Schnuppertexte Spirit 11-12/12

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DAS MAGAZIN FÜRS WESENTLICHE Schweiz 16,80 sfr, übrige EU-Länder 9,40 € 11-12/2012 28. Jg. B 6128 www.connection.de Religion & Wissenschaft »Die wunderbare Welt der Sekten«: Interview mit dem Religionssoziologen Gerald Willms • Pränatale Therapien: die Forschungen von Stanislav Grof 9 Religion & Wissenschaft

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Religion % Wissenschaft

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DAS MAGAZIN FÜRS WESENTLICHESchweiz 16,80 sfr, übrige EU-Länder 9,40 € 11-12/2012 28. Jg. B 6128

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Religion & Wissenschaft

»Die wunderbare Welt der Sekten«: Interview mitdem Religionssoziologen Gerald Willms • PränataleTherapien: die Forschungen von Stanislav Grof

9 €

Religion &Wissenschaft

4 November-Dezember 11-12/2012 · www.connection.de

NOVEMBER-DEZEMBER 11-12/2012

S. 46 – 49

Ein Mediziner aus Prag, Jahrgang 31,entdeckt LSD, erforscht dietranspersonalen Räume und merkt,welche Bedeutung das geburtlicheund vorgeburtliche Erleben für dieTherapie hat. Ein halbes Jahrhundertspäter entdeckt ihn Maxim Korman,Jahrgang 92, und sieht in ihm einen»Galileo Galilei der Psyche«.

Die Kleinen und die Großen

S. 72 – 73

Ein kleiner Verlag wagt es, rund umrandeteTitelbilder zu bringen. Ein Großer hat das fürsich schützen lassen, merkt, was der Kleineda macht, und greift ihn an. Das Recht ist

eher auf der Seite des Kleinen. Was wird derRichter sagen? Es drauf ankommen

lassen kann der Kleine nicht, dazu hat er nicht genug Geld.

Religion und Wissenschaft

Früher mal war Religion das, was wir von der Welt wussten und wie wir mit den Kräften, die wir nichtkontrollieren können, am besten

umgehen. Heute sind Religion undWissenschaft Kontrahenten, sowohlim Verstehen wie im Kontrollieren,und die Religion verliert dabei an

Gefolgschaft. Was von ihr anWertvollem bleibt, ist nur die Mystik

S. 16 – 44

Stanislav Grof

3 Editorial

6 Weisheit: Albert Einstein über Fantasie7 Hier und Jetzt: Die Kurzmeldungen

12 Dem Licht entgegen. Bilder von Alice Popkorn

Schwerpunkt: Religion und Wissenschaft

16 Die Wissenschaftler und die Transzendenz. Wolf Schneider, Sohn eines Naturwissenschaftlers, erzählt

20 Von der Sekte zum Global Player. Gerald Willms über die historische Entwicklung des Christentums

25 Religiöse Erfahrung und der Wille zur Macht. Interview mit dem ReligionssoziologenGerald Willms

28 Aufklärung und Mystik – der äußere und der innere Blick auf die Wirklichkeit. Von Torsten Brügge und Padma Wolff

35 Spazierengehen im Kopf. Bobby Langer über Meditation36 Spiritualität jenseits der Religionen. Gerhard Breidenstein hat in einer

transreligiösen Gemeinschaft gelebt

40 Der Mystiker als Narr. Matthias Mala über einen merkwürdigen Typ des religiösen Außenseiters

44 Religionsfreiheit. Mathias Bröckers fordert Freiheit für und von den Religionen45 In Gottes Namen. André Hammon über Religion und Spiritualität

46 Stanislav Grof. Maxim Korman hat sich mit dem Erforscher der pränatalen Therapie und Begründer des Holotropen Atmens beschäftigt

50 Theresia. Gabi Palm hat eine Frau getroffen, die ihr Leben als ein fortwährendes Erwachen empfindet

55 WerWasWo

58 Promotion: Intelligente Zellen, Religion & Wissenschaft. Klaus Medicus erklärt die Quanten-Intelligenz

62 Promotion: Was hilft mir? Ein Interview mit Dr. Petra Schneider über die LichtwesenEssenzen

65 Die zerstückelte Erde. Eine Geschichte von Gabriel Garcia Márquez resümiert unser Titelthema

66 Filme: Auf DVD gibt es den Dokumentarfilm Der atmende Gott von Jan Schmidt-Garre, im Kino den Spielfilm Alles wird gut von Nico von Glasow

68 Bücher: über Wissenschaft, Philosophie, Journalismus & Politik, Yoga, Burnout, Jesus, Sokrates und die Grenzen des rationalen Denkens

72 Die Kleinen und die Großen – Wolf Schneider über einen vermiedenen Rechtsstreit mit der Heinrich Bauer KG

74 Leserbriefe – über Pop-Esoterik, Sex & Macht & Gurus, Ängste und das Erwachsen- werden, über Heilung durch Tantra und den Schrecken, den ein Tantra-Heft auslösen kann

78 Marktplatz

80 Veranstaltungskalender und Inserentenverzeichnis

82 Vorschau/Impressum

, Zeitschrift für Lebenskunst, Weisheit, Humor und ein integrales Verständnis des menschlichen Lebens. Erscheint alle zwei Monate mit einem starken Schwerpunkt. Gegründet1985, ist Connection Spirit nun die älteste transkonfessionelle spirituelle Zeitschrift auf deutsch.Fachmagazine über Tantra und Schamanismus aus demselben Verlag ergänzen sie.

I N H A LT

www.connection.de · November-Dezember 11-12/2012

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Schamanische Lehrenü

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OFFENE SEMINARE

TANTRA-BODY16. – 18.11.12 bei Schwäbisch Hall

DER KREIS DER FRAUEN22. – 25.11.12 bei Schwäbisch Hall

FEUER, HERZ UND STILLE25.12.12 – 1.1.13 Tantra-Silvestergruppe,

bei Salzburg

TANTRA-BODY22. – 24.2.13 mit Beatrix Rettenbacher

& Jens Hartwig bei Ulm

LIEBE – DAS GROSSE TOR24. – 31.3.13 Oster-Paargruppe bei Ulm

TANTRA YOGA16. – 21.4.13 Kaschmirisches Tantra mitNathalie Delay/Frankreich, bei Schwäb. Hall

DER KREIS DER FRAUEN1. – 5.5.13 bei Ravensburg

DER KREIS DER MÄNNER I1. – 5.5.13 bei Ulm

Regina König und Hellwig Schinko

E R O S · L I E B EM E D I T A T I O N

Infos & Programm: ARUNA-Institut St. Nepomukstr.13, 74673 MulfingenTel. 07936/6 21, Fax 079 36/6 46

