SCHULE und BERATUNG - StMELF · 66 Die Entwicklung des ernährungswirtschaftlichen Außenhandels...

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SCHULE und BERATUNG Fachinformationen aus der Landwirtschaftsverwaltung in Bayern Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Soziale Landwirtschaft Stallbauseminare an den Triesdorfer Fachschulen Erstes Amt mit freiem WLAN Flächenverbrauch in Gemeinden 4-5/2016

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SCHULE und BERATUNG

Fachinformationen aus der

Landwirt schafts verwaltung

in Bayern

Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

→ Soziale Landwirtschaft → Stallbauseminare an den Triesdorfer Fachschulen → Erstes Amt mit freiem WLAN → Flächenverbrauch in Gemeinden

4-5/2016

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INHALT

SOZIALE LANDWIRTSCHAFT

MILCHERZEUGUNG

ERNÄHRUNG

BILDUNG

UNTERNEHMENSBERATUNG

DIGITALISIERUNG

LÄNDLICHER RAUM

AGRARPOLITIK

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INHALT

4 Soziale Landwirtschaft 7 Servicewohnen für Senioren auf dem Bauernhof – Ein Porträt 8 Soziale Landwirtschaft in Bayern

11 Stallbauseminare an den Triesdorfer Fachschulen 14 Milchviehhaltung und Lebensqualität 18 Milch, Käse & Co

20 Mensa macht Schule 22 Zukunft „isst“ jetzt 24 Gewusst wie: Einfach Schnappschüsse vom Bildschirm erstellen

25 Allianz für starke Berufsbildung 27 Das who is who der hauswirtschaftlichen Abschlüsse: Hauswirtschafter / Hauswirtschafterin 28 Das erste kooperative BGJ in der Hauswirtschaft 30 Verbraucher, Gäste und Kunden im Blick 32 „Verachtet mir die Meister nicht und ehret ihre Kunst“ 35 Landwirt meets Flüchtling

36 RAD & APARTment 39 Anbaueignung für Sojabohnen in Bayern 43 Sustainable Agriculture Initiative Platform

46 Erstes Amt mit freiem WLAN 48 Landwirtschaftsverwaltung beteiligt sich an Projekt „BayernWLAN“ 49 Die digitale Zukunft des GaLaBaus

54 Landschaftspflege will gelernt sein 58 Flächenverbrauch in Gemeinden 61 Erfassung von Bayerns Streuobstsorten

66 Die Entwicklung des ernährungswirtschaftlichen Außenhandels Bayerns 2015 – Teil 1 69 Pro Gesund für ein Plus in der Tiergesundheit 71 „Zu gesunden Tieren geht man gern in den Stall“

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Soziale Landwirtschaft Ein vielfältiger Nebenerwerb mit sozialem Anspruch

von ANTONIE HUBER: Landwirtschaftliche Betriebe mit Angeboten der Sozialen Landwirt-schaft öffnen ihren Hof für Menschen mit Behinderungen und/oder (sozial) schwache, be-nachteiligte Menschen. Die Angebote reichen z. B. vom Wohnen, der Versorgung und Betreu-ung bis hin zur Mitarbeit im landwirtschaftlichen Betrieb, Garten und Haushalt. Es können Win-Win-Situationen entstehen für die bäuerliche Familie und den „Nutzer“/Klienten. Durch verschiedenste Aktivitäten unterstützt die bayerische Landwirtschaftsberatung derzeit den Aufbau eines Nebenerwerbs im Bereich des landwirtschaftlich-sozialen Unternehmertums. Damit will sie neben den Möglichkeiten der Diversifizierung nicht zuletzt auch die Multifunk-tionalität der Landwirtschaft unterstreichen.

Soziale Landwirtschaft, Social Farming, Care Farms, Green Care sind Sammelbegriffe für eine große internationale Idee. Grundlegende Gemeinsamkeit ist, dass Themen und Auf-gaben der sozialen Arbeit auf den Bauernhof transferiert werden. Wobei die Natur, die Tiere, der Kontakt zur Bau-ernfamilie mit der Einbindung in feste Tages- und Familien-strukturen als Schlüsselfaktoren für eine positive integrative Entwicklung der Klienten sorgen.

Es ist eine Wiederentdeckung von Altbekanntem! In Klöstern, pädagogisch und therapeutisch arbeitenden So-zialeinrichtungen, psychiatrischen Krankenhäusern waren noch vor sechzig Jahren überwiegend landwirtschaftliche Betriebe angegliedert. Die Betreiber wussten um die Vor-teile des Arbeitens in und mit der Natur für ihre Bewoh-ner. Viele dieser Einrichtun-gen gaben im Rahmen von Rationalisierungsmaßnah-men bzw. aus personalwirt-schaftlichen Gründen diese Nebenbetriebe auf. Seit ca. 15 Jahren gibt es jedoch europaweit wieder inten-sive Bestrebungen, die Ver-bindung von Pädagogik und Sozialarbeit mit der Land-wirtschaft, dem Gartenbau, der Landschaftspflege und Forstwirtschaft zu beleben. Zu den ersten, die sich hier engagierten, zählten öko-logisch wirtschaftende Be-triebe mit einem hohen Anteil an „Handarbeit“ so-wie Lebens- und Arbeits-

gemeinschaften. Zwischenzeitlich wird die Soziale Land-wirtschaft europaweit zunehmend als Zukunftsperspektive erkannt für den „Nutzer“, den landwirtschaftlichen Betrieb und die bäuerliche Familie.

In Deutschland bemühen sich insbesondere Dr. Thomas van Elsen und Alfons Limbrunner um eine Wiederbelebung der grünen Sozialarbeit. Als Gründungsväter der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Soziale Landwirtschaft (DASoL) bieten sie seit 2009 damit ein Austauschforum für die Vielfalt So-zialer Landwirtschaft an. Ziel ist es, sie weiterzuentwickeln (siehe www.soziale-landwirtschaft.de).

Im Vergleich zu Ländern wie den Niederlanden, Bel-gien und Norwegen erschweren in Deutschland leider eine Vielzahl an Gesetzen und Zuständigkeitsbereichen bei den

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2010 bis 2013 Gründung der regionalen Netzwerke Nordbayern, Niederbayern/Oberpfalz, Oberbayern/Schwaben an drei Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

2014/2015 Erstellung der xit-Studie „Soziale Landwirtschaft in Bayern – eine praxis-orientierte Bestandsaufnahme“ im Auftrag des Bayerischen Staatsministeri-ums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (www.stmelf.bayern.de/landwirtschaft/erwerbskombination/106259/index.php)

Ab 2015 Gründung der interdisziplinären Arbeitsgruppe „Soziale Landwirtschaft“ im Rahmen des Projekts „Forum Diversifizierung“ unter Leitung der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft(www.forum.diversifizierung.bayern.de)

2015 Flyer „Soziale Landwirtschaft – eine Perspektive für Ihren Betrieb“, Hrsg.: Baye-risches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (www.bestellen.bayern.de)

Infobox: Eckpunkte der Entwicklung der Sozialen Landwirtschaft in Bayern

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Kostenträgern, dass potenzielle landwirtschaftliche Anbie-ter und interessierte Klienten zusammenfinden.

Der „Bayerische Weg“ in der Sozialen LandwirtschaftDie bayerische Landwirtschaftsberatung hat mit ihren Akti-vitäten in den letzten Jahren eine gute Basis gelegt für die Etablierung der Sozialen Landwirtschaft in Bayern. Die Eck-punkte der Entwicklung zeigt die Infobox auf.

Die staatliche Landwirtschaftsberatung in Bayern defi-niert ihre Arbeit im Bereich der Sozialen Landwirtschaft ver-gleichsweise zu den anderen Ländern enger:

→ zum einen unter der Prämisse, ein echtes Einkom-mensstandbein für landwirtschaftliche Betriebe zu schaffen sowie

→ zum anderen in Abgrenzung zu den erlebnisorien-tierten Angeboten, wie z. B. Kindergeburtstag auf dem Bauernhof, Lern- und Erlebniswelt Bauernhof für (Schul-)Kinder und Jugendliche.

Danach wird die Soziale Landwirtschaft wie folgt definiert: Betreuung und Beschäftigung von Personen mit besonde-ren (sozialen) Bedürfnissen in der Landwirtschaft, ländlichen Hauswirtschaft, im Forst und Gartenbau mit dem Ziel, eine individuelle, adäquate Lebensführung beim „Nutzer“ zu för-dern und um eine verlässliche Wertschöpfung in Form von Einkommen und/oder der Arbeitsleistung für den landwirt-schaftlichen Betrieb zu erzielen.

Vielfalt an Zielgruppen und AngebotenDie Angebote im Bereich Soziale Landwirtschaft sind sehr facettenreich. Sie unterscheiden sich nach der/dem

→ Zielgruppe („Nutzer“), → Zielsetzung des Aufenthalts, → Kostenträger (Selbstzahler, Kostenübernahme

durch Dritte),

→ Leistungsspektrum des Bauernhofs und → Aufenthaltsdauer.

Zielgruppen und ihre ZielsetzungDie Soziale Landwirtschaft richtet sich einerseits an Men-schen mit körperlichen, geistigen, sozialen und/oder psy-chischen Beeinträchtigungen; dazu zählen auch Menschen mit Suchterkrankungen, Lernschwäche und sozialen Einglie-derungsproblemen.

Andererseits zählen altersbezogen zu den Zielgruppen: Kinder und Jugendliche sowie Senioren von den Jungge-bliebenen bis hin zum pflegebedürftigen älteren Men-schen.

Aufgrund ihres sehr unterschiedlichen Bedarfes verfol-gen die einzelnen Zielgruppen sehr unterschiedliche Ziel-setzungen mit dem Bauernhofaufenthalt.

Der „Nutzer“ kann mit dem Bauernhofaufenthalt fol-gende Zielsetzungen verfolgen:

→ Betreuung und Beschäftigung, → Erziehung und Bildung, → Freizeitgestaltung, → Therapie und Rehabilitation und → Integration.

Aus Nutzersicht dient der Bauernhofaufenthalt oft sogar dem Zweck mehrerer dieser Ziele.

Zielsetzung des landwirtschaftlichen BetriebsMit dem Einstieg in die Soziale Landwirtschaft möchte der landwirtschaftliche Betrieb neben seinem sozialen Engage-ment Einkommen erzielen und/oder durch eine zusätzliche Arbeitskraft arbeitswirtschaftliche Vorteile nutzen. Darü-ber hinaus profitiert die bäuerliche Familie oft menschlich von den persönlichen Erfahrungen beim Umgang mit den neuen Hofbesuchern/Hofbewohnern.

→ Menschen mit Suchterkrankungen bei der Waldarbeit (Foto: Reichert) → Tierkontakt eines geistig behinderten Mädchens (Foto: Zeintl)

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Liegt bei einem Mitglied der bäuerlichen Familie zusätz-lich eine entsprechende Qualifikation als Erzieher, Sozialpä-dagoge, Heilerziehungspfleger, Altenpfleger etc. vor, kann damit der eigene Arbeitsplatz auf dem Betrieb geschaffen werden.

Darüber hinaus kann es vorteilhaft sein, noch gut er-haltene Bausubstanz am Hof sinnvoll und ertragreich zu nutzen. Denn manche Angebote bestehen allein auch da-rin, Wohnraum zu vermieten. Letzteres ist gerade für die landwirtschaftlichen Betriebe sinnvoll, die aufgrund ihrer arbeitswirtschaftlichen Situation ansonsten keine sozialen Dienstleistungen anbieten können.

Bestenfalls ist die Zielsetzung des Bauerhofaufenthalts aus Sicht des „Nutzers“, des landwirtschaftlichen Betrie-bes und ggf. des Kostenträgers (z. B. Bezirk) immer eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

Leistungsspektrum des BauernhofsEs kann reichen von (erlebnis-)pädagogischen Dienstleis-tungen (z. B. Lern- und Freizeitprogramme für Menschen mit Behinderungen, Bauernhof-Kindergarten), der Betreuung und Beschäftigung von Menschen mit Beeinträchtigung, der hauswirtschaftlichen Versorgung und Verpflegung bis hin zur Gewährung von Unterkunft bzw. Vermietung von Wohnungen (z. B. an Senioren).

Der landwirtschaftliche Unternehmer kann dabei als ei-gener, unabhängiger Anbieter auftreten oder mit einer So-zialeinrichtung kooperieren, die dann z. B. bei Suchtkranken die therapeutische Betreuung übernimmt.

Angebotsformen und AufenthaltsdauerFür die Bereitstellung auf einem Bauernhof eignen sich fol-gende Angebotsformen:

→ Betreutes Wohnen in Gastfamilien für Menschen mit Behinderung,

→ Therapeutische Wohngemeinschaften/ambulant betreutes Wohnen in Gruppen,

→ Betreutes Einzelwohnen/unterstütztes Einzelwoh-nen,

→ Betreutes Einzelwohnen in der Jugendhilfe, → Intensiv sozialpädagogische Einzelbetreuung für

Jugendliche, → Aufnahme von Pflegekindern, → Bauernhof-Kindergarten, → Außenarbeitsplatz einer Werkstatt für Menschen

mit Behinderung und → Zuverdienst für Menschen mit Behinderung.

Entsprechend der Zielsetzung und dem Leistungsspektrum der Angebotsformen kann sich die Aufenthaltsdauer von

einigen Stunden auf dem Bauernhof bis mehrere Jahre er-strecken.

Vom Wert der Sozialen LandwirtschaftVerschiedene (internationale) Studien im Bereich der Grü-nen Sozialarbeit zeigen, dass das Leben und Arbeiten in und mit der Natur sowie das familiäre Umfeld auf dem Bauern-hof sich positiv auf das Befinden und die Entwicklung eines Menschen auswirken kann und damit erhebliche therapeu-tische Erfolge möglich sind.

Der Hauptgrund dafür ist, dass bei den Tätigkeiten auf dem Bauernhof nicht allein der Intellekt gefordert ist, son-dern auch die Gefühle angesprochen werden (insbesondere z. B. beim Umgang mit Tieren) und durch praktisches, kör-perliches Tun Selbstwirksamkeitserfahrungen gesammelt werden können.

Der positive Mehrwert der Sozialen Landwirtschaft auf dem Bauernhof liegt somit in der Ganzheitlichkeit von Ler-nen, Erleben, Gestalten und Arbeiten, oder wie es Pestalozzi ausdrückt: „Lernen mit Kopf, Herz und Hand“ (siehe Abbil-dung).

Der Bauernhof bietet u. a. die Möglichkeit → Alltagskompetenzen zu erwerben bzw. zu erhalten, → die Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns zu erleben, → die Selbstständigkeit und Selbsttätigkeit zu fördern, → umfassende Naturerfahrungen zu sammeln,

→ Abbildung 1: Der positive Mehrwert der Sozialen Landwirtschaft auf

dem Bauernhof

Vom Wert der Sozialen Landwirtschaftauf dem Bauernhof

Quelle: LfL-IBA, Antonie Huber

Abb. 1: Der positive Mehrwert der Sozialen Landwirtschaft auf dem Bauernhof

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→ Erfahrungen zum Leben und Tod zu machen, → der vielfältigsten Sinneserfahrungen, → Nachhaltigkeit im Handeln zu lernen, → Sozialkompetenzen zu verbessern, → zum integrativen Leben und Arbeiten und → den Gesundheitszustand zu verbessern.

FazitAngebote im Bereich der Sozialen Landwirtschaft können für einzelne landwirtschaftliche Betriebe eine arbeitswirt-schaftlich sinnvolle, einkommensrelevante Ergänzung zum Gesamtunternehmen „Bauernhof“ darstellen. Dies trifft ins-besondere dann zu, wenn eine (sozial-) pädagogisch, the-rapeutische und/oder pflegerische Fachqualifikation inner-halb der Familie vorliegt und/oder ausreichend Wohnraum bzw. leer stehende Bausubstanz zur Verfügung steht. Die

Vielfalt der Angebote macht es einem nicht schwer, ein für sich geeignetes Angebot zu finden, das von der rundum Be-treuung und Versorgung bis hin zur ausschließlichen Ver-mietung reichen kann. Grundvoraussetzungen für den Ein-stieg in das soziale Unternehmertum sind dabei aber immer: Offenheit und Toleranz sowie die Freude am Umgang mit der jeweiligen „Nutzer“-Gruppe.

ANTONIE HUBER BAYerIScHe LANdeSANSTALT fÜrLANdwIrTScHAfTINSTITUT fÜr BeTrIeBSwIrTScHAfTUNd [email protected]

Der ehemalige Bauernhof der Familie Summ liegt an den Ausläufern des Süd-lichen Steigerwaldes zwischen Ipsheim und Bad Windsheim in Mittelfranken und gehört zur Metropolregion Nürnberg. Neben einer alten Mühle und der Mark-grafenkirche St. Kilian, bestimmen vor allem Grünflächen das Ortsbild. Die relativ flache bis hügelige Gegend, das Aischtal, kleine Weindörfer, das in der Nähe gele-gene Fränkische Freilandmuseum und die Frankentherme in Bad Windsheim, geben der Umgebung eine anregende Note und bieten unmittelbare Möglich-keiten für Spaziergänge und Fahrradeaus-flüge. Die Orte Neustadt/Aisch, Erlangen, Nürnberg und Fürth sind gut per Auto

Servicewohnen für Senioren auf dem Bauernhof – Ein Porträt

erreichbar. Eine Bahnanbindung gibt es in Bad Windsheim bzw. Neustadt/Aisch.

Durch die zunehmende Verstädterung des gesellschaftlichen Lebens entsteht für viele Menschen ein immer stärke-res Bedürfnis nach mehr Naturnähe und ländlicher Umgebung. Die demogra-phische Entwicklung in puncto Alters-struktur, Aktivitätspotentiale, Interes-sen und Ansprüche älterer Menschen, machen eine weitere Differenzierung der Angebotspalette der Wohn- und Versorgungsformen für ältere Menschen notwendig. So gilt es einerseits, die Selbständigkeit der Senioren weitge-hend zu erhalten und zugleich Sicher-

heit für den Bedarfsfall nach Hilfe und Unterstützung zu gewährleisten.

Fazit: Das Servicewohnen für Senioren der Familie Summ scheint ein gelungenes und zukunftsträchtiges Modell neuer Wohn- und Lebensformen im Alter und zudem ein vorzeigbares Beispiel sozialen und land-wirtschaftlichen Unternehmertums zu sein.

Kontaktdaten: Paul und Anne Summ Oberndorf 20 91472 Ipsheim Telefon: 09846 1236 www.servicewohnen-summ.de

Alfons Limbrunner, DASoL

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Soziale Landwirtschaft in BayernEine Bestandsaufnahme

von ALFONS LIMBRUNNER, STEFAN LÖWENHAUPT und MARCUS SAMBALE: Der Begriff Soziale Landwirtschaft subsumiert jegliche Kombinationen von sozialen Angeboten mit land- und forstwirtschaftlichen Produktionsformen. Anbieter sind soziale Organisationen, Landwirte, die mit sozialen Einrichtungen zusammenarbeiten und unabhängige landwirt-schaftliche Betriebe. Das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) beauftragte die Autoren zu einer Erhebung, die den Stand der bislang eher unsyste-matischen Entwicklung Sozialer Landwirtschaft mit künftigen Perspektiven spiegelt.

Anbieter Sozialer Landwirtschaft in BayernInsgesamt konnten in Bayern 191 Adressen von sozialen Ein-richtungen bzw. landwirtschaftlichen Betrieben identifiziert werden (soziale Organisationen: 69 Prozent, n=130; land-, forstwirtschaftliche oder Gartenbau-Betriebe 31 Prozent, n=61), davon fast 60 Prozent in Oberbayern, Niederbayern und Mittelfranken (siehe Abbildung 1).

Soziale Landwirtschaft, dies ergab die Befragung, kon-zentriert sich nicht auf einen bestimmten Produktionsbe-reich, sondern es lassen sich nahezu alle land- und forstwirt-schaftliche Produktionsbereiche mit sozialen Angeboten kombinieren. Die Betriebsgrößen liegen etwas über dem Durchschnitt aller landwirtschaftlichen Betriebe in Bayern bei 35 Hektar. Insgesamt werden damit über eintausend Ar-beitsplätze zur Verfügung gestellt.

Entscheidender Erfolgsfaktor: QualifikationAuffällig ist, dass rund 86 Prozent der Anbieter Sozialer Land-wirtschaft über Mitarbeitende mit einer pädagogischen, sozialen, pflegerischen oder ähnlichen Ausbildung verfü-gen. Betrachtet man nur Betriebe und Organisationen, die zur Finanzierung ihrer Leistung öffentliche Gelder erhalten (durchschnittlich 29 Prozent der Gesamterträge), erhöht sich dieser Anteil sogar auf 95 Prozent. Das bestätigt die Vermu-tung, dass eine Refinanzie-rung der Sozialen Angebote aus öffentlichen Mitteln häufig nur mit entsprechend qualifizierten Mitarbeitern erreicht werden kann (siehe Abbildung 2).

Hierin läge aus der Sicht der Autoren eine wichtige Zielsetzung: Landwirte bei der Erlangung notwendiger Qualifikationen zu unter-stützen.

Wurzeln, Trends und EntwicklungenUnter den befragten sozialen Organisationen hat Soziale Landwirtschaft eine etwas längere Tradition, wohingegen bei den landwirtschaftlichen Betrieben erst in den letzten fünf Jahren eine stärkere Zunahme zu verzeichnen ist.

Bei dem Großteil der sozialen Organisationen handelt es sich um Werkstätten für Menschen mit Behinderung, Integrationsbetriebe oder Berufsbildungsstätten/Jugend-

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→ Abbildung 1: Angebote Sozialer Landwirtschaft nach Regierungs-

bezirken (n=191)

Unterfranken (9 Prozent)

Oberfranken (10 Prozent)

Schwaben (11 Prozent)

Oberpfalz (12 Prozent)

Niederbayern (16 Prozent)

Mittelfranken (16 Prozent)

Oberbayern (26 Prozent)

→ Abbildung 2: Zusammenhang Qualifikationen und Refinanzierung bei Betrieben und Organisationen mit

päd./soz./pflleg. ausgebildeten Menschen (%)

86%

95%

78%

14%

5%

22%

Gesamt (n=42)

Betriebe und Organisationen mitEinnahmen aus öffentlichen Quellen

(n=19)Betriebe und Organisationen ohne

Einnahmen aus öffentlichen Quellen(n= 23)

Betriebe mit päd./soz./pfleg.ausgebildeten MA

Betriebe ohne päd./soz./pfleg.ausgebildeten MA

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Beratung zu Fördermöglichkeiten

Finanzielle Unterstützung

Fachliche Beratung

Beratung zu Kooperationen

Unterstützung bei Marketing

Unterstützung bei Konzepterstellung

Sonstiges

bereits erhalten bereits erhalten & weitere Unterstützung gewünschtzusätzliche Unterstützung notwendig kein Bedarf

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berufshilfe-Einrichtungen. Die Ursprünge dieser Einrichtun-gen reichen mitunter bis in die Anfänge des 20. Jahrhun-derts zurück.

Landwirtschaftliche Betriebe engagieren sich stärker im Bereich der Bildung, Erziehung, Freizeitangebote, Tagesbe-treuung sowie medizinischer Rehabilitation. Zum Erhe-bungszeitpunkt haben 1 380 Menschen an den Angeboten in 53 Organisationen und Betrieben teilgenommen. Zahlen-mäßig stellen Menschen mit Behinderungen sowie Kinder die wichtigsten Gruppen dar.

Bestehende HürdenHinweise zu Fördermöglichkeiten und direkte finanzielle Un-terstützungsleistungen gehören, neben einer umfassenden fachlichen Beratung und der Vermittlung von niederschwel-ligen klientenbezogenen Qualifikationen, zu den zentralen Notwendigkeiten der Zukunft. Mehr als die Hälfte der An-bieter der Sozialen Landwirtschaft wünscht hierzu weitere Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten (siehe Abbildung 3).

Weitere Probleme ergeben sich dadurch, dass die Zu-ständigkeiten für den Bereich Soziale Landwirtschaft frag-mentiert und deshalb unübersichtlich sind. Zudem gibt es bürokratischen Hürden: Viele Landwirte/Landwirtin-nen seien mit Antragstellungen oder Ähnlichem überfordert. Aufgrund der bürokratischen Hürden würden sich zudem Interessierte nicht an den Auf-bau sozialer Angebote in ihrem Betrieb wagen.

Ein zentrales Problem stellt wei-terhin die Logik der sozialen Finan-zierungssysteme dar: Sollen Personen aus therapeutischen Gründen auf Bau-erhöfen arbeiten, kommen mehrere Finanzierungstöpfe in Frage, was dazu → Abbildung 3: Beratungs- und Unterstützungsbedarf (%)

86%

95%

78%

14%

5%

22%

Gesamt (n=42)

Betriebe und Organisationen mitEinnahmen aus öffentlichen Quellen

(n=19)Betriebe und Organisationen ohne

Einnahmen aus öffentlichen Quellen(n= 23)

Betriebe mit päd./soz./pfleg.ausgebildeten MA

Betriebe ohne päd./soz./pfleg.ausgebildeten MA

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Beratung zu Fördermöglichkeiten

Finanzielle Unterstützung

Fachliche Beratung

Beratung zu Kooperationen

Unterstützung bei Marketing

Unterstützung bei Konzepterstellung

Sonstiges

bereits erhalten bereits erhalten & weitere Unterstützung gewünschtzusätzliche Unterstützung notwendig kein Bedarf

führen kann, dass Zuständigkeiten langwierig geklärt wer-den müssen und der Start in ein Projekt Sozialer Landwirt-schaft dadurch behindert werden kann.

Potenziale der Sozialen Landwirtschaft Das Potenzial der Sozialen Landwirtschaft zur Diversifizie-rung oder Multifunktonalität in landwirtschaftlichen Betrie-ben ist, das hat die Analyse gezeigt, nur in Ansätzen ausge-schöpft. Um dieses Potenzial heben zu können, braucht es:

→ Öffentlichkeitsarbeit, um die Chancen Sozialer Landwirtschaft zu kommunizieren,

→ Beratung und Information durch öffentliche Stellen und klassische Anlaufstellen für landwirtschaftliche Betriebe,

→ Vernetzungen von Beratungsstellen sowohl in-nerhalb der Landwirtschaft als auch zwischen der Land- und der Sozialwirtschaft (z. B. durch Modell-projekte), um deren Beratungskompetenz zu erhö-hen, Anfragen koordinieren zu können und somit eine passgenaue Beratung zu ermöglichen,

→ mehr gemeinsame regionale Netzwerke für Land-wirte und soziale Organisationen, um im Rahmen von Tagungen/Veranstaltungen und über Newslet-ter Kontaktflächen zu schaffen und Lern- und Ent-wicklungsprozesse anzustiften,

→ mehr modellhafte Kooperationen zwischen sozia-len und landwirtschaftlichen Betrieben, um erfolg-reiche Geschäftsmodelle zu entwickeln,

→ eine intensivere Zusammenarbeit mit Organisatio-nen in Grenzbereichen zur Sozialen Landwirtschaft, um hier für die Potenziale der Sozialen Landwirt-schaft zu werben und ihnen die Möglichkeiten zur Erweiterung ihres Angebotsportfolios aufzuzeigen (z. B. Erlebnisbauernhöfe, die bislang keine Ange-bote der sozialen Landwirtschaft vorhalten),

Die Anerkennung und damit Refinanzierung von Sozialen Angeboten ist in aller Regel daran gebunden, dass wesent-liche Teile der Arbeit durch Fachkräfte geleistet werden.In bayerischen Kindertagesstätten beispielsweise, muss nach BayKiBiG (Bayerisches Kinderbildungs- und –betreu-ungsgesetz) mindestens die Hälfte der pädagogischen Ar-beit durch anerkannte Fachkräfte erbracht werden.

Infobox: Fachkraftquoten in Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit als Finanzierungsvoraussetzung

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→ mehr Qualifizierungsangebote für Landwirtinnen und Landwirte, um eine Förderfähigkeit der sozia-len Angebote zu ermöglichen,

→ eine Anpassung der Rahmenbedingungen bei der Refinanzierung, um Hürden bei der Ausweitung der Angebote Sozialer Landwirtschaft abzubauen und deren wirtschaftliche Tragfähigkeit zu verbessern (z. B. Persönliches Budget für den Bereich Arbeit, Anerkennung von Teilen der landwirtschaftlichen Ausbildung als fachliche Qualifikation für soziale Angebote),

→ die Schaffung einer geeigneten Interessenvertre-tung, um die Bedarfe in den politischen Prozess transportieren zu können.

Summa summarumBayern übernimmt bislang eine beispielhafte Vorreiterrolle zur Entwicklung Sozialer Landwirtschaft und der Förderung

landwirtschaftlich-sozialen Unternehmertums, die europa-weit als zukunftsträchtige Perspektive diskutiert wird.

Hoffen lässt zudem die Bewerbung im Rahmen des EU-Förderprogramms EIP-Agri für ein Modellprojekt zur Ent-wicklung der Sozialen Landwirtschaft in Bayern, das genau an jene Zielsetzungen und Erfordernisse ansetzt, die sich aus der Untersuchung ergeben.

ALFONS LIMBRUNNER lehrte Soziale Arbeit, ist Mitbegründer der deutschen

Arbeitsgemeinschaft Soziale Landwirtschaft (dASoL) und als

entwicklungsberater und Supervisor (dGSv) Kooperationspartner

der xit GmbH tätig

www.evhn.de/alfons.limbrunner

STEFAN LÖWENHAUPT ist Geschäftsführer und Leiter des Geschäftsfeldes Unterneh-

mensberatung der xit GmbH – forschen. planen. beraten.

www.xit-online.de

[email protected]

MARCUS SAMBALE ist Berater der Geschäftsfelder Unternehmensberatung

und wirkungsforschung der xit GmbH –

forschen. planen. beraten.

www.xit-online.de

[email protected]

Das Summary der Studie finden Sie online auf den Seiten des Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Land-wirtschaft und Forsten veröffentlicht:www.stmelf.bayern.de/mam/cms01/landwirtschaft/da-teien/zusammenfassung_bestandsaufnahme-soziale-land-wirtschaft_xitgmbh.pdf

Infobox: Studie – Bestandsaufnahme Soziale Landwirtschaft in Bayern

Vorsorge, Inklusion, Rehabilitation, Bil-dung und mehr Lebensqualität sind Aspekte Sozialer Landwirtschaft. Für den ländlichen Raum und für Bauern-höfe ergeben sich daraus neue Ent-wicklungsperspektiven. Die Arbeits-gemeinschaft Soziale Landwirtschaft (DASoL) unterstützt die Vernetzung von Einzelinitiativen durch thematische und regionale Netzwerke, bündelt die Interessen der Akteure und bestehen-der Netzwerke und macht sie sichtbar.

Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Soziale Landwirtschaft

Die Homepage • informiert über Aktivitäten

regionaler Netzwerke und Veranstaltungen,

• bietet eine Datenbank zur gezielten Hofsuche,

• ein „Forum“ zum Austausch von Fragen und Gesuchen,

• einen kostenlosen Rundbrief,• Aufsätze und Poster zum

Herunterladen,

• Themenvorschläge für Studien-Abschlussarbeiten,

• Literaturhinweise,• zahlreiche Links zu Initiativen

im In- und Ausland.

www.soziale-landwirtschaft.de/

Dr. Thomas van Elsen, Petrarca Alfons Limbrunner, DASoL

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Stallbauseminare an den Triesdorfer FachschulenMit Projektunterricht mehr Selbstständigkeit, Analyse- und Entscheidungsfähigkeit und Sozialkompetenz

von HANS BÖLL, DR. SIEGFRIED KALCHREUTER und DR. MICHAELA NEFF: „Stallbau bei Milchvieh und Jungvieh“ bzw. „Stallbau in der Schweinehaltung“ können die Studierenden an der Technikerschule und Höheren Landbauschule in Triesdorf aus einem Katalog von 30 verschiedenen Seminaren wählen. Mit einem hohen Anteil an Selbsttätigkeit und Praxisbe-zug lernen sie auf den Betrieben verschiedene Stallsysteme kennen, um diese dann unter den Aspekten der Funktionalität, des Tierschutzes, der Arbeitswirtschaft und der Ökonomik be-werten zu können. Sie erarbeiten bei Bedarf eigene Planungen und präsentieren ihre Ergeb-nisse in der Gruppe oder beim Landwirt.

Die Studierenden unserer Fachschulen können 20 bis 40 Prozent ihres Unterrichtes (je nach Schultyp) mit frei wähl-baren Seminaren nach ihren Bedürfnissen selbst gestalten. Themen aus der Betriebswirtschaft (z. B. Vollkostenanalyse, Finanzanlagen, Investitionen im Energiesektor), aus der pflanzlichen und tierischen Produktionstechnik (z. B. Grün-land, Hackfrüchte, Fruchtbarkeit, Fütterung, Stallbau) wer-den ergänzt durch Mitarbeiterführung, Zeitmanagement oder Verkaufstraining. Ein eigener Stundenplan regelt die 15, 30, 45 oder 60 Stunden dauernden Themenblöcke. Je nach Lehrerplanung werden die Seminare mit Schwerpunkt Tierhaltung von Hans Böll, Dr. Siegfried Kalchreuter oder Dr. Michaela Neff geleitet, die grundlegende Erfahrungen aus ihrer langjährigen Tätigkeit als Berater und Lehrkraft einbrin-gen.

Zielsetzung eines Moduls „Stallbau“Stallbauwillige und interessierte Rinder- und Schweinehal-ter lernen mit diesem Projekt Stallsysteme (meistens Neu-bauten) kennen, beurteilen diese und entwickeln eigene, betriebsspezifische Lösungen. Sie prüfen Aspekte der Funktionalität, des Tierschutzes, der Arbeitswirtschaft und der Ökonomik bei den untersuchten Ställen. Sie lernen als Gruppe (2 bis 3 Personen) die Maßnahmen zu planen, mit dem Landwirt den Stallbau zu analysieren und bei Bedarf ex-terne Experten für eine Entscheidungsfindung einzubezie-hen. Team- und Kooperationsfähigkeit werden trainiert, die zeitlich geplante Erledigung der Aufgabe verwirklicht. Das Präsentieren der Ergebnisse in schriftlicher und mündlicher Form fördert die persönliche und die Medienkompetenz.

Organisatorischer AblaufDie Schulleitung und die Lehrkraft des Faches legen die Stundenzahl fest. 15 Stunden sind das Minimum, ausführ-lich und intensiv lässt es sich mit 30 Stunden, verteilt auf einen sechs-Wochen-Block, arbeiten. Im Unterricht werden exemplarisch die nötigen Teilbereiche besprochen:

→ Ermittlung der notwendigen Kapazitäten an Tier-plätzen, Stallgröße, Art und Größe des Futter- und Güllelagers,

→ Standorteignung und Immissionsauflagen (wird teilweise im allgemeinen Unterricht ergänzt),

→ Vergleich von Stallbauformen und Funktionsberei-chen, wie Ruhen, Bewegen, Fressen, ggf. Melken, Nebenräume,

→ Erfahrungen zu gegenwärtigen Entwicklungen und Trends im Bauwesen und in der Stalltechnik bei Rin-der- und Schweineställen von Fachreferenten (Bau-beratung, Firmenvertreter, Planer, Praktiker),

→ Bewertung der Arbeitsabläufe und der Zuordnung der Funktionsbereiche,

→ Kostenschätzung und Wirtschaftlichkeit für eine Ge-samtmaßnahme, für Teilgewerke und Baustoffe.

