerade während des kritischen Moments des Schlafes als Mittel zum Zweck der Heilung bedient. Wirkt der Schlaf an und für sich schon heilsam, indem er den Wechsel der Stoffe befördert, das aufgehobene Gleichgewicht der Kräfte wieder herstellt und den Tierkörper normali-siert, um wie viel mehr muß dies nicht geschehen durch den die Vegetation noch mehr verstärkenden

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und zugleich tief in das innerste Leben eingreifenden magnetischen Schlaf. Alle Kräfte der körperlichen, wie der geistigen Natur treten hier stärker hervor; wirken inniger und lebendiger in einander und stellen so, ihrer Tendenz gemäß, die Harmonie des Ganzen wieder her. Wenn gleich dies durch Gefühle der höch-sten Lust sich deutlich aussprechende harmonische Verhältnis in den Verrichtungen anfänglich vorüber-gehend, so wird es doch durch öfteres Erneuern des magnetischen Schlafes immer mehr befestigt und end-lich als bleibend auch dem wachenden Zustand ad-härent.

§ 232. Nicht ein Jeder ist fähig, auf Andere magne-tisch zu wirken und selbst der, der es vermag, wird nicht immer wohltätig wirken. Zu einem Magnetiseur werden gewisse, teils physische, teils psychische Eigen-schaften erfordert, die nicht alle erworben werden kön-nen, sondern deren glückliches Zusammentreffen meh-rerenteils als ein Geschenk der Natur zu betrachten ist.

§ 240. Gesundheit und Stärke des Körpers undGeistes, verbunden mit einem reinen und regen Eifer für das Gute, die Eigenschaften, die der Magnetiseur besitzen muß.

Über die magnetische Behandlung schreibt Kluge: § 242. Die einfache magnetische Behandlung wird

gewöhnlich nur mit der Hand verrichtet. Der Magne-

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tiseur kann indeß auch ohne den Gebrauch seiner Hand auf den Kranken wirken durch Anhauchen, den festen Blick und durch Fixiren der Gedanken.

§ 248. Die Anwendung des animalischen Magnetis-mus durch Manipulation erfordert größtenteils, wie die Erregung des mineralischen Magnetismus, ein immer wiederholtes Streichen nach einer und der-selben Richtung, wobei jedesmal, um durch entge-gengesetztes Streichen die hervorgebrachte Wirkung nicht wieder aufzuheben, in einem nach außen laufen-den Bogen zurückgekehrt wird.

§ 249. Die magnetischen Striche laufen alle abwärtsund auswärts, vom Kopfe zu den Extremitäten (die Gegenstriche einwärts und aufwärts).

§ 250. Der Magnetiseur kann seine Hand mit demKranken in eine dreifache Annäherung bringen; ein-mal den Rücken der Hand, dann deren scharfen Rand und endlich die innere Fläche derselben.

§ 253. DieVolar-Manipulation (mit Handteller oder Fingerspitzen) ist die eigentlich wirksamste Berüh-rungsart, mittelst welcher die magnetischen Striche vollführt werden.

§ 281. Der animalische Magnetismus zeigt sich beijedem Menschen ohne Ausnahme des Alters oder Ge-schlechtes wohltätig wirksam und kann demnach auch bei jedem ohne Nachteil angewandt werden.

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§ 282. Eine Hauptregel ist es, den animalischenMagnetismus nie anders als nur zum alleinigen Zwecke der Heilung anzuwenden.

Hufeland sagt: «Wir kennen weder das Wesen dieser wunderbaren Kraft noch ihre Grenzen. Aber alles zeigt uns, daß sie in die Tiefen des Organismus ein-greift und das innerste Leben des Nerven-Systems, ja selbst das Geistige zu afficiren und aus seinen ge-wöhnlichen Verhältnissen zu setzen vermag. Wer also sich dieser Kraft zu bemächtigen und sie zu hand-haben unternimmt, der unternimmt wahrlich ein kühnes Wagestück, - vielleicht den größten Eingriff in die höheren Gesetze der Natur, der möglich ist -und dies bedenke wohl. Nie muß er ohne Schüchtern-heit, ohne tiefe Ehrfurcht vor dem unbekannten We-sen, mit dem er zu spielen wagt, und am wenigsten ohne Reinheit des Gemüts, dies Heiligtum betreten. Nie darf man also aus Vorwitz gesunde Menschen magnetisieren. Es ist schon eine der allgemeinsten Regeln der Heilkunst überhaupt, daß jede, auch die unbedeutendste Arznei für einen Gesunden schädlich sei, - wie viel mehr muß dies von einem Agens gelten, das vielleicht das stärkste unter allen ist.»

§ 293. Es ist schon früher gesagt worden, daß Mes-mer und seine Schüler beim Magnetisieren immer dar-auf ausgingen, sehr heftige Reaktionen hervorzu-

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bringen und deshalb sehr anhaltend auf einzelne Teile wirkten. Wenn gleich die Erfahrung lehrt, daß bis-weilen nur durch solche Aufregungen der Kräfte un-heilbar scheinende Krankheiten wirklich geheilt wur-den und daß daher die Natur sich oft von selbst ge-rade dieser heftigen Mittel zur Erreichung heilsamer Zwecke bedient, so ist dennoch jenes Verfahren im allgemeinen zu tadeln. - Man kann auch durch die Hervorrufung milder Reaktionen heilen.

§ 294. Wird der Kranke durch die Manipulation inSchlaf versetzt, so unterbreche man dieselbe nicht so-gleich, sondern fahre noch einige Zeit damit fort, weil hierdurch der Schlaf gewöhnlich noch tiefer wird.

Verfällt aber der Kranke in einen wirklich magne-tischen Schlaf, der aus den angegebenen Kennzeichen, vorzüglich aber aus den plötzlich veränderten und veredelten Gesichtszügen sehr deutlich erkannt wird, so darf man ihn in diesem Zustand nicht willkürlich verlassen, weil dies auf den Somnambulen widrig wirkt und daher leicht Erscheinungen bei ihm ein-treten können, welche die Gegenwart des Magneti-seurs notwendig machen. Man hört in diesem Falle mit der Manipulation auf und sucht den Kranken be-hutsam anzureden.

§295. Die Fragen an den Kranken im magnetischenSchlafe müssen mit der größten Vorsicht geschehen

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und vorzüglich in den ersten Krisen einfach und un-bedeutend sein. Wie er sich befinde, ob er schlafe, wie lange er schlafen werde, ob er von selbst erwachen oder geweckt sein wolle, ob die Manipulation unter-lassen oder fortgesetzt werden solle und in welcher Art und wann er von neuem in Schlaf verfallen werde, - dies frage man ihn bloß in der ersten Krise und setze sich, im Falle er es nicht hört und beantwortet, durch das Halten seines Daumens oder durch das Auflegen der flachen Hand auf seine Magengegend mit ihm in nähere Verbindung. Spricht der Patient aber dennoch nicht, so darf man ihn nicht in seiner Ruhe stören und kraft des Willens gleich zum Reden zwingen wollen, sondern man muß sich dann still verhalten und zu einer andern Zeit oder auch wohl in einer folgenden Krise ihn wieder anzureden suchen und dann später-hin von der Willenskraft erst Gebrauch machen. Wer diese Regel nicht befolgt, sondern tumultarisch zu Werke geht, wird keinen hellsehenden Kranken bilden.

§ 296. Befindet sich der Kranke in einer vollkom-menen Krise, so wird er dann nicht nur die Dauer derselben und die Art des Erwachens genau bestim-men, sondern er wird auch die für seinen Zustand passende Manipulation und überhaupt den ganzen Curplan angeben und der Magnetiseur kann diesen Vorschriften als den Äußerungen eines erweckten,

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sicheren Instinkts ganz dreist Folge leisten, sobald er sich von dem wirklichen Dasein des Magnetischen Schlafes durch die bereits angegebenen Kennzeichen überzeugt hat. Die kleinste Vernachlässigung jener Vorschriften muß der Kranke und mit ihm auch der Arzt oft sehr hart entgelten, so wie im Gegenteil eine genaue Befolgung derselben stets den vorausgesagten guten Erfolg hat.

§ 299. Man läßt den Kranken solange im magneti-schen Schlafe, bis er entweder von selbst erwacht oder geweckt zu sein wünscht. Ein früheres Erwecken schadet gewöhnlich und man ist daher genötigt, den durch äußere Veranlassung zu früh aufgeweckten Kranken jedesmal von neuem durch Manipulation wieder in Krise zu versetzen.

§ 301. Die Manipulation muß täglich und wenn esmöglich ist, immer zu einer und derselben Zeit wie-derholt werden; weniger schädlich wird es indeß sein, vor der gewöhnlichen Zeit zu magnetisieren als die Behandlung zu verspäten.

§ 304. Die Kur wird solange fortgesetzt, bis alledurch sie veranlaßten Erscheinungen gänzlich ver-schwunden sind. Es ist immer besser, sie eher zu ver-längern als zu verkürzen. Gewöhnlich bestimmen die Kranken während ihres Somnambulismus das Nähere hierüber und verlangen meistens noch eine Nachkur.

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In der Regel hören mit dem Eintritt der Gesund-heit nach und nach alle magnetischen Erscheinungen auf, der Schlaf verliert an Intensität und die Manipu-lation wird unwirksam. Nur in äußerst seltenen Fällen bemerkte man noch geraume Zeit nachher, bei ein-tretendem Übelsein, ein Analogon von magnetischem Schlafe, das dann aber jedesmal das Wohlsein wieder herbeiführte und sich späterhin ganz von selbst ver-lor.

Kluge behandelt auch die in jenen Zeiten vielfach ausgeübte zusammengesetzte magnetische Behand-lung durch gleichzeitige Anwendung magnetischer Verstärkungsmittel: des Konduktors, des Isolato-riums, der Elektrizität, des Spiegels oder der Musik, ferner des magnetisierten Wassers, des magnetisierten Glases und des magnetischen Baquets oder magneti-sierter Bäume.

Er sucht auch nach den Ursachen der magnetischen Erscheinungen und verglich sie mit dem Stande der damaligen wissenschaftlichen Erkenntnis.

Im dritten Abschnitt von Kluges Buch werden die Fälle bestimmt, in welchen nach seiner Ansicht die Anwendung des animalischen Magnetismus angezeigt ist:

§ 340. Der vollkommen Gesunde ist für den ani-malischen Magnetismus meistenteils gar nicht emp-

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fänglich, sondern wird es nur erst durch Krankheit und hört bei zurückkehrender Gesundheit wieder auf es zu sein.

§ 341. Je mehr Jemand geschickt ist auf andere alsMagnetiseur zu wirken, desto weniger ist derselbe für die Wirkung eines andern empfänglich.

§ 345. Die Art der Wirkung des animalischen Ma-gnetismus ist zweifach: einmal Verstärkung der ge-samten Lebenstätigkeit durch Übertragung jenes un-bekannten, nervenbelebenden Prinzips aus einem Körper in den andern, und dann Ab- und Zuleitung dieses ätherischen Stoffes von einzelnen Gebilden zu andern und somit geregelte Verteilung desselben im ganzen Organismus. Vermöge dieses eigentümlichen Wirkens wird der animalische Magnetismus bei den-jenigen dynamischen Krankheiten anzuwenden sein, welche entweder in einem absoluten Mangel oder in einer abnormalen Verteilung der Lebenskraft ihren Grund haben, so wie auch bei solchen organischen Krankheiten, deren materielle Ursache entweder durch eine Verstärkung des gesamten Wirkungsvermögens oder durch ein Aufregen und Ableiten der Nerven-tätigkeit im Einzelnen überwältigt werden kann.

Der Magnetismus kommt deshalb besonders in Be-tracht bei den meisten Nervenleiden, handle es sich nun um alle zu geringen oder zu großen Reizempfind-

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lichkeiten, um Nervenschwächen, Erschöpfungszu-stände oder Zustände der Überreizung, Zittern, Herz-klopfen, Ohnmächten, Krämpfen, bei Epilepsie, Cata-lepsie, Starrkrampf, St. Veits-Tanz etc.

§ 350. Außer diesen allgemeinen Nerven-Übelnwird der animalische Magnetismus auch da anzuwen-den sein, wo Untätigkeit in einzelnen Organen herrscht und diese ihren Verrichtungen nicht gehörig vorste-hen können, als z. B. Schwäche und Lähmung in den Ab- und Aussonderungsorganen, in den Sinnes- und Sprachwerkzeugen, den Bewegungsorganen und der-gleichen mehr.

Auch hier hat sich der animalische Magnetismus heilsam gezeigt und bei einigen dieser Krankheiten sogar als Spezificum bewährt. - So betrachteten ihn z. B. Heineken und Wienholt als das kräftigste Mittelbei Menstruationsbeschwerden und Gmelin versichert nach mehreren Erfahrungen, daß bei den durch Schwangerschaft veranlaßten Digestionsfehlern mit heftigem Würgen, galligem Erbrechen, Ohnmächten und Krämpfen nichts so lindernd und wohltätig wirke als der animalische Magnetismus.

Aber auch zur Schmerzlinderung wird er besonders empfohlen, ferner bei Geschwüren, Geschwülsten, Eiterungen, StofFwechselstörungen, Stockungen in einzelnen geschwächten Organen, angehender Gicht,

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Wassersucht und dergleichen mehr und seine Heil-kraft wird nur dann erst unterliegen, wenn schon be-deutende Desorganisationen zugegen sind. Eine wich-tige Rolle spielt er weiter durch seine belebende Kraft bei allen Fällen des Scheintodes. §§ 352, 354.

Kluges Werk erlebte mehrere Auflagen und übte einen großen Einfluß aus. Es schildert aufschlußreich den Stand der damaligen Ansichten über den tieri-schen Magnetismus und dessen verbreitete Anwen-dung. Doch hatte er sich bereits von der reinen Lehre Mesmers weit entfernt. Die Heilung durch die über-tragene Lebenskraft und den universellen Magnetis-mus war nicht mehr das Wichtigste daran, sondern das Bestreben, den Kranken durch systematisches Magnetisieren während Tagen, Wochen und Mona-ten in immer höhere Grade des Somnambulismus zu treiben, den Heilinstinkt mit allen Mitteln anzuregen, ihn suggestiv zu behandeln und voll auszunützen.

Mesmer ist in Kluges Werk zum bloßen Wieder-entdecker dieser bedeutenden Heilkraft geworden, der mit allem Verdacht der Charlatanerie und der An-wendung eines unentwickelten Systems belegt war und der sich selbst zu dem von Puysegur «verbesser-ten Magnetismus» bekehren mußte. In der 3. Auflage von 1818 heißt es, Mesmer scheine für die Vervoll-kommung und Verbreitung des Magnetismus nichts

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mehr tun zu wollen, indem er sich von der Welt zu-rückgezogen habe und gegenwärtig als 76jähriger Greis zu Frauenfeld im Kanton Thurgau in der Schweiz in stiller Einsamkeit lebe. Vielleicht denke er mit altdeutschem Sinne eines Luther:

Ist's Werk von Gott, so wirds besteh'n Ist's Menschentand, muß's untergeh'n. (§59)

Mesmers Lebensabend und endliche Anerkennung. (1812-1815)

Während sich der Magnetismus in der dargestellten Weise entwickelt und verändert hatte, lebte der Ent-decker dieses Heilsystems zurückgezogen und in sich gekehrt, immer wieder mit und an seinem Werk be-schäftigt, in Frauenfeld. Bis 1809 wußte die große Welt kaum etwas von seinem abgeschiedenen Auf-enthalt und nurwenige, stilleFreunde hatten eine Ver-bindung mit ihm. Gelegentlich erhielt er auch Be-suche wie jene des Stadtarztes Nenning aus Konstanz, Albrecht von Ittners, Dr. J.H.Hirzeis oder Dr. J.M. Aeplis. Doch blieben diese und andere Besuche, die der alte Herr stets mit Freude empfing, einem weiteren Publikum unbekannt. Einer dieser Gäste Mesmers

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schildert ihn in dieser Zeit als schönen, wohlgebauten Greis von starker, kräftiger Konstitution mit einem sehr lebhaften, zuweilen etwas heftigen Temperament. Sein Anstand, seine Weltkenntnis, sein gesellschaft-liches Talent und seine herzliche Art, mit den Gästen umzugehen, wurden besonders angenehm empfunden. Waren auch Mesmers damalige Verhältnisse einfache, so war doch sein Tisch stets mit den besten Gerichten, feinsten Gewürzen und einem auserlesenen Wein be-setzt. Am liebsten sprach er über seine Entdeckungen, wobei er stets auf die Treulosigkeit der Welt und die Verfälschung seiner Idee hinwies. Mesmer war immer hilfsbereit und wer ihn darum bat, wurde von ihm unentgeltlich behandelt.

Erst im April 1809 erschien in Hufelands «Journal der praktischen Heilkunde» aus der Feder von Dr. Zugenbühler aus Glarus, der im vergangenen Jahr ebenfalls zu Mesmers Besuchern gezählt hatte, eine «Nachricht von Mesmers jetzigem Leben und Auf-enthalt». Der berühmte Chr. Wilh. Hufeland, der einst ein so strenger Ablehner des Magnetismus gewesen war, führte den Bericht mit folgenden ehrenden Wor-ten der Leserschaft vor: «Es wird gewiß dem medizini-schen Publikum angenehm sein, etwas Näheres über den jetzigen Aufenthalt und das Leben eines Mannes zu erfahren, der der Entdecker einer der wichtigsten

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Naturkräfte oder vielmehr Naturbeziehungen war, welche jetzt von neuem die Aufmerksamkeit der den-kenden Ärzte auf sich zieht.. .

In Deutschland geboren, wurde der Magnetismus schon als Kind aus seinem Vaterland über den Rhein verbannt, in Frankreich von der einen Partei als Wun-derkraft angebetet, von der anderen zur Jonglerie her-abgewürdigt und von der dritten, weil er nicht die ge-wöhnliche greifbare chemische und physikalische Dar-stellbarkeit hatte, als gar nicht existierend erklärt ; und nun erst, nach einer langen Reihe von Jahren in sei-nem Vaterlande wieder aufgenommen, durch die ruhi-ge, gründliche und tiefe Forschung deutscher Ärzte und Philosophen dem Reiche der Wahrheit wieder zu-geführt, erscheint er als ein hoher, wissenschaftlicher Gegenstand und als eine höchst wichtige Acquisition der heilenden Kunst.»

Dr. Zugenbühlers Bericht lautet : «Der ehemals so vielgenannte Mann, dessen Name ehedem von Mund zu Munde ging und der bald als ein Heiland, bald als ein Cagliostro dargestellt wurde, Hr. D. Mesmer, lebt nun seit ein paar Jahren in Frauenfeld in der Schweiz, um, wie es scheint, den Rest seines Lebens in ruhiger Stille auszuatmen...

Der brausende Wind seiner neuen Ideen hat ihn endlich in die einsame Wüste gejagt, um im Genuß

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seiner früheren Celebrität und seines gesammelten Geldes gemächlich einzuschlummern.

Ihm fehlt es nicht an wissenschaftlicher Bildung und Scharfsinn; aber eben diese Eigenschaften mach-ten ihn einseitig, so daß er endlich nichts im Univer-sum sah als Mesmerismus. Ich mußte lächeln, als ich von ihm hörte, daß alle Krankheiten ohne Ausnahme durch den tierischen Magnetismus können geheilt werden, Wunder, Ahnungen usw. durch die gleiche Kraft entstehen; aber ich konnte den Mann wegen dieser fixen Ideen nicht verachten. Daß die Mesmer-schen Phänomene nicht bloß Hirngespinste seien, haben vielseitige Versuche von glaubwürdigen Män-nern erwiesen und es wäre nicht ohne Interesse, eine detaillierte Erklärung dieses interessanten Natur-Phä-nomens von Mesmer selbst zu haben. Das Manuskript liegt bei ihm vollendet, wie er mir sagte, aber keine Buchhandlung wolle es auf eigene Kosten überneh-men. Nicht Schwärmerei ist's, sondern Überzeugung, was Mesmer in seinem hohen Alter so festhält und eine Abhandlung von ihm selbst über diese seine Er-findung würde gewiß jetzt, wo man sie erst auf die rechte Art zu würdigen anfängt, sehr willkommen sein.»

Auch Prof. Lorenz Oken (1779-1851), der bekannte Naturphilosoph aus Jena und nachmalige erste Rektor

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der Universität Zürich, dessen philosophisches Den-ken wie seine eigenen magnetischen Erfahrungen ihn mit Mesmer verbanden, ließ es sich nicht nehmen, Mesmer in seiner Einsamkeit aufzusuchen, sobald er in Konstanz von Stadtarzt Nenning den Aufenthalt des Greises erfahren hatte. In der Jenaer Literatur-zeitung des Jahres 1810, Nr. 6, erschien Okens Bericht über diese interessante Begegnung:

«Mesmer ist groß, stark und, ungeachtet bereits 75 Jahre alt, doch sehr munter, lebendig und gesellig. Sein geistreicher Umgang zog mich so an, daß ich anderthalb Tage bei ihm verweilte. Es verrät gänz-liche Unbekanntschaft mit demselben, daß man ihn für einen bloßen Empiriker, und die niedrigste Un-gerechtigkeit, daß man ihn für einen Scharlatan aus-geschrien. Seine Ansichten über die Krisen, über das Wesen des tierischen Magnetismus, über dessen Ver-hältnis zu andern physikalischen und physiologischen Aktionen setzten mich in Erstaunen. Alles hat in ihm Zusammenhang, alles ist zu einem System geworden, von den ersten Regungen der Natur an bis zu seinem tierischen Magnetismus im Nervensystem. Es ist zwar alles im Geschmack der französischen Molekular-Philosophie, aber viel geläuterter, originaler und weit über das Zeitalter erhoben, in dem er sich diese An-sichten geschaffen. Er ist es eigentlich, welcher zuerst

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die Teufelsaustreibung (besonders durch Gaßner) dem monotonen, anhaltenden Exorciren bei großem Zu-laufe des Volkes, wodurch die mesmerische Wirkung verstärkt wird, eine physikalische Bedeutung gege-ben; und die von ihm entdeckten Phänomene über die wunderbaren, geheimnisvollen Äußerungen des menschlichen Geistes, wenn er unter Verlust seines Selbstbewußtseins sich in die Natur verliert, sind es, welche die stillingschen Spuckereien aus den Rocken-stuben vor den Richterstuhl der Physiologie und Klinik führen.

Mit unserer jetzigen Literatur ist er gar nicht mehr bekannt; er beklagte sich daher bitter über die Un-dankbarkeit des Jahrhunderts, welche ihn auch ver-mochthabe, sich ganz zurückzuziehen und seine Lehre von der nur Bruchstücke bekannt seyen, nicht anders mitzuteilen, als wenn er sie sogleich an einem Hospi-tale ausüben könne.

Auf meine Versicherung, daß seiner Lehre durch Wienholt, Nordhoff, Reil, durch die beiden Hufeland, die beiden Schelling, Ritter und durch alle deutschen Ärzte, die Gelegenheit hatten, seine Entdeckungen anzuwenden (die anderen sollten bescheiden sein und nicht für Wahn ausschreien, was sie nicht gesehen haben) vollkommene Gerechtigkeit widerfahren sei, äußerte er sich: warum diese Gelehrten sich gar nie

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an ihn wendeten, da er doch diesen Gegenstand zu größerer Vollendung gebracht haben müsse, als jeder andere, er, der ihn durch sein Nachdenken, nicht durch einen blinden Zufall, in Wien entdeckt, sein ganzes Leben damit zugebracht und in Frankreich gegen 40 Schulen unter seiner Leitung gehabt habe, die alle Beobachtungen aufschrieben und ihm mitteilten; alle die deutschen Gelehrten, meinte der gute Greis, wä-ren noch in Furcht wegen des Anathema, das die Pariser Akademie gegen ihn geschleudert ha t . . .

Er versicherte mich, daß er 1. mehrere Tage vor Ausbruch einer Krankheit durch seine Manipulatio-nen die Anlage dazu wahrnehmen, daß er 2. auch die Stelle im Leibe, von der die Krankheit ausgehe, be-stimmen und daß er 3. in den meisten Fällen den Aus-bruch der Krankheit verhindern könne. Auf diese Weise sollten die Ärzte statt Krankheitsheiler Krank-heitsverhüter werden. Diese große Wohltat für das Menschengeschlecht habe er ungefähr um das Jahr 1800 allen Gesandten in Paris durch ein Cirkular ans Herz gelegt, damit sie es ihren Fürsten mitteilen und durch deren Leibärzte sie bewegen möchten, die ganze Lehre zuerst in großen Hospitälern prüfen zu lassen; allein er hat von keinem Antwort erhalten.. -1

1 s. B. Milt, Franz Anton Mesmers letzter Versuch einer öffent-lichen Wirksamkeit; sein Plan der Gründung einer Klinik zur Aus-

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Wenn der Mann, welcher ebensoviel und mehr als Galvani geleistet hat, denn diesem spielte nur der Zu-fall seine Entdeckung in die Hände und dennoch er-hielt sie seinen Namen, ohne Zweifel, weil er kein Deutscher ist, unbenützt stirbt: so geht mit ihm ein unschätzbares Gut für die Menschheit verloren - und er teilte doch so gern alles mit, nicht etwa um eine Anstellung zu bekommen, denn er ist wirklich sehr reich und tut gar nichts ums Geld. . .

Möchte doch irgend ein Arzt, der ein großes Hospi-tal zu leiten hat, sich mit Mesmern verbinden, um so diesen Mann wieder der leidenden Menschheit, und wäre es auch nur der Wissenschaft, zu gewinnen! Darauf aufmerksam zu machen, halte ich für heilige Pflicht.»

Diese Mitteilungen machten in der interessierten Gelehrtenwelt großen Eindruck und setzten Kluges unrichtiger Darstellung der Geschichte und Person Mesmers ein Gegengewicht entgegen, das sich bald zu Mesmers Gunsten auszuwirken begann. Einige der bedeutendsten Ärzte und Professoren, denen es um die Ermittlung der Wahrheit ernstlich zu tun war, und denen es wichtig genug erschien, darüber auch den Entdecker des Magnetismus selbst zu befragen, be-

bildung schweizerischer Sanitätsbeamter. (Schweiz. Med. Wochen-schrift 1933, Nr. 19, S. 453.

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sprachen sich untereinander und erließen im Einver-ständnis mit den Behörden eine Einladung an Mes-mer, nach Berlin zu kommen. Die erste Einladung erfolgte Ende 1811 durch Prof. Reil. Aber schon im Januar 1812 erhielt Mesmer von Prof. Dr. Karl Chri-stian Wolfart (1778-1832), Dozent an der Universität Berlin, folgendes Schreiben1:

«Schon seit geraumer Zeit beschäftige ich mich, nicht bloß im Geiste, sondern auch in der glücklichen Ausübung mit der großen Sache, deren Entdecker zu sein Euer Wohlgeboren als ein wahrer Wohltäter der Menschheit vom Himmel bestimmt wurden. Lange habe ich gewünscht mit Ihnen deshalb in ein für mich belehrendes Verhältnis zu treten; aber selbst gänzlich vom Schauplatz der Welt, wo Alles nach Ihnen hin-sah, zurückgezogen, erscholl mir späterhin Ihr Namen nur wie der eines Weisen aus grauer Vorzeit, dessen lebendig mitteilendes Wort man vergeblich wieder su-chen würde. So kam es, daß ich nicht eher mich an Sie wandte, nicht eher Ihnen den wärmsten Dank dar-brachte, und nicht eher die dringende Bitte an Sie ge-langen ließ: mir aus der Fülle Ihrer Entdeckungen dasjenige mitzuteilen, was noch in meiner Erkenntnis und Fähigkeit in diesem unermeßlichen Gebiete man-gelhaft und unvollkommen sein wird.

1 Kerner, Mesmer, S. 138fr.

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Vielleicht habe ich selbst schon das Glück, auch Euer Wohlgeboren durch meine Schriften bekannt worden zu sein; damit Sie aber wissen, wer sich jetzt an Sie wendet, so erwähne ich im Allgemeinen, daß ich seit dem Jahre 1797 die heilende Kunst ausübe, erst in Hanau, meiner Geburtsstadt, wo ich in hessi-schen Diensten als Medicinalrat und Brunnenarzt des Wilhelmsbades stand, sodann als preußischer Arzt in Warschau, und nun hier in Berlin, woselbst ich zu-gleich Docent bei der Universität bin. Fast so lange ich prakticire, habe ich den Mesmerismus geübt, im-mer in den verzweifeltsten Fällen, und bin dann stets durch den heilsamsten Erfolg für meine Bemühungen belohnt worden. So gelang es mir noch vor vier Jah-ren einen ertrunkenen Knaben von neun Jahren, wel-cher eine halbe Stunde schon untergesunken im Was-ser gelegen und auch nicht entfernt irgend ein Lebens-zeichen verriet, binnen zehn Minuten bloß durch die Manipulation, teils à quands courants, teils und meist örtlich vom Haupte nach der Brust, zum Erstaunen des herzudringenden Volkes in das Leben zurückzu-bringen. Diesen merkwürdigen Fall habe ich in dem Koppeischen Jahrbuch für gerichtliche Arzneikunde Band I zur öffentlichen Mitteilung gebracht.

Auch hier habe ich ganz kürzlich einige sehr wich-tige Kuren verrichtet, welche großes Aufsehen ge-

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macht und der Sache bedeutenden Vorschub in der allgemeinen Meinung getan haben, wie denn in ganz Deutschland kein wahrhaft forschender Arzt und Na-turkundiger sein möchte, der nicht von der Größe Ihrer Entdeckung durchdrungen und stolz darauf wäre, in Ihnen zugleich den deutschen Landsmann verehren zu können. Möchten sich doch Euer Wohl-geboren auch überzeugen, daß nur auf deutschem Bo-den, in den Händen deutscher Ärzte Ihre hohe Sache den herrlichsten Fortgang nehmen werde.. .

Wir schmeicheln uns den würdigen Entdecker hier bei uns persönlich zu sehen - dies würde meine Wün-sche und die Wünsche aller Edeldenkenden und Vor-urteilsfreien, deren Sie eine große Anzahl hieselbst treffen können, erfüllen.

Mich persönlich zu Ihnen nach Frauenfeld zu be-geben war meiner fesselnden Geschäfte wegen bisher nicht möglich zu machen gewesen, so sehr ich diesen Wunsch hegte. Urteilen Euer Wohlgeboren hieraus und aus dem glühenden Eifer für Ihre Sache, welche zugleich die der Menschheit ist, wie innig es mich freuen mußte, als Herr Oberbergrat und Ritter Reil mir sagte, daß er in Gemäßheit der Rücksprache mit der höheren Behörde an Euer Wohlgeboren, um die-selben zur Herreise zu bewegen, einen Einladungs-brief gesendet habe. Das Verlangen aber keinen Augen-

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blick zu versäumen, um mich als Mitarbeiter seiner Sache dem berühmten Meister selbst vorzustellen, ließ mich nicht länger zögern, diese Zeilen an Euer Wohl-geboren zu senden, welche, der reinen Quelle wegen, woraus sie hervorgingen, eine baldige geneigte Be-antwortung verdienen.

Durchdrungen von tiefer Hochachtung habe ich die Ehre zu verharren Euer Wohlgeboren

gehorsamer Berlin, am io.Januar 18x2. Professor Wolfart1

Wolfarts Brief war wohl noch nicht in Frauenfeld eingetroffen, als Mesmer am 22. Januar 1812 folgen-den Brief an Prof. Oken sandte:

Verehrter Herr Professor! Was Ew. Wohlgeb. mir zum Ruhme des Hrn. Prof.

Reil, dessen gegenwärtigen Stellung und großen An-sehen geschrieben haben, bestärket meinen Entschluß, niemand anders meine Lehre und Anwendung anzu-vertrauen, als diesem Manne. Die Menschheit und Ehre Deutschlands fordern es dringend, durch ihn den Augenblick zu benutzen, während meiner kurzen Existenz von mir selbst den vollständigen Unterricht anzunehmen, um alsdann in Berlin die mir zugedachte Stelle einzunehmen.

1 T.Kerner, F.A.Mesmer, S. 138-142.

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Ich hoffe, Ihren großmütigen Eifer für meine Ehre und die gute Sache nicht zu beleidigen, wenn ich nach langer Erfahrung Ihnen beweise, daß Versuche ma-chen bei der Anwendung des Magnetismus kein Mit-tel ist, den Unglauben, besonders den bösen Willen der sogenannten Gelehrten, zu besiegen.

Die ersten wichtigsten Versuche, so ich über meine Entdeckungen in Wien ao. 1775 gemacht habe, wur-den samt der Ankündigung durch den damaligen österreichischen Hrn. Gesandten van Swieten in Ber-lin, der dortigen Akademie der Wissenschaften zur Beurteilung übergeben; diese antwortete in Kurzem, daß sie die ihnen mitgeteilten Erscheinungen und Ver-suche, als den physischen Principien zuwider, nicht glauben könnten. Das Gleiche erfuhr ich hernach von der Wiener Facultät, unter deren Augen ich die auf-fallendsten Tatsachen ausübte. In Paris hatte ich das nämliche Schicksal durch die Akademie, die Facul-täten, dem Institut etc., welche ich mit tausend Tat-sachen durch 10 Jahre im ganzen Frankreich verge-bens bekämpft habe. Es ist Ihnen bekannt, was letzt-lich die in Straßburg öffentlich gemachten Versuche auf die Fürsten und Gelehrten Deutschlands gewirket hatten, und zwar gerade um die Zeit, wo ich allen Re-gierungen die Lehre und Einführung (NB. nicht Versuche zu machen) angeboten hatte, nämlich daß

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sie gesammt alles für Betrügerei erklärten, und ich bei meinem großzügigen Antrag ohne Antwort blieb. Endlich hat Hufeland in Berlin, vermutlich dem un-wissenden Publikum zu schmeicheln, sich nicht ge-scheut, mich in öffentlichen Schriften zu beschimpfen, indem er meinen Namen unter die verächtlichen Char-latane gezählt hat. Nach allem diesem werden Sie, be-rühmter Mann, mir das Recht lassen, daß ich mir es schon lange her zum Gesetze gemacht: niemals der Curiosität und der Überzeugung wegen Versuche zu machen.

So gewiß Sie sind, daß Reil nicht in die Schweiz reisen werde, eben so gewiß dürfen Sie auch sein, daß Mesmer nicht in das Land der Ungläubigen ziehen werde.

Übrigens habe ich an Reil geschrieben und mich aus den bekannten Beweggründen entschuldigt, die ehrenvolle Einladung anzunehmen; zugleich den Vor-schlag getan, indem dieses keine Privatangelegenheit betrifft, sondern das Wohl der Nation und der Regie-rungsglieder selbst angeht, so hätte Er von dem Gou-vernement um die Acquisition der neuen Heilkunde den förmlichen Auftrag zu bewirken, in seiner Per-son eine sogenannte gelehrte Reise zu tun, um bei mir durch einen Aufenthalt von 6 Wochen den vollständi-gen Unterricht einzuholen.

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Da der allgemeine Unglaube, wie Sie mir ihn be-schrieben haben, in diesem Lande das größte Hinder-nis, unsern gemeinschaftlichen Wunsch zu erfüllen, abgibt, so habe ich auch Hrn. Reil in meinem Schrei-ben angeraten: daß, ehe und bevor man dieses Ge-schäft unternehme, man sich bemühen sollte, das Vor-urteil des Unglaubens allgemein zu heben: solches wäre allerdings möglich, wenn Er selbst und Sie mit andern Gelehrten durch günstige Ankündigungen, Belobungen, Darstellungen das gemeinschaftliche In-teresse durch öffentliche Schriften, Zeitungen etc., auf gleiche Weise, wie es mit der schnellen Verbrei-tung der Einimpfung der Vaccine geschah, das irre-geführte Publikum sowohl, als die Regierung selbst dahin zu bringen vermöchten, die baldige Einführung zu wünschen und zu veranstalten. Ich bitte Sie um der Menschheit willen, durch Ihren Kredit in der gelehr-ten Welt zu diesem Zweck das Mögliche beizutragen. Zugleich ersuche ich Sie, das gedruckte Précis dem Hrn. Prof. Reil zum allfälligen Gebrauch mitzu-schicken.

In der Erwartung Ihre weiteren Gesinnungen zu vernehmen, verbleibe Euer Wohlgeboren

Verehrer und Freund Mesmer1

1 Abgedruckt bei Bittel, Mesmer und sein Problem, S. 21off.

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Diesem Brief an Prof. Oken lag ein «kurzer Inbe-griff meiner Entdeckungen, so wie derselbe zur An-kündigung des Magnétisme animal deutlich sein könnte», bei1.

Für den 78jährigen Mesmer war unter den damali-gen Reiseverhältnissen das Wagnis einer Postfahrt nach Berlin zu viel und als Wolfarts Brief in Mesmers Händen war, antwortete er ihm, er möchte doch selbst nach Frauenfeld kommen. Er erklärte seine eifrige Bereitschaft, gelehrten Abgesandten des preußischen Staates sein System zu erklären, um es durch sie dann der Öffentlichkeit zu übergeben.

Auch Prof. Kluge, dessen Buch wir im letzten Ab-schnitt ausführlich zur Darstellung gebracht haben, wandte sich in einem Brief an Mesmer, legte ihm ein Exemplar seines Werkes bei und bat ihn, daraus das Unrichtige zu streichen und zu verbessern. Mesmer würdigte ihn, der so viel Falsches über ihn verbreitet hatte, keiner Antwort.

Wolfart schrieb am 14. August 1812 wiederum nach Frauenfeld, wie durch Hufelands, Reils, Heims und anderer Ärzte Bemühungen der Magnetismus in Berlin einen guten Fortgang gewinne, erzählte mehrere gelun-gene Heilungen durch denselben und setzte dann hinzu :

1 Eine Übersetzung des französisch gehaltenen Textes findet sich bei Bittel, Mesmer, S. 206 ff.

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«Eine öffentliche Anerkennung Ihrer Sache von Seiten der Regierung mögen Sie auch daraus ersehen, daß der König eine Commission unter dem Präsidio des Staatsrath Dr. Hufeland niedergesetzt hat, um die Sache für das allgemeine Beste zu reguliren. Keine Commission, wie dazumal in Paris; sie besteht aus Männern, welche entweder den Magnetismus selbst ausüben, oder doch von der Wahrheit und Wichtig-keit des Gegenstandes durchdrungen sind. Auch ich bin gleich Anfangs zum Mitglied ernannt worden. Auf solche Weise bin ich denn auch jetzt in den Stand ge-setzt, meinen glühendsten Wunsch zu erfüllen, wirk-lich von Euer Wohlgeboren gütigen Einladung Ge-brauch zu machen und das Verlangen, den menschen-beglückenden Weisen von Angesicht zu Angesicht zu sehen, spornt mich, die Reise so schnell als möglich anzutreten, eine Reise, welche ich blos und allein, zu-gleich in der Eigenschaft eines königlichen Commis-sarius unternehme, um Ihnen meine unbegränzte Ver-ehrung darzubringen, um Ihr großes Werk auch für die Folgezeit, indem Sie mir unmittelbar an der Quelle zu schöpfen vergönnen, unverfälscht zu bewahren. Euer Wohlgeboren haben in Ihrem Natursystem schon vor länger als dreißig Jahren alle Ansichten und Grundsätze vereint, welche man jetzt als den Triumph der von Schelling nach den außerordentli-

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chen philosophischen Constructionen eines Kant und Fichte begründeten Naturphilosophie annimmt.. .h>

Im September 1812 traf Wolfart bei Mesmer in Frauenfeld ein und legte ihm folgende Vollmachten vor:

«Herr Professor Dr. Wolfart wird hierdurch von der unterzeichneten Commission beauftragt und auto-risirt, den Erfinder des Magnetismus, Herrn Dr. Mes-mer, um Mitteilung alles dessen, was zur näheren Be-stätigung, Berichtigung oder Aufklärung dieses wich-tigen Gegenstandes dienen kann, zu ersuchen und den Zweck der Commission auf seiner Reise möglichst zu fördern.

Berlin, den 6. September 1812.

Dr. Hufeland, königlich preußischer Staatsrath und Leibarzt, als Director der zur Untersuchung des Magnetismus von der Regierung niedergesetzten Commission.»1

Die zweite Vollmacht war von Staatskanzler von Hardenberg an Wolfart gerichtet und vom 9. Septem-ber 1812 datiert, worin der Staatskanzler Wolfart sei-nen Beifall für die Reise zu Mesmer ausdrückt und überzeugt ist, daß es ihm gelingen wird, Mesmers Vertrauen zu gewinnen und dadurch nach reifer Prü-fung der Wahrheit näherzukommen. Er verspricht

J. Kerner, Mesmer, S. 150-151.

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ihm seinen aufrichtigsten Anteil und seine möglichste Förderung.