[email protected] www.aruna-tantra.de

www.connection.de · November-Dezember 11-12/2012 25

RELIGION & WISSENSCHAFT

Hallo Gerald, als Soziologe studierst du dieReligionen und religiösen Bewegungen. War-

um gerade die? Es gibt doch für einen Sozial-wissenschaftler noch viele andere lohnendeObjekte.Gegenfrage: Warum nicht die? Im Ernst:Als Sozialwissenschaftler im Allgemeinenund als »Weberianer« im Besonderen ha-ben mich schon immer die Motive des so-zialen Handelns bewegt, also die Frage, war-um Menschen-in-Gesellschaft dieses tun undjenes lassen – oder umgekehrt. Und da ichkein Psychologe bin, der sich für die Vor-gänge im Kopf eines einzelnen Menschen in-teressiert, sondern ein Soziologe, der sich fürdie Formen des sozialen Handelns bzw. dasHandeln von sozialen Gruppen interessiert,liegen Religionen einfach nahe. Paradoxer-weise sind nämlich gerade religiöse Motiveoft viel klarer konturiert als die vermeintlich»rationalen« Beweggründe – sei es die sooft zitierte »Vernunft«, ein schlichtes öko-nomisches Interesse oder sonstig ein Grund.Wenn mir ein religiöser Mensch erklärt, eresse keine Gummibärchen, weil Gott das ver-boten habe – und ich stelle fest, dass daskeine Einzelmeinung ist –, dann kann icheine ziemlich klare Aussage über das So-und-nicht-anders eines bestimmten sozialen Han-deln treffen. Und du kannst mir glauben:Alle anderen Menschen, die keine Gummi -bärchen essen, können das nicht so klar undobjektiv begründen. Natürlich mag man nunden Beweggrund des Handelns (das göttli-che Verbot) für etwas schlicht halten, aber

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VON GERALD WILLMS

ReligiöseErfahrung und der Wille zur Macht Interview mit dem Religionssoziologen Gerald Willms

Religiöse Menschen zu beobachten und ihr sozialesHandeln angemessen zubeschreiben ist eine Sache, selbstreligiöse Erfahrungen zu macheneine andere. Wolf Schneider sprachmit dem Religionssoziologen GeraldWillms, dem Autor des geradeerschienenen Buchs »Die wunder bare Welt der Sekten – von Paulus bis Scientology«, über unparteiische Beobachtung,Empathie als Voraussetzung fürVerständnis und den religiösenWillen zur Macht

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als Soziologe interessiert mich nicht dieQualität einer metaphysischen Wahrheit,sondern nur das tatsächliche und beobacht -bare Handeln.

Im Falle der Gummibärchen musst du nicht nach-fühlen können, wie es ist, ein Mensch zu sein,der sie nicht essen darf, weil du weißt, wie essich anfühlt, etwas nicht zu dürfen, das einehöhere Macht verbietet, denn auch du hattestEltern. Es gibt aber religiöse Erfahrungen, dienicht aus Ge- oder Verboten resultieren unddurch solche auch nicht wirk lich gesteuertwerden können: die mystischen Erfahrungen. Duhast mir gesagt, du seist »religiös unmusika-lisch«, wie das schon Max Weber von sich be-hauptet hat. Kann man denn als religiös unmu-sikalischer Mensch – auch als rein beschrei-bender, nicht oder nur wenig interpretierenderWissenschaftler – Menschen gerecht werden,die tiefe religiöse Erlebnisse haben?

Ich weiß gar nicht, ob es mein Anspruch istoder auch nur sein sollte, den religiösen Er-lebnissen anderer Menschen »gerecht« zuwerden. Ich kann mir darunter tatsächlichauch gar nichts vorstellen. Wie wird mandenn den religiösen Erlebnissen andererMenschen »gerecht«?

Indem man sie versteht. Und »verstehen«, daskann man eher – und vielleicht auch nur dann –, wenn man das erlebt hat, was der andere aucherlebt hat. Ich glaube, wir gehen da von zwei Arten desVerstehens aus. Du scheinst eher von einerempathischen Vorstellung des Verstehensauszugehen, während ich bei diesem Begriffimmer von empathiefreier Nachvollzieh-barkeit ausgehe. Wenn ich mal dein Ver-ständnis zugrundelege, dann kann ich den re-ligiösen Menschen tatsächlich kaum gerechtwerden. Wenn ich es könnte, dann wäre ichjetzt sicher mit Gleichgesinnten zusammen,und wenn es gut gelaufen wäre, dann wäreich Theologe, Seelsorger oder meinetwegenauch Guru. Nach meinem Dafürhalten führtdas persönliche Erleben, sagen wir das Er-schauen des Tao, dazu, dass ich dann zwarden anderen Tao-Erschauern »gerecht« wer-de, aber enorme Schwierigkeiten hätte, Men-schen mit anderen religiösen Erfahrungengerecht zu werden. Das ist doch die Basis al-ler Auseinandersetzungen im religiösen Feld:»Ich habe das Wort Gottes im Inneren er-fahren, und deswegen ist deine Erfahrungdes Tao falsch«. Damit sind wir dann beimProblem des empathischen Verstehens an-gelangt: Der Durchschnitts-Christ »versteht«zumeist nur die anderen Durchschnitts-Chri-sten und sonst nichts und niemanden. Mitmeinem unempathischen Verstehensbegriffkommt man da – zumindest in akademischer

Hinsicht – etwas weiter. Ich anerkenne, dasses (sehr viele und sehr verschiedene) reli-giöse Erlebnisse gibt, dass es deshalb (sehrviele und sehr verschiedene) religiöse Ge-meinschaften gibt und dass man dieser Viel-falt nur gerecht werden kann, wenn manzunächst nicht von einem qualitativen Un-terschied ausgeht. Insofern kann ich zwarnicht einer bestimm ten Form des religiösenErlebens gerecht wer den, aber eben der Viel-falt der Religionen.

Ich schätze an deinem Vorgehen, das du »un-empatisches Verstehen« nennst (ich würde esnicht so nennen), den Blick von außen, dem estatsächlich gelingt, einen Überblick über die Re-ligionen und religiösen Bewegungen zu gewin-nen und dabei Parteilichkeit zu vermeiden. Dasfinde ich sehr wertvoll, und das macht die Qua-lität deines Buches aus, das ich jedem empfeh-len möchte, der einen neutralen Blick auf die Re-ligionsgeschichte Europas werfen möchte. Unddoch fehlt mir dabei etwas. Das ist etwas, dasich selbst erstrebe und von dem ich meine, dasses bei einem richtigen Umgang damit nicht zurParteilichkeit führt und damit zu all den Streits,die die Religionen und religiösen Bewegungenuntereinander haben. Und das ist die Empathiefür die mystische Erfahrung, das Mitfühlen mitdiesen Erfahrungen, mit dem, was ihnen gemeinist, was all ihren Formen gemein ist, mit demFormlosen, mit der mystischen Erfahrung selbst.Und ich frage mich: Wie geht man als Religi-onswissenschaftler oder Religionssoziologe ambesten damit um? Wie kann man die religiös Er-griffenen angemessen beschreiben und – ja, »ver-stehen«? Kann man das, ohne selbst mys tischeErfahrungen zu haben?Hmm, das ist so ein wenig wie die Frage, obman als Mann die Geburt eines Kindes – wie-der in deinem Verständnis des Begriffs – an-gemessen beschreiben kann. Da würde icheher zu einem Nein tendieren, obwohl ichbeispielsweise bei der Geburt meines Soh-nes zumindest physisch anwesend war. Wenndie Geburt eines Kindes angemessen be-schrieben werden soll, dann muss man dieMutter das selbst beschreiben lassen. Unddas ist letztlich ja auch eine geläufige Vor-