Der praktische Teil wird jeweils von Teams mit zwei bis drei Personen umgesetzt und beinhaltet folgende Teilschritte:

→ Auswahl eines geeigneten Betriebes mit einem Stallneubau aus den letzten drei bis fünf Jahren,

→ Terminfestlegung und Planung der Besichtigung, → Anwendung der im Unterricht erarbeiteten Grund-

lagen und eigener Beobachtungen auf dem Betrieb

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mit dem Erstellen einer Stärken-Schwächen-Ana-lyse,

→ Diskussion mit den Betriebsleitern über betriebliche und persönliche Ziele, arbeitswirtschaftliche Situa-tion im IST- und ZIEL-Betrieb, Erfahrungen während der Planungs-, Antrags- und Bauphase,

→ Beurteilung der Haltung bezüglich Tierkomfort und Tiergesundheit (siehe Bild 1 und 2),

→ Analyse der Arbeitsabläufe, → Besprechung und Dokumentation der Situation vor

Ort mit Stallbeschreibung, Maßen, Grundriss, Foto-dokumentation und Kosten (siehe Infobox),

→ Ausarbeitung und Vorstellung einer Gesamtprä-sentation in PowerPoint in der Seminargruppe, ggf. Diskussion der Ergebnisse mit dem Landwirt,

→ Ergänzende Lehrfahrt mit den Teilnehmern zu ei-nem interessanten Stall.

Weitere Alternativen in der Bearbeitung sind möglich: → Eine eigene Stallbaumaßnahme wird geplant und

eine Kostenschätzung erstellt. Die Ergebnisse wer-den in die Betriebsplanung übernommen.

→ Spezielle Ausarbeitungen z. B. über Baukosten, Stalltechnik- und Baustoffpreise, Melksysteme, Tierkomfort oder Fütterungs systeme erlauben eine intensive Auseinandersetzung mit einem speziellen Thema.

→ Eine Baumaßnahme (z. B. Kälberstall, Abferkelstall) wird ausgearbeitet, die in einem Praxisbetrieb er-fasst, in Planungen und Kostenschätzung umge-setzt und in einem eigenen Beratungsseminar als Beratungsübung beim Landwirt umgesetzt wird.

Zu Beginn des Seminars werden die Wünsche der Teil-nehmer eingeholt, Prioritäten festgelegt und der Ablauf erläutert. Für das Stallprojekt suchen sich die Studieren-den die Betriebe selbst, bei Bedarf stellen die Lehrkräfte den Kontakt zu den Betriebsleitern her. Durch die Viel-zahl von Ehemaligen im „Triesdorfer Netzwerk“ und die guten Kontakte zur Praxis aus Beratungskontakten der Lehrkräfte ist es selten ein Problem, die notwendige An-zahl von Landwirten zu finden. Diese erläutern ihre Maß-nahmen gerne, stellen Baukosten, Pläne und Skizzen zur Verfügung und berichten von ihren Erfahrungen. Alle be-teiligten Betriebsleiter stellen ihre Betriebe kostenlos für die Besuche zur Verfügung, ein Präsent der Studierenden ist deshalb selbstverständlich. Hygienische Anforderun-gen werden natürlich berücksichtigt, passende Schutz-kleidung stellt die Schule.

Bewertung der LeistungenJe nach Thema ist eine unterschiedliche Vorgehensweise in der Bewertung notwendig. Bei der Arbeit in der Gruppe flie-ßen Engagement, fachliches Verständnis, Teamgeist, Um-gang mit Materialien und Medien und die Rhetorik bei der Präsentation in die Bewertung ein. Einzelarbeiten mit Spe-zialthemen werden hauptsächlich im Hinblick auf die fach-liche Kompetenz und medientechnische Aufarbeitung be-wertet. Auch ein mündliches Prüfungsgespräch über eine Maßnahme ist denkbar und bringt den Vorteil einer sehr in-dividuellen Fragestellung. Bei allen Varianten wird der Stu-dierende zu Beginn des Seminars über den Ablauf und die Bewertungskriterien informiert. Das große Engagement der Studierenden bei der Durchführung ihrer Projekte spricht für die Güte und den Erfolg dieser Projekte.

→ Bild 1: Ermittlung des Gefälles und Funktionsfähigkeit bei Laufflächen → Bild 2: Im Stall werden Maße, Kuhkomfort und Tiergesundheit bewertet

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Studierende profitieren fachlich und persönlichDen Teilnehmern der Stallbauseminare an der Triesdorfer Technikerschule und Höheren Land-bauschule werden zur Vorbereitung grundle-gendes Wissen und viele Erfahrungen vermittelt. Anschließend wird durch Selbsttätigkeit, eige-nes Erleben und Beobachten ein breites Spekt-rum an modernen Ställen mit verschiedenen Her-dengrößen, unterschiedlichen Haltungsformen, Stalltypen und diverser technischer Ausstattung geboten (siehe Bild 3). Dabei lernen die Studie-renden neben den rein fachtechnischen Details die verschiedensten Betriebsleitermentalitäten, deren unterschiedliche Präferenzen, Argumente und letztlich deren Entscheidungsgründe für die jeweilig individuellen Stall- und Herdenmanage-mentsysteme kennen. Sie reflektieren die arbeits-wirtschaftliche Situation in der Familie und beur-teilen diese unter Berücksichtigung zukünftiger Entwicklungen.

Die Studierenden profitieren von der in-tensiven Analyse der Stallbaulösungen vieler Teams und von den gut aufbereiteten und in der Klasse vorgestellten Präsentationen einer-seits für ihr eigenes Bauvorhaben bzw. ande-rerseits für eine spätere Tätigkeit als Berater. Sie schärfen ihre Beobachtungsfähigkeit und lernen, eine Situation anhand eines konkre-ten Fallbeispiels im einzelbetrieblichen Kontext systematisch zu analysieren und zu beurteilen. Das Interesse für die Stallbauseminare und die Be-reitschaft zu aktiver Mitarbeit ist sehr groß. Im ob-ligatorischen schriftlichen und anonymen Feed-back kommt immer eine sehr positive Resonanz zum Ausdruck.

HANS BÖLL TecHNIKerScHULe TrIeSdorf [email protected] DR. SIEGFRIED KALCHREUTER Ld A.d. (oHNe BILd)[email protected] DR. MICHAELA NEFF TecHNIKerScHULe [email protected] → Bild 3: Der Abferkelbereich ist ein wichtiger Bestandteil der Bewertung

Baukosten eines Milchviehstalles3-Reiher, ohne Jungvieh, Nettokosten

76 KuhplätzeUnterbau inkl. Erdarbeiten €/Gewerk €/PlatzErdarbeiten 22 000 € 289 €Stahlbeton, Milchräume, Trogschalen 130 000 € 1 711 €Tore, Türen, Futtertisch, Fenster 41 000 € 539 €Putz- Maler- Fliesenarbeiten 18 000 € 237 €

Unterbau 211 000 € 2 776 €

Oberbau €/Gewerk €/PlatzStallgebäude komplett 170 000 € 2 237 €Entmistung 2 Bahnen 18 000 € 237 €

Oberbau 188 000 € 2 474 €

Aufstallung /Technik €/Gewerk €/PlatzStalleinrichtung, Tränken 50 000 € 658 €Melkanlage, AMS, Tank, Kühlung, WRG 168 000 € 2 211 €Elektro, Beleuchtung 22 000 € 289 €Kraftfuttersilo 7 000 € 92 €Sanitäre Installationen 10 000 € 132 €

Aufstallung/Technik 257 000 € 3 382 €

Sonstiges €/Gewerk €/PlatzWegebau, Hofbefestigung, Eingrünung 6 000 € 79 €Güllebehälter 850m³, Leitungen, Befüllplatz 41 000 € 539 €Brunnen 11 000 € 145 €Planungskosten 15 000 € 197 €

Sonstiges 73 000 € 961 €

Gesamtkosten €/Gesamtkosten €/PlatzUnterbau 211 000 € 2 776 €Oberbau mit Schieber 188 000 € 2 474 €Aufstallung, Technik, Melken 257 000 € 3 382 €Sonstiges 73 000 € 961 €

Summe 729 000 € 9 592 €

Infobox: Erfassung der Baukosten eines Betriebes

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Milchviehhaltung und Lebensqualität (K)ein Widerspruch?!

von CAROLIN FISCHER: Erhebliche Erlöseinbußen prägten die Milchviehhaltung im vergan-genen Jahr. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, ist es wichtig die Kosten zu senken und die Produktivität zu steigern. In diesem Spannungsfeld, in dem sich die Landwirte befinden, schwindet häufig die Lebensqualität. Wie dieser Entwicklung entgegengewirkt werden kann, zeigte das Amt für Ernährung Landwirtschaft und Forsten (AELF) Kulmbach in einem Tages-seminar mit dem Thema „Arbeitsmanagement und Technikeinsatz im Milchviehbetrieb“. Höhepunkt des Seminars war der Erfahrungsaustausch auf einem landwirtschaftlichen Koopera tionsbetrieb. Der folgende Bericht schildert die Ausgangssituation sowie die Erfah-rungen bei der Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung.

Die Entwicklung und der globale Handel erfordern steti-ges Wachstum der landwirtschaftlichen Betriebe. Wenn die Landwirte wettbewerbsfähig bleiben wollen und in einen zukunftsfähigen Betrieb investieren, wird ihnen viel be-triebswirtschaftliches Handlungsgeschick abverlangt. Ne-ben hohen geistigen Belastungen kommt es immer häufiger zu körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen, da kein Freiraum mehr für außerlandwirtschaftliche Tätigkeiten bleibt. Lebensqualität wird plötzlich zum Fremdwort.

Ausgangssituation am AELF KulmbachIm Dienstgebiet Kulmbach/Kronach wurden in den letzten zehn Jahren circa 20 Stallneubauten realisiert, die mit Be-standserweiterungen einhergingen. Zum Teil wurden die ehemaligen Anbindeställe zu Laufställen für die Kälber- und Jungviehaufzucht umgebaut. Im vergangenen Jahr gingen kaum mehr Bauanfragen am AELF Kulmbach ein. Anlass für die stagnierenden Anfragen ist zum einen sicher-lich die kritische und ungewisse Situation der Absatzmärkte der landwirtschaftlichen Produkte. Zum anderen teilten Be-triebsleiter mit, dass gesundheitliche Aspekte oder die noch ungewisse Hofnachfolge die betriebliche Zukunft in Frage stellen würden. Auch Altenteiler, die bisher im Betrieb noch aktiv mitarbeiten, scheiden alters- oder krankheitsbedingt als Familienarbeitskraft in absehbarer Zeit aus. Die Arbeit liegt folglich auf immer weniger Schultern und ist kaum mehr zu stemmen.

Im Brainstorming zur Planung des Beratungsangebotes für den Winter 2015/16 sahen die Mitarbeiter der Abteilung Bildung und Beratung aufgrund der geschilderten Erfahrun-gen dringenden Handlungsbedarf und griffen den Themen-komplex „Arbeitserleichterung“ auf.

Planung und VorbereitungDa die Abendveranstaltungen mit dem Thema „Aktuelles aus der Beratung“ in den letzten Jahren nur spärlich besucht wurden und vorwiegend kleinere Betriebe Interesse an die-ser Art der Veranstaltung zeigten, überlegten wir gezielt Milchviehhalter mit Laufstall anzusprechen. Dass sich jeder Landwirt mit dem Thema Arbeitswirtschaft befassen sollte, liegt auf der Hand. Doch wie kann das Informationsange-bot am besten auf die Bedürfnisse der Betriebsleiter und deren Familien ausgerichtet werden? Vermittlung fundier-ter Fachkenntnisse, Praxisnähe und Erfahrungsaustausch zu einer passenden Tages- und Jahreszeit könnte der Schlüssel zum Erfolg sein. Die Wahl fiel auf ein Tagesseminar mit Be-triebsbesuch im Winter. Der zeitliche Rahmen von 9:30 bis 15:30 Uhr wurde auf die Arbeitszeiten der Milchviehhalter abgestimmt. Ort und Räumlichkeiten für den fachlichen In-put und genauer Ablauf der Veranstaltung wurden erst fest-gelegt, als der Betrieb feststand, bei dem die Besichtigung stattfinden sollte.

Konzeption des Tagesseminars Das Seminar startete mit einer Kennenlernrunde (siehe Bild 1). Da nur 13 Landwirte teilnahmen, war eine Vorstellung im Plenum möglich. Die Fragen auf dem Flipchart dienten den Landwirten als Leitfaden bei der Vorstellung, bildeten den Seminarinhalt ab und ermöglichten einen zielgerichte-ten Erfahrungsaustausch in den Pausen. Auch die Referen-ten profitierten von der Kennenlernrunde. Sie konnten in ihren Vorträgen die Probleme und Überlegungen, die von den Betriebsleitern geschildert wurden, aufgreifen und in-dividuell darauf eingehen.

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Die Entwicklung der MilchviehhaltungDie Anzahl der milchviehhaltenden Betriebe in Bayern hat sich laut Statistischem Bundesamt von 2012 bis 2014 um 6,4 Prozent reduziert. Die Anzahl der Milchkühe verzeich-nete mit – 0,25 Prozent nur einen geringen Rückgang, wo-hingegen die Herdengröße je Betrieb von durchschnittlich 32 auf 35 Kühe anstieg. Das bedeutet einen Zuwachs um 9,3 Prozent.

Arbeitswirtschaftliche Probleme treten aber meist erst bei einem Stallneubau oder Stallanbau und einer Herden-größe ab ca. 70 Milchkühen auf. Die verfügbaren Famili-enarbeitskräfte sind dann häufig der begrenzende Faktor für das betriebliche Wachstum. Die zusätzliche Belastung durch eine Betriebserweiterung birgt Konfliktpotenzial in und für die Familie. Es stellen sich viele Fragen. Was kann getan werden, um körperliche und psychische Überlastung zu vermeiden? Gibt es eine Vertretungsregelung im Krank-heitsfall? Ist die Familie mit ihrer Situation zufrieden und Akzeptanz beim Hofnachfolger vorhanden? Wie kann Frei-raum für Urlaub oder freie Wochenenden geschaffen wer-den? Viele Probleme können gelöst und Wünsche erfüllt werden, indem Arbeitszeit eingespart, die Arbeit erleichtert und optimiert wird (siehe Abbildung 1). Im Seminar wurde speziell das Thema „Arbeitsmanagement und Technikein-satz“ herausgegriffen und bezog sich ausschließlich auf die Vorgänge in der Innenwirtschaft.

Technik zur Arbeitserleichterung lohnt sichFlorian Frank, Fachberater für Landtechnik vom Fach-zentrum Rinderhaltung am AELF Münchberg, zeigte den Seminar teilnehmern vielfältige Möglichkeiten zur Arbeits-erleichterung durch technische Hilfsmittel auf. Seine Emp-fehlungen für „kleine Stallhelfer“ zur Spaltenreinigung und Liegeboxenpflege reichten von Modellen, die ein Mitlaufen erfordern, über Modelle, auf denen man Stehen oder Sitzen kann, bis hin zu vollautomatisierten Geräten, die ohne Bei-

sein einer Person funktionieren. Die Fütterung erfolgt meist mithilfe ei-nes Futtermisch-wagens. Doch um die ständige Futterverfügbar-keit zu gewähr-leisten, bedarf es mehrmals täglich ein Nachschie-ben auf dem Fut-tertisch. Der Re-ferent stellte den Teilnehmern ma-nuelle Technik in Form von hand-geführten Gerä-ten, Selbstfahrern und Kehrreifen vor. Als weitere Möglichkeit können automa-tische Futternachschieber eingesetzt werden. Zwar handelt es sich bei den automatischen Systemen um eine kosten-intensive Variante, im Gegenzug bedarf es keinerlei körper-licher Belastung.

Der Arbeitsaufwand verringert sich bei der Verwendung von mobilen Futternachschiebern im Vergleich zur Handar-beit um ca. 50 Prozent und beim Einsatz von automatischen Systemen sogar um ca. 70 Prozent. An einem Beispiel er-läuterte Florian Frank, dass die Anschaffung eines automa-tischen Futteranschiebers deutlich mehr Zeit einspart, als der Wechsel vom vorhandenen Vierschar- auf einen Fünf-schar-Pflug in der Außenwirtschaft.

Bei der Kälberfütterung wurden verschiedene Arten von Milchtaxis und Tränkeautomaten vorgestellt. Der Fachbera-ter wies darauf hin, dass bei der Beurteilung von Milchtrans-portern, z. B auf Bedienerfreundlichkeit, geländetaugliche Bereifung, leichte Reinigung und einen niedrigen Energie-verbrauch geachtet werden sollte.

Die meiste Arbeitszeit in der Innenwirtschaft eines Milchviehbetriebes entfällt auf das Melken. Dies sind ver-schiedenen Statistiken zufolge rund 45 Prozent der gesam-ten Stall arbeitszeit. Aus der Kennenlernrunde ging hervor, dass nur wenige Teilnehmer momentan in der Situation sind, sich für ein bestimmtes Melksystem entscheiden zu müssen. Florian Frank vertiefte deshalb die Möglichkeiten der Arbeitserleichterung und Zeitersparnis beim Melken mit z. B. Nachtreibeeinrichtungen und Melkzeuganrüst- sowie Melkzeugabnahmeautomatik, die relativ problemlos im be-stehenden Melkstand nachgerüstet werden können. Wenn in einem Betrieb die Melkarbeit von mehreren Personen mit

→ Abbildung 1: Möglichkeiten zur Bewältigung der Mehrarbeit bei

betrieblichem Wachstum (Folie: Carolin Fischer)

→ Bild 1: Flipchart als Leitfaden zum Kennen-

lernen für die Seminarteilnehmer

(Foto: Carolin Fischer)

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unterschiedlicher Größe erledigt wird, bietet ein Hubboden besonderen Melkerkomfort.

Selbst eine Arbeitszeiteinsparung von zehn Minuten pro Tag bedeutet 60 Stunden zeitersparnis im Jahr.

Diese Zeit steht für andere betriebliche Tätigkeiten oder zur Freizeitgestaltung zur Verfügung.

Ziele setzen für mehr LebensqualitätPermanente Überlastung hat weitreichende Auswirkungen auf den Betrieb und das soziale Umfeld. Einige Seminarteil-nehmer hatten offensichtlich erkannt, dass sie sich an ih-ren arbeitswirtschaftlichen Grenzen befinden, wie sie ein-gangs schilderten. Doch ob das Ausmaß allen bekannt ist, bezweifelte Klaus Schiffer-Weigand vom AELF Kulmbach. Er bat in seinem Vortrag die Teilnehmer zuhause den täglichen Arbeitsaufwand abzuschätzen und in einem Formblatt die jährliche Arbeitszeit zu ermitteln. Jeder einzelne sieht dann, wo er selbst steht, und ob er mit den 2 300 bis 2 400 Stunden im Jahr hinkommt, die in der Beratung für eine Familienar-beitskraft angesetzt werden.

Lebensqualität ist etwas Individuelles. Um sie zu errei-chen, ist es wichtig sich Ziele zu setzen, mit denen die per-sönliche Lebensqualität erhöht oder erreicht werden kann. Mögliche Ziele könnten sein, die tägliche Arbeitszeit, also Beginn und Ende, genau zu definieren, damit am Abend oder am Wochenende auch Zeit für die Familie oder für sich selbst bleibt. Auch Urlaub oder freie Wochenende soll-ten fest geplant werden. Sind die Ziele definiert, fängt die schwere Arbeit für die Betroffenen häufig erst an. Mögliche Wege, um sie zu erreichen, zeigt Klaus Schiffer-Weigand den Landwirten auf.

Strukturierte Abläufe zur EntlastungTages-, Wochen- und Monatspläne für immer wiederkeh-rende Arbeiten wie Umstallen der Tiere, Boxenpflege oder Grundreinigung der Melkanlage mit genau geregelter Zu-ständigkeit, entlasten den Betriebsleiter und machen den Kopf frei für außergewöhnliche Ereignisse. Auch „Nein“-Sa-genkönnen zu Störungen und unangemeldeten Vertretern oder Beratern helfen unnötigen Stress zu vermeiden oder Abstand zum betrieblichen Geschehen zu gewinnen.

Gewisse Entwicklungen lassen sich voraussehen, wie beispielsweise das zunehmende Ausscheiden der Altentei-ler aus dem betrieblichen Geschehen. Doch was passiert bei unvorhersehbaren Arbeitskraftausfällen etwa durch Unfall oder Krankheit? Standartarbeitsanweisungen können die Arbeit für die Vertretungsperson deutlich erleichtern und

tragen dazu bei, dass die Betriebsabläufe größtenteils wie gewohnt weiterlaufen können.

Das Anfertigen von Arbeitsplänen und Festlegen von genauen Zuständigkeiten sowie die Entwicklung von Stan-dardarbeitsanweisungen gehören zu den unbeliebten Tä-tigkeiten der Betriebsleiter, da sie obendrein noch viel Zeit beanspruchen, die ohnehin sehr knapp ist. Ein Seminar-teilnehmer hatte geäußert, dass ihm die Bedeutung schon bewusst sei, aber es ihm viel Überwindung kosten würde, damit anzufangen. Doch wenn der Betriebsablauf gut struk-turiert ist und die Arbeitshilfen einmal erstellt und mit allen Beteiligten abgestimmt sind, sollte ein Urlaub ohne größere Probleme möglich sein und der Betriebsablauf auch bei un-vorhersehbaren Arbeitsausfällen noch gut funktionieren.

Arbeitsorganisation im KooperationsbetriebFür die Exkursion wurde bewusst dieser Kooperationsbe-trieb ausgewählt, weil er technisch gut ausgestattet und örtlich gut erreichbar ist. Außerdem war die aufgeschlos-sene, offene und kooperative Art der beiden Betriebsleiter bekannt, die eine wichtige Rolle für einen gelungenen Be-triebsbesuch spielt und für einen gewinnbringenden Erfah-rungsaustausch erforderlich ist (Eckdaten des Betriebs siehe Infobox).

Andreas Martin, einer der beiden Betriebsleiter des Ko-operationsbetriebs Martin & Hofmann GbR, stellte den Be-trieb vor. Die Martin & Hofmann GbR ist gut organisiert und strukturiert. Die Arbeitszeiten der Fremdarbeitskräfte sind so aufeinander abgestimmt, dass immer eine Fremd-AK auf dem Betrieb verfügbar ist. Zu deren fixen Aufgaben gehören z. B. das Melken, Kälbertränken und Güllefahren.

• Kooperationsgründung im Jahr 2010• Einzug in das mehrhäusige Stallgebäude im März 2012• 180 Milchkühe• ca. 200 ha Landwirtschaftliche Nutzfläche• 4 Vollzeitarbeitskräfte, davon 2 Fremd-AK´s• 2 Teilzeit-AK´s

Melktechnik• 2x12 Side by Side Melkstand mit Nachtreibeeinrichtung

und Schnellaustrieb• Melkzeugabnahmeautomatik• Hubboden

Fütterungstechnik• Futtermischwagen• Futteranschieber• Milchtaxi

Infobox: Eckdaten der Martin & Hofmann GbR

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Auch die beiden Betriebsleiter haben getrennte Zuständig-keitsbereiche, können sich aber in Notfällen gegenseitig vertreten. Jochen Hofmann erledigt gemeinsam mit den Fremdarbeitskräften die Melkarbeit und kümmert sich um die Außenwirtschaft. Andreas Martin ist hauptsächlich für die Innenwirtschaft und das gesamte Stallmanagement verantwortlich. Als fixer Termin steht Mittwochmorgens die Trächtigkeitskontrolle durch den Tierarzt an. Im regelmäßi-gen Turnus werden die Liegeboxen gepflegt, die Kraftfut-terration angepasst und Kälber enthornt. Auf die Frage, ob es im Betrieb Wochen- oder Monatspläne gibt, antwortete Andreas Martin:

„Ich habe die Pläne im Kopf, aber noch nicht niedergeschrieben.“

Dass es wichtig ist, sein Gedankengut zu Papier zu bringen, weiß der Betriebsleiter. Er hat sich fest vorgenommen noch in diesem Winter damit zu beginnen.

In einem Betrieb mit 180 Milchkühen und rund 200 Hek-tar ist immer etwas zu tun. Die beiden Betriebsleiter sind permanent gefordert. Doch haben sie auch erkannt, dass neben ihrem Beruf das Familienleben und die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben nur funktionieren können, wenn sie sich Freiräume dafür schaffen. Bisher sind die Arbeitsab-läufe so abgestimmt, dass jede Betriebsleiterfamilie jeden zweiten Sonntag frei hat. Andreas Martin:

„Ich gehe am Samstagabend aus dem Stall und denke bis Montagfrüh nicht an den Betrieb.“

In naher Zukunft wollen die Betriebsleiter es schaffen, den freien Sonntag auf ein freies Wochenende auszuweiten, ver-rät Andreas Martin.

Den Ausführungen des Betriebsleiters folgten die Se-minarteilnehmer sehr interessiert. An der Mimik einzelner Teilnehmer war erkennbar, dass sie vom gut organisierten Arbeitsablauf im Kooperationsbetrieb beeindruckt waren.

Erfahrungsaustausch in der PraxisIn den Stallungen lag das Hauptaugenmerk auf der einge-setzten Technik. Am Futtertisch zog der Futteranschieber alle Aufmerksamkeit auf sich. Die Teilnehmer durften den Buttler in Aktion erleben und konnten Details zur Installation und Handhabung erfahren (siehe Bild 2). Auch die Aktivitätsmes-sung mittels Pedometer, die Erfahrungen mit den Tiefboxen und die Schieberentmistung interessierten die Teilnehmer.

Der immense Platzbedarf, der für einen Melkstand mit Schnellaustrieb erforderlich ist, wurde hier deut-lich. Die Seminarteilnehmer diskutierten über Vor- und Nachteile der verschiedenen Melkstandsysteme. Je-der konnte seine eigenen Erfahrungen mit einbringen. Bei der Kälbertränkung mit einem Milchtaxi in Form von Sauermilchtränke machte der Betrieb nur positive Erfah-rungen. Einfache Handhabung, präzise Programmierung, Zeitersparnis und Arbeitserleichterung wurden als wesent-liche Vorteile genannt.

Seminarkonzept erfolgreichDie schriftlichen Rückmeldungen zum Tagesseminar über Evaluierungsbögen waren durchwegs positiv. Sowohl die angewandte Methodik und die Themen, als auch die Re-ferenten wurden gut bis sehr gut bewertet. Dass die Öf-fentlichkeitsarbeit wirksam war, ließ der Teilnehmerkreis erkennen. Nicht nur Oberfranken, auch Landwirte aus der Oberpfalz waren vertreten. Im persönlichen Gespräch wurde der Betriebsbesuch als besonders gewinnbringend darge-stellt. Das Interesse am Betriebsrundgang spiegelte sich auch darin wieder, dass durch den regen Erfahrungsaus-tausch zwischen den Referenten und Landwirten die vor-gesehene Zeit überschritten wurde, aber alle Teilnehmer bis zum Ende der Veranstaltung geblieben sind. Aufgrund des gelungenen Konzeptes wird überlegt, im kommenden Win-ter eine zweite ähnliche Veranstaltung auf einem anderen Praxisbetrieb anzubieten.

CAROLIN FISCHER AMT fÜr erNÄHrUNG, LANdwIrTScHAfT UNd forSTeN [email protected]

→ Bild 2: Auf dem Futtertisch der Martin & Hofmann GbR informieren

sich die Seminarteilnehmer über die Funktionsweise des Futteran-

schiebers (Foto: Carolin Fischer)

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Milch, Käse & Co Echte Multitalente in der Ernährung

von SIRKKA SPREIDLER, INGRID PAWELLEK und BIRGIT DISTLER: Milch als Bestandteil der menschlichen Ernährung gibt es schon seit der Sesshaftwerdung der Menschen. Viele Käse-sorten sind sogar über die Zeit zu Kulturgütern geworden. Die Vielfalt der Erzeugnisse aus Milch zeigt, wie tief diese Lebensmittelgruppe in unseren Essgewohnheiten verwurzelt ist. Diese große Produktpalette erschwert jedoch auch einen küchentechnischen sowie nähr-stoffbezogenen Vergleich. Letztgenannter ist auch im Hinblick auf Allergien und Lebensmit-telunverträglichkeiten erforderlich. Das KErn hat deshalb in einem Kompendium alle wich-tigen Informationen für den Einkauf, die Weiterverarbeitung und den Einsatz von Milch und Milchprodukten in der Küche zusammengetragen.

Produkte der „weißen“ (z. B. Milch) und „gelben Linie“ (z. B. Käse) weisen ein vielfältiges Aromenspektrum auf und sind ernährungsphysiologisch gesehen durchaus als hochwertig einzustufen. Jedoch werden in Einzelfällen in den westeu-ropäischen Ländern nicht alle Inhaltsstoffe der Milch und Milchprodukte vertragen. Vor allem das enthaltene Eiweiß oder der beinhaltete Milchzucker (Laktose) sind hierbei zu nennen.

durch Milchsäuregärung oder einer langen reifezeit von Käse können Milchprodukte auch bei Laktose-unverträglichkeit verzehrt werden.

Dadurch kann die Nährstoffversorgung trotzdem sicherge-stellt werden kann. Bei Milchallergikern (0,7 bis 1,2 Prozent der Erwachsenen) müssen Kuhmilchprodukte je nach Aller-gieform durch Milchprodukte anderer Tierarten (bei Allergie auf Molkenproteine) oder durch mit Calcium angereicherte pflanzliche Milchalternativen (bei Allergien gegen Casein) er-setzt werden. Um der Bedeutung dieser Lebensmittelgruppe im Hinblick auf eine abwechslungsreiche und gesunde Er-nährung gerecht zu werden, hat das Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) diverse Materialien (Kompendium und Vortrag) zu Milch, Käse & Co entwickelt. Sie enthalten neben ernährungsphysiologischen, sensorischen und technologi-schen Inhalten auch Steckbriefe und Rezepte.

Nährwert und Gesundheitswert Milch gilt als besonders guter Eiweiß-, Calcium-, Zink- und Jodlieferant sowie als wichtige Quelle für die Vitamine B2

und B12. Diese Lebensmittelkategorie nimmt daher einen

wichtigen Platz in den Ernährungs-empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) ein. Täglich sol-len Erwachsene 200 bis 250 ml Milch(-produkte) sowie 50 bis 60 g Käse verzehren. Diese Mengen bringen die meis-ten epidemiologi-schen Studien mit positiven Effekten auf die Gesund-heit in Verbin-dung und werden durchschnittlich in Deutschland auch nahezu tat-sächlich konsumiert. So weisen Milch und Milchprodukte einen Schutzeffekt vor Zivilisationskrankheiten, wie bei-spielsweise Herzkreislauferkrankungen, Osteoporose oder Diabetes und Krebsarten wie Darm- oder Brustkrebs, auf. Des Weiteren hat Milch nach wie vor für Wachstumspro-zesse beim Kind, beim Heranwachsenden und in besonde-ren Lebenslagen wie Stillzeit oder Schwangerschaft einen großen Stellenwert. Auch im Kraft- und Ausdauersport ist Milch zur Rehydration, Wiederauffüllen der Glykogenspei-cher und zum Muskelaufbau nach der körperlichen An-strengung geeignet.

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→ Das Kompendium Milch, Käse & Co ist zu

finden im Mitarbeiterportal unter Ernährung

-> Ernährungsbildung -> Schulung von

Referenten/Multiplikatoren

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Warenkunde und Gebrauchswert Neue Herstellungsverfahren, wie bei der ESL-Milch (exten-ded shelf life), ermöglichen eine längere Haltbarkeit ver-bunden mit geringen Nährstoffverlusten ohne deutliche Geschmackseinbußen. Neben verschiedenen Herstellungs-technologien unterscheidet sich Konsummilch auch im Hin-blick auf die Erzeugung. Durch hohe Grünfutteranteile kann die Fettsäurezusammensetzung zugunsten von mehr Ome-ga-3-Fettsäuren und konjugierter Linolsäure (CLA) verbes-sert werden. Bei der Käseproduktion spielen neben der Fett-qualität des Ausgangsproduktes Milch auch der Gehalt an Fett und anderen Inhaltsstoffen, mikrobiologische Faktoren sowie das Herstellungsverfahren an sich eine Rolle. Die sich auf diese Weise ergebenden rheologischen, d. h. die Struk-tur der Lebensmittel betreffenden, Eigenschaften variieren bei den diversen Käsekategorien. Dies manifestiert sich z. B. im unterschiedlichen Schmelzverhalten, was bei der Zube-reitung von diversen Gerichten genutzt werden kann (siehe Abbildung 1).

Steckbriefe zur Warengruppe der Konsummilch aber auch zu Milcherzeugnissen, Butter und Käse fassen obige Besonderheiten sowie Hinweise zur Herstellung und Weiter-verarbeitung in der Küche übersichtlich zusammen. Im prak-tischen Teil werden auch Küchenphänomene rund um das Thema Milch (z. B. Ausflocken von Milchprodukten bei Hitze etc.) beleuchtet. Eine Milchprodukt-Gericht-Matrix erleich-tert das Auffinden von Gerichten mit bestimmten Erzeug-nissen der „weißen“ oder „gelben Linie“. Durch geschickte Auswahl weiterer Zutaten lassen sich die Aromanoten bei der Zubereitung von Speisen und Getränken ergänzen bzw. betonen. In den Rezepten sind Anregungen enthalten, wie traditionelle Gerichte auf Milch(produkt)basis so modifiziert werden können, dass sie in eine ausgewogene Ernährung, die Wert auf Genuss und Bekömmlichkeit legt, passen.

Genusswert von Milch, Käse & CoAbgesehen von den ernährungsphysiologischen, hygieni-schen und technologischen Aspekten spielt bei der Quali-tätsbeurteilung eines Lebensmittels auch der sensorische Wert eine entscheidende Rolle. Alle unsere fünf Sinne ent-scheiden mit, ob uns Milch und Produkte daraus schmecken oder nicht. Milchprodukte bieten vielfältige sensorische No-ten von „mild“, über „hefig“, bis „säuerlich“, oder “pikant“ etc. Mit Hilfe praktischer Übungen, die in den Schulungsmate-rialien enthalten sind, können die theoretischen Informa-tionen zu den unterschiedlichen Konsummilcharten und Käsekategorien umgesetzt und erfahren werden. Durch Verkosten verschiedener Milch- und Käsearten lassen sich Unterschiede im Aussehen und Geruch sowie Geschmack feststellen und bewerten (siehe Abbildung 2). Diese Sinnes-übungen, die in abgewandelter Form auch bei Heranwach-senden eingesetzt werden können, können sicherlich dazu beitragen, dass sowohl Kinder bzw. Jugendliche als auch Er-wachsene aufgeschlossener gegenüber neuen Geschmack-serlebnissen werden.

SIRKKA SPREIDLER INGRID PAWELLEK KoMPeTeNzzeNTrUM fÜr erNÄHrUNG [email protected]@kern.bayern.deBIRGIT DISTLER KoMPeTeNzzeNTrUM fÜr erNÄHrUNG [email protected]→ Abbildung 2: Milch und Käse – aromatisch, vielfältig und lecker

→ Abbildung 1: Wer das Schmelzverhalten von unterschiedlichen

Käsesorten kennt, kann optisch und geschmacklich punkten

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Mensa macht Schule Besser essen mit IN FORM: Tage der Schulverpflegung 2015

von ANN-KATRIN HILLENBRAND: Wie sollte die Mensa gestaltet sein, damit sich Schüler wohlfühlen? Was wünschen sich die Schüler für ihre Mittags- und Zwischenverpflegung? Diese Fragen können Schülerinnen und Schüler am besten selbst beantworten. Die Tage der Schulverpflegung bieten eine optimale Gelegenheit Kinder und Jugendliche für Essen und Trinken an ihrer Schule zu begeistern und damit die Akzeptanz des Mensaangebotes zu stei-gern. Mehr als 50 bayerische Schulen und Speisenanbieter meldeten sich vorab zu den Tagen der Schulverpflegung an. Die Themen Essen und Trinken sprechen alle Altersgruppen an – von Grundschulen bis hin zu Beruflichen Schulen waren alle Schulformen vertreten. Genauso vielfältig und altersgerecht waren die Umsetzungen der einzelnen Schulen.

„Mensa macht Schule – besser Essen mit IN FORM“ war das Motto, unter dem alle bayerischen Schulen aufgerufen wa-ren, sich in der Woche vom 12. bis 16. Oktober 2015 mit Ak-tionen an den Tagen der Schulverpflegung zu beteiligen. Ein Geschmackstest im Unterricht, ein Blick hinter die Kulis-sen der schuleigenen Mensa oder die Dekoration des Spei-sesaals – viele Schulen beteiligten sich mit einzelnen Klassen oder der ganzen Schulfamilie.