Den Eindruck, den Wolfart von dem 78 jährigen Mesmer empfing, beschreibt er mit folgenden Worten1:

«Meine Erwartungen fand ich durch die persön-liche Bekanntschaft mit dem Entdecker des Magnetis-mus übertroffen. Ich fand ihn in seinem von ihm selbst ausgesprochenen wohltätigen Wirkungskreise beschäftigt. In seinem hohen Alter - damals hatte er das 78ste Jahr bereits zurückgelegt - erschien das Umfassende, Helle und Durchdringende seines Gei-stes, sein unermüdeter lebendiger Eifer sich mitzu-teilen, sein eben so leichter als seelenvoller, durch die Behendigkeit der Gleichnisse durchaus eigentümlicher Vortrag, so wie die Feinheit seiner Sitten, die Liebens-würdigkeit seines Umgangs um so bewunderungs-würdiger. Nimmt man dazu einen Schatz positiver Kenntnisse in allen Zweigen des Wissens, wie sie nicht leicht ein Gelehrter vereint, und eine wohlwol-lende Güte des Herzens, welche sich in seinem ganzen Sein, in seinen Worten, Handlungen und Umgebun-gen ausspricht; nimmt man dazu eine noch überaus tätige, fast wunderbare Kraft der Einwirkung auf Kranke bei dem durchdringenden Blick oder der blos

1 Wolfart, Mesmerismus oder System der Wechselwirkungen. Berlin 1814, S. XIX ff.

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still erhobenen Hand, und alles dieses durch eine edle, Ehrfurcht einflößende Gestalt gehoben; so hat man in den Hauptzügen ein Bild von dem was ich an Mes-mer als Individuum fand.

Die Genugtuung, welche er empfand, in mir einen vorurteilsfreien Arzt, der in seine Ideen eingehend und schon früher seine Grundsätze praktisch mit Er-folg übend, eine Empfänglichkeit für die Mitteilung des wahren Geistes seiner Natur- und Heillehre, oder, was damit eins ist, seiner Entdeckung mitgebracht hatte, gefunden zu haben, und dadurch seine Sache zum Heil der Menschheit fortleben und fortwirken zu sehen, löste in der Brust des würdigen Greises ver-trauensvoll die lange gewaltsame Verschlossenheit. -Ich war Zeuge seiner Behandlung von den Kranken, welche täglich seine Hülfe suchten, und ich lege öffent-lich hiermit auf das feierlichste das Bekenntnis ab: daß mir durch diese Krankenbehandlung, zugleich bei den mündlichen Mitteilungen, als dem anschauli-chen Unterricht, nebst dem gemeinschaftlichen Durch-lesen und Durchgehen des abgefaßten Systems der Wechselwirkungen, sowohl die Natur als die Anwen-dung und der praktische Nutzen des Magnetismus in einem neuen umfassenderen Licht erschien, und ich wohl einsehen lernte, wie in dem Sinn dieser Lehre und Methode alle möglichen Arten von Krankheit

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behandelt werden können und müssen, ja wie nur aus dem echten Magnetismus, aus dem Mesmerismus die Erhaltungskunde des Menschen, die wahre Heilkunde hervorgehe.»

Als Wolfart am 13.Oktober 1812 sich von Mesmer verabschiedete, nahm er eine reiche Fracht von Wis-sen und tieferem Verstehen vonMesmers System, von Erfahrungen über die von Mesmer selbst angewandte Praxis, aber auch viel Liebe und Verehrung für den gütigen Meister mit auf den Weg nach Berlin. Am 10. November traf er dort ein und schrieb am 20. No-vember 1812 an Mesmer:

«Mein wertester, teuerster Freund!

Seit dem 10. dieses Monats bin ich glücklich hier eingetroffen. Die ersten Tage meiner Anwesenheit brachte ich mit Erstattung des Berichtes zu, worin nicht blos der große Gegenstand in dem Sinne des mitgeteilten Systems nebst Ihrer Heilart der könig-lichen Commission vor Augen gelegt, sondern auch Alles dessen gedacht wurde, was ich Nützliches und Gutes so vielfältig zu beobachten bei Ihnen Gelegen-heit hatte. Die meisten Krankenbeobachtungen führte ich als Belege und neue Bestätigungen hiebei mit an, sowie ich in der treuen Schilderung des Entdeckers selbst seinem tiefforschenden Geiste, seinen seltenen

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Kenntnissen, seinem Biedersinn und all den Tugen-den, welche Ihn umstrahlen, volle Gerechtigkeit wi-derfahren ließ, und so meinem Herzen eine Genug-tuung gab, welche ich Ihnen, zugleich edler und ver-ehrter Freund! schuldig war, - dieser dreizehn Bogen starke Bericht liegt seit zehn Tagen vor, und erst nach dessen Beendigung und Übergebung ging ich zu den gewohnten gehäuften Geschäften über. Die Teil-nahme, womit ich von aller Welt empfangen wurde, die Angelegentlichkeit, womit Alles sich nach Ihnen bei mir erkundigte, kann ich Ihnen nicht genug rüh-men; diese allgemeine Teilnahme aber sowohl von den angesehensten Ärzten und Gelehrten der Haupt-stadt, als auch von dem größeren Publikum ist es, welche die segensreichen Folgen Ihrer wichtigen Mit-teilungen auf alle Fälle sichert.

Indeß ruhte der Geist der Finsternis, des Unglau-bens und der Verfolgung nicht so ganz, daß mir nicht Kämpfe für die große Sache notwendig würden. Wie wahr zeigt sich auch darin, was Sie mir so gründlich auseinandersetzten: wie im Unglauben selbst als Ge-genpol der Mesmerismus seine Wirkung zeige; es ist ein solches Bestreben, was sich sogleich in Gegenbe-wegungen, in Handlungen kund tut. Die «Justice na-turelle» wird aber auf die Urheber des Bösen das Böse zurückfallen lassen.

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Aus dem Ihnen bekannten Aufsatz, den Herr Zschokke in die Aarauer Miscellen sogleich auf das Bereitwilligste aufgenommen hatte, wurde das Gift gesogen, welches man gegen mich ausspie. Ein dar-auf folgender Aufsatz in der allgemeinen Zeitung (von einem Schweizer Arzt eingesendet!) nimmt von jener einfachen wissenschaftlichen Darstellung Gelegenheit gegen den Magnetismus, gegen mich und die Preußi-sche Regierung eine von der giftigsten Galle stro-zende Sprache zu führen, und Beleidigungen auf Be-schimpfungen zu häufen. Dieses nun regte auch in dem hiesigen Departements-Chef des Kultus und der allgemeinen Polizei, Herr v. Schmuckmann, den lang-genährten Haß und Groll gegen den Magnetismus und mich in dem Maße auf, daß er in der hiesigen Zeitung sich mit Übergehung des Bekanntmachens meines wirklichen Auftrags von der Commission, sowie des beifälligen Schreibens des Staatskanzlers von Hardenberg, welches er Alles ignorirt, zu einem im Allgemeinen gegen den Magnetismus gerichteten und besonders gegen meine Sendung als von Staats wegen protestirenden Publikandum hinreißen ließ, während meine wirkliche commissarische Autorisationsur-kunde, wovon die Abschrift in Ihren Händen geblie-ben, solches Lügen straft. So erfahre ich ein mit dem Ihrigen in Frankreich ähnliches Schicksal, denn Sie

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sehen, auch ich habe in Schmuckmann meinen Breu-teuil gefunden, aber ihm wird weniger ein erzwunge-ner Triumph gelingen, denn nicht blos ganz Berlin ist indignirt, so daß ich von allen Seiten von Bekann-ten und Unbekannten Beweise von der dadurch nur vermehrten Achtung für Ihre Sache, für Sie selbst und mich als Ihren wärmsten Anhänger, Verteidiger und Freund, erhalte, sondern auch die höchste Behörde ver-leugnet die Gesinnungen nicht, welche in dem Ihnen gleichfalls im Original vorgelegten und abschriftlich mitgeteilten Schreiben des Staats-Kanzlers ausge-drückt sind.

Es versteht sich, daß ich es nicht dabei beruhen lassen, und daß ich auf die eine oder andere Weise mir Genugtuung verschaffe. Schon sind sofort die nöti-gen Schritte geschehen, ich werde, je nachdem die Entscheidungen ausfallen, sogleich mit öffentlichen Erklärungen in allen politischen und wissenschaftli-chen Blättern auftreten. Ich würde Ihnen über Alles, geehrter und geliebter Freund! nichts von diesen Elendigkeiten geschrieben haben, wenn es nicht wich-tig wäre, Ihnen über jene öffentlichen schmähenden Verhandlungen das gehörige Licht zu geben und Sie nicht im Zweifel zu lassen, wenn Dergleichen Ihnen zu Gesichte kommen sollte. Alle diese Erschütterun-gen sehe ich als Krisen an, welche die reine lichte

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Wahrheit um so herrlicher hervorgehen und allge-meiner verbreitet machen werden. Dieses ist mein sicherer, selbst aus Ihrer großen Lehre geschöpfter Trost. - Indeß Ihre wohltätige Sache, die Feinde mö-gen darüber urteilen und sprechen was sie wollen, in der Tat unter dem Schutz und der Aufsicht des Staates hier steht, jeder Mißbrauch also behindert wird; in-deß ich dafür wache, wirke, durch Wort und Tat streite, mögen Sie, edler verehrter Freund! ruhig sich dem belohnenden Gedanken überlassen, daß Mitwelt und Nachwelt bei der reinen Verbreitung der wahren Lehre, die Sie mit zu übertragen mich gewürdigt ha-ben, Ihren Namen ehrt und segnet. -

Ich bitte, nebst meinen verbindlichsten Empfeh-lungen, den Herrn Präsidenten Anderwert undMorell, auch Herr Regierungsrat und Dr. Freimut usw. dieses mitzuteilen, damit auch diese Herren bei den erschie-nenen öffentlichen Schmähungen nicht über das wahre Verhältnis vorläufig in Zweifel bleiben. - Täglich denke ich mich an Ihre Seite in der wohlbekannten Wohnung, wo ich die glücklichsten Stunden meines Lebens zugebracht habe. Die mir zur schleunigen Bekanntmachung mitgegebene Schrift über die Pok-ken und über den Magnetismus und Somnambulis-mus habe ich schon zum Druck abgesendet, und hoffe Ihnen bald die Exemplare übersenden zu können. Der

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Himmel erhalte Ihr kostbares Leben noch lange so frisch und ruhig, als ich es von Herzen wünsche. Der Mde. Marie bitte ich meinen verbindlichsten Gruß zu sagen.

Mit Verehrung, Bewunderung und Liebe Ihr wahrer Freund

Dr. Wolfart1

In Frauenfeld hatte Mesmer das stattliche Haus Nr. 47, heute Zürcherstr. 153 (s. Abbildung) bewohnt, in dem auch der Ortsarzt Dr. Keller seine Praxis führte. Zwischen ihnen bestand ein kollegiales, fast freund-schaftliches Verhältnis. Während Wolfarts Aufenthalt in Frauenfeld hatte Mesmer von Dr. Keller eine 17-jährige Patientin in Behandlung genommen, deren körperliche und seelische Erkrankung jedem ärztli-chen Zuspruch widerstand. Mesmer hatte sie im Bei-sein Wolfarts in wenigen Tagen vollkommen geheilt.

Mesmer hatte sich während Jahren in Frauenfeld wohlgefühlt. Wäre nicht in Deutschland die Wand-lung zur Anerkennung seines Systems eingetreten und hätte ihm so teure Freunde wie Wolfart von drüben zugeführt, würde Mesmer seinen Wohnort kaum mehr aufgegeben haben. Allerdings scheint ihn in letzter Zeit ein tierquälender Miethausbewohner durch sein

1 J.Kerner, Mesmer, S. 155fr.

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gefühlloses, rohes Verhalten viel geärgert und aufge-bracht zu haben, was Mesmer in seinem Brief an Wol-fart als Grund seines Wegzuges erwähnt.

Diese Veränderungen und die Hoffnung, daß sein alter Wunschtraum für seine Lehre in Deutschland seine späte Erfüllung erfahre, mochten ihn im Winter auf 1813 bewegt haben, den liebgewordenen Alters-sitz in Frauenfeld aufzugeben und an die Hussenstr. 17 nach Konstanz überzusiedeln, wo «ich in einem be-quemen Hause, mit Haushälterin, einem Bedienten, Pferd und Chaise, frei und indépendant mein Leben zubringe und bloß meine Gesundheit besorge»1.

Von Konstanz aus sandte er Prof. Wolfart sein «Sy-stem der Wechselwirkungen» zu, das er als sein reifes Hauptwerk schon in Frankreich als «Système des in-fluences» begonnen, während all den dazwischenlie-genden Jahren fortgeführt und in Frauenfeld schließ-lich in deutscher Sprache vollendet hatte. Als er es Wolfart zur Veröffentlichung sandte war er allerdings im Zweifel, ob dadurch die eingefleischten Feinde des Magnetismus zu bekehren seien.

Am 8.Februar 1813 antwortete ihm Wolfart2:

1 J. Kerner, Mesmer, S. 162. 2 J. Kerner, Mesmer, S. 163 fr.

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«Mein innigst verehrter, geliebtester Freund! Das lang erharrte Schreiben, womit Sie mich er-

freut haben, bestätigte, indem es alle Besorgnisse we-gen Ihrer teuren Gesundheit hinwegnahm, dennoch in einer Beziehung meine ängstliche Ahnung als wahr. Es ist unbegreiflich, wie Ihr Miethausbewohner zu Frauenfeld Ihnen fortwährend Verdruß machen konnte, weil sich Ihre Menschlichkeit auch der Tiere erbarmt. Wie ist es möglich, daß ein Mensch, der sich in Ihrer Nähe befindet, sich so weit vom bösen Princip kann umstricken lassen, daß er Stunden trübt, welche die besten Jahre von Andern aufwiegen! Möge-Ihr neuer Aufenthalt am freundlichen, schönen See Ihnen ebenso ersprießlich als angenehm sein - mir tut es nur leid, nun nicht mehr in Ihrer Wohnung zu Constanz so einheimisch sein zu können, als in Frauenfeld und es bleibt mir nur der Wunsch übrig, auch dort einmal wieder die glücklichen Tage erneuern zu können, welche mir in der Nähe des edelsten Weisen dahin-flogen.

Die in Ihrem so werten Briefe wiederholt enthal-tenen Zeichen Ihres väterlichen Wohlwollens und der freundschaftlichen Liebe haben mich tief gerührt und meinen Geist aufs Neue erhoben. Ich stehe gewiß nicht still und der rein aufgefaßte Sinn Ihrer Lehre bewahrt vor jedem Irrweg! Ich ermüde gewiß nicht

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im Streit für Ihre große Sache, womit Sie der Mensch-heit ein Geschenk machten und welche die Ehre und das Glück derselben in sich faßt. Endlich wird und muß die schnöde Verkennung ihr Ziel erreichen. Schon ist viel gewonnen, daß, wie man mit Gewißheit behaupten kann, in dem Gelehrtenvereine, besonders der Naturforscher, Ärzte und Philosophen eigentlich doch jeder Feind und Gegner des Magnetismus und des Mesmerismus überhaupt nur als eine Ausnahme betrachtet werden muß, das Ganze ist für Ihre Sache. Jedoch scheint es, als ob, um den Eifer der Bekenner und Verbreiter dieses Natur-Evangeliums anzuspor-nen und frisch zu erhalten, es auch der Gegner bedarf, wie z. B. eines Schmuckmanns. Wie erfreulich und be-lohnend waren mir die tröstlichen Worte, welche Sie in Bezug auf dessen Publikandum und meine Gegen-erklärung aussprachen. Diese letztere habe ich in dem Askläpieion noch mehr ausgeführt, und ohne mein Zutun sind in vielen öffentlichen Blättern Ausstel-lungen gegen Schmuckmann erschienen, den sein vor-eiliges Verfahren immer mehr gereuen wird. Denn unaufhaltsam geht indeß, wie die Natur selbst, der aus Ihrem Geiste entsprungene Lebensstrom fort und wird nach und nach Alles, stets würdevoll geleitet, umschlingen. Auch suche ich in der Tat weniger Pri-vatbekehrung als eben die unumstößliche Überzeu-

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gung der Wahrheit und Nützlichkeit Ihrer Grund-sätze und Entdeckungen bei den bedeutenden Ärzten unserer Hauptstadt zu bewirken, namentlich bei den Mitgliedern der Commission. Die angesehensten, wor-unter Reil selbst sich befindet, haben mich schon auf-gefordert, ihnen Vorträge über Ihr Natursystem zu halten, worein ich auch gern, Ihren eigenen Absich-ten, mein würdiger Freund, gemäß, gewilligt habe. Schon habe ich auch eine Anstalt mit den von Ihnen empfangenen magnetischen Leitungen gebildet, wo sich die Fälle glücklicher, unmöglich geschienener Heilungen mehren und Krankheiten vorgebeugt wird; so bestätige ich täglich durch neue Erfahrungen Ihre auf dem festen Boden der Natur selbst gegründeten Entdeckungen, und eingeweiht von dem weisen Mei-ster selbst, ist nun das innerste Triebwesen der Natur in neuem, hellerem Lichte erschienen. - Auch gewinnt nun, da ich keine Gelegenheit versäume, die Aufmerk-samkeit der Ärzte auf diesen hochwichtigen Gegen-stand zu richten, Ihre mitgeteilte naturgemäße Me-thode, nach welcher die Geburt geschehen muß, täg-lich mehr Anhänger, wozu auch vorzüglich die Be-kanntwerdung Ihres vortrefflichen Aufsatzes über die wahre Natur und den Ursprung der Blattern durch meine Zeitschrift verbreitet, noch das meiste beiträgt und beitragen wird. Daraus sehe ich nun ein neues,

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schönes und gesundes Geschlecht hervorgehen, das endlich durch Sie, und sollte es auch erst gänzlich nach Generationen geschehen, nicht mehr die Sünde seiner Väter trägt.

Ihre Anmerkung, mein innigst verehrter Freund, in Betreff des von mir sonst gebrauchten Ausdrucks: Lebens-Magnetismus statt tierischer Magnetismus, habe ich wohl beherzigt und werde denselben auch nun weiter gar nicht mehr brauchen. Gewiß, der Neu-heit wegen hatte ich nicht diese Benennung gewählt, sondern weil eben durch die falschen Verbreitungen der Straßburger somnambulistisch spielenden Secte man in Deutschland nur diese unter dem Namen tie-rischer Magnetismus kannte, wollte ich das Echte auch mit einem andern Ausdruck bezeichnen und wählte den obbenannten darum, weil sich dieses allge-waltig wirkende Naturagens im Leben hauptsächlich offenbart und das Leben aller Naturproductionen um-faßt. Diese Gründe hatte ich Ihnen mündlich in Frauen-feld auseinanderzusetzen das Vergnügen und Sie schie-nen darauf den gebrauchten Ausdruck zu billigen, weshalb ich ihn auch noch wohl nachher aber stets ab-wechselnd mit Mesmerismus beibehalten, nun aber gänzlich verlassen werde, da ich sehe, daß Sie da ge-gründete Einwendungen dagegen haben, wo mir auch schon Ihr leisester Wunsch genügt haben würde. In-

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dem ich täglich mich mit den mir übergebenen Schrif-ten, in dem Natur-System des Wechseleinflusses oder der Wechselwirkungen (Système des influences), wor-in Ihr forschender Geist sich ausgeprägt hat, beschäf-tige und neben der tiefen Gründlichkeit immer mehr die Einfachheit und Klarheit bewundern muß, womit Sie Ihre Ideen auszudrücken wußten; so bin ich nach wiederholt genauer Erwägung doch der Meinung oder vielmehr ich habe mich davon überzeugt, daß nach dem dermaligen Stand der Sache die Herausgabe Ihres Werkes von den nützlichsten, wohltätigsten Folgen sein wird. Bei der allgemein unter den deutschen Ärz-ten und Naturforschern schon stattfindenden Überzeu-gung von der Realität und der hohen Nützlichkeit Ihrer Entdeckungen fehlt es zur vollkommenen Sicher-stellung von Verirrungen lediglich noch an Ihrem System, welches die ganze Natur wie ein leitendes Licht durchstrahlt und wodurch jeder Zweifel geho-ben wird. Es ist nötig, daß die Welt nicht bloß höre, wie ich es denn oft genug gesagt habe, daß Sie die Ent-deckung des tierischen Magnetismus gar nicht dem Zufall, sondern dem tiefforschenden Nachdenken, die Ausbildung desselben nicht wegen Erfahrungen, son-dern der durch die Kraft Ihres Geistes und Willens geleiteten Naturbeobachtung, welche ihre Wirkun-gen in der Wiege überraschte, zu verdanken haben;

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ich sage, sie muß es nicht bloß hören, sondern sehen, sehen durch das große Werk, welches Sie auf Grund Ihrer Entdeckungen über das innerste Triebwesen der Natur erschufen. Unzertrennbar ist der Fortgang der Sache mit der vollen Anerkenntnis Ihres Wertes in Eins verwebt, und rein und lauter, wie jenes Werk aus Ihnen hervorging, zur alleinigen Ehre Ihres Na-mens werde ich es der Welt zu übergeben beflissen sein; darum auch, wie sehr ich von dem wohltuenden Gefühl Ihres mir bewiesenen unbegränzten Vertrauens durchdrungen bin, werde ich nichts eigenmächtig ohne Ihre Zustimmung veranstalten.

Herr Sauerländer aus Aarau hat auch an mich ge-schrieben, und wenn Sie mein verehrtester Freund, besonders wünschen sollten, daß das Werk in seinem Verlage erschiene, so würde ich dazu auch bereit sein, aber ich gebe Ihnen eine große Schwierigkeit zu be-denken, welche mich davon abhalten würde, nämlich die Entfernung, wo der Druck niemals so ordentlich, ja ich möchte sagen, ohne Gefahr grober Mißgriffe und Irrtümer bewerkstelligt werden kann, als unter den Augen und der unmittelbaren Aufsicht dessen, der die Sache mit Liebe und Eifer leitet. Ich werde deshalb vorziehen, es hier in Berlin unter meiner un-mittelbaren Leitung drucken zu lassen, ich werde einst-weilen mit mehreren angesehenen hiesigen Buchhand-

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lungen Rücksprache nehmen und ehe ich einen Ver-trag schließe, Ihnen die Bedingungen vorlegen. Un-ablässig werde ich mit Anstrengung an der Übertra-gung in das Deutsche arbeiten, und hoffe Ihnen mit dem nächsten Briefe einen Teil der Introduction als Probe zur Durchsicht zuzuschicken. Indeß ist es nö-tig, so schleunig als möglich eine Ankündigung der Erscheinung bekannt zu machen. Diese müßte, um jedem Zweifel an der Echtheit vorzubeugen, von Ihnen selbst geschehen und ich schlage deshalb fol-gende vor, welche Sie die Güte haben entweder so, wie ich sie entworfen, im Fall sie Ihren Beifall erhält, oder mit den Ihnen gut dünkenden Abänderungen mir zuzusenden:

,Da ich mich entschlossen, mein Natur-System, welches ich auf Grund meiner seit vierzig Jahren gemachten Entdeckungen und Erfahrungen nieder-geschrieben habe, durch den Druck der Mitwelt und Nachwelt zu übergeben; so mache ich Solches vorläufig hierdurch bekannt und füge der Erklä-rung bei, daß ich mit den dazu gehörigen, von mir verfaßten Manuscripten die gänzliche Leitung der Herausgabe dem Professor Wolfart aus besonderem Vertrauen übertragen habe. Unterzeichneter Constanz, den . . . Mesmer.1

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Diesem Brief folgte am 26. Juni 1813 folgende Mit-teilung Wolfarts1:

«Wie sehr mein Herz gelitten hat, daß ich so lange die Freude der Wechselwirkung durch Nachricht geben und Nachricht empfangen, entbehren mußte, während der Kriegsschauplatz den Postenlauf zwi-schen hier und der Schweiz unterbrach, das wissen Sie, wie ich mir schmeichle, durch Ihr gleiches, ent-sprechendes Gefühl. Doppelt fühlte ich dies am 23. Mai, am Tage, der Sie der Welt geschenkt und wo der edle, menschenbeglückende Weise das 79. Jahr ruhm-voll erreichte. Ich feierte diesen Tag durch ein freund-schaftliches Mittagsmahl still bei mir, und edle Men-schen stießen mit mir auf Ihr Wohl an. Durch einen besonderen Weg kann ich über Wien und Hanau nur diese wenigen Zeilen an Sie gelangen lassen. Sie sollen Ihnen zeigen, daß ich lebe und stets dankbar wie ein Sohn Ihnen mit innigster Liebe ergeben bin. - Ich habe ein bedeutendes Spital von teils kranken, teils verwundeten Kriegern; hier habe ich durch Ihre Me-thode die wichtigsten Resultate erlangt. Ohne eigent-liche Arzneien werden die Leute schnell gesund und von den gefährlichsten Fieberkranken im Lazareth stirbt fast keiner.

Doch ich muß enden. Vielleicht kann ich bald mehr 1 J.Kemer, Mesmer, S. 172-173.

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schreiben. Wollten Sie die Güte haben, nur zwei be-ruhigende Worte über Ihr Befinden und daß Sie mich noch wie sonst lieb haben, an mich zu schreiben; unter Couvert an Herrn Polizeiassessor Balde in Hanau zu schicken, welcher wohl Gelegenheit finden wird, es mir zu übersenden. Sie würden mich dadurch der Sorge um Ihre Gesundheit entreißen und mir eine große Freude gewähren.

Ihr Sie verehrender und innigst liebender Freund

Woljart.»

Dem Briefe beigelegt war ein Sonett, das von Mes-mers innigst verehrenden Freund Wolfart zu dessen 79. Geburtstag geschrieben war.

Die verhängnisvollen Kriegsereignisse brachten die schon tätige Commission zur Untersuchung der mes-merischen Lehre völlig zum Stillstand. Mesmer hatte die von Wolfart gewünschte Erklärung hinsichtlich der Herausgabe seines Werkes schon am 27. Februar 1813 an verschiedene deutsche Zeitungen gesandt. Aber erst am 1. Dezember 1813 war Prof. Wolfart in der Lage, das Werk unter dem Titel «Mesmerismus oder System der Wechselwirkungen, Theorie und Anwendung des tierischen Magnetismus als die allge-meine Heilkunde zur Erhaltung des Menschen von Dr. Friedrich Anton Mesmer», herausgegeben von

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Dr. Karl Christian Wolfart mit folgenden Worten an-zukündigen1 :

«Nur der Drang der Zeit und naher Kriegsereig-nisse, deren Folge eine gänzliche Hemmung des freien Verkehrs zwischen dem größten Teil deutscher Lande war, bewog mich, die öffentliche Bekanntmachung vorstehender Erklärung bis jetzt zu verschieben. Dem Vertrauen des tiefdenkenden, gelehrten Entdek-kers des Magnetismus zu entsprechen, die Herausgabe seines, die physische und moralische Welt gleichmäßig umfassenden Natursystem, wozu ich die Manuscripte, teils in deutscher, teils in französischer Sprache abge-faßt, empfangen habe, sobald als möglich zu besor-gen, ist ein für die Wissenschaft überhaupt, für die Heillehre insbesondere so wichtiges Unternehmen, daß ich mich demselben nur durch die persönliche nähere Bekanntschaft mit dem Verfasser gewachsen fühlen darf, weil ich nur dadurch Gelegenheit erhielt, gänzlich in seinen Ideengang einzudringen und selbst die Art seines Ausdrucks genau aufzufassen.

Indem ich nun bei der Übernahme dieser mir an-vertrauten Herausgabe lediglich den Zweck habe, jede damit verbundene Mühe dem ehrwürdigen Verfasser abzunehmen, damit desselben Ruhe in seinem hohen Alter auf keine Weise mehr gestört werden möge, er-

1 J. Kerner, Mesmer, S. 174 fr.

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kläre ich zugleich, daß dieses eigentümliche Werk so rein, als es seinem Urquell entsprungen ist, der Welt mitgeteilt werden soll. Deshalb wird auch mit der deutschen Ausgabe eine französische erscheinen, da-mit bei besonderer Bezeichnung dessen, was in jeder Ausgabe Originaltext ist, auf jeden Fall Alles so an das Licht trete, wie solches ursprünglich deutsch oder französisch von dem Verfasser niedergeschrieben wor-den. Das Inhaltsverzeichnis, woraus ich nur Folgendes hier aushebe, kann übrigens den Sinn und die Reich-haltigkeit des Werkes dartun.

Zum ersten physischen Teil gehörend: Allgemeine Ideen über Stoff und Bewegung. Anwendung dersel-ben auf die Entwicklung der Natur. - Von den Eigen-schaften der organisirten Körper: Von dem Zusam-menhang; von der Federkraft; von der Schwerkraft der Körper; Theorie der Erdkugel; über die Cometen; über den Magnet; über Ebbe und Flut; über die Wär-me; über das Feuer; über das Licht; über die Electri-cität; über den allgemeinen Magnetismus der Natur; über den tierischen Magnetismus. — Vom Menschen: Über die Nerven; über die Muskelfiber; über die Reizbarkeit; über die Sinne; vom inneren Sinn; von der Empfindung und dem Denken; über den Instinkt und das Vorgefühl; über das Wachen und den Schlaf; über Gesundheit, Leben und Krankheit. -

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Zum zweiten moralischen Teil gehörend: Elemen-tarbemerkungen in Hinsicht auf das Leben in der Ge-sellschaft; über die Moral; über natürliche und gesel-lige Freiheit; über Gesetzgebung; über die Epochen des Menschen; über Erziehung usw.

Eine schöpferische, alles erklärende Idee, woraus die Entdeckung und die besonderen bis jetzt meist entweder bloß angestaunten oder bequem verworfe-nen Wirkungen des Mesmerismus bei Kranken her-vorgegangen, durchdringt und verbindet ordnend alle diese Teile zu einem organischen Ganzen. —

Berlin, den i.Dezember 1813. Wolfart.»

Ende 1814 erschien das große Werk in der Niko-laischen Buchhandlung, Berlin, und damit hatte Wol-fart durch seine unermüdliche, hingebende, treue Arbeit der Nachwelt die bedeutendste Arbeit des Meisters in deutscher Sprache gesichert, kurz be-vor das Leben des greisen Entdeckers des Magne-tismus zu seinem Ende kam. Im folgenden Jahre ließ er ihm seine «Erläuterungen zum Mesmerismus» folgen.

Im Frühjahr 1813 machte Mesmer nochmals eine Reise in die Schweiz. Bald darauf schreibt er einem seiner Freunde1:

1 J. Kerner, Mesmer, S. 162.

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«Da mir nur noch eine kleine Strecke auf dem Pfade meines Lebens zu durchlaufen übrig ist, so kenne ich kein wichtigeres Geschäft, als den Überrest meiner Tage allein der praktischen Anwendung eines Mittels zu weihen, dessen ungemeinen Nutzen mich meine Beobachtungen und Erfahrungen erkennen gelehrt haben, damit mein letztes Wirken die Anzahl der Tat-sachen vermehre, und wenn diese lauter als Worte zur Überzeugung gesprochen haben werden, die Erhal-tung des Menschen künftig nicht mehr durch unge-wisse Arzneimittel wie durch ein ungewisses Glück-spiel bestimmt werde.»

Mesmer wollte es bald als das Richtige erscheinen, nun auch noch seine persönlichen Sachen in Ordnung zu bringen und schrieb am 11. April 1814 in Konstanz sein Testament. Unter seine letztwilligen Verfügungen schreibt er: «Da ich im Leben kein Amt oder Titel geführt habe, so wünsche ich wie ein jeder gemeine Mann beerdigt zu werden.1»

Kurz darauf siedelte er mit seiner treuen Haushäl-terin Anne Marie nach ihrem Heimatort Riedetsweiler über Meersburg, wo er sich im Nebengebäude des Bauernhofes Futterer eine Wohnung hatte einrichten lassen. Hier feierte er seinen 80. Geburtstag und ver-weilte den ganzen Sommer über. Im Herbst 1814 aber

1 J. Kerner, Mesmer, S. 194.

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verließ er diese Wohnstätte und zog in ein der Stadt-verwaltung gehörendes Haus an der Vorburggasse in Meersburg. Mesmer soll davon überzeugt gewesen sein, daß er das Jahr 1815 nicht mehr überleben werde. Eine Wahrsagerin soll ihm vorher gesagt haben, daß er das 81. Jahr erreichen werde, aber nicht weiter. Diese gleiche Person hatte ihm in seinen guten Jahren auch den Verlust seines Vermögens prophezeit.

Als Mesmer nach Meersburg übersiedelte, erfreute er sich noch guter Gesundheit. Nur sein Blasenübel machte ihm mehr zu schaffen. Er magnetisierte aber immer noch, war lebhaften Geistes und liebte die Ge-sellschaft von Menschen, die ihm zugetan waren. Im-mer war er gesprächig und munter. Er liebte die Blu-men und Tiere und hielt sich einen Kanarienvogel, der ihm jeden Morgen in aller Frühe auf den Kopf flog und mit schmetternden Trillern aufweckte. Er ließ seinem Herrn dann keine Ruhe bis er aufstand, sich ankleidete und zum Frühstück ging. Wenn Mesmer den Kaffee trank, setzte sich der Vogel auf die Zucker-büchse und verspeiste daraus ein Stücklein.

Mesmer hielt sich in Meersburg auch ein Pferd und einen leichten Wagen, in dem er täglich ausfuhr. Wahrscheinlich waren die Beschwerden seines Bla-senleidens die Ursache, daß man ihn selten zu Fuß sah.

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In seinem Lebensunterhalt war er äußerst mäßig, doch hielt er viel auf das, was gut war. Er hatte den Grundsatz: «Der Mensch unterscheide sich auch da-durch besonders vom Tier, daß er bestimmt sei, sehr vielerlei zu essen, und daß es gesünder und naturge-mäßer sei, wenn der Mensch sich im Stande befinde, nicht bloß von einem Gericht sich sättigen zu müssen, sondern nach der Neigung seines Geschmackes von Mehrerlei weniger äße.» Zum Mittagessen trank er immer eine Flasche Wein1.

In die Kirche scheint er selten gegangen zu sein, wohl seinen eigenen Gottesdienst im Herzen haltend.

Nie sah man ihn trüb gestimmt, nie schwermütig. Hell blieb sein Augenlicht, sein Gehör und sein Geist bis zu seinem Ende. - Zur Stärkung seines Körpers gebrauchte er warme Bäder.

Von Gelehrten besuchten ihn in Meersburg nur sein Freund Dr. Hirzel von Gottlieben und Dr.Wald-mann, der Zeugnis von Mesmers gediegenem Geiste, den er bis zum letzten Atemzug behielt, ablegt.

Zu Mesmers großer Genugtuung und Rechtferti-gung in der letzten Zeit seines Lebens gereichte es ihm, daß Fürst Dalberg, der fast um die gleiche Zeit mit ihm in Meersburg seinen Wohnsitz nahm, aus

1 J. Kerner, Mesmer, S. 203, auch die übrigen biographischen Details stammen daraus.

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einem heftigen Gegner seiner Lehre ein ebenso großer Anhänger derselben geworden war.

Fürst Dalberg gab dem Meersburger vornehmen Publikum wöchentlich einmal ein Musikkonzert, zu dem Mesmer jedesmal besonders eingeladen ward. «Er bat mich zu seiner Tafelusw., und es scheint allen, daß ich ihm nicht mehr gleichgültig sei.»

Über die Weihnachtstage 1814 hatte der alte Mei-ster die Freude, sein eigenes Schlußwerk in der Her-ausgabe von Prof. Wolfart in den Händen zu haben und darin lesen zu können. Diss hat ihn mit Glück und Befriedigung erfüllt. Voll innigen Dankes schreibt er seinem Freunde Wolfart am 26. Dezember 1814:

«Ich habe über die glücklich vollendete Arbeit Ihres Werkes, 8 Exemplare, samt dem Honorario empfan-gen. Stellen Sie sich die Begierde vor, mit der ich es durchschaute und die Freude und die Bewunderung über die Richtigkeit und die Reinheit, mit der ich das Tiefste meiner Gedanken mit ungemeiner Klarheit dargestellt sehe; Sie gaben der Wahrheit durch den Reichtum Ihrer Sprache einen neuen Glanz: mit einem Worte, ich kann Ihnen meine Bewunderung und den so mühsam verdienten Dank nicht genug ausdrücken: Sie haben den wahren Geist meiner Lehre nicht nur erreicht, sondern in vielem übertroffen. Wir haben nicht sowohl die allgemeine Anerkennung, als viel-

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mehr die Nutzanwendung zu bewirken. Dieses Werk ist eigentlich den Volkslehrern gewidmet. Geben Sie mir mit Gelegenheit Nachricht, wie es in Berlin auf-genommen wird. Mein innigster Wunsch ist es, daß Sie für Ihren Eifer und Ihre Anstrengungen zum Wohle der Menschheit wie um Ihre Nation - ver-dienten Dank in langer Zukunft genießen mögen. Ich kann Ihnen bei meinem noch übrigen wahrschein-lich kurzen Aufenthalt nicht anders lohnen, als durch unbegränzte Verehrung und Liebe.1»

Damit war für den tätigen Greis die Erfüllung sei-nes Lebens gekommen. Er hatte nicht umsonst ge-kämpft und war nicht vergeblich in die Stille gegangen, wo er sein System in vielen Jahren durch Vergleichung aller seiner Erfahrungen und Hinzuziehung seiner späteren Eingebungen und Prüfungen zu einer Ganz-heit sammeln und verarbeiten konnte. An Prof. Wol-fart hatte Mesmer den richtigen, für die Sache be-geisterten, leistungsfähigen jungen Mann in großer Stellung mit allen für den Erfolg nötigen Verbindun-gen zur Gelehrtenwelt gefunden.

Mesmers letzte Tage verklingen deshalb mild und in zufriedener Harmonie. Er hat dem Leben gegeben was er konnte und das Leben hatte es endlich aufge-nommen und ihn geehrt. Er spielte noch immer jeden

1 Bittel, Mesmer, S. 163/164.

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Morgen die Glasharmonika, die ihn durch alle Stürme seit seiner Entdeckung begleitet hatte und sang oft dazu. Er spielte nicht nach Noten, sondern liebte es seit langer Zeit, darauf zu improvisieren.

Am 26. Februar 1815 fühlte er sich unwohl und unterließ es, ins Casino zu gehen, welches er sonst alle Sonntage besuchte. Am folgenden Tag hatte sich sein Zustand nicht verschlimmert, außer daß er ver-mehrte Beschwerden im Unterleib verspürte. Diese Schmerzen stiegen und zeigten schon am Dienstag einen vollkommenen Anfall der Blasengicht. «Dane-ben aber war er wohl und diesen Zufall um diese Jah-reszeit gewohnt, war er ganz unbesorgt und tröstete die für ihn besorgten Verwandten. Mittwoch den 1. März, als er sich vormittags mit seinen liebsten Ver-wandten unterhielt, klagte er über Nebel vor den Augen und plötzlich verlor er das Vermögen, meh-rere Worte nacheinander zu sprechen. Erst jetzt gab er dem Verlangen seiner Freunde nach, seinen Freund Dr. Hirzel aus Gottlieben zu ihm kommen zu lassen; Dr. Hirzel, der nach drei Stunden kam, traf ihn in einem schlagflüssigen Zustande an, der hauptsächlich die rechte Seite befallen hatte. Anfänglich vermochte er Hirzel nur für Augenblicke zu erkennen, aber durch seine fortgesetzte magnetische Behandlung wurden sie verlängert und er ward noch an diesem und den

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drei folgenden Tagen für alle äußeren Einflüsse voll-kommen empfindlich. Den 5. März, als er sein Ende herannahen fühlte, begehrte er mit gebrochener Stim-me den Seminaristen Feßler herbeizuholen, damit die-ser ihm während des Verscheidens auf seiner Glas-harmonika spiele, aber Mesmer verschied, ehe Feßler kam, klagelos, lächelnd; wie unter dem Vorgefühl einer nie endenden, allflutenden, göttlichen Harmonie. Er lag noch am andern Morgen wie lebend da, aber der Kanarienvogel flog nicht mehr aus dem Käfig auf sein Haupt, ihn zu wecken, fraß und sang nicht mehr und wurde bald in seinem Käfige tot gefunden.

Nach Mesmers Wunsch wurde seine Leiche von Dr. Hirzel seziert, der dabei eine auffallend starke, durch die Blasengicht verursachte Desorganisation der Harnorgane vorfand1.

Am 6. März 1815 teilte Dr. Johann Hirzel aus Gott-lieben, mit dem Mesmer seit Jahren in inniger Freund-schaft stand, Prof. Wolfart den Tod des großen Man-nes mit.

Durch Wolfarts Bemühungen erhielt sein Grab von der Gesellschaft der Naturforscher in Berlin jenen seltsamen, dreikantigen Gedenkstein, der auf seinen drei Vorstufen wie ein antiker Altar aussieht. Dieser Stein ziert heute noch die letzte Stätte dieses großen Forschers und Entdeckers des animalen Magnetismus.