RELIGION & WISSENSCHAFT

»Fast überall dort, wo

es um Macht geht, spielt

Religion eine bedeutende

Rolle als Herrschafts -

instrument«

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»Das ist die Basis aller

Auseinandersetzungen im

religiösen Feld: ›Ich habe

das Wort Gottes im Inneren

erfahren, und deswegen

ist deine Erfahrung

des Tao falsch‹«

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RELIGION & WISSENSCHAFT

gehensweise der empirischen Religionswis-senschaft: Man geht zu den Menschen undfragt sie nach ihren Erfahrungen, Meinun-gen, Gefühlen usw. Ansonsten scheint mirdeine Frage natürlich die Dauerfrage derMys tik zu sein, nämlich wie man das defini-tionsgemäß Nicht-Mitteilbare – denn es gehtletztlich immer um die individuelle Erfah-rung – mitteilen kann. Dass das Formlose ir-gendwie doch in eine wie auch immer gear-tete Form (z.B. die Sprache) gepresst werdenkann, ohne dass dabei das Wesen der Form-losigkeit verloren geht, ist eine traditionellemystische Hoffnung. Ich denke, dass die Pro-blematik hier dem Basisproblem quanten-mechanischer Messungen ähnelt: Jeder Ver-such einer Beobachtung beeinträchtigt daszu Beobachtende im Moment der Beobach-tung so substanziell, dass im Grunde keineverlässliche Aussage über das Wesen des zuBeobachtenden möglich ist …

… womit wir mitten im Kern des Schwerpunkt-themas »Religion und Wissenschaft« dieser Aus-gabe von Connection angelangt wären. Wobei wiraber nicht vergessen sollten, meine ich, dass ge-nau genommen keine einzige menschliche Er-fahrung kommunizierbar ist, weil das Problemvon Form und Inhalt ja überall besteht: Was ichals rot empfinde und dann »rot« nenne, vielleichtsieht das für dich so aus wie für mich das, wasdu »blau« nennst? Das kann ich prinzipiell nichtwissen. Bei den mystischen Erfahrungen spitztsich dieses sehr grundsätzliche Problem nur aufbesondere Weise zu. Jetzt aber nochmal zurück zu deinem Buch, indem du die Geschichte der wichtigsten religiö-sen Bewegungen Europas durch die letzten bei-den Jahrtausende beschreibst, ihre Phasen derMacht und der Ohnmacht, wie sie verfolgt wur-den und selbst andere verfolgten. Letztlich gehtes dabei vor allem darum: Wie gehen diese re-ligiösen Gruppierungen mit Macht um? Da wirdbeim Lesen so manch einer seufzen und den-ken: Wäre die Welt nicht eine bessere ohne al-le diese Religionen und religiösen Bewegungen?Oder anders gesagt: Wenn denn ein Mensch ei-ne religiöse Erfahrung hat, wie kann man esvermeiden, dass dieser Mensch – oder andere –daraus gleich eine soziale Struktur schaffen,die wieder andere bekehren, unterdrücken oderverfolgen will? Oder lässt sich das gar nicht ver-meiden, so wie wir Menschen beschaffen sind?Das ist natürlich eine ziemlich gewaltige Fra-ge, die sich kaum in ein paar Sätzen beant-worten lässt. Ich würde das zunächst einmalherunterbrechen und sagen: Eine religiöseErfahrung hat zunächst überhaupt nichts mitpolitischer oder sozialer Macht zu tun. Undich sehe auch in den Gründungsakten dermeisten manifesten Religionen zunächst kei-nen wirklichen »Willen zur Macht«. Aber fast überall dort, wo es um Macht geht,spielt Religion eine bedeutende Rolle alsHerrschaftsinstrument. Nicht ganz zu Un-recht spricht man davon, dass Menschen »im

Namen« der Religion verfolgt oder unter-drückt werden. Das weist ja deutlich aufdiese instrumentelle Dimension hin. Wobeider eigentliche instrumentelle Wert gar nichtso sehr daraus entspringt, dass Religionenweltliche Herrschaftsformen legitimieren –eher im Gegenteil –, sondern dass sie profa-ne, menschengemachte soziale Regeln (z.B.dass »die Frau dem Manne untertan« sei) mitdem Nimbus des göttlichen Gesetzes aus-statten. Das ist dann die Legitimation zurAusübung von Macht im Namen der Religi-on. Wobei ich hier sehr gerne darauf hin-weisen würde, dass das nur die eine Seiteder Medaille ist. Entscheidend ist letztlich,dass sehr viele Menschen bereit sind, profa-ne soziale Regeln als »göttliche« Regeln zuakzeptieren und sich als Schafe vom Instru-ment der Religion gängeln lassen. Da reichendann auch immer ein paar Wölfe, die das In-strument aktiv benutzen, um die vermeint-lich abtrünnigen Schafe zurück ins Gatter zutreiben. Aber das Gesagte bezieht sich wesentlich aufdie Religionen mit exoterischer und schrift-lich fixierter Offenbarung. Da, wo die Bot-schaften (und auch religiöse Erlebnisse) eso-terisch sind, wie also in den meisten mysti-schen Strömungen, kann eigentlich nichtsvergleichbar »Mächtiges« zustande kommen.Der »echte« Esoteriker ist zur individuellenLebensgestaltung gewissermaßen verdammt,da er seine Empfindungen und Erlebnisseja nur sehr begrenzt teilen und mitteilenkann. Um an das Obige anzuknüpfen, wür-de ich sagen, die Basis des esoterischen So-ziallebens ist wohl tatsächlich das »empa-thische« Verstehen – und da bin ich augen-zwinkernd und im Rückblick auf die abend-ländische Religionsgeschichte geneigt zusagen: Zur Übernahme der Weltherrschaftreicht das nicht!

Gerald Willms, Die wunderbare Welt der Sekten – vonPaulus bis Scientology. Vandenhoeck & Ruprecht Verlag,Göttingen 2012

»Die Basis des

esoterischen Soziallebens

ist wohl tatsächlich das

›empathische‹ Verstehen …

Zur Übernahme der Welt-

herrschaft reicht das nicht«

Erfüllung im Leben können wir erreichen, wenn wir das tun,

was wir am liebsten möchten. Aber nicht immer wissen wir, was das ist. Barbara Sher, Gründerin der

„Erfolgsteams“, gibt hier praktische Ratschläge, wie das gelingt.