Zentraler Auftakt im oberfränkischen KulmbachBeispielhaft für die zahlreichen Aktionen in Bayern stand der Aktionstag am Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasium Kulm-bach am 13. Oktober 2015. Schülerinnen und Schüler der 8. Klasse schnippelten Obst und Gemüse. Unter professioneller Anleitung des Kochs und Mensabetreibers Michael Stöcker bereitete die Klasse für ihre Mitschüler eine Kürbissuppe als Vorspeise sowie einen Obstsalat als Dessert zu. „Wirklich le-cker, das ist ja wie beim Sternekoch“, war auch das Urteil des Schulleiters Horst Pfadenhauer. Dem besonderen An-

lass entsprechend wurde die Mensa besonders schön und herbstlich von einer Schülergruppe dekoriert.

Von A wie Apfelsaft bis Z wie Zusatzstoffe Wie vielfältig die Themen Essen und Trinken in den Schul-alltag Einzug halten können, zeigen die einzelnen Aktionen der teilnehmenden Schulen.

„Vom Acker bis zum Teller“ – das war das Stichwort für eine Reihe von Aktivitäten. Wo kommen unsere Lebensmit-tel her und wie landen sie eigentlichen im Supermarktre-gal? Ein Besuch auf einem naheliegenden Bauernhof, die Be-sichtigung eines lebensmittelverarbeitenden Betriebs oder Saftpressen im Schulgarten waren Ausgangspunkte für eine ganze Aktionswoche.

Was bedeutet Nachhaltigkeit und was hat das über-haupt mit meinem eigenen Verhalten und der Schulmensa zu tun? Schülerinnen und Schüler wogen und dokumen-tierten zum Beispiel die Lebensmittelreste nach der Mit-tagspause. Aufbereitet wurden die Ergebnisse in einem

Film zur Lebensmittelverschwendung. Auch die Arbeitsabläufe der Schulküche wurden hinsicht-lich Nachhaltigkeitsaspekte kritisch unter die Lupe genommen.

Mensa im FokusSchülerinnen und Schüler sollen sich in der Mensa wohlfühlen und ihre Pausen gerne im Speiseraum verbringen. Damit Mensa zu einem Wohlfühlort wird, machten sich einige Schulen daran, die Räumlichkeiten umzugestalten. Auch Speisenan-bieter nutzten die Chance und haben Schülerin-nen und Schülern ihre Arbeit näher gebracht. Ein Blick hinter die Kulissen zeigte den Kindern und Jugendlichen, was sich hinter ihrer Mittagsmahl-zeit verbirgt.

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→ Die Tage der Schulverpflegung 2015 standen bundesweit unter dem Motto „Mensa

macht Schule – besser essen mit IN FORM“ (Bild: BMEL)

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Rund um das gesunde Pausenbrot Wie sieht ein gesundes Pausenbrot aus? Was kön-nen Eltern ihren Kindern in die Schule mitgeben? Gemeinsam mit Kooperationspartnern wurden Elternabende gestaltet und dabei in Praxiswork-shops gezeigt, wie die Brotzeitdose abwechs-lungsreich und lecker befüllt werden kann. Was-ser trinken ist gesund, das wissen auch Kinder und Jugendliche. Doch wie animiert man die Mitschü-ler dazu, den neu angeschafften Wasserspender zu nutzen? Mit Infoplakaten und einem Schau-kasten machte eine Klasse im Schulgebäude auf Vor- und Nachteile verschiedener Getränkean-gebote aufmerksam. Speisenanbieter boten u. a. neue Produkte an, die mit Hilfe eines Fragebo-gens von den Schülern bewertet wurden. Leckere Snacks, die bei den Mitschülern ankommen und gleichzeitig gesundheitsförderlich sind, wurden durch einige Schulklassen selbst zubereitet und in der Pause verkauft. So wurde Obst und Gemüse geschnippelt, Smoo-thies hergestellt, Vollkornbrötchen belegt oder landestypi-sche Snacks aus aller Welt verkauft. Nicht nur die Ernährung macht´s – ebenso ist eine regelmäßige Bewegung wichtig. Deshalb kombinierten Schulen die Tage der Schulverpfle-gung auch mit Bewegungseinheiten.

Themen rund um Essen und Trinken bieten zahlreiche Anknüpfungspunkte für Schulaktionen und den Unter-richt, auch fächerübergreifend. Ganz praxisnah können Kompetenzen gefördert werden. Besonders einprägsam

waren Aktionen, die sich der Thematik ganzheitlich widme-ten. Kooperationen mit dem Speisenanbieter oder die Ein-bindung der Eltern machten die Tage der Schulverpflegung zu einem bleibenden Erlebnis, durch die auch nachhaltige Veränderungen angestoßen wurden.

Wettbewerb dokumentiert Vielfalt der AktionenAlle angemeldeten Schulen und Speisenanbieter hatten die Chance sich mit einer Dokumentation ihrer Aktionen an einem Wettbewerb zu beteiligen. 36 Beiträge erreichten die Vernetzungsstelle Schulverpflegung Bayern – darunter Filmbeiträge, Fotobücher, Kollagen und Berichte. Unter den besten Einsendungen verloste die Vernetzungsstelle Schul-verpflegung Bayern zehn Preise – darunter Gutscheine für Gastronomiebedarf, Ernährungsbildungspakete und groß-formatige Leinwandbilder zur Dekoration der Mensa. Un-ter den Gewinnern sind fast alle Schulformen und auch ein Speisenanbieter vertreten. Die Beiträge zeigen: Engagement und Kreativität der Schulen sind groß, wenn der Stellenwert einer guten Verpflegung erkannt und als Teil des Schulall-tags verankert wird.

ANN-KATRIN HILLENBRAND KoMPeTeNzzeNTrUM fÜr erNÄ[email protected]

→ Berichte verschiedenster Art dokumentierten die Vielfalt der Aktionen im Rahmen

der Tage der Schulverpflegung. Die Vernetzungsstelle Schulverpflegung Bayern

verloste zehn Preise unter den Einsendern (Foto: KErn)

→ Herbstliche Dekoration beim zentralen Auftakt in Kulmbach

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Zukunft „isst“ jetztDie Innovationsreihe ENNOVATION

von NORA BÖRGER und DR. SIMON REITMEIER: Was kommt morgen auf den Tisch? Das Bio-rind von der Weide, das günstige Fleisch vom Discounter oder lieber eine vegetarische Alter-native? Ernährungsgewohnheiten unterliegen einem permanenten Wandel. Ebenso vielfältig sind Ernährungstrends, Kundenwünsche und Produktinnovationen. Hier den Überblick zu behalten und zu erkennen, welche Entwicklung entscheidende Auswirkungen auf das eigene Unternehmen hat, ist nicht leicht. Gemeinsam mit einem starken Netzwerk unterstützt ENNO-VATION die Ernährungswirtschaft, um zielgerichtet relevante und zukunftsfördernde Innova-tionen zu identifizieren und umzusetzen.

Gibt es Bier ohne Kalorien und wer will Fleisch aus dem Labor essen? Muss man veganen Käse anbieten? Und wie bleibt auch glutenfreies Brot lange frisch und saftig? Inno-vative Produkte erobern den Markt, weil die Konsumenten danach verlangen. Allgemein spüren dies alle Akteure in der Ernährungswirtschaft. Doch nicht jeder Trend ist erfolgs-versprechend, Kundenbedürfnisse wechseln.

ENNOVATION = Ernährung + InnovationDer Begriff ENNOVATION setzt sich aus den Wörtern Ernäh-rung und Innovation zusammen und beschreibt das Ziel der Innovationsreihe des Cluster Ernährung: das Zusam-menbringen von Ernährungswirtschaft und Innovationstä-tigkeit (siehe Bild 1). Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müs-sen Unternehmen die Zeichen der Zeit erkennen und neue Wege gehen. Innovationen gelten als Schlüsselfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit. Doch dabei ist es wichtig, die rele-vanten Trends, die sich für das eigene Unternehmen eignen, zu identifizieren und das Wissen zielgerichtet einzusetzen.

eNNoVATIoN gibt Impulse für weiter-entwicklung, Produktinnovationen und Absatz.

Im Rahmen von ENNOVATION werden Veranstaltungen or-ganisiert, bei denen Experten aus Wissenschaft und Praxis über Innovationen und Trends berichten. Die Seminare sind gezielt auf die Bedürfnisse der einzelnen Branchen zuge-schnitten. Dazu werden Branchenvertreter bei der Identi-fizierung relevanter Themengebiete mit herangezogen. Gemeinsam werden Programme ausgearbeitet, die Theo-rie und Praxis vereinen. Gleichzeitig lädt der Austausch zur Vernetzung innerhalb der Branche ein.

Ernährung im Wandel: Trends und PotenzialeIn der Bäckerei steigt die Nachfrage nach Vollkorn-produkten mit höheren Ei-weißgehalten oder nach Produkten aus Urgetreiden. Auch die Außer-Haus-Ver-pflegung in Form von Snacks oder Mittagstischen wandelt sich. Gerade für das Ernährungshandwerk ist das ein nicht zu unterschätzendes Geschäft. In der Brauereibranche ist das Thema Craft-Beer stark im Kommen. Hopfenvariationen werden wie Rebsorten beim Wein gehandelt. Und die Viel-falt an alkoholfreien Bieren und Biermischgetränken steigt kontinuierlich. Aber auch die Bereiche Technik und Digitali-sierung sollten nicht aus den Augen gelassen werden. Das Thema Industrie 4.0 hält branchenübergreifend Einzug in die Ernährungswirtschaft. Ändernde Kundenbedürfnisse verlangen flexible Herstellungs- und Produktionsprozesse. Beispielsweise sind On-Demand Bestellungen per Smart-phone und App bereits keine Zukunftsmusik mehr. Auch die Einbindung von Faktoren wie Wetter und Verkehrssituation können in die Erstellung von Verkaufsprognosen einbezo-gen werden und folglich die Sortimentsbestückung beein-flussen. Bestenfalls können dadurch eine Überproduktion und somit unnötige Lebensmittelabfälle vermindert wer-den. Besonders vor dem Hintergrund von Ressourcenscho-nung und Nachhaltigkeit stellen diese Entwicklungen Po-tenziale dar, die es zu nutzen gilt.

wer sich informiert und am Ball bleibt, dessen chancen stehen gut.

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→ Bild 1: ENNOVATION Logo

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Dialog, Qualifizierung und PrämierungDie Voraussetzungen für erfolgreiches innovatives Handeln hängen von drei Faktoren ab: Dialog, Qualifizierung und Prä-mierung (siehe Infobox). Um auf frische Ideen zu kommen und sie zudem auch noch umsetzen zu können, sind inspirierende Gespräche und die Aneignung neuen Wissens unerlässlich. Durch die angebotenen Veranstaltungen werden die Teilneh-mer dazu angeregt, miteinander ins Gespräch zu kommen. Zudem erhalten sie fundierte Einblicke in Entwicklungen der Branche und erfahren Lösungswege zur praxistauglichen Umsetzung. Die Entwicklung einer innovativen Idee bis zum marktreifen Produkt ist lang und steckt voller Risiken. Der In-novationswettbewerb für Getränke und Lebensmittel an der TU München bietet unter Mitwirkung von ENNOVATION Stu-denten die Möglichkeit, diesen Weg anhand eigener Produkt-ideen zu begehen und sich gegenseitig zu messen.

Fleischforum 2020: Vom Konzept zur UmsetzungAm 26. und 27. Januar 2016 fand das Fleischforum 2020 in der Fleischerschule in Augsburg statt (siehe Bild 2). In Zu-sammenarbeit mit dem Fleischerverband Bayern wurde ein Programm ausgearbeitet, das gezielt auf das Metzger-handwerk ausgerichtet war. Das Forum ermöglichte den über 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern des ausgebuch-ten Seminars den sprichwörtlichen Blick über den Teller-rand und war darauf ausgerichtet, Metzgereien fit für die

Zukunft zu machen. Die beiden Veranstaltungstage waren in die Themenblöcke „Fleisch – Mythen und Legenden“, „Eine Frage des Geschmacks“, „Neue Wege zum Kunden“ und „Wis-senschaft trifft Praxis“ eingeteilt. Die Metzger erfuhren, wie sie digitale Absatzwege und Social Media für sich nutzen können. Sensorik und der Einsatz von Gewürzen oder un-gewöhnlichen Zutaten wie Schokolade wurden ebenso the-matisiert, wie Produktinnovationen und neuartige Fleisch-zuschnitte (siehe Bild 3). Auch die Praxis kam nicht zu kurz: Die Teilnehmer durften bei den Workshops „Gewürze zum Fleisch – die Mischung macht’s?“, „Fleischlose Alternative in der Metzgerei, braucht‘s das?“ und beim Grillworkshop selbst anpacken.

→ Bild 2: Einladung zum Fleischforum 2020 am 26. und 27. Januar 2016

in Augsburg

DIALOG QUALIFIZIERUNG PRÄMIERUNG

ENNOVATION fördert den Aus-

tausch untereinander! Wir veran-

stalten Seminare und Workshops,

bei denen die Teilnehmer fundierte

Einblicke in aktuelle Entwicklun-

gen der Branche erhalten und dazu

angeregt werden, sich unterein-

ander auszutauschen. Denn der

Austausch zur Vernetzung inner-

halb der Branche und interessante

Gespräche führen zu innovativen

Ideen und Kooperationen.

ENNOVATION gibt Expertenmeinung

& Fachwissen weiter. Wir bieten

Ihnen die Möglichkeit, sich über eine

zeitgemäße und zukunftsorientierte

Betriebsausrichtung zu informieren.

Wir geben Aufschluss über wesent-

liche Entwicklungen in der Ernäh-

rungsbranche und zeigen ihre

praxistaugliche Umsetzung.

Denn wer sich informiert und

am Ball bleibt, der kann sich

auf dem zukünftigen Markt

behaupten.

ENNOVATION fördert den Nach-

wuchs in der Ernährungsbranche.

Die Entwicklung einer innovativen

Idee bis zum marktreifen Produkt

ist lang und steckt voller Risiken.

Unter der Mitwirkung des Cluster

Ernährung wird jährlich der

Innovationswettbewerb für

Getränke und Lebensmittel (IGL)

für Studenten an der TU München

veranstaltet. Denn wer früh lernt,

wie man mit neuen Produkten auf

den Markt erobert, dessen

Zukunftschancen stehen gut.

Infobox: Ziele ENNOVATION

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das fleischforum 2020 hat mir sehr viel Input und Motivation zu aktuellen und zukunftsori-entierten Themen mitgegeben.

Teilnehmerin des forums

Innovationsreihe Ennovation – Fortsetzung folgtVergleichbar zum Fleischforum 2020 findet als nächstes eine auf das Bäckerhandwerk ausgerichtete Veranstaltung statt. Die Kooperation mit dem Landes-Innungsverband für das bayerische Bäckerhandwerk ermöglicht neben der passge-nauen thematischen Ausrichtung die Einbindung von Praxi-seinheiten und Workshops. Neben fachlichen Vorträgen und Denkanstößen zu Innovationen rund um das Bäckerhand-werk, Produktinnovationen und Vermarktungsmöglichkei-ten liegt der Fokus des Angebots klar auf dessen praktischer Umsetzbarkeit. Was kann Mehl noch? Hat das Wetter etwas mit meinem Verkauf zu tun? Schließen sich Gesundheit und Geschmack wirklich aus? Ist „zurück zum Ursprung“ ein Rückschritt oder nicht vielleicht doch ein zukunftsträchtiges Alleinstellungsmerkmal?

Das Bäckerforum 2020 richtet sich an interessierte und engagierte Handwerksbäckerinnen und -bäcker. Die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten können über ihre Kontakte zu Ernährungshandwerkern der Region ein interes-santes Angebot zur Weiterbildung der Bäcker unterbreiten.

NORA BÖRGER DR. SIMON REITMEIER cLUSTer erNÄHrUNGAM KoMPeTeNzzeNTrAUM fÜr erNÄHrUNG [email protected] [email protected]

→ Bild 3: Die Teilnehmer des Fleischforums 2020 trainierten unter der An-

leitung von Prof. Dr. Bernhard Tauscher (Arbeitsgemeinschaft für

Geschmacksforschung) ihre Sinne. Quelle: Cluster Ernährung

Gewusst wie: Einfach Schnapp-schüsse vom Bildschirm erstellen

Mit dem kleinen Microsoft Snipping-Tool lassen sich ohne großen Aufwand Bildschirmbereiche abbilden, zuschneiden, farbig beschriften und abspeichern. Das Programm ist standardmäßig auf jedem Windows-Rechner installiert. Sie finden es unter Start > Alle Programme > Zubehör > Snipping Tool. Klicken Sie auf „Neu“, um einen Schnappschuss zu erstellen. Jetzt ziehen Sie mit dem Cursor ein Rechteck um den Bildschirmbe-reich, den Sie aufnehmen wollen. Es ist auch möglich, die Voraus-wahl umzustellen und dann den gewünschten Bereich Freihand mit der Maus oder gleich das ganze geöffnete Fenster oder den gesamten Bildschirm auszuwählen.

Abbildung 1: Einen Bereich des Bildschirms können Sie mit unterschiedlichen Vorgaben auswählen

Das Snipping-Tool speichert den ausgewählten Bereich in die Zwischenablage und zeigt den Schnappschuss im Bearbeitungs-fenster an.

Abbildung 2: Auswahlmenü im Bearbeitungsfenster

Sie können jetzt mit einem Stift oder Textmarke einfache freie Markierungen im Bild vornehmen und wieder ausradieren.

Abbildung 3: Mit Stift und Marker lassen sich Markierungen im Schnappschuss vornehmen

Den Ausschnitt können Sie nun in den Bildformaten png und gif – gut bei Grafiken – sowie jpg – gut bei Fotos – abspeichern. Kom-fortabel ist auch die Möglichkeit, den Schnappschuss gleich an eine neue E-Mail anzuhängen. Fazit: Das kleine Tool ist eine hilfreiche Ergänzung zu den bekann-ten Tastenkombinationen DRUCK und ALT+DRUCK, die den Bild-schirmschnappschuss „nur“ in die Zwischenablage legen. Beson-ders für einfache Markierungen auf ausgewählten Ausschnitten ist das Tool eine kleine aber feine Arbeitshilfe. Einziger Wermutstrop-fen: Ganze Bildschirmseiten, die gescrollt werden müssen können nicht komplett aufgenommen werden.

Katharina Erhardsberger, FüAk

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Allianz für starke Berufsbildung Landwirtschaft und Hauswirtschaft stark vertreten bei Bayerischer Woche der Aus- und Weiterbildung

von YVONNE ZWINGLER: Unter dem Dach der „Allianz für starke Berufsbildung in Bayern“ fand vom 19. bis 27. Februar 2016 eine konzertierte Berufswerbung bayerischer Ministerien gemeinsam mit Unternehmen und Verbänden statt. Ziel war es die duale Berufsausbildung zu stärken. Die Landwirtschaftsverwaltung war an allen Veranstaltungsorten mit Berufs-informationen zu Ausbildungsberufen in Landwirtschaft, Hauswirtschaft und Gartenbau vertreten.

Zur Stärkung der beruflichen Bildung beschloss der bay-erische Ministerrat unter dem Dach der „Allianz für starke Berufsbildung in Bayern“ eine bayernweite Woche der Aus- und Weiterbildung im Frühjahr 2016 zu veranlassen. Die Or-ganisation übernahm das Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie.

Die „Allianz für starke Berufsbildung in Bayern“ entstand im September 2014 vor dem Hintergrund, dass es regional immer schwieriger wird, die richtigen Bewerber für offene Ausbildungsstellen zu finden. Deshalb schlossen sich Mi-nisterien, Verbände und Organisationen mit dem Ziel zu-sammen, jedem ausbildungsfähigen und ausbildungswilli-gen Jugendlichen in Bayern einen dualen Ausbildungsplatz oder eine angemessene Alternative zur Verfügung zu stellen und den Fachkräftebedarf der Wirtschaft in Bayern auch auf lange Frist zu decken. Dafür sollten auch neue Bewerber-gruppen erschlossen werden.

After-Work-Partys für die BerufsausbildungNach der zentralen Auftaktveranstaltung am 19. Februar in Ingolstadt fanden zeitgleich regionale Auftaktveranstal-tungen an verschiedenen Orten statt, zwei pro Regierungs-bezirk, in Oberbayern drei. Eigens bestellte Koordinatoren

organisierten die Veranstaltung und kümmerten sich um die ausstellenden Unternehmen. Veranstaltungsorte wa-ren jeweils Schulen, bzw. berufliche Schulzentren. Die Auf-taktveranstaltungen waren als „After-Work-Party“ geplant und sollten nach der Arbeit von Eltern mit ihren berufso-rientierenden Kindern besucht werden können. So sollten potentielle Auszubildende, deren Eltern und Unternehmen zusammengebracht und über die ganze Bandbreite der be-ruflichen Bildung in der Region informiert werden.

Die öffentlichkeitswirksamen Auftaktveranstaltungen und eine zeitliche Bündelung der Aktivitäten verstärkten die Breitenwirkung und werteten das Image der berufli-chen Bildung auf. Alle 15 Veranstaltungen liefen nach einem ähnlichen Programm ab: Nach der Eröffnung durch einen Lokalpolitiker oder eine Lokalpolitikerin gab es eine Podi-umsdiskussion. Die vorab gedrehten Blitzlichter zum Thema Ausbildung wurden hier eingespielt und von den Anwesen-den kommentiert.

RoleModels als Botschafter für ihren Beruf Unter den Podiumsgästen waren auch immer erfolgreiche Absolventen, die über vielfältige Erfahrungen in der Aus-bildung berichteten und wertvolle Tipps für die Suche wei-

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→ Podiumsdiskussion an der Auftaktveranstaltung in Dachau mit

Staatsminister Marcel Huber

→ Podiumsdiskussion an der Auftaktveranstaltung in Regensburg mit

Staatsministerin Emilia Müller

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tergegeben haben. Diese „RoleModels“ waren der stärkste Beweis für den Erfolg abseits einer akademischen Laufbahn. Für die Agrarberufe und die Hauswirtschaft konnten wir an drei verschiedenen Standorten junge Vertreter stellen, die für eine erfolgreiche Ausbildung und Beschäftigung im Be-ruf stehen. So war am Beruflichen Schulzentrum in Gun-zenhausen die Bundessiegerin des Berufswettbewerbs der grünen Berufe anwesend und konnte von ihrer hauswirt-schaftlichen Ausbildung berichten. Am Beruflichen Schul-zentrum in Günzburg war Frau Andrea Belzner Teilnehmerin an der Podiumsdiskussion. Sie begann ihre berufliche Lauf-bahn mit der Ausbildung zur Hauswirtschafterin und ist nun nach weiteren Fortbildungen Betriebsleiterin bei einem Kli-nikdienstleister. Alexandra Berchtenbreiter konnte die grü-nen Berufe an der Podiumsdiskussion am Schulzentrum in Regensburg vertreten. Sie ist die derzeit amtierende Deut-sche Blumenfee, die von den gärtnerischen Verbänden ge-kürt wird.

Markt der MöglichkeitenIm Anschluss an die Auftaktveranstaltungen konnten die Besucher den sogenannten Markt der Möglichkeiten be-suchen, an dem Unternehmen der Region ihre Berufe und Ausbildungsmöglichkeiten vorstellten. Erste Kontakte z. B. für ein Praktikum wurden geknüpft. Besuchten die Jugend-lichen alle Stände und holten sich neben den wichtigen In-formationen auch noch jeweils einen Aufkleber für die Sam-melkarte, war am Ende die Teilnahme an der Verlosung eines I-Pod Shuffle möglich.

Die Bildungsberaterinnen und Bildungsberater der Land-wirtschaftsverwaltung waren mit Infoständen beteiligt, an denen die Jugendlichen auch selbst tätig werden konnten: Sämereien erraten, Handyfilztaschen unter Anleitung nähen oder auch Pflanzen eintopfen. Als Attraktion erwies sich an einigen Standorten das für ein Quiz eingesetzte Glücksrad.

Meist traten Jugendliche in einem Team an und beantwor-teten die Fragen zum Beispiel zu Gefahrenzeichen, Textilar-ten oder zur Ernährung überraschend gut.

Berufswerbung dual In der Woche vom 22. bis 27. Februar boten die Unternehmer und berufsberatenden Stellen sowie die beruflichen Schulen weitere Veranstaltungen zur Berufswerbung an. Eine Über-sicht auf der Homepage des Wirtschaftsministeriums infor-mierte unter www.woche-der-ausbildung.bayern über die regionalen Veranstaltungen. Ein Link führte zum detaillier-ten Angebot eines konkreten Veranstalters, weiteren Infor-mationen der Berufsinformationsmesse, dem Vortrag, einem Tag des offenen Unternehmens oder einem Schnuppertag.

Auswertung und FazitDie Frage, ob diese Veranstaltung in zwei Jahren wieder stattfinden soll, ist noch nicht geklärt. Sicher ist aber, wenn es wieder eine bayernweite Woche der Aus- und Weiterbil-dung geben wird, dann sollte an vielen Stellen noch opti-miert werden. Vor allem die primäre Zielgruppe, Jugend-liche in der Berufsorientierung und deren Eltern, muss zukünftig noch besser über die Aktion informiert werden. Der Zeitpunkt muss mit den Akteuren vor Ort frühzeitig ab-gesprochen werden, um nicht mit regionalen Berufsmessen zu konkurrieren. Wird an diesen Rahmenbedingungen noch gearbeitet, kann die Allianz für starke Berufsbildung zu ei-ner guten bayernweiten Aktion werden, die eine duale Aus-bildung in den Mittelpunkt stellt, so das Ergebnis einer ab-schließenden Besprechung aller beteiligten Organisatoren.

YVONNE ZWINGLER BAYerIScHeS STAATSMINISTerIUM fÜrerNÄHrUNG, LANdwIrTScHAfT UNd [email protected]

→ Neues Design für die Hauswirtschaft: Auftaktveranstaltung in Coburg → Das Glücksrad als Attraktion am Infostand der Hauswirtschaft und

Landwirtschaft in Dachau

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In loser Folge werden wir steckbriefar-tig die hauswirtschaftlichen Berufsab-schlüsse und Änderungen der Bezeich-nung vorstellen. Wir informieren dabei auch über die Neuerungen im berufli-chen Werdegang und mögliche Einsatz-bereiche auf dem Arbeitsmarkt.

Hauswirtschafter / HauswirtschafterinAssistent für Ernährung und Versor-gung / Assistentin für Ernährung und Versorgung

ProfilAusbildungsverordnung vom 30. Juni 1999

• Ausbildungsberuf Hauswirtschaf-ter/Hauswirtschafterin staatlich anerkannt

• Ausbildungsberuf der Hauswirtschaft • Ausbildungsberuf der Landwirt-

schaft, wenn Ausbildung in Betrie-ben der Landwirtschaft

Historie1979 Verordnung über Berufsausbildung zur Hauswirtschafterin, Schwerpunkt städ-tische und ländliche Hauswirtschaft

ab 1999 Verordnung über Berufsausbildung zum Hauswirtschafter/zur Hauswirt-schafterin ohne Trennung in städ-tische und ländlich Hauswirtschaft, dafür Prüfung im Einsatzgebiet

Formelle Zugangsvoraussetzungen• Vollzeitschulpflicht erfüllt nach Art.

37 Abs. 3 BayEUG

Ausbildungsorte• Dual in Betrieb und Berufsschule:

Im Betrieb erwerben die Auszubil-denden praxisbezogene Kompe-tenzen im realen Arbeitsumfeld. An einem bis zwei Tagen pro Woche oder in Blockform absolvieren die Auszubildenden die Berufsschule, in der allgemeine und berufliche Lerninhalte in Theorie und Praxis vermittelt werden.

Das who is who der hauswirtschaftlichen Abschlüsse

• Berufsfachschule für Ernährung und Versorgung: Die von der Schule geforderten Praktika finden in unterschiedli-chen Haushalten (Groß- oder Pri-vathaushalt, landwirtschaftlicher Unternehmerhaushalt) statt.

Ablauf der Ausbildung1. Weg: 3 Jahre Ausbildung

• Das erste Jahr findet als Berufs-grundbildungsjahr in Vollzeitschule oder alternativ in kooperativer Form mit Ausbildungsvertrag statt.

• Die Ausbildung im zweiten und dritten Jahr (Fachbildung) erfolgt in Betrieb und Schule.

Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch Teilzeit möglich. Eine Verkürzung der Ausbildung auf 2,5 bei mittlerem Schulab-schluss bzw. 2 Jahre bei Allgemeiner Hoch-schulreife, Fachhochschulreife oder abge-schlossener Berufsausbildung ist möglich.

2. Weg: Berufsfachschule für Ernäh-rung und Versorgung 3 bzw. 2 Jahre bei mittlerem Schulabschluss

3. Weg: Direkte Zulassung zur Abschluss-prüfung durch den Nachweis von min-destens 4,5 Jahren Berufspraxis (nach §45.2 Berufsbildungsgesetz; BBiG)

BerufsbezeichnungHauswirtschafter/in: Berufs-bezeichnung nach BBiG

Assistent/ in für Ernährung und Versor-gung (nur in Bayern): geregelt durch das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst bei folgenden Voraussetzungen:

• Bestehen der Abschlussprüfung im anerkannten Ausbildungsbe-ruf „Hauswirtschafterin/ Hauswirt-schafter“

• Absolvierung von zwei der folgen-den sechs Wahlpflichtfächern:

– Projektorientiertes Arbeiten: Empfehlung: im BGJ; Umfang 160 Unterrichtsstunden und zweiwöchiges Praktikum

– Großhaushalt – Landwirtschaftlicher

Unternehmerhaushalt und Privathaushalt

– Gastronomie und Hotellerie alle drei Fächer im 2. und 3. Ausbildungsjahr möglich; pro Wahlpflichtfach 80 Unterrichts-stunden in der Berufsschule (Freistellung durch den Ausbil-dungsbetrieb); fachpraktischen Inhalte im Ausbildungsbetrieb

– Grundversorgung und Be-treuung alter, erkrankter Menschen im 2. und 3. Aus-bildungsjahr möglich; pro Wahlpflichtfach 160 Unter-richtsstunden in der Berufs-schule; fünftägiges Orien-tierungspraktikum in einem Pflegeheim ist Pflicht

– Grundversorgung, Bildung und Erziehung von Kindern; 160 Unterrichtsstunden in der Berufsschule

Perspektiven nach der Ausbildung• Privathaushalte oder landwirt-

schaftlichen Haushalten, oft mit Erwerbskombination

• Großhaushalt, z. B. Seniorenein-richtungen, Tagungshäusern und Bildungseinrichtungen

• Gastronomie, Hotellerie• hauswirtschaftliche Dienstleis-

tungsagenturen

Fortbildungsmöglichkeiten• Meister/in der Hauswirtschaft• Staatlich geprüfte/r Wirtschafter/

in für Ernährung und Haushalts-management

• Staatlich geprüfte/r Dorfhelfer/in• Staatlich geprüfte/r Techniker/in für

Ernährungs- und Versorgungsma-nagement

• Geprüfte/r Fachhauswirtschafter/in• Staatlich geprüfte/r Betriebswirt/in

für Ernährungs- und Versorgungs-management

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Das erste kooperative BGJ in der Hauswirtschaft Vom ersten Tag an in der Praxis

von HERTA WALDMANN-KAMM: Die Ausbildung in der Hauswirtschaft gliederte sich bisher in ein erstes vollzeitschulisches Berufsgrundschuljahr (BGJ) bzw. Besuch der 10. Klasse einer Berufsfachschule für Ernährung und Versorgung und das darauf folgende zweite sowie dritte Ausbildungsjahr in der sogenannten dualen Form in einem Ausbildungsbetrieb. Für diese beiden dualen Ausbildungsjahre wird ein Ausbildungsvertrag geschlossen. Seit dem Schul-jahr 2014/15 wird neben dem Berufsgrundschuljahr in Vollzeit das erste Ausbildungsjahr auch in dualer Form am Beruflichen Schulzentrum in Gunzenhausen angeboten. Das kam ei-nigen Ausbildungsbetrieben sehr entgegen. Die guten Schülerzahlen zeigen, dass es für die Betriebe und Auszubildenden sinnvoll sein kann, ab dem ersten Ausbildungstag im Betrieb zusammen zu arbeiten und zu lernen.

Grund für die Einführung einer grundständigen dreijährigen dualen Ausbildung war der Wunsch von Ausbilderinnen und Ausbildern, direkt für die betriebliche Ausbildung werben zu können. Damit können potentielle Azubis direkt nach dem Mittel- oder Realschulabschluss in eine duale Ausbildung einsteigen. So können zusätzlich junge Menschen gewon-nen werden, die „schulmüde“ sind und sofort praktisch ar-beiten wollen.

Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt, dass Aus-bildungsbetriebe parallel zu den Berufsfachschulen um im-mer weniger Schulabgänger und damit Interessierte für die Ausbildung ringen. Besonders nordbayerische Betriebe for-dern eine duale Ausbildung ab dem ersten Tag und wollen

weg von einem vollzeitschulischen Berufsgrundschuljahr. Denn nur so kann es diesen Ausbildungsbetrieben gelingen, interessierte Jugendliche direkt nach Abschluss der allge-meinbildenden Schule für die Ausbildung anzuwerben und ohne den vorgeschalteten Besuch des Vollzeitschuljahres BGJ sofort am Betrieb auszubilden. Hierbei wird für alle drei Ausbildungsjahre ein Ausbildungsvertrag abgeschlossen.

Aus ganz Bayern im dualen BGJ in GunzenhausenDas Staatsministerium für Bildung und Kultur, Wissenschaft und Kunst hat ab dem Schuljahr 2014/15 (zunächst als 3-jäh-riges Projekt) am Beruflichen Schulzentrum in Gunzenhau-sen einmalig für ganz Bayern eine Klasse für das erste Ausbil-

dungsjahr in dualer Form eingerichtet. Die Beschulung erfolgt in Blockwo-chen. Der überwiegende Teil der rund 30 Auszubildenden im vergangenen Schuljahr kam aus dem nordbayeri-schen Raum, aber auch aus Schwaben, Oberpfalz, Ober- und Niederbayern. Da der Einzugsbereich ganz Bayern er-fasst, besteht für die Auszubildenden die Möglichkeit im Wohnheim vor Ort zu übernachten

Es zeigt sich, dass auch im Schuljahr 2015/16 die Nachfrage seitens der Aus-zubildenden und Betriebe da ist. Der-zeit besuchen sogar noch mehr Auszu-bildende (32) dieses BGJ in dualer Form als im letzten Schuljahr.

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→ Eine Gruppe von Azubis aus der aktuellen Klasse 10 k (k=kooperativ)

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Wunsch nach praktischer Tätigkeit entscheidendWarum wählen Auszubildende die 3-jährige duale Ausbil-dung in der Hauswirtschaft? Die Aussagen der Azubis waren fast identisch: Sie hatten im Praktikum während der Schul-zeit viel Spaß an den Tätigkeiten im hauswirtschaftlichen Be-reich. Sie wollten kein weiteres Jahr die Schulbank drücken, sondern vor allem praktisch weiter lernen und dabei auch gleich Geld verdienen. Die Information über diese Ausbil-dungsvariante im ersten Ausbildungsjahr erhielten sie von den Praktikumsbetrieben, über Ausbildungsmessen, Berufs-beratung, Zeitung und Internet. Bei der Entscheidung zur Berufswahl hatte auch das persönliche Umfeld großen Ein-fluss und Vorbildfunktion, weil z. B. Mutter, Schwester oder Freundinnen bereits im hauswirtschaftlichen Bereich eine Ausbildung absolvierten. Die Blockbeschulung und mögli-che Unterbringung im Schülerwohnheim unterstützte die gute Klassengemeinschaft.