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III. Mesmers LehreTheoretische und praktische Anweisungen. Die Apho-rismen. Prof. Wolfarts «Mesmerismus oder System der

Wechselwirkungen»

Es lohnt sich, aus dem eben entworfenen Leben Mesmers nochmals zu jenen Punkten zurückzukeh-ren, bei denen die Entwicklung seiner Idee oder seiner Praxis einen Fortschritt verzeichnet. Am Anfang steht seine Dissertation über den Einfluß der Plane-ten auf den menschlichen Körper, eine Erscheinung wie Ebbe und Flut in Wechselwirkung zwischen dem Makrokosmos und dem menschlichen Mikrokosmos. Mit Pater Hell hatte er die Heilkraft des Mineral-magneten in ganz verschiedenen Krankheitsfällen und verschiedener Anwendung kennengelernt.

«Ich verfiel endlich auf den Gedanken, in dem Kör-per der Kranken eine gleichsam künstliche Ebbe und Flut mit dem Magnete zu erwecken.

.. .Als meine Patientin im Monat Julio einen neuen Anfall bekam, band ich ihr zween gebogne Magnete an die Füße und hing ihr einen herzförmigen an die Brust. Plötzlich erhob sich ein heißer zerreißender Schmerz von den Füßen an, strömte aufwärts...,

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hinterließ durchgehends bey jedem Gelenk ein Bren-nen gleich einer glühenden Kohle.. .

Dieser fremde Auftritt erweckte bey der Kranken und den Umstehenden Schrecken! Man drang in mich, den Versuch aufzugeben, allein dieses munterte mich nur mehr auf, ihn fortzusetzen. Ich nötigte die Kranke, die Magnete zu behalten, und legte noch mehrere an den untern Teilen an! Sie bemerkte hier-auf, daß der magnetische Strom den Schmerzen, wel-cher in den obern Teilen zugenommen hatte, mit Ge-walt herabriß.

Dieses Hin- und Herreißen dauerte die ganze Nacht und brachte an der ganzen Seite, welche in einem vo-rigen Anfall lahm war, einen häufigen Schweiß her-vor, auf welchen sich die Schmerzen sammt allen Zu-fällen nach und nach verloren. Sie ward auf alle Ma-gnete unempfindlich und von diesem Anfall geheilt. Sie litt (vermutlich weil sie ungemein schwach und das Übel schon zu sehr eingewurzelt war) nach der Hand noch ein paar Anfälle, welche aber ebenso ge-schwind und auf gleiche Art gehoben wurden. Ich riet ihr, beständig einige Magnete an sich zu tragen, worauf sie sich bald erholet, und sie befindet sich seit-her ganz gesund1.»

1 Mesmer, Kurze Geschichte des thierischen Magnetismus bis April 1781. Carlsruhe 1783.

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Hatte Mesmer bereits 1775 in seinem «Schreiben an einen auswärtigen Arzt» dargelegt, «daß die an-ziehende Macht gedachter Sphären alle einzelnen Teile unseres Körpers durchdringe, unmittelbar auf unsere Nerven wirke, folglich in unseren Leibern ein wirklicher Magnetismus vorhanden sey. Diese Eigen-schaft des animalischen Körpers, vermöge welcher derselbe auf die Universalattraction empfindlich ist, nannte ich gravitatem oder magnetismum animalem» so stand er nun vor dem Problem der Deutung seiner mineralmagnetischen Erfolge bei der Behandlung der hysterischen Oesterlin. Auch hatte er bereits den Zu-stand des magnetischen Schlafwachens (Somnabulis-mus) beobachtet, schwieg aber darüber «wegen des da-maligen Religionsgeistes, auch weil er vorhersah, daß daraus Mißverständnisse entstehen würden, welche zu Irrtum über den Magnetismus selbst führen könnten1.»

In seinem «dritten Schreiben an die Frankfurter» (Wien 1775) hatte er als «Hauptmaximen bey der Applikation» der Magneten bezeichnet:

«1. daß der magnetische Strom auf den unharmoni-schen Teil des Körpers vorzüglich geleitet werde;

4. daß die Hauptrichtung der Ströme nach den Ex-tremitäten, besonders aber nach den unteren Teilen geschehe.»

1 Wolfart, Erläuterungen zum Mesmerismus. Berlin 1815.

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Er hat auch schon die verstärkende Wirkung der magnetischen Bäder beobachtet und verspricht sich viel davon. «Nachdem ich entdecket habe, daß das Glas, nach diesem das Wasser die magnetische Kraft vorzüglich annimmt und daß diese nach dem Ver-hältnisse der Masse des Wassers und der mitgeteilten Kraft verstärket werden könne.. . seither bediene ich mich mit dem besten Erfolg der magnetischen Bä-der, der Füße, der Hände, des ganzen Körpers; solche werden magnetisch, sobald ein bereits magnetischer Körper selbe berühret, vorzüglich aber durch Einle-gung wirklicher Magneten. Dieses ist, was ich meine gewöhnliche Methode mit Communication und Ver-stärkung nenne.»

Diese Regeln dienen zur allgemeinen Anwendung, während besondere Fälle und besondere Subjekte in-dividuell behandelt werden müssen. Mesmer be-obachtet sehr genau und nimmt sich die Mühe, jeden einzelnen Fall nach seiner besonderen Art zu kurieren.

Während seines Aufenthaltes bei Baron de Horka ersetzte er die mineralischen Magnete immer mehr durch seinen persönlichen Magnetismus. Er wandte zum ersten Mal ein Strichverfahren mit den Händen an und machte die Entdeckung der Übertragung sei-nes Einflusses über den Schall (die Musik) und den Spiegel. Nach Seyferts Aufzeichnungen gehörten zu

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seinen damaligen Lehren folgende Versicherungen1: «i. Daß er nur Nervenkranken und keinem Andern

mit Hilfe des Magnetismus zur Wiedergenesung hel-fen könne; daher verwies er die mit andern Übeln Behafteten nach Umständen an Ärzte oder Chirurgen oder er schrieb ihnen selbst Arzneien vor.

2. Daß er durch den Magnetismus eine jede alte,nicht ganz aus dem Grunde gehobene Nervenkrank-heit, die sich ohnehin mit der Zeit von selbst wieder einstellen würde, mit geringerer Gefahr herbeizu-führen vermöge.

3. Daß auch die heftigsten Anfälle mit jeder vonihm vorgenommenen Magnetisierung immer schwä-cher würden und zuletzt ganz wegblieben, was ein sicheres Zeichen wäre, daß der Kranke vollkommen geheilt sei; und wenn ja dies aus Mangel der Zeit oder aus einer andern Ursache nicht ganz erreicht würde, so wären doch seine Versuche für den Kran-ken nicht nur nicht nachteilig, sondern auch wohltä-tig. Dies suchte er dadurch zu beweisen, daß er be-reits einen zu Wien Studierenden, der die Epilepsie von einem großen Erschrecken bekam, binnen sechs Wochen durch den Magnetismus vollkommen wie-der hergestellt habe. Die ungefähr ein Jahr und viel-leicht noch länger ausgebliebenen Spasmen des Ba-

1 J.Kerner, Mesmer, 1856.

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rons Horeczki schienen dem letzteren Teile seiner Be-hauptung nicht ungünstig zu sein.

Zuweilen faßte er einen minder empfänglichen Nervenkranken bei beiden Händen ; mit dem Gesicht gegen ihn gewandt, schmiegte er sich an ihn an und blieb dann eine ziemliche Weile in dieser Stellung. Wollte dies nicht fruchten, so legte er ihm einen künstlichen Magnet unter den Fuß und ließ ihn nö-tigenfalls ein Magnetstück nahe an dem in Bewegung gesetzten und sich an einem ledernen Polster reiben-den Glase der Elektrisiermaschine halten. Nur bei Wenigen waren diese beiden letzteren Behandlungen ganz ohne Erfolg.»

Erst in seiner «Abhandlung über die Entdeckung des thierischen Magnetismus, Deutsche Übersetzung Carlsruhe 1781», der als französisches Original das «Memoire sur la découverte du magnétisme animal, Genève 1779» vorausgegangen war, hatte Mesmer sein System in 27 Kernsätze zusammengefaßt:

«I. Es besteht ein gegenseitiger Einfluß zwischen den Himmelskörpern, der Erde und den beseelten Körpern (tierischen Körpern).

2. Das Mittel, durch welches dieser Einfluß wirkt,ist ein überall zusammenhängendes, ohne einen leeren Raum zu dulden, verbreitetes Fluidum, dessen Fein-heit keinen Vergleich zuläßt und das seiner Natur

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nach geeignet ist, alle Eindrücke der Bewegung zu empfangen, fortzupflanzen und mitzuteilen.

3. Diese wechselseitige Einwirkung ist bisher un-bekannten Gesetzen unterworfen.

4. Aus dieser Einwirkung entstehen abwechselndeEffekte, die man als eine Art Ebbe und Flut betrach-ten kann.

5. Diese Ebbe und Flut sind mehr oder wenigerallgemein, mehr oder weniger besonders, mehr oder weniger zusammengesetzt, je nach der Natur der sie bestimmenden Ursachen.

6. Durch diese Tätigkeit, die universellste der Na-tur, werden die einwirkenden Verbindungen zwi-schen den Himmelskörpern, der Erde und ihren Ein-zelkörpern geknüpft.

7. Die Eigenschaften des Stoffes und des magneti-sierten Körpers hängen von dieser Tätigkeit ab.

8. Der lebende Körper erfährt die abwechselndenEinwirkungen dieses Agens, indem es in die Sub-stanz der Nerven eindringt, welche es unmittelbar af-fiziert.

9. Es gibt sich besonders im menschlichen Körperdurch Eigenschaften kund, welche analog denen des Magnets sind; man unterscheidet auch bei ihm ver-schiedene und entgegengesetzte Pole, die mitgeteilt, verwechselt, zerstört und wiederhergestellt werden

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können; selbst das Phänomen der Inklination hat man an ihm beobachtet.

10. Die Eigenschaft des lebenden Körpers, die ihnfür den Einfluß der Himmelskörper und die gegen-seitige Einwirkung der Umgebung empfänglich macht und die sich durch ihre Ähnlichkeit mit denen des Magnets offenbart, hat mich bestimmt, sie anima-lischen Magnetismus zu nennen.

11. Die eben charakteristische Wirkung und Kraftdes animalischen Magnetismus kann anderen beseel-ten und unbeseelten Körpern mitgeteilt werden.

12. Diese Wirkung und Kraft kann durch die näm-lichen Körper verstärkt und fortgepflanzt werden.

13. Man beobachtet erfahrungsgemäß die Strö-mung eines Stoffes, dessen Feinheit alle Körper durchdringt, ohne merklich von seiner Kraft einzu-büßen.

14. Er wirkt auf sehr weite Entfernungen ein, ohneeines vermittelnden Körpers zur Beihilfe zu bedürfen.

15. Er wird wie das Licht durch Glas verstärkt undzurückgeworfen.

16. Er wird durch den Schall mitgeteilt, fortge-pflanzt und verstärkt.

17. Diese magnetische Kraft kann aufgehäuft, kon-zentriert und transponiert werden.

18. Ich habe gesagt, daß die beseelten Körper nicht

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gleich empfänglich wären; ja es gibt sogar solche, ob-gleich sehr selten, welche eine so entgegengesetzte Eigenschaft haben, daß ihre bloße Gegenwart alle Wirkungen des Magnetismus in andern Körpern zu zerstören vermag.

19. Diese entgegengesetzte Kraft durchdringt eben-falls alle Körper; sie kann ebenso mitgeteilt, fortge-pflanzt, angehäuft, konzentriert, transponiert, durch den Spiegel reflektiert und durch den Ton übertragen werden, woraus sich ergibt, daß sie nicht eine nur negative, sondern eine, obschon entgegengesetzte, wirklich positive Kraft ist.

20. Der natürliche wie der künstliche Magnet ist so-wohl für den animalischen Magnetismus als für die ihm entgegengesetzte Kraft empfänglich, ohne daß in dem einen oder anderen Fall seine Einwirkung auf das Eisen oder die Kompaßnadel eine Veränderung erleidet, was dartut, daß das Prinzip des animalischen Magnetismus wesentlich von dem des Mineral-magnetismus verschieden ist.

21. Dieses System wird neue Aufklärungen überdie Natur des Feuers und des Lichtes ebenso wie über die Theorie der Anziehung, der Ebbe und Flut, des Magnets und der Elektrizität liefern.

22. Es wird erkennen lassen, daß der Magnet unddie künstliche Elektrizität bezüglich der Krankheiten

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nur Eigenschaften besitzen, welche sie mit anderen uns von der Natur dargebotenen Mitteln gemein ha-ben, und daß, wenn sie einige nützliche Eigenschaf-ten in der Behandlung derselben besitzen, sie diese dem animalischen Magnetismus verdanken.

23. Man wird durch die Tatsachen erkennen, daßnach den Regeln, welche ich mitteilen werde, dieses Prinzip unmittelbar die Nervenkrankheiten und mit-telbar die übrigen heilen kann.

24. Mit Hilfe desselben wird die Medizin über denGebrauch der Medikamente aufgeklärt, damit sie de-ren Wirkung verstärke, heilsame Krisen hervorrufe und lenke in der Weise, daß sie sich zum Herrn der-selben macht.

25. Indem ich meine Methode mitteile, werde ichdurch eine neue Theorie der Krankheiten die univer-selle Nützlichkeit des Prinzips dartun, welche ich ihnen entgegensetzte.

26. Mit dieser Kenntnis ausgerüstet, wird der Arztsicher über den Ursprung, die Natur und das Fort-schreiten auch der verwickeltsten Krankheiten ur-teilen; er wird ein Fortschreiten der Krankheit ver-hindern und wird sie heilen, ohne jemals den Kran-ken gefährlichen Zufällen oder beschwerlichen Fol-gen hinsichtlich des Alters, Temperamentes oder Geschlechtes auszusetzen. Die Frauen werden selbst

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im Zustande der Schwangerschaft und während der Geburt diesen Vorteil genießen.

27. Diese Lehre wird endlich die Medizin in denStand setzen, richtig über den Grad der Gesundheit einer jeden Person zu urteilen und dieselbe von den Krankheiten, denen sie sonst ausgesetzt wäre, zu be-hüten. Die Heilkunst wird auf diese Weise zur größ-ten Vollkommenheit gelangen.»

Was Mesmer in der Pariser Gesellschaft der Har-monie in geschlossener Gesellschaft gelehrt hat, ist auf dem Umweg einer Indiskretion durch Dr. Caullet de Veaumorel 1785 als «Aphorismes de M. Mesmer, dictés à l'assemblée de ses Elèves et dans lesquels on trouve ses principes, sa théorie et les moyens de magnétiser, le tout formant un corps de Doctrine, développé en trois cents quarante-quatre paragraphes, pour faciliter l'application des Commentaires au Magnétisme Animal» der Weltöffentlichkeit bekannt-gegeben worden.

In diesen Aphorismen liegen die Hauptbestandteile seines von Wolfart herausgegebenen Werkes schon deutlich und klar zutage, man möchte sagen, hier sei sein ganzes endgültiges Lehrgebäude im Rohbau schon fertig.

Es beginnt mit der Feststellung, daß ein unerschaf-fenes Prinzip, Gott, existiere, während die Natur aus

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zwei erschaffenen Prinzipien, der Materie, dem Stoff, und der Bewegung, der Kraft, bestehe. Der erste Teil befaßt sich mit seiner physikalischen Auffassung der Weltordnung. Er äußert darin schon die Überzeu-gung, daß die Materie die Summe der Kraft, die in ihr geborgen ist, erhält (§ 39) und daß diese stets gleich bleibt (§ 53), daß alle Himmelskörper einen wechselseitigen Einfluß aufeinander und auf die dar-auf lebenden beseelten Körper haben (§ 76). Dann be-handeln seine Aphorismen die Attraktion, die Kohä-sion, die Elastizität, die Schwere, das Feuer, Ebbe und Flut, die Wechselwirkungen, die Elektrizität, den Menschen und seine Empfindungen, den In-stinkt, Krankheit, Erziehung und endlich sein Heil-verfahren und die Krisen.

«§ 79. Es gibt ein festes Gesetz in der Natur, das darin besteht, daß ein gegenseitiger Einfluß auf alle Körper überhaupt existiert, der folglich auch auf alle Teile, aus denen sie bestehen und auf ihre Eigenschaf-ten wirkt.

§80. Dieser gegenseitige Einfluß und diese Be-ziehungen aller miteinander existierenden Körper bil-den das, was man Magnetismus nennt.

§ 139. Der Mensch ha t . . . zwei Arten von Wieder-ergänzung, durch die Nahrungsmittel und durch den Schlaf.

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§141. Der Zustand des Schlafes des Menschen be-steht darin, daß die Quantität der beim Wachen ver-lorenen Bewegung durch die Eigenschaften der all-gemeinen Ströme, in denen sich der Mensch befindet, wieder ergänzt wird.

§145. Der Mensch empfängt und sammelt insich eine gewisse Quantität von Bewegung... der Überschuß dieser Bewegung... bestimmt das Wa-chen.

§158. Da das Lebensprinzip ein Teil der allgemei-nen Bewegung ist und den gemeinschaftlichen Geset-zen des allgemeinen flüssigen Wesens gehorcht, so ist es auch allen Eindrücken des Einflusses der Himmels-körper, der Erde und jeder besonderen Körper, die es umgeben, unterworfen.

§ 15 9. Dieses Vermögen oder diese Eigenschaft desMenschen, für alle diese Beziehungen und Eindrücke empfänglich zu sein, ist das, was man Magnetismus nennt.

§160. Der Mensch befindet sich immerfort in all-gemeinen und besonderen Strömen und wird von den-selben durchdrungen.

§ 161. Aus den am meisten hervorstehenden Teilenoder Extremitäten gehen Ströme aus und ein. . .

§162. Die Punkte des Ausflusses und Einflussesspannender Ströme sind das, was wir Pole nennen.

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§163. So gibt es ausgehende und eingehendeStröme, Pole, die sich wechselweise zerstören oder verstärken, wie beim Magneten.

§182. Die Werkzeuge oder Organe, die dazu die-nen, die Verschiedenheit der Eindrücke zu bemerken, nennt man Sinne.

§184. Es ist nachweisbar und man hat starkeGründe a priori, daß wir noch mit einem inneren Sinn be-gabt sind, der mit dem Ganzen des Weltalls in Verbindung steht; genaue Beobachtungen können uns davon überzeugen; man könnte sich auch die Ahnungen daraus begreiflich machen.

§185. Wenn es möglich ist, solche Eindrücke zuempfangen, daß man von einem unendlich weit ent-fernten Wesen einen Begriff erhalten kann, so wie wir die Sterne sehen, warum sollte es nicht möglich sein, Eindrücke von Wesen zu erhalten, deren... Bewe-gung bis zu uns in krummen oder schiefen Linien, in jeder Richtung fortgepflanzt wird; warum sollten wir nicht von der Kette der aufeinanderfolgenden Wesen Eindrücke erhalten können?

§238. Es ist nicht gleichgültig, welche Stellungzwei Wesen gegeneinander haben, die aufeinander wirken. Zwei Wesen haben den größten Einfluß auf-einander, wenn sie so gestellt sind, daß ihre gleich-artigen Teile einander aufs genaueste entgegengesetzt

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sind. Folglich müssen zwei Menschen, damit sie so stark als möglich aufeinander wirken, Gesicht gegen Gesicht kehren. In dieser Stellung können sie ange-sehen werden, als machten sie nur ein Ganzes aus. Aus dem folgt, daß man die rechte Seite mit dem linken Arm und so gegenseitig berühren muß, um die Har-monie des Ganzen zu unterhalten. Alle Punkte der linken Seite können als die entgegengesetzten Pole der sich auf sie beziehenden Punkte der rechten Seite betrachtet werden. Da aber der Ausfluß der Ströme auf eine fühlbarere Art durch die Extremitäten ge-schieht, so sehen wir eigentlich nur diese Extremi-täten als Pole an . . . So wird an der Hand der kleine Finger der entgegengesetzte Pol des Daumens sein.

§241. Die übertriebene Reizbarkeit der Nerven,die durch die Abweichung von der Harmonie in dem menschlichen Körper hervorgebracht worden ist, ist das, was man insbesondere Nervenkrankheiten nennt.

§242. Es gibt aber so viele Verschiedenheiten indiesen Krankheiten, als man Kombinationen zwi-schen allen möglichen Zahlen annehmen kann.

§243. Die allgemeine Reizbarkeit kann durch un-endliche Grade vermehrt oder vermindert werden.

§ 246. Ein sorgfältiger und aufmerksamer Beobach-ter wird in den zahllosen Phänomenen, welche diese

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Krankheiten hervorbringen, eine Quelle von Unter-richt finden. In diesen Krankheiten kann er sehr leicht die Eigenschaften und Kräfte des menschlichen Leibes studieren.

§ 247. Auch kann er ferner in diesen Krankheitendurch die Tatsachen überzeugt werden, wie sehr wir von der Wirkung aller Wesen, die uns umgeben, ab-hängen und daß keine einzige Veränderung bei diesen Wesen oder in den Beziehungen zwischen ihnen uns jemals ganz gleichgültig sein kann.

§248. Da die Ausdehnung der Eigenschaften undKräfte unserer Organe in diesen Krankheiten beträcht-lich vermehrt wird, so muß sie uns auch in den Stand setzen, die Grenzen unserer Kenntnisse zu erweitern, indem sie uns eine Menge von Eindrücken kennen lehrt, von denen wir ohne sie keinen Begriff hätten.

§261. Das, was für die Bequemlichkeit unserer Be-lehrung uns am verdrießlichsten fällt, ist, daß diese Personen, welche solchen Krisen unterworfen sind, gewöhnlich das Andenken ihrer Empfindungen ver-lieren, wenn sie wieder in den gewöhnlichen Zustand zurückkommen.

§265. Wenn sich bei einer Nervenkrankheit dieReizbarkeit in dem Zustand der Krisis in größerer Quantität auf das Augenhäutchen zieht, so wird das Auge fähig, mikroskopische Gegenstände zu bemer-

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ken. Alles, was nur die Kunst eines Optikers erdenken kann, ist nicht mit diesem Grade der Empfindung zu vergleichen. Die dickste Finsternis ist für es nicht dun-kel genug, um nicht eine hinreichende Quantität Strahlen zu sammeln, die Gestalt der verschiedenen Körper unterscheiden und ihre Verhältnisse bestim-men zu können. Ja, diese Personen können sogar Ge-genstände durch solche Körper hindurch, die uns dunkel erscheinen, unterscheiden...

§ 267. Eine dieser Personen erblickte die Schweiß-löcher der Haut in beträchtlicher Größe, die erklärte ihren Bau, so wie das Mikroskop uns denselben ken-nen lehrt. Diese Haut schien ihr ein Sieb zu sein, sie unterschied durch dieselbe das Gewebe der Muskeln und die Verbindung der Knochen... Ein sehr dün-ner, aber dunkler Körper verhinderte sie nicht, die Gegenstände durch denselben zu unterscheiden.

§269. Eben diese Person sah auch alle Pole desmenschlichen Leibes von einem hellen Dunste er-leuchtet.

§273. An meinem Haupte erblickte sie auf dieseArt die Augen und die Nase. Die leuchtenden Strah-len, welche aus den Augen hervorgehen, vereinigen sich gewöhnlich mit den Strahlen der Nase, um sie zu verstärken, und von da ziehen sie sich sämtlich gegen die nächste Spitze hin, welche man ihnen entgegen-

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hält. Doch aber, wenn ich meine Gegenstände von der Seite betrachten will, ohne den Kopf herumzu-drehen, dann verlassen die beiden Strahlen der Augen die Spitze der Nase, um sich dahin zu ziehen, wohin ich es ihnen befehle.

§274. Jede Spitze der Augenhaare, der Augen-brauen und der Haupthaare gibt ein schwaches Licht von sich; der Hals und die Brust scheinen auch ein wenig zu leuchten; reiche ich ihr die Hände dar, so läßt sogleich der Daumen ein lebhaftes Licht bemer-ken . . . die flache Hand ist auch erleuchtet...

§ 275. Wenn die erhöhte Reizbarkeit sich auf andere Organe erstreckt, so werden sie ebenso wie das Ge-sicht fähig, auch die leichtesten Eindrücke, welche ihnen zuvor gänzlich unbekannt waren, zu empfinden.

§276. Dies ist das weite Feld von Beobachtungen,das sich uns öffnet, aber es ist schwer, es urbar zu machen.

§280. Ich habe lange eine Person beobachtet, diemit Nervenkrankheit beschwert war, welche den Schall eines Waldhorns nicht hören konnte, ohne in die stärksten Krisen zu verfallen. Oft beklagte sie sich, daß sie eines höre und fiel in sehr starke Verzückun-gen, indem sie sagte, es komme nun näher; und doch konnte ich es selbst zuweilen erst nach Verlauf einer Viertelstunde vernehmen.

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§283. Der Geruch ist vielleicht noch eher einergroßen Ausdehnung fähig als der Geschmack. Ich sah Leute, welche die geringsten Gerüche in einer sehr großen Entfernung, ja sogar durch verschlossene Türen hindurch rochen. Andere Personen können alle die verschiedenen ursprünglichen Gerüche un-terscheiden, welche der Künstler gebraucht, um etwas Wohlriechendes daraus zusammenzusetzen.

§287. Um sich in Harmonie mit den Kranken zuversetzen, muß man zuerst die Hände auf die Schul-tern legen und längs der Arme bis zu der Spitze der Finger fahren, indem man den Daumen des Kranken einen Augenblick hält; dies muß man zwei- oder drei-mal wiederholen und nachher von dem Kopfe bis zu den Füßen herunter Ströme errichten.

§288. Wenn man sich auf diese Art wohl vorberei-tet hat, so berührt man beständig die Ursache der Krankheit (die durch die Berührung gereizt wird) und unterhält die symptomatischen Schmerzen bis man sie kritisch gemacht hat; auf solche Art unter-stützet man das Streben der Natur gegen die Ursache der Krankheit und man bringt sie zu einer heilsamen Krisis, welches das einzige Mittel ist, die Krankheiten aus dem Grunde zu heilen.

§290. Die Nerven sind die besten Abieiter desMagnetismus.

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§ zyi. Man berühret... mit einem Finger alle...indem man so viel es möglich ist die Richtung der Nerven befolget.

§292. Mit Vorteil berührt man mittelbar, indemman sich eines fremden Kondukteurs bedient. Man nimmt dazu am gewöhnlichsten ein kleines Stäbchen. - Nächst dem Glas, welches der beste Kondukteur ist, gebraucht man Eisen, Stahl, Gold, Silber... nur muß man sich dabei merken, daß der Pol verändert ist, wenn man sich eines fremden Körpers bedient, daß man also auf eine verschiedene Art berühren muß, nämlich von der Rechten zur Rechten und von der Linken zur linken.

§293. Es ist auch gut, wenn man einen Pol demandern entgegensetzt, nämlich, wenn man den Kopf, die Brust, den Bauch usw. mit der rechten Hand be-rührt, daß man die linke auf der Rückseite entgegen-setzt.

§295. Ein Wasserbehälter wird ebenso wie ein Badmagnetisiert, indem man einen Kork . . . in das Was-ser taucht. . . , es in gerader Linie bewegt von Osten nach Westen und von Westen nach Norden, das nämlich muß man in Ansehung des Südens vor-nehmen.

§ 302. Es gibt mehrere Mittel, die Anzahl und Wirk-samkeit der Ströme zu vermehren. Wenn man einen

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Kranken mit starkem Nachdruck berühren will, so muß man. . . viele Personen versammeln, man muß eine Kette machen, welche bei dem Kranken an-fängt und beim Magnetisierenden endigt; eine Person, welche mit dem Rücken an letzteren gelehnt ist oder welche die Hand auf seiner Schulter liegen hat, ver-mehret seine Wirksamkeit. Es gibt noch eine unend-liche Menge anderer Mittel, den Schall, die Musik, das Ansehen, die Spiegel etc.

§ 309. Es gibt nur eine Krankheit und nur ein Heil-mittel; in der vollkommenen Harmonie aller unserer Organe und ihrer Verrichtungen besteht die Gesund-heit. Die Krankheit ist bloß die Abweichung von dieser Harmonie. Die Heilung besteht also darin, daß man die zerrüttete Harmonie wieder herstellt. Das allgemeine Mittel dazu ist die Anwendung des Magnetismus nach den vorgeschriebenen Regeln. Die Bewegung in dem Körper ist entweder vermehrt oder vermindert; man muß sie also mäßigen oder stärken... Man muß die Arzneimittel, sowohl inner-liche als äußerliche, sparsam gebrauchen, ohne sie gänzlich zu verwerfen.

§310. Da das magnetische Fluidum nicht auf diefremden Körper noch auf diejenigen wirkt, die außer dem Gefäß-System sind, so muß man, wenn sich Un-reinigkeit, Fäulung, überflüssige oder verdorbene

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Galle in dem Magen befindet, seine Zuflucht zu Brechmitteln oder Purgirmitteln nehmen.

§311. Wenn die Säure herrschend ist, so gibt manverzehrende Mittel,... so wie die Magnesia; wenn es das Alkali ist, so schreibt man saure Mittel vor wie den Weinstein...

§ 313. Der starke Wein, die geistigen Getränke, derKaffee, hitzige Speisen sowie der Tabak sind verboten.

§315. In der fallenden Sucht berührt man dasHaupt, sowohl den Scheitel als die Wurzel der Nase mit der einen und das Genick mit der andern Hand. Die Starrsucht wird ebenso behandelt.

§320. Das Waschen mit magnetisiertem Wasser,die lokalen Bäder mit demselbigen Wasser kalt oder lau tun erstaunliche Wirkungen.

§328. Die Engbrüstigkeit, das Drücken und dieübrigen Brustbeschwerden werden auf dem Teile selbst berührt, indem man langsam mit der einen Hand über die Brust und mit der andern längs dem Rückengrat hinunterfährt und indem man sie eine zeitlang auf dem oberen Teil läßt und dann ganz sachte bis zum Magen hinunterzieht, wo man auch ein wenig verweilen muß.

§330. Die Schmerzen, die Vollpfropfungen unddie Verstopfungen des Magens, der Leber, der Milz und der andern Eingeweide werden an den Orten

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selbst berührt und erfordern mehr oder weniger Be-harrlichkeit und Zeit, nach dem Verhältnis der Größe, des Alters und der Härte der Geschwülste.

§331. Bei Koliken, Brechen, Krämpfen und in-neren Schmerzen der Gedärme und aller übrigen Teile des Unterleibes muß man das Übel nur ganz leicht berühren; wenn eine Entzündung vorhanden oder zu befürchten ist, so muß man in diesen Um-ständen alles Reiben und Berühren vermeiden.

§ 3 3 2. In den Mutterkrankheiten berührt man nicht nur die Gebärmutter, sondern auch alle dazu gehöri-gen Teile, die Eierstöcke und die breiten Bänder in den Seiten- und Hinterteilen und die runden Bänder in den Lenden. Den gemachten Beobachtungen zu-folge beschleunigt die auf die weibliche Scham ge-legte flache Hand den monatlichen Fluß und hindert den Verlust des Geblüts.

§333. Keine Krankheit kann ohne Krisis geheiltwerden; die Krisis ist das Streben der Natur, durch Vermehrung der Bewegung, des Tonus und der Span-nung, die Hindernisse, welche die Zirkulation hemmt, zu zerstreuen.

§337. Wenn die Natur nicht hinreichend ist, Kri-sen hervorzubringen, so unterstützt man sie durch den Magnetismus. Die Krisis ist heilsam, wenn der Kranke, nachdem er sie überstanden, sich wohl und

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erleichtert befindet und besonders, wenn vorteilhafte Abführungen auf sie folgen.

§ 340. Die Krisen versetzen oft den Kranken in eineArt von Starrsucht, worüber man aber nicht er-schrecken darf, denn sie endigt sich mit der Krisis.»

Hier haben wir doch schon Mesmers ganzes Lehr-gebäude samt allen nötigen Hinweisen über die prak-tische Anwendung. Ihm setzen wir nun nochmals sein reifes Alterssystem gegenüber, wie er es Prof. Wolfart zur Veröffentlichung übergeben hat. Man lasse sich nicht durch unvermeidliche Wiederholun-gen verdrießen, die ja nur die alten Erfahrungen be-stätigen und den hohen Wert beweisen, der bereits seinen Vorträgen in der Harmonie zukam. Es ist tat-sächlich so, daß in dem von Prof. Dr. Karl Christian Wolfart 1814 herausgegebenen «Mesmerismus oder System der Wechselwirkungen, Theorie und Anwendung des thierischen Magnetismus als die allgemeine Heilkunde zur Erhaltung des Menschen von Dr. Friedrich An-ton Mesmer» die gleichen Vorstellungen wieder auf-genommen werden. Diese erhalten aber durch die um fast zwanzig Jahre größere Erfahrung und die reife Verarbeitung des Stoffes nicht nur die nötige Präzi-sierung, Erweiterung und Festigung, sondern in Mes-mers Sinne die ihm vorbehaltene Vollendung.

Wolfart schreibt in seiner Einleitung an den Leser:

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«Durch ein Vertrauen, welches ich im ganzen Um-fang seiner Würdigkeit zu schätzen weiß, sehe ich mich in den Stand gesetzt, das vorliegende Werk an das Licht treten zu lassen...

Nachdem ich seit länger als 16 Jahren mich durch angestellte Versuche und durch Tatsachen, welche kein eitles Vernünfteln ungeschehen macht, von dem wirklichen Dasein einer zwischen lebenden Organis-men vorhandenen Wechselwirkung überzeugt hatte, in der Art, daß dadurch heilende Erscheinungen bei Kranken hervorgerufen werden können, welche vom gewöhnlichen Zustande und dem daher genomme-nen Maßstabe abweichen; so überzeugte ich mich auch bald, daß diese wichtige Sache so gänzlich ver-kannt und in der damaligen Geistesrichtung der Ge-lehrten und Ungelehrten noch verworren sei . . . Mesmer verlangte Schüler, keineswegs aber Richter in einer Sache, die ohne den anschaulichen Unter-richt, den er zu geben bereit war, nicht beurteilt wer-den konnte... Indessen hatte Mesmer die Ansichten und Betrachtungen niedergeschrieben, so zu den Ent-deckungen und Erfahrungen geführt hatten. Auf diese Weise entstand das vorliegende Werk, woraus er die Grundzüge, welche zur praktischen Anwen-dung nötig waren, in mündlichem Vortrage in Frankreich gelehrt hatte.»

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Wolfart ist nach allem, was er bei Mesmer in per-sönlichem Umgang gelernt hat, in steter Sorge, daß man eine so wichtige Sache trotz Theorie und Be-schreibung immer noch leicht mißverstehen könne und läßt diesbezüglich seinen Meister sprechen: «— zu sehr erfordert noch unabhängig von der Theo-rie diese neue Heilart einen praktischen anschaulichen und gehörig durchgeführten Unterricht, als daß ich glauben sollte, dieses durch eitle Beschreibungen we-der von der Art der Ausübung, noch von den ver-schiedenen Leitungsmitteln, deren ich mich mit Er-folg bediene, tun zu können. Ein jeder kann, ver-möge der erlangten richtigen Einsicht, sich auf das Studium derselben legen und von sich aus erlernen, sie abzuändern und den Umständen und verschiede-nen Lagen der Kranken anzupassen. Es hat blinder Empirismus und ungeprüfte Anwendung meiner Verfahrungsart, Vorurteile gegen diese neue Me-thode und voreilige Kritiken, welche man sich über diese erlaubte, veranlaßt... In dem Leichtsinn und der Unvorsichtigkeit derjenigen, welche meine Heil-methode nachahmten, ohne mit ihrem Wesen be-kannt zu sein, liegt die Schuld sehr vieler Vorurteile, die sich gegen dieselbe erhoben haben.»

Ich möchte dieselben Bedenken ausdrücklich vor die Darstellung des letzten und größten Werkes Mes-

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mers hingestellt haben, da ich vermeiden möchte, daß jeder Unberufene mit dem Mitgeteilten selbst Ver-suche macht und meint, er habe nun das Zeug zum Magnetisieren. Jeder sei sich der Verantwortung wohl bewußt!

Inhaltsübersicht

Erster Teil. Physik

1. Abteilung. Vorläufige Begriffe. Grundwahrheiten. AllgemeineIdeen über Materie und Bewegung. Anwendung der allgemeinenIdeen auf die Entwicklung der Natur.

2. Abteilung. Von den Eigenschaften der organisierten Körper:Uber den Zusammenhang. Uber die Elastizität. Über den Schwer-druck der Körper, Theorie von der Erdkugel. Über die Kometen.Über den Magnet. Über die Ebbe und Flut. Von der Wärme.Uber das Feuer. Über das Licht. Uber die Elektrizität. Über dennatürlichen Magnetismus. Uber den tierischen Magnetismus.

3. Abteilung. Vom Menschen: Uber die Nerven. Über die Muskel-fiber. Uber die Reizbarkeit. Über die Sinne. Der innere Sinn. DieEmpfindung und der Gedanke. Über den Instinkt und das Vor-gefühl. Über das Wachen und den Schlaf. Über die Gesundheit,das Leben und die Krankheit. Über den Somnambulismus.

Zweiter Teil. Moral

1. Abteilung. Über die Moral, die natürliche und bürgerliche Frei-heit, die Gesellschaft, die Gesetze.

2. Abteilung. Über Regierung und Erziehung. Verfassungsentwurf.Über die Lebensepochen des Menschen in der Gesellschaft. Er-ziehung. Jugendspiele. Von den Versammlungen zum Berat-schlagen der öffentlichen Angelegenheiten. Über die Feste undden volkstümlichen Gottesdienst. Über die Geistlichen der Ge-

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meinde. Die natürliche Gerechtigkeit. Einleitung zu einem Straf-gesetzbuche samt einem Vorschlage zum Straf- und Verbesse-rungsinstitute. Über die Abgaben. Maß und Gewicht.

Anhang: Die naturgemäße Verfahrungsart bei der Geburt des Men-schen.

Aus der Vorrede

«Die Unzulänglichkeit und Unvollkommenheit der Heilkunst, welcher ich mich widme, ließen mich beide nur zu sehr die Wichtigkeit und Notwendigkeit füh-len, das Grundwesen (Prinzip) zu entdecken, wel-ches, wie ich behaupte, ein geradezu und unmittelbar auf die Nerven wirkendes Agens sein muß, was man seit Jahrhunderten in den bekannten Naturreichen vergeblich gesucht hatte. Ich schloß mit Grund, daß es nicht von der Gattung grober Materie, deren Vor-handensein durch die gewöhnlichen Sinne bemerkt wird, sein könne.

Zufolge unablässiger Beobachtungen, welche ich bei Kranken machte, bin ich zu der Gewißheit ge-kommen, daß eine Wirkung, ein Einfluß von seiten der größten Himmelskörper, insbesondere der Sonne und des Mondes auf den tierischen Körper, wie auf alle Bestandteile unserer Erdkugel vorhanden sei.

Die allgemein unter den Völkern verbreiteten Mei-nungen von einem Einfluß der Gestirne schienen mir keine Einbildungen mehr, obwohl die meisten dar-

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unter gar sehr ungereimt waren; ich betrachtete sie insgesamt als Überbleibsel von Wahrheiten, früheren Zeiten bekannt.

Die Gährungen, die Vegetation, die regelmäßigen und gleichgestaltigen Verrichtungen der Tiere, ihre periodischen Reisen, die Epochen ihrer Reproduk-tion, das Phänomen der Ebbe und Flut des Weltmeers, welche ich als allen Teilen der Erdkugel gemein-schaftlich betrachte, und dann das zuverlässig bei Menschen Ineinsfallen (Koinzidenz) und die Überein-stimmung aller dieser Erscheinungen mit den Um-wälzungen der Zeit, ferner der unwandelbare Gang und Typus der meisten Krankheiten: - alles dieses bezeugt und bestätigt das Dasein von einem allge-meinen Agens und von einem wechselseitigen Ein-fluß, welcher durch einen Mittelstoff oder durch eine Flut, worin alle Wesen in einer Art von Berührung so untereinander gemengt sind, daß dadurch eine ein-zige Masse von der ganzen Welt gebildet wird, sich bewirkt.

Um mir von all diesen Wahrnehmungen Rechen-schaft zu geben, stieg ich hinauf zu dem gemeinschaft-lichen Quell von Allem, und nachdem der Beweg-grund und die allgemeine Ursache erkannt war, muß-ten auch die Vorgänge der Natur entdeckt werden, wodurch diese Erscheinungen sich bewirken. Indem

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ich diese verschiedenen Eigenschaften der Körper auf dem Weg der Analogie verglich und einander näherte, schloß ich vom Kleinen auf das Große: viel-fältige Beobachtungen bei Kranken vervollkommten diese Mutmaßungen, und ich endigte damit, die Na-tur in ihren geheimsten Operationen, sozusagen zu überraschen. Alles kam zusammen, um die Theorie zu bestätigen, welche ich sodann von einem natürli-chen und allgemeinen Einfluß, der unter der Benen-nung Natürlicher Magnetismus von mir angekündigt worden, gefaßt hatte. Nachdem ich einmal auf diese Weise das Triebwerk dieses Einflusses durchdrungen, gelangte ich endlich auch zu den Hülfsmitteln, die großen Verrichtungen der Natur einigermaßen nach-zuahmen, und sie selbst auf belebte Körper anzuwen-den. Ich erkannte, daß dieses Triebwerk demjenigen ähnlich wäre, welches uns durch die Eigenschaften des Magnets geoffenbart worden ist, ich entdeckte zu gleicher Zeit, daß auch der menschliche Körper für ähnliche Eigenschaften, dem Eisen oder dem magne-tischen Stahle gleich, empfänglich sei, daß er Pole habe, daß er in die Ferne hin wirken, oder alle seine Eigenschaften entwickeln könne. Ich entdeckte also dieses mächtige, die Substanz der Nerven im beleb-ten Körper durchdringende Agens. Dasselbe ist kei-neswegs eine absolute Substanz; sondern das Resul-

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tat wechselseitiger Einflüsse, oder der Verhältnisse zwischen zwei Körpern. Das ist es, was ich vermöge der Übereinstimmung, welche dieses Grundwesen und der mineralische Magnetismus untereinander haben, den Tierischen Magnetismus nannte.