Dieses Kombi-Set enthält ein Buch mit dem vollständigen Originaltext der

erfolgreichen dtv-Ausgabe sowie 49 Karten, die markante Szenen

aus dem Text illustrieren. Die Verbindung von Buchtext und

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Ich könnte alles tun, wenn ich nur wüsste,

was ich will —

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46 November-Dezember 11-12/2012 · www.connection.de

WISSENSCHAFT

VON MAXIM KORMAN

Der aus Prag stammende Mediziner Stanislav Grof hat im Bereich derpränatalen und transpersonalen Psychologie bahnbrechende

Entdeckungen gemacht, darunter die vier »perinatalen Matrizen«, dieZustände vor, während und nach dem Geburtsvorgang. Er hat mit

psychoaktiven Substanzen geforscht und Jahrzehnte lang mittausenden von Menschen therapeutisch gearbeitet. Ist er ein

wissenschaftlicher Pionier, ein Galileo Galilei der Psyche?

Stanislav Grof

Der Begründer des Holotropen Atmens undErforscher der pränatalen Psychologie

www.connection.de · November-Dezember 11-12/2012 47

WISSENSCHAFT

Geburtskanal ... Diese in höchstem Gradeunangenehme, lebensbedrohliche Sitation istvon überwältigenden, unkontrollierbarenAngstgefühlen begleitet.«BPM IV: Die Erfahrung von Tod und Wie-dergeburt: »Nach dem langwierigen undmühseligen Kampf durch den Geburtska-nal erreichen wir plötzliche Befreiung undgelangen ans Licht.«In unserem postnatalen Leben reinszenie-ren wir ständig pränatale Erfahrungen. Die-se werden zum Lebensthema, zur unbewuss -ten »Tinktur unseres Seins« (W. Emerson).Grof untersucht seine vier Matrizen u.a. imHinblick auf die zugehörigen psychopatho-logischen Symptome, die postnatalen Er-eignisse, die Wiederholungen perinataler Er-lebnisse darstellen, und die zugehörigen Ent-bindungsstadien.

Transpersonale Phänomene

Im Gegensatz zu vielen Vertretern der prä-natalen Psychologie bleibt Stanislav Grof je-doch nicht bei der Geburt stehen: Er meintdie am tiefsten liegenden Ursachen emotio-naler und psychosomatischer Störungennicht im pränatalen, sondern im transperso-nalen (»über das Persönliche hinaus rei-chend«) Bereich zu finden. Damit löst erdas Bewusstsein von der Materie ab unduntergräbt das akademische Weltbild unse-rer Zeit. Die transpersonalen Erfahrungensind nach Grof in drei Gruppen zu untertei-len:1. Erweiterung des Wahrnehmungsspek-trums innerhalb des Raum-Zeit-Kontinu-ums. Hierbei verlassen wir die Grenzen des»hautumhüllten Ichs« (Alan Watts) undidentifizieren uns mit anderen Personen,Gruppen oder gar der gesamten Menschheit.Wir können das Bewusstsein von Tieren,Pflanzen und Sphären annehmen oder in derZeit zurückschreiten und uns mit Erlebnis-sen unserer Vorfahren identifizieren.2. »Die zweite Kategorie transpersonalerPhänomene ist noch seltsamer: In holotro-pen Zuständen kann sich unser Bewusst-sein in Bereiche und Dimensionen hineinausdehnen, die man in der westlichen indu-strialisierten Kultur als nicht ›real‹ ansieht.«»In seiner weitesten Ausdehnung kann un-ser Bewusstsein alle Grenzen transzendie-ren und sich mit dem kosmischen Bewusst-sein oder dem universalen Geist identifizie-ren [...] Die Erfahrung aller Erfahrungenscheint die Identifikation mit der supra-und metakosmischen Leere zu sein, der my-steriösen, uranfänglichen Leere, dem Nichts,das seiner selbst bewusst ist und die Wiegealles Seienden ist.«3. Die dritte Kategorie erfasst sogenanntepsychoide Phänomene, also subjektive psy-chische Erfahrungen, die ein Korrelat in derobjektiven physischen Welt haben. Grofnennt hier Synchronizitäten und Phänome-

»Galilei: Ich habe das unvorstellbare Glückgehabt, ein neues Instrument in die Hand zubekommen, mit dem man ein Zipfelchen desUniversums etwas, nicht viel, näher besehenkann. Benützen Sie es«(B. Brecht in Leben des Galilei)

»Von diesem Augenblick an begann ich LSDals Werkzeug zu sehen, welches die gleicheBedeutung für die Psychiatrie hat, die das Mi-kroskop für die Biologie oder das Teleskopfür die Astronomie hat.« Stanislav Grof

S tanislav Grof kam am 1. Juli 1931 inPrag zur Welt. Nach dem Studiumder Medizin und Medizinphiloso-

phie an der Karls-Universität begann er sei-ne Arbeit im Dienste der Erforschung außer-gewöhnlicher Bewusstseinszustände, diezunächst mit psychedelischen Substanzen,z.B. LSD, induziert wurden, später dann mitanderen Methoden, wie dem von Grof ent-wickelten holotropen Atmen.Nach schwierigen Anfängen, mit teils extre-men, »sowohl intellektuell als auch emotio-nal« herausfordernden Erlebnissen, wuchsin ihm mehr und mehr die Gewissheit, dassdas traditionelle, monistisch-materialistischeWeltbild der akademischen Wissenschafteher einem engen Korsett als einer sinnvol-len Beschreibung der Realität entspricht.»Meine anfänglichen Zweifel, was die Un-zulänglichkeit der akademischen Theorienin Bezug auf das Bewusstsein und diemenschliche Psyche anging, verdichteten sichim Laufe der vielen Jahre zur Gewissheit –bestätigt von Tausenden von Beispielen ausder klinischen Arbeit, aber ebenso von mei-nen persönlichen Erfahrungen.« (aus demVorwort zur »Die Psychologie der Zu-kunft«). Die sorgfältige Analyse eben die-ser Beispiele und Erfahrungen mündete ineine Reihe neuer Erkenntnisse und Theo -rien, die ich hier kurz zusammenfassenmöchte.2007 wurde Stanislav Grof für sein Lebens-werk mit dem Vision-97-Preis der Dagmar-und-Vaclav-Havel-Stiftung ausgezeichnet,unter deren Preisträgern sich auch Umber-to Eco, Philip Zimbardo und Zygmunt Bau-man befinden. Seine Preisrede wurde in dem2012 erschienenen Buch »Healing our Dee-pest Wounds« abgedruckt.