Motivation und Interesse der Azubis großWelche Erfahrung haben die Ausbildungsbetriebe im all-gemeinen Umgang mit den Auszubildenden im ersten du-alen Ausbildungsjahr gemacht? Die Motivation der Azu-bis war bei allen sehr hoch. Sie zeigten großes Interesse und ein gutes Sozialverhalten im Betrieb. Die fehlenden Vorkenntnisse aus dem Berufsgrundschuljahr erforderten mehr Zeit von der Ausbilderin, für z. B. Arbeitsplanung und Vermittlung der grundlegenden Ausbildungsinhalte. Dies deckt sich mit der Aussage einiger Azubis, die sich „mehr Erklärungen“ wünschen. Die Jugendlichen sind im Schnitt ein Jahr jünger, wenn sie als Auszubildende an den Ausbil-dungsbetrieb kommen, daher war bei manchen auch ein

geringeres Durchhaltevermögen feststellbar. Die Beschu-lung in Blockwochen erschwert die Einteilung in Dienst-pläne, da die Azubis mehrere Wochen im Block abwesend sind. Im Gegenzug befürwortet die Mehrheit der Auszu-bildenden diese Art der Beschulung. Das Fazit der Aus-bildungsbetriebe ist trotz allem positiv, was sich auch in der erneut guten Nachfrage am dualen BGJ im Schuljahr 2015/16 zeigt.

Die duale Ausbildung ab dem ersten Tag im Betrieb erfordert von allen Beteiligten ein höheres Engagement. Jugendliche, die bereits im Elternhaus mit hauswirtschaft-lichen Tätigkeiten betraut waren, finden sich in die haus-wirtschaftlichen Aufgaben schneller ein. Doch diese Aus-gangslage wird wohl mehr die Ausnahme bleiben. Die Wahlmöglichkeit zwischen vollzeitschulischem BGJ und „dualem BGJ“ wird trotzdem als guter Einstieg für Jugend-liche mit „Null Bock“ auf Schule, aber Interesse am prakti-schen Beruf gesehen.

Nach dem ersten Ausbildungsjahr besuchen die Aus-zubildenden im zweiten und dritten Ausbildungsjahr die Berufsschule, in deren Schulsprengel sich der Ausbildungs-betrieb befindet. Für manche Auszubildende ist damit ein Schulwechsel z. B. nach München-Riem verbunden.

HERTA WALDMANN-KAMM AMT fÜr erNÄHrUNG, LANdwIrTScHAfT UNd forSTeN ANSBAcH [email protected]→ Azubis bei einer Aktion für Mittelschüler

→ Auszubildende Jacqueline Neumayer am Infostand ihres Ausbildungs-

betriebes bei der BAM (Berufsausbildungsmesse) im Landkreis

Weißenburg-Gunzenhausen

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Verbraucher, Gäste und Kunden im Blick„Lebenslanges Lernen“ für hauswirtschaftliche Lehr- und Fachkräfte

von JUDITH REGLER-KEITEL: Trends und Innovationen in der Haushaltstechnik, Mythen und Märchen rund um die Ernährung, Fair Trade sowie Themen zur Berufsbildung standen auf dem Programm der diesjährigen Tagung „Lebenslanges Lernen für Lehr-und Fachkräfte der Hauwirtschaft“. Die Tagung in Triesdorf, die das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten veranstaltet, fand bereits zum fünften Mal statt.

Rund 150 Ausbilderinnen, Fachkräfte hauswirt-schaftlicher Betriebe, Lehrkräfte hauswirtschaft-licher Schulen und Bildungsberaterinnen sowie fast 100 Studierende der Fachakademie nutzten das Angebot zur Fortbildung. Über die aktuellen Fachthemen, die für Unterricht und Ausbildung in der Hauswirtschaft relevant sind, informierten Professoren und Professorinnen der Hochschule Weihenstephan/Triesdorf.

Connectivity und MultifunktionProf. Dr. Michael Greiner, an der Hochschule Wei-henstephan/Triesdorf für die Lehrgebiete Ver-pflegungstechnik, Catering, Systemgastronomie zuständig, durchleuchtete das Thema „Geräte-technik – Trends und Innovationen im Haushalts-bereich“. Nach dem Besuch der Internationalen Funkausstellung IFA in Berlin steht für Prof. Grei-ner fest: Die IFA wird immer mehr auch zu einer internationalen Plattform für Haustechnik, denn Trend ist die Verbindung der Hausgeräte mit IT und Elektronik. Bis-her wurde bei der Weiterentwicklung die Frage gestellt: Wel-che Funktion eines Gerätes kann durch neuere Technik oder Elektronik weiter entwickelt und optimiert werden? Heute wird gefragt: Welche Elektronik könnten wir in welchem Ge-rät nutzen? Dabei geht es immer mehr um die Nebenfunk-tionen der Geräte, sehr oft ohne Bezug zur Hauptfunktion. So steht beispielsweise die höhere Energieeffizienz eines Backofens durch eine dreifach verglaste Tür und Isolierma-terial, oder Temperatursteuerungen im Focus. Trend ist auch die „Connectivity“ (Verknüpfung von smarten Hausgeräten mit IT-Geräten/Internet). Beispiel dafür ist die Kamera im Kühlschrank, durch die von unterwegs die Fragen „Was muss eingekauft werden? Was kann gekocht werden?“ beantwor-tet werden können. Allerdings muss der Kunde hier mit 30 bis 50 Prozent höheren Preisen rechnen, wobei der Nutzen sicherlich nicht mit dem gleichen Prozentsatz steigt.

Ein weiterer Trend geht zu Multifunktionsgeräten. Gründe dafür sind zum einen die vielen verschiedene Anwendungs-möglichkeiten in einem Gerät, zum anderen immer kleiner werdende Küchen, die steigende Zahl der Single-Haushalte und abwechslungsreichere Zubereitungen. Beispiel für den Privathaushalt ist die Multifunktions-Küchenmaschine, be-kannt als „Thermomix“ . Dieses Gerät wird inzwischen von vielen Herstellern zu unterschiedlichen Preisen angeboten.

Für die Multifunktionalität von Geräten im Großhaushalt spricht die Platz-, Technik- sowie Personaleinsparung und damit die Kostensenkung im Betrieb (siehe Abbildung).

Intelligente Technik hält auch im Privathaushalt Einzug: Hersteller wie Bosch, Fissler oder WMF bieten Aufheizauto-matik, Temperaturregelung und -messung, sowie Tempera-turvorgaben über App. Der Blick in die Zukunft: Geräte und Roboter steuern sich zunehmend selbst, das Personal in der Großküche steuert weniger einzelne Geräte sondern den gesamten Produktionsprozess. Prof. Greiner zieht ein Fazit:

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→ Abbildung: Folie 1 – Der Kombidämpfer steht für den Trend zu multifunktionalen

Geräten

Folie 1

Multifunktionalität

vollständig teilweise bedingt

Dampfgarer

Druckdämpfer

Friteuse

Salamander Kippbratpfanne

Backofen

Kessel

Mikrowelle Heissumluftofen

Substitution

Beispiel „Kombidämpfer“

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„es gibt viel Neues mit fraglichem Nutzen, viel erfolgversprechendes – fraglich, wie es umgesetzt wird – und viel Nützliches – fraglich, ob es sich durchsetzt.“

Mythen und Märchen rund um die ErnährungProf. Dr. med. Johannes Erdmann stellte die Frage nach der gesunden Ernährung und räumte mit „Mythen und Märchen rund um die Ernährung“ auf. Aufgrund verschiedener Stu-dien kommt er zum Schluss, dass allein das Körpergewicht der entscheidende Faktor für die Entstehung von Herz-Kreis-lauf-Erkrankungen sowie verschiedener Krebs-Erkrankun-gen sei. Die Möglichkeit zu einer wirksamen Gewichtsreduk-tion sieht er in einer individuellen Ernährungsumstellung auf der Basis der Energiedichte. Die bisherigen Ernährungs-empfehlungen seien zu kompliziert. Mit vielfältigen Beispie-len erläuterte Prof. Erdmann eine aus seiner Sicht einfache und praktikable Ernährungsweise zur Gewichtsreduktion und Gesunderhaltung.

Verantwortungsbewusster Konsum„Fair Trade: Verantwortungsbewusster Konsum zur Unter-stützung von Menschen in Entwicklungsländern“ lautete das Thema von Prof. Dr. Paul Michels. Lebensumstände in Afrika treiben Menschen in die Flucht. Unser Verbraucher-verhalten kann hier Einfluss ausüben. Fair Trade stellt derzeit einen „Boom-Sektor“ mit enorm steigender Umsatzentwick-lung dar. Prof. Michels stellte unterschiedliche Konzepte und Siegel wie „TransFair“, GEPA, „Naturland Fair“, sowie „UTZ CER-TIFIED“ vor und verglich diese unter anderem hinsichtlich Preis, Rückverfolgbarkeit und Qualität.

Aktuelles aus der beruflichen BildungLaut Ministerialrätin Gisela Miethaner können derzeit in der Hauswirtschaft nicht alle Ausbildungsplätze besetzt wer-den. Deshalb muss für die Ausbildung zur Hauswirtschafte-rin intensiv geworben werden. Eine Chance bietet hier das Praktikumsangebot der Ausbildungsbetriebe; denn Schüler und Schülerinnen können für die Ausbildung in der Haus-wirtschaft begeistert werden. Nach dem Schulabschuss ste-hen ihnen dann zwei Wege offen: Zum einen können sie wie bisher im ersten Ausbildungsjahr das Berufsgrundschuljahr besuchen, bevor sie im zweiten und dritten Jahr ihre Ausbil-dung in einem anerkannten Ausbildungsbetrieb fortsetzen. Seit letztem Schuljahr bietet sich ein zweiter Weg mit einer betrieblichen Ausbildung vom ersten Tag an mit Berufsschul-unterricht in Gunzenhausen (siehe Beitrag – Das erste koope-rative BGJ in der Hauswirtschaft auf Seite 28). Diesen Weg gehen in Bayern inzwischen 35 Auszubildende, die vor allem schnell praktisch tätig werden wollen. Eine Novelle der Aus-

bildungsverordnung könnte nach Einschätzung von Experten zur Steigerung der Attraktivität des Ausbildungsberufes bei-tragen. Durch die demographische und gesellschaftliche Ent-wicklung steigt das Angebot an Arbeitsplätzen in der Haus-wirtschaft, aber auch die Nachfrage nach qualitätsgesicherten Dienstleistungen. Eine „Karriere mit Lehre“ bietet gut Perspek-tiven, besonders auch für leistungsstarke junge Menschen.

Praktiker werben für die AusbildungMaria Schröder, Bundessiegerin des Berufswettbewerbes der Deutschen Landjugend, erläuterte aus ihrer Sicht die Rahmenbedingungen für eine gute Ausbildung. Die Tätig-keit in möglichst allen Leistungsbereichen der Hauswirt-schaft hält Frau Schröder für besonders wichtig. Auszubil-dende sollten vielfältige Aufgaben ausüben dürfen, damit sie auch selbstständiges Arbeiten lernen. In der Teilnahme an Berufswettbewerben sieht Frau Schröder neben inter-essanten Erfahrungen und Kontakten auch die beste Prü-fungsvorbereitung.

Birgit Keitel, Hauswirtschaftsleitung im Evangelischen Bil-dungszentrum Pappenheim und eine der drei von Staatsminis-ter Helmut Brunner ausgezeichneten Ausbilderinnen, warb für die duale Ausbildung. Während dieser Zeit lernen die Auszu-bildenden neben Fachkompetenz auch eigenverantwortliches Handeln, eine entscheidende Voraussetzung für die spätere berufliche Tätigkeit. Als Ausbilderin ist es Frau Keitel wichtig, dass Mitarbeiter und Azubis ihr „Handwerk“ von Grund auf lernen und dann wissen, wie und worum es geht. Nur dann können sie sich mit entsprechenden Ergebnissen engagieren.

Schülerinnen und Lehrkräfte der Berufsfachschule des Beruflichen Schulzentrums Ansbach stellten sehr anschau-lich ihr Projekt „Florale Gestaltung für den Welttag der Haus-wirtschaft 2015 am StMELF in München“ vor. Die perfekte Ausgestaltung der Räume erhielt von allen Besuchern und Festgästen sehr viel Lob und Anerkennung.

Die Fortbildungstagung wurde kompetent moderiert von Prof. Dr. Mirjam Jaquemoth, die im Studiengang Ernäh-rung und Versorgungsmanagement an der Hochschule in Triesdorf vor allem für die Themen Haushaltsökonomie und Verbraucherpolitik zuständig ist.

Routiniert organisierten auch in diesem Jahr die Kolle-ginnen des Fortbildungszentrums Triesdorf diese Tagung. Dank gebührt den Landwirtschaftlichen Lehranstalten für die Überlassung des Tagungsraumes „Altes Reithaus“ und die perfekt organisierte Verpflegung. Die Vorträge sind auf der Internetseite des Ministeriums unter www.berufe.haus-wirtschaft.bayern.de eingestellt.

JUDITH REGLER-KEITEL forTBILdUNGSzeNTrUM HAUSwIrTScHAfT [email protected]

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„Verachtet mir die Meister nicht und ehret ihre Kunst“Festvortrag von Josef Kraus bei der Meisterbriefübergabe in Niederbayern

Der Appell von Hans Sachs aus dem 16. Jahrhundert stand als Motto über der Festrede von Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, anlässlich der Meisterbriefübergabe im November 2015 in Niederbayern. Das leidenschaftliche Plädoyer für die berufliche Aus-bildung und die kritische Betrachtung der übermäßigen Akademisierung fand großen Zu-spruch. Umso mehr, als der Referent kein Repräsentant aus den Reihen der Landwirtschaft ist, sondern allgemeinbildende Schulen vertritt. Für den anwesenden Berufsnachwuchs war es eine schöne Bestätigung, auf dem richtigen Weg zu sein.

„Verachtet mir die Meister nicht und ehret ihre Kunst!“ Das ist bekanntermaßen ein Appell des großen Schuh-

machermeisters, Spruchdichters und Meistersingers des 16. Jahrhunderts Hans Sachs. Hans Sachs, der von 1494 bis 1576 in Nürnberg lebte, war einer der produktivsten deut-schen Dichter. Rund 4 000 Meisterlieder und rund 1 800 Ge-dichte hat er hinterlassen. Wiederentdeckt hat ihn Richard Wagner 1868 für seine Oper „Die Meistersinger von Nürn-berg.“ Dort finden wir auch den Vers, der meiner Rede Pate steht: „Verachtet mir die Meister nicht und ehret ihre Kunst.“

Ja, der Vers stammt aus einer Oper. Aber ich kann Sie be-ruhigen: Gesang ist nicht mein Metier. Ich nutze diesen Vers vielmehr, weil er es wie kein zweiter auf den Punkt bringt, was Meisterschaft ist.

Nun, die Organisatoren dieser Feier haben mich gebe-ten, unter dem Hans-Sachs-Motto ein wenig Programma-tisches, Analytisches, durchaus Kritisches über Bildung in Deutschland und über Meisterschaft zu sagen. Ich tue das gerne, weil ich gerade auch als einer, der mehr als zwanzig Jahre ein Gymnasium geleitet hat, damit meine Hochach-tung vor den heute zu ehrenden Meisterinnen und Meistern zum Ausdruck bringen möchte.

Wie sehr mir dies am Herzen liegt, mögen Sie daran er-kennen,

→ dass ich zur Zeit mit großem Vergnügen fast jede Woche quer durch Bayern zu Vorträgen vor hunder-ten Landfrauen geladen bin (viele von ihnen übri-gens Hauswirtschaftsmeisterinnen oder Landwirt-schaftsmeisterinnen),

→ dass zu meinem Verband, den ich ehrenamtlich führen darf, auch zwei Berufsschullehrer-Verbände gehören,

→ und dass ich selbst mütterlicherseits land- und gast-wirtschaftliche Wurzeln habe und aus sehr prakti-scher Erfahrung als Heranwachsender weiß, was Heu- oder Kartoffel- oder Hopfenernte ist.

In fünf Zwischenrufen möchte ich die Bedeutung der Meis-ter und deren Ausbildung herausarbeiten.

1. Zwischenruf: Fallgruben der BildungIn Deutschlands Bildungspolitik scheinen seit geraumer Zeit zwei Glaubensgemeinschaften zu missionieren:

→ Die eine Konfession ist die Konfession gewisser ver-bohrter PISA-Exegeten. Hier feiern Hohepriester der Einheitsschule mit einer reichlich eigenwilligen PISA-Interpretation fröhlich Auferstehung. Ihr schier apokalyptisches Hosianna lautet: Mit dem deutschen PISA-Ergebnis sei zugunsten eines „gerechten“ Schul-systems „endlich“ der Jüngste Tag für das gegliederte und leistungsstressige Schulwesen angebrochen.

→ Die andere Konfession ist die BOLOGNA-Konfes-sion. An frohen Botschaften fehlt es auch hier nicht: BOLOGNA samt Bachelor, Master, Workloads und Credit Points schaffe endlich Effizienz, Straffung, Mobilität, Modularisierung, Kompatibilität, Praxis-tauglichkeit, „Employability“ und eine Steigerung der Akademikerquote.

PISA und BOLOGNA sind zu einer Ersatzreligion, zu einem Credo geworden, das frühere Stoßgebete anscheinend er-setzen soll. Denn wenn es früher mit der Jugend nicht so recht klappen wollte, sagte man: „Jetzt hilft nur noch beten“. Heute sagt man: „Da hilft nur noch eine Bildungsreform, und

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noch eine Bildungsreform …“ Und noch mehr Abiturienten-quote und noch mehr Studentenquote …! Bald 120 Prozent?

Darf ich eine Frage stellen: Wissen Sie, wie weit es von Pisa nach Bologna ist? Luftlinie? Es sind 115 Kilometer. Realiter! In Deutschland ist der Abstand zwischen Pisa und Bologna etwas anderes, nämlich die Entfernung von einer bildungspolitischen Fallgrube zur nächsten.

Damit aber stolpern unsere ewig-morgigen bildungspoli-tischen Schlaumeier in die stets gleichen Fallgruben:

→ in die Egalitätsfalle – die Ideologie, dass alle Men-schen, Strukturen, Werte und Inhalte gleich bzw. gleich gültig seien;

→ in die Machbarkeitsfalle – den Wahn, jeder könne zu allem begabt werden;

→ in die Falle der Erleichterungs- und Gefälligkeits-pädagogik, so als gehe alles ohne Anstrengung;

→ in die Beschleunigungsfalle – die Vision also, man könne in immer weniger Schuljahren und mit im-mer weniger Unterrichtsstunden zu besser ge-bildeten jungen Leuten und zu einer gigantisch gesteigerten Abiturienten- und Akademikerquote kommen;

→ in die Quotenfalle – die planwirtschaftliche Vermes-senheit, es müssten möglichst alle das Abitur-Zeug-nis bekommen;

Mit den hier genannten fünf Fallgruben tut sich aber gera-dezu ein Bermuda-Fünfeck auf, in dem Individualität, Leis-tung, Anstrengungsbereitschaft, natürliche Reifung und Qualität zu versinken drohen.

2. Zwischenruf: Angeblich zu niedrige StudierquoteAbgrundtief falsch zum Beispiel ist die Behauptung, Deutschland habe im internationalen Vergleich eine viel zu niedrige Abiturienten- und Studierquote. Immerhin die OECD und Deutschlands statistische Obergouvernante, die Bertelsmann Stiftung, behaupten dies einmal pro Monat.

Nein, denn man darf mit Fug und Recht annehmen, dass das, was andere Länder als „Abitur“ oder als „Studium“ dekla-rieren, bei uns oft nicht einmal einer Fachschulausbildung entspräche. Die Akademiker-Quoten sind außerdem inter-national nicht vergleichbar. Zum Beispiel gelten in Finnland und in den USA auch Krankenschwestern („Bachelor of Nur-sing“), Kindergartenerzieherinnen oder Friseure („Diploma of Hair Dressing“) als „Akademiker“. Im Übrigen gilt: Eine „Verhochschulung“ unserer Gesellschaft wird der Forderung nach Höherqualifizierung jedenfalls nicht gerecht. Auch in Zukunft werden zwei Drittel der jungen Menschen über die berufliche Bildung den Einstieg in einen Beruf finden. Diese jungen Menschen dürfen nicht als Außenseiter betrachtet und bildungspolitisch vernachlässigt werden.

Interessant ist zudem: → Dort wo man in Europa die niedrigsten Abiturien-

ten-Quoten hat, hat man zugleich die besten Wirt-schaftsdaten: nämlich in Österreich, in der Schweiz sowie in Bayern.

→ Ein wichtiges bildungspolitisches Kriterium wird ebenfalls häufig übersehen, nämlich das Ausmaß an Jugendarbeitslosigkeit. Hier haben oft sogar vermeintliche PISA-Vorzeigeländer mit Gesamt-schulsystemen eine Quote von um die 20 Prozent – Finnland und Schweden etwa. In Ländern mit gegliederten Schulsystemen und dualer Berufs-bildung dagegen sind es um oder unter zehn Prozent: in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz.

Ansonsten gilt: Wenn alle Abitur haben, dann hat keiner mehr Abitur!

3. Zwischenruf: NoteninflationIch sehe mit großer Sorge, dass uns und unseren jungen Leuten das Abitur und der Hochschulabschluss qua Noten-inflationsvirus mehr und mehr entwertet wird. Und ich sehe mit Sorge, dass Studierbefähigung zur bloßen Studierbe-rechtigung verkommt.

Beispiele gefällig? Es gibt immer mehr Abiturzeugnisse mit einem Notendurchschnitt von 1,0: Aus NRW wird berich-tet, dass sich die Zahl der Abiturienten mit der Note 1,0 von 455 im Jahr 2007 auf exakt 1 000 im Jahr 2011 mehr als ver-doppelt hat. In Berlin wurden aus den 17 Abiturzeugnissen mit 1,0 des Jahres 2002 im Jahr 2012 genau 234!

Die Hochschulen setzen eine solche Kuschelpolitik mit ihrer Inflation guter und sehr guter Noten fort. Kürzlich sah sich deshalb der Wissenschaftsrat genötigt, den warnen-den Zeigefinger zu erheben. Immerhin war der Anteil der Hochschulabschlüsse (ohne Staatsexamina) mit den Noten 1 und 2 binnen zehn Jahren von 67 Prozent auf 77 Prozent gestiegen.

Für unsere jungen Leute sind diese Art von Zeugnissen ungedeckte Schecks. Denn wenn alle eine Eins oder eine Zwei haben, dann hat keiner mehr eine Eins oder eine Zwei, und dann entscheiden über die Chancen eines Menschen in Beruf und Gesellschaft andere, womöglich weniger objek-tive und weniger seriöse Kriterien.

Wir müssen zudem aufpassen, → dass uns aus dem Abitur- nicht ein Aditur-Prinzip wird, → dass solchermaßen das Abitur entwertet und durch

eine Hochschuleingangsprüfung ersetzt wird und → dass uns die berufliche Bildung nicht zwischen

Bachelor und dualem Studium zerrieben wird.

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4. Zwischenruf – eine ZwischenfrageWas macht all dies mit unserem Land? Ich behaupte: Ein Land,

→ das mit seinem Reizwortjournalismus jede Woche ein paar karierte Kaninchen aus dem bildungspoliti-schen Zylinder zaubert,

→ ein Land, das Bildungsfragen immer nur „an“-denkt (quasi „an“-beißt und sofort wieder ausspuckt) und nicht „durch“-denkt,

ein solches Land braucht eigentlich keinen PISA-Test mehr.

Goethe würde sagen: „Es gibt eben nichts Entsetzlicheres als tätige Unwissenheit.“ Karl Kraus würde zu oberschlauen bildungspolitischen und pädagogischen Einflüsterern sa-gen: „Es genügt nicht, keine Gedanken zu haben, sondern man müsste auch unfähig sein, sie auszusprechen.“ Kopf-losigkeit ist die Folge!

Jedenfalls sind zahlreiche bildungspolitische Reformen gar keine Reformen, sondern De-Formen und damit das Pro-blem, als dessen Lösung sie sich ausgeben. (Siehe G8 oder in einigen Bundesländern die Abschaffung von Noten, des Sitzenbleibens und der Schreibschrift …)

Außerdem sage ich: Die Wachstumsbremse der Zukunft wird die Überakademisierung sein, weil sie einher geht mit einem gigantischen Fachkräftemangel. Man schaue sich nur einmal an, dass wir seit 2014 mehr Studienanfänger haben als junge Leute, die eine berufliche Bildung anfangen. Eine totale, eine steile Schieflage!

Es wird jedenfalls Zeit, dass die bildungspolitische De-batte wieder vom Kopf auf die Füße gestellt wird. Dazu sage ich, auch wenn ich sonst kein Freund von vorwiegend öko-nomischen Betrachtungen der Bildungspolitik bin: Es wird Zeit, dass wir über die Opportunitätskosten einer Überbe-wertung von Gymnasium bzw. Studium und einer Vernach-lässigung der beruflichen Bildung nachdenken, also nach-denken, was es uns kostet, wenn wir die berufliche Bildung weiter so vernachlässigen wie zuletzt. Denn: Berufliche Bil-dung „made in Germany“ ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, ja ein entscheidender Standortvorteil. Wichtiger als manch quasi- oder pseudo-akademischer Beruf!

Es stimmt ansonsten auch nicht, dass man mit einem Hochschulabschluss finanziell besser dasteht. Zumindest passt es nicht mit einigen volkswirtschaftlichen Daten zu-sammen: So ist im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts das Realeinkommen gesunken, obwohl die Akademikerquote gestiegen ist.

5. Zwischenruf: „… und ehret ihre Kunst!“Es ist also ein Umdenken erforderlich! Warnende – und zwar namhafte – Stimmen gibt es durchaus. Im April 2014 ver-öffentlichte der Wissenschaftsrat seine Stellungnahme mit dem Titel „Empfehlungen zur Gestaltung des Verhältnisses

von beruflicher und akademischer Bildung.“ Darin bezeich-net er die berufsbildende Lehre im dualen System als gleich-wertig und warnt vor vordergründigen Image- und Prestige-gesichtspunkten. Danke, sage ich zu dieser Stellungnahme. Gleichwohl dringt das nicht durch: Der Mensch scheint für viele immer noch beim Abitur zu beginnen.

Und was mich am meisten ärgert: Das Drehen an der Akademisierungsschraube zeugt von mangelndem Respekt gegenüber beruflicher Bildung. Ich will es noch deutlicher benennen: Es ist eine Unkultur des mangelnden Respekts vor dem Handwerklichen, Technischen, Konkreten, Verar-beitenden, Gestaltenden …

In diesem Zusammenhang hätte ich mir und Ihnen ge-wünscht, dass der Meister nicht bloß auf Stufe 6 des Deut-schen Qualifikationsrahmens (DQR) placiert wird – auf der gleichen Stufe wie der Bachelor. Selbst das war ja umstrit-ten. Dass wir das jetzt haben, ist das Minimum, was einem Meister zusteht. Sprachlogisch ist die Gleichstellung von Meister und „Bachelor“ gleichwohl Unsinn, denn „bachelor“ heißt wörtlich übersetzt unter anderem „Geselle“. Aber das hat eine Menge mit der EU zu tun!

Das Wort Meister mag – ausgehend vom lateinischen Wort „magister“ – so oder so ähnlich in vielen Sprachen vorkommen. Im deutschsprachigen Raum ist es aber vom Sinngehalt her mehr als das englische „master“, das französi-sche „maître“, das italienische oder spanische „maestro“ das polnische „majster“ und das russische „MACTEP“.

Meister bei uns in Deutschland hat auch mit Kunst zu tun, wie es Hans Sachs mit seinem Vers zum Ausdruck bringt: „Verachtet mir die Meister nicht und ehret ihre Kunst.“ Kunst nämlich kommt sprachgeschichtlich von „Können“, womit sich der Kreis zur Meisterschaft wieder schließt.

Vor allem aber sind unsere Meister – das sage ich als ei-ner, der rund zweitausend Abiturzeugnisse unterschrieben hat – Persönlichkeiten, die mit beiden Beinen im Leben ste-hen: gestandene „Manns- und Weibsbilder“!

Schließen wir den Kreis mit Hans Sachs: Seine Worte „Ver-achtet mir die Meister nicht und ehret ihre Kunst“ ergänzt er nämlich um folgende Worte: „Was deutsch und echt, wüßt keiner mehr, lebt’s nicht in deutscher Meister Ehr.“

In diesem Sinne: → Herzlichen Glückwunsch zu Ihren Meisterbriefen! → Und beruflich sowie persönlich alles Gute für Ihren

weiteren Lebensweg als Meisterin und Meister!

JOSEF KRAUSVorsitzender des deutschen Lehrerverbandes

FRANZ NOWOTNY forTBILdUNGSzeNTrUM LANdSHUT ScHÖ[email protected]

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In den Räumen der Landwirtschafts-schule Passau werden aktuell zwei, Klassen für berufsschulpflichtige Asyl-bewerber und Flüchtlinge, sogenannte BAF-Klassen, unterrichtet. Tür an Tür mit den Studierenden der Landwirt-schaftsschule. Dies brachte Thomas Lehner, Lehrkraft für Volkswirtschaft und Agrarpolitik im 3. Semester, auf die Idee einen Austausch zwischen den Stu-dierenden der Landwirtschaftsschule und den Flüchtlingen zu organisieren. Trotz anfänglicher Bedenken wurde das Treffen zu einem vollen Erfolg.

Im Landkreis Passau ist das Thema Flücht-linge besonders aktuell: Vor allem im Herbst und Winter 2015/2016 gelangten viele Flüchtlinge über die so genannte Balkan-Route nach Passau und Umge-bung. In Bayern wurden deshalb rund 440 BAF-Klassen für jugendliche Flücht-linge eingerichtet. Die Schüler sind zwi-schen 16 und 25 Jahre alt und stammen zum Großteil aus Afghanistan, Pakistan, Eritrea und Syrien. Ziel des Unterrichts ist es, den jungen Männern durch das Erlernen der deutschen Sprache eine bessere Integration zu ermöglichen und damit ihre Berufschancen zu erhöhen.

Obwohl sie in denselben Räumlichkeiten unterrichtet werden, sind sich Landwirte und Flüchtlinge eher fremd. Thomas Leh-

Landwirt meets Flüchtling – Angehende Landwirtschaftsmeister treffen auf Schüler der Asylbewerber-Klasse

ner regte deshalb ein vorweihnachtliches Treffen an. Berufsschullehrer Stefan Deser, der in der BAF-Klasse Deutsch unterrich-tet, unterstützte die Idee tatkräftig.

Fragen gegen Ängste und Vorurteile„Neue Nachbarn lädt man erst mal zum Gespräch ein“ sagt Thomas Leh-ner, als er die Runde eröffnet.

„fragen Sie, was Sie schon immer wissen wollten, aber nie zu fragen wagten.“

Thomas Lehner, Lehrer an der LwS Passau

Drei Studierende des 3. Semesters Land-wirtschaft stellten sich und ihre Betriebe vor. Die Studierenden zeigten zahlreiche Fotos, um den Flüchtlingen eine Vorstel-lung davon zu vermitteln, wie das Leben auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in Bayern aussieht. Im Gegenzug erläu-terten drei Sprachschüler mit Hilfe von Google Maps, woher sie ursprünglich stammen. Während sie von ihren Fami-lien und Beweggründen für die Flucht berichteten, herrschte gespannte Stille im Raum. Die Flüchtlinge haben teilweise schwierige Wege zurückgelegt, bis sie in

Niederbayern angekommen sind. „Keiner verlässt seine Heimat ohne triftigen Grund“, sagte ein 17-Jähriger aus Afghanistan.

Im Anschluss konnten sich die Teilneh-mer im kleinen Kreis bei Plätzchen und Glühwein austauschen. Die ersten Fragen kommen noch zögerlich: „Was willst du beruflich mal machen?“, will zum Bei-spiel ein Landwirtschaftsschüler wissen.

„Ich habe in Syrien zahn-medizin studiert und hoffe, dass mir wenigstens ein Teil des Studiums in deutsch-land anerkannt wird“,

antwortet der 25-jährige Syrer. Nach und nach entwickelten sich angeregte Gesprächen zwischen den Schülern.

Abgerundet wurde die Veranstaltung durch ein orientalisches Mittagsessen, dass von den Flüchtlingen auf tradi-tionelle Weise zubereitet wurde.

Tagesaktuelles Unterrichtsgeschehen Es ist wichtig sich ein eigenes Urteil zu bilden. Miteinander statt übereinander zu reden lautet hier die Devise, damit die eigene Meinung nicht von Vorurteilen be-herrscht wird. Das persönliche Gespräch gibt dem Unbekannten ein individuelles Gesicht. Das Treffen war für beide Klassen eine Bereicherung und hat dabei geholfen gegenseitige Ressentiments abzubauen.

„Durch die Veranstaltung ist es gelungen das aktuelle, gesellschaftspolitische Ge-schehen live in den Unterricht zu integrie-ren“ lautet das Resümee aller Beteiligten.

Julia Clauss und Patricia Braun, AELF Passau → Angehende Landwirtschaftsmeister im Gespräch mit einem Schüler der BAF-Klasse

BILdUNG

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RAD & APARTmentVon der Projektidee zur Verwirklichung

von KARIN MÜLLER: Radapartments bieten Radfahrern, Wanderern, Reitern und Naturlieb-habern attraktive Übernachtungsmöglichkeiten in gemütlichem Ambiente und sind eine Ergänzung zu Ferienwohnungen und Pensionen. Das Gemeinschaftsprojekt des Amtes für Er-nährung, Landwirtschaft und Forsten Bad Neustadt mit dem Netzwerk Forst und Holz Unter-franken e.V., der Meisterschule für das Schreinerhandwerk Ebern und der Hochschule für An-gewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt soll die Nutzung der zahlreichen Rad- und Wanderwege in der Tourismusregion Unterfranken noch attraktiver machen.

Das Projekt nahm seinen Ausgang bei einer Lehrfahrt 2012 in die Schwäbi-sche Alb für Teilnehmer aus Unterfran-ken mit Urlaub auf dem Bauernhof/Urlaub auf dem Lande. Dort bieten Vermieter das schwäbische „Rad-Wan-der-Häusle“ an. Die Idee für eine unter-fränkische Radwanderhütte entstand auf der Heimfahrt.

Über das LEADER-Projekt wurde be-reits das Rad- und Wanderwegenetz in Unterfranken hervorragend ausgebaut und ausgeschildert. Die Infrastruktur ist allerdings lückenhaft ausgebildet, es fehlen Unterkünfte für Radfahrer und Wanderer sowie gastronomische Angebote. Deshalb kann das Rad- und Wanderwegenetz seine Wirkung nicht voll entfalten.

Ziel: Konzept aus einer Hand In einem Team-Meeting zur Umsetzung eines Rad- und Wan-derwegenetzes in Unterfranken legten der LEADER-Mana-ger, Wolfgang Fuchs, der Koordinator des Netzwerk Forst und Holz, Christoph Groetsch, und die Beraterin für Urlaub auf dem Bauernhof am Fachzentrum Diversifizierung und Strukturentwicklung des Amtes für Ernährung, Landwirt-schaft und Forsten (AELF) in Bad Neustadt, Karin Müller, die Bausteine und Inhalte des Projektes fest. Die Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg Schweinfurt, Fakul-tät Architektur und Bauingenieurwesen, bekam den Auftrag im Rahmen eines Architekturwettbewerbes kreative Ideen für Radwanderhütten zu entwickeln.

Folgende Ausstattungskriterien der Hütten für den Wettbewerb waren bei der individuellen Planung zu be-rücksichtigen: Eine Rad- und Wanderhütte sollte auf 25 m² vier gemütliche Schlafplätze, einen komplett eingerichte-

ten Wohnbereich mit Kochnische sowie Sanitäranlagen bie-ten. Den Außenbereich ergänzen eine Terrasse und eine ab-schließbare Unterstellmöglichkeit für Fahrräder. Die Hütte sollte als Fertigbau direkt geliefert werden, sodass der In-vestor nur noch die Bodenplatte mit Anschlüssen vorberei-ten muss. Somit sollte die Hütte innerhalb von zwei Tagen bezugsfertig sein.

Holz als Baumaterial hatte oberste PrioritätIm ersten Schritt des Projektes erarbeiteten Studenten der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg Schweinfurt einen Entwurf für das Radapartment. Dabei hatte der Einsatz des heimischen Rohstoffes Holz – insbe-sondere auch der Laubhölzer – oberste Priorität.