Auf solche Weise geschah es, daß sich infolge mei-ner Untersuchungen über die Natur und über den Menschen das System oder eine Theorie, so ich hier kund mache, gebildet hat, welche auf eine bestimm-tere Weise festzustellen trachtet: durch welche Bande der Mensch mit der ganzen Natur, wovon er einen integrierenden Teil ausmacht, verwebt ist, auf welche Weise ihren Gesetzen gemäß er da sei, er erhalten werde, er seine Bahn durchlaufe und endige; worin die Grundtriebfedern und die Hebel bestehen, welche sein Handeln bestimmen; auf welche Weise er auch noch Eindrücke von den ihn umgebenden Wesen er-halte ; und endlich wie er von seiner Seite wieder auf den Lauf der Natur durch Veränderungen, deren Schöpfer er mittelst eines ihn belebenden inneren Grundwesens wird, einwirke, und worin, was das wichtigste ist, das wahre Mittel, Krankheiten zu ver-hüten und sie zu heilen, bestehe, oder eine neue Aus-übung der Heilkunde, mit der Benennung des tieri-schen Magnetismus bezeichnet.

In der Tat, es hat die Natur die Unwissenheit die-

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ser natürlichen Wissenschaft, welche die des Lebens ist, gerächt, hat sie durch schreckenvolle den Men-schen belastende Krankheiten, und oft durch einen vorzeitigen Tod gerächt.

Dieses Werk stellt die Theorie von meinen Ent-deckungen, besonders vom tierischen Magnetismus dar, und eine sehr weit ausgedehnte Anwendung, wie ich solche seit dem Jahre 1780 entworfen habe; diese ist von mir dazu bestimmt, das Iniziat zu einem allge-meinen Erziehungsgesetzbuch des Menschen zu bil-den, welches ganz besonders von der Erkenntnis des Menschen, von den Mitteln seiner Erhaltung, oder von einer neuen Naturkunde, von einer neuen Heil-kunde, von einem neuen Plan der allgemeinen Er-ziehung des Menschen handelt, welcher alles um-faßt, was dem Menschen zu wissen und zu üben zukommt.

Es ist überlegenen Geistern und Talenten vorbe-halten, jene zu vervollkommnen und ihre Nützlich-keit weiter auszudehnen. Ich erkläre zum voraus, daß dies Werk, indem ich mir bei keiner fremden Mei-nung Rats erholte, ohne wissenschaftliche Ausrüstung erscheint; aber daß es aus meinen eigenen Erfahrun-gen und meinen Betrachtungen entsprungen ist. Ich halte dasselbe eben dadurch von denjenigen Vorurtei-len und Irrtümern frei, welche der Unterricht oder

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eine ankünstelnde Erziehung mir hätten einflößen können. Beschäftigt, die nützlichen Kenntnisse auf-zufinden und zu erweitern, habe ich mich jeder Art von Klügelei und von Gelehrttun enthalten: es bleibt der Nachwelt überlassen, die Bahn zu messen und auszuschmücken, welche ich geöffnet habe.»

Aus der Einleitung

«Diese Welt besteht gänzlich in zwei Ordnungen von Ursachen und Wirkungen: die physische und die moralische Ordnung. Die erste ist als notwendig an-erkannt und kann nach den unabänderlichen Geset-zen der Bewegung berechnet werden: die zweite hängt von einem innern Grundwesen im Menschen ab, dessen Triebfedern uns zwar verborgen sind, das aber durch die Vorstellung, die er sich vom Guten und Bösen macht, bestimmt wird. Welches indessen das Resultat davon sein möge, die dadurch bewirkte Tat oder Veränderung geht in die physische Ordnung ein: es ist entweder der allgemeinen Harmonie ge-mäß, oder stört darin das Gleichgewicht.

Eingetaucht in den Ozean der Allflut, welche den Raum erfüllt, hängt der Mensch unmittelbar mit der physischen Ordnung und mit der Kette der Natur zu-sammen. Hauptsächlich geschieht es durch die Sin-

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neswerkzeuge, daß er die Einflüsse und die Wirkun-gen gewisser ihn umgebender Stoffe erhält: so ge-schieht es auch durch das gleiche Triebwerk seiner Organisation, daß er von seiner Seite in denselben auch Bewegungen und Veränderungen bestimmt.

Die Materie ist das physische Ding der Undurch-dringlichkeit. Die Bewegung gehört der bewegten Materie zu. Das Gesamte der im Weltraum vereinten Materie stellt das All (Weltall, Universum) dar.

Die Materie kann entweder in Bewegung oder in Ruhe sich befinden; jene setzt die Flutbarkeit (Flüs-sigkeit), diese die Festigkeit. Man nimmt als ur-sprünglichen Zustand der Materie den vollkomme-ner Flutbarkeit an, worin jedem Teilchen eine örtliche Bewegung verliehen ist, als Wirkung eines ersten Uni-versal-Anstoßes, was denn die Elementar- oder Ur-materie bildet.

Es steht daher fest, daß alle Organisationen und die Eigenschaften der Körper der Erfolg der Verhält-nisse zwischen Bewegung und Ruhe sind. Und das-jenige, was wir Natur nennen, besteht in der Ord-nung und Übereinstimmung dieser Wechselbeziehun-gen.

Die Gesamtheit der Reihen von Verbindungen macht die Allflut aus ; von jenen kennen wir durch die gewöhnlichen Sinne nur die drei, Wasser, Luft und

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Äther; man wird deren noch mehrere andere entdek-ken, welche sich in der Freiheit und Beweglichkeit stufenweise folgen.

Es ist wichtig, sich alsbald von der Möglichkeit örtlicher Bewegungen der Flut-Stoffe in entgegenge-setzten Richtungen zu überzeugen. Ebenso bemerkt man beim Beobachten der Natur und der Wirkungen des Schalls und des Lichtes, daß die Bewegungen von Schwingung (Oszillation) und Bebung (Vibration) nach allen Richtungen sich verbreiten, sich kreuzen, sich mischen, ohne sich zu verwirren oder zu zerstö-ren; dieses Gesetz ist allen Reihenfolgen der Allflut gemein.

Ein anderer ebenso einfacher als in seinen Folgen wichtiger Grundsatz ist der: daß die Urteilchen der Materie, die der Zufall des Zusammentreffens ver-bunden hatte, Zwischenräume in größerer oder ge-ringerer Anzahl, von verschiedenen Ordnungen der noch feineren Flut-Stoffe durchdringbar, darbieten. In diesen Zwischenräumen ist die Bewegung be-schleunigt, die Richtungen werden abwechselnd ver-ändert; die stärker geschwungene Flut-Materie kann auf diese Weise beim Vereinigen und Verwirren der teilweisen Richtungen nun besondere Ströme bilden. Das unendlich vervielfachte Zusammentreffen in die-sem Zustande bietet einen unversiegbaren Quell neuer

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Zusammenfügungen, Organisationen und Eigen-schaften dar.

Hieraus folgt, daß das Festwerden (Konsolidation) die Bewegungen beschleunigt und ein Herd von ein-und ausgehenden Strömen wird, ja auch die Operation in den Gährungen, Kristallisierungen, in dem Gefrie-ren, in den Vegetationen usw. begünstigt. Auf solche Weise begreift es sich, wie die Bewegungen die Ur-sache von der Ruhe der Materie und die Ruhe selbst wieder die der Bewegung wird und daß die Natur in einem fortwährenden Kreis sich bewährt und sich er-ewigt.

. . . Es folgt gleichermaßen daraus, daß jedes Fest-werden ein Herd ein- und ausgehender Ströme wird; und so wird der Mittelpunkt des Festwerdens auch der von den überwiegenden Richtungen der Ströme. Unter andern geht daraus eine allgemeine Bewegung in der Richtung nach der Form von Wirbeln hervor.

Um eine Wirkung zu begreifen, welche man An-sehung nennt, muß man sich einen auf einem Fluß, oder in einem andern unbemerkten Medium schwim-menden Körper vorstellen.»

In seinen Erläuterungen1 unterstreicht Prof. Wol-fart die äußerste Wichtigkeit des Satzes, der den vor-läufigen Beweis wirbeiförmig bewegter Materie im

1 Wolfart, Erläuterungen zum Mesmerismus, Berlin 1815.

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Universum enthält... Wie um eine Ursonne Sonnen-systeme, um die Sonne Planeten, um Planeten Monde kreuzen, so geschieht es wieder nach derselben Art in allen zu einzelnen Weltkörpern gehörigen Teilen. (Welche Vorahnung für die heutigen Erkenntnisse der Atom-Forschung!)

«Es ist wichtig, das Triebwerk der im Ozean be-obachteten Ebbe und Flut darzulegen, die Aufmerk-samkeit auf den Umfang ihrer Wirkung zu lenken; man wird einsehen, daß sich diese Naturerscheinung nicht bloß auf das Meer beschränkt, oder auf den Luftkreis, sondern daß dieselbe, auf das Ganze unse-rer Erdkugel angewendet, sich viel allgemeiner vor-finde, und daß es eben diese abwechselnde Bewegung sei, welche der Welt ihr Wesen gibt, sie beseelt, be-lebt und dem Triebwerk und den Wirkungen des tierischen Atems gleicht.

Die Erscheinungen am Magnet hängen von dem Ausströmen einer bestimmten Reihe der Allflut ab, durch die besondere Organisation eines Körpers hervorgerufen und unterhalten. Diese Eigenschaft, welche sich auf eine sinnlich wahrnehmbare und deut-liche Weise im Magnet offenbart, ist als die allge-meinste aller zusammenverbundener Materie zu be-trachten, man kann sie als das Muster des Gesetzes der Bewegung im Vollen ansehen; in dem Ganzen der

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Erdkugel und in allen dieselbe ausmachenden Teilen ist sie vorhanden.

Nach allen diesen Betrachtungen wird man vorbe-reitet sein zu erkennen: was jenes bei der Anwendung eine so mächtige Gewalt auf die Nerven ausübende Agens sei, was ich tierischen Magnetismus nenne, und wie ich dazu gelangt bin, es zu entdecken?

Indem ich darüber nachdachte, daß sich durch eine unwandelbare Beobachtung aller Völker die allge-meine Meinung von einem Einfluß oder einer Wir-kung der großen Himmelskörper und insbesondere der Sonne und des Mondes auf unsere Erdkugel ge-bildet hat. Die Völker bemerken bei der Vegetation, bei den Gährungen, bei den Tieren, desgleichen in den Krankheiten einen regelmäßigen, ineinandergrei-fenden, und den Stellungen und Wechselverhältnis-sen der Gestirne untereinander entsprechenden Gang.

Weit entfernt, diese Meinungen als alte Irrtümer zu verachten und zu verwerfen, trachtete ich in der Natur das eigentliche Triebwerk dieser Wirkung zu ent-decken. Es schien mir endlich dieselbe derjenigen, welche sich im Magnet zeigt, ähnlich zu sein. Zahl-reiche Beobachtungen und Erfahrungen rechtfertigen diese Vermutung, und es wurde mir immer gewisser, daß der tierische Körper eine Eigenschaft in sich auf-nehmen könnte, welche, vermöge einer wechselseiti-

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gen Wirkung und Gegenwirkung mittelst ununter-brochener Umgrenzung der die Allflut ausmachen-den Materie, denselben für alles was ihn umgibt emp-findlich machte, selbst für die Einflüsse der entfernte-sten Körper; ich glaube, diese Art von Einfluß den Natur-Magnetismus (natürlichen Magnetismus) nen-nen zu können.

Gleich wie die Eigenschaften des Magnets durch gewisse Verfahrungsarten im Eisen und Stahl hervor-gerufen und so sehr verstärkt werden können, daß es einen wahren Magnet vorzustellen vermag; so habe ich auch das Mittel gefunden, in meinem Individuum den Naturmagnetismus zu dem Grade zu verstärken, daß er Erscheinungen, welche denen des Magnets analog sind, hervorzubringen vermag. Ebenso wie die natürliche Wärme durch gewisse Verfahrungsar-ten bis zu einem Ton der Bewegung, wodurch Feuer entsteht, verstärkt und erhöht werden kann, so ist auch der natürliche Magnetismus eine Art von un-sichtbarem Feuer geworden, welches durch die Fort-gesetztheit einer gewissen Reihe des Allflutenden sich andern beseelten und unbeseelten Körpern auf uner-meßliche Abstände hin mitzuteilen vermag. Ich bin daher im Stande, dieses Feuer und diesen Ton der be-sonderen Bewegung in einer von den Reihen der All-flut hervorzurufen, welche durch ihre, alle Körper

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durchdringende Feinheit, unmittelbar in der Sub-stanz der Nerven ihre Wirkung äußert und wahr-scheinlich von demselben FlutstofF ist, mit dem die Nerven geschwängert sind. Und dieses Feuer nun in Betracht der Anwendung als Wirkungsmittel auf den Organismus beseelter Wesen ist dasjenige, was ich tierischen Magnetismus nenne, welcher, wie man sehen wird, durch seine Anwendung ein unmittel-bares Hülfsmittel werden kann, die Tätigkeit der Muskelfiber zu verstärken, die davon abhängigen Verrichtungen in Ordnung zubringen, und auf solche Weise den Einklang (Harmonie) in allen Eingewei-den und Organen wieder herbeizuführen.

So wie zufolge des Gesagten der natürliche Magne-tismus das wahre Grundwesen unserer Erhaltung ist, so ist der tierische Magnetismus, wohl geleitet, das all-gemeine Mittel, die gestörte Harmonie in allen mög-lichen Fällen wieder herzustellen. Auf diese Weise wird zugleich unter dem tierischen Magnetismus eine neue ärztliche Wissenschaft, oder die Kunst, Krank-heiten heilen und zu verhüten, verstanden.

Die Erscheinung des kritischen Schlafes, Somnam-bulismus genannt, läßt uns wohl einsehen, daß der Zustand des Schlafes nichts weniger als ein negativer Zustand oder die bloße Abwesenheit des Wachens sei: denn es läßt sich dabei die Beobachtung machen,

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daß der Mensch im Schlaf alle seine Fähigkeiten, so-wohl die geistigen als die der Bewegungen gar oft mit größerer Vollkommenheit selbst als im Wachen aus-üben kann. Dieser Zustand stellt den Menschen so dar, wie er von Natur aus ist, ohne durch den Ge-brauch der Sinne oder durch einen fremden Einfluß anders geartet zu sein.

Die Beobachtung dieses Zustandes kann uns ins-besondere unterrichten, daß man außer den äußern Hilfsmitteln der Sinne bei dem Menschen und den Tieren noch ein inneres Triebwerk (Mechanismus) des Nervensystems unterscheidet, mittelst dessen er auf gewisse Weise mit der ganzen Natur in ununter-brochenem Zusammenhang oder in direkter Berüh-rung sich befindet, ohne durch die Schranken, welche der Bau der äußeren Sinneswerkzeuge ihrem Ge-brauch setzt, aufgehalten zu werden. Dieses Organ, dieser innere Sinn ist das köstlichste Vermögen, man nennt es Instinkt. Das Vorhandensein dieses inneren, allen beseelten oder empfindenden Wesen gemeinen Sinnes ist uns durch die bei den Tieren anzustellenden Beobachtungen auf das strengste erwiesen, durch die periodischen Reisen der Fische, der Vögel, durch die Sorgfalt, die Vorsicht und die Betriebsamkeit für die Fortpflanzung und Erhaltung ihrer Gattung, für die Erziehung ihrer Jungen, durch den Scharfsinn und

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die Schlauheit sich der Beute zu bemächtigen, sowie bis zu einem gewissen Grad die Gefahr zu vermeiden, dieselbe zu erraten, immer im allgemeinen zu ihrer Erhaltung. Unter allen Tieren scheint der Mensch al-lein den Gebrauch dieses Sinnes vernachlässigt und nicht gekannt zu haben; zu allem bedient er sich des-sen, was er die Vernunft nennt. Die Vernunft ist ein Resultat des vereinigten und ungewissen Gebrauchs der äußeren Sinne, deren Organe eins durch das an-dere berichtigt werden müssen.

Der kranke, in einen krampfhaften Schlaf, oder in denZustandvonGeistesverwirrung verfallene Mensch zeigt dem Beobachter durch Beibehaltung des Ge-brauchs der Sprache die Existenz und die Natur des inneren Sinns. Dieser gemeiniglich Somnambulismus genannte Zustand kann übrigens verschiedene Grade der Vollkommenheit annehmen.

Manchmal kann der Somnambüle Zukunft und Vergangenheit deutlich durch den inneren Sinn se-hen, mit der ganzen Natur steht er in Berührung, oder er ist fähig, alles zu empfinden, sei's nun als Ursache, sei es als Wirkung, gerade so wie die Gegenwart. Seine Sinne scheinen sich auf jedweden Abstand ohne alles Hindernis zu erweitern. Der Wille selbst stellt ein physisches Agens des Menschen unabhängig von den gewöhnlichen Hilfsmitteln dar. Die unveränder-

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liche und fast allgemeine Beobachtung dieser Er-scheinung, sowie die der Träume und der Einbil-dungskraft, erzeugte und nährte für immer bei allen Völkern die Meinung an die Existenz von übersinn-lichen oder geistigen, dem Menschen sonst fremden Substanzen, von welchen seine Fähigkeiten bei ge-wissen Umständen besessen und regiert werden kön-nen.»

I. Teil. I. Abteilung i1Kapitel. Grundwahrheiten

«Es ist ein unerschaffenes Grundwesen - Gott. Es gibt im Weltall zwei Grundwesen - Materie und

Bewegung. Die Materie ist nur Eine. Die Bewegung bewirkt in der Materie die Ent-

wicklung aller Möglichkeiten. Jedes physische vorhandene Sein (Ding) ist Ma-

terie; diese hat gar keine Eigenschaft, die Undurch-dringlichkeit setzt ihr Wesen.

Durch die Undurchdringlichkeit geschieht es, daß die Materie den Raum erfüllt. Das Gesamte der Ma-terie im Raum macht das Weltall aus.

Die Harmonie der Wechselverhältnisse, worin die Stoffe miteinander zusammen bestehen und die Be-wegungen sich folgen, ist dasjenige, was man unter der Natur verstehen muß.»

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3.Kapitel

«Alle festen Körper schwimmen in Strömen der feinen Materie...

Es ist also ein unveränderliches Gesetz in der Na-tur: daß alle Körper als Wirkung der Konsolidation wechselseitig aufeinander Einfluß haben, das heißt: daß zwischen allen Körpern Verhältnisse von ein- und ausgehenden Strömen irgendeiner Flut vorhanden sind; diese Wechselwirkung geht sowohl in ihren Be-standteilen, als auch in ihren Eigenschaften vor sich.

Diese Gesetze endlich erstrecken sich auf alle Rei-henfolgen des zusammengefügten Stoffs in einer den Zusammenfügungen derselben entsprechenden Weise. Die Allflut stellt ein unermeßliches Gewühle von Wir-beln dar; der Strom eines Flusses zeigt davon eine Art von Skizze im Seitenumriß. - Dieser gegenseitige Einfluß und die bewiesenen Wechselverhältnisse zwi-schen allen zusammenbestehenden Körpern ist das-jenige, was man All-Magnetismus (Universal- oder Welt-Magnetismus) nennen kann.»

II. Abteilung7.Kapitel. Über Ebbe und Flut

«Diese Verrichtung (Ebbe und Flut) beschränkt sich nicht bloß auf den Ozean und die Atmosphäre,

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sie ist allgemein in allen Bestandteilen des Erdballs, wie auch in allen Wesen vorhanden.

Es ist diese abwechselnde und wechselseitige Tä-tigkeit der Spannung und des Nachlassens die allge-meinste Tätigkeit, welche die Natur beseelt und das Leben des Weltalls und aller unterhält.

Mit einem Wort, dieselbe ist in der ganzen Natur dasjenige, was bei den Tieren und beim Menschen die Bewegung des Herzens und der Schlagadern ist.»

II\ 8.Kapitel. Von der Wärme

«Eine jede der verschiedenen Zusammenfügungen der Elementar-Urkügelchen ist eines Tones der Be-wegung (Schwingung) fähig, welcher ihr ganz eigen-tümlich zugehört.

Das Warme oder die Wärme als Empfindung be-trachtet, ist eine Anregung der Nerven oder des Ge-fühlsorganes, durch die genannte den Zusammenhang eines Körpers zu mindern oder gänzlich zu zerstören strebende Bewegung des feinen Stoffs hervorgebracht.

Die tierische Wärme ist die Wirkung des Lebens-feuers oder dieser tonischen Bewegung einer feinen Flut, von welcher der Keim des Individuums ur-sprünglich durch die Erzeugung im Moment der Empfängnis beseelt wurde. Diese Wärme, oder die-ser Ton existiert und kann unter gewissen Bedingun-

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gen unterhalten werden, welche in der innerlichen Bewegung der Teilchen bestehen, so die Masse der Säfte ausmachen. Diese Bewegung geht aus der Rei-bung der unendlich vervielfältigten Unterabteilungen der Gefäße hervor, durch welche beinahe jedes Ur-kügelchen die Gewalt des Herzens und die Rückwir-kung der Schlagadern erprobt; dieselben werden ge-zwungen, sich zu trennen, ihre Richtungen und Ge-schwindigkeiten zu verändern: hieraus folgt nun mittelst der innerlichen und überaus hastigen Bewe-gung des feinen in den Säften enthaltenen Flutstoffs eine Auflösung in Dünste: - eine Bewegung, welche der des Feuers nahekommt, ist die wahre Ursache der tierischen Wärme. Darum vermehrt alles, was nur den Kreislauf und die Tätigkeit des Herzens und der Schlagadern eines lebendigen Wesens vermehren kann, auch die tierische Wärme.

Die unmittelbare Wirkungsfolge von dieser Bewe-gung des Kreislaufs ist eine Art von Dunst, welcher, von dem Nervensystem aufgenommen und geleitet, das Behältnis oder das Vehikel dieser Flamme oder des Lebensfeuers wird.»

II\1o.Kapitel. Über das Licht

«Das Licht ist keineswegs eine Substanz; die Vor-stellung, welche wir davon haben, ist das Resultat

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der Tätigkeit oder der tonischen Bewegung derjeni-gen Reihe der Allflut, welche man Äther nennt. Diese Flut ist fähig, auf die Oberfläche des Sehnerven zu wirken...»

II/11 Kapitel. Über die Elektrizität

«Wenn zwei Massen ungleiche Quantitäten von Be-wegung einer Ordnung der feinen Materie enthalten, so teilen sie sich, wenn sie einander nahekommen, den Überschuß mit, um sich ins Gleichgewicht zu setzen.

Es bewirkt sich eine Art von Entladung, entweder nach und nach und wie durch Fädchen, oder plötz-lich und in beträchtlicher Menge auf einmal.

Im ersten Fall entstehen die Wirkungen der sicht-baren Anziehung und Abstoßung, der zweite Fall tut sich durch einen Ausbruch kund, welcher Feuer und Schall hervorbringen kann. Das Resultat aller dieser Wirkungen wird Elektrizität genannt.

Bei aller Elektrizität bemerkt man eingehende und ausgehende Ströme; dieser Unterschied in den Rich-tungen setzt dasjenige, das man positive und negative Elektrizität nennt.

II\ 12.Kapitel. Über den natürlichen Magnetismus

Der natürliche Magnetismus ist also jenes allum-fassende Gesetz, wonach alles was da ist sich im Ver-

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hältnis gegenseitigen und allgemeinen Einflusses be-findet. Dieser Einfluß bewirkt sich mittelst ein-gehender und ausgehender Ströme einer feinen eben-so vervielfältigten Flut, als es organisierte Urteil-chen gibt.

III 13.Kapitel. Über den tierischen Magnetismus

Gleich wie es möglich ist, die Bewegung und die Merkmale, welche wir im Magnet erblicken, auch in das Eisen, sei's durch eine Mitteilung, sei's durch ge-wisse Verfahrungsarten hervorgerufen, auf eine künstliche Weise zu setzen; so habe ich die Entdek-kung gemacht, daß es ebenso gut möglich sei, in dem menschlichen Körper einen Ton der Bewegung von einer Reihe des feinen Stoffs aufzuregen und darin einzu-setzen, welcher Erscheinungen darbietet, die denen des Magnets analog sind.

Diese Weise oder dieser Ton der Bewegung kann bis zu dem Punkt erhöht und geeigenschaftet werden, daß er ebenso vom Natur-Magnetismus sich unter-scheidet, als das Feuer von der bloßen Wärme ver-schieden ist. Gute Gründe lassen die Behauptung zu, daß dasjenige, was das in einem magnetisierten Kör-per beobachtete wirksame Grundwesen setzt, in der Tat ein unsichtbares Feuer ist, da es keinem der gewöhn-lichen Sinne fühlbar wird.

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Dieses Feuer ist seinem Ursprung nach ein künst-liches Produkt, welches ich in meinem Individuum hervorgerufen und auf gewisse Weise entflammt habe, indem ich die Einwirkungsmittel des Natur-Magnetis-mus bis zu dem Grad vereinigte und konzentrierte, daß dieses Feuer dadurch hervorgebracht werden konnte.

Die erwägende Erfahrung hat es bewiesen, daß die-ses so eingesetzte Grundwesen etwas von der Natur des Feuers habe; es ist keineswegs eine Substanz, son-dern eine Bewegung, gleich dem Ton in der Luft, gleich dem Licht im Äther, in einer gewissen Reihe der Gesamtflut modifiziert. Jedoch diese Flut oder diese Reihe ist nicht die des gewöhnlichen Feuers, noch die des Lichtes, noch die im Magnet und bei der Elektrizität beobachtete, sondern sie ist von einer Ordnung, welche alle an Feinheit und Beweglichkeit übertrifft, wahrscheinlich ist es eine und dieselbe mit derjenigen, welche die Nervensubstanz durchdringt, und deren Gleichartigkeit und unmittelbare Fortge-setztheit sie mit der gesamten Natur in Wechselver-hältnis bringen kann.

Diese tonische Bewegung kann sich mitteilen und alle beseelten und unbeseelten Körper sozusagen ent-flammen. Indem sich die Bewegung bis zu den inner-sten Teilen der Körper mitteilt, bringt sie Wirkungen hervor, die ihrer Organisation analog sind, und ein-

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mal in einer Substanz erregt, erhält sie sich darin. Die Mitteilung bewirkt sich durchaus nicht auf Unkosten des ursprünglichen Brennpunkts.

Da die allgemeine Wirkung des Magnetismus darin besteht, ein- und ausgehende Ströme richtend zu be-stimmen, so setzen sich, wie im Magnet, auch in den magnetisierten Körpern und besonders in den Glied-maßen und den Winkeln des menschlichen Körpers ebenfalls Pole fest, die vermöge ihrer Richtung ent-gegengesetzte sind; auch zeigt sich durch das Zusam-menfallen dieser nämlichen Richtungen mit den großen magnetischen Strömen der Welt die Erscheinung der Neigung und Abweichung.

Um mit wenigem die eben so vielfältigen als fremd-artigen Erscheinungen, welches dieses neue Agens darbietet, zu begreifen, muß man dasselbe nach seinen verschiedenen Verhältnissen betrachten, welche da sind: 1. Mitteilung, 2. Fortpflanzung, 3. Verstärkung, 4. Anwendung, 5. Wirkungen.

1. Die Mitteilung

Dieses ursprünglich erregte oder hervorgerufene Feuer oder dieser Ton der Bewegung kann allen orga-nisierten Substanzen mitgeteilt werden: den Tieren, Bäumen, Pflanzen, Steinen, dem Sand, Wasser und anderen flüssigen und festen Substanzen, auf alle

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Entfernungen und auf alle Größen hin, selbst der Sonne und dem Monde usw. Die wirkliche Mitteilung bewirkt sich durch die unmittelbare oder mittelbare Berührung mit einem magnetisierten Körper, d. h. mit einem von diesem unsichtbaren Feuer entzündeten Körper: so daß durch die bloße Richtung der Hand und mittelst Leiter (Konduktoren) und Mittelkörper jedweder Art, selbst durch die Blicke, der bloße Wille dazu hinreichen kann.

2. Die Fortpflanzung

Die Fortpflanzung geschieht durch eine Erschüt-terung gleich Licht und Schall - oder gleich der Elek-trizität - in der stetigen Fortgesetztheit des feinen Stoffs durch alle flüssigen und festen Körper, welche einigermaßen mit dem magnetisierten Körper in un-unterbrochener Verbindung stehen, hindurch, wie durch Saiten, Fäden, Holz, Bälle, Zweige von Bäu-men oder Pflanzen usw., ferner durch die Mittel-körper, wie Luft, Äther und Wasser, durch den Schall und das Licht - von Spiegelgläsern kann sie zurückgestrahlt werden - in einem mit Bleistift, mit der Feder oder auf andere Weise gezogenen Strich, und überhaupt durch die Richtung, welche von einem Pol ausgeht, der sie gegen den empfangenden hin be-stimmt oder gibt.

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Diese Bewegung durchdringt in der vollkommenen Fortgesetztheit der feinen Flut alle Körper. Sie wird in jede Ferne fortgepflanzt und dort aufgenommen, dergestalt, daß dieselben zu Brennpunkten werden, von welchen aus sie wieder zurückgesendet und in al-len Richtungen verteilt werden kann.

Ebenso wie die Luft und der Äther die Vehikel des Gedanken und des Willens... zu werden vermögen, so können auch Gedanke und Wille dieses unsicht-bare Feuer übertragen und die Leiter seiner Richtun-gen werden.

3. Die Verstärkung

Der Magnetismus kann, wenn er einmal erregt ist, verstärkt werden: 1. durch die mitteilende Gemein-schaft mit andern organisierten Körpern, in welchen eine große Flutmasse in Bewegung gesetzt ist, 2. durch die Beschleunigung, welche die Bewegung ver-möge der Engigkeit der Zwischenräume in den har-ten dichten Stoffen erhält, 3. durch die mit einer inner-lichen Bewegung versehenen Körper, wie Wärme, Magnet, elektrisierte Substanzen, Tiere, Bäume, Pflanzen, 4. dieses Feuer wird durch jede im Mittel-körper aufgeregte Bewegung verstärkt wie durch Ge-räusche, Gesänge, Gebete, lautes Lesen usw., 5. in-dem man sich in die großen Ströme versetzt, 6. sie kann durch Konzentration verstärkt werden, wobei

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sie immerhin auf einen gewissen Grad von Intensität beschränkt bleibt.

4. Anwendung

Die Anwendung kann nach der Gattung der Krankheiten, nach der Anzahl der Kranken und an-derer Umstände verändert werden. 1. Es geschieht mit der Hand die erste Anwendung, indem man die-selbe über den in Stockung geratenen Teil, welcher sich gemeiniglich durch eine leichte im Innern der Hand wahrgenommene Wärme merkbar macht, führt und dort verweilen läßt. Man kann sich eines Lei-ters von Holz, Eisen, Glas usw. bedienen, welchen man gegen den als Ursache des Übels betrachte-ten Teil gerichtet hält. 2. Das Behältnis oder das ma-gnetische Becken, das ein großes Gefäß oder eine Wanne, mit verschiedenen magnetisierten Körpern und Stoffen angefüllt, ist: wie Wasser, Sand, Steine, Glasflaschen mit Wasser gefüllt. Es ist ein gemein-schaftlicher Brennpunkt, worin sich der Magnetis-mus konzentriert befindet und aus welchem eine An-zahl Leiter gehen, die aus gekrümmten, etwas spitzig zulaufenden Eisenstäben bestehen, deren eines Ende in das Behältnis taucht, indes das andere an den kran-ken Teil gebracht werden kann. Diese Zurichtung läßt sich für eine Menge von Kranken gebrauchen, welche, damit sie hier die zu ihrer Heilung nötigen

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Krisen bereiten, umhersitzen. Ein Wasserbehälter von jeglicher Größe in einem Garten (Teich, Bassin) kann zu dem gleichen Heilverfahren dienen, sobald jeder Kranke einen Stab in das Wasser hält. 3. Der magnetisierte Baum. Eine gleiche Anwendung kann da-mit geschehen, wenn man sich durch einen Leiter da-mit in Verbindung setzt. Der Leiter ist gewöhnlich ein Seil. Auf diese Weise können Massenbehandlun-gen wie am Baquet stattfinden.

5. Die Wirkungen

Da alle Wirkungen bloß durch Empfindungen er-kannt werden, so ist es gewiß, daß dieses Grundwesen geradezu und unmittelbar auf die Nerven wirkt. Die Beobachtungen geben den Beweis, daß diese Flut die-selbe ist, durch welche die Nerven beseelt werden. Den Einfluß dieser Flut, welche man die tierisch-magnetische nennt, kann man mit den gewöhnlichen Sinnen nicht fühlen.

Die Empfindungen sind auf den Grund der Ver-änderung der Verhältnisse vorhanden, welche ledig-lich im Zustand von irgendeiner Krankheit statt-findet, dergestalt, daß der Teil des menschlichen Kör-pers, der im gesunden Zustand ist, die Wirkung des tierischen Magnetismus wohl erfahren, keineswegs aber empfinden kann.

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Jede angezeigte Wirkung von der Anwendung die-ses Agens auf den tierischen Körper ist: in der Mus-kelfiber die Reizbarkeit wieder zu beleben, woraus Krisen entstehen. Diese sind Anstrengungen der Na-tur oder des lebenden Körpers gegen die Ursache je-der Krankheit; sie können sich durch alle Gattungen von Empfindungen und Bewegungen, deren die an-gegriffenen Teile fähig sind, offenbaren.

Magnetisieren endlich ist nichts anderes, als mittel-bar und unmittelbar die tonische Bewegung der fei-nen Flut, mit der die Nervensubstanz geschwängert ist, mitteilen; dies ist es, was dieses Agens setzt, wel-ches heilsame Krisen aller Arten als die wahren Mit-tel zur Heilung bestimmen kann.

Die Verfahrungsarten sind die Mittel oder die Art und Weisen der Richtungen zur Einwirkung dieser Flut auf die Ursache der Krankheit, oder auf denjenigen Teil, in welchem man die Reizbarkeit wieder herstellen will.

III)5Kapitel. Der innere Sinn

Es ist zuverlässig, daß eine Flut-Reihe oder Unter-abteilung von weit überlegener Feinheit vorhanden ist, womit die genannten auf das innigste durchdrun-gen und erfüllt sind. Diese feine Flut begleitet alle ihre charakteristischen Bewegungen, und durch ihre besondere Gestalt nehmen sie an dem spezifischen

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Ton teil. Da selbst die Nervensubstanz mit dieser Flut getränkt und durchdrungen ist, so begreift man, daß die Bewegungs-Modifikationen unmittelbar und ohne Unterschied dem Nervensystem mitgeteilt wer-den müssen, indem dasselbe dadurch mit dem Ozean dieser Flut, worin es getaucht ist, fortgesetzt sich be-findet.

Es begreift sich eben auch noch dadurch, daß die Mitteilung davon auf alle Fernen hin möglich ist, während die Wirksamkeit dieser drei genannten Flu-ten, da solche bloß auf die ganz eigens zu ihrer Auf-nahme eingerichtete Nerven-Oberfläche gelangen, durch den Bau und die Art der Aussetzung dieser letzteren beschränkt ist. Dieses vereinte Gesamt von Ursachen und von Wirkungen stellt ein Organ und ein Vermögen im tierischen Körper auf, welches der innere Sinn ist.

Es scheint selbst, daß der Gedanke, gleich einem Bild oder Gemälde oder einer Schrift, sich im Räume . . . fixieren könne - gerade so wie sich im Gehirn durch dasjenige, was wir Gedächtnis oder Einbil-dungskraft nennen, der Gedanke bildet und bleibend wird, kann derselbe auch in andern Substanzen wie-derholt und wiedergegeben werden.

Hierdurch läßt sich die Ansteckung, die Hart-näckigkeit der Volksmeinungen, der Sitten, der Ge-

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wohnheiten, die Wirkungen von der Macht der Ein-bildungskraft, der Träume so gut erklären und be-greifen, als die Gewalt der Charaktere, des Willens, welche die Menschen durch Beredsamkeit, durch Ze-remonien ergreift, und als die Wirkungen der Kraft der Begierde, des Guten oder des Bösen, des Wohl-wollens, der Segensprechungen, der Verwünschun-gen.

Welches weite Feld von Nachforschungen und Er-kenntnissen eröffnet sich durch eine unausgesetzte Untersuchung des inneren Sinnes! Endlich wird man es einsehen, daß der Mensch durch dieses Vermögen mit der ganzen Natur in Berührung oder in Wechsel-wirkung steht: daß die Ausübung dieses Vermögens niemals aufgehoben ist, sondern daß bloß die Wir-kungen desselben unterbrochen und durch alle von den äußern Sinnen herkommende Erregungen un-merkbar gemacht werden können. Denn weil diese letzteren stärker sind, so überwiegen sie die anderen, wie die Gegenwart der Sonne uns während des Tages des Anblicks der Sterne beraubt. Und alles was Wirk-liches und Unbestreitbares in den Erscheinungen des Somnambulismus, der Prophezeiungen, der Sybil-len, der Orakel, der Magie, der Zaubereien, der Dä-monurgie sich findet, wird sich durch diese Theorie erklären lassen.

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III¡6. Die Empfindungen und der Gedanke

Die Empfindungen sind das Resultat aller Wirkun-gen, welche die Gegenstände auf unsere Organe ma-chen und es folgt daraus, daß unsere Sinne uns nur mehr oder minder der Erkenntnis der Gegenstände und ihrer Natur nahe bringen können; daß man aber niemals dadurch vollkommen die Wahrheit derselben zu erreichen vermag. Wir fühlen den Gegenstand nicht so wie er ist, sondern lediglich seinen Eindruck oder seine Wirkung auf unsere Organe.

Durch die Verknüpfung der Verhältnisse können die Organe unserer Sinne auf eine Stufe erhoben wer-den, wo sie für jeden der Gegenstände, welche sie uns darstellen, das werden, was für das Gesicht Teleskope und Mikroskope sind.

Von den Einwirkungen können unsere Organe nur die stärksten wahrnehmen. Will man die feinen, aber schwachen Wirkungen, z. B. des inneren Sinnes wahr-nehmen, so muß man die gröberen Wirkungen abson-dern.

III\7. Uber den Instinkt und das Vorgefühl

Die Wechsel-Beziehungen, welche zwischen den Wesen, den Begebenheiten und der Erhaltung des Individuums bestehen, empfinden oder ein Vorgefühl davon haben, ist der Instinkt.

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Von frühester Kindheit an gewohnt, durch die Sinne starke Eindrücke zu erhalten und sich nur dessen zu seiner Erhaltung zu bedienen, was er Verstand oder Vernunft nennt, welche stets durch sinnliche Beweg-gründe bestimmt wird, erprobt der Mensch beinah allein die Erscheinungen des Instinkts nur selten.

Dieses Empfindungs-Vermögen ist den gemein-schaftlichen Gesetzen der Empfindung unterworfen: da der Instinkt das Resultat der Wirkungen ist, welche auf den inneren Sinn gemacht worden, so begreift man, wie der Gebrauch der äußeren Sinne diese Emp-findlichkeit hindert und verwischt.

Da der Instinkt eine Wirkung der Ordnung und der Harmonie des Weltalls ist, so ist derselbe auch eine sichere Regel für die Empfindung, sowie für die Handlungen. Allen empfindenden Wesen wurde der Instinkt von der Natur verliehen, um nützliche Wahr-heiten zu erreichen.

Es sei wiederholt gesagt, daß es für die Vervoll-kommnung des Menschen überaus wichtig sein würde, ihn dieses kostbare Vermögen von seiner Kindheit an ausbilden zu lehren.

III/8. Über den Schlaf

Der Zustand des Schlafes ist keineswegs ein nega-tiver. In diesem Zustand empfängt der Mensch von

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Dingen Eindrücke, welche außer ihm, unabhängig von den äußeren Sinnen sind. Unmittelbar empfängt er sie vermöge der Fortgesetztheit der Zwischen-Flut, welche bis auf die innerste Substanz der Nerven des Sensorium commune ununterbrochen da ist.