Perinatale und transpersonale Ursachen

»Das Alte sagt: So wie ich bin, bin ich seit je.Das Neue sagt: Bist du nicht gut, dann geh.«(B. Brecht)Um heilende außergewöhnliche Bewusst-seinszustände von solchen pathologischerNatur zu unterscheiden, führte StanislavGrof den Begriff »holotrop« (aufs Ganzeausgerichtet, von Griechisch holos = ganz;

trepein = sich auf etwas zu bewegen) ein.»Holotrope Bewusstseinszustände zeich-nen sich durch eine Veränderung der Wahr-nehmung aus, die sich von der uns gewohn-ten fundamental unterscheidet.« Obwohl sol-che Veränderungen der Wahrnehmung beivorindustriellen Kulturen höchste Wertschät -zung genossen, stellen sie heute ein Tabu dar,stellt Grof fest: »Die traditionelle akademi-sche Psychiatrie und die Psychologie ver-wenden ein Modell, das sich auf die Biolo-gie, die postnatale Biografie und das freud-sche individuelle Unbewusste beschränkt.«Es scheint allerdings immer klarer zu wer-den, dass wir diese drei Aspekte transzen-dieren müssen, wollen wir auf dem so wich-tigen Weg des Verständnisses psychischerProzesse voranschreiten.

Perinatale Phänomene

Das Transzendieren der postnatalen Biogra -fie führt uns zum perinatalen Dasein (»grie-chisch-lateinische Wortkombination«: peri –»um etwas herum«; natalis – »die Geburtbetreffend«). Stanislav Grof unterteilt denGeburtsprozess in vier grundlegende Sta -dien, die sogenannten perinatalen Matrizen,kurz BPM (Basic Perinatal Matrices). In »DiePsychologie der Zukunft« gibt er ihnen fol-gende Untertitel: BPM I: Urverbindung mit der Mutter: In-trauterine Existenz, die Gebärmutterspas-men haben noch nicht eingesetzt.BPM II: Kosmisches Verschlungenwerdenund Ausweglosigkeit – die Hölle: Der Fötuswird in »periodischen Abständen durch Ge-bärmutterspasmen zusammengepresst, wo-bei der Muttermund noch nicht erweitertist.« Der Fötus wird in seiner Existenz mas-siv gestört.BPM III: Der Kampf um Tod und Wieder-geburt: »[…] das Baby bewegt sich durch den

In unserem postnatalen

Leben reinszenieren wir

ständig pränatale

Erfahrungen. Diese

werden zum Lebensthema,

zur unbewussten

»Tinktur unseres Seins«

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48 November-Dezember 11-12/2012 · www.connection.de

WISSENSCHAFT

ne, die suggerieren, dass der Geist die Ma-terie dominiert.Grof versteht das Bewusstsein als etwasGren zenloses, das die normalen Einschrän-kungen, die grundlegenden Koordinaten unserer Alltagswirklichkeit, transzendie-ren kann. Und er betont, dass seine Unter-teilungen auf der systematischen Sammlungempirischer Daten beruhen: »Während mei-ner jahrzehntelangen therapeutischen Ar-beit konnte ich verfolgen, wie die meistender in diesem Schema aufgeführten Phä-nomene von vielen Personen direkt erlebtwurden. Und meine eigenen Sitzungen bil-den da keine Ausnahme; die meisten dieserErfahrungen habe ich persönlich erlebt undsie in meinen Büchern geschildert.«

Coex-Systeme

In seiner Arbeit als Psychiater stieß Grofaber nicht nur auf das heilende Potenzial ho-lotroper Erfahrungen, er fand auch heraus,dass Traumata in der Psyche grundlegendanders wirken als bisher angenommen, näm-lich als »Systeme verdichteter Erfahrungen«(systems of condensed experience, kurz Co-ex-Systeme). Dies ist der von Grof einge-führte Begriff für die Erkenntnis, dass »emo-tional relevante Erinnerungen […] im Un-bewussten nicht mosaikartig als einzelne,isolierte Prägungen gespeichert [sind], son-dern in Form von komplexen, dynamischenKonstellationen.« – »In einem Coex-Systemsind emotional stark befrachtete Erinne-rungen aus verschiedenen Lebensabschnit-ten vereint, die gefühls- oder empfindungs-mäßig eine ähnliche Qualität aufweisen.Dieses Grundthema durchzieht die ver-schiedenen davon betroffenen psychischenEbenen und offenbart sich im Verlauf desLebens in zahlreichen Varianten.«Um die potentielle Relevanz von Grofs Be-funden für die Therapie hervorzuheben unddie bisher dargestellte Theorie praktischgreifbar zu machen, möchte ich hier kurz einFallbeispiel anführen, das Grof in »Die Psy-chologie der Zukunft« vorstellt:Der Mann hieß Norbert, war 51 Jahre alt,Psychologe und Pfarrer, und kam auf Grundvon unerträglichen Schmerzen in einerSchul ter und den Brustmuskeln zur holo -tropen Therapie. Sämtliche medizinischenBefunde ergaben keine organischen Ursa-chen. Nach Beginn der ersten Sitzung woll-te Norbert abbrechen, weil sein Zustand un-erträglich wurde, es kostete Grof einige Mü -he, ihn zum Weitermachen zu bewegen. Vonhier an zitiere ich Grof:»In den drei folgenden Stunden litt er unsäg-liche Schmerzen in Brust und Schulter, dieimmer stärker und schließlich unerträglichwurden. Norbert kämpfte und rang dabei,als stünde sein Leben auf dem Spiel, keuch-te, würgte, hustete und schrie. Nach dieserstürmischen Phase beruhigte und ent-

spannte er sich und empfand einen großeninneren Frieden. Mit Erstaunen stellte erfest, dass aufgrund dieses Erlebnisses dieSpannungen in Schulter und Brust nachge-lassen hatten und er nun frei von Schmer-zen war. Später erzählte Norbert, dass seinErlebnis auf drei verschiedenen Ebenenstattgefunden hatte, die alle mit seinemSchmerz in der Schulter und dem Gefühl desErstickens in Verbindung standen.«Die zunächst auftauchenden Erfahrungenwaren der postnatalen Ebene zuzuordnen.Als Kind erstickte er fast beim Spiel mitanderen Kindern unter einem zusammen-gebrochenen Sandtunnel. Später bahntensich perinatale Erlebnisse ihren Weg. DieGeburt »war sehr schwierig gewesen, da sei-ne Schulter lange Zeit beim Schambein sei-ner Mutter stecken geblieben war. Er-stickungsängste und starke Schmerzen in derSchulter begleiteten auch dieses Erlebnis.« Im letzten Teil der Sitzung kamen transper-sonale Ursachen von Norberts Schmerzenans Licht. »Er begann Militäruniformen undPferde zu sehen [...] Er befand sich in einerSchlacht, die zu Cromwells Zeiten in Eng-land stattgefunden hat. Auf einmal fühlteer einen stechenden Schmerz, eine Lanzehatte seine Schulter durchbohrt. Er fiel vomPferd und fühlte, wie er von galoppierendenPferden niedergetrampelt und sein Brust-korb zerdrückt wurde.«

Nach der Sitzung stellte Norbert fest, »dasser nun vollständig schmerzfrei war. Die Be-freiung seiner jahrelangen Pein entpupptesich als dauerhaft. Seit dieser Sitzung sindmehr als zwanzig Jahre vergangen, und dieSymptome sind nie mehr zurückgekehrt.«