Die 30 Studententeams der Hochschule entwickelten dazu erste Ideen für Modelle und präsentierten sie im Ja-nuar 2013 in Würzburg. Die sechs besten Arbeiten wurden bei einem Seminar für potentielle Vermieter im Februar 2013 in Poppenhausen vorgestellt. Die drei besten Arbeiten wur-den prämiert (siehe Bild 1).

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→ Bild 1: Die prämierten Modelle des Studentenwettbewerbs: von links nach rechts der erste,

zweite und dritte Preis

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Möglichst viel Funktion auf engstem RaumEine besondere Herausforderung für alle Beteiligten war es, möglichst viele Funktionen auf engstem Raum unterzubrin-gen. Damit dieser Anspruch erfüllt werden konnte, mussten Gebäudehülle und Inneneinrichtung eng aufeinander abge-stimmt werden. Dazu organisierte das Netzwerk Forst und Holz Unterfranken im Juli 2013 einen gemeinsamen Work-shop der Studierenden und der Schüler der Meisterschule für das Schreinerhandwerk in Ebern (siehe Bild 2 und 3). Die angehenden Schreinermeister übernahmen die Raumpla-nung und entwarfen die Inneneinrichtung der geplanten Radapartments. Sehr engagiert wurden über die Entwürfe und Modelle der Studierenden diskutiert, Ideen ausge-tauscht und Lösungen erarbeitet.

Die so entstandenen Entwürfe gingen in die endgültige Planung durch den Architekten und die ausführende Schrei-nerei ein.

Werbung für den heimischen Rohstoff HolzDas Projekt „RAD & APARTment“ soll Verwendungsmöglich-keiten für die heimische Buche, der unterfränkischen Haupt-baumart, aufzeigen. Die komplette Inneneinrichtung des Radapartments ist deshalb aus hochwertiger und strapazier-fähiger „BauBuche“ gefertigt (siehe Bild 4). Diese „BauBuche“ besteht aus geschältem Buchenfurnier, das getrocknet, ge-schnitten und verklebt wird und dann als Platte oder Balken vielseitig einsetzbar ist. Innovativ ist dieses Buchenfurnier-schichtholz deshalb, weil damit Buchenholz im Baubereich auch konstruktiv eingesetzt werden kann, und nicht nur wie bisher als Treppen- oder Bodenbelag. Für die Fassadenge-staltung gibt es zwei witterungsresistente Bauweisen: Bu-che-Thermoholz oder Lärche (siehe Bild 5).

Die Entwicklung eines Logos und Claims für das Rada-partment wurde ausgeschrieben. Das Design des Radapart-ments sowie die Wort-Bild-Marke „RAD & APARTment – Bu-che hier!“ wurde über das Deutsche Patent- und Markenamt geschützt.

Prototyp überzeugte auf der LandesgartenschauMit Unterstützung des AELF Karlstadt, insbesondere Dank des Engagements von Behördenleiter Klaus Bernhart, der auch Mitglied im Netzwerkvorstand ist, war das Netzwerk Forst und Holz Unterfranken e. V. mit dem Projekt „RAD & APARTment“ von Mai bis August 2014 auf der Bayerischen Landesgartenschau (LAGA) in Alzenau mit einem großen Stand im Energiepark vertreten. Das Engagement auf der Landesgartenschau diente dazu den Prototyp des Projekts „RAD & APARTment“ einer breiten Öffentlichkeit vorzustel-len. Ein weiteres Gebäude auf der Ausstellungsfläche ba-sierte auf dem Entwurf des Projektes und diente dem AELF

→ Bild 2: Studenten und Schüler der Meisterschule beraten über

Funktionsbausteine der Rad- und Wanderhütten

→ Bild 3: Modell einer Rad- und Wanderhütte mit rechts zwei Schlafräu-

men, Mitte Bad und links Wohnraum

→ Bild 4: Der Innenausbau ist komplett aus heimischer Buche gefertigt

(Foto: Anke Barthel)

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Karlstadt als Infopavillon und Bühne. Folgende Aktivitäten fanden vor Ort statt:

→ Ansprache und Betreuung potentieller Betreiber von „RAD & APARTment“ mit einem Flyer zum Pro-jekt sowie einer Angebotsmappe mit weitergehen-den Informationen;

→ spezielle Beratungsangebote für „Ferien auf dem Bauernhof“-Anbieter;

→ Präsentation der Wanderausstellung zum Bayeri-schen Holzbaupreis;

→ Besucherbefragung zum Projekt „RAD & APART-ment“ zu den Punkten: Gesamteindruck, Architek-tur, Raumgröße, Funktionalität und Verbesserungs-vorschläge bzw. Ideen.

Die Auswertung der Besucherbefragung auf der Landesgar-tenschau, an der insgesamt 577 Besucher teilnahmen, zeigt, dass das Projekt durchwegs positiv aufgenommen wurde (siehe Abbildung). Besonderen Anklang fanden die Nutzung natürlicher Materialien, das überraschend gute Platzange-bot, die funktionale Ausstattung und die dem Projekt zu-grundeliegende Idee.

Am 16. März 2016 wurde das Projekt „RAD & APARTment“ auf der Weihersmühle, dem Bauernhof der Familie Hückl in Fladungen, der Öffentlichkeit vorgestellt (siehe Bild 6). Zu-sätzlich besteht nach Absprache mit dem Betreiber Bernd Hückl (www.weihersmuehle.com/) die Möglichkeit einer Be-sichtigung des Objektes.

Ein Kooperationsprojekt von → Netzwerk Forst und Holz Unterfranken e. V, Anke

Barthel Geschäftsführerin → Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

Karlstadt , Klaus Bernhart, Behördenleiter → Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bad

Neustadt, Karin Müller, Beraterin am Fachzentrum Diversifizierung und Strukturentwicklung

→ LEADER Koordinator für Unterfranken, Wolfgang Fuchs

KARIN MÜLLER AMT fÜr erNÄHrUNG, LANdwIrTScHAfT UNd forSTeN BAd NeUSTAdT [email protected]→ Bild 6: Das „RAD & APPARTment“ auf der Weihersmühle im Einsatz

→ Bild 5: Reger Besucherandrang auf der Landessgartenschau in Alzenau

2015, auf der der Prototyp ausgestellt wurde

→ Abbildung: Ergebnisse der Besucherbefragung zum „RAD & APARTment“ auf der LAGA Alzenau

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Anbaueignung für Sojabohnen in Bayern

von DR. ROBERT SCHÄTZL, DR. HARALD MAIER, MARTINA HALAMA und ALOIS AIGNER: Das Interesse der Landwirte zum Anbau von Sojabohnen steigt. Eine neue Karte ermöglicht nun eine Orientierung über geeignete Standorte in Bayern. Berücksichtigt sind darin Tem-peratur-, Niederschlags- und Bodenverhältnisse. Die Karte ist das Ergebnis einer Zusammen-arbeit zwischen der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) und dem Deutschen Wetterdienst, Abteilung Agrarmeteorologie. Gute Bedingungen zum Sojaanbau gibt es insbesondere im Viereck Rosenheim-Passau-Regensburg-Augsburg und in großen Teilen Unterfrankens.

Die Sojabohne gilt als eine eher wärmeliebende Pflanze mit dem höchsten Wasserbedarf in der Zeit von Hülsenbildung und Kornfüllung. Nicht überall in Bayern findet sie geeignete Standorte. Viele Landwirte, aber auch Berater, Landhandel und Agrarpolitiker interessieren sich nun dafür, wo der Anbau von Sojabohnen erwägenswert ist. Angesichts einer verstärkten Nachfrage nach heimischen Futtermitteln ohne Gentechnik und der Möglichkeit, auf ökologischen Vorrangflächen Körnerleguminosen zu erzeugen, wird eine Ant-wort auf diese Frage zunehmend wichtiger.

Vorgehen und MethodenIn Abstimmung mit Sojaexperten wurden zur Be-wertung der Anbaueignung für Sojabohnen drei Parameter festgelegt: die mittleren Temperaturen und Niederschläge in den entscheidenden Wachstumsphasen der Sojapflanze sowie die Bodenverhältnisse (siehe Tabelle 1).

Zur Ermittlung der Wärme- und Niederschlagssummen wurden die Klimadaten des Deutschen Wetterdienstes für den 30-jährigen Zeitraums 1981 bis 2010 genutzt. Die CHU-Werte (CHU = Centigrade Heat Unit) wurden hierbei zunächst

für jeden Kalendertag be-rechnet (siehe Infobox).

Nach Bildung eines 30-jährigen Mittels für je-den Kalendertag erfolgte ein Aufsummieren der Ta-geswerte zur Wärmesumme zwischen 1. Mai und 15. Sep-tember. Dementsprechend wurden die mittleren Nie-derschlagssummen (in mm) der einzelnen Kalendertage im 30-jährigen Zeitraum zur Niederschlagssumme vom 1. Juni bis 31. August addiert.

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CHUKalendertag = (CHUTag + CHUNacht) / 2 wobei gilt:

CHUTag = 3,33 * (TMAX – 10) – 0,084 * (TMAX – 10)2 für TMAX > 10° CCHUTag = 0 für TMAX <= 10° CCHUNacht = 1,8 * (TMIN – 4,4) für TMIN >= 5° CCHUNacht = 0 für TMIN < 5° CTMAX = Tagesmaximum der Lufttemperatur in 2 m Höhe [in ° C]TMIN = Tagesminimum der Lufttemperatur in 2 m Höhe [in ° C]

(Brown und Bootsma, 1993)

Infobox: Berechnung der CHU-Werte

Parameter Grundlage Verarbeitung

CHU-Wärmesumme 1. Mai bis 15. September

Wetterdaten aus 30 Jahren (1981 bis 2010) an einzelnen Wetterstationen

Umrechnung auf Rasterflä-chen von 1 km x 1 km

Niederschlagssumme 1. Juni bis 31. August

Bodeneignung BÜK 1000 (Bodenübersichts-karte für Deutschland im Maß-stab 1:1.000.000)

Einstufung der Böden durch Experten (gut ge-eignet, weniger geeignet, bedingt geeignet)

Tabelle 1: Parameter zur Einstufung der Anbaueignung von Sojabohnen

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Die Klimakarten basieren auf Messwerten der Wettersta-tionen, wobei Temperaturen und Niederschläge mit Hilfe eines mehrstufigen mathematischen Verfahrens auf eine räumliche Auflösung von einem Quadratkilometer umge-rechnet wurden. Dieses berücksichtigt sowohl die Höhen-lage als auch die geografische Länge und Breite der Raster-flächen.

Die Einstufung der Bodeneignung erfolgte anhand der Bodeneinheiten nach der Bodenübersichtskarte BÜK 1000 (BGR, 1995). Experten der LfL und der Fachzentren Pflan-zenbau an den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ordneten jede Bodeneinheit hinsichtlich ihrer An-baueignung für Sojabohnen einer von drei Klassen zu. Über ein Punktesystem konnten die einzelnen Kriterien zur Ge-samtbewertung aggregiert werden (siehe Tabelle 2). Hierbei

wurde die Wärmesumme stärker gewichtet als die Nieder-schlagssumme und diese wiederum stärker als die Boden-verhältnisse. Die Gesamtpunktzahl von maximal möglichen zwölf Punkten ergibt sich durch Addition der Punkte für die drei Einzelkriterien. Sehr kühle Standorte mit einer Wärme-summe unter 2 300 °C erhielten in jedem Fall die Gesamt-punktzahl 0 und wurden damit als ungeeignet zum Sojaan-bau eingestuft.

Schließlich wurden die beiden Klimadaten-Karten mit der Bodenkarte in ArcGIS® verschnitten, so dass für jede Flächeneinheit Wärmesumme, Niederschlagssumme und die Eignung des Bodens für den Anbau von Sojabohnen bekannt war. Aus der Bewertung der einzelnen Kriterien konnte dann die Karte über die Anbaueignung von Soja-bohnen in Bayern erstellt werden.

Karte zeigt Anbau-eignungIm Ergebnis zeigt sich die beste Anbaueignung für Sojabohnen in den klima-tisch begünstigten Tälern von Donau, Inn und Rott im südöstlichen Bayern (siehe Abbildung 1). Vergleichs-weise gute Anbaubedin-gungen finden sich darüber hinaus in weiten Teilen des Tertiären Hügellandes Nie-der- und Oberbayerns so-wie in Teilen von Schwaben. In den Gaulagen Unterfran-kens, die ebenfalls gute An-baubedingungen bieten, kann eine ausreichende Wasserversorgung für wirt-schaftliche Erträge entschei-dend sein. Für weite Teile der Oberpfalz sowie Ober- und Mittelfrankens lässt sich nur

→ Tabelle 2: Punktesystem zur Aggregation von Klima- und Bodeneignung

Punkte u1 0 1 2 3 4 5 6

Wärmesumme [° C](von … bis < …)

< 2 300 2 300 2 400

2 400 2 500

2 500 2 600

2 600 2 700

2 700 2 800

2 800 2 900

≥ 2 900

Niederschlagssumme [mm](von … bis < …)

<165

165 200

200 235

235 270

≥270

Boden(… geeignet)

weniger bedingt gut

1 u = ungeeignet, Gesamtpunktzahl (unabhängig von den anderen Kriterien) = 0

→ Abbildung 1: Anbaueignung für Sojabohnen in Bayern (Datengrundlagen: Bayerische Vermessungsverwal-

tung (o. J.); BGR (1995); DWD, Agrarmeteorologie (o. J.); eigene Berechnungen)

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eine vergleichsweise mäßige Eignung feststellen. Als abso-lut ungeeignet für den Sojaanbau sind das Alpen- und der überwiegende Teil des Voralpengebiets sowie die Mittelge-birgslagen vom Bayerischen Wald bis zum Thüringer Wald und der Rhön ausgewiesen. Im Allgemeinen lohnt es sich

ab einer Gesamtpunktzahl von fünf Punkten über Sojaer-zeugung nachzudenken.

In den Mittelgebirgslagen und im Voralpengebiet be-grenzen sowohl niedrige Temperaturen als auch eine mangelnde Eignung der Böden den Sojaanbau (siehe

Abbildung 2). Dagegen fin-den sich in weiten Teilen Unter- und Mittelfrankens ausreichende Wärmever-hältnisse und teilweise auch geeignete Bodenverhält-nisse. Limitierend wirken auf diesen Standorten die rela-tiv geringen Niederschläge. Besonders gute Verhältnisse für den Sojaanbau ergeben sich dort, wo alle drei Fak-toren günstige Vorausset-zungen bieten, wie etwa im Tertiären Hügelland Nieder-bayerns.

Geeignete StandorteDie in der Studie ermittelten Gebiete mit guter Eignung zum Sojaanbau bilden in der Praxis die Schwerpunkte der bayerischen Sojaerzeugung (siehe Abbildung 3). Dies deu-tet darauf hin, dass sich mit → Abbildung 3: Anteil von Sojabohnen an der Ackerfläche in den Gemeinden Bayerns

→ Abbildung 2: Wärmesumme und Niederschlagssumme im 30jährigen Mittel (1981 – 2010) sowie Eignung der Böden zum Sojaanbau (Datengrund-

lagen: Bayerische Vermessungsverwaltung (o. J.); BGR (1995); DWD, Agrarmeteorologie (o. J.); eigene Berechnungen)

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der gewählten Methode geeignete Regionen relativ treff-sicher ermitteln lassen.

Die Anbaueignungskarte für Deutschland (JKI, 2015) weißt in den groben Strukturen für Bayern ein ähnliches Bild auf wie die vorliegende Karte. Wesentliche Unterschiede im Detail rühren daher, dass die Deutschlandkarte die Boden- und Klimaverhältnisse in jeder Gemeinde einheitlich behan-delt und sich zur Einschätzung des Klimas fast ausschließlich auf die Zuordnung einer Gemeinde zur nächsten Wettersta-tion beschränkt.

Mitunter wird diskutiert, dass auch die Globalstrah-lung einen wichtigen Parameter für das Wachstum der So-jabohne darstellt. Strahlungsdefizite dürften aber eher in Norddeutschland zum Tragen kommen als innerhalb Bay-erns. Daher erscheint ein Einbeziehen der Globalstrahlungs-summe nicht zwingend notwendig.

Empfehlungen für den AnbauDie Datengrundlagen können nicht die konkreten Verhält-nisse eines jeden Ackerschlages in Bayern abbilden. Neben den Informationen aus der Karte sind für eine konkrete An-bauentscheidung die Verhältnisse auf dem in Frage kom-menden Feld zu berücksichtigen. So werden sich beispiels-weise die Temperaturen zwischen Nord- und Südhang deutlich unterscheiden. Auch der Boden und die Erosions-anfälligkeit sollten bedacht werden. Flächen mit einem ho-hen Unkrautdruck sind eher weniger zum Sojaanbau ge-eignet. Ein wichtiges Entscheidungskriterium ist auch die praktizierte Fruchtfolge. Lassen sich vielleicht durch die So-jabohne Krankheitszyklen in engen Getreidefruchtfolgen unterbrechen? Außerdem sind die regionalen Aufberei-tungs- und Vermarktungsmöglichkeiten für das Erntepro-dukt zu beachten.

In der Regel wird man für einen Anbau von Soja in Bayern sehr frühreife Sorten der Reifegruppe 000 wählen. Lediglich für die wärmsten Standorte in den Weinbaulagen Unterfran-kens und den günstigen Lagen im Rotttal kommen auch Sorten der Reifegruppe 00 in Frage. Für die etwas kühleren Standorte sollte ein ganz besonderes Augenmerk auf eine frühe Abreife gelegt werden.

Bedingungen für Sojaanbau in Bayern gutMittlerweile wird in Bayern die Sojabohne vom Landhandel (fast) flächendeckend erfasst. Nicht ganz so günstig liegen unter Umständen die Aufbereitungsanlagen, um getoastete Sojabohnen oder Sojakuchen als Futter für den eigenen Tier-bestand zu erhalten. Insgesamt sind aber die Rahmenbedin-gungen zum Sojaanbau in Bayern gut. Deshalb ist auf geeig-neten Standorten eine Erzeugung überlegenswert. Dies gilt vor allem dann, wenn mit der Sojabohne enge Fruchtfolgen

aufgelockert werden und der Sojaanbau die Verpflichtung zur Bereitstellung ökologischer Vorrangflächen erfüllt.

LiteraturBAYERISCHE VERMESSUNGSVERWALTUNG © (o. J.): Geoba-

sisdaten www.geodaten.bayern.de.BGR, BUNDESANSTALT FÜR GEOWISSENSCHAFTEN

UND ROHSTOFFE (1995): Bodenübersichtskarte 1:1 000 000 (BÜK 1000).

BROWN, D.M.; BOOTSMA A. (1993): Crop heat units for corn and other warm – season crops in Ontario. Ont. Minis-try Agric. & Food Factsheet No. 93-119, Agdex 111/31, 4 pp.

DWD, DEUTSCHER WETTERDIENST, AGRARMETEORO-LOGIE (o. J.): Klimadaten und Rasterdaten für die Lufttemperatur und den Niederschlag des Zeitraums 1981-2010.

JKI, JULIUS KÜHN-INSTITUT (Hrsg.) (2015): Anbaueignung für Sojabohnen geoportal.jki.bund.de/map?app=soja (9. Dezember 2015).

DR. ROBERT SCHÄTZL MARTINA HALAMA BAYerIScHe LANdeSANSTALT fÜr LANdwIrTScHAfTINSTITUT fÜr BeTrIeBSwIrTScHAfT UNd [email protected]@lfl.bayern.deALOIS AIGNER BAYerIScHe LANdeSANSTALT fÜr LANdwIrTScHAfTINSTITUT fÜr PfLANzeNBAU UNd PfLANzeNzÜ[email protected]. HARALD MAIER deUTScHer weTTerdIeNSTABTeILUNG [email protected]

Die Karten für Bayern und die einzelnen Regierungsbezirke sind im Internet veröffentlicht: www.lfl.bayern.de/iba/pflanze/

Anbaueignungskarte im Internet

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Sustainable Agriculture Initiative PlatformEin System zur nachhaltigen Erzeugung in der Land- und Ernährungswirtschaft

von FLORIAN SCHLOSSBERGER: Die nachhaltige Erzeugung der Land- und Ernährungswirtschaft gewinnt immer mehr an Bedeutung. Im Food- und auch im Non-Food-Bereich wurden in den letzten Jahren verschiedene Systeme entwickelt, die Aspekte der nachhaltigen Produktion be-handeln. Eine globale Nachhaltigkeits-Initiative ist die Sustainable Agriculture Initiative Plat-form (SAIP). Das System soll die Grundlage dafür bieten, weltweit landwirtschaftliche Roh-stoffe auf demselben Standard nachhaltig zu erzeugen, damit die Bezugsmöglichkeiten der Lebensmittel- und Getränkewirtschaft an nachhaltigen Rohstoffen sichergestellt werden. SAIP wurde im Jahr 2002 von führenden Lebensmittelkonzernen gegründet. Inzwischen nehmen zahlreiche Unternehmen der Lebensmittel- und Getränkebranche an dem System teil. Auch in Deutschland nimmt die Relevanz des Systems für landwirtschaftliche Erzeuger zu.

Seit Ende der 1980er Jahre wird die Thematik Nachhaltigkeit, nachhaltige Produktion bzw. nachhaltige Entwicklung (engl. „sustainable development“) zunehmend in der Öffentlich-keit thematisiert. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ wird seitdem inflationär in Politik, Medien und Wirtschaft verwendet [1], das öffentliche Interesse an nachhaltigen Produktionssyste-men und dem Erwerb von nachhaltig erzeugten Produkten steigt. Das heutige Nachhaltigkeits-Verständnis umfasst da-bei ökologische, ökonomische und soziale Aspekte.

Besonders die Landwirtschaft steht vor der Herausforde-rung, die Bedürfnisse der Bevölkerung und des Marktes bzgl. einer nachhaltigen Erzeugung zu erfüllen. Neben marktbe-dingten Anforderungen erfordern steigende Weltbevölke-rungszahlen, diverse Umweltaspekte, die Verknappung na-türlicher Ressourcen, die zunehmende Sensibilisierung bzgl. Sozialfaktoren (z. B. Arbeitsbedingungen in Entwicklungs-ländern) und nicht zuletzt betriebsbezogene wirtschaftliche Aspekte eine nachhaltige Erzeugung von landwirtschaftli-chen Produkten. Die Landwirtschaft wird dann als nachhal-tig betrachtet, wenn sie ökologisch tragfähig, ökonomisch existenzfähig, sozial verantwortlich und ressourcenscho-nend ist und als Basis für künftige Generationen dient [2].

Um eine nachhaltige Erzeugung von land- und ernäh-rungswirtschaftlichen Produkten zu gewährleisten, wurden schon vor einiger Zeit verschiedene Systeme mit Indikato-ren zur Messung und/oder zur Zertifizierung der Nachhal-tigkeit erarbeitet (z. B. KSNL – Kriteriensystem nachhaltige Landwirtschaft oder DLG Nachhaltigkeitsstandard). Ver-schiedene weitere Initiativen, wie Pro Planet, Fairtrade und MSC – Marine Stewardship Council greifen Nachhaltigkeits-aspekte auf. Außerdem werden weltweit durch die Lebens-mittelwirtschaft zahlreiche Projekte initiiert, die Aspekte zur

Nachhaltigkeit in der Erzeugung beleuchten, wie zum nach-haltigen Reis- oder Kaffeeanbau oder zur Reduzierung von Treibhausgasen.

Ein System, dem derzeit immer mehr Beachtung gewid-met wird, ist die Sustainable Agriculture Initiative Platform (SAIP), die von Nestlé, Unilever und Danone als Non-Profit-Or-ganisation gegründet wurde. SAIP stellt eine globale Initia-tive dar, die die Lebensmittel- und Getränkeindustrie bei der nachhaltigen Produktion und der weltweiten Beschaffung von nachhaltig erzeugten landwirtschaftlichen Rohstoffen unterstützt. Inzwischen sind neben den Gründungsunter-nehmen zahlreiche große Unternehmen der Lebensmittel- und Getränkebranche Mitglied, darunter Mc Donald´s, Coca Cola, PepsiCo, Heineken, Vion, Friesland Campina, Aviko, Ag-rarfrost und Arla. In letzter Zeit sind auch die Nordzucker AG und die Südzucker AG der SAIP beigetreten. Letztere wollen insbesondere die Nachhaltigkeit des gegenüber dem Rohr-zucker teureren Rübenzuckers kommunizieren.

Ziel: Nachhaltige Landwirtschaft vorantreibenDie SAIP verfolgt das Ziel, weltweit die nachhaltige Landwirt-schaft und die nachhaltige Herstellung von Lebensmitteln voranzutreiben. Dabei stellt SAIP ein Nachhaltigkeitssystem für die „Mainstream-“ bzw. konventionelle Landwirtschaft dar, das durch die Schaffung von einheitlichen Vorgaben für die landwirtschaftliche Urproduktion in der ganzen Welt genutzt werden kann. Der Nachhaltigkeitsgedanke soll in der gesam-ten Wertschöpfungskette umgesetzt werden. Nicht zuletzt soll durch SAIP ein System etabliert werden, um die vielfälti-gen Forderungen der Lebensmittelwirtschaft zur Nachhaltig-keit zu harmonisieren. Hierfür hat SAIP eine eigene Definition für die nachhaltige Landwirtschaft erarbeitet (siehe Infobox),

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die auf den Aspekten Umwelt/Ökologie, Ökonomie und Ge-sellschaft /Soziales basiert.

Ein wesentliches Ziel des Systems ist die dauerhafte und sichere Versorgung der Nahrungsmittelbranchen mit nachhal-tig erzeugten landwirtschaftlichen Rohstoffen. Es sollen also Bezugsmöglichkeiten für sichere, qualitativ hochwertige und nachhaltig erzeugte landwirtschaftliche Produkte geschaf-fen werden. SAIP wird als produktiver, effektiver und wettbe-werbsfähiger Ansatz gesehen, landwirtschaftliche Produkte zu erzeugen und zugleich Natur, Umwelt und die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen vor Ort zu schützen und zu ver-bessern. Dabei sollen negative Effekte der Landwirtschaft auf Wasser, Boden, Luft und die Biodiversität verhindert, erneuer-bare Ressourcen genutzt und Tierschutzfaktoren berücksich-tigt werden.

Organisation und ArbeitsweiseInzwischen sind über 70 Unternehmen der Lebensmittel-wirtschaft und des -handels aktive Systemmitglieder bei SAIP. Diese wählen das sogenannte Exekutiv-Komitee, den Beirat und das Sekretariat. Das Sekretariat mit Sitz in Brüssel führt das operative Geschäft durch.

Für die Erarbeitung der SAIP- Systemgrundlagen wur-den verschiedene Arbeitsgruppen gegründet, die sich mit den landwirtschaftlichen Produktionsbereichen auseinan-dersetzen. Derzeit sind Arbeitsgruppen in den Bereichen Acker- und Gemüsebau, Obst, Rindfleisch, Milchproduk-tion und Kaffee etabliert. Diese bestehen aus Mitgliedern der Lebensmittelwirtschaft und anderen Interessensvertre-tern, wie Landwirtschaftsverbänden (z. B. COPA – COGECA) und NGOs (z. B. WWF) sowie Forschungseinrichtungen.

Die Arbeitsgruppen erarbeiten Grundlagen über Grund-sätze und Praktiken zur nachhaltigen Erzeugung für die Landwirtschaft. Diese werden u. a. in (Forschungs-) Projek-ten entwickelt und in Pilotvorhaben auf Praxisbetrieben in Afrika, Asien, Südamerika und Europa getestet. Dabei wird überprüft, inwieweit die Ergebnisse langfristig umgesetzt werden können. Basierend auf den Ergebnissen werden

Normen und Indikatoren entwickelt, um die Fortschritte zur Nachhaltigkeit zu überprüfen. In weiteren Studien werden spezifische Aspekte, wie z. B. die Möglichkeiten zur Verrin-gerung von Treibhausgasemissionen, beleuchtet.

Bisher wurden grundlegende Unterlagen für eine nach-haltige Erzeugung von Obst, Kaffee, Milch, Rindfleisch, für den Acker- und Gemüseanbau sowie für das Wassermanage-ment in der Landwirtschaft erarbeitet, in denen Grundsätze und empfohlene Praktiken zusammengestellt sind.

Ein wesentlicher Grundsatz von SAIP ist es, sämtliche As-pekte der Herstellungsverfahren im „circle“, also im engen Zusammenhang zu sehen. Betrachtet werden u. a. die na-türlichen Ressourcen Boden, Wasser und Luft, die Produkti-onsmittel (z. B. Dünge- und Pflanzenschutzmittel, Saat- und Pflanzgut, Energiemittel), finanzielle und wirtschaftliche Faktoren (z. B. eingesetztes Kapital, Kostenfaktoren), soziale Aspekte, Gemeinschaften und ländliche Gemeinden sowie Umwelt- und Tierschutzaspekte.

Farm Sustainability Assessment (FSA)Um tatsächlich die Vorgaben zur Nachhaltigkeit auf land-wirtschaftlichen Betrieben umzusetzen und überprüfen zu können, wurde von den Arbeitsgruppen Obst sowie Acker- und Gemüsebau für den pflanzlichen Bereich die Farm Sus-tainability Assessment-Checkliste (FSA; deutsch: Checkliste zur Bewertung der Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft) entwickelt.

Wesentliches Ziel der FSA-Checkliste ist es, durch die ei-gene Überprüfung der Nachhaltigkeitsaspekte von den Land-wirten auf ihren Betrieben eine stabilere und nachhaltigere Produktionsweise in der Landwirtschaft zu erreichen. Analog zu dem pflanzlichen Bereich sollen mittelfristig auch für an-dere Produktionsrichtungen der landwirtschaftlichen Erzeu-gung (z. B. Rindfleisch) FSA-Checklisten erarbeitet werden.

Die FSA-Checkliste für den pflanzlichen Bereich wurde im Jahr 2013 (als Version 1.0) verabschiedet, in einem Pi-lotvorhaben weltweit auf Praxisbetrieben getestet und an-schließend in überarbeiteter Form als FSA-Version 2.0 im Jahr 2014 veröffentlicht. Im Jahr 2017 ist eine weitere Über-arbeitung der FSA-Checkliste angedacht.

Die aktuelle Version 2.0 enthält 112 Anforderungen an die landwirtschaftliche Erzeugung. Neben allgemeinen Be-triebsdaten (z. B. zu Arbeitskräften und angebauten Kultu-ren) werden Aspekte zur Einhaltung rechtlicher Auflagen, zur finanziellen Stabilität des Betriebes sowie zu den ver-schiedenen Aspekten der pflanzlichen Produktion (u. a. Bo-denschutz, Düngung, Pflanzenschutz) abgeprüft. Weitere Anforderungen behandeln Entsorgung, Vermeidung von Luftverschmutzungen und Treibhausgasen, Erhaltung der Biodiversität, Vermarktung und Lebensmittelsicherheit, Ar-beitsbedingungen und -rechte (z. B. Kinderschutz, Zwangs-arbeit) sowie Aspekte der Ländlichen Gemeinschaft.

„Eine nachhaltige Landwirtschaft ist die effiziente Produk-tion von sicheren und qualitativ hochwertigen landwirt-schaftlichen Produkten in einer Weise, die die natürliche Umwelt, die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen der Bauern, deren Mitarbeiter und der lokalen Gemein-schaften schützt und verbessert sowie die Gesundheit und das Wohlergehen aller landwirtschaftlich genutzten Arten verbessert“.

Infobox: Definition Nachhaltige Landwirtschaft nach SAIP

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Die FSA-Checkliste wurde einheitlich für die nachhal-tige Erzeugung weltweit, also auch in Schwellen- und Ent-wicklungsländern, konzipiert. Daher behandelt sie viele Aspekte, die in Deutschland und der EU bereits durch das umfassende landwirtschaftliche Fachrecht sowie andere rechtliche Grundlagen (z. B. Arbeitsrecht) geregelt werden und in der Landwirtschaft üblich sind. Darüber hinaus sind Kriterien zur Dokumentation, zur Risikobeurteilung sowie zu Maßnahmen – und Managementplänen, wie sie bereits aus Qualitätssicherungssystemen bekannt sind, festgeschrie-ben. Einige Auflagen, wie zum Energieverbrauch oder zum Betriebsentwicklungsplan, gehen darüber hinaus.

In der Farm Sustainability Assessment-Checkliste existie-ren drei verschiedene Kriterien-Arten: „Essential“ (23) als „ele-mentare“ bzw. „KO“- Kriterien, „Basic“ (60) als „grundlegende“ und „Avanced“ (29) als „fortgeschrittene“ Kriterien. Je nach Erfüllungsgrad der Kriterien können bei FSA die Stufen „nicht mehr Bronze“, „Bronze“, „Silber“ und „Gold“ erreicht werden.

Die FSA-Checkliste kann neben der direkten Überprüfung der Landwirte auch als Referenztool zum Benchmarking mit anderen Zertifizierungsstandards und individuellen unter-nehmenseigenen Nachhaltigkeitssystemen genutzt werden. Benchmarking-Verfahren wurden beispielsweise mit Global-GAP, Fairtrade und Red-Cert2 , einem System zur Nachhaltig-keitsbewertung bei Biokraftstoffen, durchgeführt.

Auswirkungen auf die heimische ErzeugungInzwischen verlangen einige Unternehmen der Lebensmit-tel- und Getränkebranche (z. B. Coca Cola, Heineken, Süd-, Nordzucker), dass landwirtschaftliche Erzeuger in Deutsch-land, insbesondere Zuckerrübenanbauer und Hopfenerzeu-ger, am Farm Sustainability Assessment teilnehmen und sich

entsprechend überprüfen (lassen). Ne-ben eigenen Prüfungen durch die Land-wirte werden inzwischen auch externe Verifizierungs-Audits gefordert. Hierfür werden/wurden Konzepte erarbeitet, in denen geregelt wird, inwieweit sich teil-nehmende Erzeuger selbst bzw. intern innerhalb eines Erzeugerzusammen-schlusses und durch externe Auditoren (z. B. SGS Germany) überprüfen lassen müssen. Einige Erzeugergemeinschaf-ten und Selbsthilfeeinrichtungen (z. B. der Hopfenring e.V.) bieten Hilfestellung an und/oder führen die internen Audits innerhalb von Erzeugerzusammen-schlüssen durch. Der Hopfenring e.V. entwickelte beispielsweise auch eine Selbstcheckliste mit den für deutsche Hopfenerzeuger relevanten Kriterien

(abrufbar unter www.hopfenring.de). Letztendlich wurden von den Systemträgern Unterlagen zur Implementierung der FSA-Checkliste verabschiedet (Implementation Framework), in denen grundlegende Kontrollvorgaben geregelt werden. Für Erzeuger ist es grundsätzlich auch möglich, durch Audits für gebenchmarkte Nachhaltigkeitssysteme (z. B. REDCert2 ) zusätzliche Kontrollen zu vermeiden.

Derzeit nehmen rund ein Drittel der deutschen Hop-fenerzeuger an den Systemvorgaben vom SAIP Farm Sus-tainability Assessment teil. Auch von vielen deutschen Zu-ckerrübenanbauern wird inzwischen die Teilnahme in den Lieferverträgen vorausgesetzt. Bedingt durch den interna-tionalen Handel der Hopfen- und Zuckerbranche erwarten Fachleute, dass es künftig für die entsprechenden Erzeuger branchenweit üblich werden wird, an dem SAIP-Farm Sus-tainability Assessment teilzunehmen.

Die Teilnahme an der FSA-Checkliste stellt also für viele Landwirte eine zusätzliche Auflage für die Vermarktung ih-rer Produkte dar. In der Regel scheint sie jedoch keine große Hürde zu sein. Denn beispielsweise beim Hopfen konnten im Jahr 2015 alle 379 teilnehmenden Erzeugerbetriebe als nachhaltig registriert werden.

Literatur beim Autor.