Die Beobachtung unterrichtet uns, daß die Fähig-keiten des schlafenden Menschen sich zu einem Grad von Vollkommenheit erheben können, welcher bei weitem die im wachenden Zustand übertrifft. Die Fä-higkeiten unter diesen beiden haben nichts miteinan-der gemein und stellen gleichsam zwei verschiedene Personen vor.

Vielfältige Beobachtungen haben mir die Gewiß-heit verschafft, daß Personen, von gewissen Krank-heiten ergriffen, während des kritischen Schlafs den Gebrauch der Sprache beibehalten haben, daß sie im Stande waren, dasjenige, was in ihnen vorging, auszu-drücken, daß sie mittelst des inneren Sinnes in Wech-selverhältnis oder in steter Fortgesetztheit mit der gan-zen Natur waren; oder daß es möglich sei, auf alle Fernen hin ohne Hindernis das Gegenwärtige, das Vergangene und das Zukünftige zu empfinden, und dieses zwar indem diese Empfindungen auf die äuße-ren Sinne bezogen werden, da sie mittelst der für diese nämlichen Sinne entstandenen Sprache ausgedrückt werden.

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Der Schlaf ist die Zeit, während welcher... der Mensch in den Nerven.. . eine Quantität der nötigen Bedingungen wie in einem Behältnis sammelt, davon der Überschuß oder die Vollheit das Aufwachen be-stimmt. - Im Schlaf beginnt und endigt der Mensch die Laufbahn seines Lebens.

III/9. Über die Gesundheit, das Leben und die Krankheit

Der Mensch ist im Zustande der Gesundheit, wenn alle Teile das Vermögen besitzen, die Ver-richtungen, zu welchen sie bestimmt sind, auszu-üben. Herrscht in allen Verrichtungen eine vollkom-mene Ordnung, dann ist dieser Zustand der der Har-monie.

Die Krankheit ist der entgegengesetzte Zustand, d.h. derjenige, wobei die Harmonie gestört ist. Wie nun die Harmonie nur Eine ist, so gibt es auch nur eine Gesundheit, welche durch eine gerade Linie vor-gestellt wird. Die Verirrungen können diesem zufolge unendlich sein, in Absicht auf die Verrichtungen der Eingeweide und der Organe.

Das Heilmittel (remedium) im allgemeinen ist das Mittel, welches die Ordnung wieder herstellt und die gestört gewesene Harmonie wieder einsetzt. Bloß und allein dem Prinzip der Erhaltung hat man die Heilung zu verdanken.

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Die Krise ist die Anstrengung der Natur gegen die Krankheit.

In jeder Krise unterscheidet man drei Zustände: den der Beunruhigung (Perturbation), den der Kochung und den der Ausleerung.

Da die allgemeine Ursache aller Krankheiten die Er-löschung der Bewegung in den Gefäßen, oder die Stockung ist, so kann sich auch keine Heilung be-wirken ohne eine Krise, und die Kunst zu heilen be-schränkt sich entschieden auf die Kenntnis: Krisen hervorzurufen, ihren Gang und ihre Entwicklung zu leiten und zu erleichtern.

Es ist zur Heilung von der höchsten Wichtigkeit, die symptomatischen und die kritischen Zufälle wohl zu unterscheiden, damit man den einen zuvorkom-men und sie aufhalten, die andern aber befördern möge.

Sobald ein Körper in Harmonie ist, so ist er gegen die Wirkung des Magnetismus unempfindlich - dieses ist auch das Kriterium seiner Heilung.

Die Kunst zu heilen läßt sich in allen Fällen auf zwei zu erfüllende Heilgebote zurückführen:

1. Die Hindernisse zu vermindern oder zu heben.2. Die Verrichtung der Natur durch eine fortge-

setzte, gehörig schattierte, sanfte und harmonische Anwendung der magnetischen Ströme zu vermehren.

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Anhang. Über den Somnambulismus

Aus der gegebenen Theorie des inneren Sinnes las-sen sich, wie oben schon erwähnt, die ebenso mannig-fachen als wunderbaren Erscheinungen des Somnam-bulismus erklären, welcher nichts anderes ist, als die Entwicklung gewisser Krankheiten durch einen krampfhaften Schlaf und Traum. In ihm haben jene wunderbaren Erscheinungen, Exstasen, Visionen und Geisterlehren ihren Ursprung, wodurch so viele Irr-tümer und alberne Meinungen erzeugt worden; und es bedarf keines tiefdringenden Blickes, um einzu-sehen, daß die Dunkelheit, welche diese Phänomene umhüllt, bei verschiedenen Nationen, je nach den Fortschritten des herrschenden Zeitgeistes, in Ver-bindung mit der allgemeinen rohen Unwissenheit des Pöbels, so viel religiöse und politische Vorurteile hat herbeiführen müssen.

Ich kann mit Grund die Hoffnung nähren, daß es meiner Theorie vorbehalten ist, alle die schiefen Aus-legungen zu heben, welche bis jetzt über diese Er-scheinung gemacht worden sind und in welchen der Aberglaube und Fanatismus bis daher seine Nahrung gefunden hat, und ihr wird es die Menschheit ver-danken, daß diejenigen, welche durch schwere Krank-heiten oder einen andern plötzlichen Zufall in den

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Zustand eines anhaltenden Somnambulismus kom-men, nicht mehr für unheilbar gehalten und aus der menschlichen Gesellschaft verstoßen werden.

Es ist von jeher beobachtet worden, daß gewisse Personen im Schlafe umhergehen, die verwickeltesten Handlungen mit eben derselben Überlegung, mit der gleichen Aufmerksamkeit und mit noch größerer Pünktlichkeit als im Zustande des Wachens unterneh-men und ausführen. Und man wird in noch größere Verwunderung gesetzt, diejenigen Fakultäten, welche die intellektuellen genannt werden, auf einer solchen Stufe zu sehen, daß die ausgebildetesten im gewöhn-lichen Zustande dieselben nicht erreichen.

In diesem Zustande der Krise können dergleichen Wesen die Zukunft voraussehen und sich die entfern-teste Vergangenheit vergegenwärtigen. - Ihre Sinne können sich nach allen Fernen und nach allen Rich-tungen ausdehnen, ohne daß ein Hindernis sie hemmt. Kurz, es scheint als ob die ganze Natur ihnen gegen-wärtig sei. Der Wille selbst kann ihnen, unabhängig von den durch die Konvention dafür angenommenen Mittel, mitgeteilt werden.

Indessen sind diese Eigenschaften nach der Be-schaffenheit eines jeden Individuums verschieden; die gewöhnlichste Erscheinung ist, in das Innere ihrer und selbst anderer Körper sehen und mit der größten

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Genauigkeit die Krankheiten, den Gang derselben, die nötigen Mittel dafür und ihre Wirkungen angeben zu können. Allein selten vereinigen sich alle diese Ver-mögensarten in dem nämlichen Individuum.

Man erinnere sich aus dem früher Gesagten, daß zwischen dem Äther und der Elementar-Materie sich viele Flut-Reihen befinden, die nacheinander immer flutbarer werden und durch ihre Feinheit alle Zwi-schenräume durchdringen und anfüllen können; daß unter diesen Fluten eine Reihe sehr wesentlich mit derjenigen zusammenhängt, welche die Nerven des tierischen Körpers belebt und vermöge der Verbin-dung mit den verschiedenen Fluten, wovon ich redete, alle Bewegungen derselben begleitet, durchdringt und teilt. Da diese Materie der unmittelbare und direkte Leiter aller Modifikationen wird, welche die Fluten, so einen Eindruck auf die Nerven machen sollen, er-leiden, wodurch die Fortpflanzung von allen der Ner-vensubstanz selbst mitgeteilten Bewegungen bis zum inneren Organ der Empfindungen geschieht; so wird auf diese Art die Möglichkeit begreiflich: wie das ganze Nervensystem, in Beziehung auf die Bewegun-gen, welche Farben, Formen und Gestalten darstel-len, Auge - in Beziehung auf die Bewegungen, wel-che die Verhältnisse der Oszillierungen der Luft aus-drücken, Ohr; - und endlich zu Organen des Tast-

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sinns, des Geschmacks und des Geruchs für die Be-wegungen werde, welche durch die unmittelbare Be-rührung der Formen und Gebilde hervorgebracht sind. Nur durch die Betrachtung, wie fein und be-weglich die Materie ist, wie genau sie zusammenhängt und den Raum erfüllt, läßt sich einsehen, daß keine Bewegung oder Verrückung in ihren kleinsten Teilen möglich ist, ohne sich auch, bis auf einen gewissen Grad, durch das ganze Universum auszudehnen. Hier-aus wird doch nun wohl unbestritten die Folgerung gezogen werden können, daß so wie es kein Dasein und keine Kombination der Materie gibt, die nicht durch ihr Verhältnis mit dem Ganzen auch auf die-jenige Materie wirkt, in welcher wir uns befinden, auch alles, was existiert, gefühlt werden kann und daß die belebten Körper, die sich mit der ganzen Natur in Berührung befinden, fähig sind, entferntere Wesen und Ereignisse, wie sie sich einander folgen, zu empfinden.

Der oben erklärte Instinkt ist das Mittel, wodurch der schlafende Mensch von Krankheiten Anschauung haben und alle Dinge unterscheiden kann, welche zu seiner Erhaltung und Wiedergenesung dienen.

Auf eben diese Art ist die Mitteilung des Willens, eine noch wunderbarer scheinende Tatsache, erklärt.

Diese Mitteilung kann in der Tat zwischen zwei Individuen im gewöhnlichen Zustande nur dann statt-

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finden, wenn die Bewegung, die aus ihren Gedanken hervorgeht, aus dem Mittelpunkt bis zu den Organen der Stimme und den Teilen, womit die natürlichen oder durch Übereinkunft festgesetzten Zeichen ge-macht werden, fortgepflanzt ist: diese Bewegungen werden sodann der Luft und dem Äther, diesen zwi-schenliegenden Mittlern mitgeteilt, um durch die äußern Sinnesorgane wieder aufgenommen und emp-funden zu werden. Dieselben durch den Gedanken im Gehirne und in den Nerven modifizierten Bewe-gungen werden zugleich der Reihe einer feinen Flut mitgeteilt, mit welcher die Substanz der Nerven zu-sammenhängt und können nun unabhängig sich in unendliche Räume ausdehnen und so sich unmittel-bar auf den inneren Sinn eines andern Individuums beziehen. Hierdurch wird unschwer begreiflich, wie sich der Wille eines Menschen dem Willen eines an-dern bloß durch den inneren Sinn mitteilen, und wie folglich zwischen zwei Willen ein Einverständnis, eine Art Übereinkunft bestehen kann. Dieses Einverständ-nis zweier Willen heißt: in Beziehung (in Rapport) sein.

Eine noch weit schwerere Aufgabe scheint ohne Zweifel die Erklärung: wie Dinge empfunden werden können, welche noch gar nicht vorhanden, oder die schon lange vorher dagewesen sind. Ich will es nun sogleich versuchen, diese Möglichkeiten durch eine

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aus dem gewöhnlichen Zustande genommene Ver-gleichung anschaulich zu machen. Man stelle einen Menschen auf eine Anhöhe, von welcher herab er einen Fluß samt einem Nachen gewahr wird, der dem Strome folgt; er überblickt zu gleicher Zeit den Raum, welchen der Nachen schon durchlaufen hat und den, welchen er noch durchlaufen soll. Wird dieses schwa-che Bild nun auf die Erkenntnis der Zukunft und der Vergangenheit angewendet, indem man sich erinnert, daß der Mensch, mittelst seines inneren Sinnes mit der ganzen Natur in Berührung, immer im Stande ist, die Verkettung der Ursachen und Wirkungen zu empfinden; so wird begreiflich, daß die Vergangen-heit kennen, nichts anderes heißt, als die Ursachen in der Wirkung; die Zukunft aber voraussehen, nur heißt, die Wirkungen in den Ursachen empfinden, wel-che Entfernung wir auch immer zwischen der ersten Ursache und der letzten Wirkung annehmen mögen.

Übrigens hat ja alles, was dagewesen ist, irgend einige Züge nachgelassen, und das, was sein wird, ist schon der Gesamtheit derer Ursachen bestimmt, wel-che es verwirklichen sollen; und so wird man leicht zu der Idee geführt, daß alles im Universum gegen-wärtig ist und Vergangenheit und Zukunft nur ver-schiedene Beziehungen (Relationen) der Teile unter sich sind.

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Der natürliche und vollkommene Schlaf des Men-schen ist derjenige Zustand, in welchem die Verrich-tungen der Sinne aufgehoben sind, d.h. worin der Zusammenhang des Sensorii communis mit den äuße-ren Sinnesorganen aufhört. Eine Folge davon ist, daß alle die Verrichtungen aufgehoben sind, welche mittel-bar oder unmittelbar von den äußeren Sinnen abhän-gen, als: die Einbildungskraft, das Gedächtnis, die willkürlichen Bewegungen der Muskeln, Gliedmaßen, die Sprache usw. Im Zustande der Gesundheit ist der Schlaf des Menschen regelmäßig und periodisch; durch eine gewisse Unregelmäßigkeit in der tierischen Öko-nomie aber und durch verschiedene innere Störungen kann es geschehen, daß die sogenannten tierischen Verrichtungen nicht ganz aufgehoben sind und daß gewisse Muskelbewegungen und der Gebrauch der Sprache noch im Schlafe stattfinden. — In beiden Fällen wirken die umgebenden Materien nicht durch die äußeren Organe, sondern unmittelbar auf die Sub-stanz der Nerven selbst ein. Der innere Sinn wird also zu dem einzigen Organ der Empfindungen; die von den äußeren Sinnen nun unabhängigen Eindrücke werden dadurch, daß sie allein vorhanden sind, auch nur durch sich und an sich selbst empfunden. Zufolge des unabänderlichen Gesetzes, daß immer der schwä-chere Eindruck dem stärkeren weichen muß, werden

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also auch diese inneren schwächeren Eindrücke nur bei Abwesenheit der stärkeren empfunden. So sind die Sterne am Tage für uns unsichtbar, weil ihr Ein-druck zu schwach ist, um nicht von dem stärkeren Sonnenlicht verdrängt zu werden. Im Schlaf aberfühlt der Mensch seine Berührung mit der ganzen Natur.

So wie die Kenntnisse des gelehrtesten Mannes uns ohne Mitteilung immer unbekannt bleiben würden, so bin ich auch nicht in Abrede, daß es sehr schwer sein würde, sich von der Existenz dieses Phänomens zu überzeugen, wenn es nicht Individuen gäbe, die wäh-rend ihres Schlafes, dieser sei nun krankhaft oder kri-tisch, die Fähigkeit behielten, uns durch Reden und Handlungen zu offenbaren, was in ihnen vorgeht.

Nehmen wir ein Volk an, welches, wie einige Tiere, beim Untergang der Sonne notwendig einschliefe und vor ihrem Aufgange nicht wieder erwachte: einem solchen Volke würde natürlich nur das Dasein der am Tage sichtbaren Gegenstände begreiflich sein. Würde dasselbe nun benachrichtigt, daß einige Menschen un-ter ihm, die in jener Ordnung des Schlafes durch Krankheit gestört des Nachts aufgewacht wären und in einer unendlichen Entfernung unzählige leuchtende Körper, gleichsam neue Welten gesehen hätten, so würde es diese ohne Zweifel, ihrer so wunderbar ab-weichenden Ideen wegen, für Träumer halten. Und

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dieses ist genau jetzt in den Augen der Menge der Fall, mit denjenigen, welche behaupten, daß der Mensch im Schlafe die Fähigkeit besitze, seine Empfindungen weiter auszudehnen.

Obgleich im kritischen Schlafe die Substanz der Nerven unmittelbar erregt ist, so, daß die ganze Tätig-keit des Menschen nur vom innern Sinne geleitet wird, so werden doch die Wirkungen der verschie-denen Stoffe auf die Organe der äußeren Sinne, wel-che besonders für sie bestimmt sind, bezogen.

Wenn demnach der Somnambüle sagt: er sähe, so sind es nicht eigentlich die Augen, welche die Ein-drücke des Äthers erhalten, sondern er bezieht auf das Gesicht die Eindrücke, welche die Bewegungen des Lichtes von den verschiedenen Umrissen, Gestalten und Farben in ihm erwecken. Wenn er sagt: daß er höre, so nimmt sein Ohr darum nicht die Modulationen der Luft auf, er bezieht bloß die Bewegungen darauf, deren Eindruck er empfängt. Ebendasselbe gilt auch von den übrigen Organen, und so macht er gleichsam eine Art Übersetzung, um seine Empfindungen in der für den inneren Sinn gebildeten Sprache auszudrücken. Da er sich einer Sprache bedient, die ihm fremd und gleichsam geliehen ist, so kann er gar leicht mißver-standen werden und es erfordert die Erfahrung eines guten Beobachters, ihn richtig auszulegen und zu ver-

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stehen. — Die Vollkommenheit dieser Empfindung hängt eigentlich von zwei Bedingungen ab, nämlich von der gänzlich aufgehobenen Tätigkeit der äußeren Sinne und von der Disposition des Organs des inne-ren Sinnes.

Indem ich gesagt habe, daß dieses Organ in der Vereinigung und Durchflechtung der Nerven besteht, so habe ich darunter nicht einen einzelnen Fleck oder Mittelpunkt noch auch eine begrenzte Gegend ver-standen, sondern vielmehr das Nervensystem im gan-zen, d.h. die aus allen Vereinigungspunkten zusam-mengesetzte Gesamtheit, wozu das Gehirn, das Rük-kenmark, die Nervengeflechte und Ganglien gehören. Diese verschiedenen Teile können, was ihre Verrich-tungen betrifft, einzeln oder zusammen, wie verschie-dene Saiten in einem musikalischen Instrumente an-gesehen werden, welchen nur ihr vollständiger Ein-klang die Harmonie gibt; auch mit den Wirkungen eines Spiegels kann dies verglichen werden, der un-sern Blicken in verschiedenen Richtungen ausgesetzt ist, bei mehr oder minder geglätteter, fester, mit Dün-sten umgebener, oder selbst zerbrochener Oberfläche.

Um die Wahrheit noch näher zu bestimmen und einen richtigen Begriff von der Vollkommenheit des inneren Sinnes zu geben, sehe ich alle Teile, die ihn konstituieren, wie einem Gesetze untergeordnet, einen

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von dem andern abhängig, und alle zu einem Ganzen wirkend, an.

Aus diesen Grundsätzen und Auseinandersetzungen haben wir den Schluß zu ziehen: daß die alten Mei-nungen darum nicht zu verachten sind, weil sich einige Irrtümer an sie anschließen; - daß die Phäno-mene des Somnambulismus zu allen Zeiten bemerkt und nach den jedesmaligen Vorurteilen der Jahrhun-derte mit mehr oder weniger Aberglauben betrachtet wurden; - daß bis jetzt die Natur des Menschen, beson-ders im kranken Zustande, immer nur unvollkommen erkannt war, - und daß die sich zeigenden außeror-dentlichen Fähigkeiten nur als Ausdehnungen seiner Emp-findungen und seines Instinktes angesehen werden müssen.

Nach allem, was über den Magnetismus als ein un-mittelbar auf die Nerven, Muskelfasern, Organe der Empfindung und der Bewegung wirkendes Agens ge-sagt worden ist; nach den aufgeführten Beweisen, daß allein in der Wirkung der durch das gleiche Grund-wesen belebten Fiber die allgemeine Ursache der Qualität der Säfte und ihrer Zirkulation sich findet; — und daß endlich dieses Agens es ist, welches in allen Krankheiten heilsame Krisen bestimmt, und dadurch die Abweichungen in den flüssigen und festen Teilen in Ordnung bringt, - nach dem allem kann wohl kein Zweifel mehr obwalten, daß ich mit vollem Rechte

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den Magnetismus als das einzige und allgemeine Mittel betrachte, Krankheiten vorzubeugen und sie zu hei-len, wenn anders der Heilung keine absolute Unmög-lichkeit entgegensteht, wie z. B. wenn Teile des Kör-pers desorganisiert oder zerstört sind oder wenn das kranke Individuum der wesentlichen Hilfsmittel der Verrichtung des Organismus und des Spieles der tie-rischen Haushaltung beraubt ist. Denn, wenn gleich zur Heilung aller Gattungen von Krankheiten der Magnetismus hinreichend ist, so wäre es doch Unsinn, wenn man fordern wollte, daß nun alle kranken In-dividuen geheilt werden sollen. Das, was ich Univer-salität dieses Heilmittels nenne, muß also in keinem ausgedehnteren Sinne, als dem des Möglichen ge-nommen werden.»

Zweiter Teil I/1. Kap. Über die Moral

«Die Meinung besteht in einer innigen Überzeu-gung: daß niemand ungestraft die Ordnung der Natur übertreten könne, und daß das Böse, welches er etwa getan, früh oder spät auf ihn selbst zurückkommen werde.»

Es folgen Ansichten und Empfehlungen über die natürlichen und bürgerlichen Freiheiten, die Gesell-schaft und die Gesetze, über Regierung und Erzie-

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hung und einen Verfassungsentwurf, mit dem er sich seit der Französischen Revolution viel beschäftigt hat. Er tritt ein für einen gesunden Ehe- und Familien-stand, eine natürliche Erziehung der Kinder und für vernünftige und maßvolle Leibesübungen.

Ferner stellt er das öffentliche Wohl und Fragen des allgemeinen Interesses zur Diskussion und gibt am Schluß des Werkes noch Ratschläge über die natur-gemäße Verfahrungsart bei der Geburt des Menschen.

Angebunden sind 6 Tafeln, die nach eigenhändigen Zeichnungen Mesmers gestochen wurden und zur Erläuterung der Elementargrundsätze seines Natur-systems dienen sollen. Die Tafeln I und III sind im Bildmaterial nach Seite 368 reproduziert.

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IV. Der Mesmerismus in seiner ge-schichtlichen Fortentwicklung

Neue Entdeckungen. Bestätigung von Beobachtungen Mesmers. Die psychischen Heilmethoden. Moderne Forschungsresultate, die den Magnetismus bestätigen.

(1811 bis zur Gegenwart)

Schwerlich hat irgend ein Jahrhundert unter den Ent-deckungen, welche auf die menschliche Doppelwelt von Leib und Geist zugleich Licht werfen, eine grö-ßere gemacht, als das vorige am organischen Magnetis-mus, nur, daß Jahrhunderte zur Erziehung und Pflege des Wunderkindes gehören, bis dasselbe zum Wunder-täter der Welt aufwächst. Jean Paul im «Museum»

7. Literatur. Entwicklungstendenzen und Ausbreitung des Magnetismus seit Mesmers Tod. Die Auffassung des großen

Arztes Dr. C. G. Carus über den Lebensmagnetismus

Fast zur gleichen Zeit wie Kluges: «Versuch einer Darstellung des animalischen Magnetismus als Heil-mittel» erschien in Weimar 1811 ein Werk des jün-geren Bruders des großen Hufeland, Dr. Friedrich Hufeland (1774-1839) «Über Sympathie». Dieser Ver-fechter der romantischen Naturphilosophie, ausge-hend vom Gedanken der Allverbundenheit, bringt den

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tierischen Magnetismus mit seinem System der Sym-pathie in Verbindung. Wie kein Organismus für sich allein zu leben vermag und jedes Individuum nur dank seiner Beziehung zum großen All existieren kann, so lebt auch der Mensch inmitten der mannigfachen Wechselwirkungen zum Universum. Den Äther als das magnetische Fluidum betrachtet er als Träger der magnetischen Kraft, den Magnetismus als sympathe-tischen Vorgang. Wo zwischen zwei individuellen Organismen ein Unterschied in der positiven Aus-strahlung besteht, magnetisiert der positivere Teil den andern und zieht ihn in seinen Einfluß. Dank dieses sympathetischen, magnetisierenden Vorganges kann durch den positiven Teil die Desorganisation im schwächeren, kranken Wesen behoben, die Schmerzen gestillt und der gute Nervenzustand wiederhergestellt werden.

1814 trat als Gegner des Magnetismus Dr. Johann Stieglit\ (1767-1840) mit einem Werk1 an die Öffent-lichkeit. Stieglitz war königlich-großbritannischer Leibmedikus in Hannover, galt als einer der ersten Ärzte und hatte in Dingen der Heilkunst ein bedeut-sames Wort mitzureden. Er war ein guter, nüchterner Beobachter, jedem Geheimnisvollen abhold und war

1 Dr. Johann Stieglitz, Über den tierischen Magnetismus. Han-nover 1814.

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gereizt von den oft überschwänglich dargestellten Heilerfolgen des Magnetismus und Somnambulismus. Er hatte darin auch kaum eigene, maßgebende Er-fahrungen, doch sperrte er sich gegen Ansichten, wie sie z. B. in Kluges Werk zu Tage traten. Er lehnte auch die Behauptung, daß Mesmer eine große Naturkraft entdeckt habe, ab. Die Elektrizität wirke auf alles ein, während der Magnetismus nur auf gewisse Personen Einfluß habe. «Nicht ein das ganze Weltall durch-strömendes, beseelendes, mit Kraft aller Art erfüllen-des, das Individuelle schaffendes, die bewunderungs-würdige Verbindung aller Körper und Geister be-wirkendes ätherisches Wesen geht aus den Erschei-nungen des tierischen Magnetismus hervor und ist durch dieselben darzutun, oder, um sie begreiflich zu machen, vorauszusetzen, wie Mesmer und so viele deutsche und französische Schriftsteller behaupten: sondern wie mir scheint, schon ein Exkrement mensch-licher Organismen reicht vielleicht zu einer Erklärung hin, die das volle Entstehen des tierischen Magnetis-mus umfaßt. Sollte die menschliche Ausdünstung, die tierische Wärme, nicht selbst es sein, oder etwas ent-halten können, das, wenn das Hautorgan und ver-mittelst desselben das Nervensystem, durch Bestrei-chen und Betasten eines andern, in eine gewisse Stim-mung und Aufnahmefähigkeit versetzt wird, einen

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solchen Eindruck hervorzubringen vermöge, welcher, unter den Bedingungen, die Empfänglichkeit für den tierischen Magnetismus geben, solche Bewegungen veranlasse, die den Kreis tierisch-magnetischer Er-scheinungen einleiten und bilden? Muß das, was aus dem einen ausströmen und in den andern hinüber-strömen soll, gerade ein Stoff von hoher Wichtigkeit, muß dies der - was einzig für ihn anzuführen ist - von Newton als möglich angenommene, das ganze Univer-sum durchdringende Äther oder doch der Nervengeist das, das Leben selbst begründende, oder vermittelnde Wesen sein, von dessen Dasein wir aus sinnlicher Wahrnehmung nichts wissen, über dessen innere Be-schaffenheit wir uns kaum eine Mutmaßung erlauben dürfen? Kann es nicht, mit viel mehr Wahrscheinlich-keit, die zum Ausstoßen bereitete Ausdünstung, oder die frei gewordene tierische Wärme, vielleicht in ir-gendeiner Modifikation sein? und können nicht alle Wirkungen von etwas abhängen, das in dem Men-schen, von welchem es ausgeht, unnütz geworden, nicht in weiteren Anschlag kommt und an sich selbst nichts Besonderes, Ausgezeichnetes ist, aber, in das Hautorgan und Nervensystem eines andern unter ge-wissen Verhältnissen aufgenommen, diese Gebilde in eine Tätigkeit versetzt und solche auffallende Reak-tionen, besonders im Nervensystem, dann zur Folge

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hat? Was kann nicht bei einer besonderen Stimmung der Nerven zu einem großen Reize für dieselben wer-den? Warum sollte nicht der spezifische Unterschied zwischen den Ausdünstungsstoffen (die die tierische Wärme mit begreifen) zweier Menschen mächtig ge-nug sein - wenn, unter eigentümlichen Vorbereitun-gen und Einleitungen, die an die Manipulation des Magnetiseurs geknüpft sind, und bei besonderer Emp-fänglichkeit des Magnetisierten, diese Ausdünstungs-stoffe von jenem in diesen übertreten - eine große Wirkung zu erregen, und so eine Reihe von Tätigkei-ten zu veranlassen, die sich dadurch auszeichnen, daß sie, durch einen Aufruhr, den sie herbeiführen, oder gleich unmittelbar, die Beruhigung, Besänftigung, endlich den Schlaf bewirken, in welche der tierisch-magnetische Zustand überzugehen oder in welchem er sich darzustellen liebt? Ich sehe keine Erscheinung, die sich dieser Erklärung nicht fügte, in ihr nicht ge-nügenden Aufschluß fände. Man begreift, wie auf diese Weise ein nervöser Zustand von eigentümlichem Sein zu Stande kommen kann, den bestimmte Zufälle und Verhältnisse bezeichnen. So leuchtet es ein, wie viel von dem kunstmäßig geleiteten Streichen und Betasten abhängt, denn das weckt, erhöht die Emp-fänglichkeit für das Aufzunehmende und öffnet, bahnt demselben den Weg; so wie es vielleicht anderweitig

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eine Stimmung erzeugt und vermehrt, die seinen Er-folg begünstigt. Diese Vorstellungsart macht es klar, warum bei den mehrsten Menschen alles Magnetisieren vergeblich ist, und warum die Einzelnen, bei denen es faßt, nur von bestimmten Menschen demselben unter-worfen werden können, und selbst von diesen nicht in gleicher Kraft und Art. Gewiß ist der spezifische Unterschied zwischen den Ausdünstungsstoffen ver-schiedener Menschen nicht immer gleich hervorste-chend und abweichend, daher oft nicht so groß oder nicht von der Beschaffenheit, als für solche Einwir-kung erforderlich ist. Hier mögen verschiedene Mi-schungen der Ausdünstungsmasse, die nicht immer gleich Quantität und Qualität irgendeines ihrer Be-standteile von großer Bedeutung sein, welche über gänzliche Unwirksamkeit oder Wirksamkeit in ver-schiedenem Grade entscheidet usw »

Somnambulismus und Hellsichtigkeit bezeichnet er als pathologische Zustände, die durch die magnetische Behandlungsart ausgelöst werden können.

Doch alle Gegnerschaften, auch wenn sie von ein-flußreicher Seite kamen, vermochten die Ausbreitung des Magnetismus nicht einzuschränken. Allerdings vermochte sich auch Mesmer für seine reinere Idee, wie sie in Wolfarts «Mesmerismus oder System der Wechselwirkungen» zum Ausdruck kam, keinen

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durchschlagenden Erfolg zu gewinnen. Für die mei-sten Ärzte mochten Mesmers neuartige physikalische Vorstellungen und die Umstellung auf ein positives Einarbeiten in die vorgetragenen Grundsätze und Vorschriften zu viel Anforderungen gestellt haben. Es war bequemer und interessanter, den Weg des magnetischen Somnambulismus zu gehen, der auch viel bekannter war und überall seine Vertreter hatte und der so äußerst wunderbare Erscheinungen aus dem inneren Seelenleben der Menschen zum Ausdruck brachte. So blieb der Stand in der Ausübung des Ma-gnetismus in Deutschland so ziemlich gleich. Die Ber-liner Akademie führte die angefangene Untersuchung über den tierischen Magnetismus nicht weiter und ließ es bei Wolfarts «System der Wechselwirkungen» und seinen «Erläuterungen» hiezu bewenden. 1817 er-ließ die preußische Regierung eine königliche Verord-nung, wonach das Magnetisieren für den Laien verbo-ten wurde und seither ein Vorrecht für die Ärzte blieb.

Als Hauptvertreter des tierischen Magnetismus in Berlin galt außer Prof. Wolfart auch Vit. Johann Fer-dinand Koreff (1783-1851). Seiner Initiative war es vor allem zu verdanken, daß durch die tatkräftige Förderung durch Minister Karl August von Harden-berg (1750-1822) die Errichtung von Lehrstühlen für den tierischen Magnetismus an den deutschen Univer-

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sitäten gelang. In Berlin war es Prof. Wolfart, der auch das medizinische Wochenblatt «Askläpieion» herausgab, der die Vorlesungen hielt, in Bonn Prof. Christian Friedrich Nasse (1778-1851), später an der neuen Universität Bonn Prof. Josef Ennemoser (1787— 1854), in Halle Prof. Peter Kruckenberg (1788-1865), in Gießen Prof. Johann Bernhard Wilbrand (1779-1846), in Jena Prof. Dietrich Georg Kieser (1779-1862)1.

Prof. Karl August Eschenmayer (1768-1852) mit sei-nem «Versuch, die scheinbare Magie des tierischen Magnetismus aus physiologischen und psychischen Gesetzen zu erklären» und der Arzt W. Wurm mit der «Darstellung der Mesmerischen Heilmethode», liefer-ten wertvolle Beiträge.

In Breslau stand für den Magnetismus vor allen Prof. Bartels, in Magdeburg der Physiker Fritz und Dr.Varges und in München Dr. Haberl ein. Andere wichtige Förderer des Magnetismus jener Zeit waren: J. Chr. Fr. Bährens und C.L. Bährens, Wilhelm Arndt, Nees von Esenbeck, Prof. Friedrich Fischer in Basel und Dr. Johann Carl Passavant (1790-18 5 7), auf deren Schriften ich verweise1.

1 Allen diesen bedeutenden Vertretern des Magnetismus verdan-ken wir eine ganze Anzahl Werke über unser Thema. Vergl. die an-hängende Bibliographie.

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In Holland hatten die drei Ärzte G. Bakker, H.Wol-thers und P. Hendriksz den Magnetismus gemeinsam praktiziert und gaben 1814 zusammen ihre «Beobach-tungen über die Heilkraft des tierischen Magnetis-mus» heraus, die von Dr. Bird ins Deutsche übersetzt, 1818 in Halle erschienen.

Eine besondere Bedeutung kommt in diesem Zu-sammenhang dem Werk von Dr. Andreas Justinus Christian Kerner (1786-1862), dem bekannten Arzt und Dichter von Weinsberg, zu. Schon als elfjähriger Knabe war er durch den Heilbronner Physikus Eber-hard Gmelin mit den wunderbaren Erscheinungen des Magnetismus bekannt geworden. Er trug seither einen besonders wachen Sinn für alles in sich, was den Magnetismus betraf und was Somnambule ihm im magnetischen Zustand berichteten. Von absolut ge-radem Charakter und gutem Wesen und einem vor-züglichen psychischen Beobachtungsvermögen be-günstigt, erzählt er seine Erfahrungen mit Somnam-bulen, die er magnetisierte und behandelte und deren berühmteste Friederike HaufFe, die «Seherin von Pre-vorst» ist. Kerner war es auch, der nach dem Tode Mesmers alles sammelte, was er von diesem großen Manne finden konnte und dem wir heute noch das Bedeutendste an biographischen Notizen in seinem Werk: «Franz Anton Mesmer aus Schwaben, Ent-

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decker des thierischen Magnetismus, Erinnerungen an denselben nebst Nachrichten von den letzten Jah-ren seines Lebens zu Meersburg am Bodensee, Frank-furt a.M. 1856», das wir in unserer Lebensbeschrei-bung von Mesmer mehrfach zitiert haben, verdanken.

Ein bedeutender Höhepunkt in der Entwicklung der heilwissenschaftlichen Lehre des Magnetismus bleibt mit dem Namen des großen Arztes Dr. Carl Gustav Carus (1789—1869) verknüpft. Carus war Direk-tor des gynäkologischen Instituts in Dresden, Leib-arzt des Königs und Präsident der Kaiserlich Leopol-dinisch-Carolinischen Akademie der Naturforscher. Dieser vielseitige Wissenschaftler und große Denker war ein persönlicher Freund Goethes, von dem er in seinen ärztlichen Fähigkeiten viel bewundert wurde. Eine überaus reiche Erfahrung veranlaßte ihn im Jahre 1856 zur Herausgabe seiner Abhandlung «Über Lebensmagnetismus und über die magischen Wirkun-gen überhaupt»1. Der weitsichtige Arzt und Psycho-log war zur Überzeugung gekommen, daß die Krank-heiten nicht der Mensch mittels seines bewußten Gei-stes heilt, sondern das Göttliche, Unbewußte im Menschen. «Dasselbe, was seinen Organismus bildet und täglich in geheimnisvoller Tiefe ihn neu erzeugt, es ist auch das allein Wiederherstellende aus Krankheiten in ihm,

1 Im Neudruck 1925 bei Benno Schwabe &Co., Basel, erschienen.

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und alles, was der erfindsame Geist des Menschen seit Jahrhunderten erlernt hat, um-wie man sagt-Krank-heiten zu heilen, beschränkt sich doch nur auf die Be-schaffung der zweckmäßigen Mittel, um die Aufgabe jenes göttlichen Unbewußten zu erleichtern, zu för-dern, ja mitunter überhaupt erst zu ermöglichen. -

Ganz ebenso mächtig ist dieses Göttliche im Heilen der Wunden. Nicht die kleinste Verletzung können wir unmittelbar durch Kunst heilen, denn stets ist ja dieses Heilen ein Zeugungsprozeß neuer organischer Substanz, ein Prozeß, dessen stets nur das göttliche Unbewußte fähig ist, allerdings aber können wir die-sen Vorgang willkürlich entweder stören oder ihn be-fördern, und auf dem letztern allein beruht daher in Fällen dieser Art die wesentliche Kunst des heilenden Wundarztes.

Hat man hier aber einmal die richtige Haltung und Ansicht gewonnen, so wird man auch einsehen, wie alles das, was jenes unbewußte Walten des inneren Lebens zu erhöhen, zu kräftigen und in seinen Erhal-tungszwecken zu fördern imstande ist, nun auch we-sentlich beitragen muß, Krankheiten zu überwinden und Genesung zu beschleunigen; und von hieraus ist dann der Weg vollkommen gebahnt, die gerade das Un-bewußte so mächtig hebenden Wirkungen des Lebensmagne-tismus auf Krankheiten TU erklären und richtig zu deuten.

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Ja man wird mich jetzt nicht mißverstehen, wenn ich sage, daß in diesem Sinne, da eben alles eigentliche Heilen nur vom Unbewußten ausgeht, der Mesmerismus, welcher am direktesten auf dies Ursprüngliche der Seele des Menschen wirkt, weil er eben selbst vom Leben und von der Seele eines Kräftigern ausgeht, wirklich das Urheilmittel genannt wer-den muß, obwohl er darum doch nicht Universal-mittel im andern Sinne sein kann, weil er ja als Be-dingung das Auffinden und Einwirken des irgend-einem einzelnen Kranken völlig adäquaten Magnéti-seurs voraussetzt, eine Bedingung, die im wirklichen Leben nur so selten erfüllt werden kann. Gewiß ist es aber, daß da, wo wirklich irgendeine sensitive Indivi-dualität in dieser Weise einer lebensmächtigen, von reinem Willen zum Helfen durchdrungenen andern sich gegenüberfindet, da wird diese erstere in der Ein-wirkung dieser letzteren jedenfalls das wahre Ur- und für sie Universalmittel gefunden haben für die ver-schiedenartigsten Leiden. Fälle dieser Art sind mir selbst wohl vorgekommen, und die oben erwähnte Kranke, welche infolge mehrjährigen Mangels an nächtlichem Schlaf öfters in den eigenen Zustand von Tagessomnambulismus verfällt, hat mir mehr als ein-mal Gelegenheit gegeben, zu bemerken, wie einige wenige magnetische Striche, ja manchmal eine ein-zige Handauflegung hinreichten, ein mit Blutaus-

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wurf verbundenes Herzklopfen oder heftige örtliche Schmerzen fast wie durch ein Wunder zu beseitigen. Kann ja doch überhaupt alles, was von sogenannten Wunderheilungen durch bloße Berührung in den Be-reich der Wahrheit und Wirklichkeit fällt, nur dadurch begriffen werden, daß man diese Macht einer großen heilbringenden Persönlichkeit anerkennt, mittels sol-cher augenblicklichen Hebung des unbewußten Gött-lichen im Kranken selbst irgendeine gefahrbringende Krankheit unmittelbar zu beseitigen. -Hieralso, wo die ungeheure Macht des Mesmerismus für Krankheitshei-lung liegt, liegt aber zugleich sein Unzulängliches, da Bedingungen dieser Art im gewöhnlichen Leben so selten zu erfüllen sind und das eigentlich Zusammenge-hörige auch in dieser Beziehung so selten sich wirk-lich zusammenfindet, folglich in allen andern Fällen die mesmerischen Einwirkungen immer soviel schwä-cher sich darstellen werden; indes gerade nun über diese Wirklichkeit, und wie der Magnetismus im gewöhnli-chen Leben und bei seiner alltäglichen ärztlichen An-wendung mit seinen Einwirkungen sich herausstellt, werden nun noch einige Worte hinzuzufügen sein.