Psychotherapeutische Praxisund spirituelle Krise

»Wofür arbeitet ihr? Ich halte dafür, dass daseinzige Ziel der Wissenschaft darin besteht,die Mühseligkeit der menschlichen Existenzzu erleichtern«(B. Brecht)In der traditionellen Psychiatrie bedeutet dieVerstärkung eines Symptoms die Ver-schlechterung des Gesundheitszustands ei-nes Menschen. Diese Einstellung führt in somancher Therapie zu der Unterdrückung vonSymptomen. In der holotropen Therapie hin-gegen ist »Symptomverstärkung meist ein In-diz dafür, dass wichtiges unbewusstes Mate-rial ins Bewusstsein dringt, und zeigt einenFortschritt im Prozess an.« Dies erinnert anandere körperorientierte Therapien, z.B.die Bioenergetik von Alexander Lowen. Dievon Stanislav Grof und seiner Frau Christi-na Grof entwickelte Therapie und Selbster-forschungstechnik, die sie »holotrope Atem-arbeit« nennen, besteht aus dem Zusam-menspiel aus einem etwas schnelleren undtieferen Atemrythmus als gewöhnlich, demEinsatz »evokativer Musik« und unterstüt-zender Körperarbeit. Nach Abschluss der je-weiligen Sitzung wird die Verarbeitung desWiedererlebten durch Mandalazeichnen undGruppen-Sharing gefördert.Fragt man nach der Wirksamkeit von GrofsAnsichten in der Praxis, so muss v.a. dieSpring-Grove-Studie genannt werden, dermutige Versuch einer psychedelischen The-rapie bei unheilbar kranken Krebspatienten.Grof selbst hierzu: »Die Auswertung dieserStudie ergab, dass bei etwa 30 Prozent derPatienten eine dramatische, bei etwa 40 Pro-zent eine mäßige Besserung resultierte, beiden restlichen 30 Prozent blieb der Zustandim Wesentlichen unverändert.«Um Betroffenen die Methoden der traditio-nellen Psychiatrie (v.a. Tranquilizer) im Hin-blick auf spirituelle Krisen zu ersparen, grün-deten Christina und Stanislav Grof 1980 dasSpiritual Emergency Network (SEN) undschrieben über die Handhabung spirituellerKrisen zwei Bücher: »Spirituelle Krisen,Chancen der Selbstfindung« und »Die stür-mische Suche nach dem Selbst. PraktischeHilfe für spirituelle Krisen«.

Das kosmische Spiel

»Ich sage voraus, dass noch zu unsern Leb-zeiten auf den Märkten von Astronomie ge-sprochen werden wird.«(B. Brecht)

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Grof versteht das

Bewusst sein als etwas

Grenzenloses, das die

normalen Einschrän kungen,

die grundlegenden

Koordinaten unserer

Alltagswirklichkeit,

transzendieren kann

www.connection.de · November-Dezember 11-12/2012 49

WISSENSCHAFT

Stanislav Grof bemühte sich immer wiederdarum, die Erkenntnisse seiner Laufbahn alsForscher und klinischer Psychiater in eineninterkulturellen und metaphysischen Kon-text zu stellen. In diesem Zusammenhangveröffentlichte er zwei Bücher: »Das kosmi-sche Spiel« und »Alte Weisheit und moder-nes Denken«. Es gelingt ihm, überzeugenddarzustellen, dass die Erkenntnisse, die Men-schen in holotropen Zuständen gewinnen,grundsätzlich mit den Lehren der mystischenTraditionen zahlreicher Kulturen überein-stimmen. Was die Bedeutung pränataler undtranspersonaler Phänomene für unsere Kul-tur anbelangt, so verfasste er einen bahn-brechenden Text über die »PsychologicalRoots of Human Violence and Greed« (nach-zulesen auf www.primalspirit.com).Den traditionellen Gelehrten zum Trotz in-tegrierte er in sein System eine weitere Kom-ponente, die von materialistisch gesinntenForschern abgelehnt wird. »Seit Anbeginnder experimentellen Arbeit mit Psychedeli-ka wurde nach einer Technik gesucht, mit dersich die Wirkung dieser Substanzen vorher-sehen lässt […] Nach Jahren frustrierenderSuche fand ich die Antworten schließlich ineinem Wissensgebiet, das ironischerweisenoch umstrittener und noch kontroverser warals die psychedelische Forschung selbst – inder Astrologie.« Die Zusammenhänge zwi-schen außergewöhnlichen Bewusstseinszu-ständen und Astrologie beschreibt Grof erst-mals in »Die Psychologie der Zukunft«. DieHoffnung besteht hierbei natürlich darin, ho-lotrope Sitzungen besser planen, sie zum rich-tigen Zeitpunkt durchführen zu können.

Kritik

»Groß ist nicht alles, was ein großer Mann tut.Und Galilei aß gern gut.« (B. Brecht)

Werfen wir abschließend einen Blick aufdie wenigen uns bekannten Kritiker. Zu ih-nen scheint mir Kevin Shepherd zu gehören,der auf seiner Website www.citizeninitiative.com u.a. Texte von Kate Thomas veröffent-lichte. Diese beobachtete zahlreiche negati-ve Auswirkungen der holotropen Therapieund schrieb für das Journal of the Scientificand Medical Network zwei kritische Ab hand -lungen, aus denen ich hier zitieren möchte:»Meine größte Sorge im Folgenden ist derSchaden, der (durch Grofs Arbeit) im Ent-wicklungspotenzial buchstäblich Tausendervertrauensvoller Menschen angerichtet wird,ebenso in der physischen Gesundheit, weilzu viele Unfälle in Form von ernsthaftenNach wirkungen dem Gebrauch bestimmterTechniken und Praktiken folgten, vom Ner-venzusammenbruch bis zur Verrücktheit (in-sanity).«

»Groß ist nicht alles, was

ein großer Mann tut. Und

Galilei aß gern gut.«

Bertolt Brecht

Von solchen »Zusammenbrüchen« hört manregelmäßig und von verschiedensten Quel-len. Die Anhänger der holotropen Therapieverweisen gelegentlich darauf, dass diese le-diglich Entwicklungsschritte sind und »spi-rituelle Notfälle«. Ein Kritiker merkt an die-ser Stelle spitz an, dass Grof durch seine The-rapie ironischerweise Notfälle kreiert, dieohne diese gar nicht auftreten würden.In diesem Zusammenhang wird auch dieWorkshop-Kultur kritisiert. In einem Work -shop hat der Therapeut nicht annähernd dieMöglichkeiten der Vor- und Nachbereitung,also der Integration außergewöhnlicher Er-fahrungen, wie es der Rahmen einer Thera-pie ermöglicht und wie Grof selbst es in der»Psychologie der Zukunft« beschreibt.Gegner werfen Grof in diesem Zusammen-hang außerdem die Vermarktung des La-bels »holotrope Atemarbeit« vor: »Ich stel-le deshalb stark die (hauptsächlich kom-merzielle) Promotion der Hyperventilationund den Gebrauch psychoaktiver Substan-zen als medizinisch sichere und wertvolleMethoden infrage, um zu transpersonellenErfahrungen zu gelangen.«

In unserer Jan/Feb Ausgabe bringen wir einenBericht von dem Seminar, das Stanislav Grof EndeOktober in Basel abhält, voraussichtlich auch einInterview mit ihm. Die Zitate von Bertold Brecht sindseinem Theaterstück Leben des Galilei entnommen.