FLORIAN SCHLOSSBERGER BAYerIScHe LANdeSANSTALT fÜr LANdwIrTScHAfTINSTITUT fÜr erNÄHrUNGSwIrTScHAfT UNd MÄ[email protected]

→ Abbildung: Nachhaltigkeitsaspekte des Systems „Sustainable Agriculture Initiative Platform“ (SAIP)

Quelle: www.saiplatform.org/sustainable-agriculture/definition

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Erstes Amt mit freiem WLANInterview mit Reinhold Witt, Behördenleiter in Schwandorf

Den ersten kostenlosen WLAN-Hotspot der Landwirtschaftsverwaltung gibt es seit Feb-ruar am Standort Nabburg des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Schwandorf. Besucher des Amtes, Schüler, Kursteilnehmer und Antragsteller haben jetzt schnellen Zugang zum Internet und damit vielfältige Nutzungsmöglichkeiten in Bildung, Beratung und Verwaltung. Dieser Meilenstein in der Digitalisierung der Verwaltung kon-frontiert aber auch mit ganz neuen Fragestellungen. Reinhold Witt, Leiter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, erläutert, warum er die Einrichtung des freien WLAN-Zugangs vorangetrieben hat, aber auch welche Probleme er dabei sieht.

Herr Witt, welche Gründe hatten Sie, in Nabburg einen Hotspot einzurichten? Wir wollten am Standort Nabburg mit der Landwirtschafts-schule in den Abteilungen Hauswirtschaft und Landwirt-schaft neue Möglichkeiten im Unterricht eröffnen. Die Stu-dierenden sind häufig viel intensiver in der digitalen Welt unterwegs und haben hier einen schnellen Internetzugang, den es in Teilen des Landkreises noch nicht gibt. Auch die Teilnehmer unserer Bildungsangebote wie BILA oder BIWA haben hierdurch ganz neue Möglichkeiten.

Bei der Onlinequote des Mehrfachantrages besteht auch noch Luft nach oben. Jetzt können Landwirte den Antrag so-gar im Amt mit eigener Technik bearbeiten und abschicken – und haben mehr Zeit für Fragen beim Sachbearbeiter. Und wir wollen ausprobieren, welche Möglichkeiten sich uns als Lehr- und Beratungskräfte bieten!

Haben Sie hier schon konkrete Pläne?Wir sind noch am üben, da unser WLAN erst kurz vor Schul-schluss aktiviert wurde, und stehen im Unterricht noch am Anfang, wollen aber das Medium in die verschiedenen Fä-cher integrieren. Geplant ist, dass die Anwendungen, die z. B. die Landesanstalt für Landwirtschaft, das LKP und LKV oder verschiedene Firmen schon bieten, in den produkti-onstechnischen Fächern einen festen Bestandteil haben. Die Recherche und die Zuverlässigkeit der Informationsquellen sind ebenfalls Thema. Einen stärkeren Raum wird das Thema Öffentlichkeitsarbeit von Landwirten mit modernen Medien einnehmen.

Welche Vorteile sehen Sie für den Unterricht? Ein Vorteil ist, die Möglichkeiten und Grenzen, die das Inter-net bietet, sofort und mit dem gebräuchlichen Handwerks-zeug in den Unterricht zu bringen. Die Studierenden nutzen das Smartphone oder Tablets ja auch auf Betrieben schon

zur Steuerung, Dokumentation und Entscheidung, sei es bei der Bullenauswahl, dem Herdenmanagement, der Erken-nung von Unkräutern oder der Beseitigung von Störungen in technischen Einrichtungen. Die Dokumentation von Pro-zessen und Betriebsabläufen nehmen auf Betrieben immer mehr Raum ein. Qualitäts- und Markenprogramme stellen zusätzliche Anforderungen an die Aufzeichnungen. Inter-netbasierte Prozesse können hier unterstützen und werden hoffentlich den Arbeitsaufwand reduzieren. Da wollen wir schon im Unterricht dabei sein! Die einfachere Dokumen-tation und die Datensicherheit sind Punkte, bei denen sich immer wieder neue Aspekte ergeben.

Gerade das Thema Datensicherheit wirft ja viele Fragen auf. Wie gehen Sie damit in der Praxis um? Die Sicherheit im WLAN ist eindeutig in den Sicherheitsbe-dingungen geregelt, die jeder akzeptieren muss, bevor er den Zugang nutzen kann. Die WLAN-Verbindung zwischen

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→ Schulleiterin Elisabeth Beer (links) und Schulleiter Reinhold Witt

(Mitte) mit Studierenden der Abteilung Hauswirtschaft und Landwirt-

schaft beim ersten Test

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Gerät und dem Hotspot, also dem Empfänger, ist nicht ver-schlüsselt. Vertrauliche Daten sollten deshalb immer über verschlüsselte Verbindungen, sprich Webseiten im htt-ps-Format übermittelt werden. Auch wird keine Haftung für den Schutz des eigenen Gerätes vor Schadsoftware über-nommen.

Im Unterricht weisen wir auf die Gefahren hin, sagen aber auch, dass der Unternehmer, den wir ausbilden wollen, eine eigene Verantwortung für die Sicherheit seiner Daten hat.

Wer oder was unterstützt Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen bei dieser Pionierarbeit?Ich gehöre nicht unbedingt zu den Digital Natives, so heißt das glaube ich, versuche aber dran zu bleiben. Wir haben glücklicherweise immer wieder junge Kolleginnen und Kol-legen in der Ausbildung, die uns wieder neuen Input ge-ben, was jetzt schon alles möglich ist. Informationen gibt es natürlich auch in den einschlägigen Fachzeitschriften und Publikationen.

Wertvoll sind die Seminare der Führungsakademie, die die Lehrkräfte unterstützen, Apps und Internet für den ei-genen Unterricht zu entdecken, denn Neues stellt auch eine Herausforderung für die Lehrkräfte dar.

Welche Herausforderungen sehen Sie für die Verwaltung?Wir als Verwaltung müssen aufpassen, den Anschluss an ak-tuelle Entwicklungen nicht zu verlieren. Mich würde interes-sieren, wo meine Kolleginnen und Kollegen an den Ämtern, den Landesanstalten und dem Ministerium Bedarf sehen. Eine wichtige Frage wäre in diesem Zusammenhang: Welche Rolle wollen wir bei dem Thema Digitalisierung der Land-wirtschaft übernehmen? Eine Vorreiterrolle oder vielleicht nur eine Rolle als Begleiter.

Wie nehmen die Schülerinnen und Schüler Ihrer Schulen das Angebot an? Natürlich wurden sofort die Smartphones gezückt und aus-probiert, was möglich ist – auch Außerfachliches, selbstre-dend nur in den Pausen. Im Unterricht sind sie natürlich voll dabei.

Wird damit die Verlockung für die Smartphone-Ge-neration nicht noch größer?Die Verlockung besteht auf jeden Fall! Durch den geregel-ten Umgang im Unterricht, also nach Aufforderung und mit einem klaren Arbeitsauftrag, die vorhandenen Medien zu nutzen, z. B. für Recherche oder Präsentation, können wir versuchen einen „nützlichen“ Umgang zu fördern.

Wie schätzen Sie die Nutzung digitaler Medien bei den jungen Landwirten ein?Junge Menschen gehen mit Neugier und Interesse unbe-darft an Neues heran. Für uns sehe ich hier die Aufgabe, die vielfältigen Möglichkeiten für die Bereiche Landwirtschaft, Hauswirtschaft und Ernährung bekannt zu machen und zu strukturieren. Mangel an Daten und Informationen besteht ja nicht. Es geht darum, diese sinnvoll für Betrieb und Haus-halt zu nutzen und aus Daten Informationen zu machen, die letztlich unternehmerische Entscheidungen unterstützen. Ob wir soweit gehen können, dass Nutzerverhalten wirk-lich zu beeinflussen – da sehe ich eher viele Fragezeichen.

Wie haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reagiert?Natürlich gab es auch Vorbehalte von Mitarbeitern, die nicht wollten, dass sie ständig elektromagnetische Strahlung aus-gesetzt sind.

→ Tablet-PCs werden künftig häufiger in der Schule eingesetzt, freut sich

Schulleiter Reinhold Witt

→ Landwirtschaftsschule bietet neue, interessante Möglichkeiten, auch

in den Pausen

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Wie geht man damit um?/Was empfehlen Sie hier?Hier sind Gespräche mit den Mitarbeitern und der Personal-vertretung die Voraussetzung, um für Akzeptanz zu werben. Eine offene Information über die eingesetzte Technik und die tatsächliche Strahlungsstärke helfen – manche Vorbe-halte können aber nicht restlos ausgeräumt werden.

Woher haben Sie selbst Ihre Informationen bezogen?Grundsätzliche Informationen zu möglichen Belastun-gen stellt das Bayerische Landesamt für Umwelt oder das Bundesamt für Strahlenschutz zu Verfügung. Eine „nutzer-freundlichere“, auf das WLAN des Amtes angepasste, kom-pakte Information würde sicher helfen, Diskussionen fun-diert und sachlich zu führen.

Das Angebot gibt es vorerst nur am Standort Nabburg. Ist eine Ausweitung auf den Standort Schwandorf geplant?Zunächst wollen wir die Möglichkeiten hier in Nabburg, dem Schulstandort, ausprobieren und Erfahrungen sammeln, dann sehen wir weiter.

Herr Witt, vielen Dank für das Interview.

DAS INTERVIEW FÜHRTE:ANGELIKA SPITZERSTAATLIcHe fÜHrUNGSAKAdeMIe fÜr erNÄHrUNG,LANdwIrTScHAfT UNd [email protected]

Der Nabburger Hotspot ist einer von min-destens 10 000 freien WLAN-Hotspots, die bis zum Jahr 2020 in ganz Bayern einge-richtet werden sollen. Im Rahmen des Konzepts „BayernWLAN“ werden alle geeig-neten staatlichen Behörden und kommu-nalen Standorte mit freiem WLAN ausge-stattet. So soll ein Netz an 5 000 Standorten in ganz Bayern mit über 10 000 Zugangs-punkten entstehen. Das Projekt mit einer Investitionssumme von rund 10 Millionen Euro läuft unter der Federführung des Bayerischen Staatsministeriums der Finan-zen, für Landesentwicklung und Heimat.

Landwirte profitieren von Digitalisie-rungOb bei der Förderantragstellung oder der landwirtschaftlichen Betriebsführung, die modernen Kommunikationstechno-logien werden heute von den Landwir-ten intensiv genutzt. So haben im Jahr 2015 knapp 80 Prozent der Landwirte in Bayern den Mehrfachantrag online ge-stellt. Auch im Bereich der Bildung spielt die Nutzung des Internets und insbe-sondere von Apps eine immer größere Rolle. Beratungseinrichtungen wie die

Landwirtschaftsverwaltung beteiligt sich an Projekt „BayernWLAN“

Landeskuratorien der Erzeugerringe für tierische Veredelung oder für pflanzli-che Erzeugung LKV und LKP setzen auf die Auswertung großer Datenmengen. Die Integration dieser Angebote in den Fachschulunterricht und in Bildungs-maßnahmen fördert die Kompeten-zen und Motivation aller Beteiligten.

Mit @BayernWLAN passwortfrei ins Netz Der Einstieg in das freie WLAN ist sehr be-nutzerfreundlich: jeder Hotspot heißt „@BayernWLAN“. Passwörter und An-meldedaten sind nicht erforderlich. Das Konzept sieht vor, dass ein privates Unter-nehmen den Betrieb der Hotspots über-nimmt. Koordiniert wird der Aufbau des BayernWLAN durch ein WLAN-Zentrum in Straubing. Dieses ist am Amt für Digi-talisierung, Breitband und Vermessung angesiedelt und steht als Ansprechpart-ner für die Kommunen zur Verfügung. Die Kommune kann Standorte ihrer Wahl für die Erschließung mit Hotspots zur Verfü-gung stellen. Der Freistaat Bayern über-nimmt die Kosten für die Ersteinrichtung, die Kommune trägt die Betriebskosten.

Weiter Standorte in PlanungDerzeit läuft das Projekt noch in einer Er-probungsphase. Der weitere Ausbau der Hotspots an Behördenstandorten des Frei-staats und an Kommunen ist Bestandteil eines laufenden europaweiten Ausschrei-bungsverfahrens unter der Federführung des StMFLH. Der Zuschlag soll bis Ende März 2016 erfolgen. Dann wird mit dem Provider der weitere Roll-Out auch an den Behördenstandorten des StMELF geplant.

Albert Spitzer, StMELF

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Die digitale Zukunft des GaLaBaussmart-galabau 2030: communication-organization-controlling

von HANS BEISCHL: Die Digitalisierung wird die Arbeitsabläufe und Aufgabenverteilung im GaLaBau genauso verändern wie Stellenprofile und Zuständigkeiten – und damit letztlich das Management und die Organisation eines Unternehmens. Vom Marketing bis zur Produktion, vom Finanzbereich bis zum Personal, vom Sachbearbeiter bis zur Geschäftsleitung: Alle wer-den betroffen sein. Die zentrale Frage wird für GaLaBau-Unternehmen sein, wie stark sie ihre Prozesse digital unterstützen lässt.

„Zukunft, das ist jene Zeit, in der unsere Geschäfte gut ge-hen, unsere Freunde treu sind und unser Glück gesichert ist“. Dieser Spruch von Ambrose Bierce (1842 – 1914) drückt aus, dass wir im Regelfall immer von einer positiven Zukunft „in weiter Ferne“ ausgehen. Wir brauchen die Fähigkeit, die Gedanken zwischen Vergangenheit, dem Jetzt und der Zu-kunft hin und her schweifen zu lassen. Der Strukturwandel beschleunigt sich vehement. Was wir an Wissen vorgestern mühsam aus Bibliotheken sammelten, holen wir heute in Sekunden aus dem Internet. Unerschöpfliches Faktenwissen der grünen Branche steht bereit. Der GaLaBau in Deutsch-land wird auch in Zukunft von einer starken Wirtschaft profi-tieren. Er braucht dafür kluge Strategen, die die Zeichen der Zeit richtig deuten und umsetzen können.Grünanlagen aller Kategorien wollen professionell geplant, angelegt und gepflegt werden. In einer Gesellschaft, die sich einerseits von der Natur entfernt, zieht es viele Menschen wieder zur Natur zurück, weil sie ihren vielfältigen Nutzen er-kannt haben. Jack Welch, ein renommierter Wirtschaftsboss und Manager des 20. Jahrhunderts, prägte folgenden Satz:

„die fähigkeit einer organisation zu lernen und das Gelernte schnell in Taten umzuset-zen ist der ultimative wettbewerbsvorteil.“

Die Diversifizierung des gärtnerischen Berufsstandes („smart“ = geschickt, gewandt, geübt) zeugt von der Kreati-vität und Innovationskraft.

Communication: Zukunft + IuK – TechnologienKommunikation gehört zu den primären Leistungen einer funktionierenden Wirtschaft. Je effektiver am Arbeitsplatz kommuniziert wird, umso wirkungsvoller und stressfreier kann gearbeitet werden. Weltweit sind sich die Experten der Delphi-Studie 2030 „Zukunft und Zukunftsfähigkeit der Informations- und Kommunikationstechnologien und Me-

dien“ einig: Der Siegeszug der IuK-Technologien wird wei-terhin anhalten. Er beruht unter anderem auf den ständig wachsenden Speichergrößen sowie der weiteren Verbes-serung der Rechenleistung von Mikroprozessoren und der entsprechenden Software, wobei gleichzeitig die Preise für dieselbe Leistung sinken. In zehn Jahren, so die Prognose der Delphi- Experten, wird die IuK-Technik unser ganzes Le-ben prägen.

Zukunft + Vernetzung: Fluch oder Segen?Unser Leben wird zunehmend vernetzt, egal ob wir es wol-len oder nicht. Unsere Wohnung, unsere Fahrzeuge, unser Arbeitsplatz, ja unsere Kleidung und unsere Haushaltsge-räte und Computer werden Schritt für Schritt miteinander kommunizieren. Wir müssen uns entscheiden: Ab- oder einschalten, Akzeptanz oder Abstand? Wer mit Besonnen-heit an diese Dinge heran geht, der wird mit Sicherheit kei-ner Suchtgefahr erliegen. Die Architektur der Zukunft wird sich wandeln. In den Großstädten zumindest werden wir in „Systemen“ wohnen, die mitdenken. Gebäudeintelligenz heißt das Zauberwort. Im „grünen Bereich“ wird man von „smart-garden“ sprechen. Das sind Ökozellen, die per Inter-net geplant, überwacht und gepflegt, aber auch nach Laune ausgewechselt werden können. Diese naturnah gestalteten Zellen braucht jeder Mensch, um sein psychosoziales Emp-finden in Balance zu halten. Die Grenzen zwischen künstli-cher Intelligenz, unseren Alltagsgeräten, zwischen der Un-terhaltungselektronik und Robotern (virtuelle Assistenten, intelligenten Arbeitsmaschinen) werden verschwinden. So-gar im GaLaBau zeichnen sich schon zahlreiche Einsatzmög-lichkeiten ab. Die Globalisierung auf diesem Sektor lässt je-den Traum wahr werden.

Der Schwerpunkt liegt auf „service 24 h“. Die Menschen brauchen für ein möglichst langes selbstbestimmtes und si-cheres Leben die Erfindungen der digitalen Welt, sagen die Experten. Die visionären Forscher behaupten immer häu-figer, dass wir in absehbarer Zeit in einer völlig vernetzten („smart“ = intelligent) Welt leben werden (smart home, smart

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health, smart transport, smart city, smart shopping, smart gardening). Die Wissenschaftler versprechen sich mehr Ef-fizienz auf allen Ebenen: Angefangen von der Heizung bis zur Kaffeemaschine, von der Haustüre zu den Jalousien, der Beleuchtung, der Einbruchsicherung bis zu über-/regiona-len Verkehrsleitsystemen. Die Menschen wünschen einen Rundumservice, und zwar rund um die Uhr.

Zukunft + Innovationen: digital denken ist wichtigNichts wird bleiben, wie es ist. Das Internet verändert un-sere Wirtschaft, unsere Gesellschaft, das ganze Leben. Da-tenanalyse ersetzt Bauchgefühl (Big Data), Brillen sprechen mit Autos (Internet der Dinge). Unternehmen müssen sich neu erfinden, Märkte bilden sich neu (informationsökono-mische Revolution). Was bedeutet das für Arbeit, Mobili-tät, Geld oder medizinische Versorgung? Und was wird aus uns? „Denken wir schon an übermorgen?“ Alles in englischer Sprache, damit keiner mehr mitkommt? Das betriebswirt-schaftliche Verständnis und die Transparenz dafür werden immer wichtiger, um die Kompetenzen des gesamten Per-sonals nutzen zu können (siehe Abbildung 1).

Im Hinblick auf die konjunkturelle Entwicklung innerhalb unserer Gesamtwirtschaft wird sich der GaLaBau mit Sicher-heit noch weiter vorteilhaft profilieren. Einem äußeren Qua-litätsbewußtsein muss dabei ein innerer Qualitätsfortschritt durch die modernen Medien (Software zur Organisation des Betriebes und deren Abläufe, Branchensoftware, Vermes-sung mit Totalstation, Dokumentenmanagementsysteme, Digitale Fotoverarbeitung, Information und Kommunikation

per Handy, Navigationssysteme etc.) folgen. Die Innovatio-nen und Rationalisierungseffekte betreffen sowohl das Büro und seine Kräfte, als auch die Baustellenabwicklung durch Mitarbeiter und Maschinen. Nur die GaLaBau-Fachbetriebe werden auch in Zukunft am Markt überleben und dann auch gut leben, die sich dem Fortschritt öffnen und mit ihrem gebildeten Personal zum „Digitalen Kompetenzdruck“ „Ja“ sagen werden. Die künftigen Meister, Techniker, Ingenieure und Bachelor, die im Jahr 2030 als Baustellen- oder Baulei-ter tätig sind, werden in der Mehrzahl die umfassende Digi-talisierung als selbstverständlich erachten. Der Fortschritt jedoch ist nicht mehr aufzuhalten. Die Jungen werden sich vielleicht über die primitiven Vorgehensweisen ihrer Vorgän-ger ohne Internet wundern.

Zukunft + Führung: Kooperation gestaltenIn Zukunft wird man anders kommunizieren. Die meisten Aufträge und Abläufe, Nachfragen und Korrekturen werden über die modernen Medien erfolgen, menschliche Kontakte noch seltener werden. Darin liegt die große Gefahr, dass Mit-arbeiter zu reinen Nummern werden. Das müssen die Chefs von morgen aber verhindern. In den Führungsteams vieler mittelständischer Unternehmen wird sich ein Mentalitäts-wandel vollziehen müssen, denn die jungen Leistungsträger von morgen haben ein anderes Wertesystem als bisher. Im nächsten Jahrzehnt gehen viele Leistungsträger im Mittel-stand in den Ruhestand. Sie zu ersetzen, wird das zentrale Thema für viele mittelständische Unternehmen sein. Dabei ist jetzt schon absehbar: Aufgrund des demographischen

Wandels werden künftig einige Mittel-ständler ohne ausreichend qualifizierte Mitarbeiter dastehen. Zugleich rückt eine neue Generation junger Frauen und Männer nach – ebenfalls mit einer starken Leistungsorientierung, aber mit einem anderen Wertesystem. Für sie ist Arbeit ein Instrument zur Exis-tenzsicherung. Doch nicht nur dies. Sie soll auch befriedigend sein und Ge-staltungsspielräume eröffnen. In vielen mittelständischen Betrieben legitimiert solch eine Führung ihre Autorität noch immer über ihren Erfahrungs- und Wis-sensvorsprung, ihre hierarchische Posi-tion. Doch nicht nur dies: Gute Führung wurde daran gemessen, wie die Mitar-beiter „spuren“. Mit einem solchen Füh-rungsverständnis waren unzählige Mit-telständler in der Vergangenheit sehr erfolgreich. Das macht ein Umdenken in den Chefetagen schwierig. Führung

→ Abbildung 1: Die Führungskräfte von morgen müssen betriebswirtschaftlich und auch digital

versiert sein

Auftrag A

Team B

Pflanzen

Betriebshof

Bank 1

Bank 2

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Akquisition Kommunikation

Baustellenabwicklung

Lieferant C

Lieferant A

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Auftrag B Auftrag C Service D,E Angebote F-K Abrechnung A-Z

Team A Team C

Führungskraft

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BWA-Zahlen

KonzeptStrategie

Büro

Rechnungswesen

Unternehmer

Controlling

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Fiskus

Maschinen

Baustoffe

Führungskraft UnternehmerSchnittstelle

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heißt, Kooperation gestalten! Aufgrund der Digitalisierung werden von der Ak-quise bis zur Abrechnung Büroaufga-ben und Baustellenleitung in einander fließen (siehe Abbildung 2).

Ein starres Organigramm würde den Workflow nur stören. Im Zeital-ter unternehmensübergreifender Pro-jekte, fließender Strukturen und hie-rarchieentbundener Gruppen lassen sich die Grenzen zwischen Führenden und Geführten nicht mehr so eindeu-tig ziehen. Die Führungskräfte verlie-ren an Einfluss und den Mitarbeitern fällt eine aktivere Rolle zu. Kooperation entscheidet heute darüber, wie effektiv und flexibel, innovativ und leistungs-stark ein Unternehmen in seinen Märk-ten agieren kann. Die Schlüsselperson in Sachen Mitarbeitermotivation bleibt die Führungskraft. Eine Führungskraft muss lernbereit, flexibel und neugierig bleiben. Arbeitgeber achten immer mehr darauf, dass Be-werber ausreichend Allgemeinbildung, methodisches Wis-sen, soziale Kompetenz, Kommunikationskompetenz und die Fähigkeit, selbstgesteuert und strukturiert zu arbeiten, mitbringen. Das Handwerk, aber auch der Garten- und Land-schaftsbau, arbeiten aktiv an der Gewinnung von Berufs-nachwuchs. In seinem Buch „Die deutsche Bildungspolitik ist auf dem Holzweg«, kritisiert Prof. Julian Nida-Rümelin, ehe-maliger Bundesbildungsminister, den „Akademisierungs-wahn“. Die berufliche Bildung, um die man Deutschland beneidet, darf nicht vernachlässigt werden. Wir brauchen auch in Zukunft Kopf- und Handwerker mit einem „grünen Daumen“.

Zukunft + der Kunde von morgenUnsere Epoche ist in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Der demografische Wandel bringt einerseits eine große Wohl-standsschicht, auf der anderen Seite auch große Massen an Bürgerinnen und Bürgern, die eine staatliche Stütze benö-tigen, um ihre Rente aufzubessern. Ein gutes Gesundheits-wesen führt zu vielen Leuten, die älter und ein bischen son-derbar werden, viel Geld kontrollieren und eine mächtige Stimme bei Wahlen haben. Wir leben in einem Zeitalter des Luxus. Der Garten ist zu einem Objekt geworden, das sich viele Leute leisten können. Weil sie so an ihm hängen, aber nicht mehr fachgerecht pflegen können, bauen sie eine Be-ziehung zu einem grünen Fachmann ihres Vertrauens auf. Das wichtigste Handwerk unserer Zeit ist die Vereinfachung der Komplexität. Dies gilt vor allem für ökologische Fragen.

Der Gärtner vereint die Fülle an Wissen: Vom Boden bis zum Bauen, von der Pflanze bis zur Pflege.

Zukunft + Gesamtblick = Rückblick + VorblickAuf die Frage, wie sich der Garten- und Landschaftsbau im Jahr 2030 darstellen wird, malen wir das Scenario, wenn auch ein wenig spekulativ, in bunten Farben aus. Neben dem eigentlichen Fachwissen (Vegetationstechnik, Be-triebswirtschaft, Baubetrieb, Grünflächenbau und -unter-halt), das heute schon per Internet (siehe E-Learning an der Meisterschule in Veitshöchheim) nach Hause oder an den Ar-beitsplatz geliefert wird, sind es immer noch die sogenann-ten Schlüsselqualifikationen, die von Führungskräften ge-braucht werden (= Soft Skills). Alle Mitarbeiter sollen sich in ihren Kompetenzbereichen regelmäßig weiterbilden und Gelegenheiten nutzen, ihre Schlüsselqualifikationen zu ver-bessern. Wichtig dabei ist zu erkennen, welche Schlüssel-kompetenzen man mitbringt und welche gebraucht wer-den. Jeder muss sein eigenes Kompetenzprofil kritisch unter die Lupe nehmen und Defizite erkennen. Jeder muss sich seinen eigenen Entwicklungsplan zur Verbesserung der Schlüsselqualifikationen erstellen und by „training on the job“ umsetzen.

Zukunft + Industrie 4.0: Die Tür ist offenDie Industrie 4.0 braucht ein für die digitale Zukunft be-reites Deutschland 4.0. Das ist nur möglich, wenn eine Da-tenübertragung nahezu in Echtzeit geht. d!conomy hieß das Top-Thema der CeBIT 2015 – oder anders ausgedrückt:

→ Abbildung 2: Organisation von GaLaBau-Prozessen

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Industrie 4.0. Hinter diesem Begriff verbirgt sich letztendlich nichts anderes, als ein Zukunftsprojekt, das darauf abzielt, die deutsche Industrie in die Lage zu versetzen, für die Zu-kunft der Produktion gerüstet zu sein. Es geht darum, die Fertigungstechnik zu digitalisieren und zu vernetzen, so dass intelligente Fabriken entstehen. Diese zeichnen sich durch eine bisher nie da gewesene Wandlungsfähigkeit so-wie Ressourceneffizienz aus. Und genau das braucht eine moderne Industrienation wie Deutschland, um auf die sich immer schneller ändernden wirtschaftlichen Gegebenhei-ten adäquat und schnell zu reagieren. In Hannover meldete die CeBIT: „Wir erleben eine digitale Transformation. Wir er-leben, wie die IT zum wesentlichen Treiber von Innovatio-nen wird“. Unter dem Topthema d!conomy beschäftigte sich die CeBIT 2015 mit der allgegenwärtigen Digitalisierung, die das berufliche und gesellschaftliche Umfeld immer stärker prägt:

Big Data, Cloud Computing, Mobile sowie Social und Se-curity greifen immer mehr ineinander und wirken gleicher-maßen auf Wirtschaft und Gesellschaft ein. Letztendlich sind es das Internet und die allumfassende Vernetzung, die die Entwicklung von Geschäftsmodellen, Fertigungsprozessen stärker vorantreiben.

Zukunft + Aufbau- und Ablauforganisation Das GaLaBau-Unternehmen ist modern ausgerüstet und seine Werkzeuge sind auf der Höhe der Zeit und innovativ. Mit dem Digitalen Schwarzen Brett (DSB) kann das Unter-nehmen seinen Mitarbeitern, aber auch seinen Lieferanten und Kunden zeigen, dass sie ihre Aufgaben hervorragend kommunizieren. Fachinformationen, Termine, Tipps und Anregungen laufen am Schwarzen Brett zusammen und bil-den einen „Info-point“. Das DSB für die Hosentasche: DSBmobile! Mit der App DSBmobile können die Informationen des DSB automatisiert für Smartphones und Tablets bereitgestellt werden. So erhalten Mitarbeiter im Schichtdienst die aktuellen Pläne und Vorgaben so-gar zuhause und ihre Außendienst-mitarbeiter werden auch auf Reisen immer mit den aktuellen Neuigkeiten versorgt – ohne Mehraufwand bei der Verwaltung. Wer heute von der „Zu-kunft der Mobilität“ spricht, muss nun-mehr ebenso Begriffe wie Jobmobilität, neue Energieinfrastrukturen, postfos-sile Mobilitätskonzepte und Nachhal-tigkeit mitberücksichtigen.

Der Begriff „Mobilität“ hat sich in den vergangenen Jah-ren zu einem „ganzheitlich mobilen Lebensstil“ entwickelt. Im Zentrum der Mobilitätsanforderungen der Menschen steht der Wunsch nach einem individuellen Leben, Den-ken und Handeln. Vernetzte Städte, virtuelle Unternehmen und Dienstleistungen, mobiles Arbeiten: Mobilität bedeu-tet heute weit mehr als nur die räumliche Fortbewegung, die wahlweise Verkehrsmittelnutzung oder neue Antriebs-formen. Mobilität prägt unseren gesamten Alltag und wirkt sich unverkennbar auf unser (Konsum-) Verhalten aus. An-getrieben durch globale Vernetzung, mobiles Internet und Elektro-Mobilität, entstehen laufend neue, weitreichende Nachfrage-Impulse.

Zukunft + Digitale PlantafelWenn die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut, dann erzeugt das Verwirrung, die recht teuer werden kann: An-genommen ein Unternehmensberater hat den Auftrag, in einem GaLaBau-Unternehmen nach Schwachstellen (Kos-tensenkung, Effizienzsteigerung) zu suchen: Wo würde der Experte zuerst hinschauen? Als Außenstehender will er sofort wissen, wie die Abläufe organisiert sind, wo die Mitarbeiter eingesetzt werden und wie diese mit der Fir-menleitung kommunizieren. Hieraus ergeben sich Fragen nach der Arbeitsvorbereitung, Einweisung und Kontrolle der Mitarbeiter. Wie viele Rückfragen kommen im Laufe des Tages und wie beugt man Störungen vor? Wie kann die Fir-menleitung reagieren und welche Ressourcen (z. B. Mitar-beiter, Maschinen etc.) sind davon betroffen? Wo gibt es Einsparungspotenzial? Detailfragen, die genau beantwortet

→ Abbildung 3: Organisation: Auftrags- und Ressourcenplanung

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dIGITALISIerUNG

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werden wollen. Da sich bei einer Organisation viele Fakto-ren gegenseitig beeinflussen, ist es von größter Bedeutung, Schwachstellen systematisch zu beseitigen.

Während bislang die Schwerpunkte bei der Kosten- und Leistungsrechnung und der Abwicklung einzelner Baustel-len lagen, sollte das Augenmerk auf die Koordination und Organisation mehrerer Baustellen gerichtet werden. „Geld wird heutzutage sowohl auf der Baustelle, als auch im Büro verdient bzw. „versemmelt“. Grundsätzlich geht es um die zentrale Frage: Wie kann die Organisation grundlegend ver-bessert werden. Die digitale Plantafel zeigt sich als unver-zichtbares Instrument der Baustellenorganisation auf (siehe Abbildung 3). Bekanntermaßen haben in größeren Betrieben die Chefs, bzw. ihre Disponenten irgendwelche Organisati-onstafeln, um ihre „Engpässe“: (Mitarbeiter, Maschinen…) mit den Kundenwünschen in Einklang zu bringen.

Zukunft+ Informationsfluss: Das BerichtswesenDer Tagesbericht wird künftig nur mehr digital erfasst. „Schreiben, Ordnen, Sichern“ diese Schlagwörter kennzeich-nen das Dokumentenmanagement im GaLaBau. Zu den größten Kostentreibern zählen häufig die unzureichende Ablage, die Bewältigung der Informations- und Dokumen-tenflut, die sehr aufwändige Informationssuche, manche vermeidbare Doppelarbeit, sowie lückenhafte Aufzeich-nungen. Diese Kosten können durch digitale Bearbeitung und Archivierung reduziert werden kann. Es werden Raum- und Materialkosten gespart, dadurch dass alle vorhandenen

Informationen zentral in einem Unter-nehmensportal gesammelt werden und so schnell für alle Mitarbeiter auf-findbar sind. Mangelhafte Einweisung und fehlende Systematik schaffen hier Probleme in der Informationsmüllge-sellschaft. Dabei sind wir Opfer und Täter! Opfer, weil wir täglich mit „Pa-pier, Formularen, Werbesendungen ...“ bombardiert werden. Haben wir sie gelesen? Haben wir sie geschrieben? Haben wir sie abgelegt? Täter, weil wir selbst schriftliche Unterlagen erzeugen (müssen).

Zukunft + DMS: K/ein alter Hut?Ein Dokumentenmanagementsystem (DMS) ist ein Computersystem aus Hard- und Software, mit dem jegli-che Art von Informationen aufgenom-men, verwaltet, wiedergefunden und dargestellt werden kann. Dabei ist es

unerheblich, ob diese Informationen auf Papier, Mikrofilm oder innerhalb eines Computersystems in digitaler Form vorliegen. Wichtigstes Kennzeichen eines DMS ist es, dass Dokumente, auch wenn sie digital erstellt wurden, „einge-froren“ werden, d. h. es können keine Vermerke oder Verfü-gungen mehr aufgenommen werden. Sehen wir uns einen Geschäftsvorgang in einem GalaBau-Unternehmen genauer an. Ein Angebot ist fertig gestellt und wird abgelegt. Es gilt, Zeit und Geld einzusparen, Doppelarbeit zu vermeiden und den Zugriff auf das Dokument zu erleichtern. Es handelt sich um einen interessanten Auftrag. Bisher gingen schon etliche Briefe, E-Mails, Angebote und Anfragen, Fotos, Skizzen in PDF-Format hin- und her. Die digitale Welt verspricht eine gläserne Bearbeitung und somit größere Effizienz (siehe Abbildung 4).

HANS BEISCHL BAYerIScHeN LANdeSANSTALT fÜr weINBAU UNd [email protected]

→ Abbildung 4: Organisation: Baustellen – Büro – Digitalisierung

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Landschaftspflege will gelernt seinEin Streifzug durch die Fortbildung zum/zur Geprüften Natur- und Landschaftspfleger/in (GNL)

von IRIS PREY: Was blüht denn da? Welcher Strauch ist das? Wie pflanzt man sachgerecht Sträucher und Bäume? Welche Schutzgebietstypen gibt es? Was darf eine landschaftspfle-gerische Leistung kosten? All diesen Fragen und Vielem mehr widmet sich die Fortbildung zum/r Geprüften Natur- und Landschaftspfleger/in (GNL). Sie wird im Auftrag des Bayeri-schen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) vom Fort-bildungszentrum Almesbach organisiert. Lieber Leser, Sie sind herzlich eingeladen, sich auf eine kleine Reise zu begeben und die Teilnehmer/innen der aktuellen Fortbildung auf ihren 17 Kurswochen zu begleiten.