Zuvörderst die Krankheitsformen betreffend, wel-che so im allgemeinen immer als vorzüglich für den Mesmerismus geeignet erschienen sind, so wird man leicht begreifen, daß namentlich diejenigen, welche

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mit besonders erhöhter Sensibilität sich verbinden, wie das ganze Heer der sogenannten Nervenkrank-heiten, Krämpfe, Hysterie, Hypochondrie, ördiche Schmerzen, Lähmungen und Leiden der Sinnesor-gane, immer diejenigen waren, welche durch diese Kurmethode am meisten erleichtert wurden, und zwar offenbar deshalb, weil sie, indem sie irgendwie durch Störung in der bewußten Sphäre des Seelenlebens be-dingt sind, gerade der Einwirkung eines fremden kräftigen Nervenlebens einen weiteren Spielraum las-sen, um die innere Selbsthilfe des Unbewußten aufzu-rufen und zu stärken. Nächst dem waren es dann Ent-wicklungszustände, wie insbesondere die in den Stu-fenjahren des weiblichen Geschlechts vorkommenden, in Form von Bleichsucht, Menstruationsstörungen usw. auftretenden, welche hier vielfältig Hilfe gefun-den haben und immer finden werden, natürlich des-halb, weil das eben hier zu kräftigende Bildungsleben stets am leichtesten durch allgemeine Hebung des Un-bewußten gefördert wird. Was die Krankheiten im Ge-fäßsystem betrifft, so sind es besonders die leichteren Formen der Entzündung, wie die rosenartigen, und dann die Kongestivzustände nach einzelnen Organen, welche mesmerische Ableitung und Hilfe erlangten, da hingegen bei heftigeren Entzündungen und Fie-bern das gesamte unbewußte Naturleben des Organis-

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mus in der Regel dergestalt in sich verwickelt und vom Äußern abgelenkt erscheint, daß die magneti-sche Einwirkung wenig Macht darauf zu üben ver-mag. Endlich sind denn auch alle Unterleibsleiden, insofern sie nicht durch Krämpfe bedingt wurden, alle organischen Verbildungen, mit Ausnahme äuße-rer Drüsenanschwellungen, bei welchen Berührung und Bestreichen oftmals sich wirksam zeigte, endlich aber und namentlich alle auf irgendeiner Vergiftung der Säftemasse beruhenden Krankheitsformen dem Mesmerismus ebenso unzugänglich wie alle jene Fälle, in denen von einem chirurgisch-operativen Verfahren allein Hilfe erwartet werden kann. Was nun die Ma-ximen betrifft, nach welchen der Arzt die Anwendung des Magnetismus zu bestimmen und auszuführen hat, so müssen sie freilich vor allem durch eine genaue diagnostische Kenntnis jedes einzelnen vorliegenden Falles geleitet und festgesetzt werden, und ist darüber dem größern Publikum gegenüber nicht weiter ins Einzelne zu gehen. Ein Umstand jedoch ist hier be-sonders hervorzuheben als ein solcher, der auch den Augen des Laien deutlich werden muß, und der ist folgender: - Wenn, wie aus dem Vorigen hervorge-gangen sein wird, namentlich eine gewisse Herabset-zung des bewußten Seelenlebens und somit Herab-stimmung heftiger, schmerzhafter Empfindungen, so-

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wie Beruhigung krampfhafter Bewegungen, als erste Einwirkung jeder nur einigermaßen kräftigen mes-merischen Behandlung sich bemerklich macht, und diesem dann die Hebung des Unbewußten, Neigung zum Schlaf und wirklicher Schlaf sich gewöhnlich un-mittelbar anschließt, so kann man zunächst wohl ver-stehen, welch wichtiger Gebrauch schon in dieser Be-ziehung zur Beruhigung mancher stürmischer Zufälle gemacht werden kann. Was aber weniger beachtet und selbst von Ärzten oft genug bei solchen Einwir-kungen vernachlässigt wird, ist, daß von hier aus zu-gleich eine treffliche Gelegenheit entnommen werden kann, um, neben der magnetischen Behandlung, an-dere angemessene innere oder äußere Heilmittel in Anwendung zu bringen, welche nun, nachdem der Organismus so gewissermaßen erst zur Ruhe gebracht worden war, oftmals eine höchst erwünschte Einwir-kung zeigen werden, wo vorher mit der gleichen ir-gendeine nachhaltige Wirkung durchaus nicht erzielt werden konnte. Ich erinnere mich eines solchen Falles mit einer jungen russischen Dame, welche in der Zeit ihrer Entwicklung von so furchtbaren krampfhaften Hustenanfällen, mit allgemeinen Konvulsionen ver-bunden, ergriffen wurde, daß keine der sonst so oft hilfreichen angemessenen medikamentösen Einwir-kungen imstande war, die Heftigkeit dieser Anfälle

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irgend zu lindern. Nach wochenlanger Dauer dieser Akzesse, welche zugleich jeden andern tiefer eingrei-fenden Heilplan völlig unmöglich erscheinen ließen, schritt ich zur Anwendung des Mesmerismus, und schon bei den ersten Manipulationen während eines heftigen Anfalls erfolgte nach vier Minuten vollkom-mene Ruhe und Schlaf. Zwar kehrten die Anfälle die nächsten Tage wieder, allein das Mittel war nun ge-funden, dem Organismus Ruhe zu schaffen, und mit ihm die Möglichkeit, von da an kräftiger auf das In-nere dieser zarten aber skrofulösen Konstitution zu wirken. Bald brachten jetzt die geeigneten Medika-mente die eigentümlichsten Ausscheidungen als Kri-sen hervor und nun hörte auch die Disposition zu jenen Krämpfen auf, wonach dann eine Kur in Ems die Heilung einer Krankheit beendete, welche ohne magnetische Hilfe gewiß nicht beendet worden wäre, jedoch nur unter schwer zu erfüllenden Bedingungen hätte durch Magnetismus allein zu so glücklichem Erfolg geführt werden können1. Ganz gleich glück-lichen Erfolg erzielte ich auf diesem Wege bei einem jungen dänischen Offizier, wo eine enorme Tuber-kulose des Lymphsystems mit den wütendsten Schmer-

1 Anmerkung v. Carus, Eine Reihe recht einfach erzählter Tat-sachen von der heilenden Kraft dieser Behandlung s. m. schon in Bährens «Uber die Heilkraft des Lebensmagnetismus» (Essen 1819).

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zen verbunden, den Kranken fast zur Verzweiflung gebracht hatte. Der Mesmerismus linderte erst die Schmerzen, und Dampfbäder nebst stark ausleerenden Mitteln machten dann eine Heilung möglich.

Man erkennt hieraus, daß es ein großes und durch-aus abzulegendes Vorurteil genannt werden muß, wenn man glaubt, daß Arzneimittel nicht mit der An-wendung des Magnetismus sich vertragen; im Gegen-teil, sobald wirklich ein umsichtiger, die Krankheit richtig erkennender und in mesmerischer wie medi-kamentöser Behandlung hinreichend erfahrener Arzt die Kur leitet, so wird vielmehr aus richtiger Ver-bindung beider unfehlbar dem Kranken großes Heil erwachsen. - Man wird hierin mich besser verstehen, wenn ich bei dieser Gelegenheit noch etwas näher auf die Wirkungsweise der Arzneimittel überhaupt ein-gehe und darüber einige Andeutungen gebe. Erwägt man nämlich... wie Arzneimittel auf Tier- oder Men-schenkörper wirken, so ist immer am zweckmäßigsten die mechanische, chemische und dynamische Wir-kungsweise zu unterscheiden. Mechanisch wirkt ein Körper durch Stoß oder Druck (so braucht man zum Heilzweck flüssiges Quecksilber in manchen Krank-heitsfällen, um durch dessen Schwere und Druck im Darmkanale Öffnung zu erhalten); chemisch wirken Dinge aufeinander, indem sie ihre Mischung umän-

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dem (so gibt man kohlensaure Magnesia, um über-flüssige Magensäure zu tilgen); dynamisch aber wir-ken teils Stoffe aufeinander, teils Stoffe auf lebende Körper, indem sie ihren Kräftezustand irgendwie um-stimmen (auf solche Weise wirkt also der Magnetstein auf das Eisen, indem er dasselbe magnetisch macht, auf ähnliche Weise wirkt mineralischer Magnetismus und ebenso Opium oder Kirschlorbeer auf den Men-schen, und endlich auf gleiche Weise der Mensch auf den Menschen im Mesmerismus). Schon dieser ganz kleine Überblick macht es anschaulich, daß der Le-bensmagnetismus als eine vollkommen dynamische Einwirkung durchaus nahe steht den ebenfalls dyna-mischen Einwirkungen gewisser Medikamente; B. der Homöopathie!)1; allein noch mehr wird man von dieser Verwandtschaft sich überzeugen, wenn man erfährt, daß man von Wasser, Kohlen, Glas und Eisen, ja von Tieren und Bäumen mesmerische Einwirkun-gen beobachtet hat, welche demnach noch ein be-stimmteres Mittelglied zwischen Medikamentenwir-kung und magnetischer Manipulation darstellen...»

Zwischenhinein wollen wir einen kurzen Überblick auf die Entwicklungsverhältnisse des Magnetismus in verschiedenen andern Ländern werfen.

1 Eigene zusätzliche Bemerkung.

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Während in Österreich die Ausübung des Magne-tismus im Jahre 1818 verboten wurde, vermochte er sich in anderen Ländern mehr und mehr auszu-breiten.

1815 hatte Zar Alexander I. eine Kommission zur Untersuchung des Magnetismus ernannt. Die Ergeb-nisse dieser Untersuchung waren positive und spra-chen so sehr für die neue Heilmethode, daß sie in kur-zer Zeit eine nicht zu unterschätzende Verbreitung über das ganze russische Reich fand, ihrer großen Be-deutung wegen aber nur von Ärzten ausgeübt werden durfte. Dies hinderte allerdings nicht, daß sich auch zahlreiche Laien, vor allem die russischen Mönche damit befaßten und, teils eben durch die Hervorhe-bung des religiösen Aspektes, überall viele wunder-bare Heilungen bewirkten.

Auch in Schweden hatte die Lehre Eingang gefun-den, wo die Doktoranden der Medizin Thesen über den Magnetismus zu verteidigen hatten.

Zu gleicher Zeit (1817) erfolgte im Königreich Dänemark die Anerkennung und Zulassung der neuen Therapie in der medizinischen Praxis.

Zögernder fand die neue Lehre Mesmers in Italien Boden. Französische Schriften über den Magnetismus wurden ins Italienische übersetzt und einige Ärzte, die denselben mit Erfolg anwandten, veröffentlichten

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darüber Berichte1. Hindernd für die Ausbreitung wa-ren besonders die politischen Zustände um die Wende des Jahrhunderts.

Von Frankreich her drang er auch nach Norden und veranlaßte mehrere Ärzte in den Niederlanden, den Magnetismus zu praktizieren.

Ob Mesmer selbst in England war, wie verschie-dene Autoren bemerken, gilt als umstritten. London hatte seinen großen Heiler durch Händeauf legen, den irischen Edelmann Valentine Greatrakes (1628-1669) noch nicht vergessen. Als Mesmer in London gewe-sen sein sollte, betrieb eben dort Dr. James Graham (174 5-1794) seinen vielbesuchten «Temple of Health», wo man sich gegen Entrichtung beträchtlicher Sum-men auf dem magnetischen Bett behandeln lassen konnte. Die Londoner strömten in Scharen in den mit allen nur denkbaren Attraktionen ausgestatteten Heil-palast, wo Dr. Graham mit «aetherial medicin» alle nur möglichen Gebrechen zu heilen vorgab. Es war dies gewiß der übersteigertste Unsinn, den man mit der magnetischen Heillehre je in Verbindung brachte und Mesmer sicher mit Grauen erfüllt hätte, wenn er

1 Gauthier A., Saggio di Magnetismo o sia Esame délia sua Esis-tenza, Paris 1842.

Giraud, Lettre au Comte NN. de Crémone. Nouvelles cures opérées par le magnetisme animal.

Mosso Angclo, Mesmer e il magnetismo. Milano 1906.

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diesen kitschigen Bluff mitangesehen hätte. Auch aus diesem Grande wäre für Mesmer kaum ein Bleiben in London denkbar gewesen.

Es brauchte auch geraume Zeit bis der Magnetismus in der Form Puysegurs und Mesmers in England Eingang fand. Sir John Forbes (1787-1861)1 empfahl ihn 1846 zur Schmerzstillung bei chirurgischen Ein-griffen. Desgleichen verwendete James Esdaile (1808-18 5 9)2 ihn in Kalkutta, um hunderte von Operationen zu erleichtern, was ihm in überzeugender Weise ge-lungen ist.

Des weiteren erinnern wir uns, daß sich unter Mes-mers ersten Schülern in der Pariser Gesellschaft der Harmonie General Georges Washington (1732-1799), der erste Präsident der Vereinigten Staaten von Ame-rika, und General Lafayette befanden. Letzterer soll den Magnetismus in Amerika eingeführt haben, wäh-rend General Washington sich in begeisterten Briefen an Mesmer über den tierischen Magnetismus äußerte3. Der Mesmerismus fand denn auch rasch Aufnahme

1 Forbes, Über Somnambulismus, Hellsehen und thierischen Ma-gnetismus. Wien 1846.

2 Esdaile James, Mesmerism in India and its practical application in surgery and medicine. London 1846. Natural and Mesmerism Clairvoyance with practical application of Mesmerism in surgery and medicine. London 1852.

3 Wolfart, Erläuterungen zum Mesmerismus. Berlin 1815.

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in der neuen Welt. Seiner bemächtigten sich auch die Negersklaven, die sich ihm in San Domingo mit einem solch rasenden Fanatismus hingaben, daß die Polizei dagegen einschreiten mußte.

In Frankreich hatten die Schriften des Marquis de Puységur über seine Beobachtungen des magnetischen Schlafes so großes Aufsehen erregt, daß sich viele An-hänger des Magnetismus der Erzeugung ähnlicher Zu-stände zuwandten. Die Erscheinungen des Somnam-bulismus waren viel interessanter und geheimnisvoller als die Krisen Mesmers und gaben allen möglichen Phantasien von übersinnlichen Zusammenhängen weitesten Raum. Mesmers Baquet, sein Krisensaal und die von Mesmer noch viel verordneten abführenden Getränke traten in den Hintergrund und wurden bald mancherorts überhaupt vergessen, während jetzt mehr Bäume magnetisiert wurden, weil sich im Freien unter dem schattigen Laub großer Eichen der magnetische Schlaf leichter hervorrufen ließ. Immer mehr Wert wurde auf den somnambulen Schlaf gelegt.

In Lyon entdeckte Jacques-Henri-Désiré Petéiin (1744-1808) die Hellsichtigkeit von Patienten im tiefen somnambulen Schlaf und die künstliche Ka-talepsie1.

1 Petétin, Mémoire sur la découverte des phénomènes que pré-sentent la catalépsie et le somnambulisme. Lyon 1787.

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Mit verschiedenen historischen und theoretischen Betrachtungen und praktischen Anweisungen trat Joseph-Philippe-François Deleuze (1753-1835) für den Magnetismus ein. Deleuze war neben seinem Amt als Bibliothekar am Jardin des Plantes ein eifriger Naturforscher und befaßte sich eingehend mit den Vorgängen und der Entwicklung des Mesmerismus. Er hielt die Puységursche Formel «Croyez et veuillez» nicht für ganz richtig und genügend, sondern forderte vom Magnetisierenden vor allem einen aktiven Willen, dem Behandelten Gutes zu tun, ein festes Vertrauen in seine Kraft und den Glauben an die Wirksamkeit der Handlung. Deleuze ist wie Puységur ein über-zeugter Fluidist, der aus eigenen Beobachtungen fest-gestellt hat, daß der Magnetiseur sein Fluidum auf andere Wesen und Gegenstände übertragen kann und daß diesem Fluidum, wenn es von einem gesunden, moralisch intakten Menschen kommt, eine große, heilende Kraft innewohnt.1

Von den Vorteilen, die man aus dem Somnambulis-mus ziehen kann, nennt er die Fähigkeit der Schlafen-den, besser zu sehen und zu hören als im Wachzu-

1 Deleuze, Réponse aux objections contre le magnétisme. 1817. Histoire critique du magnétisme animal 1819. Mémoire sur la faculté de prévision 1836. Instruction pratique sur le magnétisme animal 1853, etc.

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stand. So vermag der Somnambule das Innere seines und anderer Körper zu sehen und darin die vorhande-nen Schäden aufzudecken. Er vermag die weitere Ent-wicklung der Krankheit oder die Besserung vorauszu-sehen und geeignete Heilmittel anzuzeigen. Da Deleuze genau weiß, wie sehr der Schlafende dem Willen des Magnetiseurs unterworfen ist und die Möglichkeit der Suggestion in diesem Zustand kennt ; auch weiß, wie leicht der Somnambule sowohl durch eigene Eitelkeit als schlechte Leitung durch den Magnetiseur zu fal-schen Angaben zu verleiten ist, und weil ja nicht alle Personen in den somnambulen Tiefschlaf zu versetzen sind, rät er, daß man nie den Somnambulismus her-vorbringen wolle, sondern ihn auf naturgemäße Weise kommen lasse und ihn benütze, wenn er da ist.

Der Abbé Joseph Custodi di Faria (1756-1819), der einer indischen Brahminenfamilie entstammte, im Alter von 15 Jahren Goa (Portugiesisch Indien) ver-ließ, 1772 in ein römisches Priesterkollegium eintrat, wo er 1780 zum Priester geweiht wurde, begab sich 1788 als Privatmann nach Paris, wo er sich nach eini-gen Jahren, nachdem er mit dem Magnetismus be-kannt geworden war, der öffentlichen Vorführung der Einschläferung von Personen hingab. Er verglich die Methoden Mesmers und Puységurs mit jenen der Priester Indiens, die ihre Epopten ohne Striche auf

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bloßen Befehl und durch den beidseitigen Willen in den Schlaf durch «Konzentration» versetzten. Er un-tersuchte die Vorgänge des Somnambulismus, da er gesehen hatte, daß Schlafwillige nur durch seine An-wesenheit, oft ohne seinen Willen, in einen hypnoti-schen Schlaf gefallen waren und versuchte, in öffent-lichen Schaustellungen seine Künste zu beweisen. Wo sein konzentrierter, starrer Blick und sein Wille nicht genügten, den Schlaf herbeizuführen, gab er wört-liche Befehle, zu schlafen, wodurch er gewissermaßen ebenso zum Vorläufer der Suggestion wie der Hyp-nose Braids wurde. Noch vor den Engländern hat er die schmerzstillenden Eigenschaften des Magnetismus erkannt und ausgesprochen. Faria hatte aber nicht lange Glück mit seinen Vorführungen. Verhöhnt und verlacht von der Öffentlichkeit, zog er sich bald zu-rück und starb, als er erst einen Teil seiner Erfah-rungen und Theorien in seinem «Du sommeil lucide» niedergeschrieben hatte.

Den Weg, den Faria gegangen war, beschritten nun andere immer konsequenter. Der Arzt Jacques-Fran-çois-Alexandre Bertrand (1795-1831)1, der in jungen Jahren noch ein überzeugter Fluidist gewesen war, verließ bald diese Richtung ganz und schrieb die Er-scheinungen des magnetischen Schlafes wieder der

1 Bertrand, Du magnétisme animal en France. Paris 1826.

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Imagination zu, die Kraft aber einer seelischen Be-einflussung im Sinne der späteren Suggestion.

Im Jahre 1825 stellte der Pariser Arzt Pierre Foissac (1801-1886) an die Akademie wiederum das Begeh-ren, den Magnetismus nochmals ernsthaft zu unter-suchen. Diese ernannte hierauf eine neunköpfige Kommission, die die Versuche Foissacs beobachteten. Im Bericht des Kommissionsmitgliedes Henri-Marie Husson (1772-1853) wird einzig die Tatsache des Somnambulismus voll bestätigt, während andere Wir-kungen des Magnetismus entweder als nicht vorhan-den oder als Folge der Einbildungskraft und der Ein-tönigkeit der Bestreichungen gewertet werden. Trotz-dem fordert Husson die Akademie zur weiteren För-derung der Untersuchung des Magnetismus auf.

Husson's Bericht geriet bald in Vergessenheit und erst, als 1836 der Arzt Jean-Victor Oudet (1788-1868) seinen akademischen Mitgliedern den von ihm be-obachteten Fall einer schmerzlosen Zahnextraktion an einem in den magnetischen Schlaf versetzten Patien-ten berichtete, wurde diese neuerliche Mitteilung aus dem Bereiche des Magnetismus in einer Sitzung der Akademie ebenso heftig wie ergebnislos diskutiert.

Auf die Beweise, die der Magnetiseur Didier Jules Berna der Akademie für den Magnetismus zu liefern vorschlug, wurde zwar nochmals eine Kommission

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zusammengestellt. Sie arbeitete aber mit solchen Vor-urteilen, daß das Ergebnis gleich null war und die medizinische Akademie beschloß, sich künftig auf keine Beschäftigung mit dem tierischen Magnetismus mehr einzulassen.

Neben den Vertretern des heilenden Magnetismus gab es solche, die der philosophischen Seite des Pro-blems besondere Aufmerksamkeit schenkten. Unter diesen befanden sich fast alle großen Geister der da-maligen philosophischen Schulen Deutschlands: Im-manuel Kant (1724-1804), Arthur Schopenhauer (1788-1860), Joh.Gottl.Fichte (1762-1814), F.E.D. Schleiermacher (1768-1834), Lorenz Oken (1779-1851), Gottfried Heinrich Schubert (1780-1860), Friedr.Wilh. Jos. Schelling (1775-1859) u.a.m.

Einer anderen Richtung, die mehr dem religiös-mystischen Gehalt des Magnetismus nachspürte, ge-hörten hervorragende Männer wie Prof. Karl August Eschenmayer (1768-18 5 2), Dr.A.Justinus Chr.Kerner (1786—1862), Dr. Theobald Kerner und andere an.

Justinus Kerner und Karl Kiesewetter, die beiden ersten deutschen Mesmerbiographen, befaßten sich zudem mit den okkulten Erscheinungen, an denen der Magnetismus ebenfalls so reich ist. Darin schloß sich ihnen namentlich Dr. Karl du Prel an. Ihre Arbeiten führen zum modernen Okkultismus.

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Die Linie der praktischen und sich immer wieder auf Mesmer berufenden Magnetiseure und Verteidi-ger der magnetischen Heilweise geht etwa über W. Wurm1, Gustav Jaeger (1832-1917)2 und viele andere erfolgreiche und verdiente Namen, auf die alle aufzu-zählen verzichtet werden mußte, zu den heutigen Ma-gnetopathen.

2. Die Fluidisten und das Od. Die Ausscheidung des Emp-findungsvermögens. Reichenbach, Blondlots N-Strahlen, de

Rochas, Grunewald und die Ergebnisse der neuesten Forschung

Unter den Forschungen, die nicht unmittelbar vom Magnetismus ausgingen, aber geradewegs in einen seiner Wesenskerne vordrangen und wichtigstes Ma-terial zu seiner wissenschaftlichen Enthüllung sam-melten, gehört die Odforschung. Ihr erster Vertreter ist Dr. Karl Friedrich Freiherr von Reichenbach (1788-1869). Diesem durchaus unmystischen, konsequenten, nüchternen Forscher, der ein eigenes Eisenwerk be-trieb und durch gute Beobachtung das Kreosot und Paraffin entdeckte, verdankt die Welt eine Unmenge

1 W. Wurm, Darstellung der Mesmerischen Heilmethode, Mün-chen 1857.

a Gustav Jaeger, Entdeckung der Seele, Leipzig 1885.

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von Erfahrungen, die uns im Zusammenhang mit dem Magnetismus interessieren. Auf selbständige Art be-merkte er bei seinen Experimenten mit Sensitiven, daß sie Strahlungen wahrnehmen konnten, die an-deren Menschen verborgen blieben und kam so zu Feststellungen, die ganz den von Mesmer gemachten diesbezüglichen Beobachtungen entsprechen.

«Führen Sie einen guten Mittel- oder einen Hoch-sensitiven in die Finsternis der Dunkelkammer, neh-men Sie eine Katze, einen Vogel, einen Schmetterling, wenn er zu haben ist, und einige blühende Blumen-stöcke mit. Nach Verlauf von ein paar Stunden wer-den Sie seltsame Dinge hören. Die Blumen werden aus dem Dunkel heraustreten und wahrnehmbar wer-den. Erst werden sie in Form einer verschwommenen grauen Wolke sich aus der Schwärze der allgemeinen Finsternis herausheben. Später werden sich darin hel-lere Stellen bilden. Endlich werden sie auseinander gehen, die einzelnen Blüten werden unterscheidbar werden, immer heller erscheinend werden Gestalten sich erkennen lassen; und als ich dem verstorbenen Professor Endlicher, dem berühmten Botaniker, der Mittelsensitiver war, einen solchen Stock vorgesetzt hatte, rief er mit erschrockenem Erstaunen: ,Es ist eine blaue Blume, es ist eine Gloxinie!' Es war in der Tat Gloxinia speciosa, var. coerulea, die er in ab-

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soluter Finsternis gesehen und nach Form und Farbe erkannt hatte. Ohne Licht kann man aber in der Fin-sternis nichts sehen; Licht muß also dagewesen sein, um die Pflanze mit solcher Deutlichkeit wahrnehmen zu können, daß nicht bloß die Gestalt, sondern sogar die Farbe erkannt wurde. Und dieses Licht kam in der Tat aus der Pflanze selbst; sie leuchtete. Fruchtknoten, Staubfäden, Staubbeutel, Blumenkronen, Schaft, alles zeigte sich feinleuchtend, selbst das Laub konnte, wenn auch matter, erblickt werden. Alles erschien in einer zarten Glut, die Genitalien am deutlichsten, der Schaft heller als das Laub. Ihr Schmetterling, Ihr Vogel, Ihre Katze - alle werden in der Finsternis zum Vorschein kommen, Teile derselben werden leuch-tend werden und sich mit ihnen hin und her bewegen. Aber bald werden Sie vom Sensitiven die Erklärung empfangen, daß er Sie selbst sehe. Erst werden Sie ihm erscheinen wie ein ungestaltet weißlicher Schnee-mann, bald wie ein Geharnischter mit hohem Helm, endlich furchtbar wie ein leuchtender Riese. Lassen Sie die sensitive Person ihre eigene Gestalt beschauen. Sie wird mit einiger Betroffenheit sich selbst leuch-tend finden, nicht bloß ihre Arme, auch ihre Füße, ihre Beine, ihre Brust, ihren Leib durch die Kleider hindurch, alles wird sie in feiner Glut schimmernd er-blicken. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die

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Hände. Erst werden sie einem grauen Rauche ähneln, dann werden sie einem Schattenrisse auf schwach er-helltem Grunde gleichen; endlich werden die Finger selbstleuchtend auftreten, sie werden das Ansehen haben, das sie gewinnen, wenn man seine Hand dicht vor eine Kerzenflamme hält, wie durchscheinend. Die Hand wird länger erscheinen als sie wirklich ist; an jedem Finger wird sich eine leuchtende Verlängerung befinden, und es wird von seiner Spitze eine Leuchte ausströmen, die nach Umständen halb bis ganz so lang ist, als jeder Finger selbst. Die Hand wird durch diese feurigen Schweife, die an jedem Finger sich befinden, ihre wirkliche Länge um das Doppelte zu überschrei-ten scheinen. Am hellsten werden die letzten Glied-chen der Finger sein, und auch an diesen werden die Nagelwurzeln vorleuchten.

Wenn die erste Verwunderung über diese bis jetzt verborgen gebliebene Selbstleuchte aller Menschen sich gelegt haben wird und Sie wollen die Frage auf ihre Farbe richten, so werden Sie vielleicht mit neuer Überraschung hören, daß diese zwischen verschiede-nen Teilen des Leibes nicht gleich sei, daß die rechten Hände in bläulichem Feuer leuchten, während die lin-ken gelbrot erscheinen und daß ebendarum jene dunk-ler, diese heller seien; daß der gleiche Unterschied zwischen beiden Füßen stattfinde; daß selbst die

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ganze rechte Seite Ihres Gesichtes dunkler, bläulicher sei als die linke, ja daß die ganze rechte Seite Ihres ge-samten Leibes bläulich und etwas dunkler, die ganze linke Seite aber rötlich-gelblich und merkbar heller sich darstelle. Unverzüglich muß Ihnen beifallen, daß Sie hier auf denselben Farbengegensatz von Blau und Rotgelb stoßen, der Ihnen im Kristallicht, im Sonnen-schein und in den Magnetflammen begegnet ist.1»

«Ich brachte in einer finsteren Nacht (Mai 1844) einen mächtigen Bergkristall zu einem hochsensitiven Mädchen. Ihr Arzt war zufällig zugegen. Wir stellten vollkommene Finsternis in zwei Zimmern her, in de-ren einem ich den Kristall auf eine jedermann unbe-kannte Stelle brachte. Nach einigem Verweilen, um die Augein erst an Finsternis zu gewöhnen, führten wir das Mädchen in das Zimmer, wo der Kristall war. Es verging nur kurze Zeit, als sie mir schon die Stelle bezeichnete, wo ich denselben niedergelegt hatte. Sie sagte mir, daß der ganze Körper des Kristalls in einem feinen Lichte durch und durch erglühe und daß über seiner Zuspitzung eine handgroße 'Leuchte empor-ströme, blau, in beständig wogender Bewegung, mit-unter scintillierend, tulpenförmig, oben in einen fei-nen Dunst sich verlierend. Wenn ich ihn umkehre, so

1 Reichenbach, Odisch-magnetische Briefe, 3.-5.Aufl. Leipzig 1921. 5. Brief, S. 2i ff.

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sah sie über dem andern, stumpfen Ende des Kristalls einen dumpfen, rotgelben Rauch sich erheben.1»

«Den ersten Versuch mit dem Magnet machte ich mit Frl.N. in Wien (April 1844) und wiederholte ihn später hundertfältig mit anderen Sensitiven in der Dunkelkammer. Sie erklärte zuerst: an beiden Enden des Stabes brenne eine Flamme, leuchtend und feurig, rauchend und funkenwerfend, am Nordpol blau, am Südpol gelbrot. Stellen Sie den Magnetstab vertikal auf, den Südpol nach oben, so werden Sie hören, daß die Leuchte wachse; sie wird, wenn der Magnet stark genug ist, bis zur Decke emporsteigen, ja sie wird am Plafond selbst einen erleuchteten rundlichen Fleck hervorbringen, einen zwei bis drei Fuß im Durch-messer, so hell, daß wenn der Sensitive reizbar genug ist, er Ihnen die Malerei angibt, die er dort gewahrt.

Schöner noch wird die leuchtende Erscheinung ins Auge fallen, wenn sie einen Hufmagneten dazu ver-wenden und ihn aufrecht stellen, mit beiden Polen nach oben. Ich habe ein neunblättriges Hufeisen von hundert Pfund Tragkraft; von jedem seiner Pole sehen alle Sensitiven eine feine Leuchte, also zwei neben einander ausströmen, die sich nicht anziehen, nicht auf-heben, nicht auf einander einwirken, wie dies die ma-

1 Reichenbach. Odisch-magnetische Briefe, 3.-5. Aufl. Leipzig 1921. 2. Brief, S. 8 ff.

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gnetischen Kräfte beider Pole tun, sondern die ruhig nebeneinander hoch emporströmen, von zahllosen weißleuchtenden Pünktchen wimmeln und zusammen eine mannshohe Lichtsäule bilden, die jeder, der sie sah, ergreifend schön schilderte. Sie erhebt sich verti-kal bis zum Plafond und bildet dort einen erleuchteten runden Flächenraum von beinahe einem Klafter Durchmesser. Dauert das Schauspiel eine zeitlang an, so wird nach und nach die ganze Zimmerdecke sicht-bar. Steht ein solcher Magnet auf einem Tische, so erleuchtet die flammende Emanation seine Fläche und die Geräte auf demselben auf Ellenweite. Hinter einer Hand, die man dazwischen bringt, entsteht sichtlich ein Schatten. Hält man einen flachen Körper, ein Brettchen, eine Glasscheibe, ein Metallblech wagrecht in die flammenartige Erscheinung hinein, so biegt sie sich daran um und strömt darunter hin, gerade wie eine jede andere Feuerflamme, wenn man eine Pfanne darein bringt. Bläst oder haucht man darein, so zer-flackert sie, wie wenn man eine brennende Kerze vor sich hätte. Entsteht ein Luftzug oder bewegt man sich mit dem Magnet, so legt sie sich auf die Seite in der Richtung der Luftströmung wie eine in Bewegung befindliche Fackel. Bringt man ein Brennglas in ihre Nähe, so läßt sich ihr Licht in seinem Focus sammeln und verdichten. Die Erscheinung ist also sehr kör-

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perlich und hat viele Eigenschaften mit einer gewöhn-lichen Flamme gemein. Bringt man zwei derselben so zusammen, daß sie kreuzend sich treffen, so stören sie einander nicht durch Anziehung oder Abstoßung, sondern sie durchdringen sich gegenseitig und beide setzen ihren Weg ungehindert fort. Ist eine davon stärker, so durchdringt sie die schwächere in der Weise, daß sie sich spaltet, die dann auf beiden Seiten um sie herumstreicht. Ähnliches geschieht, wenn man einen Stab hineinhält; er spaltet die Flamme und diese ver-einigt sich wieder hinter ihm. Der ganze Magnet be-findet sich in einer Art von weißlicher Glut. Ebenso verhalten sich Elektromagnete.1»

«Der Einfluß, den fremde, ungleichnamige Od-emanationen auf die Seiten eines Sensitiven nehmen, macht das Wesen des sogenanntenMagnetisierens aus. Wenn Sie es in der Finsternis tun, so sehen die Sensi-tiven die feurigen Büschel der streichenden Finger oder Pole über sich herabstreichen; sie sehen ferner da, wo diese Flammen gerade hinströmen, auf ihrem eigenen Leibe einen in stärkere Leuchte geratenen Fleck entstehen, der mit dem leuchtenden Erreger über sie hinunterläuft. Aus dieser Lichterscheinung sowohl als aus dem erzeugten Kühlegefühl erkennen sie klar, daß der Streichende auf den Organismus des

1 Odisch-magnetische Briefe. 4. Brief, S. 17 ff.

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Gestrichenen einen Reiz ausübt, und zwar einen, den man einen bedeutungsvollen nennen muß; daß das Od, das mit blauem Lichte ausströmt, auf die Träger des Odes mit rotem Lichte in ganz eigener Weise er-regend einwirkt. Und da der menschliche Leib ein starker Träger von Od ist, odisches Wesen mithin mächtigen Anteil an seinem Tiefinnersten hat, so be-greift es sich, daß odische Striche tief in die physische und geistige Ökonomie des Menschen eingreifen kön-nen. Erzeugung von Schlaf oder von Unruhe; Ein-flüsse auf krankhafte Störungen im Leibe, nützliche und schädliche Einwirkungen durch Händeauflegen, Bestreichen und dergleichen sind daher nicht ein .be-dauernswertes Irrsal von Lug und Trug und Aber-glauben'^ wie man anderwärts behaupten zu können vermeint, sondern sehr naturgesetzliche und in der Er-fahrung wohlbegründete physiologische Tatsachen.1»

Reichenbach nennt diese von Sensitiven sichtbaren und fühlbaren Ausstrahlungen ein kosmisches Dyna-mid und benennt es nach einem Sanskritwort: Od.

«Die ganze Natur zeigt sich von dem, was sich un-ter Od zusammenfaßt, durchdrungen, von seinen Er-scheinungen erfüllt, von seiner Polarität geformt: die organischen Gebilde gehorchen seinen Gesetzen, die Kristallisation wird von ihm bedingt und Pflanzen

1 Odisch-magnetische Briefe. 7. Brief, S. 31 ff.

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und Tiere sind ganz von ihm beherrscht. Der Mensch ist durch und durch, der physische wie der psychische, ein Gebilde, in welchem der odische Dualismus als Koeffizient fungiert.1»

Reichenbach hat ferner festgestellt, daß alle Affekte die menschliche Ausstrahlung steigern2. Der nackte Mensch ist ein Selbstleuchter, weiß in der Gesund-heit, rötlich in der Krankheit, ja schon vor deren Aus-bruch3.

«Wenn Frau Bauer in der Dunkelheit ihre Hand hin und her bewegte, sah Fräulein Zinkel von deren Od-ausströmung Fünkchen in der Luft zurückbleiben, wie vereinzelte blaue Sternchen. Dr. Mashold ge-wahrte beim Schleudern seiner Hand, wie Feuer von den Fingern hinwegflog und davon abgerissen in der Luft zu erblicken war. Schlug Reichenbach mit seinen Fingern auf Masholds Hand, so flogen Flämmchen von der Hand weg. Fräulein Reichel schlug die Hände zusammen, zersplitterte damit das Feuer ihrer Finger-spitzen und sah es in Funken umherspritzen4.

Reichenbach hat bald die Wichtigkeit seiner Ent-deckung für die künftige Medizin erkannt. «Dies kann

1 Reichenbach. Odisch-magnetische Briefe. 2 — Der sensitive Mensch, I 13 und II 657. 3 — Odische Erinnerungen 67. 4 — Der sensitive Mensch, II 66.

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ein Gegenstand von unberechenbarer Wichtigkeit für die Heilkunde, insbesondere für die Diagnose, wer-den. Es wird gelingen, jeden kranken Leib für Hoch-sensitive vollkommen durchscheinend zu machen, und man wird dann imstande sein zu sagen, welche inneren Organe krankhaft angegriffen sind und welche Fortschritte vor- und rückwärts das Leiden macht. Aber auch die Hergänge im gesunden Leibe wird man so prüfen.1»

Reichenbachs interessante, anfänglich phantastisch wirkende Versuchsergebnisse haben nach und nach eine ganze Reihe von Nachforschern gefunden, unter denen sich ganz hervorragende Ärzte, Physiker und Physiologen befinden. Die Entdeckungen Reichen-bachs, wie die hieher gehörenden Beobachtungen Mesmers, sind dadurch in ihrer Wirklichkeit vielfach bestätigt worden.

Der Berliner Chemiker Dr. Fritz Quade nennt den Menschen eine Odmaschine und ist davon überzeugt, daß der Organismus mit einer besonderen, von der offiziellen Physik noch nicht anerkannten Naturkraft, dem Od, arbeitet. Er entwickelt die Auffassung, «daß die sensiblen wie motorischen Nerven das Od etwa mit der aus Reichenbachs Studien über Odleitung in Fäden und Drähten bekannten Geschwindigkeit lei-

1 Reichenbach. Der sensitive Mensch, II 302.

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teten und daß die Erregungen sich nicht vermischten, da in Nerven wie im Rückenmark und Gehirn die ein-zelnen Stränge und Empfangsstationen durch Lipoid-hüllen gegeneinander isoliert wären.

Cocain, Atropin, Morphium, Curare und andere Gifte wären lipoidlöslich, drängen in die Lipoidschicht der Nerven ein und höben wahrscheinlich ihre Isolie-rung auf, so daß z. B. ein auf die sensiblen Nerven aus-geübter Reiz in einem mit Cocain durchtränkten Be-zirk nicht mehr zum Gehirn gelangte, oder daß ein vom Gehirn in den motorischen Nerven gesandter Impuls nicht mehr sein Ziel, den Muskel, erreichte, der Muskel also gelähmt wäre. . .

Sehr bemerkenswert ist, daß bei einem fast Tauben an den Ohröffnungen viel weniger odische Lohe aus-trat als bei Menschen, die gut hören. Manche Sensi-tive erkennen auch erkrankte Stellen am Körper eines andern beim Befühlen. Sie geben an, eine veränderte Odausstrahlung wahrzunehmen, bezw. eine Verdun-kelung kranker Organe zu sehen...

Es sind in letzter Zeit verschiedentlich exakte Ver-suche über die Förderung des Pflanzenwuchses durch Odung gemacht worden. Sie haben einwandfrei er-wiesen, daß magnetische Behandlung die Entwick-lung von Topfpflanzen außerordentlich förderte... Verfasser glaubt, daß die Odentwicklung bei Verdun-

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stung für die Pflanze eine ähnliche Rolle spielt wie die Odentwicklung bei der Atmung für das Tier . . . Die regelmäßig etwa alle Tage ein paar Minuten magne-tisierten Pflanzen entwickelten sich üppiger, blühten reicher, wurden größer und stärker als bei Anfang des Versuchs gleichgut entwickelte und nicht magneti-sierte Kontrollpflanzen.1»

Als 1903 Professor Rene-Prosper Blondlot (1849-1930) auf physikalischem Wege der Wissenschaft bis-her unbekannt gebliebene Strahlen entdeckte, die er seiner Universitätsstadt Nancy zuliebe N (Nancy)-Strahlen nannte, dachte unter seinen Kollegen, denen er seine Befunde vorlegte, niemand daran, daß diese mit den von Reichenbach als Od bezeichneten und durch seine Sensitiven beschriebenen Emanationen identisch sein könnten. Unermüdlich entwickelten Blondlot und sein Universitätskollege, der Physiker Pierre-Marie-Augustin Charpentier (geb. 1852), die Forschungen nach diesen eigenartigen Strahlen, so daß eine Riesenmenge von zuverlässigen Versuchser-gebnissen über alle nur möglichen Eigenschaften der N-Strahlen vorliegen, die es ermöglichen, genaue Ver-gleiche mit den Ergebnissen von Reichenbach anzu-stellen. Diesen Vergleich zieht Dr. Wehofer (Feerhow) und kommt zum Schluß:

1 Dr. Fritz Quade, Odlchrc (odik) Pfullingen 1924.

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«Kein geringerer Triumph nun, behaupte ich, ist es für Reichenbach, daß er durch die N-Strahlenentdek-kung eine derart glänzende Bestätigung gefunden hat! In dieser vorliegenden Abhandlung allein sind einige hundert Fakten beschrieben worden, in denen sich die N-Experimente als Wiederholung, oft als eine verblüf-fend treue Kopie des Od-Originals erwiesen haben.