BeFree Tantra Silvesterseminar „Im Zauber von 1001 Nacht“Einweihung in tantrische Liebeslust für Singles & Paare

Mann und Frau sind verschieden. Genau das bereichert ihre Begegnung. Um von- und miteinander zu lernen, anstatt sich zu bekämpfen, ist es nötig, dass sie einander in ihre Verschiedenheit „einweihen“. Das geschieht in der wunderbaren Atmosphäre des tantrischen Tempels. Im Silvester-Ritual begegnen sie einander im Zauber von 1001 Nacht. Fast wie nebenbei geschieht ein Loslassen von unnötig gewordenen Lasten des gesamten Lebens. So starten Sie kraftvoll und energiegeladen ins neue Jahr.

Ausführliche Informationen auf unserer Website mit be-bilderten Berichten aus den letzten Silvesterseminaren www.befree-tantra.de.

Termin: 28.12.12-02.01.13, Gut Frohberg, Nähe Dresden,Leitung: Regina Heckert, Michaela Butsch-Magin, Dinesh Juckoff & TeamInfo/Anmeldung: BeFree Institut, Tel. 06344-954160, [email protected]

MAXIM KORMAN, geb. 1992 inLviv (Ukraine), wuchs inDeutschland dreisprachig auf(russisch, ukrainisch, deutsch).Schachspiel meis ter schaften.Autodidakt. Lebt in Trier. [email protected]

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72 November-Dezember 11-12/2012 · www.connection.de

IN EIGENER SACHE

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F reitag, den 17. August 2012, 15.30Uhr. In unserem Connection Ver-lagsbüro kommen neun Faxe an,

überschrieben mit »Eilt / Bitte sofort vorle-gen«. Der Absender ist die AnwaltskanzleiBird&Bird in Hamburg, ihr Mandant dieHeinrich Bauer Media Group, einer der viergrößten deutschen Zeitschriftenverlage. Esgeht um die Titelbilder von Connection Spi-rit und happinez. Bis Montag 16 Uhr ersu-chen sie mich um die schriftliche Erklärung,unsere aktuelle Ausgabe nicht zu veröffent-lichen und auch weiterhin keine solcherartgestalteten Titelbilder zu bringen, per »straf-bewehrter Unterlassungsverpflichtungser-kärung«, sowie die Bewerbung und den Ver-trieb dieses Heftes unverzüglich einzustel-len, andernfalls würden sie ihrer Mandantinempfehlen, gerichtliche Hilfe in Anspruch zunehmen. Ich war gerade sechs Stunden vor-her für zehn Tage abgereist, mein Büro warnicht besetzt, auch am Montag nicht, denn eswaren Schulferien, da hatten Birgit und Ir-mi wegen der Kinder mal zugleich Ferien ge-macht, was sonst kaum vorkommt. Zeitlichgesehen also Pech für uns. Die Zeitschrift happinez gibt es seit 2003.Sie wurde von der niederländischen Jour na -

lis tin Inez van Oord gegründet (daher derName happ-inez). In den Niederlanden istsie heute die (pro Ausgabe gerechnet) er-folgreichste Frauenzeitschrift. Sie erscheintzweimonatlich, nennt sich »mindstyle ma-gazine« und ist im Grunde das, was wir eine»spirituelle Zeitschrift« nennen würden.Sehr schön bebildert, wunderschön layou-tet, mit hauptsächlich gefälligen Einsteiger-texten, aber auch anspruchsvolleren. PauloCoelho und Eckart Tolle zählen zu den Ko-lumnisten, und auch Naturkostrezepte, Woh-nungseinrichtung, Reisen und Partnerschaftgehören zu den Inhalten. Seit August 2010ist happinez zudem auf dem deutschenMarkt und auch hier erfolgreich, im erstenHalbjahr 2012 wurden durchschnittlich100.000 Stück pro Ausgabe verkauft.

»Esoterische Landlust«

Die deutsche Ausgabe von happinez er-scheint bei der Heinrich Bauer MediaGroup, die mit circa 8.000 Mitarbeitern überzwei Mrd. € Jahresumsatz erwirtschaftet. DerChefredakteur von happinez leitet zugleichdie Redaktionen von TV 14, TV Hören undSehen und Welt der Wunder. Mir gefiel hap-pinez von Anfang an, deshalb suchte ich denKontakt und bot schon im Sommer 2010 ei-

ne Kooperation an. W&V, die führende Wo-chenzeitung der Medienbranche, berichte-te fair und wohlwollend, der Onlinebran-chendienst meedia.de schrieb sogar »DieZeitschrift hat das Potential, eine esoteri-sche Landlust zu werden« – Landlust ist dasWunderkind der Branche, das inzwischenfast eine Million Stück verkauft. Der Spie-gel jedoch, bekannt für seine Verhöhnungalles Spirituellen, höhnte auch über happi-nez: »Entstanden ist eine krude Mischungaus Bin senweisheiten, Sexualberatung undKoch rezepten.« Mir antwortete die Redak-tion im August 2010, sie seien »noch in derAufbauphase« und könnten auf die zahlrei-chen Coop-Angebote nicht eingehen. Erstim Sommer 2012 war es soweit: Am 2. Julistimmte die Redaktion dem von uns ange-botenen Abotausch zu. Seitdem bekommtdie Redaktion von happinez Connection Spi-rit zugeschickt, und wir happinez.

Zweimal »Mut«

Wie kommt eine Zeitschrift, die mit uns sokollegial umgeht, dazu, Anwälte gegen unsloszuschicken? Anlass war, dass beide Re-daktionen fast auf den Tag genau das glei-che Titelthema »Mut« brachten. Das hattewohl keiner von uns vorausgesehen. Vor-

und die Kleinen

Was kann ein kleiner Verlag gegenüber einem großen ausrichten,wenn er nicht genug Geld hat, um dafür zu kämpfen?

VON WOLF SCHNEIDER

Die

Großen

www.connection.de · November-Dezember 11-12/2012 73

IN EIGENER SACHE

wir. Was das Abo anbelangt, ist der Unter-schied viel geringer, aber die Titelbilder sindja für den Kioskverkauf relevant. Warum willBauer einen Mitspieler finanziell schwerschädigen oder sogar vom Markt drängen,der nur ein Hundertstel so viel verkauft wiedie eigene Zeitschrift? Ein Mitspieler, mitdem sich eine Coop lohnen dürfte, denn nie-mand hat in der spirituellen Szene des deut-schen Sprachraums inzwischen so viel Insi-derwissen wie wir.

Wer bekommt Recht?