Die „Bundesverordnung über die Prüfung zum anerkann-ten Abschluss Geprüfter Natur- und Landschaftspfleger/Geprüfte Natur- und Landschaftspflegerin vom 6. März 1998“ bildet die Grundlage für die Fortbildung des StMELF. Voraussetzung für die Teilnahme ist ein Berufsabschluss in einem „grünen“ Ausbildungsberuf wie Landwirt, Gärtner oder Forstwirt sowie eine dreijährige Berufserfahrung. Die Teilnehmer erhalten dadurch eine Zusatzqualifikation auf Meisterniveau. Wer dies nicht vorweisen kann und sich be-ruflich umorientieren möchte, kann im Ausnahmefall auf Grund besonderer Eignung, z. B. von ehrenamtlichem En-gagement, zum Vorbereitungskurs zugelassen werden. Die 17 Kurswochen sind auf den Zeitraum von September bis Juli verteilt. Sie finden an verschiedenen Veranstaltungsor-ten statt: Den Lehr-, Versuchs- und Fachzentren (LVFZ) Al-mesbach und Schwarzenau, der Akademie für Naturschutz

und Landschaftspflege (ANL) Laufen und der Landmaschi-nenschule Triesdorf. Enthalten sind auch zwei Praktikums-wochen. In Theorie, Praxis und vielen Exkursionen lernen die Teilnehmer ökologische Zusammenhänge, Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit, praktische Fertigkeiten, aber auch Wirtschaft, Recht und Soziales. Über 40 Referenten berei-chern die Fortbildung mit ihrem Knowhow. Doch machen wir uns auf den Weg.

Einstieg in den GNL-Kurs an der ANL LaufenFremde Autokennzeichen rollen auf den Parkplatz der ANL im Berchtesgadener Land: AH, B, OHA, MK, KT, OAL, … So un-terschiedlich wie die Nummernschilder der 16 teilnehmen-den Männer und Frauen im Alter von 23 bis 55 sind auch ihre Lebensgeschichten: Landwirt, Forstwirt, Gärtner, Winze-rin, Schäferin, … Sie alle verbindet Eines: Die Liebe zur Natur

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→ … und Tierarten kennen (Bergmolch im Bild hinten, Kammmolch in

der Mitte und vorne der Teichmolch)

→ Die Kursteilnehmer lernen Lebensräume …

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kombiniert mit Wissensdurst und dem Ruf, in Na-turschutz und Landschaftspflege aktiv zu wer-den. Naturschutzfachliche Grundlagen stimmen die Gruppe ein auf das, was sie erwartet. Rheto-rische Übungen für zukünftige Gruppenführun-gen bringen Sicherheit und lassen die Teilnehmer lachen. Exkursionen in den Nationalpark Berch-tesgadener Land und das Schönramer Filz lassen sie staunen über die Wunder der Natur. Sie sind angekommen in einer Fortbildung, die neue Per-spektiven und hoffentlich neue Türen im Bereich Naturschutz und Landschaftspflege öffnen wird.

Technik an der LMS in Triesdorf„Maschinen und Geräte einsetzen und warten“ heißt das Thema, das die angehenden Natur- und Landschaftspfleger an der Landmaschinen-schule begleitet. Sie beschäftigen sich mit dem technischen Aufbau von Motorsägen und Frei-schneidern, Hydraulikanlagen und Balkenmä-hern, Mähwerken und Mulchgeräten. Sie sägen, schneiden und mähen im Wald und dem Wiesen-brütergebiet Wiesmet. So funktioniert praktische Landschaftspflege.

LVFZ Almesbach: Recht und BotanikNun wird es rechtlich. Die nächsten beiden Kurs-wochen beschäftigen sich mit den Grundlagen des Naturschutz- und Forstrechts, Förderpro-grammen, der ländlichen Entwicklung und der Arbeit der Landschaftspflegeverbände. Eine der Referentinnen führt die Gruppe beispielhaft zu verschiedenen Schutzgebietstypen in der Ober-pfalz. Die Teilnehmer erlernen die Grundlagen des Arbeits- und Sozialrechts, des Gewerbe- und Steu-errechts und des Kartierens von Arten und Bio-topen. Sie beginnen aber auch damit, ihre bota-nischen Kenntnisse zu vertiefen. 50 verschiedene Gehölzarten im unbelaubten Zustand stehen auf dem Lehrplan. Da heißt es üben, üben, üben. Weil „GNLer“ Männer und Frauen der Tat sind, wird im Naturpark Oberpfälzer Wald zusammen mit dem Landesbund für Vogelschutz eine Hecke gepflanzt. Für die Stadt Weiden pflanzen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zur Sortenerhaltung veredelte alte Birnensorten. Zur Ergän-zung des Themas Streuobst erhalten sie eine Einführung in die Pomologie und staunen über die Vielfalt an Apfelsorten, die sich nicht nur im Geschmack, sondern auch im Aussehen unterscheiden. In einer Mosterei dürfen Oberpfälzer Säfte und Liköre verkostet werden. Die Fortbildung berührt alle Sinne der Teilnehmer.

was du hörst, vergisst du, was du siehst, daran erinnerst du dich, was du tust, verstehst du.

T. Harv eker

LVFZ Schwarzenau: Kalkulation und Ökologie„Oh, hier riecht es ja ganz anders.“, stellt eine Teilnehmerin fest. Bekam die Gruppe in Almesbach im Milchviehstall

Warum haben Sie die Fortbildung besucht?Ich bin bei der Gemeinde Schwebheim, Landkreis Schweinfurt, angestellt und habe den Kurs im Auftrag der Gemeinde besucht.

Wie war Ihr beruflicher Werdegang vor der Fortbildung?Als Landwirt wurde ich 2010 Bauhofmitarbeiter. Nach über drei Jahren Berufserfahrung konnte ich dann zur Fortbildung zugelassen werden.

Inwiefern hat Ihnen die Fortbildung für Ihre jetzige Tätigkeit geholfen?Sehr viel. Ich habe viel Hintergrundwissen erworben, z .B. darüber wa-rum und wie man mäht, mulcht oder Hecken und Bäume schneidet. Die Augen sind geöffnet worden für schützenswerte Pflanzen. Jetzt lasse ich beim Mähen mal einen Streifen stehen. Man kann nur schüt-zen, was man kennt.

Wie hat sich die Fortbildung auf Ihren Lohn ausgewirkt?Nach der Fortbildung wurde ich um eine Lohngruppe höher eingrup-piert.

Woran in der Fortbildung erinnern Sie sich besonders gern?An die vielen, schönen Exkursionen und die Gemeinschaft im Kurs. Es bestehen immer noch Kontakte und regelmäßige Treffen.

Was würden Sie jetzigen Teilnehmern mitgeben?Dass sie gut aufpassen und viel aus dem Kurs mitnehmen. Sie werden es später im Berufsleben gut brauchen können.

„Man kann nur schützen, was man kennt“Marco Wolf, Teilnehmer 2014/2015, Landkreis Schweinfurt

→ Landwirt Marco Wolf qualifizierte sich

im Auftrag seines Arbeitgebers weiter

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schon nähere Einblicke in die Landwirtschaft, wird dies in Unterfranken im Schweinestall ergänzt. Kulturlandschaften wurden und werden durch den Menschen geschaffen. Die Landwirtschaft ist Schaffer und Erhalter der Kulturlandschaft. Deshalb ist die Schnittstelle zwischen Landwirtschaft und Naturschutz so wichtig. In diesen beiden Wochen rauchen die Köpfe. Landschaftspflegerische Leistungen werden kal-kuliert, die erste Prüfung wird geschrieben. Doch wasch echte Biologen lockern den Kurs wieder auf. Die Gruppe beschäf-tigt sich mit den Grundlagen der Ökologie, beginnt mit dem Kennenlernen von Tier- und Pflanzenarten und erfährt Inter-essantes über Neozoen und Neophyten. Das sind Neubürger im Tier- und Pflanzenreich, die zu uns eingewandert sind.

LVFZ Almesbach: Heckenpflege bei Schnee und EisZurück in Almesbach stehen gleich zwei Prüfungen auf dem Plan. Zur weiteren Fortbildung macht die Gruppe ei-nen Veredelungskurs für Obstbäume. Und dann wird es frostig. Das Thermometer zeigt minus 17 °C, manches Auto springt nicht an. Die Natur kennt kein Erbarmen. Doch wer GNLer werden will, lässt sich nicht unterkriegen. Es geht auf zur Heckenpflege. Motorsägen werden gestartet, es tut sich was in Gleiritsch im Landkreis Schwandorf. Und wir werden belohnt: Die Sonne kommt hinter den schnee-bedeckten Wäldern hervor, der Schnee glitzert. Die fachge-rechte Pflege von Hecken wird von den Teilnehmern voller Tatendrang ausgeführt.

Was haben Sie bisher beruflich gemacht? Ich bin Gärtnerin mit drei Gesellenjahren. Nach dem Wechsel in den kaufmännischen Bereich war ich nebenberuflich und ehrenamtlich immer im grünen Bereich tätig.

Weshalb haben Sie sich für den GNL-Kurs entschieden?Weil mich die Ausbildungsinhalte besonders angesprochen haben, wie z. B. umfangreiche Ar-tenkenntnisse von Flora und Fauna, Pflege und Erhalt von Lebensräumen, Exkursionen und die Vermittlung von Tipps über Führungen in und über die Natur. Es ist mir ein persönliches An-liegen, dass in der Natur- und Landschaftspflege Fachleute unterwegs und tätig sind, und ich möchte auch gerne meinen Lebensunterhalt damit verdienen.

Wie sind Sie auf die Fortbildung aufmerksam geworden? Als ich an der Gartenakademie Veitshöchheim das Seminar zur Gartenfachberaterin besuchte, habe ich über den Kurs gelesen.

Wie vereinbaren Sie Beruf und Fortbildung miteinander? Ich arbeite in einem guten Team im sozialen Bereich, in dem ich meine Arbeitszeiten vorab auf die Blockwochen abstimmen kann. Es ist allerdings ein Balanceakt, da die Lerninhalte sehr umfangreich sind. Einige Kollegen aus unserer Fortbildung werden beruflich dafür frei gestellt. Ich sage jetzt nach fast einem halben Jahr Ausbildung, dass diese Kombination zeitlich fast nicht zu machen ist, ohne Unterstützung durch Familie oder Kollegen. Auch finanziell muss man sich vorher überlegen, ob man dies wirklich tragen kann. Was gefällt Ihnen besonders an der Fortbildung? Alles! Wirklich! Die breit aufgestellten Fachinformationen, die einem vermittelt und zur Verfügung gestellt werden. Die Lern-materialien und die Fachleute, die uns gerne unterrichten und immer wieder auf die Spur helfen, wenn wir uns in der Fülle des Stoffs verloren meinen. Das Denken in Naturkreisläufen und Vernetzen des Fachwissens. Die angenehme, konstruktive Kommu-nikation mit Kollegen und Lehrkräften. Die Lernorte, Exkursionen und der Wechsel von Praxis und Theorie. Haben Sie bereits Pläne, wie es nach der Fortbildung weitergeht? Ja. Dort arbeiten, wo andere Urlaub machen als Naturführerin oder Rangerin. Oder in einer sozialen oder naturschutzfachlichen Einrichtung, die Natur- und Landschaftspflege betreibt, als Fachkraft. In der Natur- und Landschaftspflege als Angestellte einer Kommune oder eines Landschaftspflegeverbands oder auch langfristig selbstständig mit Tieren für die Landschaftspflege.

→ Anke Kurr-Brosig macht die

Fortbildung nebenberuflich

„In der Natur- und Landschaftspflege sollten Fachleute unterwegs sein“Anke Kurr-Brosig, Natur- und Wildnispädagogin, Teilnehmerin 2015/2016, Fränkische Schweiz

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VoraussetzungenAusbildung in einem „grünen“ Beruf oder Nachweis entsprechender Kenntnisse und Erfahrungen

Dauer des Lehrgangs17 Wochen (von September bis Juli)Nächster Kurs beginnt voraussichtlich im September 2016

Anmeldeschluss Anmeldeschluss für den nächsten Kurs 30. Juni 2016

Kosten750 Euro Lehrgangsgebühr + 180 Euro Prüfungsgebühr

LehrgangsinhalteGrundlagen des Naturschutzes und der LandschaftspflegeInformationstätigkeit und BesucherbetreuungMaßnahmen in Naturschutz und LandschaftspflegeWirtschaft, Recht, Soziales

VeranstaltungsorteLVFZ Almesbach, LVFZ Schwarzenau, ANL Laufen, LMS Triesdorf

Infobox: Fortbildung zum/zur Geprüften Natur- und Landschaftspfleger/in (GNL)

ANL Laufen: moderne UmweltbildungWieder an der ANL in Laufen lässt das Thema Bildungsar-beit die Teilnehmer kreativ, aktiv und verspielt werden. Ex-kursionen ins Haus der Berge und das Naturkundemuseum Siegsdorf sowie LandArt an der Salzach zeigen, was mo-derne Umweltbildung bedeutet und welche Chancen sie bietet. Fasziniert darüber, was im Boden alles steckt, werden Bodenproben durchgeführt, es wird analysiert und mikro-skopiert. Ein Polizist lehrt den Umgang mit Ordnungswid-rigkeiten und Straftatbeständen. Die 16 Frauen und Män-ner setzen sich mit Nachhaltigkeit und der Herausforderung Tourismus auseinander. Aus Naturmaterialien schaffen die Teilnehmer bei LandArt an der Salzach mit viel Kreativität kleine Kunstwerke. Kunst in und mit der Natur soll der Be-völkerung Augen für die Schönheit der Natur öffnen.

Exkursionen und Praktikas runden abDer Kurs ist in vollem Gange. Was steht noch auf dem Lehr-plan? Exkursionen zu einer Baumschule zur Beurteilung von Gehölzqualitäten, zu Naturlehrpfaden, in das Naturwaldre-servat Steigerwald und den Truppenübungsplatz Grafen-

wöhr warten auf die Teilnehmer. Sie werden Amphibien-schutzzäune und Vogelsitzstangen bauen, im Wildgehege Pfrentsch Baumgruppen pflanzen und Obstbäume schnei-den, damit ein Unterstand für das Wild geschaffen wird. Sie werden intensiv die verschiedensten Lebensräume mit ihren Tier- und Pflanzenarten kennen lernen und bei den Waldju-gendspielen Waldpaten sein. In der Praxis und in Prüfungen wird jeder immer wieder sein Können und Wissen unter Be-weis stellen müssen. Welche beruflichen Möglichkeiten sich bieten, werden sie im Praktikum zum Beispiel beim BUND, in einem National- oder Naturpark, beim Landschaftspflege-verband oder dem Landesverband für Vogelschutz erfahren.

Vielfältig berufliche EinsatzmöglichkeitenGeprüfte Natur- und Landschaftspfleger können selbststän-dig oder als Arbeitnehmer in der Landschaftspflege oder Umweltbildung tätig werden. Sie können für landwirtschaft-liche Zusammenschlüsse, bei Kommunen oder Verbänden arbeiten und als Großschutzgebietsbetreuer in National-parken und Biosphärenreservaten. Für Landwirte entste-hen neue Zusatzeinkommen. So vielfältig wie die Fortbil-dung sind auch die beruflichen Möglichkeiten nach dem Abschluss. Was ehemalige oder aktuelle Teilnehmer dazu sagen, konnten Sie in der beiden Interviews auf Seite 55 / Seite 56 lesen.

IRIS PREY forTBILdUNGSzeNTrUM fÜr LANdwIrTScHAfT UNd HAUSwIrTScHAfT [email protected]

→ Gehölzbestimmung: Fundiertes Wissen über Gehölze gehört zum

Rüstzeug der Natur- und Landschaftspfleger

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Flächenverbrauch in Gemeinden Mit dem IÖR-Monitor die Informationen zur Siedlungs- und Freiraumentwicklung abrufen

von HILDEGARD NEESER: Im Rahmen der Bauleitplanung werden die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als Träger öffentlicher Belange zu Flächennutzungs- und Bebau-ungsplänen gehört. In den letzten 60 Jahren haben viele Gemeinden ihre bebauten Flächen mehr als verdoppelt. Den Flächenverbrauch von landwirtschaftlichen Nutzflächen für Gewer-begebiete, Wohnbaugebiete und Verkehrsflächen zu stoppen bleibt die Herausforderung für die Zukunft. Bei Stellungnahmen erweist es sich als hilfreich, dies mit relevanten Zahlen und Fakten für den jeweiligen Standort zu belegen. Der IÖR-Monitor des Leibniz-Instituts für öko-logische Raumentwicklung bietet, in Ergänzung zur amtlichen Flächenstatistik der statisti-schen Landes- und Bundesämter, eine wissenschaftliche Datengrundlage dafür.

Ziel der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ist es, den Flä-chenverbrauch bis 2020 auf höchstens 30 Hektar pro Tag in Deutschland zu begrenzen. Das wären für Bayern sechs Hek-tar pro Tag [1]. Tatsächlich waren es 2013 jedoch 18,1 Hektar [2], die täglich in Bayern für Siedlungs- und Verkehrszwe-cke umgewidmet wurden. Das 1992 in Dresden gegrün-dete Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR), die größte außeruniversitäre raumwissenschaftliche Forschungseinrichtung der Leibniz-Gemeinschaft, ermittelt seit 2006 kontinuierlich auf der Grundlage von amtlichen Geobasisdaten (ATKIS Basis-DLM) die Siedlungs- und Frei-raumstruktur und stellt diese auf einer Online-Plattform be-reit. Damit können u. a. Aussagen zur Entwicklung der Sied-lungs- und Verkehrsfläche (SuV) auf administrativen Ebenen

(Gemeinden, Kreise, Länder) sowie in kleinräumigen Rastern getroffen werden.

Flächenschema des IÖR-MonitorDas Informationsangebot des IÖR-Monitors kann als dau-erhafte wissenschaftliche Dienstleistung für die Öffentlich-keit durch jedermann kostenlos unter www.ioer-monitor.de/ genutzt werden.

Vorschlag: öffnen Sie gleichzeitig beim weiteren Lesen das Programm im Internet.

In der Menüleiste der Webseite sind die zugrundelie-gende Methodik (dort anklicken) sowie Informationen über alle bereitgestellten Indikatoren bzw. deren Begrifflichkei-ten (siehe Abbildung 1) erklärt.

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→ Abbildung 1: Screenshot der Internetseite vom IÖR-Monitor: Reiter Methodik

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Kartenerstellung für LandkreiseIn der Menüleiste (siehe Abbildung 2) ganz links unter Kar-ten (1) , kann nach Kategorie (2) (z. B. Siedlung) und nach dem Indikator (3)(z. B. Anteil baulich geprägter Siedlungs- und Verkehrsfläche an der Gebietsfläche sowie Anteil der versiegelten Bodenfläche an Gebietsfläche) ausgewählt werden. Unter Zeitschnitt besteht die Möglichkeit die Jahre 2006 bis 2014 zu wählen. Bei Räumlicher Ausdehnung (4) ist Kreis zu wählen, danach kann der gewünschte Landkreis an-geklickt werden. Daraufhin werden farbige Karten mit Pro-zent-Angaben je nach gewähltem Indikator geladen, die ge-druckt und gespeichert werden können.

Gemeinden: Tabelle- der Indikatorwerte Über erfolgter Auswahl und Anzeige einer Indikatorkarte besteht die Möglichkeit, sich die entsprechenden Werte als Tabelle anzeigen zu lassen. Dabei bestehen zahlreiche Mög-lichkeiten der Analyse, z. B. die Anzeige von Vergleichswer-ten älterer Zeitschnitte, der übergeordneten administrativen Einheiten oder von Gebietsprofilen.

Wenn bei Raumgliederung Gemeinden gewählt ist, kann unter dem angeklickten gelben Button Tabelle – Indi-katorwerte – Raum-/Zeitvergleich (5) eine neue Seite mit neuen Optionen gestartet werden. Hier sind nun alle im

Landkreis befindlichen Gemeinden aufgelistet. Um auf die Listen zu gelangen ist bei der ausgewählten Kommune in der Rubrik Gebietsname dies Symbol anzuklicken. Nun können die einzelnen Werte gesichtet, ausgewählt und als CSV-Datei heruntergeladen werden.

Daten regen Diskussion über Flächenverbrauch anFür die Landwirtschaft z. B. ermittelt dieses Programm spe-zielle, auf die jeweilige betroffene Kommune bezogene Da-ten über:

→ Landwirtschaftsfläche pro Einwohner, → Anteil Siedlungs- und Verkehrsfläche an Gebietsflä-

che, → Anteil versiegelter Bodenflächen an Gebietsfläche

u. a.

Als hilfreich erweist sich dabei die Möglichkeit, die Gemein-dedaten in den Vergleich zum Landkreis, Land Bayern und zur Bundesrepublik zu setzen (siehe Abbildung 3). Zudem besteht die Möglichkeit die Entwicklung der Daten der Kommune der letzten acht Jahre von 2006 bis 2014 zu vergleichen und dar-zulegen. Diese Fakten über versiegelte Flächen regen oft den Gemeinderat zu differenzierten Diskussionen an. Sie schlagen sich in ausführlichen Beurteilungen und Abwägungen von

Kommunen nieder. In einem Fall dienten sie einer Bürger-initiative als Argumentati-onshilfe in einem gewonne-nen Bürgerentscheid gegen ein Gewerbegebiet.

Verwendung nicht nur für StellungnahmenDie Daten des IÖR-Moni-tors können bei Angabe der Quelle frei für Fachartikel und Vorträge genutzt wer-den. Mit seiner Hilfe lassen sich die Anteile von Land-wirtschaftsfläche, Ackerflä-che, Grünfläche, Wald- und Gehölzflächen an der Ge-bietsfläche ermitteln. Ferner sind Daten zu Überschwem-mungsgebieten, aber auch Landschafts- und Natur-schutzgebieten abfragbar. Ein Glossar listet die Defini-tionen zu den Fachbegriffen

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→ Abbildung 2: Screenshot der Internetseite vom IÖR-Monitor; Reiter: Karten

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der Raumordnung auf. Unter Publikationen ist weiterfüh-rende Fachliteratur zu finden. Das Informationsangebot ist sehr vielfältig und wird sich auch zukünftig weiterentwi-ckeln.

Literatur[1] Institut für Ökologischer Landbau, Bodenkultur und Res-

sourcenschutz Freising

[2] Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbei-tung (ALB)

HILDEGARD NEESER AMT fÜr erNÄHrUNG, LANdwIrTScHAfT UNd forSTeN wÜ[email protected]

→ Abbildung 3: Gebietsprofil einer Gemeinde mit Werten aller verfügbaren Indikatoren pro gewähltem Zeitschnitt und Indikator (IÖR-Monitor®

Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung)

Ab sofort können ländliche Gemein-den bei Dorferneuerungs- und Infra-strukturprojekten schneller an staatliche Zuschüsse kommen – auch außerhalb regulärer Dorferneuerungsverfahren. Landwirtschaftsminister Helmut Brun-ner hat dazu jetzt eine neue Förderungs-möglichkeit eröffnet. „Wir wollen den Kommunen helfen, überschaubare Pro-jekte wie Dorfplätze, Wege oder Gemein-schaftshäuser rasch und effizient umzu-setzen“, sagte der Minister in München.

Schnelle Hilfen für ländliche Gemeinden

Das Programm solle eine auf den Erhalt des ländlichen Charakters ausgerichtete Innenentwicklung der Gemeinden sowie einen modernen ländlichen Wegebau voranbringen. Laut Brunner können da-mit Investitionen zwischen 25 000 und 1,5 Millionen Euro mit einem Fördersatz von 60 Prozent bezuschusst werden.

Die Anträge hierfür müssen bis 31. Mai beim örtlich zuständigen Amt für Länd-liche Entwicklung eingereicht werden.

Detaillierte Informationen zum neuen Förderprogramm sowie die Antragsunterlagen gibt es bei den Ämtern für Ländliche Entwicklung sowie zum Herunterladen im Internet unter www.stmelf.bayern.de/LE-ELER.

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Erfassung von Bayerns StreuobstsortenAuf der Suche nach fast verlorenen Schätzen

von MARTIN DEGENBECK, STEFAN KILIAN und WOLFGANG SUBAL: Die EU-Richtlinie 2008/90/EG sieht vor, dass künftig nur noch Pflanzensorten verkauft werden dürfen, die amt-lich registriert worden sind. Ein gemeinsames Forschungsprojekt der Bayerischen Landesan-stalten für Landwirtschaft (LfL) und für Weinbau und Gartenbau (LWG) erfasste möglichst viele Sorten, die in Bayern vorgekommen bzw. heute noch vorhanden sind. Mittlerweile sind 5 089 Streuobstsorten in Listen erfasst und an das Bundessortenamt zur Registrierung gemeldet, davon 2 292 Apfel- und 1 658 Birnensorten. Nach der Registrierung durch das Bundessortenamt können diese Sorten gemäß den geltenden Bestimmungen weiterhin im Handel verbleiben.

Die EU-Richtlinie über das Inverkehrbringen von Vermeh-rungsmaterial und Pflanzen von Obstarten zur Fruchterzeu-gung (RL 2008/90/EG) regelt den Handel und Verkauf von Obstgehölzen neu. Bis zum 30. September 2012 waren die Mitgliedstaaten aufgefordert, alle Obstsorten, die nach dem Stichtag im Baumschulhandel bleiben sollten, zu registrie-ren. Später wurden noch Nachmeldungen ermöglicht. In Zu-kunft dürfen Baumschulen voraussichtlich nur noch Sorten anbieten, die amtlich registriert bzw. beschrieben oder die sortenrechtlich geschützt sind.

Ziel der RL 2008/90/EG sowie der Bundesverordnung über das Inverkehrbringen von Anbaumaterial von Ge-müse-, Obst- und Zierpflanzenarten (AGOZV) ist es, die Be-reitstellung von gesundem und qualitativ hochwertigem

Vermehrungsmaterial für Pflanzen jeder Art sicherzustellen. Hierfür sollten einheitliche Regeln für das gewerbsmäßige Inverkehrbringen aufgestellt werden.

Streuobstakteure und Sortenerhalter hatten die Befürch-tung, dass ein hoher bürokratischer Aufwand und damit hohe Kosten für die Registrierung der alten und meist nur in geringem Umfang gehandelten Sorten dazu führen könnte, dass diese Sorten von Baumschulen überhaupt nicht mehr angeboten und damit verschwinden werden. Diese Befürch-tungen bestanden auch für Sorten, die im Zuge von Kartie-rungen neu identifiziert und in Baumschulen wieder ver-mehrt werden. Somit bestand dringender Handlungsbedarf, die große Zahl der im Streuobstbau (noch) vorhandenen Obstsorten zu erfassen und registrieren zu lassen.

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→ Bild 1: Die rund 800 Aquarelle von Obstsorten des „Apfelpfarrers“

Korbinian Aigner (hier ‚Weidners Goldrenette‘) sind Sinnbild für die hohe

Bedeutung der Pomologie Anfang des 20. Jahrhunderts auch in Bayern.

→ Bild 2: Der Abgleich mit historischen Sortenwerken ist Grundlage

jeder Sortenbestimmung, hier dargestellt anhand der ‚Rheinischen

Schafsnase‘ (Fotomontage: Balling)

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Das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Land-wirtschaft und Forsten (StMELF) beauftragte deshalb 2012 LfL und LWG mit der Erfassung bayerischer Streuobst- und Liebhabersorten. Die Bearbeitung übernahm der Pomologe Wolfgang Subal.

Erster Schritt: Historische Sorten erfassenBis Mitte September 2012 hat Wolfgang Subal vor allem ver-fügbare historische Quellen – meist aus dem 18. und 19. Jahrhundert – ausgewertet. Bevorzugt waren darunter bay-erische Quellen zur Pomologie. Allerdings existierte bereits im 19. Jahrhundert ein intensiver nationaler und internati-onaler Austausch von Sorten, so dass viele Sortenwerke für ganz Mitteleuropa Bedeutung haben. Regionsspezifische Quellen gibt es nur wenige.

Wichtig für die Erstellung der Gesamtliste waren vor allem Sortenverzeichnisse und Kataloge des 19. und 20. Jahrhunderts aus bayerischen Baumschulen, z. B. Weihen-stephan und Triesdorf.

Zweiter Schritt: Aktuelles SorteninventarIn einem zweiten Schritt ging diese Sortenliste an die baye-rischen Kreisfachberater für Gartenkultur und Landespflege, die Landschaftspflegeverbände sowie an eine Reihe weite-rer bekannter Sortenexperten zur Prüfung und Ergänzung. Zum einen sollten diese Sortenexperten zurückmelden, wel-che Sorten in ihrem Landkreis sicher oder vermutlich noch vorhanden sind. Zum zweiten waren sie aufgefordert, wei-tere ihnen bekannte Sorten nach zu melden und die ange-gebenen Sortennamen zu prüfen (oft liegen mehrere regio-nale Bezeichnungen für ein und dieselbe Sorte vor).

Für das heutige Sortenspektrum wurden auch aktuelle Kataloge von Baumschulen berücksichtigt, die auf „alte“

Obstsorten spezialisiert sind, z. B. der Katalog der Baum-schule Baumgartner in Nöham bei Pfarrkirchen.

Vergleich historische und aktuell vorhandene Sorten in BayernBis Ende 2014 wurden insgesamt 5 089 Obstsorten aus neun Obstarten erfasst (siehe Tabelle 1). Wie zu erwarten war, stel-len die Apfelsorten mit 2 292 Sorten den bei weitem größten Anteil. Obwohl Birnen im Streuobst nur 10 bis 20 Prozent der Bäume stellen, ist hier die Anzahl der (ehemals vorhan-

→ Tabelle 1: Gesamtergebnis der Streuobstsortenerfassung, Stand

Dezember 2014

Obstart Sortenzahl vorhanden in %

Apfel 2 292 647 28

Birne 1 658 283 17

Quitte 92 53 58

Pflaume/ Zwetschge

405 62 15

Kirsche 454 84 19

Pfirsich* 137 6 4

Aprikose* 19 3 16

Mispel* 4 ? ?

Walnuss** 28 ? ?

Gesamt 5 089 1 138 22

* im Streuobstbau unbedeutende Obstarten ** Sortendifferenzierung kaum gebräuchlich

→ Bild 3: Der Pomologe Wolfgang Subal bei der Sortenbestimmung, hier

beim Streuobsttag 2013 in Veitshöchheim (Foto: Großpitsch)

→ Bild 4: Besonders alte Bäume, hier die Allgäuer Regionalsorte

‚Hängeler‘ an einem etwa 300 Jahre alten Birnbaum, sind für die

Erfassung interessant (Foto: Bosch)

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denen) Sorten mit 1 658 vergleichsweise hoch. Kirschen mit 454 und Zwetschgen bzw. Pflaumen mit 405 Sorten stellen ebenfalls wichtige Gruppen für die Sortenerhaltung dar. Bei der Quitte wurden 92 Sorten erfasst.

Die 28 gelisteten Walnusssorten gehen meist auf die Meldung des Experten Friedhelm Haun zurück; eine Sor-tendifferenzierung bei Walnuss spielt in der Pomologie aber kaum eine Rolle. Die Obstarten Mispel, Aprikose und Pfirsich

wurden am Rande mit erfasst, sind aber im Streuobstbau völlig unbedeutend.

Aktuell vorhandene Sorten in BayernFür 59 der 71 bayerischen Landkreise liegen mittlerweile Da-ten zu Obstsorten vor. Neben den Sortenmeldungen aus 46 Landkreisen konnten für 17 Landkreise die Ergebnisse aus Kartierungen der letzten Jahre verwendet werden, so

z. B. im Allgäu (Bosch & Vorbeck 2013), im Landkreis Lindau (Bosch u. a. 2008), im Landkreis Würzburg (Vorbeck u. a. 2011) sowie Kartierungen von Wolf-gang Subal in Mittel- und Oberfran-ken (Subal 2006, 2012a/b, 2014). Die 25 kreisfreien Städte wurden nicht ge-sondert abgefragt.

Es wurden insgesamt 1 138 Obst-sorten genannt, die aktuell in min-destens einem der 59 ausgewerteten Landkreise vorkommen. Darunter wa-ren 647 Apfelsorten, 283 Birnensorten, 84 Kirschensorten, 4 Aprikosensorten, 6 Pfirsichsorten, 53 Quittensorten und 62 Zwetschgensorten.

Die meisten Sortenmeldungen ka-men aus dem Landkreis Regensburg (445), gefolgt von Erlangen-Höchstadt (395), Cham (358) und Rosenheim (325).

Am häufigsten zurückgemeldet wurden bei Apfel die Sorten Graven-steiner, Jakob Fischer, Jakob Lebel und Schöner aus Boskoop, bei Birne Köst-liche aus Charneux, Alexander Lucas und Gute Graue (siehe Tabelle 2).

→ Bild 5: Die ‚Röhrlesbirne‘, eine unterfränkische Lokalsorte, galt als

verschollen und wurde 2007 im Lkr. Würzburg wieder gefunden

(Bild: Subal)

→ Bild 6: Offene Fälle können vielfach durch mehrere Pomologen (v. l. H.

Bosch, A. Vorbeck, E. Wolfert, S. Löwe und E. Balling) anhand von

Bestimmungsliteratur und Kernmustern geklärt werden

(Foto: Degenbeck)

→ Tabelle 2: Die 20 am häufigsten zurückgemeldeten Apfel- und Birnensorten aus 59 Landkreisen

Äpfel Anzahl Birnen Anzahl

Gravensteiner 57 Köstliche aus Charneux 50

Jakob Fischer 55 Alexander Lucas 49

Jakob Lebel 55 Gute Graue 47

Schöner aus Boskoop 55 Doppelte Philippsbirne 44

Brettacher 54 Gellerts Butterbirne 44

Welschisner 54 Gute Luise von Avranches 44

Kaiser Wilhelm 53 Gräfin von Paris 44

Weißer Klarapfel 53 Oberösterreichische Weinbirne 43

Landsberger Renette 53 Clapps Liebling 42

Wintergoldparmäne 53 Conference 41

Rheinischer Winterrambur 52 Williams Christbirne 40

Roter Boskoop 52 Neue Poiteau 40

Ontario 51 Mollebusch 38

Roter Eiserapfel 51 Madame Verte 38

Grahams Jubiläumsapfel 50 Pastorenbirne 36

Danziger Kantapfel 49 Schweizer Wasserbirne 36

Ingrid Marie 49 Boscs Flaschenbirne 33

Transparent aus Croncels 48 Clairgeaus Butterbirne 33

Schöner aus Wiltshire 48 Stuttgarter Geißhirtle 32

Lohrer Rambur 48 Prinzessin Marianne 32

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Mit der Meldung von insgesamt 5 089 bayerischen Obsts-orten an das Bundessortenamt ist ein wichtiger Schritt ge-macht worden, um die Sortenvielfalt in unseren Streuobst-wiesen nicht weiter zu gefährden. Das Bundessortenamt hat 2014 begonnen, die Liste der vertriebsfähigen Obstsor-ten online unter www.bundessortenamt.de/internet30/in-dex.php?id=240 bereitzustellen; diese Liste ist längst noch nicht vollständig und wird laufend ergänzt. Weitere Nach-meldungen „alter Sorten“ an das Bundessortenamt zur Registrierung sind in den nächsten Jahren bis auf weiteres einfach und kostenfrei möglich.

Weiterführende InformationenDie Sortenlisten und weitere Informationen werden Inter-essenten zur Verfügung gestellt. Weitergehende Informa-tionen zur Thematik sind zu finden unter www.lfl.bayern.de/iab/kulturlandschaft/128790/ sowie unter www.lwg.bayern.de/landespflege/natur_landschaft/086526/.

Infobox: Kostenlose Nachmeldung am Bundes-sortenamt

→ Tabelle 3: Lokalsorten in Bayern

Obstart Lokalsorte Bayern

Lokalsorte partiell*

Lokalsorte fraglich**

Gesamt

Äpfel 91 4 17 112

Birnen 48 1 13 62

Kirsche 5 − 1 6

Mispel − − − −

Aprikose − − − −

Pfirsich − − − −

Quitte 1 − − 1

Walnuss − − − −

Zwetschge 2 − 1 3

Gesamt 147 5 32 184

* partielle Lokalsorte: kommt zum Teil in Bayern, zum Teil darüber hinaus als Lokalsorte vor** fragliche Lokalsorte: ohne pomologische Prüfung nicht eindeutig bestimmt

Aufgrund von regional unterschiedlichen Bezeichnun-gen derselben Obstsorte – auch in der Sortenliteratur – ist es ohne pomologische Überprüfung schwierig, Lokalsorten zu determinieren. Insgesamt konnten 184 Lokalsorten er-fasst werden, davon 147 als sichere, 32 als fragliche und 5 als partielle Lokalsorten (siehe Tabelle 3). Als Beispiele seien genannt: Allgäuer Kalvill, Bernrieder Stingel, Bamberger Ku-gelbirne, Deggendorfer Frauenapfel, Kitzinger Taubenapfel, Hürther Apfel und Großwallstädter Rosenapfel.