Da sich ganze Gruppen der N-Strahlenversuche unter ein gemeinsames physikalisches Naturgesetz vereinigt unterordnen und die Naturgesetze von N-Strahlen und Od nach unserer Beweisführung die gleichen, alle Erscheinungsformen der ,beiden' Ener-gien aber identisch sind, so folgt daraus, daß Reichen-bach in den N-Strahlenexperimenten mehrere tausend Male bestätigt worden ist.1»

Angeregt durch solche Forschungen sind von nam-haften Fachleuten Meßgeräte für die odische Emana-tion gebaut worden, so von E.K. Müller in Kilchberg8. Quade erwähnt in seiner Odlehre einen andern Kon-struktionsversuch von Ing. Jirotka, Berlin.

Auf dem Umweg über die Wünschelrutenforschung kommen auch Dr. phil. et med. /. Wüst, Studienpro-

1 Friedr. Feerhow, N-Strahlen und Od. Ein Beitrag zum Problem der Radioaktivität des Menschen. Leipzig 1912.

1 Müller, Objektiver, elektrischer Nachwcis der Existenz einer «Emanation» des lebenden menschlichen Körpers und ihre sicht-baren Wirkungen. Basel 1932.

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fessor J. Wimmer und Prof. Dr. A. Wendler zu Fest-stellungen, die geeignet sind, die wissenschaftliche Seite des Problems zu klären. In seinem Aufsatz: «Welche Energieform veranlaßt den Ausschlag der Wünschelrute»1 schreibt Dr. Wüst über die physiolo-gische Seite des Wünschelrutenproblems:

«Im Mittelpunkt steht das magnetoide Feld der Lebewesen, das wohl weitgehend mit dem identisch sein dürfte, was frühere Zeiten unter ,animalem Ma-gnetismus' verstanden. Beschränken wir uns auf den Menschen, so muß den Ausgangspunkt der Betrach-tungen, die durch die Untersuchungen besonders von W.Trendelenburg und F.Scheminsky experimentell sichergestellte Tatsache bilden, daß der menschliche Körper in seinem Nerven-, Muskel- und Drüsensy-stem ausschließlich mit Wechselströmen überlagerte, d. h. hinsichtlich Stärke und Spannung veränderliche, pulsierende Gleichströme erzeugt und zwar norma-lerweise mit Frequenzen von ca. 1-400 Hz. Damit eng verknüpft ist die Entstehung von Organgeräuschen, deren Schwingungszahlen gleichfalls im angegebenen Niederfrequenzbereich liegen. Elektromagnetische und mechanische Schwingungen fester und flüssiger Systeme im Niederfrequenzbereich wurden aber in den

1 Zeitschrift für Wünschelrutenforschung. München. Februar 1936. S. 27fr.

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eingangs erwähnten Versuchen als Ursachen der ma-gnetoiden Schwingungen der Luftsauerstoffmoleküle erkannt, die mit den betreffenden Systemen zusammen-stoßen. Das magnetoide Feld des Alenschen ivird damit auf niederfrequente Schwingungen der Luftsauerstoffmolekiile in der Umgebung des Menschen zurückgeführt, die durch den Menschen als e/ektro-magnetisch und mechanisch schwingen-des System verursacht werden. Möglicherweise ist damit auch das physikalische Wesen der ,Aura' und des ,Astralkörpers' des Menschen, deren Existenz von der okkulten Medizin aller Jahrhunderte in dieser oder jener Form behauptet wurde, in einem Hauptpunkt klargestellt, wenngleich hierbei sicher auch die in un-mittelbarer Nähe des lebenden Körpers durch die in-sensible Perspiration der Haut veränderte Luftbe-schaffenheit eine Rolle spielt. Auch elektromagnetische Schwingungen im Ultraviolett (Gurwitsch), im Be-reich der Wärmestrahlen und längerer Wellen (Sauer-bruch und Schumann) sowie die statischen Aufladun-gen der Hautoberfläche (Heydweiller, Oppenheim) können dabei mitbeteiligt sein. Jedenfalls ist das ,Feld' um den Menschen ein sehr komplexes physikalisches und chemisches Kraftfeld und die magnetoiden Schwingungen des Luftsauerstoffs, auf die hier hinge-wiesen wurde, stellen nur einen beschränkten, wenn-gleich vielleicht sehr wichtigen Teil desselben dar.

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Daß Wimmer über den verschiedenen Teilen der menschlichen Körperoberfläche Ausschläge von + oder —90° erhält (RA 477), genau so wie über dem Ende eines an positive oder negative pulsierende Gleichspannung angeschlossenen Drahtes, ist nichts anderes als ein weiterer Ausdruck für die bekannte physiologische Tatsache, daß in der Körperoberfläche zahlreiche Nerven endigen, die pulsierende Gleich-ströme führen, bezw. an pulsierende Gleichspannun-gen angeschlossen sind. Und wenn Wimmer auf einem Draht, den ein beliebiger Mensch am einen Ende mit den Fingern berührt, stets Ausschläge von -f- oder — 900 in Abständen von 7,1 cm findet wie bei Anschluß eines Magnetpoles (RA 463), so kommt das daher, daß für die Wünschelrute die magnetische Komponente eines elektromagnetischen Schwingungssystems einem Magnet durchaus äquivalent ist, sowohl hinsichtlich des Ausschlagswinkels und der Ausschlagsrichtung wie auch hinsichtlich der Wellenlänge. Die Verteilung der magnetoiden Polarisationen' auf der Körper-oberfläche reduziert sich damit zu einer Frage der Strom- und Spannungsverteilung in den Nerven, Ge-fäßen und Muskeln, zur Frage, in welcher Weise die stromführenden Organe an die Zentren der biologi-schen Elektrizitätserzeugung und -Verteilung ange-schlossen sind. Es ist klar, daß Krankheiten Störungen

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in der Elektrizitätsversorgung der betroffenen Be-zirke, sowie Änderungen des Organschalls mit sich bringen können und daß daher auch die Wünschel-rute, die auf derartige Schwingungen reagiert, über kranken Organen anders ausschlägt wie über gesun-den, wie das die Untersuchungen von Dr. Schreiber oder von Ing. H.Gotsche mit Dr. med. vet.W.Laue zur Genüge gezeigt haben. Man bekommt aber durch die hier entwickelten Gesichtspunkte ein Abschät-zungsvermögen für die Bedeutung und Leistungs-fähigkeit dieser Diagnosenmethoden und wird da-durch vor ihrer Überschätzung bewahrt.»

Ing. Frit\ Grunewald, Charlottenburg, prüfte in vie-len exakten Versuchen die ferromagnetischen Er-scheinungen am Menschen. Er war sich dabei bewußt, daß die besondere Bedeutung seiner Untersuchungen in der Aufdeckung von Beziehungen des Magnetis-mus zu physiologischen Vorgängen und in weiterer Hinsicht zu Vorgängen lag, bei denen nach gewissen Ansichten «Lebenskraft» und «mediumistische Ener-gie» umgesetzt werden soll. Die Untersuchungen er-streckten sich auf die feststehende Fähigkeit gewisser Personen, durch Annäherung ihrer Hände die Ma-gnetnadel ablenken zu können. Grunewald1 hat bei

1 Grunewald, Ferromagnetische Erscheinungen am Menschen. Leipzig 1922.

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seiner Versuchsperson festgestellt, daß der Magnetis-mus in meßbarer Größe erst nach dem ersten Morgen-frühstück auftrat. Während des Tages war er Schwan-kungen unterworfen. Er steigerte sich nach jeder Mahlzeit, erreichte aber nur sein Maximum, wenn der Mahlzeit eine Stuhlentleerung gefolgt war. Die Ver-suchsperson war ein praktizierender Magnetopath. Grunewald machte an ihm nun Messungen vor und nach heilmagnetischen Behandlungen und stellte in 115 Fällen fest, daß die ferromagnetische Intensität seiner Versuchsperson nach jeder Behandlung um etwa einen Drittel abgenommen hatte. Nach mehreren aufeinanderfolgenden Behandlungen konnte die aus-gestrahlte magnetische Kraft auf Null sinken. Sie er-holte sich abere immer wieder bis zum Anfangswert, sobald eine Defäkation vorgenommen wurde.

Dieser eigentümliche Defäkationseffekt im An-schluß an eine Heilbehandlung läßt sich ganz im Sinne der Magnetopathen deuten, welche der Ansicht sind, daß sie beim Streichen nicht nur «Lebenskraft» auf den Patienten übertragen, sondern auch gleichzeitig von diesem die schlechten Krankheitsstoffe in Form feiner Ausströmungen an sich ziehen. Diese müßten es dann sein, die mit der Ausscheidung des Kotes wieder abgeführt werden.

Um festzustellen, ob der Kraftverlust des Magneto-

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pathen nicht auf die geleistete körperliche Muskel-arbeit beim Bestreichen zurückzuführen sei, veran-laßte er ihn zur Ausführung von magnetischen Stri-chen durch die Luft ohne Gegenwart eines Patienten. Die Versuchsperson sträubte sich zuerst gegen diesen Versuch, weil er von der Resultatlosigkeit überzeugt war. «Der Versuch, bei dem am 18.März 1921 mit beiden Händen eine Viertelstunde lang Passes von oben nach unten gemacht wurden, genau wie bei einer gewöhnlichen Behandlung, hatte nicht eine Schwä-chung oder ein Konstantbleiben der magnetischen In-tensität zur Folge, sondern eine beträchtliche Zunahme derselben. Die Intensität am Schluß des Versuches be-trug das Zweieinhalbfache des Anfangs wertes.»

Durch Willensanstrengung und Konzentration konnte jeweils nur eine geringe Steigerung der In-tensität festgestellt werden.

Die außerordentlich starke Kraftaufnahme während des Versuches der Magnetisierung in leerer Luft, die nicht durch autosuggestive Einstellung der Ver-suchsperson veranlaßt sein konnte, spricht für die Möglichkeit einer Aufnahme in der Atmosphäre vor-handener Lebenskraft. Wiederholungen des Versuches bestätigten stets das Resultat des ersten Falles.

Grunewald spricht dann noch von Versuchen mit Medien. «Es hat sich in einer Serie von im Jahre 19x7

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mit der Versuchsperson angestellten mediumistischen Sitzungen gezeigt, daß die zu Beginn jeder Sitzung im Trancezustand des Mediums ballistisch gemessene ferromagnetische Intensität der Hände in bedingter Weise ein Maßstab war für die Stärke der in den ein-zelnen Sitzungen erhaltenen mediumistischen Phä-nomene. - Bei zwei mit der ballistischen Methode an-gestellten Versuchsreihen ist es nun dem Vortragen-den gelungen, auf indirektem Wege Zentren der ma-gnetischen Kraft, Pole, zu lokalisieren, und zwar eigentümlicherweise solche, die nach den Ergebnissen der Messungen unbedingt außerhalb des körperlichen Organismus liegen müssen.»

Wir werden im nächsten Abschnitt über die Aus-scheidung des Empfindungsvermögens auf ähnliche Phänomene stoßen.

Grunewald versuchte auch mehrere Male, von sei-nem Magnetiseur sogenannte Kraftlinienbilder, wie sie mittelst Eisenfeilspänen auf einer Glasplatte er-halten werden, nach der aus der Physik bekannten Methode, zu erlangen, was ihm wirklich auch gelang, obwohl gerade diese eine besonders große Kraftin-tensität verlangen.

Ein anderes wichtiges Kapitel in der Erforschung des menschlichen Fluidums bilden verschiedene Grup-pen von Versuchen, die sich mit der Ausscheidung des

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Empfindungsvermögens (der Exteriorisation der Sensi-bilität) befaßten. Albert de Rochas (1837-1914) ging bei seinen hochinteressanten Experimenten von Rei-chenbachs Od aus. Er experimentierte zusammen mit Dr. Luys von der Pariser Charité. In diesen Versuchen vermochten sie die Augen von Albert L., der von Beruf Zeichner war, durch magnetische Striche in Zu-stände zu versetzen, in denen sie hochgradig hellsich-tig wurden, so daß Albert L. alles zeichnen und malen konnte, was er im somnambulen Zustand sah. Dr. Luys untersuchte von Zeit zu Zeit die magnetisierten Augen und stellte durch den Augenspiegel fest, daß der Augengrund eine außerphysiologische Spannung der Blutgefäße darbot, und daß der Umfang der Blut-gefäße fast verdreifacht war1. Durch diese Versuche erhielten die Experimentatoren ein farbiges Anschau-ungsmaterial über die von den Somnambulen gese-henen Ausstrahlungen, die die Ergebnisse der Rei-chenbachschen Versuche voll bestätigten und inneuem Licht veranschaulichten.

De Rochas stellte sich die experimentell zu lösen-den Fragen, ob dieses Hellsehen das Ergebnis subjek-tiver Einbildung, einer eventuellen Suggestion oder

1 Albert de Rochas, Die Ausscheidung des Empfindungsver-mögens. Experimentelle und historische Studie. Autorisierte Uber-setzung von Helene Kordon. 2.-3. Aufl. Leipzig 1925.

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Unehrlichkeit des Sensitiven sei, oder ob die Erschei-nungen tatsächlich als etwas Objektives vorhanden seien. Er zog zu diesen Versuchen noch einen hervor-ragenden Physiker hinzu. Der Physiker «kannte im übrigen die Geschichte des Problems gar nicht und wir waren übereingekommen, daß ich keinerlei dies-bezügliche Anspieglungen machen würde, um ihn nicht zu beeinflussen ». Er versuchte auch sonst alle nur möglichen Fehlerquellen auszuschalten um zu mög-lichst täuschungsfreien Resultaten zu kommen. Die darauf erhaltenen Ergebnisse aus den Experimenten lauten: Der menschliche Körper sowie viele andere Körper strahlen Fluide aus, die von Somnambulen wahrgenommen werden können. Die Farben sind blau (N) und rot (S). Die Wahrnehmung geht von gelb aus, welches der mittleren Empfindung entspricht, gegen rot, wenn die Schwingungszahl abnimmt, nach violett, wenn diese Zahl sich vergrößert. Die Aus-strahlung erfolgt entweder statisch in Form eines leuchtenden Flaumes, der die Oberfläche der Haut be-deckt oder dynamisch in Form von leuchtenden Aus-strahlungen durch die Sinnesorgane und Poren des menschlichen Körpers1.

De Rochas hat sodann nach der Methode Mesmers und seiner Nachfolger durch Strichbehandlungen zu

1 de Rochas, Ausscheidung des Empfindungsvermögens, S. 64-65.

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erforschen gesucht, welches der Einfluß seiner eigenen Ausstrahlungen auf andere Personen sei. Das Ergeb-nis dieser Untersuchungen lautet:

«Von den ersten Strichen an verschwindet das Emp-findungsvermögen der Haut und das des Geruchs. Man kann den Somnambulen zwicken, stechen und selbst brennen, man kann ihm Ammoniak unter die Nase bringen, ohne daß er etwas wahrnimmt, aber er fährt fort zu hören und zu sehen. Nach einer ge-wissen Zeit, die nicht nur in bezug auf den Somnam-bulen, sondern bezüglich der Natur des Empfindungs-vermögens veränderlich ist, erscheinen all jene Emp-findungen wieder in einer neuen Form. Sie sind spe-ziell wahrnehmbar für den Magnetiseur und die Per-sonen oder Sachen, welchen er sein Fluid überträgt. Die früheren Magnetiseure nannten dies den Zustand des Zusammenhangs'. Mehr noch: das Tastgefühl, anstatt wie gewöhnlich an der Oberfläche der Haut wahrgenommen zu werden, erstreckt sich außerhalb des Körpers nach besonderen Gesetzen. Endlich spe-zialisiert sich auch das Gedächtnis, nachdem es nach und nach die jüngsten Ereignisse verläßt, um über ältere zu berichten, für den Magnetiseur in dem Sinne, daß der Somnambule alles vergißt, Familie und Freun-de, um nichts mehr auf der Welt zu kennen als den Magnetiseur und sich selbst. Und wenn der Somnam-

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bule bei diesem Grad der Isolierung angelangt ist, hat er seine Intelligenz und das Gedächtnis seiner Sprache vollkommen bewahrt, so zwar, daß er fortfährt zu überlegen und genau so zu sprechen, wie wenn er wach wäre.

Sobald das Empfindungsvermögen verschwindet, scheint sich der leuchtende Flaum, der im Wachzu-stand den Somnambulen umgibt, in der Atmosphäre aufzulösen und erscheint hierauf nach einiger Zeit wieder in Form eines leichten Nebels, der sich nach und nach verdichtet, indem er zusehends glänzender wird und endlich den Anschein einer sehr dünnen Schicht annimmt, welche, auf 3-4 cm von der Haut-oberfläche entfernt, allen Konturen des Körpers folgt.

Die Einwirkung des Magnetiseurs auf diese Schicht empfindet der Somnambule, als wenn auf seine Haut eingewirkt worden wäre, während seine Haut selbst für alle Einwirkungen des Magnetiseurs wie dritter Personen empfindungslos ist.

Bei fortgesetzter Magnetisierung bilden sich in gleichmäßigen Abständen von 6-7 cm weitere Schich-ten um den Körper des Somnambulen und dieser fühlt nun die Berührungen, die Striche, das Brennen nur auf diesen Schichten, welche sich oft bis auf 2-3 Meter folgen, indem sie sich durchdringen und kreuzen, ohne sich in wahrnehmbarer Weise zu verändern. Ihre

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Empfindlichkeit nimmt im Verhältnis zur Entfernung vom Körper ab.

Gewöhnlich nach der 3. und 4. Phase der Lethargie bieten die konzentrischen Schichten zwei Intensitäts-maxima dar. Eine an der rechten, die andere an der linken Seite des Somnambulen und es bilden sich, man könnte sagen, Empfindungspole.

Am häufigsten erschien die erste äußere Empfin-dungsschicht im 3. Zustand, bei einigen Somnam-bulen bleibt sie aber ganz aus, bei anderen erschien sie schon nach den ersten magnetischen Strichen im Zu-stand der Leichtgläubigkeit. Diese erste Ausschei-dung des Empfindungsvermögens kann aber schon infolge einer Erregung, einer Nervenstörung etc. auf-treten.

Der Somnambule spürt die empfindlichen Schich-ten, wenn er im Zustand der tiefen Hypnose seine Hände einander nähert.1»

Kneift man im Zustand des Austritts des Empfin-dungsvermögens den Somnambulen in die Haut, so bleibt er ohne Empfindung. Kneift man ihn aber in die außerhalb des Körpers ausgeschiedenen Schich-ten, so empfindet er das Kneifen ebenso wie der Nor-male ein Kneifen in seine Haut empfinden würde. Das

1 de Rochas, Ausscheidung des Empfindungsvermögens, S. 65 — 66 und 70 ff.

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Empfindungsvermögen kann also durch magnetische Striche, in der Haut parallel laufende Schichten aus-geschieden werden, während vermutlich durch Od-leitung die Empfindungen zu den sie registrierenden Partien im Gehirn geleitet werden, so daß sich der in den Empfindungsschichten außerhalb des Körpers Gekniffene dessen bewußt wird.

Ließ de Rochas von seiner Versuchsperson ein Glas Wasser magnetisieren bis es odgesättigt war, so wurde es leuchtend und eine Art leuchtende Wolke löste sich von ihm ab. Stach man nun in eine der leuchtenden Wasserschichten, so empfand es der Somnambule, dessen Haut unempfindlich war. Selbst wenn man das magnetisierte Wasser vom Somnambulen nicht allzu weit entfernte, blieb es für ihn immer noch empfind-lich, auch wenn außerhalb des Wassers keine emp-findliche Schicht mehr bemerkbar war. Wurde das Wasser vom Somnambulen zu weit entfernt, blieben die spürbaren Empfindungen aus, traten aber sofort wieder in Erscheinung sobald das Glas näher an den Somnambulen gebracht wurde. Blieb es kurze Zeit außerhalb der Empfindungsschichten, so verlor es diese Eigenschaft.

In zahlreichen Versuchen stellte de Rochas fest, daß Stoffe wie Wasser, Gelatine, Wachs, Stoffe, Watte etc. zur Aufspeicherung des Empfindungsvermögens

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besonders geeignet sind. Das deckt sich mit Mesmers Erfahrung, der seinen Kranken magnetisiertes Was-ser zu trinken gibt oder einem andern Wickel von ma-gnetisiertem Stoff umlegen läßt, um bei ihnen auf diese Weise sein heilkräftiges Fluid einwirken zu lassen. Ebenfalls liegt hier die Erklärung der «Mu-mia» des Paracelsus, anderseits jene der Praktiken der Hexen.

Dem gleichen Problem der Ausscheidung des Emp-findungsvermögens haben auch zahlreiche Versuche von Rudolf Tischner1 gegolten. Er erwähnt darin die gleichgerichteten Versuche von de Rochas, Joire und Boirac und geht dann zur Berichterstattung über seine eigenen Forschungen. Indem er das Menschenmög-liche tat, um alle nur möglichen Suggestions- oder andere Fehlerquellen auszuschalten, wiederholte er in vielen Varianten die Versuche mit dem von der Ver-suchsperson geladenen Glas Wasser, in das er ohne Wissen des Somnambulen hineinstach, wobei diese fast ausnahmslos reagierte, während sie nichts emp-fand, wenn der Experimentator in ein ungeladenes Glas Wasser stach. In das empfindlich gemachte Glas wurden dann Baldriantropfen gegossen, worauf das vom Glas entfernte Medium mit Kopfschmerzen und

1 Rudolf Tischner, Fernfühlen und Mesmerismus (Extériorisation der Sensibilität). München 1925. S. 24fr.

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Herzklopfen reagierte. Da Tischner auf Grund der Anordnung früherer Versuche am Zustandekommen so vieler positiver Reaktionen irgendwelche Sugge-stionseinflüsse vermutete, legte er bei seinen Versu-chen auf diese Seite besonderes Augenmerk, indem er durch für ihn selbst unbekannte Bezeichnung der Versuchsgläser bis zur Nachprüfung nicht wußte, welches das geladene Glas war, bald absichtlich ver-suchte, die Versuchsperson durch Ablenkung auf un-richtige Gläser irrezuführen. Seine erhaltenen Ergeb-nisse überzeugen, daß die magnetische Kraft unabhängig von der Suggestion wirkt, ja daß sie selbst die Wirkung der Suggestion vernichten kannx.

Die Hauptergebnisse seiner Untersuchungen faßt er in folgenden Feststellungen zusammen2:

«i. Der menschliche Körper scheidet bei manchen Menschen unter Umständen ein gewisses Etwas aus, das man Fluid nennen mag, das den Zusammenhang mit dem Körper irgendwie wahrt und ,Reize', die auf den mit dem Fluid geladenen Gegenstand wirken, dem Menschen übermittelt und Empfindungen ver-anlassen kann.

1 Rudolf Tischner, Fernfühlen und Mesmerismus (Extériorisation der Sensibilität) München 1925. S. 33.

' do. S. 41. Siehe auch vom gleichen Autor: Die Extériorisation der Sensibilität und der Magnetismus. Pfullingen.

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2. Durch diese Feststellung wird die noch keines-wegs in negativem Sinne gelöste Frage des Mesmeris-mus, für dessen Existenz auch sonst noch manches geltend zu machen ist, wieder aktuell.

3. Diese Ausscheidung der Sensibilität steht inengem sachlichem Zusammenhang mit den fluidalen Gliedern bei der Telekinese und den Materialisationen und verdient deshalb als paraphysisches Anfangs- und Grundphänomen eine erhöhte Aufmerksamkeit.»

Nach diesen Ausführungen kann als einwandfrei erwiesen betrachtet werden, daß vom lebenden Men-schen Ausstrahlungen im Sinne Reichenbachs wie Mesmers ausgehen. Ferner, daß sich diese Ausstrah-lung verändert, wenn der Leib, das seelische Wohlbe-finden oder der Geist zu kranken beginnen und daß sie wieder zu ihrem normalen Strahlenbild zurück-kehrt, wenn die Gesundheit wiederhergestellt ist. Da-mit ist eine Möglichkeit der Feststellung des Ge-sundheitszustandes und der Veränderung im Sinne einer Besserung oder Verschlechterung gegeben. Da der Mensch nicht mehr als gesund sein kann, hört die Heilwirkung des Magnetismus auf, sobald ein nor-maler Strahlungszustand wiederhergestellt ist.

Es ist auch nachgewiesen worden, daß der Mensch Od abgeben und ein anderer es aufnehmen kann, das Fluid Od also übertragbar ist. Der Strahlungszustand

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eines Menschen kann durch die größere und gesün-dere Strahlungsintensität eines anderen mit ihm in engem Rapport stehenden Menschen angeregt, be-lebt, anderseits aber durch starkes, aber krankes Fluid vergiftet werden und dies namentlich wenn da-mit ein gleichgerichteter aus den Tiefen kommender Wesensstrom, ein gesteigertes Wohlwollen oder an-derseits böse Absichten verbunden sind. Große For-scher wie de Rochas, Boirac, Durville, Tischner und manche andere haben ja festgestellt, wie dieses Fluid im engsten Zusammenhang mit der Empfindung steht, die mit dem Fluid ausgeschieden werden kann und so ist es nicht mehr schwer zu begreifen, daß Segen und Fluch keine Ammenmärchen und kein Aberglaube mehr sind.

Abschließend erlaube ich mir noch, aus dem großen Werk von Prof. Moser «Der Okkultismus»1 aus dem Kapitel über den sogenannten animalen Magnetismus folgendes zu zitieren:

«Nachdem jetzt auch an den okkulten Erscheinun-gen nicht mehr zu zweifeln ist, die Magnetiseure somit hier ebenfalls recht behalten haben, drängt sich die im Kapitel Hypnotismus aufgeworfene Frage wieder auf: warum sind mit dem animalen Ma-

1 F. Moser, Der Okkultismus. Täuschungen und Tatsachen. Zürich 1935.

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gnetismus und seinen Prozeduren auch seine Wunder verschwunden? Warum hat der Wechsel in den Me-thoden einen so auffallenden Wechsel in den Erfolgen gehabt? Sind wir wirklich gescheiter und erfahrener, vor Täuschungen daher besser geschützt? Oder liegt es an unseren Methoden, als Folge der Erklärung: alles Suggestion? Diese Möglichkeit muß jetzt unter-sucht werden, weil die Magnetiseure immer wieder betont haben: ihre Methoden seien die Voraussetzung zu deren Hervorbringung..

Es sei z.B. auf die Untersuchungen des Mesmer-Komitees der Society über den magnetischen Rapport verwiesen: nur durch «Passes», also magnetische Striche, war der günstige Zustand zu erreichen2.

So hat die Berührung oft eine Wirkung sui generis, als werde ein Strom eingeschaltet. Das scheint unbe-streitbar3.

Am drastischten und über alle Suggestion hinaus tritt der Einfluß der Berührung bei derHylomantie zutage. Diese muß als der gesuchte objektive Beweis bezeich-net werden. An der spezifischen Wirkung der Berüh-rung und damit der magnetischen Prozedur kann also kein Zweifel sein, bei Berücksichtigung des ganzen

1 F. Moser, Der Okkultismus. II 851/52. 1 do. 852. 3 do. 854.

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Materials, in Übereinstimmung mit der französischen Kommission von 1825: ,Einige Erscheinungen schei-nen allein vom animalen Magnetismus abzuhängen und lassen sich ohne ihn nicht hervorrufen.' So ist der Schluß zwingend: die Wunder der Magnetiseure sind verschwunden, nicht als Folge unserer besseren Einsicht, sondern weil wir ihre Methode nicht mehr anwenden. Der Wechsel in den Methoden, Hand in Hand mit dem Sieg der Suggestionslehre, ist somit schuld an dem auffallenden Wechsel in den Erfolgen, und das Rätsel des Hypnotismus hat nicht nur eine Antwort als Lösung, wie Myers, sein genialster Er-forscher, vermutet hatte. Der ,kleine Hypnotismus von heute' ist also nur die eine und nicht einmal be-deutendste Seite des animalen Magnetismus von einst. Um die bestrittene andere Seite zu erhalten, muß wie-der zu den alten Verfahren, den Passes vor allem, ge-griffen werden. Systematisch, mit gleicher Geduld und Ausdauer verwendet, müssen sich dann die Wunder wieder einstellen.1»

1 F.Moser, Der Okkultismus. Täuschungen und Tatsachen. Zürich 1935. Bd. II, S. 855.

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Hypnose und Suggestion. Die Verfahren von Braid und Coué. Alesmerische Einflüsse auf die Entwicklung des

geistigen Heilens

Hatte AbbéFaria schon die schmerzstillenden Eigen-schaften des Magnetismus hervorgehoben, war es Oudet 1836 gelungen, nach magnetischer Einwirkung einen Zahn schmerzlos zu ziehen, so behandelte Charles Lafontaine1 Gebärende, die durch seine Mani-pulationen bei normalen Wehen einen schmerzlosen Geburtsverlauf erzielten. In Kalkutta hatte James Es-daile um 1840 über 300 Operationen ausgeführt, die durch gleichzeitige magnetische Behandlung schmerz-los verlaufen waren. Ende 1841 ging nun Lafontaine auf eine Vortragsreise nach Manchester, wobei er auch magnetische Experimente zeigte. Unter seinen Zuhörern befand sich damals der Manchester Chirurg und Nervenarzt James B.Braid (1795-1860). Ange-zogen durch die verblüffenden Ergebnisse des Mes-merismus glaubte er zuerst, die magnetischen Hei-lungen seien ein Schwindel. Es müsse sich auch bei Lafontaines Vorführungen um eine abgekartete Sache zwischen dem Magnetiseur und dem Magnetisierten handeln; die Heilungen würden nie anhalten und alles sei mehr oder weniger Bluff und Betrug. Braid be-

1 Alb. Moll, Hypnotismus. Berlin 1907.

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gann darauf den Tatsachen selbständig und unbeein-flußt auf seine Art nachzuforschen und stellte sich bald in seinen Anschauungen und Theorien in offenen Gegensatz zu Mesmer. Als gelehrter Aufklärer ver-wirft er einmal das magnetische Fluid, das er nicht sehen und nachweisen kann und erklärt den ganzen Vorgang als einen rein psychischen. Er lehnt deshalb auch die Bezeichnung Magnetismus ab und führt, nachdem er sich durch eigene Versuche überzeugt hat, daß doch nicht alles an den Erscheinungen Bluff und Betrug war, die der Hypnose als eines künstlich erzeugten nervösen Schlafes ein.

Braids Verfahren beruhte nur auf seinen eigenen, unbeeinflußten Erfahrungen, die er sich selbständig verstandesgemäß erklärte und danach seine Theorie richtete. Anfangs hatte er mit einem jungen Manne experimentiert, den er in seiner Wohnung unentwegt die Öffnung eines Flaschenhalses anstarren ließ. Da er dabei die Augenlider stark zu heben gezwungen war, ermüdete er rasch Augenmuskeln und Augennerven. Bald ließ er die Lider senken, vor Überanstrengung tränten die Augen, der Kopf sank ihm vornüber und er verfiel in einen tiefen Schlaf. Diesen ersten geglück-ten Versuch wiederholte Braidmit seiner eigenen Frau. Nach kurzer Zeit fiel auch sie in tiefen Schlaf, sank vom Stuhl, erhielt hysterische Zufälle, in denen ihr

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Puls beängstigend anstieg und mußte rasch geweckt werden. Auch an seinem Diener, der ihm oft bei sei-nen täglichen Arbeiten zur Hand sein mußte, wieder-holte er den Versuch, indem er ihn zur Erreichung eines chemischen Experimentes mit vollster Aufmerk-samkeit den über seiner Augenhöhe angebrachten Flaschenhals anstarren hieß. In wenigen Minuten war sein braver Diener erschöpft in tiefsten Schlaf gefallen. Ein anderes Mal ließ er sich an beiden Daumen halten und dabei fest in die Augen schauen, was zur Ein-schläferung ebenfalls vollkommen genügte. Braid stellte nach zahlreichen übereinstimmenden Ergeb-nissen fest, daß das anhaltende Anstarren, die Ruhe und Konzentration eine Gleichgewichtsstörung in den Gehirn- und Rückenmarkzentren bewirke und die Herztätigkeit und Atmung beeinflusse. Er kam auch bald zur Überzeugung, daß weder der Wille des Hyp-notiseurs noch ein Anfassen oder Streichen notwen-dig sei, sondern daß die auf einen Gegenstand oder eine Vorstellung gebannte Konzentration die im Hyp-notisierten beobachtete Veränderung hervorrufe. Die zum hypnotischen Schlaf fähig machende Suggesti-bilität hielt er für eine pathologische Veranlagung. Er konnte nicht jedermann in den tiefen hypnotischen Schlaf versetzen, hielt dies auch nicht eigentlich für notwendig.

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Viele, die Braid hypnotisieren konnte, vermochte er von Krankheit zu heilen. Mit der von ihm entwik-kelten Technik heilte er Schwachsichtigkeit, Schwer-hörigkeit, Gedächtnisschwäche, Anästhesie, Muskel-schwäche, Rheumatismus, Kopfschmerzen, Zahn-schmerzen,Neuralgien, Verdauungsstörungen, Schlaf-losigkeit, Krämpfe, Lähmungen, Zittern, ja sogar ein-zelne Fälle von Epilepsie usw. und führte viele schmerzlose Operationen durch.

Aus seinen eigenen Erfahrungen mit der Hypnose kam Braid zu folgenden Schlußfolgerungen:

«i. Die angestrengte und andauernde Fixierung des menschlichen Auges bei gleichzeitiger Konzentration der Gedanken auf den fixierten Gegenstand ruft einen Zustand im Nervensystem hervor, der schlafähnlich ist, indem jedoch je nach Verfahren Erscheinungen auftreten, die sich weder im Wachsein noch im natür-lichen Schlaf zeigen.

2. Alle Sinne mit Ausnahme des Gesichtes könnenin diesem Zustande verschärft werden, ebenso gelingt es, die Muskelkraft zu erhöhen. Im späteren Verlauf aber werden die Sinne in ihrer Tätigkeit weit unter das Niveau ihrer Empfindungen im natürlichen Schlaf herabgesetzt. In diesem Zustand der Hypnose können auch lokale oder allgemeine Veränderungen in der Nerventätigkeit wie auch in der Zirkulation herbei-

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geführt werden, entweder in steigernder oder herab-setzender Tendenz.

3. Können die Sekretionen verändert werden, waschemisch nachweisbar ist.

4. Auf Grund dieser Tatsachen können Heilungenvollzogen werden, ja es können sogar Krankheiten, die schwer zu behandeln waren oder als unheilbar schienen, vollkommen geheilt werden. Auch können durch die Hypnose durch Berührung des Schädels oder des Gesichtes verschiedene körperliche Äuße-rungen veranlaßt werden.1»

Braid blieb mit seinen Erfahrungen und Lehren nicht unangefochten. Die Ärzteschaft leistete ihm heftigen Widerstand und die Magnetiseure warfen ihm mit Recht vor, daß er nur von außen an das Problem her-angetreten sei. Tatsächlich erreichte Braid trotz seiner ganz erstaunlichen Erfolge nicht alle wirksamen Phä-nomene, wie sie im Magnetismus bekannt sind. Sein Tiefschlaf, das Braidsche Koma unterscheidet sich ganz wesentlich vom magnetischen Tiefschlaf, indem es z. B. keine Hellsichtigkeit hervorzurufen vermag.

Das Hauptwerk von James Braid ist seine 1843 in London erschienene «Neurypnology»2, dem eine Ver-

1 Braid, Der Hypnotismus. Berlin 1882. 2 Braid, Neurypnology; or the rational of nervous sleep, con-

sidered in relation with animal magnetism. London 1843.

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teidigungsschrift vorausgegangen ist und mehrere kleinere Abhandlungen gefolgt sind, die aber gegen-über seinem Hauptwerk nichts wesentlich Neues ent-halten.

Erst 1850 erhielt Braid die Unterstützung durch den Physiologen Bennet und 1853 durch Carpenter, während die Ärzte Forbes1 und Barth2 zu seiner Ver-teidigung Schriften hatten erscheinen lassen, die auch ins Deutsche übersetzt wurden. 1882 erschien in Ber-lin Braids «Hypnotismus».

Der folgerichtig denkende Braid hat sich über das System seines Hypnotismus kein abschließendes Ur-teil gebildet. Als Sohn der englischen Aufklärungs-zeit hat er mit seinem kritischen Verstand keine Fol-gerungen gezogen, die über das wissenschaftlich Er-langbare hinausgegangen sind. Auch Mesmer war in seinem Denken durchaus Wissenschafter. Er war alles andere als ein Mystiker, sondern ein gelehrtes, auf die Wissenschaft wie sein in wissenschaftlichem Sinn ge-haltenes System pochendes Kind seiner Zeit. Sein Genie hat aber vieles intuitiv erahnt und ausgeführt, wohin ihm Braid nicht folgen konnte. Im ganzen ge-nommen bringt die Lehre Braids dem Magnetismus

1 Forbes, Über Somnambulismus, Hellsehen und tierischen Ma-gnetismus. Wien 1846.

2 Georg Barth, Lebensmagnetismus, Leipzig 1852.

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keinen Entwicklungsgewinn. Sie ist eher ein wesent-licher Rückschritt, eine Beschränkung.

In Frankreich ist es vor allen Jean Martin Charcot (1825-1893), der Begründer der Metallotherapie ge-wesen, der die Braidsche Lehre mit Interesse aufnahm und ihr zu wachsendem Ansehen verhalf. Er reihte die Hypnose unter die Neurosen ein, erkannte in ihr einen rein physiologischen Vorgang und glaubte, daß ihr nur wenige Menschen, nur Hysterische, zugänglich seien. Anders Dr. Ambroise-Auguste Liebault (1823-1904) und Professor Hypolite Bernheim (1837-1919). Sie betrachteten sie ganz unter dem Gesichtspunkt der Suggestion. Während Charcot wie Braid die Mei-nung vertrat, daß die Suggestibilität eine krankhafte Disposition des Menschen sei, sahen Liebault und Bernheim darin einen natürlichen Vorgang, der allen Menschen mehr oder weniger eigen ist. Dieser letz-teren Überzeugung schließen sich die meisten moder-nen Gelehrten und Praktiker an (August Forel, O. Vogt u. a. m.). Es ist nicht die Manipulation, die zur Hypnose führt, sondern die Vorstellung des Hypnoti-sierten, komme sie nun als Übertragung vom Hypno-tiseur oder als eigene Vorstellung. Wer in sich die Vorstellung bilden kann, und dies können mit Aus-nahme geistig zurückgebliebener oder geistig gestör-ter Menschen alle, ist auch hypnotisierbar. Diese Er-

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kenntnis führte dazu, daß man die äußeren Mittel zur Erreichung des hypnotischen Zustandes, die Fixie-rung des Blickes auf einen Gegenstand, fallen ließ und durch anschauliche Beschreibung der Zustände, die eintreten sollen, die Vorstellung dieser Zustände im Patienten hervorruft. Es erfolgt darauf im Patienten die unterbewußte Verarbeitung zur Verwirklichung der durch Suggestion fixierten Vorstellung. Es ist also allein die Vorstellung, die übertragen wird und diese Vorstellung soll sich im Patienten verwirklichen. Wille und Gedanke spielen keine Übertragungsrolle.

Brauchte es noch bei Liébault und Bernheim zur Erreichung der Hypnose einen Hypnotiseur, einen Magnetiseur oder Suggestor, so führten die Erfah-rungen Emile Coué (1857-1926) dazu, auch diese als nicht unbedingt notwendig zu betrachten, weil jeder Patient die nötige Vorstellung durch Autosuggestion ohne Mithilfe einer andern Person in sich wachrufen und verwirklichen kann. Coué sind die dazu notwen-digen Vorgänge rein innerseelische.

Coué, der von Beruf Apotheker war und sozu-sagen aus innerer Berufung und einer Leidenschaft am Experimentieren zum psychologischen Heilprak-tiker wurde, legte die gewonnenen Erfahrungen und Theorien in einer kleinen Schrift «La maîtrise de soi-même par l'autosuggestion consciente» nieder, die

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bald auch ins Englische und Deutsche1 übersetzt her-ausgegeben wurde. «Nicht der Wille ist der Antrieb unseres Handelns, sondern die Einbildungskraft (Ima-gination)» ist der Leitsatz seiner Lehre. Er geht dabei von der Überlegung aus, daß der Mensch gleichzeitig nur ein Ding denken kann und daß jede Idee, jede Vor-stellung, die sich genügend stark eingeprägt hat, danach strebt, sich zu verwirklichen und sich auch verwirk-licht, soweit ihr keine Naturgesetze entgegenstehen.