Ich konnte den Streit, der uns viel Geld ge-kostet und mich vermutlich monatelang be-schäftigt hätte, außergerichtlich verhinderndurch Zahlen eines »Lösegeldes«: die Ge-richtskosten + meine eigenen Anwaltskosten+ die Ausfälle, weil ich vier Wochen langdurch diese Sache gebunden war. Streit ver-mieden, gut so. Nun dürfen wir keine rundenTitelbilder mehr bringen, das ist nicht soschlimm. Das traurige Fazit aus diesem ver-miedenen Streit ist jedoch die Erkenntnis:Man darf in unserem Rechtsstaat nichts tun,was »den Großen« nicht passt, denn mittelsihrer finanziellen und personellen Ressour-cen können sie den Kleinen gegenüber pro-blemlos ihre Ziele durchsetzen, auch dann,wenn sie nicht »Recht haben«. happinez ist eine Zeitschrift, die sich spiri-tuell nennt und in ihrer aktuellen Ausgabe,ganz im Tonfall der Szene, dazu aufruft, »dem

Herzen zu folgen«. Auf der letzten dieserHerzens-Seiten steht dann, schön rot und fetthervorgehoben: »›Ich kann mir das nicht leis -ten‹ kann umgewandelt werden zu: ›Ich binreich und kann ständig auf eine Quelle gren-zenloser Möglichkeiten zurückgreifen‹«. Dasist wieder diese mit unserem Wirtschaftssys -tem so gut kompatible Esoterik, die allen ir-gendwie Benachteiligten sagt, sie hätten ih-re Situation selbst kreiert und könnten sieverwandeln. Ja, mein Leben ist sehr reich anMöglichkeiten, danke für die Erinnerung.Um aber »ständig auf eine Quelle grenzen-loser Möglichkeiten zurückgreifen« zu kön-nen, braucht man zum Beispiel eine Rechts-abteilung und eine gut ausgestattete »Kriegs-kasse« (Branchenjargon), um auch in einerrechtlich zweifelhaften Situation die eigenenZiele quasi spielerisch durchsetzen zu kön-nen.

aussehbar wäre es für happinez allerdingsgewesen – wir kündigen unsere Themen im-mer langfristig an, happinez sehr kurzfristig.Nun waren plötzlich beide Magazine aufdem Markt, beide mit dem Thema »Mut«,in einem kreisförmigen Motiv. Irgendwer imHause Bauer muss daraufhin Alarm ge-schlagen haben. Dann wurden die Anwältelosgeschickt. Das Thema kann man nichtschützen: Man kann nicht andere Journalis -ten daran hindern, »Glück«, »Liebe« oder»Krieg in Syrien« auf den Titel zu setzen,wenn man selbst das tut oder vorhat. Sover suchten sie es über die Gestaltung. Es warzwar im Hause Bauer seit Monaten bekannt,dass auch wir neuerdings gerne rund um-randete Bilder auf den Titel setzen statt recht -eckig begrenzter, aber das Runde gehört zumProfil von happinez, dafür hatten sie Mar-kenschutz angemeldet (was ich nicht wusste,und was auch noch nicht bedeutet, dass dasrichterlich abgesegnet ist).Große Verlage haben eine Rechtsabteilung.Die mahnte uns nun ab, mit der Drohungeiner einstweiligen Verfügung, wenn wirnicht klein beigeben würden (zwischen Frei-tagnachmittag 15.30 Uhr und Montag 16Uhr). Kommuniziert per Fax – per Mail hät-te man mich leicht erreichen können, nocham selben Tag. Eine Mail schickten mir dieAnwälte von Bird&Bird jedoch erst eine Wo-che später, da war der Gerichtsvollzieherschon nicht mehr rückrufbar. Der stellte unsam 27. August die einstweilige Verfügung

zu. Nun war die Sache für uns nicht mehrfür weniger als ein paar tausend Euro Lö-segeld vom Tisch zu bekommen.

Das Kräfteverhältnis

Ich erkundigte mich daraufhin, wie die Chan-cen überhaupt stehen, dass Bauer mit die-sem Markenschutzanspruch durchkommt.Die Fachanwälte meinten überwiegend,rechtlich gesehen stünden die Chancen fürBauer in der Sache nicht gut, aber sie hät-ten finanziell und ressourcenmäßig den län-geren Atem. Sie würden gegen einen klei-nen Verlag vermutlich die Oberhand behal-ten, denn wir müssten ja bereit sein, durchmehrere Instanzen dafür zu kämpfen. Wennwir in erster Instanz gewinnen, die Chancendafür stünden nicht schlecht, dann würdeBauer in Berufung gehen, und auch wenn so-

gar das Oberlandesgericht uns Recht gibt,gäbe es noch eine Möglichkeit, damit bis nachKarlsruhe zu gehen, Bauer sei das zuzutrau-en. Außerdem würden sie uns in dieser Sa-che wohl nicht vertreten können, denn ihr

übliches Stundenhonorar sei 300 bis 400 €(ebenso wie, geschätzt, das der Bird&BirdAnwälte), und das würde doch wohl unsereMöglichkeiten übersteigen. Kurz gesagt: rechtlich gute Chancen, abervom Kräfteverhältnis her nicht. Es nützt lei-der nichts, das Recht auf seiner Seite zu ha-ben, wenn man nicht auch das Geld hat, esdurchzufechten. Zudem müsste ich mich imFalle eines Rechtsstreits an die Auflage hal-ten, keine runden Titelbilder mehr zu brin-gen, und die aktuell mit solchen Bildern ge-druckten Hefte dürfte ich so lange nicht her-

zeigen, wie der Rechtsstreit währt – und derkönne Jahre dauern. Der Beruf der Anwälte ist es nicht, Streit zuvermeiden, sondern zu kämpfen – für die Par-tei, die sie bezahlt. Ich versuchte deshalb, mitder Redaktion von happinez, dann auch mitder dortigen Verlagsleitung Kontakt aufzu-nehmen und die Sache kollegial zu lösen.Wenn die meinen, unsere runden Titelbil-der seien für sie ein Angriff, würde ich nach-geben, auch wenn das Recht darauf für unsdurchsetzbar wäre. Ich rief mehrfach dort anund schrieb Mails, bekam aber keine Ant-wort. Wahrscheinlich gab es dort ein Ver-bot, mit mir Kontakt aufzunehmen. Connection Spirit ist zu klein, um für happi-nez eine ernsthafte Bedrohung zu sein. Ob-wohl happinez erst seit zwei Jahren am Marktist und wir seit 27, verkauft happinez am Ki-osk fast hundert mal so viele Exemplare wie

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»Es nützt leider nichts,

das Recht auf seiner Seite

zu haben, wenn man nicht

auch das Geld hat,

es durchzufechten«

Runde Titelbilder bringen?Gar regelmäßig? Das darfnur, wer genug Geld in der »Kriegskasse« hat.Unsere eigenen rundenTitelbilder der letzten

vier Ausgaben dürfen wirdeshalb hier nicht zeigen