Bewertung der ErgebnisseDie enorme Sortenvielfalt, die sich auf Grund der großen Bedeutung des Streuobstbaus für die Selbstversorgung der Bevölkerung entwickelt hat und Ende des 19. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreichte (BOSCH, SCHWINDEL & DEGEN-BECK 2009), ist immer wieder beeindruckend. Inwieweit die in historischen Quellen genannten Sorten wirklich eigen-ständige Sorten waren und nicht nur regional unterschied-liche Bezeichnungen für ein und dieselbe Sorte, lässt sich im Nachhinein oft nicht mehr prüfen. Der möglicherweise da-raus resultierende Fehler liegt nach Einschätzung von Wolf-gang Subal bei unter drei Prozent der Sortenzahl.

Die geringe Rückmeldequote an aktuell vorhandenen Sorten von nur 22 Prozent hat zwei Gründe: Zum einen sind mit der Rodung eines großen Teils der Streuobstbäume in Bayern in den letzten 60 Jahren viele Sorten verschwunden, da bei den Neu- und Nachpflanzungen im Wesentlichen auf ein weit verbreitetes Standardsortiment zurückgegrif-fen worden ist (BOSCH, SCHWINDEL & DEGENBECK 2009). Zum andern ist die Sortenkenntnis heute in der Bevölkerung mangels praktischer Notwendigkeit weitgehend erodiert (DEGENBECK 2005). Nicht nur in Bayern sind nur noch wenige Pomologen in der Lage, mehr als 100 Obstsorten halbwegs sicher zu unterscheiden. Außerdem gerieten bereits vor Jahr-

zehnten viele Sorten in Vergessenheit. Die Kenntnis zahlreicher Sorten muss deshalb in vielen Fällen erst wieder neu erarbeitet werden. Allerdings gibt es dafür zu wenige Nachwuchskräfte in der Pomologie.

In manchen Fällen bilden die Listen der rückgemeldeten Sorten mangels Kenntnis bzw. fehlender Kartierung der aktuell vorkommenden Sorten nur ein weitgehend flächendeckend ver-breitetes Standardsortiment ab. In an-deren Fällen wurden hingegen Sorten gemeldet, die nur noch äußerst selten oder völlig unbekannt sind. Aus fach-licher Sicht ist hier eine Überprüfung geboten, teilweise anhand von Frucht-proben. Die Überprüfung und Verifizie-

rung der Daten ist sehr zeitaufwändig und konnte in vielen Fällen nicht geleistet werden. Manche gemeldeten Sorten-namen sind mehrdeutig (so z. B. „Wasserbirne“ oder „Honig-birne“) und für eine überprüfbare Sortenliste nicht brauch-bar. In etlichen Fällen wurde das Inventar von Sortengärten gemeldet, die zur Sortenerhaltung von pomologisch inter-essierten Gruppen angelegt worden sind. Diese beziehen je-doch ihr Pflanzmaterial oft von spezialisierten Baumschulen. Auch dort können Fehler im Umfang von 20 bis 40 Prozent des Sortiments vorkommen, welche bei der Verbreitung der Sorten multipliziert werden.

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Der Kenntnisstand bei Kirschen und Zwetschgen und den nicht streuobsttypischen Obstarten ist sehr schlecht. In vielen Landkreislisten wurde für diese Obstarten keine einzige Sorte gemeldet. Auch ein großer Teil der Pomolo-gen befasst sich vornehmlich mit Apfel und seltener auch mit Birne. Gerade bei der Birne ist jedoch mit nur 17 Prozent zurückgemeldeter Sorten die Sortenkenntnis weitgehend verlorengegangen, wenngleich auf Grund der Langlebigkeit der Birnbäume viele verschollene Sorten tatsächlich noch irgendwo stehen könnten. Diese Einschätzung wird auch durch die Ergebnisse einiger Kartierungen bestätigt.

Der gute Kenntnisstand bei der Quitte geht auf die bei-den Quittenexperten Monika Schirmer und Marius Wittur zurück. Zusammen sind sie für die Renaissance der Quitte in den letzten Jahren verantwortlich, nachdem diese Obstart über Jahrzehnte ein Schattendasein führte.

Unsere Streuobstbestände sind Garanten für eine viel-fältige heimische Obsterzeugung und ermöglichen uner-wartete Genüsse weit über das Gewöhnliche hinaus. Alte Obstsorten werden genutzt, um regionale Spezialitäten zu erzeugen – vom sortenreinen Edelbrand z. B. aus der Ap-

felsorte ‚Goldparmäne‘ bis hin zum Birnenschaumwein aus der ‚Champagner-Brat-birne‘. Die Vielfalt dieser Produkte zeigt den erfolg-versprechendsten Weg zur Sortenerhaltung: Über gute regionale Produkte für den anspruchsvollen Genießer schafft man Anreize, alte Obstbäume mit seltenen Sorten zu erhalten.

Wer mit seinen Streuobst-bäumen zu wenig Geld ver-dient, verliert irgendwann das Interesse an der regel-mäßigen Pflege der Bäume und an Nachpflanzungen. Für den wirtschaftlichen Anbau liefern Obstsorten-projekte die Basisinforma-tionen: Es werden Sorten erfasst, in Sortengärten ge-sichert, Sorteneigenschaf-ten im Feld und im Labor geprüft und regionale Emp-fehlungslisten erarbeitet. Fe-derführend ist hier die LWG aktiv. Die im Rahmen dieser Projekte und weiterer z. T. auf Privatinitiative entstandenen Sortengärten, z. B. wurden in

Schlachters 95 Allgäuer Apfel- und 69 Birnensorten gesichert, sind wichtig für die weitere Sortenprüfung. Der Forschungs-bedarf ist groß, um aus der gefundenen Sortenvielfalt die robusten und für den zukünftigen Anbau geeigneten Sorten weiter zu selektieren und über die Baumschulen wieder ver-fügbar zu machen. Die Forschung ist auf Grund der Alters-struktur der Obstbäume und Baumbesitzer dringend.

Literatur bei den Autoren.

MARTIN DEGENBECK BAYerIScHe LANdeSANSTALT fÜr weINBAU UNd [email protected] KILIAN BAYerIScHe LANdeSANSTALT fÜr [email protected] SUBAL dIPLoM-BIoLoGe, HeIdeNHeIM

[email protected]

→ Abbildung 1: Aus diesen Landkreisen erfolgten Rückmeldungen, vor allem durch die Kreisfachberater.

Ergänzungen durch Kartierungsergebnisse in 13 Landkreisen (Allgäu, Würzburg, Mittel- und Oberfranken)

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Die Entwicklung des ernährungswirtschaftlichen Außenhandels Bayerns 2015Differenzierung nach Produkten – Teil 1

von JOSEF HUBER und HERBERT GOLDHOFER: Im vergangenen Jahr erzielten die ernäh-rungswirtschaftliche Aus- und Einfuhr trotz der weltweit gesunkenen Nahrungsmittelpreise zum sechsten Mal in Folge einen neuen Höchststand. Der Gesamtwert der ernährungswirt-schaftlichen Ausfuhren stieg 2015 um 0,1 Prozent und erreichte mit 8,72 Mrd. Euro einen neuen Rekordwert. Käse, Milch und Milcherzeugnisse sowie Fleisch und Fleischwaren blie-ben trotz rückläufiger Umsätze die drei wichtigsten Ausfuhrprodukte. Die Einfuhren nahmen sogar um 9,4 Prozent auf 8,88 Mrd. Euro zu. Bei den eingeführten Produkten lag Obst ein-schließlich Südfrüchten an erster Stelle, gefolgt von Käse sowie Fleisch und Fleischwaren.

Nach vorläufigen Ergebnissen des Bayerischen Landesam-tes für Statistik exportierten die gewerbliche Wirtschaft und die Ernährungswirtschaft Bayerns im vergangenen Jahr Pro-dukte im Wert von insgesamt 178,9 Mrd. Euro. Auf Erzeug-nisse der Land- und Ernährungswirtschaft entfielen 8,72 Mrd. Euro. Zu den ernährungswirtschaftlichen Produkten werden neben Agrarprodukten, Lebens- und Futtermitteln auch Genussmittel gezählt. Dabei blieb die Ausfuhr der Er-nährungswirtschaft mit einer Steigerung von 0,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr um 5,8 Prozent hinter der gewerb-lichen Wirtschaft zurück.

2014 wurden ernährungswirtschaftliche Waren im Wert von 8,71 Mrd. Euro exportiert. Die Ausfuhr der Land- und Ernährungswirtschaft hat 2015 um rund 8 Mio. Euro oder um 0,1 Prozent zugenommen.

Käse führt Exporte anVon den einzelnen ernährungswirtschaftlichen Produkten Bayerns ist Käse bei der Ausfuhr am wichtigsten. Der Export-wert lag 2015 bei 1,51 Mrd. Euro (Abbildung 1) und war damit um 8,7 Prozent niedriger als 2014. Dabei nahm die expor-tierte Menge zwar um 2,7 Prozent zu, aber der durchschnitt-

liche Produktpreis sank um 11,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

An zweiter Stelle in der Reihenfolge der Ausfuhr-werte standen Milch und Milcherzeugnisse. Dazu zäh-len in der Außenhandelssta-tistik unter anderem Rahm, Buttermilch, saure Milch, Ke-fir und Molke, Magermilch-pulver, Vollmilchpulver, Mol-kenpulver sowie Joghurt mit und ohne Fruchtzusätze. Der Wert der Ausfuhr dieser Wa-renuntergruppe fiel gegen-über 2014 von 1,25 Mrd. Euro auf 1,17 Mrd. Euro oder um 6,4 Prozent. Der men-genmäßige Absatzrückgang

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→ Abbildung 1: Ausfuhrwert der wichtigsten ernährungswirtschaftlichen Produkte Bayerns in den letzten

beiden Jahren

Mio. €

* vorläufig.Quelle: Bay. LfStat.

1653

1250

1047

867

565

1509

1170

968 893

629

0

200

400

600

800

1000

1200

1400

1600

1800

Käse Milch u. Milcherzeugnisse Fleisch u. Fleischwaren Pflanzl. Nahrungsmittel Backwaren

2014* 2015*

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um 1,7 Prozent wurde zusätzlich von den Preisabschlägen in Höhe von 4,8 Prozent überboten.

Bei den auf dem dritten Rang folgenden Fleisch und Fleischwaren sank der Exportwert um 7,5 Prozent auf 0,97 Mrd. Euro. Dabei stiegen die durchschnittlichen Produkt-preise um 3,3 Prozent. Im Gegensatz dazu war der mengen-mäßige Absatz um 10,4 Prozent rückläufig.

Exporte von Tieren und ProdukteBei lebenden Tieren verminderte sich der Exportwert um 3,8 Prozent auf 148 Mio. Euro. Dabei übertrafen die niedrigeren Ausfuhren bei Schweinen die höheren Exporte bei Rindern, Hausgeflügel und Pferden.

Die wertmäßige Summe aus Tierischen Produkten und lebenden Tieren sank um 7,3 Prozent und erreichte 2015 ei-nen Exportwert von 4,02 Mrd. Euro. Dies wurde vor allem von den niedrigeren Ausfuhrerlösen bei Käse, Milch und Milch erzeugnissen sowie Fleisch und Fleischwaren verur-sacht. Wie Abbildung 2 zeigt, hatte diese Warenhauptgruppe im letzten Jahr einen Anteil von 46,1 Prozent am gesamten Ausfuhrwert der bayerischen Ernährungswirtschaft.

Erzeugnisse pflanzlichen Ursprungs gestiegenDie Summe des Exportwertes bei den Erzeugnissen pflanz-lichen Ursprungs machte im letzten Jahr 3,51 Mrd. Euro aus. Das bedeutete gegenüber 2014 eine Steigerung um 7,9 Pro-zent. Der Anteil von Erzeugnissen pflanzlichen Ursprungs an den gesamten ernährungswirtschaftlichen Ausfuhren lag

2015 bei 40,2 Prozent (plus 2,9 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr).

Bei dieser Warenhauptgruppe stehen „Nahrungsmit-tel pflanzlichen Ursprungs, anders nicht genannt“ an der Spitze. Deren Ausfuhrwert vergrößerte sich im letzten Jahr auf 893 Mio. Euro (+3,0 Prozent). Zu dieser Kategorie zählen beispielsweise Essig, Suppen, Brühen, Pflanzensäfte, Würz-soßen und Eiweißkonzentrate.

Außerdem sticht bei den pflanzlichen Produkten auch die Warenuntergruppe Backwaren und andere Zubereitun-gen aus Getreide mit einem Exportwert von 629 Mio. Euro und einer Steigerung um 11,4 Prozent gegenüber dem Vor-jahr hervor. Dazu gehören Teigwaren, Kekse, Knäckebrot und Waffeln. Außerdem zählen mit Fleisch gefüllte Teigwa-ren, wie z. B. Ravioli, Maultaschen oder Lasagne dazu.

Das drittwichtigste Exportprodukt von pflanzlichen Er-zeugnissen sind Zuckerrüben, Zucker und Zuckererzeug-nisse. Der Exportwert fiel von 315 Mio. Euro 2014 auf 267 Mio. Euro im Jahr 2015 (–15,5 Prozent).

Von Bedeutung beim Export der pflanzlichen Waren-gruppe waren auch noch Kleie und sonstige Futtermittel mit 266 Mio. Euro (+24,1 Prozent), Weizen mit einem Aus-fuhrwert von 232 Mio. Euro (–20,0 Prozent), sowie Kakao und Kakaoerzeugnisse mit 175 Mio. Euro (+16,1 Prozent).

Exporte von Genussmitteln gestiegenBei den Genussmitteln stieg der Exportwert im vergan-gen Jahr auf rund 1,19 Mrd. Euro an und war damit um 5,8

Prozent über dem Wert von 2014. Der Anteil an den er-nährungswirtschaftlichen Exporten erhöhte sich zum Vorjahr um 0,8 Prozent-punkte auf 13,7 Prozent (siehe Abbildung 2).

Bier (ohne alkoholfreie Biere) konnte den Ausfuhr-wert im letzten Jahr auf 449 Mio. Euro bzw. um 6,9 Pro-zent über dem Vorjahr stei-gern. Der wertmäßig zweit-wichtigste Produktbereich der Warenhauptgruppe Ge-nussmittel ist Rohtabak und Tabakerzeugnisse. Der er-zielte Exportwert von 389 Mio. Euro bedeutet gegen-über 2014 ein Plus von 1,8 Prozent. Hopfen wurde im Wert von 211 Mio. Euro aus

→ Abbildung 2: Anteile der drei Warenhauptgruppen im ernährungswirtschaftlichen Außenhandel Bayerns

2015* (Gesamtwert jeweils 100 Prozent)

%

* vorläufig.Quelle: Bay. LfStat. - eigene Berechnungen.

Ausfuhr Einfuhr

46,1

30,2

40,2

59,3

13,7 10,5

0

10

20

30

40

50

60

70

Tier. Prod./leb. Tiere Pflanzl. Produkte Genussmittel

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Bayern exportiert. Auf Grund höherer Preise und gestiege-ner Absatzmengen erhöhte sich der Exportwert um 11,7 Pro-zent gegenüber dem Vorjahr.

Obst und Südfrüchte führen Importe anDer Einfuhrwert von Produkten der Ernährungswirtschaft lag mit 8,88 Mrd. Euro zum dritten Mal nacheinander über der 8 Mrd. Euro-Schwelle. Die Zunahme gegenüber 2014 belief sich auf 9,4 Prozent.

Strukturell unterscheiden sich die drei Warenhauptgrup-pen bei den ernährungswirtschaftlichen Einfuhren ganz we-sentlich von den Ausfuhren. Wie Abbildung 2 zeigt, waren bei den Importen die Produkte pflanzlichen Ursprungs mit einem Anteil von 59,3 Prozent mit großem Vorsprung am bedeutendsten.

Von den nach Bayern eingeführten Lebensmitteln stan-den Obst und Südfrüchte mit einem Importwert von 890 Mio. Euro an erster Stelle (Abbildung 3). Gegenüber 2014 be-deutet dies eine Zunahme um 10,7 Prozent. Die hohen Im-porte bei dieser Produktgruppe lassen sich durch den mit rund sechs Prozent sehr geringen Selbstversorgungsgrad Bayerns beim Obst erklären.

Käse erreichte wegen des Rückgangs um 1,3 Prozent mit rund 885 Mio. Euro in diesem Jahr nur den zweiten Rang. Mit einer Verminderung um 3,2 Prozent gegenüber dem Vor-jahr auf 708 Mio. Euro belegten Fleisch und Fleischwaren den dritten Rang der wertmäßig bedeutendsten Einfuhrpro-dukte. „Nahrungsmittel pflanzlichen Ursprungs, anderweitig nicht genannt“ stellten mit einem Importwert von 674 Mio. Euro (+22,0 Prozent) die viertwichtigste Warengruppe der

ernährungswirtschaftlichen Einfuhren dar. Ein weiterer wichtiger Importbereich war Milch und Milcherzeugnisse, der sich um 0,5 Prozent ge-genüber dem Vorjahr auf 651 Mio. Euro verringerte. Bei „Gemüse und sonstige Küchengewächse“ betrug der Einfuhrwert 626 Mio. Euro und war um 8,9 Prozent höher als 2014.

Wein wichtigstes importiertes Genussmittel Der Einfuhrwert bei den Genussmitteln machte 930 Mio. Euro (+18,2 Prozent) aus. Wein stand dabei auf dem ersten Rang (375 Mio. Euro; +2,4 Prozent), darauf

folgte der Branntwein mit 270 Mio. Euro (+25,2 Prozent). Eine außerordentliche Erhöhung gab es bei Rohtabak und Tabakerzeugnissen, dem drittwichtigsten Einfuhrprodukt bei den Genussmitteln. Der Importwert verdoppelte sich (+109,3 Prozent) auf 131 Mio. Euro.

FazitDer Gesamtwert der ernährungswirtschaftlichen Ausfuhren erreichte 2015 mit 8,72 Mrd. Euro (+0,1 Prozent) einen neuen Spitzenwert. Der wertmäßige Export der drei wichtigsten Erzeugnisse Käse, Milch und Milcherzeugnisse sowie Fleisch und Fleischwaren machte dabei über zwei Fünftel der Ge-samtexporte aus (41,8 Prozent). Die gesamten ernährungs-wirtschaftlichen Einfuhren erlangten 2015 mit 8,88 Mrd. Euro (+9,4 Prozent) ebenfalls einen neuen Rekord. Die drei bedeutsamsten Importprodukte Obst und Südfrüchte, Käse sowie Fleisch und Fleischwaren trugen dazu über ein Vier-tel der gesamten Einfuhren (27,9 Prozent) bei. Wegen der höheren Steigerungen beim Import verwandelte sich der positive Außenhandelssaldo der bayerischen Land- und Er-nährungswirtschaft 2015 gegenüber dem Vorjahr von Plus 587 Mio. Euro in ein Minus von 166 Mio. Euro.

JOSEF HUBERHERBERT GOLDHOFERBAYerIScHe LANdeSANSTALT fÜr LANdwIrTScHAfTINSTITUT fÜr erNÄHrUNGSwIrTScHAfT UNd MÄ[email protected]@lfl.bayern.de

→ Abbildung 3: Einfuhrwert der wichtigsten ernährungswirtschaftlichen Produkte Bayerns in den letzten

beiden Jahren

804

896

731

552

654

890 885

708 674

651

0

100

200

300

400

500

600

700

800

900

1000

Obst und Südfrüchte Käse Fleisch und Fleischwaren Pflanzl. Nahrungsmittel Milch u. Milcherzeugnisse

2014* 2015*

Mio. €

* vorläufig.Quelle: Bay. LfStat.

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Pro Gesund für ein Plus in der TiergesundheitDer Bayerische Weg – Staatsminister Brunner überzeugt sich vor Ort

von SABINE WEINDL und DR. DR. EVA ZEILER: Das Thema Tierwohl genießt in der Gesell-schaft einen besonderen Stellenwert. In der Diskussion wird oft die Betriebsgröße ohne sach-liche Rechtfertigung in den Vordergrund gestellt. Eine fachliche und neutrale Beurteilung ist hier nötig, und es müssen die tatsächlichen Bedürfnisse der einzelnen Nutztiere stärker be-rücksichtigt werden. Zahlen und Fakten, die Pro Gesund im Rahmen des Gesundheitsmonito-ring liefert, bilden hier eine gute Grundlage für richtige Entscheidungen.

Landwirtschaftliche Familienbetriebe flächendeckend in Bayern wettbe-werbsfähig zu halten, ist das erklärte Ziel von Staatsminister Helmut Brun-ner. Individuelle Alternativen zu finden, statt sich dem Motto „Wachsen oder Weichen“ zu beugen, ist die einzige Möglichkeit, die vielfältige Struktur, die flächendeckende Bewirtschaftung und somit den Erhalt der Kulturland-schaft in Bayern sicherzustellen. Hel-mut Brunner hat sich deshalb für 2016 vorgenommen, jeden Monat einen Be-trieb zu besuchen, der das Motto des „Bayerischen Weges“ in die Praxis um-gesetzt hat. Der zweite Besuch führte Minister Brunner in den Landkreis Frei-sing zum Milchviehbetrieb Betz nach Weng, einem Pro Gesund Betrieb der ersten Stunde.

Gesundheitsmonitoring schreibt Prophylaxe großDas Gesundheitsmonitoring bei Rindern – Pro Gesund – ba-siert auf der Verknüpfung von Tierdaten, die bis dahin ge-trennt bei Landwirten, Tierärzten oder dem Landeskurato-rium der Erzeugerringe für tierische Veredelung in Bayern e. V. (LKV) erfasst wurden. Bereits im Jahr 2012 richtete Mi-nister Brunner einen Runden Tisch für tiergerechte Haltung ein und startete das Projekt „Pro Gesund“. Seitdem wurden rund 65 000 Diagnosen von Tierärzten und rund 2,4 Millio-nen gesundheitsrelevante Beobachtungen von Landwirten erfasst und verarbeitet. Diese Zahlen belegen, dass Land-wirte, Tierärzte und das LKV gemeinsam für die Gesundheit der Rinder hin zu mehr Prophylaxe und weniger Behand-lungen arbeiten. Schwankende Preise und sinkende Erlöse

zwingen die Milchviehbetriebe, die Kosten genau zu analy-sieren und soweit möglich zu reduzieren. Die Vorteile einer verbesserten Tiergesundheit schlagen sich natürlich auf der Kostenseite nieder:

der Landwirt spart Kosten für Behandlung und Medikamente.

Doch der Effekt geht weit darüber hinaus. Die Tiere, an-gefangen bei den Kälbern über das Jungvieh bis hin zu den Milchkühen, sind seltener krank. Bei Bedarf sind die Gesund-heitsdaten jedes Tieres jederzeit sichtbar und können für

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→ Sein zweiter Besuch im Rahmen der Aktion „Agrarpolitik in der Praxis“ führte Staatsminister

Brunner zum Milchviehbetrieb von Josef und Angelika Betz nach Weng, Landkreis Freising,

einem Pro Gesund Betrieb der ersten Stunde (Foto: Tobias Hase, StMELF)

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Managemententscheidungen mit herangezogen werden. Wer weiß bei der ersten Kalbung einer Kuh noch, ob, wie oft und wie schwer diese als Kalb krank war? Neben dem Vorteil beim Tierwohl spielt hier ein anderer Aspekt eine Rolle: die Zufriedenheit und Motivation. Für einen verantwortungs-vollen Tierhalter stellen kranke Tiere eine Belastung dar, Behandlung und Betreuung fordern Zeit und Nerven. Ein genauer Überblick über den Gesundheitsstatus der Herde, aber auch jeder einzelnen Kuh zeigen auf, wo der Betrieb z. B. in der Eutergesundheit oder bei der Fruchtbarkeit steht und was genau er verbessern kann.

Weniger Behandlungen, mehr GesundheitsberatungWeniger Tierarztbesuche sind ein offensichtlicher und mess-barer Erfolg bei Pro Gesund. Und die Tierarztbesuche lau-fen anders ab: Ähnlich der Integrierten Tierärztlichen Be-standsbetreuung (ITB) überwachen Landwirt und Tierarzt gemeinsam die Herdengesundheit. Regelmäßige Herden-checks richten den Fokus z. B. auf die Kühe nach der Abkal-bung und legen die richtigen Aktionen fest (Besamung ja/nein, Behandlung notwendig, Abwarten etc.). Der Tierarzt übernimmt bei Pro Gesund mehr die Rolle eines Beraters, unterstützt bei der Prophylaxe und nimmt weniger akute Behandlungen vor. Die am Projekt beteiligten rund 150 Tier-ärzte bekräftigen die Effekte. Pro Gesund verdeutlicht den Willen der Milchviehhalter, das Thema Tierwohl und tierge-rechte Haltung aktiv anzugehen.

Freiwilliges Angebot für Milchviehbetriebe Pro Gesund wird als freiwilliges Programm für alle Milch-viehbetriebe angeboten, die bei der Milchleistungsprüfung (MLP) teilnehmen. Pro Gesund ist ein Gemeinschaftsprojekt der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), des LKV, der Bayerischen Landestierärztekammer, des Tierge-sundheitsdienstes Bayern e. V. und des Bundes praktizieren-der Tierärzte. Träger ist das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Neben den Daten der MLP fließen die am Betrieb erfass-ten Daten zu allen Maßnahmen der Tiergesundheit ein. Bei jeder Behandlung codiert der Tierarzt die gestellte Diag-nose, die im Anschluss an die Datenbank von Pro Gesund übermittelt wird.

die diagnosedaten werden aufbereitet, ausgewertet und sowohl dem Tierarzt als auch dem Landwirt zur Verfügung gestellt.

Dabei können Landwirte eine Übersicht über Ihren Betriebs-status hinsichtlich auftretender Erkrankungen in Kombina-

tion mit Leistungsdaten erhalten. Gerade durch die Zusam-menarbeit von Landwirt und Tierarzt und mit dem Wissen um die Schwachstellen im Bestand kann der Tierhalter die Tiergesundheit seiner Herde nachhaltig verbessern.

Gewachsener Betrieb mit PerspektivenDer Familienbetrieb von Angelika und Josef Betz kann mit rund 65 Milchkühen als typischer Betrieb für bayerische Ver-hältnisse gesehen werden. Die Betriebsentwicklung und -größe stehen für den bayerischen Weg. Das Rindermonito-ring Pro Gesund gibt dem Familienbetrieb Betz umfangrei-che Zahlen und Fakten zur eigenen Situation im Betrieb an die Hand. Vergleiche mit Berufskollegen und der verschiede-nen Jahre im eigenen Bestand zeigen Entwicklungen, posi-tive Aspekte und erreichte Leistungen. Schwachstellen kön-nen zielsicher identifiziert und direkt angegangen werden. Als ein Effekt des Gesundheitsmonitorings werden die Be-reiche rund um Geburt, Abkalbung und Trockenstehen bau-lich optimiert. Und Pro Gesund bestärkt in den Bereichen, in denen der Betrieb bereits die richtigen Weichenstellungen vorgenommen hat.

SABINE WEINDL BAYerIScHe LANdeSANSTALT fÜr LANdwIrTScHAfTABTeILUNG INforMATIoN UNd wISSeNSMANAGeMeNT [email protected]. DR. EVA ZEILER BAYerIScHe LANdeSANSTALT fÜr LANdwIrTScHAfT INSTITUT fÜr TIerzUcHT [email protected]

→ Projektleiterin Dr. Dr. Eva Zeiler erläutert dem Staatsminister die Pro

Gesund Daten (Foto: Tobias Hase, StMELF)

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„Zu gesunden Tieren geht man gern in den Stall“Interview mit Josef und Angelika Betz, Milchviehbetrieb im Programm Pro Gesund

Der Milchviehbetrieb von Josef und Angelika Betz liegt in Weng, Gemeinde Fahrenzhausen, im Landkreis Freising. Die Familie hält rund 65 Milchkühe mit eigener Nachzucht in einem Laufstall in Dorflage. Am Projekt Pro Gesund nimmt der Betrieb bereits seit dem Projektstart im Jahr 2012 teil.

Herr und Frau Betz, was bedeutet es in der Praxis am Projekt Pro Gesund teilzunehmen? Unser Betrieb nutzt die Daten der Milchleistungsprüfung nicht nur zur Leistungskontrolle, sondern auch zum akti-ven Herdenmanagement. Alle sechs Wochen besprechen wir gemeinsam mit unserem Hoftierarzt die Daten und ent-scheiden anhand mehrerer Parameter, z. B. Entwicklung der Milchleistung, Entwicklung der Rückenfettdicke, Entwick-lung der Milchinhaltsstoffe, optischer Eindruck der Tiere, was mit dem jeweiligen Einzeltier geschieht: Ist eine künstliche Besamung zum jetzigen Zeitpunkt aussichtsreich? Welche Maßnahmen sind zum Trockenstellen notwendig?

Welche Rolle spielt dabei die tierärztliche Betreuung?Die im Rahmen der integrierten Tierärztlichen Bestands-betreuung angebotene Prophylaxe und die laktationsbe-gleitenden Routine-Gesundheitschecks der Kühe sind für uns sehr interessant. So können wir Abweichungen eher erkennen, mit wesentlich geringerem Aufwand Probleme angehen und Fehler beseitigen. Auch unser Hofnachfolger

ist offen gegenüber neuen Technologien und nutzt die Mög-lichkeiten aus Pro Gesund im Betrieb.

Worin sehen Sie Fortschritte seit der Teilnahme an Pro Gesund? Unser Betrieb war bereits vor Pro Gesund offen für eine in-tensive Bestandsbetreuung der Herde, wir können uns seit Pro Gesund aber mit anderen Betrieben vergleichen. Der anonyme bayernweite Vergleich der Tiergesundheit unse-rer Herde mit ähnlichen Betrieben kann Ansporn sein, aber auch kritische Selbstkontrolle. Die Tiergesundheit war vor-her nur in den Tierarztkosten und der Anzahl der Tierarzt-besuche je Jahr und je Milchkuh sichtbar. Mit Pro Gesund ist eine Aussage möglich, was genau die entstanden Tier-arztkosten verursacht hat und welche Tiere oder Tierlinien den Tierarzt häufiger benötigen. Unser Ziel sind unkom-plizierte, robuste und leistungsbereite Milchkühe, die den Tierarzt nur für Routinemaßnahmen, wie Besamung, Träch-tigkeitsuntersuchungen oder zum Herdencheck sehen.

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→ Landwirt Betz hat sichtbar Freude an seinen gesunden Milchkühen

(alle Fotos: Tobias Hase, StMELF)

→ Hoftierarzt Dr. Michael Schmaußer bei der Messung der Rückenfett-

dicke mit Bernhard Betz

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Woran messen Sie dieses Ziel? Wichtig sind uns die Eutergesundheit, also Zellzahl, Milchmenge und Milchinhaltsstoffe, eine gute Fruchtbar-keit, insbesondere die zu erwartende Zwischenkalbezeit muss stimmen, und die Stoffwechselgesundheit.

Wie hat sich der Alltag in Ihrem Betrieb durch die Teilnahme an Pro Gesund geändert?Die Management-Funktionen im LKV Herdenmanager er-möglichen z. B. gezielte Brunstkontrolle oder eine frühere Neubelegung. Die Fütterung kann für die Tiere optimiert werden, Fehler sind frühzeitig erkennbar. Wir sparen z. B. Arbeitszeit und Futter. Kontrolllisten und Aktionslisten er-leichtern die Tagesroutine.

Wie profitieren Sie von Pro Gesund?Als Tierhalter können wir das übersichtliche Ampelsystem als Frühwarnsystem kostenfrei nutzen. Letztendlich profi-tieren natürlich die Tiere selbst, weil wir einfach früher dran sind, wir können handeln, wenn eine Kuh, ein Kalb anfängt, krank zu werden.

Wie rüsten Sie Ihren Betrieb für die Zukunft?Trotz des schlechten Milchpreises optimieren wir momen-tan den Abkalbe- und Trockensteherbereich. Der Anbau in Holzkonstruktion mit eigenem Bauholz und Stroheinstreu bietet den großträchtigen Tieren optimale Bedingungen für die Trockenstehzeit. Eine Abkalbebox ist ebenfalls im Anbau. Die positiven Auswirkungen auf die Tiergesundheit und die Leistungsbereitschaft sind unbestritten. Eine Neugestaltung des Laufstalls mit der Veränderung der Liegeboxenbreite ist ebenfalls geplant.

Was macht Ihren Betrieb so beispielhaft für den Bayerischen Weg?Mit rund 65 Milchkühen und eigener Nachzucht arbei-ten wir als Familienbetrieb ohne Fremdarbeitskräfte. Die gewachsene Hofstätte befindet sich im Dorf und die Alt-gebäude wurden jeweils integriert. Die Laufstallhaltung wurde in den 90er Jahren mit einem Neubau verwirk-licht.

Wie sah die Betreuung durch die Landesanstalt für Landwirtschaft aus? Pro Gesund ist gut auf unsere Bedürfnisse abgestimmt. Die Datenplattform, die die LfL zusammen mit dem LKV entwi-

ckelt hat, bietet einen mehrjährigen Vergleich der genauen Betriebsentwicklung in Zahlen und Fakten. Vage Einschät-zungen, z. B. wo stehe ich bei der Fruchtbarkeit, werden mit konkreten Fakten überprüft. Der Programmaufbau, die ein-fache Dateneingabe und die Darstellung mit Graphiken oder Ampelsystemen erleichtern die Bedienung. Alle wichtigen Informationen sind gut erkennbar.

Was raten Sie Berufskollegen mit ähnlichen Be-triebsstrukturen?Vorbeugung wird in Zukunft wichtiger. Behandlungen, auch mit Medikamenten, sind kostenintensiv und werden bei der Bevölkerung diskutiert. Pro Gesund und die enge Zusam-menarbeit mit dem Tierarzt verringern die Anzahl von Tier-arztbesuchen für akute Notfälle. Und zu gesunden Tieren geht man gerne in den Stall.

Frau und Herr Betz, vielen Dank für das Interview.

DAS INTERVIEW FÜHRTE: SABINE WEINDL BAYerIScHe LANdeSANSTALT fÜr LANdwIrTScHAfTABTeILUNG INforMATIoN UNd [email protected]

→ Auch der Junior (rechts) steht voll hinter dem Programm Pro Gesund

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© Wolfgang Seemann, LfL

500 Jahre bayerisches Reinheitsgebot „Wir wöllen auch sonnderlichen, das füran allenthalben in unsern Stetten Märckten und auf dem Lannde zu kainem Pier merer stuckh dann allain Gersten, Hopffen und Wasser genomen und gepraucht sölle werden.“

Herzog Wilhelm IV, 23. April 1516

Bier in Bayern – Landesausstellung 2016 im Kloster Aldersbach im Passauer Land von 29. April bis 30. Oktober 2016

www.landesausstellung-bier.de/landesausstellung/

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Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und ForstenISSN: 0941-360X

Internet:www.stmelf.bayern.de/SuB

Abonnentenservice:Staatliche Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und ForstenPorschestraße 5 a, 84030 Landshut, Telefon +49 871 9522-371, Fax +49 871 9522-399

Kontakt:Schriftleitung: Angelika SpitzerPorschestraße 5 a, 84030 Landshut, Telefon +49 871 9522-394, Fax +49 871 9522-399 [email protected]

Die in „Schule und Beratung“ namentlich gekennzeichneten Beiträge geben die Auffassung des Autors wieder. Eine Überprüfung auf fachliche Richtigkeit ist nicht erfolgt.

Redaktionsschluss für Heft 7-8/2016: 1. Juni 2016

Titelbild: Schwäbisch-Hällische Landschweine, Wolfgang Seemann, LfL