Jeder Mensch besitzt in sich zwei Individualkräfte, die sich wie zwei verschiedene Individuen gebärden. Das eine ist das sich stets bewußte Hirnwesen mit seiner rationalen Willenskraft, das andere das Unbe-wußte, dem die Imagination, die Vorstellungskraft zu eigen ist. Coue kommt nach seinen Erfahrungen zu folgenden Schlüssen:

1. Wenn Wille und Vorstellung sich widersprechen, so unterliegt der Wille, ohne jede Ausnahme.

2. Im Konflikt zwischen Wille und Vorstellung istdie Kraft der Vorstellung fast proportional größer als die Willenskraft.

3. Wenn sich Wille und Vorstellungskraft koordi-nieren, so wird der erstere durch die letztere verviel-facht.

1 Coue, Die Selbstbemeisterung durch bewußte Autosuggestion. Deutsch von Dr. Paul Amann, Basel.

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4. Die Vorstellungskraft kann geleitet werden.Coué versammelte die bei ihm Heilungsuchenden

in einem kahlen Raum, erläuterte ihnen kurz seine Methode und forderte alle Anwesenden auf, die Augen zu schließen. Zwischen den Reihen der Kranken auf-und abgehend, hielt er eine Ansprache, ziemlich rasch und monoton sprechend, indem er sich ganz auf die Wirksamkeit, auf das Unterbewußte einstellte.

Der Coué-Schüler V. von Gruenewaldt übersetzt uns den Vorgang einer Couébehandlung aus «La maîtrise de soi-même»1 :

«Täglich dasselbe wiederholend, sprach er folgendes : , Setzen Sie sich und schließen Sie die Augen. Ich

unternehme es nicht, Sie einzuschläfern, es ist über-flüssig. Ich bitte Sie die Augen zu schließen, lediglich aus dem Grunde, damit Ihre Aufmerksamkeit durch keinerlei äußere Eindrücke zerstreut werden kann. Sagen Sie sich nur, daß die Worte, die ich jetzt aus-sprechen werde, sich fest in ihr Gehirn eingraben werden, sich dort fixieren, sich dort für immer fixie-ren werden, dort immer eingegraben und unverrück-bar stehen werden und daß Sie selbst, ohne daß Sie es wollen, ohne daß Sie es wüßten, in ganz unwill-kürlicher, unbewußter Weise Ihrem Organismus Be-

1 V. von Gruenewaldt, Von Mesmer zu Coué. Ein Beitrag zu den suggestiven Heilmethoden, München 1927.

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fehle erteilen, Befehle, denen Sie unweigerlich gehor-chen werden.

Ich sage Ihnen zuerst, daß Sie jeden Tag dreimal, morgens, mittags und abends, um die Stunden Ihrer Mahlzeiten, Hunger haben werden, d.h. jenes ange-nehme Gefühl, welches den Gedanken auslöst: ,oh, wie freue ich mich auf das Essen!' Und Sie werden tatsächlich mit Appetit essen, das Essen wird Ihnen schmecken. Sie werden die richtige Menge Nahrung zu sich nehmen. Sie werden nicht zu viel essen, aber Sie werden langsam kauen, so daß die feste Nahrung, die Sie zu sich nehmen, einen weichen Brei bilden wird, den Sie leicht hinunterschlucken werden. Unter diesen Umständen werden Sie sehr gut verdauen. Und Sie werden weder im Magen noch in den Därmen irgendwelche unangenehmen Gefühle, irgendeinen Schmerz verspüren. Die Ausnutzung der Nahrung wird eine vollkommene werden, und Ihr Organismus wird vollkommen alle Stoffe aufnehmen, die nötig sind zur Bildung des Blutes, der Muskeln, der Nerven, der Kraft, der Energie, mit einem Wort: zur Steige-rung des Lebens. Da Sie ganz ausgezeichnet verdauen werden, so wird auch Ihre Darmtätigkeit eine ganz normale sein. Jeden Morgen, gleich nach dem Auf-stehen, werden Sie das Bedürfnis nach Entleerung ha-ben. Ohne je ein Medikament zu brauchen oder sonst

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irgendein künstliches Mittel, werden Sie einen ganz normalen und zufriedenstellenden Stuhlgang haben.

Des weiteren werden Sie jede Nacht vom Moment, wo Sie den Wunsch zum Einschlafen haben, bis zu dem Moment, wo Sie aufzuwachen wünschen, schla-fen. Sie werden einen tiefen, ruhigen und ausruhen-den Schlaf haben, in dem Sie nur angenehme Träume träumen und aus dem Sie ganz gesund, ganz heiter und gut aufgelegt und frisch erwachen werden. Sollte es vorkommen, daß Sie zuweilen traurig sind, daß trübe Gedanken Sie quälen, nun, von jetzt ab wird es nicht mehr so sein. Statt Trübsal zu blasen, sich Kum-mer zu machen, finster und traurig zu sein, werden Sie freudig sein, sehr freudig, froh, ohne Grund, es mag sein, aber jedenfalls froh, froh ohne Grund, so wie es früher auch manchmal grundlos Traurigkeiten gab. Ja ich will noch mehr sagen, selbst wenn Sie wirklich Grund zur Trauer haben, wenn reale Ur-sachen für Sorgen vorliegen, so werden Sie sich keine Sorgen machen. Wenn Sie zuweilen ungeduldig oder gar heftig wurden, Sie werden es nicht mehr sein, im Gegenteil, Sie werden immer geduldiger, immer freundlicher und liebenswürdiger, immer voll Selbst-beherrschung sein. Und all die Dinge, die Sie lang-weilten oder irritierten, sie werden Ihnen von nun an vollkommen gleichgültig sein. Sie werden ruhig, sehr

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ruhig, Sie werden ganz ruhig sein. Und wenn zuwei-len traurige oder ungesunde Gedanken und Vorstel-lungen Gewalt über Sie erlangten in Form von Furcht und Schrecken, ja wenn Zwangsgedanken Sie quälen, so will ich, daß sich alle diese Gedanken immer mehr und mehr aus dem Blickfeld ihrer Vorstellung ent-fernen, daß sie wie Wolken immer mehr verschwin-den und daß sie sich vollkommen auflösen; wie ein Traum weicht bei Erwachen, so werden alle diese fixen Ideen schwinden.

Ich füge hinzu, daß alle Ihre Organe gut arbeiten, das Herz schlägt normal und das Blut kreist ruhig und gleichmäßig, wie eben ein gesundes Blut kreisen soll. Die Lungen arbeiten gut, der Magen, die Leber, die Galle, die Milz, die Nieren, die Blase erfüllen ihre Aufgabe in vollkommenstem Maße. Wenn eines unter diesen Organen eben anormal arbeitet, so wird diese Anomalie schwinden, jeden Tag ein wenig, so daß in einiger Zeit das Organ geheilt ist und seine normalen Funktionen aufnehmen wird. Des weiteren, wenn in irgendeinem dieser Organe eine Verletzung oder eine Narbe ist, so wird der Schaden jeden Tag immer mehr ausheilen und rasch ganz geheilt sein. (Hier fügte Coue für jeden Patienten, an ihn herantretend und ihn leise berührend, eine besondere Spezialsuggestion ein — um dann fortzufahren.)

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Ich füge noch hinzu, und das ist von äußerster Wichtigkeit, wenn Sie bisher ein gewisses Minder-wertigkeitsgefühl empfunden haben, ein gewisses Mißtrauen gegen sich selbst, so wird dieses Mißtrauen immer mehr schwinden, um dem Gegenteil, dem Selbstvertrauen Platz zu machen, einem Selbstver-trauen, das gegründet ist auf diese unschätzbare, gro-ße Macht in uns, und dieses Selbstvertrauen ist eine unerläßliche Notwendigkeit für jedes menschliche Wesen. Ohne Selbstvertrauen, ohne Glauben an sich selbst gelangt man nie zu einem Ziel, und mit Selbst-vertrauen kann man alles erreichen. Natürlich nur das Menschenmögliche. So fassen Sie denn Vertrauen zu sich selbst, und dieses Selbstvertrauen gibt Ihnen Gewißheit, daß Sie fähig sind, alles Natürliche, was Sie sich vornehmen, alles Verständige und Vernünftige nicht nur gut, sondern ganz ausgezeichnet ausführen zu können. Sie können alles, was Sie sich vornehmen, es wird Ihnen zur Gewißheit. Darum, wenn Sie irgend eine Aufgabe lösen müssen, die Sie sich selbst gestellt haben oder die Ihre Pflicht ist, denken Sie sich immer, daß die Aufgabe leicht ist. Die Worte ,schwer', ,un-möglich', ,ich kann nicht', ,es ist stärker als ich' sollen aus Ihrem Sprachschatz verschwinden. Sie sind nicht würdig; würdig ist es zu sagen und zu denken: ,Es ist leicht, und ich kann'. Eine als leicht angesehene Auf-

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gäbe wird leicht, selbst dann, wenn andere sie schwer finden, und Sie werden jede Aufgabe des Lebens lö-sen, Sie werden sie gut lösen, Sie werden sie ausge-zeichnet lösen und Sie werden sie ohne Ermüdung lösen, weil Sie sie ohne Anspannung geleistet haben. Hingegen wenn Sie die Aufgabe für schwer oder un-lösbar ansehen, so wird sie es für Sie lediglich aus dem Grunde, weil Sie sie so auffassen. Zusammenfassend will ich, daß es Ihnen immer besser gehe, sowohl im physischen wie im psychischen Leben und Erleben. Sie werden eine ganz ausgezeichnete Gesundheit ha-ben, eine noch bessere als bisher, es wird Ihnen jeden Tag und in jeder Hinsicht immer besser und besser gehen. Und jetzt werde ich bis drei zählen, und wenn ich drei sage, werden Sie die Augen öffnen und Sie werden frisch sein, ganz frisch, und Sie werden sich kräftig fühlen und gut aufgelegt und voll Lebenskraft, Sie werden ganz heiter sein und sich in jeder Hinsicht wohl fühlen. Eins! Zwei! Drei!'»

In späteren Jahren hat Coue die in seiner Ansprache noch enthaltenen Negativsätze alle durch positive er-setzt.

Den Heilungsuchenden, die er nicht selbst behan-delnkonnte, gab er bestimmte Sätze zur «Meditation», wie: «Jeden Tag und in jeder Hinsicht geht es mir immer besser und besser». Die Sätze mußten morgens

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und abends halblaut etwa zwanzigmal ohne Anstren-gung, monoton wiederholt werden, am besten vor dem Einschlafen und im Erwachen. «Machen Sie sich die Suggestionen so kindlich, so einfach, so mecha-nisch, ja so banal wie möglich», hatte ihnen Coue ge-raten.

Das Unterbewußte, das Carl Gustav Carus 1846 erstmals genauer definiert und zum Begriff gemacht hatte1 führt über Coue zur modernen Psychoanalyse und zur Parapsychologie, auf die ich in dieser Arbeit nicht näher einzugehen beabsichtige und mich mit der Feststellung begnüge, daß auch sie Glieder einer Ent-wicklung sind, die sich aus dem Mesmerismus fort-gepflanzt haben und in ihrem Wiederbefassen mit den einstigen Methoden Mesmers noch sehr viel Wert-volles wiedergewinnen könnten.

Bei Justinus Kerner, Eschenmayer und Theobald Kerner haben wir schon auf den religiösen Aspekt hingewiesen, den diese den Erscheinungen und der Philosophie des Magnetismus abgewannen. Durch die generelle Abschwächung des religiösen wie magischen Lebens in der Aufklärungszeit und der Entwicklung der materialistischen Ideen fanden tiefer veranlagte Menschen hier ein Äquivalent und die neue Lehre

1 Carus, Psychc, Jena 1926.

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von den magnetischen Erscheinungen stieß bei ihnen manches Tor zum Verständnis uralter Einsichten auf. In Deutschland beeinflußte die Erscheinung Etnanuel Swedenborgs (1688-1772) übermächtig die Gemüter. In Frankreich ließ der Mesmerist L.A.Cahagnet (1809-185 5) im Jahre 1848 sein Buch «Magnétisme, Arcanes de la vie future dévoilés» erscheinen, während sich gleichzeitig in Amerika unter dem Einfluß Andrew Jackson Davis1 (1826—191 o) geradezu eine Volksbewe-gung für den geistigen Verkehr mit dem Jenseits bil-dete und dem Spiritismus viele Wege ebnete. Da Davis in der Krankheit einen Mißklang der Seele sah, der ursprünglich in den geistigen Kräften vorhanden ge-wesen sein mußte, um den Organismus krank zu ma-chen, wurde er wie Phineas Parkhurst Quimby (1802-1866) ein starker Förderer des geistigen Heilens. Quimby, ein praktizierender Magnetiseur, gilt als Vater dieser Richtung des Heilens durch den Geist. Als solcher hatte er einen mächtigen Einfluß auf Mary Baker-Eddy(1821-1910), die die Bewegung der «Christ-lichen Wissenschaft» ins Leben gerufen hat. Trotz der

1 Davis, The principles of nature, her divine révélation and a voice to mankind, 1847. — Die Prinzipien der Natur, ihre göttlichen Offenbarungen und eine

Stimme an die Menschheit, Leipzig 1869. — The philosophy of spiritual intercourse, New York 1851. — Die Philosophie des geistigen Verkehrs, Leipzig 1884.

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strikten Ablehnung des Mesmerismus und der Be-streitung des Einflusses Quimbys sind sie geschicht-lich nachweisbar1. Ihr eigentliches Werk «Science and Health with Key to the Scriptures» (1875), von dem die englisch-deutsche Ausgabe (Boston 1918) «Wis-senschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur heiligen Schrift» heißt, bedeutet für über eine Million An-hänger geradezu eine Offenbarung und ist für die Gläubigen als Heilweg von eminenter Bedeutung.

Wir sehen also, wie auf so vielen Gebieten des menschlichen Lebens: der Heilkunde, der Philosophie, der Psychologie, der Kunst und des religiösen Lebens der Magnetismus eine so unverkennbar befruchtende Rolle gespielt hat, sie heute noch, und morgen viel-leicht in wachsender Bedeutung spielt und die Menschheit zu Dank verpflichtet.

1 Frank Podmore, Mesmerism and Christian Science. A Short History of Mental Healing. London 1909.

Stefan Zweig, Die Heilung durch den Geist, Leipzig 1931.

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4- Magnetismus und Medizin. Die Homöopathie erweist sich als die dem Magnetismus verwandteste und wirksamste medizinische Therapie. Sie ist besonders geeignet, die vom Magnetismus gespendete Lebenskraft am zweckmäßigsten

Zur Heilung zu lenken

Um auf die Heilwirkung des Magnetismus zurück-zukommen möchte ich kurz auf die vielen Anfragen, ob ich neben dem Magnetisieren auch Arzneimittel verabreiche, antworten und meine Erfahrung damit bekanntgeben.

Trotz der im ersten Augenblick verblüffenden An-sicht Dr. Mesmers, es gebe nur eine Krankheit und folglich auch nur eine Arznei, nämlich den Magnetis-mus, hat Mesmer selbst immer wieder seine magneti-schen Kuren mit Diätvorschriften, Genußgiftein-schränkungen oder -verboten, Laxier- und Brechmit-teln, Bädern und gelegentlichen Arzneien zu unter-stützen versucht. Er wußte, wie viel von einem ge-regelten Lebenshaushalt wie der normalen Funktion des Stoffwechsels für die Wiederherstellung abhängt. Solche Zusatzverordnungen bleiben bei ihm aber im-mer das Untergeordnete. Sie sind es auch in meiner Praxis geblieben. Die wertvollste Bereicherung des gerade in Zusammenwirkung mit dem Magnetismus uns zur Verfügung stehenden Arzneischatzes bietet

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mir unzweifelhaft Samuel Hahnemanns Homöopathie. Wie Hahnemann und Mesmer kann auch ich nicht ge-nug vor dem übermäßigen Gebrauch von Arzneien warnen, mögen sie nun durch den Mund oder die Spritze in den Körper gelangen. Die homöopathischen Mittel stellen so große Verdünnungen dar, daß ihnen von der Medizin heute noch vielfach die Möglichkeit, überhaupt noch eine Wirkung zu haben, abgesprochen wird. Es ist sicher sehr schade, daß Mesmer seinen Zeitgenossen Hahnemann, den zweiten überragenden Arzt und Pionier jener Zeit, nicht gekannt hat. Nichts läßt darauf schließen, daß Mesmer die während seines Lebens erschienenen Schriften Hahnemanns gelesen hat. Hahnemann hat ziemlich viel publiziert. 1806 war seine «Heilkunde der Erfahrung» als Vorläuferin des 1810 erstmalig erschienenen «Organon der Heil-kunst» herausgekommen. Auch in Hufelands Journal erschienen seit 1796 (II, 36. St.) Aufsätze über Homöo-pathie.

Umgekehrt war dem vielseitigen Hahnemann der Magnetismus nicht unbekannt geblieben. Er hatte ihn oft selbst mit Erfolg praktiziert und konnte ihn aus eigenen, genauen Beobachtungen beurteilen.

Christian Friedrich Samuel Hahnemann (1755-1843), dem die Unsicherheit der Medizin eine Qual war und der in der völlig ungenügenden Arzneimittelkenntnis

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der Ärzte ein schlechtes Omen für eine zielbewußte Heilkunst sah, kam 1790 bei der Übersetzung der Heilmittellehre (Materia medica) des berühmten Cul-len auf den Gedanken der eigenen, zuverlässigen Heil-mittelprüfung. Er war gerade daran, den Abschnitt über die fieberheilenden Kräfte der Chinarinde zu übersetzen und beschloß, auf dem sicheren Wege eige-ner Erfahrung eine Probe mit diesem Mittel zu ma-chen. Er nahm also eine bedeutende Dosis des Heil-mittels zu sich und erlitt gleichen Tags einen starken Anfall von Wechselfieber und beobachtete dabei Sym-ptome, von denen die Ärzte bisher nichts geahnt hat-ten. Er fand, daß das gleiche Heilmittel, das in großen Mengen bestimmte Krankheitssymptome hervorruft, in kleinen, ja kleinsten Mengen diese Symptome zum Verschwinden bringt und eine dauerhafte Heilung davon zurückläßt. Hahnemann prüfte nun in unzäh-ligen Versuchen die Wirkungen der Heilstoffe an sich selbst und schuf damit seine eigene Heilmittellehre, die davon ausgeht, jeder typischen Krankheits-Sym-ptomgruppe das geeignete Heilmittel, das bei Ein-nahme großer Mengen dieselben Symptome hervor-zurufen in der Lage war, in großer Verdünnung ent-gegenzustellen.

Durch unermüdliche exakte Arbeit und Beobach-tung entstand sein auf Erfahrung und eigenen Ver-

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suchen beruhendes Heilsystem der Homöopathie, das auf den vier Grundprinzipien beruht :

1. daß Krankheiten durch solche Arzneistoffe ge-heilt werden, die bei Prüfung an Gesunden, dem vor-liegenden Erkrankungsfall möglichst ähnliche Sym-ptome hervorgerufen haben. «Das Ähnlichkeitsmittel ist ein gleichsinniges Reinigungsmittel des Organis-mus, weil es dessen Gegenwehr herausfordert, also Heilbestrebungen einleitet» (Schlegel).

2. daß die Arzneiprüfungen an gesunden Menschen,deren Ergebnisse in der reinen Arzneimittellehre nie-dergelegt sind, die wissenschaftliche Grundlage des homöopathischen Handelns bilden.

3. daß die Dosis eines Heilmittels so gewählt wer-den soll, daß sie eine gerade genügende Heilanregung im kranken Organismus auslöst. Die Heildosis eines Arzneimittels zu bestimmen ist Sache der Erfahrung; sie hängt sowohl von der Art des Heilmittels als von der Organisation des Kranken ab. Man rechnet die Wirkungsmöglichkeit bis zur 24. Dezimalpotenz, in einzelnen Fällen sogar höher.

4. daß beim Kranken jeweils nur ein Arzneimittelin Anwendung kommt. «Wer Arzneigemische ver-wendet, ist in seinem Vorgehen einem Patienten zu vergleichen, der vier bis fünf Ärzte konsultiert und sich von jedem etwas verschreiben läßt, um dann alle Medi-

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kamente einzunehmen, in dem mißtrauischen Gedan-ken : Hilft das eine Mittel nicht, dann hilft das andere.1»

Den hohen Sinn der Hahnemann'schen Auffassung vom Heilen erhellen am besten einige Stellen aus sei-nem homöopathischen Hauptwerk, dem «Organon der Heilkunst»2. Dort sagt er, daß der einzige Beruf des Arztes schnelles, sanftes und dauerhaftes Heilen sei (§§ 1 u. 2). Er muß das an Krankheiten zu Heilende aufsuchen und das Heilende in den verschiedenen Arz-neien kennen, um dieses jenem anpassen zu können, auch muß er die Gesundheit der Menschen zu erhalten verstehen (§ § 3 und 4). Für den homöopathischen Arzt besteht die Krankheit nur in der Gesamtheit der Sym-ptome (§6). Er braucht nur die Gesamtheit der Sym-ptome hinwegzunehmen, um die Krankheit zu heilen (§7). Während der Gesundheit belebt eine geistartige Kraft (Lebenskraft) den Organismus und hält ihn in harmonischer Ordnung (§9). Ohne diese belebende Kraft ist der Organismus tot ( § 1 0 ) . Während der Krankheit ist ursprünglich nur die Lebenskraft krank-haft verstimmt und drückt ihr Leiden (die innere Ver-änderung) durch Anormalitäten an Gefühlen und Tätigkeiten des Organismus aus. «So ist z. B. die dy-namische Wirkung der krankmachenden Einflüsse auf

1 Dr. Karl Stauffer, Homöopathie, j. Aufl., Regensburg 1959. 2 SamuelHahnemann,OrganonderHeilkunst.6.Aufl.,Leipzig 1921.

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den gesunden Menschen, sowie die dynamische Kraft der Arzneien auf das Lebensprinzip, um den Men-schen wieder gesund zu machen, nichts als Ansteckung und so ganz und gar nicht materiell, so ganz und gar nicht mechanisch, als es die Kraft eines Magnetstabes ist, wenn er Eisen und Stahl anzieht» (§ 11). Durch das Verschwinden des Symptomen-Inbegriffs ist auch das Leiden der Lebenskraft, das ist der ganze innere und äußere Krankheits-Zustand, behoben (§12). Das Leiden der kranken Lebenskraft und die dadurch er-zeugten Krankheits-Symptome sind ein- und dasselbe (§15). Nur durch geistartige Einflüsse der krank-machenden Schädlichkeiten kann unsere geistartige Lebenskraft erkranken und so auch nur durch geist-artige (dynamische) Einwirkung der Arzneien wieder zur Gesundheit hergestellt werden (§16).

Gerade daraus zeigen sich einwandfrei deutlich die verwandten Prinzipien, wie Homöopathie und Ma-gnetismus heilen. Beide gehen von der Lebenskraft aus, wo das Übel die ersten Wurzeln geschlagen hat. Beide heilen von innen nach außen, während die Me-dizin gewöhnlich den umgekehrten Weg verfährt.

Wie mag aber die homöopathische Wirkung zu-stande kommen, da ihre Materialsubstanz durch die hohen Verdünnungen geradezu entmaterialisiert ist? Liegt nicht auch hier eine gleichsinnige, unmeßbar fein

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und trotzdem genügend wirkende innere Verwandt-schaftskraft? Wir denken an odische Eigenschaften, von denen Dr. Quade beispielsweise behauptet1:

«Odische Schwingungen, die den Ätherleib beein-flussen, können, außer durch psychische Vorgänge auch durch physikalische Einwirkungen hervorge-rufen werden, durch verschiedenfarbiges Licht, durch harmonische Klänge, durch die von chemischen Stof-fen ausgehenden Odschwingungen. Mit letzterem Mittel arbeitet die Homöopathie. Die höheren «Po-tenzen» der homöopathischen Mittel dürften nur noch Träger der von dem Originalmittel erzeugten odischen Schwingungen sein, die in einem bestimmten Ver-wandtschafts-oder Harmonieverhältnis zu den Schwin-gungen des Ätherleibes von Mensch und Tier stehen. Wie ausgeführt, dürften alle Teile des Odleibs, ent-sprechend der verschiedenen chemischen Zusammen-setzung z.B. von Muskeln und Knochen gegenüber dem Gehirn und den Nerven, der Haut und den Drü-sen, dem Blut und der Lymphe, eine bestimmte Sym-phonie von Schwingungen haben, mit denen die Schwingungen irgendeines Medikamentes verschie-den zusammenstimmen.

Wirken tut oft nur die isolierte Schwingung. Das Zirpen der Zikade vernimmt man nicht im Orkan,

1 Dr. Fritz Quade, Odlehre (Odik), Pfullingen 1924, S. 55.

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beim Einnehmen einer Mahlzeit mit mannigfachen Gerichten kommen auch in homöopathischer Ver-dünnung darin enthaltene Stoffe nicht zur Wirkung, die allein eingenommen, den Ätherleib und über ihn den physischen Körper beieinflussen könnten.»

Die Physiker haben es erkannt, daß alles letzten Endes Strahlung ist. Wie könnte die Natur einer Pflanze sonst als wohltätig oder nicht angenommen werden, wenn nicht im inneren Sinn des Menschen eine Entsprechung dazu anklingen würde? Wie gäbe es die Erkenntnis nach der natura rerum des Paracel-sus, wenn nicht eine noch unfaßbare geheime Über-mittlung zwischen gleichen oder aufeinander abge-stimmten Zuständen der Erregung und der Empfin-dung stattfände ? In der Homöopathie ist es wohl so, daß Massen verstopfen, kleinste lockere Teile aber anregen und Richtung geben. Spendet der Magnetis-mus Lebenskraft und bringt dadurch eine totale Um-stimmung zur Gesundung zustande, so gibt die ho-möopathische Arznei die erste, die notwendigste Heil-richtung an.

«Wär' nicht das Auge sonnenhaft, Die Sonne könnt' es nie erblicken; Läg' nicht in uns des Gottes eigne Kraft, Wie könnt' uns Göttliches entzücken?» (Goethe)

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Wie sehr Hahnemann die Heilkraft des Magnetis-mus eingeschätzt hat, geht schon aus der Tatsache hervor, daß er ihn in das Organon der Heilkunst auf-genommen hat.

In §288 heißt es: «Hier finde ich noch nötig, des von der Natur aller

übrigen Arzneien abweichenden, sogenannten tieri-schen Magnetismus, oder vielmehr des (dankbarer nach Mesmer, seinem ersten Begründer, zu benennen-den) Mesmerismus Erwähnung zu tun. Diese, oft törich-ter Weise, während eines ganzen Jahrhunderts ge-leugnete oder geschmähte Heilkraft, ein wundersames, unschätzbares, dem Menschen verliehenes Geschenk Gottes, mittels dessen durch den kräftigen Willen eines gutmeinenden Menschen auf einen Kranken durch Berührung und selbst ohne dieselbe, ja selbst in einiger Entfernung die Lebenskraft des gesunden mit dieser Kraft begabten Mesmerirer in einem an-dern Menschen dynamisch einströmt (wie einer der Pole eines kräftigen Magnet-Stabes in einem Stab rohen Stahls), wirkt auf verschiedene Weise: indem sie in dem Kranken teils die hie und da in seinem Organismus mangelnde Lebenskraft ersetzt, teils die in anderen Stellen allzusehr angehäufte und unnenn-bare Nervenleiden erregende und unterhaltende Le-benskraft ableitet, mindert und gleicher verteilt und

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überhaupt die krankhafte Verstimmung des Lebens-princips der Kranken auslöscht und mit der normalen des auf ihn kräftig einwirkenden Mesmerirers ersetzt, z.B. bei alten Geschwüren, bei Amaurose, bei Läh-mungen einzelner Glieder usw.. . .»

§289 beginnt mit der Feststellung:«Alle die gedachten Arten von Ausübung des Mes-

merismus beruhen auf einer dynamischen Einströ-mung von mehr oder weniger Lebenskraft in den Lei-denden und werden daher positiver Mesmerismus ge-nannt. . .»

Auch einer der bedeutendsten und erfolgreichsten Schüler Hahnemanns, Dr. Arthur Lut^e, verdankte der- gemeinsamen Anwendung des Magnetismus zu der homöopathischen Arzneiverordnung einen we-sentlichen Anteil an seinen Aufsehen erregenden Heil-erfolgen. Es mag deshalb nicht uninteressant sein, in diesem Zusammenhang seine «Erklärung der Wirk-samkeit homöopathischer Arznei-Potenzen durch Le-bens-Magnetismus»1 zu vernehmen, die aus dem Jahre 1849 stammt:

«Niemand hat bisher gewußt, wodurch homöo-pathische Arznei-Potenzen so kräftig wirken, und die verschiedensten Vermutungen sind darüber aufge-stellt. - Erst vor wenigen Jahren ist es mir klar ge-

1 In Lutze, Hahnemanns Totenfeier. Cöthen 1882. S. 121 ff.

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worden und hat sich durch sorgfältige Beobachtung von Tag zu Tag bestätigt, daß Lebensmagnetismus die belebende, wirkende Kraft der genannten Arznei ist.

Jeder, der meine Klinik besucht, hat gesehen, daß oft die heftigsten Schmerzen einem Striche meiner Hand, oder meinem bloßen Worte, also der Kraft des Willens weichen; ja daß jahrelange Leiden da-durch plötzlich und mitunter sogar für immer ver-schwinden.

Das ist eine Gottesgabe, die man nicht durch Stu-dieren erlernen, nicht mit der Vernunft begreifen kann, die aber, wie Tatsachen lehren, vorhanden ist, und auf Glauben und Willen beruht. Glauben muß ich, daß der Mensch überhaupt einer solchen Kraft fähig ist, und daß sie mir von Gottes Allmacht verliehen wird. Wenn ich bei diesem Glauben den festen Willen habe, meinem leidenden Bruder zu helfen, so mag ich in Gottes Namen tun, was ich will, d. h. die Hand auf-legen, oder mit derselben einen Strich machen, oder sie nur ausstrecken, oder hauchen, oder nur ein Wort sprechen - und der Schmerz wird schweigen, und das Leiden ein Ende nehmen.

Wo ich nicht helfe, bin ich schwach im Glauben oder im Willen gewesen, oder ich habe empfunden, daß ich in diesem Falle nicht helfen durfte; was kräftig

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magnetische Menschen deutlich wahrnehmen, als würde es ihnen auf unsichtbarem Wege zugeflüstert.

Zu den Erscheinungen der lebensmagnetischen Kraft gehört auch, daß dieselbe sich auch auf Natur-gegenstände übertragen läßt, z. B. auf reines Wasser, auf Zuckerpulver etc. Bei mir sind Protokolle einzu-sehen, aus denen tatsächlich hervorgeht, daß die auf-fallendsten Wirkungen durch ein von mir behauchtes Zuckerpulver oder durch ein mit meiner Hand in die-ser Absicht berührtes Glas mit Wasser hervorge-bracht sind.

Das auffallendste Beispiel ist Herr Moses Phillips in Dessau. Derselbe, 72 Jahre alt, hatte seit einem halben Jahr alles Genossene ausgebrochen, zuerst nach 24, dann nach 12, endlich nach 6 Stunden, und nun schon seit acht Tagen unmittelbar nach dem Verschlucken, so daß er vor Entkräftung nicht mehr allein gehen konnte und von den erfahrensten Ärzten aufgegeben war. In diesem Zustande ließ er sich zu mir bringen, und sagte unverhohlen, daß es mit ihm zu Ende gehe, wenn ich ihm nicht hülfe, er setzte aber mit entschie-denem Tone hinzu: ,Jchweiß, Sie werden mir helfen!'

Ich nahm sogleich ein Glas Wasser, magnetisierte es, d. h. legte meine rechte Hand darauf, während ich es in der linken hielt und ließ es ihn trinken. Zu seinem Erstaunen behielt er es bei sich, da er bisher

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auch jede Flüssigkeit gleich wieder ausgebrochen hatte; bald darauf empfand er Hunger, und ich ließ ihn einen Teller Suppe mit etwas Semmel essen; auch dieses brauchte er nicht wieder von sich zu geben, und so aß er von Stunde mehr, und kräftigere Speisen, und hat nicht wieder erbrochen. Auch war der heftige Magenkrampf, an dem er fortwährend gelitten hatte, verschwunden; und in 14 Tagen reiste er, völlig ge-sund, wieder nach Dessau. Nach Jahr und Tag schrieb er mir von dort, daß er sich noch im besten Wohlsein befände, die schwersten Speisen vertragen könne, und so stark geworden wäre, daß ich ihn kaum wieder er-kennen würde.

Durch diese Kur veranlaßt, im Rückblick auf viele andere ähnliche, machte ich folgenden Schluß: wenn reines Wasser durch bloßes Berühren meiner Hand so arzneikräftig wird, daß es ein jahrelanges schweres Leiden mit einem Male heilt, wie viel mehr muß diese Kraft einen gehörig verdünnten Arzneistoff, dessen eigentümliche Wirkung wir aus Erfahrung oder durch Prüfung kennen, durch fortgesetztes Schütteln in der Hand zu einer ungeheuren Wirksamkeit steigern!

Einfach genug ist dieser Schluß, aber auch erwürde eine der vielen Vermutungen bleiben, wenn wir ihn nicht durch die tägliche Erfahrung bei rein homöo-pathischen Heilungen bestätigt fänden.

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Die Sache ist also die: Das Schädliche der Arzneistoffe, z. B. der Gifte,

wird durch Verdünnungen entfernt; die Eigentüm-lichkeit aber, gewissermaßen die Seele derselben, bleibt und wird durch Lebensmagnetismus beim Rei-ben und Schütteln auf wunderbare Weise belebt und erkräftigt und dadurch fähig gemacht, auf verstimmte Nerven, die durch die groben Stoffe zerstört wurden, heilend zu wirken.

Welches von den vielen Mitteln das Richtige ist, herauszufinden, beruht auf einem Naturgesetz, daß nämlich ein Mittel in potenzierter Feinheit diejenigen Erscheinungen am kranken Körper heilt, die dasselbe Mittel in grober Gestalt beim Gesunden hervorbringt. Dies ist das Ähnlichkeitsgesetz, wovon die Homöo-pathie ihren Namen hat, welches aberParacelsus schon erwähnt und Hippokrates andeutet, indem er sagt: Fieber seien oft mit denjenigen Mitteln am leichtesten zu heilen, die Fieber erzeugen.

Erklärt ist nun auch, daß das unrichtig gewählte Mittel nicht schadet, daß überhaupt hohe Potenzen auf den gesunden Körper ohne Wirkung bleiben. Wirken kann das Mittel nur nach dem Gesetz der Ähnlichkeit auf eine dem Mittel verwandte Nerven-stimmung; wo diese fehlt, kann es, seiner hohen Verfeinerung wegen, nicht schaden, ebenso wenig

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wie dem Gesunden ein magnetischer Strich schadet, der den Kranken oft augenblicklich heilt.

Vielleicht hat die Homöopathie bei vielen nur des-halb nicht Eingang gefunden, weil sie sich die Wir-kung derselben nicht erklären konnten. Nun ist die Erklärung da, und Tatsachen, die nicht abzuleugnen sind, bestätigen sie.

Wenngleich der Lebensmagnetismus auch nicht völlig zu erklären und zu begreifen ist, so sieht man doch die Wirkung desselben vor Augen, und nur wenige gibt es noch, die auch ihn ableugnen wollen.

Ein jeder Mensch besitzt ihn in höherem oder ge-ringerem Maße, denn was ist er anders, als die Lebens-kraft selbst, die nur mit dem Tode erlischt. Untergra-ben wird er durch unregelmäßiges wüstes Leben, Aus-schweifungen und jede körperliche und geistige Schwächung. Erhalten und gestärkt wird er durch Achtsamkeit und Beherrschung unserer selbst, daß wir uns täglich bewußt sind, daß unser Körper nur die Hülle unseres unsterblichen Geistes ist.»

Viele der hervorragendsten Ärzte und Heiler haben es schon erfahren, daß bei genügender Aufmerksam-keit und richtigem Verhalten des Patienten fast alle Krankheiten zu heilen sind, wenn sie frühzeitig ge-nug in Behandlung kommen. Viel schwieriger ist es, Patienten zu heilen, wenn sie keine positive Einstellung

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zur Gesundung finden. Wie vieles hängt damit von der Einstellung und Reife des Patienten ab! Die größten Aussichten für eine Heilung bestehen, wenn Patient, Arznei und Arzt, solange die Krankheit nicht unheil-bar geworden ist, gleichsinnig an ihre Aufhebung herantreten und hier bieten Magnetismus und Ho-möopathie Möglichkeiten, wie sie bei einem Großteil von Erkrankungen sonst kaum bestehen.

Der Magnetismus heilt mit der Wurzelkraft des Lebens. Er ist und bleibt deshalb das Ur-Heilmittel.

/ «Dort, wo die Krankheiten entspringen, ist auch die Wurzel zur Gesundheit zu erlangen. Denn aus der gleichen Wurzel wie die Krankheit muß auch die Gesundheit hervorgehen. Und wohin die Ge-sundheit geht, dorthin muß auch die Krankheit gehen.» Paracelsus (Sudhoff I/9. S. 226)

Zurückgewandt sein zur Wurzel: das ist Stille. Stille: das ist Rückkehr zur Bestimmung. Rückkehr zur Bestimmung: das ist Ewigkeit. Die Ewigkeit erkennen: das ist Wahrheit.

Laotse (Laotse - Richard Wilhelm)

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sche Kurart mit dem Magneten betreffend. 1776. — Fortsetzung der Schreiben die Mesmerischen Magnetkuren be-

treffend. Augsburg 1777.

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— Außerdem sind noch 22 Briefe und Mesmers Testament lt. Auf-stellung bei Karl Bittel, Der berühmte Hr. Doct. Mesmer, be-kannt.

— Der in diesem Buch faksimilierte Brief ist unbekannt und wird hier erstmals veröffentlicht.

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Portrait des 45jährigen Paracelsus von A. Hirschvogel, 1538

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Portrait Valentine Greatrakes altenglischen Ursprungs

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Titelkupfer aus Joh. Jos. Gaßners Schrift: «Weise, fromm und gesund zu leben, auch ruhig und gottselig zu sterben» (1775)

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2. Titelkupfer aus Joh. Jos. Gaßners Schrift: «Weise, fromm und gesundzu leben, auch ruhig und gottselig zu sterben», die Austreibung des Bösen

darstellend

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Portrait F. A.Mesmers nach einem Pastellbild der Wiener- oder ersten Pariserzeit. (Original im Besitz des Rittersaalvereins Burgdorf)

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Titelblatt von Mesmers Wiener Dissertation von 1766

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Titelblatt von «Neueste Nachrichten aus Wien von den vermittelst des Magnets geschehen seyn sollenden Curen» (5. Januar 1775)

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Mitgliedspatent der Pariser Harmoniegesellschaft vom Jahre 1787. (Erstveröffentlichung.) Original im Besitz des Autors

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Magnetisierte Bäume (vordere Umschlagszeichnung von Boeckmanns Archiv von 1787). Zur Erklärung wird aus dem fünften Gesang von Homers Odyssee die Stelle zitiert, wo es heißt: Er (Merkur) nahm auch den Stab, mit dem er die Augen eines Menschen nach seinem Willen entschläfert, und wieder andere, die einge-

schlafen sind, erwecket

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Portrait F. A. Mesmers (Pujos del. Legrand sculp.) aus Mesmers Pariser Zeit

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Faksimile eines zum ersten Mal veröffentlichten Briefes Mesmers an Mr. Billouetz vom u . J u l i 1784. (Schluß des Briefes siehe Rückseite)

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Wohnhaus Mesmers in Frauenfeld (jetzt Zürcherstraße 153)

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Allegorie über die Befreiung der Kranken durch Mesmers animalen Magnetismus (1780). Original im Besitz des Verfassers

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Faksimile eines zum ersten Mal veröffentlichten Briefes Mesmers in Eigen-handschrift an den befreundeten Arzt Dr. Aubry in Henrichmont, datiert Frauenfeld, den 23. Oktober 1805. (Schluß des Briefes siehe Rückseite).

(Originale von Tafeln 12 und 15 im Besitz des Autors)

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rafeln I und III der Handzeichnungen Mesmers zur Erklärung des Systems der Wechsel-wirkungen aus Wolfarts «Mesmerismus» (1814). Tafel I: Darstellung der Ur-Teilchen

der Elementarmaterie und der zwischen ihnen wirkenden «Ströme» (Fluida)

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Tafel III: Darstellung der Ladung von Eisen zu Magneten durch die Bewegung der Ur-Teilchen und die Strahlung der geladenen Magnete.

Fig. 18. Darstellung der Entstehung von Ebbe und Flut

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Titelkupfer aus den «Mitteilungen aus dem magnetischen Schlafleben der Somnambule Auguste K. in Dresden» (1843). Zeichnung von Ludwig Richter

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Portrait von C. G. Carus (nach dem Gemälde von Hübner)

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Portrait Samuel Hahnemanns. (Stahlstich nach einem Gemälde von Schoppe, 1831)

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Siegelabdruck Mesmers (stark vergrößert), den er auf seinem Brief vom a j . Oktober 1805

an Dr. Aubry verwendet hat

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